CLA VIERNA HT 2018 PROGRAMM - HFMT KÖLN
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Claviernacht 2018 Begrüßung »Im Salon spiele ich den Ruhigen, Liebe Freundinnen und Freunde der Claviermusik! Stiller Revolutionär im Exil. Er war vor allem ein Revolutionär in der Behandlung doch wenn ich wieder zu Hause bin, Wir begrüßen Sie zur Claviernacht, die in diesem Jahr dem Phänomen Frédéric Chopin gewidmet ist. der Harmonik. Weit ins 20. Jahrhundert reichen sei- ne kompositorischen und spieltechnischen Erneue- da donnere ich auf dem Klavier.« Wie Ihnen auffallen wird, gibt es im Ablauf des Abends kleine Änderungen zu den vergangenen Jah- rungen. Sei es die »Etüde«, das »Prélude«, das »Noc- turne«, die »Sonate«… Diese Werkgattungen bilden ren. Die Claviernacht endet eine Stunde früher. Alle in seinem Oeuvre Meilensteine in der Geschichte acht Konzerte finden im Hause statt. Sie beginnen der Klaviermusik. Und dann gibt es da die Mazurken Frédéric Chopin zeitlich versetzt und Sie haben die Möglichkeit, auch und die Polonaisen. Nicht zum Tanzen gedacht, aber zwischen den Konzerten zu wandeln. Bitte treten sie mit jeder Faser die Essenz dieser nationalen Tänze – aber nur bei Applaus ein. Wegen der begrenzten An- im Exil – durchlebend. Zàl, Heiterkeit und leiden- zahl von 50 Sitzplätzen in Raum 114 werden beide schaftlicher Stolz. Konzerte mit historischen Instrumenten LIVE in die Seine kompositorischen Wurzeln liegen bei J. S. Mensa übertragen. Bach, der Wiener Klassik und der Polnischen Musik. Nach der musikalischen Begrüßung am Eingang Die Instrumente, für die er in seiner Warschauer eröffnen wir die Claviernacht 2018 um 19h mit ei- Zeit komponiert hatte und auf denen er gespielt hat- nem Konzert, das dem sogenannten »Belcanto« ge- te, waren meist Wiener Modelle. widmet ist und auch seltener zu hörende Kammer- Chopins besondere Art, SEIN Instrument zum musikwerke Chopins beinhaltet, wie zum Beispiel Klingen zu bringen, versuchen wir in einem Konzert Introduction und Polonaise Brillante op. 8 für Violon- zu vermitteln, das eigens den Fortepianos gewidmet cello und Klavier. Ein Frühwerk, das, in Polen kom- ist, die nachweislich bevorzugt von Chopin gespielt poniert, bereits nahezu exemplarisch, zwei wesentli- wurden. Pleyel (1847), Erard (1843) und Broadwood che Elemente Chopinscher Musik beinhaltet: »Das (1850, der »englische Pleyel«, wie er ihn nannte). Sie Polnische« und die Gesanglichkeit. Das berühmte haben heute die seltene Gelegenheit, alle drei Instru- Nocturne in Es-Dur op. 9, 2 hören Sie in einer Fas- mente in einem Konzert mit Werken von Chopin zu sung, die Chopins Art der Improvisation unmittelbar hören. hören lässt – Es ist die Überlieferung durch seinen Wir wünschen Ihnen einen abwechslungsreichen vermutlich repräsentativsten Schüler Karol Mikuli. Abend mit vielen Entdeckungen. Den krönenden Abschluß um 22.20 Uhr bildet der Festakt zur Preisverleihung an die Laureaten des diesjährigen Kurd-Aschenbrenner-Chopin-Wettbe- werbs im Konzertsaal. Sie wurden aus einer hand- Ihre verlesenen Anzahl hoffnungsvoller Studierenden Sheila Arnold und das Claviernacht-Team der Musikhochschulen von Nordrhein-Westfalen und Hannover ausgewählt.
Claviernacht 2018 18.30 Uhr | Foyer Freischwingende Walzer, Der Minutenwalzer und der Walzer in cis-Moll gehören heute zu den populärs- und verfeinert, mit Klaviatur und Knopftastatur versehen, so dass nun das voluminöse Akkordeonspiel dank selbsttönender atmende Nocturnes und Überraschungen ten Stücken Frédéric Chopins. Gleichzei- tig stellen sie höchste Anforderungen an sowie diatonischer, später auch chromatischer Skalen attrak- tiver wurde. In Paris waren es vor allem italienische Einwande- aus dem Faltenbalg seine InterpretInnen und bieten sich da- her hervorragend dafür an, das Klischee rer, die die Akkordeonmode ab den 1850er Jahren repräsentier- ten. Erst im 20. Jahrhundert entwickelte sich das Akkordeon zu des Akkordeons als Instrument populä- einem modernen Konzertinstrument mit einem spezifischen rer, einfacher Klänge und Domaine musi- Konzertrepertoire. Frédéric Chopin (1810 – 1849) kalischer Laien zu widerlegen. Walzer hat Frédéric Chopin seit seinem 14. Lebensjahr ge- Walzer cis-Moll op. 64 Nr. 2 Zu Chopins Zeit wäre das freilich schrieben. Die Walzer-Mode des ausgehenden 18. und frühen Nocturne E-Dur op. 9 Nr. 2 nicht möglich gewesen. Als sich Chopin 19. Jahrhunderts hatte den neuen Gesellschaftstanz, eine Un- Minute Waltzer op. 64 No. 1 1831 auf der Flucht vor dem russisch- tergattung des »Deutschen«, von Wien aus in Europa bekannt polnischen Krieg, im Alter von 21 Jahren gemacht. Damals kam das Walzen in enger Tuchfühlung zwi- Marko Nikolic, Akkordeon in Paris, niederließ, gab es dort zwar schen Dame und Herr, mal schnell, mal langsam, einer Provo- (Klasse Edwin Alexander Buchholz) schon die ersten Akkordeons, die in ihrer kation gleich und spiegelte die tiefgreifenden sozialen Verän- Bauweise jedoch noch kein Konzertre- derungen nach der Französischen Revolution. pertoire zuließen, wie wir es