CHILDREN OF THE REVOLUTION - Siegessäule
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SIEGESSAULE WE ARE QUEER BERLIN JUNI 2016 • SIEGESSAEULE.DE Internetaktivistin Marie Gutbub CHILDREN OF THE REVOLUTION World Wide Widerstand: Queerer Internetaktivismus Opfer des Paragrafen 175: Jetzt rehabilitieren! Kreuzberger CSD: „Queer bleibt radikal“ BERLINS MEISTGELESENES STADTMAGAZIN EXPANDED CONTENT IN ENGLISH
DAS WALDBÜHNENKONZERT Daniel BARENBOIM West-Eastern DIVAN Orchestra Martha ARGERICH 13.08.16 19 Uhr Franz LISZT Programm Richard WAGNER Ticketpreise 21 – 64 Euro zzgl. VVK Gebühren, 030 47997477 oder www.waldbuehnenkonzert.de
Inhalt 3 Seite 10 X*CSD Im Gegensatz zum großen CSD steigt der diesjährige Kreuzberger X*CSD ganz regulär im Juni. Wir haben FOTO: JACKIE BAIER alle Infos Seite 24 Children of the Revolution Joey Hansom gathered intelligence on some queer FOTO: MATTHIAS HAMANN Berliner activists who are fighting for our civil liberties on the world wide web Seite 38 FOTO: ARNO Billie Ray Martin Die „Nico der Rave Genera- „Raus auf die Straße tion“ meldet sich mit ihrem zum X*CSD!“ neuen rootsy Album „The Soul Tapes“ zurück. Steve Morell Viel Spaß mit der von Pale Music International Juniausgabe der hat es für SIEGESSÄULE ange- FOTO: JÖRN HARTMANN SIEGESSÄULE hört und ist begeistert wünscht die Chefredaktion! Jan Noll und Christina Reinthal wir heute hier Special Media SDL GmbH 05 Tach auch 32 Film 53 Programm SIEGESSÄULE SIEGESSÄULE-Chefredakteur Jan Noll Deutsch-mongolisches Lesbenkino: Das ganze Berlin-Programm Ritterstr. 3 über die längst überfällige Rehabilitie- „Schau mich nicht so an“ English calendar of events 10969 Berlin rung der Opfer des Paragrafen 175 Redaktion, Tel.: 23 55 39-0 36 Musik 80 Stadtplan redaktion@siegessaeule.de 07 Community Die lesbischen Bubblegumpop-Zwillinge siegessäule.de Wie Homofreundlich ist der Islam? Inter- Tegan & Sara im Interview 84 Essen Redaktionsschluss: 13.06. view mit dem schwulen Imam Ludovic- ... mit Blick aufs Wasser Mohamed Zahed, X*CSD in Kreuzberg, 42 Buch Programmtermine: -33, -46 termine@siegessaeule.de Die AG Haft von Mann-O-Meter beglei- Online-Tauschbörse für queere Bücher 86 Kleinanzeigen tet seit 25 Jahren Schwule im Knast Terminschluss: 07.06. 46 Bühne 96 Flashlights Anzeigen: -13 16 Politik „Die Entführung aus dem Serail“ an der anzeigen@siegessaeule.de Auftakt der Wahlkampfsaison: SIEGES- Deutschen Oper 98 Das Letzte Anzeigenschluss: 14.06. SÄULE-Autor Daniel Segal kommentiert Kolumne von Daniel Call Kleinanzeigen 48 Style File kleinanzeigen@siegessaeule.de 22 Reise SIEGESSÄULE-Redakteurin Kaey über 98 Impressum Irland wird queer Beauty- und Modetrends Kleinanzeigenschluss: 10.06. Abonnement: -15 50 wtf? abo@siegessaeule.de An English roundup SIEGESSÄULE 07/2016 erscheint am 28.06. 52 Klatsch
wir 4 Stadtbild BayBJane auf der Party zu Gloria Viagras 50. Geburtstag am 22.04. im Gretchen Festgehalten von Jackie Baier fotografie.jackiebaier.de
Tach auch 5 Jetzt rehabilitieren! Respect your elders! Durch ein am 11. Mai veröffentlichtes Gutachten der Antidiskriminierungsstelle A report published last month by the federal anti-discriminatory agency des Bundes rutschen die Opfer des Paragrafen 175 gerade zurück in den Fokus brought the victims of Paragraph 175 back into community discussion. A bit der Community. Ein bisschen spät, findet SIEGESSÄULE-Chefredakteur Jan Noll late, thinks SIEGESSÄULE chief editor Jan Noll > Wir alle kennen die Leier und gähnen dabei vor uns hin: Berlin > A statement so obvious by now, it’s a yawnworthy: Berlin is the ist die schwule Sexhauptstadt, nirgends kann man so frei bumsen, capital of gay sex. Nowhere else can you fuck so freely - or suck, blasen, fisten, ficken, rimmen und rammeln. Etliche Partys in die- rim and fist. Numerous nightclubs in the city tout darkrooms, ser Stadt peppen ihr Programm mit Darkrooms auf, werben offen- agressively advertising with gay sex. Mainstream city magazines siv mit schwulem Sex. Mainstream-Stadtmagazine berichten über report on gay orgies at after-hour parties – the promise of wild ho- Gay-Rudelbums auf Afterpartys, das Versprechen von wildem Ho- mosex is the lube of the tourism industry. Fine and dandy. mosex ist das Gleitgel im Getriebe der Tourismusbranche. Ganz Meanwhile, in a parallel universe: On May 11, Germany’s federal Berlin träumt von der schwulen Liebe. So weit, so großartig. anti-discrimination agency published a legal opinion centered on Zur selben Zeit in einem anderen Universum: Am 11. Mai veröf- the conviction and persecution of gay men since 1945 in accor- fentlichte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein Rechts- dance with Paragraph 175. The legal code – which criminalized gutachten, das die Verurteilung und Verfolgung schwuler Männer consensual sex between adult males through 1969 (in West Ger- gemäß Paragraf 175 nach 1945 ins Zentrum stellt (siehe dazu Be- many) and had a higher age of consent for gay sex till 1994 – sen- richt von Melanie Götz auf S. 17). Dem Paragrafen, der bis 1969 tenced up to 50,000 gays between 1949 and 1969 alone. For those (in der BRD) homosexuelle Handlungen zwischen erwachsenen convicted, Paragraph 175 meant not just a prison sentence; it also Männern grundsätzlich unter Strafe stellte und dann bis 1994 ein meant social stigma and ostracism – decades of suffering. This new höheres Jugendschutzalter für schwulen Sex festlegte, fielen allein report concludes that it is a political necessity to strike their crimi- zwischen 1949 und 1969 bis zu 50.000 homosexuelle Männer zum nal records from the books and offer reparations. Federal Justice Opfer. Neben einer Haftstrafe bedeutete eine Verurteilung gemäß Minister Heiko Maas (of the SPD party) announced his intention to Paragraf 175 vor allem eines: Stigmatisierung und gesellschaftli- draft a new law to make this a reality. Sounds promising. che Ächtung bis hin zum kompletten sozialen Exitus. Jahrzehnte- The LGBTI community is rejoicing and is suddenly empathizing langes Leid. Das Gutachten kommt nun zu dem Ergebnis, dass eine with the victims. But let’s be real, this is pseudo-solidarity. We all Rehabilitierung und Entschädigung dieser Opfer politisch geboten have to ask ourselves, how much have we honestly cared about ist. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) kündigte an, einen ent- this injustice in the past? Apart from a select few gay politicians, sprechenden Gesetzesentwurf auf den Weg zu bringen. So weit, so associations and organizations, how much attention did we give to vielversprechend. the men among us who have had to live as Die Community ju- belt und ist plötzlich Verlogener Schulterschluss criminals, just for doing exactly what has made gay ol’ Berlin famous in the meantime? Is there ... viele von uns hatten die Opfer des Paragrafen 175 vergessen ganz bei den Opfern. a gay man under 40 who cares that while he Um ehrlich zu sein: runs off for a quickie Ein verlogener Schulterschluss, denn wir alle müssen Pseudo-solidarity in Tiergarten during uns ernsthaft fragen, wie sehr uns dieses Unrecht in ... many of us have forgotten about the victims of Paragraph 175 the pride parade, ten den vergangenen Jahren interessiert hat? Wie breit meters away there’s war denn, abgesehen von ein paar unverwüstlichen schwulen Poli- probably an older man marching along with the demo, who had to tikern, Verbänden und Vereinen, die Aufmerksamkeit in der brei- go to court for doing the same thing and still to this day has a ten Szene für all diese Männer unter uns, die als Straftäter leben criminal record? Many of us have forgotten about the victims of müssen, weil sie eben genau das getan haben, was heute zum Paragraph 175 and their dignity. We’ve done nothing to lobby for goldenen Gay-Bienchen der Hauptstadt geworden ist? Welchen them, aside the official list of demands of the Berliner CSD Pride schwulen Mann unter 40 kümmert es denn, dass er beim CSD im Parade, which gets buried underneath all the empty plastic beer Tiergarten Sex haben kann, während keine zehn Meter entfernt cups. Turning the legal opinion into an actual law will be a chal- wahrscheinlich ältere Menschen (who?) in der Demo mitlaufen, die lenge, and that is not the only reason why supporting our forefa- eben dafür vor Gericht gestellt wurden und bis heute mit einer Vor- thers should be at the top of our agenda. < strafe leben müssen? Viele von uns haben die Opfer des Paragrafen Translation: Joey Hansom 175 und ihre Menschenwürde vergessen, haben aufgehört, abseits von im Sekttaumel vernuschelten CSD-Forderungen für sie einzu- treten, diesen Männern eine Lobby zu sein. Und nicht nur, weil die Rehabilitierung und Entschädigung mit Sicherheit keine einfach zu erreichenden Ziele sind, sollten wir sie spätestens jetzt wieder ganz oben auf unsere Agenda setzen. <
wir 6 Magazin Aufruf Lesbenmassen mitten im schwulen Kiez?! Keine Panik, es geht nur um den 4. Dyke* March Berlin, der diesmal am Nollendorfplatz star- tet. Angeführt von den Dykes on Bikes beginnt die Demo für lesbi- sche Sichtbarkeit in der Motzstraße und führt von dort aus nach Kreuzberg. Wie auf Dyke Marches in den USA üblich, wünscht man sich auch in Berlin mehr schwule Unterstützung: schwule Anwohner und Lokalbesitzer Schönebergs sind aufgerufen, sichtbar zu zeigen, FOTO: BRIGITTE DUMMER dass sie Lesben cool finden und in ihrem Revier herzlich willkommen heißen. Das können Transparente an Balkonen sein, Jubelrufe, Frei- bier oder sonstige Aktionen, die das lesbische Herz erfreuen. Termin: 22. Juli, 19:00, Nollendorfplatz. dykemarchberlin.com FOTO: BRIGITTE DUMMER FOTO: ISTOCK/SCANRAIL Hilferuf Support your local Christopher Street Day! Der Berliner CSD e. V. braucht Zuruf dringend ehrenamtliche Unterstützung. Gesucht werden Menschen, die auf diversen Events beim Spendensammeln und Flyerverteilen helfen, Dein Radio brennt! Überall SIEGESSÄULE – beim Texte versiert in diverse Fremdsprachen übersetzen (alle Sprachen will- Autofahren, Putzen, Duschen und zum Feierabend- kommen!), Wagen dekorieren und bei der Demo am 23. Juli absichern bier. Für einen Monat gehen wir beim „Love & oder als Volunteers beim Finale mithelfen. Also, Arsch hoch und flugs ‘ne Pride“-Radio von pure.fm, das zwischen dem 25. Juni E-Mail an volunteers@csd-berlin.de (für ÜbersetzerInnen: pr@csd- und dem 24. Juli mit einer UKW-Frequenz unter 99,1 berlin.de)! auf jedem Radio empfangbar ist, auf Sendung und sind mit SIEGESSÄULE-Radio dann jeden Sonntag zwischen 18:00 und 20:00 für euch am Start. Musik, Talk, Interviews, Klatsch und natürlich jede Menge Szenenews. Los geht’s am 26. Juni. Schaltet rein, wir freuen uns auf euch! Nachruf Margie vom Pour Elle ist tot. Knapp 30 Jahre – von 1972 bis zum Ver- kauf des Ladens an Peter Plate 2001– war die gelernte Fleischerin, die eigentlich Margit Drexhage hieß (Foto, li.), die Seele der legendären Lesbenbar in der Kalckreuthstraße 10. „Was möchtest du trinken?“ – mit dieser Frage wurde jahrzehntelang jede Besucherin des Pour Elle von Margie begrüßt. Vor über zehn Jahren hatte sie bereits mit Brustkrebs zu kämpfen und starb nun nach langer Krankheit im Alter von 70 Jahren. Wir hoffen, Göttin fragt sie nicht: „Was möchtest du trinken?“, sondern begrüßt sie mit einem freundlichen „Prosit Margie!“ Beate Seiferth/jano
Community 7 Sommer Konzerte im Botanischen Garten Berlin Was macht eigentlich ... die Initiative Fußball für Vielfalt? Die Bildungsinitiative „Fußball für Vielfalt“ wurde 2013 von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld ins Leben gerufen: Politiker, Sportfunktionäre und Fußballver- eine unterschrieben damals die Berliner Erklärung „Gemeinsam gegen Homo- phobie. Für Vielfalt, Respekt und Akzeptanz im Sport“. Jetzt nimmt deren Arbeit ganz konkrete Züge an: Zusammen mit der Bundesliga-Stiftung konzipierte man Workshops, um TrainerInnen, MitarbeiterInnen und SpielerInnen der Bundesliga- Clubs für das Thema sexuelle Diskriminierung zu sensibilisieren. SIEGESSÄULE sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesliga-Stiftung, Stefan Kiefer > Herr Kiefer, die Bundesliga-Stiftung ist mit dem Angebot von Schulungen zum Thema Homophobie an die Fußball- clubs herangetreten. Was ist das Ziel dieser Workshops? Das Hauptaugenmerk liegt darauf, Menschen zu sensibilisieren. Als Bundesliga-Stiftung setzen wir uns schon jahrelang mit dem Thema Antidiskriminierung in seinen vielfältigen Ausprägungen auseinander und möchten uns innerhalb des Profifußballs für ein Stefan Kiefer ist seit Juni–August 2016 diskriminierungsfreies Umfeld einsetzen. Das gilt auch mit Blick November 2014 Vorsit- Freitags 18–20 Uhr auf die sexuelle Identität. zender des Vorstands der Bundesliga-Stiftung Musik im Grünen: An wen genau richtet sich das Angebot? Wir bieten diese Rock, Soul, Swing, Workshop-Reihe den insgesamt 36 Clubs der Bundesliga und Klassik u.v.m. 2. Bundesliga an. Innerhalb kürzester Zeit haben bereits 18 von ihnen Interesse bekundet – das zeigt, dass dieses Thema dort für sehr wichtig erachtet wird. Das Angebot wird individuell auf jeden Club zugeschnitten. Die Teilnehmenden sollen zu Multiplikatoren Konzerte im Juni: im Bundesliga-Umfeld werden. Aktuell kann ich vom ersten Work- 3. 6. shop berichten, der am 12. Mai bei Schalke 04 stattgefunden hat: Laura la Risa y Compañia Dort war im Grunde genommen der gesamte Querschnitt des Clubs – Flamenco vertreten. Es waren Verantwortliche, auch aus dem Vorstand, Ver- treter aus dem Nachwuchsleistungszentrum, der Fanarbeit, der 10. 6. Berlin Beat Club – Beat, Mitgliederbetreuung, aber auch aus dem Sicherheitsbereich dabei. Rock, Soul der 60er und Wie sind die Workshops inhaltlich aufgebaut? Es geht da- 70er Jahre rum, Wissen rund um das Thema sexuelle Vielfalt zu vermitteln. Zum Beispiel um scheinbar banale Dinge wie Begriffsbestimmun- 17. 6. gen: Darf ich „schwul“ sagen oder heißt es „homosexuell“? Das Ziel Conexión – Salsa & Latin ist, Vorurteile und Unsicherheiten abzubauen. Jazz Glauben Sie, dass diese Workshops auf lange Sicht dazu 24. 6. beitragen werden, dass Profifußballer sich trauen, in der Ulli und die Grauen Zellen Öffentlichkeit zu ihrer Homosexualität zu stehen? Es ist – Rock Klassiker nicht unser Ziel, Profifußballer oder Nachwuchsspieler zu ihrem Coming-out zu bewegen. Sie stehen sowohl vereinsintern als auch Alle Termine unter: in der Öffentlichkeit im Fokus. Nicht nur ihre sportliche Leistung www.botanischer-garten-berlin.de betreffend – es gibt eine ganze Reihe an Themen, denen sie täg- Tickets an den Kassen lich ausgesetzt sind. Dazu gehört auch die Frage nach der Sexuali- des Botanischen Gartens tät. Fest steht: Die Frage nach einem Coming-out bleibt eine ganz und bei KOKA 36, Tickethotline: (030) 61 10 13 13 individuelle und persönliche Entscheidung. Für jeden Einzelnen gibt es diverse und ganz unterschiedliche Beweggründe, sich zu outen oder es zu unterlassen. Wir wollen einen Beitrag dazu leis- ten, dass das Umfeld der Jugendlichen und Profis mit dieser The- matik ganz normal umgeht, sodass zum Beispiel Homosexualität überhaupt kein Thema mehr ist. Das möchten und das müssen wir erreichen. < Interview: Isabel Lerch
