Christoph würde alles für mich tun

Die Seite wird erstellt Lui-Horst Lang
 
WEITER LESEN
Christoph würde alles für mich tun
Nr. 42 / 14. Oktober 2013 / CHF 4.90

GÖLÄ WIRD PAPI
«Ich habe eine
Scheissfreude!»

                                       SILVIA
                                       BLOCHER

SARAH MEIER
Unsere Eisprinzessin                   «Christoph
                                         würde alles für
frisch verliebt in Jan

                                         mich tun»
                                        HAUSBESUCH IN HERRLIBERG
MICHELLE HUNZIKER
                                        Der SVP-Politiker und seine Frau über ihre
Baby Sole ist da – und                  Liebe, ihre Tränen und den Blocher-Film
sie schon wieder am TV
Christoph würde alles für mich tun
Zwei lassen
   W
   TEXT CAROLINE MICAELA HAUGER
   FOTOS MARCEL NÖCKER

                          ie oft wurde Jac­

                                               Dampf ab
                          ques Kuhn mitten
                          in der Nacht aus
                          dem Schlaf ge­
                          klingelt, um mit
   Schweisshund Bayi die Fährte eines an­
   gefahrenes Rehbocks oder eines verletz­
   ten Kitzes aufzunehmen. Für den passio­

                                               Er ist der Erfinder des modernen
   nierten Jäger, der das Tösstal wie seine
   Westentasche kennt, war die «Nach­
   suche» immer ein besonderes E  ­ reignis.
       Nun klingelt bei Dorfpolizist Noldi
                                               Dampfkochtopfs. Jetzt hat
   Oberholzer das Telefon. Ein angefah­re­     JACQUES KUHN mit seiner
                                               Frau ROSWITHA einen Tösstal-
   nes Wild! In seinem ersten Fall wird der
   Langenharder mit einer Toten in obs-
   zöner Pose konfrontiert. Und prompt
   auf eine falsche Fährte gelockt. Kaum
                                               Krimi geschrieben – mit 94 Jahren!
   hat er die Identität der Frau ermittelt,
   ist er umzingelt von Verdächtigen. Kei­
   ner hat ein richtiges Alibi. Und die mit
   einem Alibi sind erst recht verdächtig.
       Eine Leiche, für die sich niemand
   ­interessiert. Eine Gemeinde, in der der
   Niedergang der Textilindustrie Spuren
   hinterlassen hat. Und ein in sich ruhen­
   der Polizist, der weder Alkoholiker,
   depressiv noch ein Verlierer ist und kei­
   nen Trottel als Vorgesetzten hat. Nein,
   ­Noldi Oberholzer hat wenig gemein mit
   ­seinen berühmten Kollegen Kurt Wal­
   lander, Commissario Brunetti, Wacht­
   meister Studer oder Reto Flückiger.
       «Nachsuche» ist der erste Krimi
   aus der Feder von Jacques und Ros­witha
   Kuhn. Nie im Traum hätte der ehemalige
   Firmenchef des weltweit ­bekannten
   Kochgeschirrproduzenten Kuhn Rikon
   daran gedacht, einen 438 Seiten starken
   Krimi zu schreiben. Mit 94 Jahren wagte
   er es mit Unterstützung seiner Frau Ros­
   witha doch noch. Freudig erregt kehrte
   Jacques Kuhn vor ­Jahren von einem Spa­
   ziergang im Wald zurück und sagte zu
   seiner Frau: «Ich habe einen tollen An­
   fang für einen Kriminalroman.» Die ge­
   bürtige Grazerin mit den munteren Au­
   gen und den r­ aspelkurzen Haaren hörte
   sich sein Intro an und meinte trocken:
   «Ja und wie geht die Story weiter?» u

48 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE
Christoph würde alles für mich tun
Lieben und
necken Jacques
und Roswitha Kuhn
heirateten vor
­sieben Jahren. Sie
lernten sich im
Tibet-Institut in
Rikon kennen, das
der Unternehmer
1967 gründete.
Christoph würde alles für mich tun
Leidenschaftlich
   Im von ihm er­fundenen
   Dampfkochtopf
   zaubert Jacques Kuhn
   gesunde ­Kreationen.
   Doch noch lieber
   grilliert er Fleisch.