heute hö- Mit starken melodischen und harmonischen Stilisierungen, Frédéric Chopin ren. Wir alle haben Musette-Walzer à la Nuancierungen und Abweichungen sind Chopins Walzer je- Waltzer a-Moll Op. Posth. B 150 Parisienne im Ohr, mit einschlägigen doch reine Konzertstücke, und verlangen ihren InterpretInnen Waltzer E-Dur Op. Posth. B 44 Melodien und vollschwingenden schlich- ein hohes Maß an Virtuosität, Kantabilität und Phantasie ab. Mazurka cis-Moll op. 63 ten Begleitungen. Sie spiegeln die gro- Gleiches gilt für die Nocturne, die mit der Suggestion einer nor- Nocturne cis-Moll op. 20 ße Beliebtheit eines Instruments, das dischen nächtlichen Stimmung der »Ossian«-Mode verpflich- Krisztian Palagyi, Akkordeon »einen charmanten Zeitvertreib«, einen tet ist, und für die Mazurka, die wie der Walzer im Dreiviertel- (Klasse Edwin Alexander Buchholz) »passetemps charmant« darstellte (»Le takt steht und von charakteristischen Akzentsetzungen und Ministrel«, 1.6. 1834). Im Gegensatz zum Synkopen lebt. Im Titel verweist sie auf die Region Masuren in Pianoforte war das Akkordeon tragbar, Chopins Heimat Polen. Leitung: finanziell erschwinglich und schnell er- Chopins Walzer aus dem opus 64 gehören zu seinen letzten Prof. Edwin Alexander Buchholz lernbar und somit ideal, um Tanzveran- Kompositionen dieser Gattung. staltungen mit Walzern, Quadrillen, Po- lonaisen oder Musettes zu beleben. Sabine Meine Das Akkordeon verdankt die Idee frei- schwingender, durch Zungen erzeugter Töne dem chinesischen Instrument Cheng. Seine Blasebalg-Konstruktion wurde ab den 1830er Jahren ausgebaut
Claviernacht 2018 19.00 bis 19.50 Uhr | Konzertsaal Belcanto Hört man die Musik Frédéric Chopins, werden wohl einem jeden die unverwechselbaren Eigenheiten dieser Stilistik lichkeiten getrieben wurden. Und ob- wohl nicht alle Komponisten – Bellini deutlich bewusst. Aber wodurch erkennen wir so rasch, dass bildet hier eine Ausnahme – die genaue es sich nicht um Werke Johann Sebastian Bachs oder Ludwig Ausführung der Koloraturen und me- Frédéric Chopin (1810 – 1849) Pauline Viardot (1821 – 1910) van Beethovens handelt? Und was unterscheidet die Klavier- lodischen Ornamente aufschrieben, ge- Introduction und Polonaise Brillante für Seize ans | Bearbeitung der Mazurka op. 50 Nr. 2 musiken Chopins von denen seiner Zeitgenossen? Schreiben ben uns die Notizbücher und Gesangs- Klavier und Violoncello C-Dur, op. 3 von Frédéric Chopin für Gesang und Klavier wir dem Komponisten nicht schon unbewusst eine herausra- schulen großer Sängerinnen und Sänger Lento / Alla Polacca. Allegro Text: Louis Edmond Pomey gende Eigenheit zu, sobald die ersten Töne erklingen? Es mag dieser Zeit einen guten Einblick über Robbin Reza, Klavier viele Antworten auf diese Fragen geben, mal mehr oder we- deren präzise Ausgestaltung. Und eben Pauline Viardot | Aime-moi niger zufriedenstellend. Und dennoch lässt sich ein Punkt diese Eigenheiten finden wir bei Chopin (Klasse Prof. Claudio Martinez-Mehner, Bearbeitung der Mazurka op. 33 Nr. 2 Kammermusikklasse Klasse Prof. Anthony Spiri) schwerlich von der Hand weisen: Die besondere Liedhaftig- wieder. von Frédéric Chopin für Gesang und Klavier keit seiner Melodien und Themen. Aber auch dessen Zeitgenossen muss Arnau Rovira Bascompte, Violoncello Text: Louis Edmond Pomey Frédéric Chopin schien eine hervorstechende Faszination die enge Beziehung seiner Klaviermusik (Kammermusikklasse Prof. Anthony Spiri) Emeline Archaumbault, Klavier für die musikalische Gattung der Oper besessen zu haben, zur Vokalpraxis bewusst gewesen sein. (Klasse Prof. Ulrich Eisenlohr) würde heute wohl recht unkompliziert als »Opern-Fan« be- Pauline Viardot, die vornehmlich als Begrüßung zeichnet werden. Großen Einfluss auf dessen eigenes Schaf- Sängerin, Pianistin und Komponistin tä- Prof. Dr. Heinz Geuen, Frédéric Chopin | Nocturne Es-Dur op. 9, 2 fen übten besonders die romantischen Opern Italiens aus. tig war, und zu Chopin ein freundschaft- Rektor der Hochschule für Musik und Tanz Köln (in der Überlieferung von Karol Mikuli) Die Werke Rossinis und Donizettis, aber vor allem Vincenzo liches Verhältnis pflegte, arbeitete 15 Bellinis prägten dessen kompositorischen Gestus ungemein. seiner Mazurken zu Klavierliedern um, Fuko Ishii, Klavier Und doch nimmt man beim Hören schnell diesen feinen Un- die mit Texten von Louis Pomey verse- Frédéric Chopin | aus: Polnische Lieder op. 74 (Klasse Prof. Claudio Martinez-Mehner) . terschied wahr: Chopin klingt anders! hen wurden. Dabei handelt es sich bei Zyczenie op. 74 Nr. 1 (Mädchens Wunsch) Die Lösung dafür könnte eine Schülerin Chopins liefern. In einer Mazurka ursprünglich um einen Ava Gesell, Sopran (Klasse Prof. Mechthild Georg) Frédéric Chopin | Klaviertrio g-Moll op. 8 einem Brief an ihren Vater schrieb Emilie Gretsch in den frü- stilisierten polnischen Gesellschaftstanz 1. Satz Allegro con fuoco hen 1840’er Jahren, dass das Klavierspiel ihres Lehrers vor- im Dreivierteltakt und mit typisch wal- Frédéric Chopin | Poseł op. 74 Nr. 7 (Der Bote) Almanda