wir 8 Community Den Islam zurückerobern Menschen wie Ludovic-Mohamed Zahed begegnet man nicht oft: Der Franzose mit algerischen Wurzeln ist Imam, offen schwul und reist durch die Welt, um eine Interpretation des Koran zu ver- breiten, die mit Homosexualität oder Trans*identi- tät bestens vereinbar ist. Der 39-Jährige will damit auch muslimischen LGBTIs helfen, die sich in einem Konflikt mit ihrer Religion befinden. Als Ludovic-Mohamed Zahed Anfang Mai im LSVD- Zentrum für Migranten, Schwule und Lesben zu Gast war, nutzten wir die Gelegenheit, um uns mit ihm über den Islam, aber auch den aktuellen Rechtsruck in der Community zu unterhalten Infos in Englisch zur > In Berlin und anderswo ist es sein, die eine neue und liberalere Gesellschaftsordnung möchte. Organisation „The schwierig, eine offizielle muslimi- Aktuell erleben wir in Europa einen allgemeinen Rechts- Inner Circle“ unter sche Stimme zu finden, um über das ruck. In Deutschland ist die AfD zum Beispiel sehr erfolg- theinnercircle.org.za Thema Homosexualität und Islam zu reich mit Aussagen, dass der Islam nicht zu Deutschland sprechen. Fühlt es sich komisch an, gehöre. Doch obwohl gleichzeitig auch ein reaktionäres als eine Art „The Only Gay Imam in Familienbild propagiert wird, erfreut sich die Partei in the Village“ die diskursiven Bedürf- der Community wachsender Beliebtheit. Wie schätzt du nisse der westlichen Hemisphäre zu das ein? Es ist das gleiche Phänomen wie in Frankreich, wo es befriedigen? Hm, nein warum sollte sich viele LGBTIs gibt, die sich durch die Einwanderung von Muslimen das auch komisch anfühlen? Ich denke, es und die Flüchtlingsbewegung bedroht fühlen. Vor fünf Jahren ist wichtig, dass Minderheiten möglichst schon haben etwa 20 Prozent der LGBTI-Community den rechten intensiv an der öffentlichen Debatte teilha- Front National gewählt. Zuletzt waren es sogar 30 Prozent. Sie alle ben, alleine schon deshalb, weil ich sie als werden von Angst und dem Gefühl einer vermeintlichen islami- Vorhut sozialer Reformen sehe. Schauen schen Übermacht zu diesen Parteien getrieben. Wir sehen also: wir uns nur mal die Ehe für alle in Frank- Trotz unserer Bildung, unserer Geschichte und unserer Sozialisa- reich an. Konservative und Rechte im tion sind wir – kaum erleben wir eine Form der Krise – kein biss- ganzen Land gingen auf die Straße, weil chen anders als die Araber, die ja gerne als besonders barbarisch sie Angst hatten, dass die klassische Vater- tituliert werden. Leider sind nationalistische Parteien noch immer Mutter-Kind-Familie verschwinden würde. auf dem Vormarsch, und zwar hier in Europa genauso wie in den Natürlich ist das nicht passiert. Nur das arabischen Ländern. Und ich fürchte, das wird auch noch ein althergebrachte Modell, wie eine Familie wenig andauern. aussehen darf, wurde verändert. Das ist Wie lässt sich diese Entwicklung nach rechts erklären? nur ein kleiner Teil der aktuellen gesell- Gerade LGBTIs sind doch als sexuelle Minderheit oftmals schaftspolitischen Erosion, in der über selbst Opfer von Diskriminierung … Das ist alles sehr kom- Jahrhunderte scheinbar natürliche Regeln plex. Auch hier ist die Ehe für alle, die wir jetzt in Frankreich langsam aufgebrochen werden. Das ist es, haben, ein gutes Beispiel. Ich erlebe gerade viele Queers, die es wovor sich manche fürchten. Als schwuler genießen, endlich heiraten zu dürfen. Dadurch, dass ihnen diese Imam gehöre ich vermutlich genau zu die- Institution offensteht, sehen manche keinen weiteren Bedarf sem Prozess, dass alte Wahrheiten immer mehr, das „System“ zu kritisieren. Das Credo lautet nun: Endlich weniger Gültigkeit besitzen. Dabei fühle können wir genauso sein wie alle anderen, damit aber auch ge- ich mich aber nicht so, dass ich als etwas nauso rassistisch und ausgrenzend. Mit gutem Gewissen können „Exotisches“ herumgereicht oder gar in- wir die eigene Nation und ihre Grenzen verteidigen. Wir spre- strumentalisiert würde. Es ist eher das chen hier von Homo-Nationalismus. Ein Phänomen, das immer Gefühl, an der Spitze einer Bewegung zu populärer wird.
Community 9 Allerdings wird oft behauptet, es sei nun mal Fakt, dass viele homo- und transphobe Gewalttaten von Menschen mit muslimischer Migrationsgeschichte verübt werden. Was sagst du dazu? Ich denke, es werden tatsächlich einige Gewalttaten von ethnischen Minderheiten begangen, aber natür- lich längst nicht so viele, wie gerne behauptet wird. Was mir dabei wichtig ist, sind auch die Strukturen dahinter. Denn genau diese Gruppen sind häufig mit schwerwiegenden sozialen Problemen wie Arbeitslosigkeit und geringer Bildung konfrontiert. Wenn wir also wirklich ein besseres Europa für morgen schaffen wollen, sollten wir uns nicht auf Werte der Vergangenheit konzentrieren, sondern auf die der Zukunft. Dazu gehört auch, ethnische Minder- heiten besser zu integrieren, sodass am Ende jeder einzelne Bür- ger gleich ist und dieselben Chancen hat. Immer wieder führst du Workshops mit queeren Musli- men durch. Worum geht es dabei? Viele der TeilnehmerInnen machen sich Gedanken, ob ihre Sexualität mit ihrem Glauben ver- einbar ist. Einige haben schon viel darüber gelesen und verfolgen die Debatte innerhalb des Islam. Sie wollen einen friedlichen Weg finden, ihre Sexualität mit ihrem Glauben in Einklang zu bringen. Sie wollen nicht mehr das Gefühl haben, zwei Personen sein zu müssen, um beides zu leben. Und was sagst du ihnen, damit sie das schaffen? Ich versu- che, den Menschen Selbstvertrauen zu geben und erzähle ihnen meine Geschichte, meine Perspektive, wie ich zu dem wurde, der ich heute bin. Dazu gehört, dass ich über Sodom und Gomorra spreche und über den Propheten Mohammed, der LGBTIs als das akzeptierte, was sie sind – und sogar bei sich aufnahm. Weil Homophobie und Terrorismus immer wieder mit dem Islam gerechtfertigt und begründet werden, versuche ich, hier die Deutungshoheit zurückzuerobern. Das Schönste ist, wenn ich am Ende höre: Danke, dass endlich jemand eine Form des Islam predigt, nach der ich so lange gesucht habe. Wie war deine eigene Auseinandersetzung damit, als du gemerkt hast, dass du schwul bist? Es war schon hart. Aber: Es hätte noch viel schlimmer können kommen. Meine Familie hat mich nämlich – irgendwann – akzeptiert. Das hat allerdings Jahre gedauert. Jahre, in denen mein Bruder mir mehrmals die Nase brach und sehr patriarchalisch-machistisch handelte. Dann aber war es irgendwann in Ordnung. Mit meinem offiziellen Coming- out habe ich irgendwie die Gewalt beendet. Auch wenn es dann noch eine Zeit lang dauerte, bis es wirklich o. k. war und sie einsa- hen, dass es nicht darum geht, nur das richtige Mädchen zu finden. Denkst du, dass es auch schon bald mehr Imame geben wird, für die LGBTIs ein selbstverständlicher Teil der Ge- sellschaft und eben auch des Islam sind? Ich glaube, dass das kommen wird. Bis es so weit ist, wird es allerdings noch längere Zeit dauern. Ich sehe es als meine Aufgabe und die meiner Organi- sation „The Inner Circle" an, Imame auszubilden, was wir aktuell in Südafrika, in den USA und in Europa machen. Leider ist es so, dass die Auswirkungen dieser Arbeit erst in circa 15 Jahren spür- bar sein werden, während ein islamistischer Terrorist gerade ein- mal ein paar Minuten benötigt, um eine Bombe zu zünden und damit sich und seine Ideologie weltweit in den öffentlichen Fokus zu rücken. Wir müssen leider geduldig sein. < Interview: Daniel Segal
wir 10 Community Yalla, Kreuzberg! Der alternative CSD in Kreuzberg findet in diesem Jahr am 25.06. unter dem Namen X*CSD statt und will ein radikales politisches Zeichen setzen – für Solidarität mit allen Geflüchteten, gegen Gentrifizierung, Razzien, Kriminali- sierung von Drogenkonsum und die Instrumentalisierung der queeren Szene. Malte Göbel fasst die wichtigsten Infos zusammen X*CSD, 25.06., 16:00, > Wegen der Fußball-Europameister- „Das ist alles nur vorgeschoben. Oranienplatz schaft verschieben sich der große Andere sollen nicht in unserem CSD und das Stadtfest auf Juli – Namen sprechen!“ Mehr Infos unter: doch in Kreuzberg gehen Queers Ebenfalls Thema sind aktuelle Dis- xcsd.wordpress.com am 25. Juni demonstrieren. „Yalla auf kussionen aus Kreuzberg. Das Kotti die Straße! Queer bleibt radikal!“ ist wurde zuletzt in Medien wiederholt Block 36 X*CSD- das Motto des alternativen CSDs, der als Hotspot von Drogen, Gewalt und Party, 25.06., 22:00, sich dieses Jahr X*CSD nennt. Das X Kriminalität beschrieben. „Aber die SO36 (mit LCavaliero, steht für Kreuzberg – „aber auch in Initiativen von Frauen und Queers Bella Cuts u. a.), und dem Sinne, dass es alles umfasst“, werden nie gefragt. Es geht hier nur 0:00, Südblock (mit heißt es vonseiten der Orga-Gruppe, um Zuspitzungen und Skandalma- Adirjam, Masta Sai, ein loses Bündnis aus Einzelperso- cherei.“ Natürlich seien die Verhält- Sabuha Salaam u. a.) nen, Locations (SO36, Südblock) und nisse extremer geworden: Es gebe Gruppen (u. a. Rattenbar, Soli Tsoli, mehr Obdachlose, Geflüchtete ohne Mash Up, 15M Berlin). Alle haben Perspektive. „Am Kotti prallen Wel- Bezug zum Kreuzberger Kiez und ten aufeinander.“ Doch gerade die wollen ein politisches und radikales Linken aus Kreuzberg sollten anders Zeichen setzen. „Wer nur nett etwas damit umgehen, als nach mehr Law trinken will, sollte lieber im Juli auf and Order zu rufen. den großen CSD gehen.“ Die Route der Demo zeigt weitere „Yalla“ aus dem Motto ist arabisch politische Schwerpunkte: Zum Start und bedeutet „los!“. Der X*CSD steht um 16:00 am Oranienplatz geht es auch unter dem Eindruck des Um- um Geflüchtete, an der Manteuffel- gangs mit Geflüchteten, queeren und straße um den Politladen M99, dem nicht queeren. „Es gibt nicht gute Ge- gekündigt wurde, am Görlitzer Park flüchtete und schlechte Geflüchtete“, um Razzien und die Kriminalisie- sagt die Orga-Gruppe und fordert rung von Drogenkonsum, in Kreuz- eine deutliche Positionierung der kölln um die angedrohte Räumung lesbisch-schwulen und der queeren des Hausprojekts in der Friedelstra- Szene: „Wir sind solidarisch mit allen ße, am Kotti dann um Gentrifizierung Menschen!“ Die Botschaft geht auch – hier arbeitet die Initiative Kotti & an die Mehrheitsgesellschaft: „Die Co gegen Mieterhöhungen. Demo- Queerszene darf sich nicht instru- Ende ist um 18:00 am Heinrichplatz, mentalisieren lassen!“ Oft würden wo bis Mitternacht die Abschluss- Frauenrechte und LGBTI-Rechte be- kundgebung steigt. Das Bühnenpro- nutzt, um gegen Geflüchtete und gramm wird auch in deutsche Muslime Stimmung zu machen. Gebärdensprache übersetzt. <
Community 11 X marks the spot Berlin’s alternative Pride Parade takes place the last Saturday of June, now under the name X*CSD. It’s all about expressing radical politics: showing soli- darity with refugees and taking a stance against gentrification, police raids and the criminalization of recreational drug use. Malte Göbel sums it up FOTO: J. JACKIE BAIER > This year, because of the UEFA European Championship, Berlin's main Pride Parade (CSD) has been shifted to July. But the radical queers aren't letting some sports fanatics get in the way of tradi- tion: this year's alternative Pride is taking place on June 25. What was called “Kreuzberger CSD” is now called X*CSD, which still vaguely references the district it takes place in (Xberg), but cou- pled with the asterisk, it leaves room for the inclusion of those who don't live in Kreuzberg (especially the ones who have been displaced due to rising rents). The parade's team is made up of in- dividuals, organizations and the venues SO36 and Südblock, all with the common goal of expressing their radical politics. “If you just want to have a nice drink, you’re better off waiting until the big CSD in July,“ they say. The political situation in Kreuzberg is complicated – along with gentrification, there are increasing crime rates that have become sensationalized by the media and misused by politicians to pro- mote their own agendas. X*CSD is concerned with all of this, in ad- dition to the way that LGBTI and women are being exploited to stir up fear against refugees and Muslims. As queer is now cool and feminism fashionable, this year’s slogan is “Keep queer radical!” (Actually, it's “Queer stays radical!”, which was mistranslated from German, but it’s clear to see what they mean.) At its core, this parade is a call for solidarity, not just among politi- cally minded LGBTI people but all minorities. Kottbusser Tor is a place where different worlds collide, and X*CSD aims to unite rather than divide. Each stop on the parade's route represents a different political focus, including the starting point at 16:00 at Oranienplatz (refugees), on to Görlitzer Park (the criminalization of drug use), to Kreuzkölln (the threatened eviction of the housing project on Freidelstraße), to Kotti (gentrification), and finally Hein- richplatz for the closing rally at 18:00. That will continue with speakers and performers till midnight, when a joint party between SO36 and Südblock will already be underway. < Translation: Joey Hansom X*CSD, Jun. 25, 16:00 at Oranienplatz Block 36 X*CSD Party, Jun. 25, 22:00 at Südblock and SO36