   u Jacques Kuhn schluckte leer. Wie          wehren», sagt er. «Ich habe halt gerne       geschirr aus der eigenen Firma. Kürzlich
   so oft hatte seine Frau recht. «Eine gute   Action und wollte die gängigen Klischees     liess sich Jacques einen eleganten ­écru-
   Geschichte ist harte Knochenarbeit.         vieler Krimis vermeiden», kontert sie.       farbenen Fernsehsessel aufschwatzen.
   Da muss ­alles verstrickt, verworren und        Typisch Kuhn Kuhn. Sie lieben            Hauptsache bequem, fand seine Frau.
   am Schluss doch logisch sein», weiss die    und sie necken sich. Fallen sich ins         «Ich mag keinen pompösen Lebensstil»,
   69-Jährige.                                 Wort und herzen sich danach wie Teen-        sagt der rüstige Rentner und beschloss,
        Und so spann das Paar, das vor         ager. Heute sind sie sich einig: «Wir sind   den «Schandfleck» aus s­ einem Leben
   sieben Jahren heiratete, die Geschichte     in unserer Beziehung auf einer neuen,        zu entfernen. Aus seinem Elternhaus
   weiter. Als sie in Italien einen Bus        intensiven Ebene angelangt.» Beim ers-       zog er aus. Die Familie des Bruders lebt
   verpassten, wurde die Hinterseite des       ten Verlag blitzten die Autoren ab. Beim     nun im herrschaftlichen Haus, das ein
   Fahrplans zum Manuskript. Trotz praller     zweiten hatten sie nach zwei Wochen          wenig an «Doktor Schiwago» erinnert.
   Sonne und fehlender Sitzgelegenheit         den Vertrag in der Tasche.                   Henri starb mit 55 Jahren. Der Berggän-
   war es der produktivste Moment ihres            Ihr Zuhause auf dem Firmengelände        ger wurde am Grossen ­Mythen vom
   «Liebes-Krimis». Ein Jahr lang hielt        von Kuhn Rikon ist eine grüne Oase. Die      Sekundentod überrascht.
   das Schreiben sie auf Trab. «Sie kann       Möbel sind etwas in die Jahre gekom-             Aufwühlende, verrückte Geschich-
   so ­resolut sein, ich musste mich ständig   men. Am modernsten ist das Koch­             ten hat Jacques Kuhn aus seinem erfüll-

50 SCHWEIZER ILLUSTRIERTE
Christoph würde alles für mich tun
Religiös Roswitha Kuhn konvertierte
                                                                                      zum Buddhismus, ihr Mann nicht.

                                           Grossherzig Jacques Kuhn gründete          Freundschaftlich Weilt der Dalai Lama
                                           das Kloster Rikon 1967 für Exil-Tibeter.   in der Schweiz, besucht er Kuhn.

                                              Der Dalai Lama spazierte schon
                                          in unserem Garten und liess sich
                                          die Beeren schmecken JACQUES KUHN

ten Leben viele zu berichten. Sogar der   funkte. Und weitere elf Jahre, bis sie      mer im Kachelofen warm zu halten, bis die
Dalai Lama lustwandelte schon in sei-     sich das Ja-Wort gaben. Roswitha Kuhn       Gäste kamen. Eine ­Lösung musste her.»
nem Garten und genoss die reifen Bee-     ist stolz auf alles, was ihr Mann geleis-       Auch auf Kuhn Kuhns literarische
ren. 1964 ermöglichten Jacques Kuhn       tet hat. Als die Arbeiterinnen jeden Tag    Einfälle darf man gespannt sein. Dorf-
und sein Bruder Flüchtlingsfamilien aus   schon um elf Uhr nach Hause eilten, um      polizist Oberholzers zweiter Fall ist
dem Tibet eine neue Existenz in Rikon.    ihren Familien Essen zu kochen, sagte       bereits in Arbeit. Er spielt am Bichelsee
Tausend Tibeter erhielten damals in der   sich der studierte Maschineningenieur:      in der Nachbargemeinde Turbenthal.
Schweiz Asyl. Drei Jahre später gründe-   «Gopfridstutz, diese Zeit müssen wir        «Ein weiterer Mord im Tösstal wäre für
ten sie auf Wunsch des Dalai Lama das     verkürzen.» Zwei Jahre später hatte         die Leser zu viel des Guten.» 
Tibet-Institut, das einzige tibetische    Kuhn den Dampfkochtopf Duromatic
Kloster im Westen. Hier lernte Jacques    erfunden – ein Weltbestseller.
Kuhn auch seine Frau kennen, die              Eine weitere Innovation des Hobby-                     ----------
                                                                                                     «Nachsuche», Gmeiner Verlag.
16  Jahre als Bibliothekarin arbeitete.   kochs war das erste doppelwandige Ge-                      Der Hund auf dem Cover
     Es dauerte vier Jahre gemeinsamer    schirr mit Dreifach-Nutzen «Kochen, ser-                   ist Jacques Kuhns verstorbener
                                                                                                     Jagdhund Bayi. Er spielt
Arbeit, bis es zwischen dem Jungesellen   vieren, warm halten», das Durotherm. «Es                   im ersten Tösstal-Krimi von
und der jung gebliebenen Buddhistin       wurde mir zu umständlich, das Essen im-                    Kuhn Kuhn eine Hauptrolle.

                                                                                                     SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 51
Christoph würde alles für mich tun
Sie können auch lesen