Trio: Alexandra Momot, Linda Guo, nehmlich von dem Vokalstil Giovanni Rubinis, Maria Malib- zerartiger Begleitung, dessen Wurzeln Narzeczony op. 74 Nr. 15 (Die Heimkehr) Amarillis Duena Castan rans und Giulia Grisis geprägt sei. Allesamt internationale bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgt (Kammermusikklasse Prof. Anthony Spiri) Stars des damaligen Opernlebens. Zwar ist im Laufe der euro- werden können. Chopin legt seinen Ma- Vincenzo Bellini (1801 – 1835) päischen Musikgeschichte die Übertragung vokaler Stile auf zurken ein höchstes Maß charakterli- aus: Tre Ariette, Nr. 1 Quando verrà quel dì Instrumente nichts ungewöhnliches, seit der Renaissance cher Differenzierung und musikalischen Leitung: wohl eher gängige Praxis. Doch auch hier liegt der Teufel im Ausdrucks zugrunde, und überführt da- Vincenzo Bellini | aus: Tre Ariette Prof. Sheila Arnold, Prof. Stefan Irmer, Nr. 3 Vaga luna che inargenti Detail. Vornehmlich melodische Ornamente und Gesten, aber bei diese Form der Tanzmusik in den Be- Prof. Anthony Spriri auch Dissonanzbehandlungen bei zunehmender chromati- reich der Kunstmusik. Gerade hier lässt Vincenzo Bellini | aus: Sei Ariette per camera scher Komplexität bezieht Chopin aus den Koloraturtechni- sich die enge Verbindung Chopin’scher Nr. 5 Per pietà, bell´idol mio ken des Bel Canto, die wohl in der italienischen Oper des frü- Melodien zum Bel Canto der italieni- hen 19. Jahrhunderts an die Grenzen der menschlichen Mög- schen Oper besonders gut erahnen. >
daher gibt es eine Live-Übertragung Aus Sicherheitsgründen ist die Zahl der Zuhörer in Raum 114 begrenzt, Claviernacht 2018 in die Mensa (Zwischengeschoss). Bezaubernde Göttin der Musik Starke Persönlichkeiten – HfMT Köln | Unter Krahenenbäumen 87, 50668 Köln Chopins Klaviere RAUM 114 > Und dank der Bearbeitungen Viardots auch unmittelbar Ausdruck des Bel Canto orientiert, zu- hörend nachvollziehen. Denn sie versteht es ausgesprochen recht als Meilenstein der Klaviermusik gut, Gesang und Klavier auf natürliche Weise einander ge- bezeichnet werden. Gerade in solch genüberzustellen, sodass man sich einbilden möchte, das eher unscheinbaren Gattungen wie der Klavier singen zu hören.Viardot, die 1821 als Kind spanischer Nocturne, die ursprünglich durch Re- Chopin – Debussy – Skrjabin Eltern in Frankreich geboren wurde, erhielt Klavierunter- duktion geprägt ist, oder der Mazurka, KAMMERMUSIKSAAL richt unteranderem bei Franz Liszt und Kompositionsunter- dem traditionellen polnischen Gesell- richt bei Anton Reicha. Nach dem frühen Tod der berühmten schaftstanz, zeigt Chopin allzu hervor- Vers l’avenir Schwester Maria Malibran wurde sie von ihrer Mutter zur tretend die tiefe Sensibilität seiner Mu- »Préludes« Sängerin ausgebildet, um an ihrer Stelle die Familientraditi- sik, aber auch dessen facettenreiche on fortzusetzen. Auch die Unterrichtsmethoden ihres Vaters Ausdrucks- und Gestaltungsmöglich- Manuel Garcia nahm sie später als Gesangspädagogin auf. Zu keiten, die besonders in diesen Werken ihren wohl wichtigsten Rollen zählt heute die »Norma« aus zu den unterschiedlichsten musikali- Eröffnungskonzert | »Belcanto« Bellinis gleichnamiger Kelten-Oper. Das Werk selbst steht schen Charakteren führen. Finale »Surprise Nocturne« der nordisch nächtlichen Sphäre des Ossianismus recht nahe. Die Modernität von Chopin Veranstaltungsorte Claviernacht 2018 Und so auch die mystisch verklärten Nachtstücke, die Yili Niu, Lisa Richter Nocturnes. Diese besondere Variante des lyrischen Klavier- KONZERTSAAL stücks galt zur Zeit Chopins als eben jene Gattung, die dem Klavierspiel ein besonders nuancenreiches Cantabile und Poly-Exil eine äußerst hohe Anschlagskultur abverlangte, um dem ge- wünschten weichen und homogenen Klang gerecht zu wer- den. Friedrich Kalkbrenner forderte für seine Nocturnes eine besondere Verwendung des Pedals, sodass der Klanggehalt raschungen aus dem Blasebalg atmende Nocturnes und Über- einer Aeolsharfe gleiche. Vorreiter und geltender Maßstab dieser Gattung war wohl der irische Komponist John Field. Freischwingende Walzer, Auch Frédéric Chopins Nocturnes wurden kritisch mit de- nen seines Kollegen verglichen. Zeitgenossen warfen ihm vor, für den Wunsch nach Originalität den sonst sehr feinen Ausdruck, den diese Art der Klaviermusik fordere, durch FOYER grob aufgetragene Übertreibungen und unangenehm zu spie- lende Begleitfiguren zu zerstören. und doch darf Chopins Musik, die aus heutiger Sicht die Gattungsgrenzen um ein 22.20 – 23.00 Uhr 21.15 – 22.00 Uhr 20.05 – 20.50 Uhr 21.05 – 22.00 Uhr 20.15 – 21.00 Uhr 21.25 – 22.10 Uhr 20.20 – 21.05 Uhr 19.00 – 19.50 Uhr Vielfaches sprengte, und gerade wegen ihrer besonders nuan- cenreich eingesetzten melodischen Ornamente eine noch 18.30 Uhr größere lyrische Tiefe enthält, die sich vor allem am vokalen