wir 12 Community © Grün Berlin GmbH Warschauer Pakt 2016 in Berlin Im Juni lebt eine junge deutsch-polnische Tradition auf: die Soli-Fahrt zum Pride in Klang-Farben-Fest Warschau. Das Netzwerk „Next Stop War- saw Pride“ hat über 60 queere BerlinerIn- Sonntag, 26.06.2016, nen zusammengetrommelt, die am 11. Juni bei der Parada Równosci ´ mitdemonstrieren 12:00 – 17:00 Uhr wollen. Mitorganisator Paul Pathenheimer FOTO: IMAGO/ZUMA PRESS Im goldenen Wandelgang können erklärt, warum zehn Jahre nach dem „War- Sie traditioneller Musik und schauer Pakt 2006“ wieder ein Ausflug Geschichten lauschen und auf nach Warschau nötig ist eine Reise in die christliche Kultur gehen. Mitreißender Gospel, spannende Lesungen, Bläser- gruppen und Mitmach-Aktionen Weitere Infos: > Geschichte wiederholt sich nicht, Umso mehr setzen die polnischen für Groß und Klein laden ein. nextstopwarsaw2016. sagt man. Aber sie hat einen Sinn für LGBTI-Organisationen auf Unterstüt- wordpress.com Jubiläen. Genau vor zehn Jahren zung aus anderen Ländern. Die Idee Eintritt: 7,00 €, ermäßigt 3,50 € gründeten Homo-Organisationen aus zu einer Vernetzung kam Paul und (Jahreskartenbesitzer haben Mailverteiler, über Polen und Deutschland den „War- seinen MitstreiterInnen bei einem Ge- freien Eintritt) den sich Mitreisende schauer Pakt 2006“ – tatkräftig unter- spräch mit einem Aktivisten der Ho- vernetzen können: stützt von SIEGESSÄULE. Einige morechtsgruppe Lambda Warszawa. warsaw2016@lists. Hundert BerlinerInnen fuhren im Die Vision erklärt Paul so: eine „trans- WM-Sommer in die polnische Haupt- nationale queere Bewegung von © Grün Berlin GmbH riseup.net stadt, um zu demonstrieren. Ihr Ziel: unten, um politische Veränderungen Vorbereitungstreffen: die Parada Równosci´ („Gleichheitspa- in Europa anzustoßen“. Konkreter Bei- 08.06, 19:00, rade“). So heißt dort der CSD. Im Jahr trag aus Berlin vor Ort: zwei Work- Sonntags-Club zuvor waren mehrere TeilnehmerIn- shops. Im Tunten-Kurs gibt es Tipps nen tätlich angegriffen und verletzt und Stoff zum Auftransen, im An- Parada Równosci,´ worden. Die Demo 2006 verlief fried- schluss gehen alle in Drag zur Demo. 11.06., 15:00, Start- lich – dank massiver Polizeipräsenz Ein weiterer Workshop soll klären, punkt: Emilia Plater und dem Schulterschluss der euro- wie sich die Queer-Bewegungen (vor dem Kulturpalast), päischen Queers. Europas besser vernetzen könnten. Warschau Am 10. Juni 2016 macht sich wieder Die Berliner Soli-Reisenden treffen eine Gruppe auf den Weg. Das Netz- sich am 8. Juni zur Vorbesprechung werk „Next Stop Warsaw Pride“ hat im Sonntags-Club. Das Organisations- schon 60 Zusagen. „Wir wollen den team von „Next Stop Warsaw Pride“ Leuten in Warschau das Gefühl stellt sich vor und gibt Reisetipps für geben: Ihr seid nicht alleine“, erklärt Warschau. Interessierte können sich n-2017.de Mitorganisator Paul Pathenheimer aber auch per Mailverteiler informie- www.iga-berli das Engagement. Die Unterstützung ren lassen und private Fahrgemein- kommt gut an. Die diesjährige Parada schaften abstimmen. Paul kann den Równości soll ein Signal gegen den Polit-Ausflug nach Warschau nur autoritären Kurs der polnischen Re- empfehlen. Er hat die Stadt über sei- Eisenacher Straße 99, gierung setzen. Seit einigen Monaten nen Freund kennengelernt, der zwei 12685 Berlin häufen sich Attacken gegen queere Jahre dort gelebt hat. „Obwohl Polen Tel: 030/700906699 Einrichtungen. Im Büro der „Kampa- direktes Nachbarland ist, hatte ich vor info@gaerten-der-welt.de gne gegen Homophobie“ wurden wie- dem ersten Besuch noch Vorurteile www.gaerten-der-welt.de derholt Scheiben eingeschlagen. „Es im Kopf“, gesteht Paul. „Auch deshalb scheint, dass sich Gewalttäter durch lohnt sich die Fahrt: Sie öffnet einem den Regierungskurs bestärkt fühlen“, die Augen, wie bunt Polen in Wirk- sagt Paul. lichkeit ist.“ < Philip Eicker
Community 13 > Event-Premiere: Noch vor Sommerbeginn laden Hatice Ösgür alias Stefan Kuschner und Jurassica Parka zum schwimmenden Dinner mit unterhaltsamer Bord-Show auf die Spree. „Queer Cruise“ nennt sich das und verspricht einen feuchtfröhlichen Abend. Geboten wird eine Kombination aus Spreefahrt, Drei-Gänge-Menü und Show. „Wir erwarten ein gemischtes Publikum und hoffen auf eine harmonische Veranstaltung ohne politischen Zwang“, erklärt Hatice vorab. Beide geben Berliner Lieder zum Besten, und außer- dem gibt es noch ein Quiz, bei dem man Tickets fürs Schwule Muse- um*, für das Theater O-TonArt, die Komische Oper u. a. gewinnen kann. „Zwischen den Gängen unterhalten wir unsere Gäste mit live gesungenen Liedern, Talk und Sightseeing.“ Trennen diese doch recht verschiedenen Moderatorinnen nicht Wel- ten? „Stellvertretend für alle Bevölkerungsgruppen wollen wir die FOTO: JP Gemeinsamkeiten zelebrieren und nicht die Unterschiede diskutie- ren, die eher zu Abgrenzung führen“, sagt Stefan Kuschner dazu, dessen muslimische Kunstfigur Hatice in der Vergangenheit nicht unumstritten war. Sowohl er als auch Jurassica glauben, dass ihr Vor- SIEGESSÄULE präsentiert Queer Cruise, 11.06., Wasserspiele haben „am besten über Humor und Satire funktioniert. Da gibt es ge- nügend Potenzial zwischen Hatice und Jurassica, die gemeinsam Klischees und Ressentiments verunglimpfen werden.“ 19:00, ab/an Hafen Comedy-Boote sind seit einigen Jahren aus Bei der Spree-Sause sind die Sehenswürdigkeiten Berlins Anlass für Treptow, Boarding ab dem Berliner Sommerentertainment nicht lustige Anekdoten, auch queere Sightseeingpunkte werden gestreift. 18:30 mehr wegzudenken. Die Stern und Kreisschif- Los geht’s am Hafen Treptow quer durch die Innenstadt und das Re- fahrt geht jetzt mit „Queer Cruise“ an den gierungsviertel. Als Begrüßungsshot gibt’s „Ösgür Mjül“ nach Hatices After-Boot-Party: Start, einer Bootstour mit Drei-Gänge-Dinner Geheimrezept. Danach: Spargelcremesuppe mit Kräutercroutons, Jurassica Parkas „Pop- und Showbegleitung: Leinen los für Jurassica gratinierte Hähnchenbrust auf Paprikaschaum mit feinem Gemüse kicker“, 23:00, SchwuZ Parka und Hatice Ösgür und Gnocchi und als Abschluss frische Erdbeeren mit Minze. < fh
wir 14 Community „Wir können stolz sein“ Vor 25 Jahren nahm die AG Haft bei Mann-O-Meter ihre Arbeit auf – die ehrenamtliche Begleitung und Betreuung schwuler Männer in Gefängnissen. Von einem „Nischenprojekt“, das hart um Anerkennung kämpfen musste, entwickelte sich die AG Haft über die Jahre zu einem angesehenen und anerkannten Partner des Berliner Vollzugs. Berlin leistet damit Pionierarbeit, denn das Projekt ist das Einzige seiner Art in ganz Europa. Wir sprachen mit dem Leiter der AG, dem Psychologen Marcus Behrens, über diese Erfolgsgeschichte und die mitunter schwierige Ar- beit mit Schwulen im Knast Die knapp 100-seitige > Marcus, gerade wenn es um das einem Outsiderprojekt zum offiziellen Partner des Berli- Festschrift zu 25 Thema Knast geht, laufen viele mit ner Vollzugs entwickelt. Was waren die größten Hürden Jahren AG Haft mit Klischees im Kopf rum. Wie ist die auf diesem Weg? Es hat ewig gedauert, bis unsere Arbeit ernst vielen Grußworten, Situation von schwulen Häftlingen genommen wurde, bis wir klarmachen konnten, dass hier Opfer Fachbeiträgen und wirklich? Sie sind eine Randgruppe in produziert werden, dass Leute verunsichert sind, leiden und es Interviews mit Häftlin- einem sehr männlich orientierten