Claviernacht 2018 20.05 bis 20.50 Uhr | Konzertsaal Poly-Exil So vielfältig die Exil-Orte, in die Komponisten vertrieben wur- den, so vielfältig sind die Einzelschicksale und die Zugänge zu sicher um ein Vielfaches verstärkt, wenn man das Zuhause mit solch schmerzli- diesen. cher Gewissheit hinter sich lässt. Zu- gleich eröffnet sich eine ganz andere Sergei Protopopov (1893 – 1954) Felix Wolfes (1892 – 1971) 1830 verließ Frédéric Chopin für immer seine polnische Heimat. Welt, in die man nun voll Unsicherheit Prélude op. 32 Nr. 5 Lieder »Auf dem See« Gut einhundert Jahre später tat Arthur Lourié es ihm gleich und hineingeraten ist. Erdgewalt floh aus Russland nach Frankreich. Beide wurden vertrieben Frédéric Chopin (1810 – 1949) vom Krieg ihrer Heimatländer. Sergey Vladimirovich Protopopov »O es ist mit der Ferne wie mit der Zukunft! Etude op. 25 Nr. 5 Alexander Breitenbach, Klavier (Klasse Prof. Dr. Florence Millet) war zur Zeit des zweiten Weltkrieges aufgrund seiner Homose- Ein großes dämmerndes Ganzes ruht vor Valère Burnon, Klavier Maximilian Fieth (Prof. Stefan Irmer, xualität in einem stalinistischen Gulag interniert und machte unserer Seele, unsere Empfindung ver- (Klasse Prof. Dr. Florence Millet) Prof. Brigitte Lindner) die brutale Erfahrung, in seiner eigenen Heimat verfolgt und schwimmt darin wie unser Auge, und wir verstoßen zu werden. Ein ähnliches Schicksal teilten die deut- sehnen uns, ach! Unser ganzes Wesen hinzu- schen Komponisten Wolfgang Fraenkel, Felix Wolfes und der geben, uns mit aller Wonne eines einzigen, Leopold Spinner (1906 – 1980) Wolfgang Fraenkel (1897 – 1983) Österreicher Leopold Spinner, die im Nationalsozialismus als großen, herrlichen Gefühls ausfüllen zu las- Trio für Klavier, Klarinette und Cello Impromptu Nr. 2 Juden Gewalt und Unterdrückung erlebten und jegliche Frei- sen.« Aus: Die Leiden des Jungen Werthers 1. Satz Colin Pütz (Klasse Prof. Dr. Florence Millet) heits- und Menschenrechte verloren. Die einzige Chance sahen 2. Satz sie in der Flucht, in Hoffnung auf Refugium. Matti Klessascheck, Yizhuo Meng, Dinanlei Wu, Alle sechs Komponisten waren gezwungen, sich ins Exil zu Martin Berghane, Jan Schneider Elio Manuel Herrera, Nima Mirkhoshal, Leopold Spinner begeben; sie verließen ihr Land für ein Leben an einem sichere- Till Müller, Cornelia Emmert, Klavier Variationen für Violine und Klavier ren Ort, wenn sie konnten. Ebenso verbindet sie die Liebe zu (Kammermusikklasse Prof. Anthony Spiri) Anna Csaba, Klavier ihrer Heimat, aber auch ihre engen Beziehungen zu europäi- (Klasse Prof. Anthony Spiri) schen und internationalen Zeitgenossen. Selbst die, die aus ih- Mane Davtyan, Klavier rem Heimatland verstoßen wurden, fanden Halt in den Erinne- Arhur Lourié (1892 – 1966) (Klasse Prof. Anthony Spiri) rungen an ihre Kultur und die Menschen von dort. Mazurka op. 7 Nr. 1 In ihrer Musik erklingt auf der einen Seite die Sehnsucht Powerpoint: nach Heimat und die schmerzliche Trennung, auf der anderen Jonas Föckeler, Klavier Martin Berghane (Klasse Prof. Sabine Meine) (Klasse Prof. Dr. Florence Millet) Seite ihre Internationalität und die Erfahrungen eines weltge- wandten Lebens auf der Suche nach Zuflucht. Es ist ein Hin- Leitung: und Hergerissensein zwischen dem tiefen Begehren, wieder an Frédéric Chopin Prof. Florence Millet, Prof. Anthony Spiri einem bestimmten Ort sein zu können und der Feststellung, Sonate op. 35 dass man diesen hinter sich lassen muss. Zwei Bedingungen 1. Satz Grave müssen für diese Sehnsucht gegeben sein: räumliche Entfer- Alexander Breitenbach, Klavier nung und das Verstreichen von Zeit. Ein Ort eröffnet sich dem (Klasse Prof. Dr. Florence Millet) Bewusstsein erst mit einer solchen Verlockung, wenn er in wei- ter Ferne liegt. Jeder Reisende kennt dieses Gefühl. Doch ist es
Claviernacht 2018 20.15 bis 21.00 Uhr | Raum 114 Göttinnen und Götter der Musik Europa, in den Pariser Salons zu Beginn des 18. Jahrhunderts: Noch bevor Klaviervirtuosen wie Frédéric Chopin und Franz ner Ausgabe an seine Zimmerwände hängte. Die Fugen in B-Dur, fis-Moll, h- Liszt zu Berühmtheit gelangten, machten andere Pianisten von Moll und H-Dur mit zugehörigen Prälu- sich reden. Denn nicht nur professionelle Berufsmusiker, son- dien ergänzen die Werke Szymanwos- Aus Sicherheitsgründen ist die Zahl der Zuhörer Maria Szymanowska dern auch Laienmusiker, sogenannte Dilettanten – damals kei- kas und Ogi´nski harmonisch und ma- in Raum 114 begrenzt, daher gibt es eine Live- Präludium und Fuge h-Moll aus dem ne abwertende Bezeichnung – spielten und komponierten lei- chen somit Chopins wichtigste Einflüs- Übertragung in die Mensa (Zwischengeschoss). Wohltemperierten Clavier II, BWV 893 denschaftlich gern für das Fortepiano. So auch der polnische se greifbar. Lars Arne Hobein Diplomat Michał Kleofas Ogi´nski (1765 –1833). Neben seinem Jedoch hat man zu Chopins Zeiten Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) (Klasse Prof. Michael Borgstede) Beruf als Politiker verfasste Ogi´nski Gedichte und Lieder, spiel- auch Bach längst nicht mehr auf einem Präludium und Fuge B-Dur aus dem te mehrere Instrumente, nahm Kompositionsunterricht und Cembalo gespielt. Die damaligen Kla- Wohltemperierten Clavier I, BWV 866 Maria Szymanowska schrieb Klavierstücke. Mit dem lyrischen und melancholi- viere – oder auch Fortepianos – berühm- Cotillon Es-Dur schen Charakter seiner Polonaise in d-Moll traf Ogi´nski genau ter Klavierbauer wie Erard oder Pleyel Young Im Woo, Cembalo den Geschmack des bürgerlichen Publikums. klangen jedoch anders als im Vergleich (Klasse Prof. Michael Borgstede) Instrument: Fortepiano nach Louis Dulcken, Nicht nur mit eigenen Kompositionen wie der Nocturne in zu heutigen Modellen. Das hatte vor al- 1815, Kopie der Firma Neupert B-Dur, sondern vor allem auch mit dem virtuosen Vortrag die- len mit baulichen Unterschieden zu Maria Szymanowska (1789 – 1831) Natalia Lentas-Saez ser war die ebenfalls aus Polen stammende Pianistin Maria Szy- tun: Solche Instrumente waren gradsai- Nocturne B-Dur manowska (1789 – 1831) im Munde der Salongesellschaften tig und hatten leichtere Hammerköpfe Instrument: Fortepiano nach Louis Dulcken, Johann Sebastian Bach Europas. Die Kritiken führender Musikzeitungen und Kollegen und Dämpfer. Dies führte zu einem ge- 1815, Kopie der Firma Neupert Präludium und Fuge H-Dur aus dem überschlugen sich vor Lob und Begeisterung – eine »Göttin der deckteren und trockenerem, aber auch Natalia Lentas-Saez, Wohltemperierten Clavier I, BWV 868 Musik« sei Szymanowska gewesen. Goethe, den Szymanowska farbigeren Klang mit großer Oberton- (Klasse Prof. Gerald Hambitzer) Ilaria Monticelli, Cembalo 1823 in Marienbad kennenlernte, schrieb über sie: »Hinter der krone. Dadurch erfüllten die Fortepia- (Klasse Prof. Michael Borgstede) polnischen Liebenswürdigkeit stand das größte Talent gleich- nos das Klangideal für die singende und Johann Sebastian Bach sam nur als Folie oder, wenn du willst, umgekehrt. Das Talent erzählende »Sprache« der Salonstücke Präludium und Fuge fis-Moll aus dem Kleofas Ogi´nski (1765 – 1833) würde einen erdrücken, wenn es ihre Anmut nicht verzeihlich in perfekter Weise. Auch Chopin legte Wohltemperierten Clavier II, BWV 883 Polonaise d-Moll machte.« Ihre Konzertreise von 1822–1828 wurde mit der Ver- später größten Wert auf seinen Flügel leihung des Titels »Erste Hofpianistin der königlichen Majes- der Firma Pleyel und fungierte umge- Emiko Sato, Cembalo Instrument: Fortepiano nach Louis Dulcken, tät« durch das russische Zarenhaus prämiert. Ihr virtuoses Kla- kehrt als wichtigster Werbeträger des (Klasse Prof. Michael Borgstede) 1815, Kopie der Firma Neupert vierspiel und die dafür entstandenen Eigenkompositionen bil- Klavierbauers. Arash Rokni deten später eine wichtige Inspirationsquelle für Chopin. Veronika Deimel Maria Szymanowska (Klasse Prof. Gerald Hambitzer) Ebenso war auch die Ausgabe des Wohltemperierten Cla- Polonaise f-Moll viers von Johann Sebastian Bach für Chopin von großer Bedeu- Instrument: Fortepiano nach Louis Dulcken, Leitung: tung. Berichten zufolge hatte dieser vor einem seiner Auftritte 1815, Kopie der Firma Neupert Prof. Gerald Hambitzer, stets einige Fugen aus dem Wohltemperierten Clavier zum Natalia Lentas-Saez Prof. Michael Borgestede Aufwärmen gespielt. Vielmehr noch verlieh Chopin seiner Verehrung für Bach Ausdruck, indem er einige Werke aus sei-
Claviernacht 2018 20.20 bis 21.05 Uhr | Kammermusiksaal Vers I’avenir »Freiheit und bahnbrechende Modernität verbinden die Komponisten Chopin und De- werden, fühlte sich mancher Zeitgenosse durch diese Werke vor den Kopf gesto- Suite: »Ihr Klang und ihr Gefühlsinhalt kommen aus dem Klavier, eine Art von Grautönen wie sie Velásquez macht, wenn Sie so wol- bussy, wie man in Chopins Sonaten 2 in b- ßen. Schumann empfand es aufgrund len.« Moll op.35 und Debussys ›En blanc et noir‹ ihrer ungewöhnlichen formellen Gestal- Der Titel »En blanc et noir« spielt ferner auf die schwarzen Frédéric Chopin (1810 – 1849) erleben kann. Neue Textur-Landschaften von tung 2 geradezu als übermütig, dass Cho- und weißen Tasten des Klaviers an, aus deren Vermischung Sonate b-Moll op. 35 beispielloser harmonischer Intensität machen pin sie »Sonaten« nannte und ging so diese »Grautöne« entstehen, die musikalisch gesprochen in Grave. Doppio movimento die drei Werke zu absoluten Meisterwerken weit, über die Zweite Sonate zu urteilen: Dissonanzballungen, Aufspaltung von Klangkomplexen, Scherzo ihrer Zeit.« Paulo Alvares »Musik ist das nicht. So schließt die Sonate, gleichsam »anorganische« Akzenten gestaltet werden: Stilmit- Marche funèbre. Lento wie sie anfing, rätselhaft, einer Sphinx gleich tel, die fast expressionistischen Satztechniken zuzuordnen Finale. Presto Im Hinblick auf die Entwicklung der mit spöttischem Lächeln.