Umfeld. eindeutig um Menschenwürde geht. Es war außerdem schwierig, gen ist einsehbar unter: Es gibt dort, wie in allen Männerbünden, mit unserem Angebot überhaupt erst mal in die Haftanstalten mann-o-meter.de/wp- klare Hierarchien. Wenn Schwule sich in reinzukommen. Vielen war das Thema zu heikel. Sexualität im content/uploads/AG_Ha diesem Spiel nicht durchsetzen können, Knast ist immer noch ein Tabu. Und dann kann man sich ja vor- ft_Festschrift.pdf dann wird es schwierig. Tatsächlich ist es stellen, wie das erst mit Homosexualität ist. Vollzugsanstalten wer- nicht selten, um mal bei den Phantasien den oft für homophobe Gewalt verantwortlich gemacht, dabei läuft und Klischees zu bleiben, dass dort schwu- es da drin im Grunde auch nicht anders als draußen – gerade bei ler Sex passiert – aber in einer Form, die der Klientel, die da sitzt. den homosexuellen Menschen anschlie- Der Unterschied ist aber, dass die Opfer in Haft nicht weg ßend komplett abwertet. Schwule gehen können. Und das ist genau das Problem! Man hat einen engen meist belastet aus so einem Kontakt he- Raum, wo Menschen möglicherweise über Wochen, Monate oder raus. Aber auch andere grundsätzliche Jahre drangsaliert werden. Deswegen hat der Staat einen deutlich Probleme sind vorhanden: Das Risiko, höheren Fürsorgeauftrag und ist viel mehr in der Verpflichtung, sich mit HIV zu infizieren, ist hinter aufmerksam zu sein und rechtzeitig etwas zu unternehmen. Gittern ungleich höher als draußen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der AG Haft durchlaufen Wie sieht eure Arbeit konkret aus? ein recht langwieriges Eignungsverfahren. Warum ist das Wir bieten Beratung an und bilden hier bei notwendig? Das Arbeitsfeld ist ausgesprochen schwierig. Die Mann-O-Meter ehrenamtliche Mitarbeiter Ehrenamtler müssen gut vorbereitet sein und genau wissen, zu Vollzugshelfern aus. Die betreuen einen worauf sie sich einlassen. Sie müssen gewappnet sein für die Inhaftierten, besuchen ihn alle 14 Tage, Konfrontation mit den Häftlingen, die mitunter manipulativ sein sprechen mit ihm, schauen, wie es ihm können. Außerdem ist es wichtig, dass unsere Mitarbeiter gut im geht. Außerdem versorgen wir die Häftlin- Team zusammenarbeiten können, in dem regelmäßig Erfahrun- ge mit Kondomen und Gleitgel, bringen gen ausgetauscht und Probleme besprochen werden. mal die SIEGESSÄULE mit, damit der Kon- Wie fällt denn dein Fazit nach 25 Jahren Arbeit der AG takt zu Szene bestehen bleibt. Auch bei Haft aus? Der Senat unterstützt uns und schätzt unsere Arbeit den Entlassungsvorbereitungen helfen wir, sehr. Das ist eine tolle Bilanz, die haben wir uns hart erarbeitet. damit die Leute eine gewisse Orientierung Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter werden von den Fachkollegen haben, wieder Anschluss finden. in den Haftanstalten außerordentlich geschätzt, und auch ich Vor 25 Jahren wurde die AG Haft ins finde, dass sie hervorragende Arbeit machen. Darauf können wir Leben gerufen und hat sich von stolz sein. < Interview: Jan Noll
Community 15 20 Jahre nach Vancouver Mit der antiretroviralen Kombinationsthe- rapie war vor 20 Jahren der Aidsforschung ein entscheidender Durchbruch gelungen. Die Folgen prägen bis heute nicht nur das Leben mit HIV/Aids, sondern auch dessen öffentliches Bild. Ein Kommentar von SIEGESSÄULE-Autor Axel Schock FOTO: ROLAND GRIMM Ausführliche Version > Quasi über Nacht war alles anders. Auf der Aids-Konferenz in des Kommentars von Vancouver im Juni 1996 wurde klar: die antiretrovirale Therapie Axel Schock ab dem wirkt – damit gelang es erstmals, die Vermehrung des HI-Virus 19.06. auf im Körper aufzuhalten. Eine HIV-Infektion musste nicht mehr SIEGESSÄULE.DE zwangsläufig zu Aids führen. Für viele an Aids erkrankte Men- schen bedeutete dies: eine Chance zu überleben. Für die Infizier- ten: die Aussicht auf eine recht normale Lebenserwartung. Wie krass diese Zäsur sein würde, war allenfalls zu ahnen. Zu spüren ist sie heute noch – als Bruch zwischen den Generationen. Denn die „Nachgeborenen“ leben zwar nun ohne das Damokles- schwert Aids und die damit verbundenen Ängste, dafür aber in einem wenig beachteten Spannungsfeld: HIV ist für sie eine chro- nische Erkrankung, die keinerlei Grund mehr für eine Sonderstel- lung innerhalb der Gesellschaft liefert. Zugleich aber erfahren diese HIV-Infizierten, dass Mitmenschen dennoch oft mit Vorurteilen und Ausgrenzung auf sie reagieren. Und dann sind da die „Lang- zeitüberlebenden“, die sich bis in die Mitte der 90er-Jahre in einer Art Krieg wähnten, in dem Menschen reihenweise der Epidemie zum Opfer fielen. Der Verlust, die Angst, die Hysterie der Gesell- schaft, der Kampf gegen Diskriminierung, aber auch die Scham, überlebt zu haben, hat manche mehr traumatisiert, als es ihnen selbst bewusst ist. Nun müssen sie mitunter erleben, dass niemand mehr ihre Geschichten aus diesem Krieg hören will, diese sogar als kontraproduktiv empfunden werden. Positive können sich zwar über eine Entdramatisierung der HIV-Infektion freuen, sehen sich aber weiterhin mit der Stigmatisierung auf Basis der alten Bilder von HIV/Aids konfrontiert. 20 Jahre nach Vancouver wäre es daher an der Zeit, an diesen Informationsdefiziten und Generationenkon- flikten zu arbeiten. Und nicht zuletzt ist es an jedem Einzelnen, die Möglichkeit der Therapie und die damit verbundenen Chancen zu nutzen: sich regelmäßig auf HIV testen zu lassen, um so das Virus frühzeitig durch eine Behandlung stoppen zu können. <
wir 16 Politik Ring frei Am 18. September 2016 findet die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin statt. Laut Forsa-Umfrage von Ende April könnte die AfD in der Hauptstadt immerhin auf sieben Prozent kommen. Doch das ist nicht das einzige Problem, das die etablierten Parteien im Wahlkampf und vor allem darüber hinaus in Angriff nehmen müssen. SIEGESSÄULE-Autor Daniel Segal kommentiert zum Auf- takt der Wahlkampfsaison 2016 FOTO: JOSEPH WOLFGANG OHLERT > Es ist so weit: Die Parteien in Berlin brin- die SPD wirklich gut damit beraten ist, sich eine Partei zur Seite zu gen sich für die Wahlen ins Abgeordneten- holen, die in dieser Frage immer weiter vom Common Sense west- haus am 18. September in Stellung. In licher Industriestaaten abdriftet. einem langen Wahlkampf wird man uns er- Doch lassen wir mal die aktuellen Koalitionsparteien in Ruhe. Denn klären, wie die Dauerprobleme unserer wenn man sich den allerersten Abschnitt im Aktionsplan der Stadt gelöst werden sollen: Wohnungsnot, Initiative Sexuelle Vielfalt durchliest, kommt man schnell zu einer hohe Mieten, eine suboptimale Versorgung anderen Partei – der AfD. Die ISV besagt nämlich, dass Bildung und geflüchteter Menschen, die vermeintliche Aufklärung im Bereich sexueller Vielfalt gerade in Schulen gestärkt No-go-Area Kotti und natürlich der gute, alte werden sollen, um so präventiv gegen Diskriminierung, Mobbing BER. Baustellen – auch im wahrsten Sinne und Gewalt vorzugehen und Akzeptanz zu fördern. Bei diesen Sät- des Wortes – gibt es ausreichend. zen stellen sich bei der charmanten AfD-Landeschefin Beatrix von Doch auf was gilt es speziell aus LGBTI-Sicht