« Doch genau die- sind. Mit diesem vollendeten Beispiel für einen Zwei-Klavier- Jannik Truong, Klavier Pianistik hat Chopin die Möglichkeiten se düstere, beklemmende Atmosphäre Satz schlägt Debussy zukunftsweisend die Brücke zur nächsten (Klasse Prof. Sheila Arnold) des Klaviers auf klanglichem, spieltech- der Zweiten Sonate macht ihre besonde- Generation. nischem und ausdrucksmäßigem Gebiet re Bedeutung aus; zusammen mit dem erweitert wie keiner zuvor, indem er eine Motto des einleitenden Grave hören wir Die drei Stücke für zwei Klaviere sind Freunden Debussys ge- Claude Debussy (1862 – 1918) enorme innovative Kraft in die pianisti- hier Anklänge an Beethovens große widmet und jeweils mit literarischen Mottos versehen, die von »En Blanc et Noir« sche Sprache einbrachte. So erscheint es Mollsonaten. der Problematik des Zeitgeschehens zeugen und als Ausdruck Suite für zwei Klaviere zunächst befremdlich, dass ein Kompo- Debussy hingegen beschreitet völlig des kämpferischen Nationalismus der Epoche zu sehen sind. Avec emportement nist, der auf souveräne Art und Weise neue musikalische Wege, ausgehend Yukiko Dietl Lent Sombre eigene, gänzlich neue Formen kreiert, vom Klangerlebnis – und im Gegensatz Scherzando sich an die klassische Sonatenform an- zu Chopin – losgelöst von bestehenden lehnt. Formen oder Gesetzen. Er vermag es, 1) croche: franz. = Achtelnote Pedro Sperandio, Klavier Folgen wir Paulo Alvares, dem Ideen- beim Publikum Natureindrücke mit sug- 2) Die Reprise im 1. Satz mündet unter Umgehung des ersten Themas (Klasse Prof. Claudio Martinez-Mehner) geber dieses Programms, so liefert Cho- gestiven Bildern hervorzurufen und gleich ins zweite Thema ein; und der langsame Satz steht entgegen Anton Gerzenberg, Klavier pin mit seinen Sonaten nicht nur den Be- durch die unerhörte Neuartigkeit seiner der klassischen Tradition der Sonatenform in der Haupttonart. (Klasse Prof. Pierre-Laurent Aimard) weis dafür, dass er die Form beherrscht, Tonsprache und die Kraft seiner Phanta- Duo Coaching: sondern »mit einer neuen choreographi- sie Reize anzusprechen, die bis dahin Prof. Paulo Alvares schen Gestik – geboren aus improvisato- kaum geahnt waren. rischen Impulsen und verbunden mit ei- Auch wenn Debussy die Zuordnung nem Nonkonformismus – ein neues seiner Musik zum Impressionismus ab- Leitung: Konzept der Sonatenform etabliert, das lehnte, der auf das Erfassen und Erzeu- Prof. Paulo Alvares später von Debussy alias ›Monsieur Cro- gen eben dieser Beeindruckung der Sin- che‹1 zelebriert wird.« ne und der Seele zielte, bezog der Kom- Obwohl Chopins Sonaten heute pia- ponist sich selbst auf den Maler Velás- nistisch und formal als Höhepunkte der quez und schrieb in einem Brief an sei- nachbeethovenschen Zeit angesehen nen Freund Godet über seine dreiteilige
Claviernacht 2018 21.05 bis 22.00 Uhr | Konzertsaal Die Modernität von Chopin Der Begriff »Etüde« ist schillernd, viel- fältig; hat er doch im Laufe der Musik- über immense Fingerfertigkeit hinaus eine nahezu unbe- grenzte klangliche Gestaltungskraft: Wer außer Debussy hät- geschichte sehr unterschiedliche Be- te eine Etüde über Gegensätzliche Klangwerte schreiben kön- deutungen durchlaufen. Von Domeni- nen? Die Gegenüberstellung von Chopins Harfen-Etüde op. 25, Frédéric Chopin (1810 – 1849) Frédéric Chopin co Scarlatti und seinen Essercizi – wo 1 und Debussys Arpeggien-Etüde liegt auf der Hand und wird Etüde Opus 25 Nr. 1 Etüde Opus 10 Nr. 12 meistens mit bestechender Klarheit ei- erweitert durch die streng organisierte Etude boréale Nr. 5 des ne neue pianistische Schwierigkeit aus- Zeitgenossen Ivan Fedele (*1953). Claude Debussy (1862 – 1918) Lorenzo Soulès, Klavier formuliert, das Charakterstück aber Alexander Scriabin, der große Neuerer nicht nur der russi- Étude pour les arpèges composés (Klasse Prof. Pierre-Laurent Aimard) gleichzeitig als zentrales Thema nicht schen Klaviermusik, hat es auf insgesamt drei Etüden-Zyklen Ivan Fedele (*1953) angetastet wird – bis hin zu Johann Se- gebracht, die seine sehr speziellen Anforderungen an die Pia- Étude boréale Nr. 5 bastian Bachs Clavierübung, die alles an- nisten dokumentieren. Enorme Weitgriffigkeit und Sprung- György Ligeti dere als Fingerübungen meint, sondern technik bei ausgetüftelten Polyrhythmen sind einige seiner Thibau Surugue Etüde Nr. 6 »Automne à Varsovie« als eine Einübung und damit Ausübung Kennzeichen. Chopins unbändige Oktaven-Etüde op. 25, 10 (Klasse Prof. Pierre-Laurent Aimard) Fabian Müller, Klavier in der Familie der Tasteninstrumente und Scriabins späte »fantastische« Nonen-Etüde op. 65, 1 ste- (Klasse Prof. Pierre-Laurent Aimard) verstanden werden muss. hen sich in nichts nach. Bei Carl Czernys Etüden wiederum geht Während in der Nachfolge Komponisten wie Bartók, Pro- Frédéric Chopin es ausschließlich um Fingerfertigkeit in kofiew, Rachmaninoff, Strawinsky, Schulhoff und Kapustin Etüde Opus 25 Nr. 10 Leitung: allen nur denkbaren Kombinationen, die Welt der Etüden ungemein bereichert haben, steht der Prof. Pierre-Laurent Aimard also um das Trainieren der Technik. Fré- Name György Ligeti für die Pianistik in der zweite Hälfte des Alexander Skrjabin (1871 – 1915) deric Chopin bleibt es vorbehalten, in 20. Jahrhunderts. Seine Etüden sind inzwischen ungemein Etüde Opus 65 Nr. 1 seinen beiden Zyklen die Etüde zu ei- anerkannt. In der Konfrontation mit Chopin haben wir ein- Anton Gerzenberg, Klavier nem Charakterstück höchster Virtuosi- mal den gemeinsamen Bezugspunkt »Warschau«: Revolutions- (Klasse Prof. Pierre-Laurent Aimard) tät zu adeln. Die neuen pianistischen Etüde und Automne à Varsovie, zum zweiten Chopins poly- Herausforderungen sind evident, aber rhythmische Nouvelle Etude Nr. 1 gegenüber Ligetis En suspens, die musikalische Aussage bleibt immer das »mit der Eleganz des Swing« zu spielen ist. Frédéric Chopin klar dominant. Die zwölf Etüden op. 10 aus »Trois Nouvelles Etudes« Nr. 1 sind übrigens Franz Liszt gewidmet, der Michael Rische seinerseits zwölf populäre Exemplare György Ligeti (1923 – 2006) zu diesem Genre beitrug. Etüde Nr. 11 »En Suspens« Claude Debussy gehört zu den großen Komponisten, die auch als Pianisten ei- Nima Mirkhoshhal, Klavier nen hohen Rang einnehmen. Die (Klasse Prof. Pierre-Laurent Aimard) Sammlung seiner Etüden (1915) sind poetische Reflexionen über Intervalle, Repetitionen, Arpeggien. Sie erfordern
Claviernacht 2018 21.15 bis 22.00 Uhr | Raum 114 Starke Persönlichkeiten – »Erard erwies sich als sehr zuvorkommend und hat mir eins von seinen Klavieren zur Verfügung gestellt. Ich habe also ein Instrument ne Weiteres an den Flügel und öffnete ihn, als ob ich zu Hause wäre. Es war ein von Broadwood, ein anderes von Pleyel – im ganzen drei« Chopins Klaviere (Pleyel, Erard, Broadwood) (Chopin, Brief an Adolf Gutmann, 6. Mai 1848) Pleyel; man hatte mir gesagt, dass Chopin kein anderes Instrument spiele. Es waren dies die leichtgehenden der Pariser Fabri- Will man einen kurzen Überblick über die Instrumente Cho- kation.« pins geben, so stellt man schnell fest, welche entscheidende Auch die Instrumente Sébastian Er- Aus Sicherheitsgründen ist die Zahl der Zuhörer Frédéric Chopin Rolle für den Instrumentenbau die englische Firma Broadwood ards (1752 – 1831) wären ohne die Ent- in Raum 114 begrenzt, daher gibt es eine Live- Barcarolle Fis-Dur op. 60 hatte. Gegründet von dem Schweizer Schreiner Burkhardt wicklungen aus dem Hause Broadwood Übertragung in die Mensa (Zwischengeschoss). Instrument: Fortepiano John Broadwood, 1850 Tschudi (1702 – 1773) widmete sie sich zunächst dem Bau von nicht denkbar. Sein erstes Hammerkla- Restauriert von Egon Zähringer, Köln Cembali. John Broadwood (1732 – 1812), ein aus Schottland zu- vier in Tafelform war eine annähernde Frédéric Chopin (1810 – 1849) gewanderter Schreiner, wurde zunächst Tschudis Schwieger- Kopie des von Zumpe entwickelten Mo- Anton Gerzenberg sohn und kurze Zeit später Teilhaber der Firma. Dieser war es delles. In der Folge versuchte er, die Vor- Mazurka op. 17, 1 (Klasse Prof. Pierre-Laurent Aimard) Mazurka op. 17, 2 auch, der den Schwerpunkt der Firma auf den Bau von Ham- liebe der Pariser Aristokratie für engli- merklavieren verlagerte. Verantwortlich für die steigende Be- sche Instrumente abzulösen, was ihm er- Instrument: Fortepiano John Broadwood, 1850 Frédéric Chopin liebtheit dieser waren vor allem Zuwanderer aus Deutschland folgreich gelang. Dank großer Fortschrit- Restauriert von Egon Zähringer, Köln Scherzo h- Moll op. 20 und den Niederlanden, allen voran Johann Christoph Zumpe te bei der Entwicklung der Anschlagsme- Takahiko Sakamaki Instrument: Ignaz Pleyel, 1847 als Hersteller von Tafelklavieren und Americus Backers, der chanik wurden seine Instrumente schnell (Klasse Prof. Andreas Frölich) Restauriert von Ulrich Punke (Piano Rosenkranz), Hammerflügel baute. Mit beiden arbeitete Broadwood eng zu- bekannt und in ganz Europa gespielt. Oldenburg sammen und übernahm deren Entwicklungen auch für seine Frédéric Chopin eigenen Instrumente. Chopin schrieb 1848 über ihn, er sei »ein Yuval Dvoran Arash Rokni wahrer hiesiger Pleyel« (Chopin, Brief an seine Familie, 19. Au- Eine Auswahl aus den Préludes op. 28 (Klasse Prof. Claudio Martinez-Mehner) gust 1848). Instrument: Fortepiano Iganz Pleyel, Paris 1847 Im Unterschied zu Tschudi, Broadwood oder auch Erard Karolina Tomaszewska Leitung: fing Ignaz Joseph Pleyel (1757 – 1831) seine Karriere zunächst (Klasse Prof. Sheila Arnold) Prof. Sheila Arnold als Komponist an. Später dann gründete er in Paris einen Mu- Prof. Claudio Martinez-Mehner sikverlag, und 1807 die Klavierbaufirma »Pleyel & Co«. Für Frédéric Chopin seine Instrumente übernahm er die von Broadwood in Zusam- Mazurka op. 17, 4 a-Moll menarbeit mit dem Niederländer Americus Baker entwickelte Literatur: Walzer Es-Dur op. 18 Hammermechanik. Chopin äußerte sich sehr wohlwollend Chopin, Frédéric: Briefe / Frédéric Chopin, über seine Instrumente: »Die Pianos von Pleyel sind non plus hrsg. mit einem Vorw. und Kommentaren Instrument: Fortepiano Sébastien Erard, Paris 1843, ultra!« (Chopin, Brief an Tytus Woyciechowski, 12. Dezember von Kristina von Lenz, Wilhelm: Die grossen Restauriert von Frans Janmaats, Amsterdam 1831). Auch vom Schriftsteller Wilhelm von Lenz, der während Pianoforte-Virtuosen unserer Zeit aus per- Aurelia Shimkus seines Aufenthaltes in Paris Unterricht bei Chopin nahm, ist sönlicher Bekanntschaft. Liszt – Chopin – (Klasse Prof. Claudio Martinez-Mehner) dessen Vorzug von Instrumenten Pleyels bezeugt: »ich ging oh- Tausic – Henselt. Berlin 1872.