Storch wahrscheinlich die Nackenhaare auf, ist es doch ihre Partei, zu achten? Zum Beispiel darauf, wie es mit deren Mitglieder unaufhörlich die christliche Vater-Mutter- der im Jahr 2010 noch durch den rot-roten Kind-Familie ohne „Genderwahn“ als alleinige Schutzmöglichkeit Senat ins Leben gerufenen Initiative Sexu- vor einem sonst sicheren Untergang unseres schönen Landes pro- elle Vielfalt (ISV) weitergeht. Der Aktions- pagieren. plan gegen Homo- und Trans*phobie Umso grotesker ist es deshalb, dass die AfD auch in der schwul- besteht aus sechs konkreten Handlungsfel- lesbischen Community zahlreiche AnhängerInnen hat, die wohl dern und bei dem ein oder anderen davon glauben, so weit in der Mitte des Establishments angekommen zu hakt es gewaltig. So verpflichtet sich Berlin sein, dass sie es sich „leisten“ können, jetzt selbst andere auszu- unter anderem dazu, sich bundesweit für grenzen. Die von knapp 50 Institutionen getragene Initiative die vollständige rechtliche Gleichstellung „Berlin braucht uns – Keine Stimme den Blauen und Braunen“ hat von Schwulen, Lesben und Trans* einzuset- es sich daher zur Aufgabe gemacht, gerade die Community aufzu- zen – und zwar auch auf Bundesratsebene. rütteln und auf die Gefahr hinzuweisen, dass AfD und NPD nicht nur Eine Passage, die unser Regierender Micha- andere Minderheiten, sondern eben auch LGBTIs bekämpfen. el Müller im letzten Jahr wohl vergessen Wegsperren will uns – offiziell – zwar niemand mehr. Weitere haben muss, als er sich bei einer Abstim- Zugeständnisse sind allerdings kaum zu erwarten. mung zur Ehe für alle auf Druck der CDU Fakt ist also: Damit wir am Ende wirklich sicher sein können, beziehungsweise des Koalitionsvertrags das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen, werden wir den enthalten hatte – und damit das Gleiche tat Wahlkampf ganz genau beobachten und in den kommenden wie schon Klaus Wowereit 2013. Es drängt SIEGESSÄULE-Ausgaben durch Interviews mit PolitikerInnen ver- sich einem also durchaus die Frage auf, ob schiedener Parteien begleiten.< Daniel Segal
Politik 17 Unrecht aufheben! Ein neues Gutachten, das von der Antidiskriminierungs- stelle des Bundes in Auftrag gegeben wurde, nimmt die Politik in die Pflicht, die kollektiv-systematische Verfolgung homosexueller Männer auch nach 1945 als Verletzung der Menschenwürde anzuerkennen – und die ILLUSTRATION: IVAN KULESHOV Betroffenen endlich zu rehabilitieren Das Rechtsgutachten > Die Bundesrepublik Deutschland steht in der rechts- dition der nationalsozialistischen Gesinnungsvorschrif- „Rehabilitierung der und sozialstaatlichen Pflicht, homosexuelle Männer, die ten“ ein, in der die Verfolgung „quantitativ auf einem sehr nach § 175 StGB auch nach 1945 noch systematisch nach Paragraf 175 des hohen Niveau“, „systematisch“ und „intensiv“ erfolgte. Mit verurteilten homose- Strafgesetzbuches (StGB) verfolgt wurden, kollektiv zu rund 100.000 Anklagen und zwischen 45.000 bis 50.000 xuellen Männer: rehabilitieren. Zu diesem Schluss kommt ein von der Verurteilungen sei es in diesem Zeitraum „zu ähnlich Auftrag, Optionen Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Auftrag gege- vielen Strafverfahren wie in der Zeit der nationalsozia- und verfassungsrecht- benes Rechtsgutachten des Staatsrechtlers Professor listischen Herrschaft“ gekommen, so die düstere Bilanz. licher Rahmen“ ist Dr. Martin Burgi, das die Behörde am 11. Mai veröffent- Neben Haft und anderen Strafen waren gesellschaftliche einsehbar unter: lichte. Der Jurist von der Ludwig-Maximilians-Universi- Ächtung, soziale Ausgrenzung, Erpressung und Denun- antidiskriminierungs- tät München kommt darin zu dem Ergebnis, dass sowohl ziation sowie Verlust der Wohnung und des Arbeitsplat- stelle.de die kollektive Aufhebung der bis heute gültigen Strafur- zes die Folgen – für viele Betroffene bedeutete dies teile sowie die Entschädigung der Betroffenen nicht nur schlicht die Vernichtung ihrer bürgerlichen Existenz- rechtlich zulässig, sondern politisch geboten seien. Die grundlage. Rehabilitierung solle die verletzte Menschenwürde der Während der betreffende Paragraf 175 des DDR-StGB Betroffenen wiederherstellen, das „sozialethische Un- 1957 ausgesetzt und bereits 1968 ganz gestrichen wurde, werturteil“, das über die Betroffenengruppe verhängt schaffte der Bundestag den Paragraf 175 im wiederver- wurde, politisch anerkannt und als solches aufgearbeitet einigten Deutschland erst 1994 endgültig ab. Bis dahin werden. Die Entschädigung könne demnach ebenfalls hatte er im Westen männliche homosexuelle Kontakte kollektiv, etwa in Form eines Fonds für Aufklärungs-, im Vergleich zu heterosexuellen mit einer willkürlich Erinnerungs- und Bildungsarbeit zum Thema erfolgen, höheren Jugendschutz-Altersgrenze diskriminiert. so die Empfehlung Burgis. LSVD, Deutsche Aidshilfe (DAH) und die Bundesinteres- Das Gutachten stützt sich im Kern seiner Beurteilung auf senvertretung schwuler Senioren (BISS) begrüßten das die Verfolgung der sogenannten einfachen Homosexua- Urteil des Gutachtens einhellig und gaben den Start der lität – also einvernehmliche sexuelle Handlungen unter gemeinsamen Kampagne „Rechnung offen: § 175 StGB“ erwachsenen Männern –, die in der DDR noch bis 1968, bekannt. Sie soll über die leidvollen Erfahrungen der im Westen bis 1969 grundsätzlich strafbar war. Anders jahrzehntelangen Verfolgung aufklären und politischen als die DDR hatte die junge Bundesrepublik gar die von Druck zur zügigen Umsetzung des Rechtsgutachtens er- den Nationalsozialisten 1935 verschärfte Variante des zeugen. „Die Zeit drängt, damit Opfer der Homosexuel- Paragrafen 175 unverändert in geltendes Recht über- lenverfolgung noch die Aufhebung der Unrechtsurteile nommen. Mit der Folge, dass die gerade aus den Kon- und die Wiederherstellung ihrer Würde erleben“, er- zentrationslagern befreiten Rosa-Winkel-Häftlinge oft klärte der Sprecher des LSVD, Axel Hochrein. Bundes- zurück in Haft wanderten, um ihre „Reststrafe“ zu ver- justizminister Heiko Maas (SPD) hatte indes unmittelbar büßen. Insbesondere die eifrig betriebene BRD-Strafver- nach der Veröffentlichung des Gutachtens angekündigt, folgung von 1949 bis 1969 stuft das Gutachten denn auch einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Aufhebung als eine Phase der „rechtlichen Kontinuität“ in der „Tra- und Entschädigung zu erarbeiten. < Melanie Götz