Claviernacht 2018 21.25 bis 22.10 Uhr | Kammermusiksaal Chopin – Debussy – Skrjabin »Préludes« Das Programm des heutigen Abends zeigt Verwobenheiten – zwischen Zeiten stets präsent. So legt Chopin den Grundstein für eine moderne Auffassung davon, was ein Prélude ist und sein kann. und Ländern, zwischen Tonsprachen Viele von Debussys und Skriabins zentralen Werken entwi- und Formen, in denen sich Musik abspie- ckeln sich wesentlich auf dieser Grundlage, aber der Zeitgeist Frédéric Chopin (1810 – 1849) Claude Debussy len kann. Gebündelt werden sie im Pré- ist bei ihnen natürlich ein anderer. Auch Debussys Préludes Préludes op. 28 Nr. 1, 2, 7, 8 Aus den Préludes Band 2 lude, der musikalischen Gattung, die markieren eine Zeitspanne von drei Jahren (1910 – 1913). In Xinlai Liu, Klavier »Les tierces alternees« historisch einen weiten Bogen schlägt, »La fille aux cheveux de lin« wie auch in »Ce qu’a vu le vent (Klasse Prof. Andreas Frölich und Ilja Prof. Scheps) »Feux d’Artifice« von Johann Sebastian Bachs Wohltem- d’ouest«hält der Komponist an der Manier des Prélude als Nana Okumura, Klavier periertem Clavier der Mitte des 18. Jahr- Kernstück fest: es wirkt chopinartig als Aphorismus, und birgt (Klasse Prof. Andreas Frölich) hunderts bis in die Moderne, und damit gleichzeitig Fortsetzungspotenzial (ob in Fugenform oder Alexander Skrjabin (1872 – 1915) einer Zeit, die in so manchem Gedächt- nicht). Doch geht durch dieses Debussy-Programm zugleich ein Aus den Préludes op. 11 und op. 16 nis noch verankert ist. Bruch, an dem dann Skriabin ansetzt, so offensichtlich dieser Kristina Zelenina, Klavier Alexander Skrjabin Nicht weniger bedeutend als Bachs auf Chopin rekurriert, wie vor allem im op. 11 zu hören ist. (Klasse Ilja Prof. Scheps) 5 Préludes op. 74 Sammlung von Präludien und Fugen ist Während Chopin seine Préludes skizziert, konstruieren Debus- Georgy Voylochnikov, Klavier Frédéric Chopins op. 28 mit den 24 Pré- sy und Skriabin ihre Kompositionen: Debussy gestaltet sie als (Klasse Prof. Ilja Scheps) ludes (1836 – 1839), in gleichzeitiger lineare Übersetzung der aufkommenden Maschinisierung, und Claude Debussy (1862 – 1918) Fortsetzung an und Ablehnung der Bach- füllt sie zugleich mit Imitationen von Naturbewegungen. Skri- Aus den Préludes Band 1 schen Gattungs- und Kompositionstradi- abin kreiert seine Préludes in immer kleiner und scheinbar »La fille avec les cheveaux au lin« Frédéric Chopin tion, mehr noch: dem Bachkult. Chopin weltfremder werdenden Miniaturen, die unerschöpflich nach »Ce qu‘a vu le vent d’est« Préludes op. 28 Nr. 22, 23, 24 trennte sich von der Idee der Dopplung, neuem Sinn suchen. Das Aphoristische bleibt, Skriabin seziert Alica Müller, Klavier Takahiko Sakamaki der zwei zusammengehörenden und sich und die Anklänge an Chopin werden mit fortschreitender (Klasse Prof. Andreas Frölich) (Klasse Prof. Andreas Frölich) aufeinander beziehenden Stücke, aber er Opuszahl seltener. Nach dem op. 74 wird er nichts mehr kom- blieb Bachs zyklischer Anordnung nach ponieren und gleichzeitig den Weg in die tonal freiere Musik den Tonarten treu und entwickelte seine ebnen. Alexander Skrjabin Leitung: Kompositionen auch von einer klangli- Chopins gewichtiger Zyklus eröffnet und beschließt das 5 Préludes aus op. 17 Prof. Andreas Frölich, Prof. Ilja Scheps chen Keimzelle aus, wie es Bach es getan Programm – in seinem Inneren wirken Kräfte ineinander, die Aleksandra Shcherbakova, Klavier hatte. das Prélude als einen zentralen Nerv musikalischen Gestaltens (Klasse Prof. Andreas Frölich) Chopin kommt im op. 28 an vielen manifestieren. Stellen der Etüde nahe, denn er entwirft Anna Schneider Modelle, die sich in ihrer Wiederholung immer weiterspinnen, virtuos und de- tailbeladen. Und doch bleibt Chopin im Kleinen und Knappen, reißt etwas an, ohne es immer abzuschließen. Der musi- kalische Kern, aus dem alles entsteht, ist
Claviernacht 2018 22.20 bis 23.00 Uhr | Konzertsaal Surprise Nocturne UNSER HIGHLIGHT Preisverleihung Impressum Kurd-Aschenbrenner-Chopin-Wettbewerb HERAUSGEBER Es spielen Preisträger des Kurd-Aschenbrenner- Chopin-Wettbewerbs 2018 Der Rektor der Hochschule für Musik und Tanz Köln MORGEN Unter Krahnenbäumen 87, 50668 Köln Ansprache Prof. Dr. Heinz Geuen, Rektor HfMT Köln 19.30 Uhr | Konzertsaal REDAKTION Preisübergabe durch den Stifter Richard Aschenbrenner-Scheibe Dr. Heike Sauer, Stabsstelle Kommunikation und Fundraising FESTLICHES BLÄSERKONZERT und die Künstlerische Leiterin des Wettbewerbs ABBILDUNGEN ZUM 2. ADVENT Prof. Dr. Florence Millet Die Blechbläser der HfMT Köln Abbildung Claviernacht: Depositphotos Highlights: Christian Nielinger und ihre Gäste Illustrationen: www.cream-design.de TEXTE Ein Abend mit Urban Agnas, Paul van Zelm, Die Textbeiträge des Programmheftes Ulrich Flad, David Polkinhorn, Lehrenden (mit Ausnahme des Akkordeon-Auftaktes und des Etüdenprogramms) haben Studie- und Studierenden der HfMT Köln rende der Hochschule für Musik und Tanz Als Gast: Mechthild Georg (Gesang & Lesung) im Rahmen der Praxiswerkstatt im Fach Musikwissenschaft geschrieben. Sie wurden Veranstaltungsort Hochschule für Musik und Tanz Köln, dabei begleitet von Prof. Dr. Sabine Meine. Unter Krahnenbäumen 87, 50668 Köln und Kölner Dom GESTALTUNG Karten für 5 Euro im Vorverkauf bei sowie eine www.cream-design.de Stunde vor Veranstaltungsbeginn an der Abendkasse. www.hfmt-koeln.de
UNSERE HIGHLIGHTS IM JANUAR 2019 25.01.2019 | 19.30 Uhr | Konzertsaal der HfMT Köln PETER I. TSCHAIKOWSKI ZUM 125. TODESTAG Mit Studierenden der Gesangsklassen sowie Barnabás Kelemen (Violine), Thomas Carroll (Cello) und Ilja Scheps (Klavier) Musikalische Leitung & Einführung in das Programm: Prof. Ilja Scheps 26.01.2019 | 19.30 Uhr | Trinitatiskirche CHORKONZERT mit dem Hochschulchor und Hochschulorchester der HfMT Köln sowie Solisten der Vokalklassen Leitung: Prof. Reiner Schuhenn Johann Sebastian Bach Johannispassion BWV 24 ADRESSE Filzengraben 6, 50676 Köln Karten jeweils für 5 Euro im Vorverkauf bei sowie eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn an der Abendkasse.
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