wir 18 Nightlife Gestern und heute Ludwig ist lebendige Neuköllner Geschichte. 1909 wurde in den Räumen in der Anzengruberstraße 3 zum ersten Mal ein gastrono- mischer Betrieb eröffnet – der Beginn einer über 100-jährigen Tradi- tion als Berliner Gastwirtschaft. Vor ein paar Monaten übernahm das schwule Künstlerpaar Ceven und Thorsten Knowles die Altberli- FOTO: JOSEPH WOLFGANG OHLERT ner Kneipe und sanierte sie liebevoll von eigener Hand. Am 10. Juni feiert nun Neuköllns neuer queerer Ort für Kunst, Kultur und Gastro- nomie unweit von SchwuZ und Heimathafen seine Eröffnung Eröffnung, 10.06., > „Dieser Ort war immer Kneipe und trug künstlerisch-kulturellen Bereichen tätig war, und seinem Mann 19:00, Ludwig immer Anzengruber im Namen“, erzählt Ceven, der vor 12 Jahren aus den USA nach Berlin kam und hier als Mit: Sigrid Grajek als Thorsten beim Gespräch in den wunder- Visual Video Artist arbeitet, durchaus gelungen. Claire Waldoff, Alfred schönen und stilsicher eingerichteten Räu- In Zukunft wird es hier neben einem sorgfältig ausgewählten Ladylike u. a. men des Lokals. „Wir wollten zwar einerseits Getränkeangebot von vornehmlich regionalen Anbietern („Wir etwas Neues machen, dabei aber die Ge- wollten kein Industriebier verkaufen“) vor allem eines geben: Kunst Vernissage schichte dieses Ortes respektieren – deshalb und Kultur. „Die Kunst ist das Herz von Ludwig“, erklärt Ceven, „und „Chaostrophy: nannten wir ihn Ludwig, was bekanntlich wir nehmen sie sehr ernst. Wir überlegen uns genau, was wir hier Artworks Inspired der Vorname von Herrn Anzengruber war.“ in Zukunft zeigen wollen.“ So sind bereits diverse Ausstellungen und by the Music and Zwischen Moderne und Tradition changiert Kunstevents geplant, die sowohl im vorderen Gastraum als auch in History of the Band entsprechend auch das Interieur der geräu- einem großzügigen Hinterzimmer stattfinden werden, das mehr Coil“, 17.06., 18:00, migen Gastwirtschaft: „Wir haben von den Wandfläche bietet als manche Galerie in Mitte. Die erste Ausstellung Ludwig ganzen richtig alten Sachen, die wir hier feiert am 17. Juni Vernissage und wird den Titel „Chaostrophy“ vorgefunden haben, nichts weggeworfen, tragen. Internationale KünstlerInnen werden Werke zeigen, die von Foto: Ceven (li.) und sondern alles in neuen Kontexten wieder- der Musik und Geschichte der schwulen britischen Avantgarde-Band Thorsten Knowles verwendet“, erklärt Thorsten den Ansatz Coil inspiriert wurden. Unter den Beiträgen übrigens auch eine weiter. „Wir wollten mit diesem Raum so Arbeit der skandinavischen Electropop-Heroen Röyksopp. umgehen, dass man von ihm die 100-jährige Zur großen Eröffnungsparty am 10. Juni haben Ceven und Thorsten Geschichte als Neuköllner Kneipe noch neben anderen die queere Weirdfolk-Sängerin Alfred Ladylike und ablesen kann.“ Und das ist dem seit 1990 in Sigrid Grajek mit Auszügen aus ihrem Claire-Waldoff-Programm Berlin lebenden Buchhalter, der immer in gebucht. Wir sind gespannt und sagen: Hallo, Ludwig! < Jan Noll C. Chaplin WWW.GREIWE-BESTATTUNGEN.DE . GÄBLERSTR. 1 . 13086 BERLIN . TAG & NACHT . TEL. 030 - 96 202 437
Community 19 Jurassica Parka ist Berlins bekannteste Multimediatranse mit eigenem YouTube- Kanal, eigener Party, „Popkicker“ (11.06.) im SchwuZ, und eige- ner Late-Night-Show (04.06., BKA). Am Andre Bratten LIVE Zombies in Miami LIVE Benedikt Frey Jennifer Cardini 11.06. schippert sie ab 19:00 gemeinsam mit Hatice Ösgür alias Stefan Kuschner auf Lena Willikens Marvin & Guy Mozhgan nd_baumecker Solar Fort Romeau Jacques Green Nick Höppner dem „Comedy-Boot Queer Cruise“ über die SHXCXCHCXSH LIVE Aurora Halal Cosmin TRG Developer GRAFIK: JURASSICA PARKA Spree. Tickets unter sternundkreis.de Init LIVE Ben Klock Cassegrain Etapp Kyle Function Chez Damier Discodromo Fatherhood Ge-ology DJ Nobu Kareem P.E.A.R.L. Vincent Neumann Marcel Dettmann Phase Fatale Silent Servant Finest Friday Samstag 04.06.2016 Start 24 Uhr Klubnacht Samstag 18.06.2016 Start 24 Uhr Klubnacht > Ihr süßen Puppis! Ich bin’s! Es ist Juni! Und ich allerdings wieder gelöscht. Die Rechtsanwältin Steffi Tama Sumo The Black Madonna glaube, der erste, in dem es keinen CSD gibt. Hab hatte dann wohl doch irgendwas Wichtiges zu tun: ich unrecht? Bestimmt. Ich find’s total doof, dass zum Beispiel zeigt sie gerade den AfD-Typen der CSD wegen Fußball verschoben wurde! Ich wegen Volksverhetzung an, die Kreise schließen hasse Fußball und halte bereits Ausschau nach sich. Das spart den Therapeuten. Start 24 Uhr einem geeigneten Verschlag, in den ich mich zu- Apropos Therapeut! Neulich startete im SchwuZ rückziehen kann. Vielleicht nehm ich den Chefre- die Party „TrashEra“ im Rahmen des „Elektroni- dakteur der Männer, Kriss Rudolph, mit, der hat schen Donnerstag“. Die Veranstalter kamen mit gerade Stress mit ein paar AfD-Opfern. Das Maga- einem stark gespreizten Konzept daher, ewiges Freitag 24.06.2016 zin berichtete neulich über die Homofraktion der Kunstgeschwafel auf der Facebook-Veranstaltungs- LIVE AfD und deren Sprecher Mirko Welsch. Daraufhin seite: „local artists who want to be as they really New Jackson bekam dieser dann „Morddrohungen von Links- are, without being shaped by market“. Bla. Und Panorama Bar Panorama Bar Panorama Bar radikalen“ ... bla. Der AfD-Schwuli beschwerte was war’s dann? Auch nur ‘ne Druffiparty, zu der sich umgehend bei der Männer, woraufhin Kriss dreimal der Notarzt gerufen wurde, weil sie alle Berghain Berghain Rudolph nur antwortete: „Herr Welsch, Sie lang- wieder ihre Finger nicht vom Felgenreiniger lassen weilen mich.“ Wie trocken! Toll. Jetzt fahren die konnten. Hätte man das Artsy-Fartsy-Konzept auch AfD-Schwuppen eine hysterische Facebook-Kampa- gleich lassen und schreiben können: „Wir hören gne gegen Herrn Rudolph und die „linksextreme Bumstechno und nehmen heimlich Drogen.” Egal. Initiative Enough is Enough“. Achtung! Deutsch- Vom Underground machen wir jetzt einen harten land ist vom Linksterrorismus bedroht. Ich stell Schwenk zum Kommerz. Dieses Jahr gibt es zur schon mal den Molotowcocktail kalt. Pride Week ein neues Stadtfest, die „Berlin Queer Weiter zum nächsten verletzten Ego. Ich verstehe Days”. Wo? Am Potsdamer Platz, da wo sonst die gar nicht, warum so viele Menschen ihren privaten Saufbuden und diese Winterrutschbahn sind. Ich oder beruflichen Zwist öffentlich im Netz austra- hab ja dazugelernt und werde das ganze Ding gen, anstatt Probleme einfach ohne Facebook zu nicht im Vorfeld verurteilen. Ach, ich mach’s trotz- klären? So gesehen beim jetzt Exmitglied des CSD dem. Hier Auszüge aus der Pressemitteilung: e. V., Sissy Kraus. Die hat irgendeinen schlimmen „Tagsüber sind die Berlin Queer Days ganz auf Fa- Beef mit der Kanzlei, die der Verein nun mit der milien ausgerichtet.” Höa? Nee, is klar, wenn ich an Restmüllentsorgung von Robert Kastl betraut hat. Homos denke, dann auch sofort an Familienpro- Über die Zusammenarbeit des CSD e. V.s mit eben gramm. Umrundet wird das Ganze von Fressbuden dieser Kanzlei war Sissy so sauer, dass sie in einem und abends gibt es „für die Großen“ Afterwork mit stark verzickten Facebook-Post nicht nur ihren Aus- Transenbespaßung. Ist ja alles nicht verkehrt, hat tritt aus dem Verein erklärte, sondern auch gleich aber für mich nichts mit Pride zu tun. Riecht mir mal zum Rundumschlag gegen Exvorständin und eher nach ‘nem Rummel, der Touris ein paar Euro „L-tunes“-Veranstalterin Angela Schmerfeld aus- aus der Tasche leiern soll. Alles unter dem Deck- holte. Die sei nämlich an allem schuld. Warum? mantel des CSD. Hm. Vielleicht hat Mirko Welsch Keine Ahnung, irgendwer muss ja für die globale von der AfD da einen Stand und verkloppt links- Erwärmung den Kopf hinhalten. Nach ein paar grüne Familienväter? Wir werden sehen. Ding- glorreichen Stunden im Netz wurde der Post dann döngchen! Eure Juju <
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