Controlling-Instrumente für die Konzernsteuerung - Der Controlling-Berater

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Controlling-Instrumente für die Konzernsteuerung - Der Controlling-Berater
Der Controlling-Berater
Herausgeber: Gleich/Klein

Band-Herausgeber:
Andreas Klein

Controlling-Instrumente
für die Konzernsteuerung
> Gestaltung von Aufbau- und Ablauforganisation
> Betriebswirtschaftliche und rechtliche Aspekte
> Kennzahlen für die Konzernsteuerung
> Prozessoptimierung und IT-Unterstützung
Controlling-Instrumente in Wertschçpfungsketten

Value Chain Controlling: Instrumente in
unternehmensbergreifenden, globalen
Wertschçpfungsketten
n   Das Value Chain Controlling adaptiert die Ideen der Wertorientierten
    Unternehmensfhrung (Value Based Management) auf Wertschçp-
    fungsketten. Besondere Herausforderungen ergeben sich, wenn solche
    Wertschçpfungsketten ber Einzelfirmen oder Konzerne hinausgehen
    und/oder global organisiert werden.
n   Das klassische Instrumentarium des Controllers zur Erfassung und
    Steuerung von Gewinn-, Wert- und Geldflssen lsst sich prinzipiell
    im Hinblick auf globale Wertschçpfungsketten weiterentwickeln.
    Hinzu kommen neuartige Aufgaben des Value Chain Controllers.
n   In diesem Beitrag werden praxisorientierte Lçsungsanstze fr das
    Value Chain Controlling aufgezeigt. Auch werden Ideen zur weiteren
    Entwicklung von Controlling-Werkzeugen und zu neuen Control-
    ling-Aufgaben im Hinblick auf unternehmensbergreifende, globale
    Wertschçpfungsketten prsentiert.
n   Die Thematik ist noch nicht vollstndig durchdrungen. Sie erfordert
    jedoch angesichts ihrer praktischen Bedeutung baldige Lçsungen, um
    dem Value Chain Controller seine Rolle als Managementpartner zu
    sichern.

Inhalt                                                                                Seite
1         Aufgaben und Funktion des Value Chain Controlling .....                         223
2         Ausbau bewhrter Controlling-Instrumente ...................                    225
2.1       Konsolidierte Deckungsbeitragsrechnung .........................                225
2.2       Balanced Scorecard .........................................................    227
2.3       Werttreiber-Management ...............................................          228
2.4       Kostenoptimierung ..........................................................    230
2.5       Investitionsplanung .........................................................   230
2.6       Planung und Reporting ....................................................      231
3         Erweiterte Aufgaben des Value Chain Controllers ..........                      231
3.1       Aufteilung der Wertbeitrge ............................................        231
3.2       Suche nach geeigneten Partnern und Standorten ............                      235
3.3       Transferpreise/Transaktionskostenstze ............................             238
3.4       Vertrags-Controlling .......................................................    239
3.5       Kooperations-/Beziehungs- und Vertrauens-Controlling ...                        240

                                                                                          221
Organisation & IT

3.6      Internal und External Audit/Corporate Governance ..........                         241
3.7      Risiko-Controlling ...........................................................      242
3.8      Investor Relations und wertorientierte
         Kapitalmarktkommunikation ............................................              243
4        Organisatorische Eingliederung des Value Chain
         Controlling .....................................................................   243
5        Fazit und Ausblick ..........................................................       245
6        Literaturhinweise ...........................................................       247

n   Die Autoren
Prof. Dr. Martin Weiblen ist Professor fr Unternehmensfhrung und
Controlling im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule
Pforzheim. Er hat langjhrige Berufserfahrung als Geschfts- und
Konzern-Controller sowie mit Private-Equity-Beteiligungen und Start-
ups.
Dipl.-Ing. Angela Wenzel ist wissenschaftliche Assistentin im Fach-
bereich Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Pforzheim. Ihr
Spezialgebiet ist die Messung und Steuerung intangibler Werte, ins-
besondere im Mittelstand.
Prof. Harald Schnell ist Professor fr Controlling, insbesondere der
Fertigungswirtschaft, im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen der
Hochschule Pforzheim und Studiengangleiter des neuartigen WI-Stu-
diengangs „Global Process Management“. Seine Spezialgebiete sind
Kostenoptimierungsverfahren und das Investitions- und Projekt-Con-
trolling.

222
Controlling-Instrumente in Wertschçpfungsketten

1     Aufgaben und Funktion des Value Chain Controlling
Eine Wertschçpfungskette (Value Chain) stellt kein klassisches, rechtlich            Die grenzenlose
selbststndiges Unternehmen dar. Vielmehr ist sie eher mit einem                     Unternehmung
lngerfristigen Projekt vergleichbar; sie ist ein auf den produkt- oder
servicebezogenen Nutzen eines Endverbrauchers abgestelltes, integrier-
tes, ggf. globales, jedoch nicht gesellschaftsrechtlich verfasstes Gebilde.1
Picot/Reichwald/Wigand sprechen – durchaus im Doppelsinne – von
einer „grenzenlosen Unternehmung“, die natrlicherweise auch ver-
nderte Anforderungen an die Unternehmensfhrung und das Con-
trolling stellt.2
Ziel des Controllings einer Wertschçpfungskette ist es, Instrumente                  Wertschçpfung
bereitzustellen und Empfehlungen zu geben, um die Wertschçpfung der                  der ganzen Kette
gesamten Kette zu messen und zu managen. Dieses Ziel ist unabhngig                  und der einzelnen
davon, ob die Wertschçpfungskette „in-house“ oder ber mehrere                       Mitglieder
                                                                                     messen
unabhngige, nationale oder globale Unternehmen hinweg organisiert
ist. Ein weiteres Ziel ist es, die Wertbeitrge der einzelnen Ketten-
mitglieder zu messen sowie „gerecht“, d. h. verursachungsgerecht und/
oder frei zwischen den Beteiligten vereinbart, diesen zuzurechnen.3

     Achtung: Auch auf Konzerne bertragbar
     Nachfolgend geht es um Wertschçpfungsketten, bestehend aus unabhngigen
     Unternehmen mit grenzberschreitendem Geschftsverkehr. Alle berlegun-
     gen kçnnen – soweit zutreffend – auch auf Wertschçpfungsketten innerhalb
     von Konzernen oder Einzelunternehmen bertragen werden.

Auch ist es die Aufgabe der Controller in Wertschçpfungsketten, die                  Cashflow-
physische bertragung der finanziellen Wertbeitrge an deren „Ver-                   Relevanz der
ursacher“ zu organisieren. Dies ist aus Managementsicht nicht nur unter              Wertschçpfungs-
motivatorischen, sondern insbesondere auch unter Cashflow-Gesichts-                  aktivitten
punkten wichtig, denn nach wie vor sollen die an der Kette beteiligten
Einzelunternehmen ihre Aktivitten selbst finanzieren. Bei solchen
Zahlungsvorgngen mssen allerdings auch steuerrechtliche berlegun-
gen und ggf. nationale und internationale Finanztransaktionsvorschrif-
ten beachtet werden. Diese gehen i. d.R. (noch) vom Modell einer
Geschftsbeziehung zwischen „fremden Dritten“ („arm`s length princi-
ple“) und nicht vom hier propagierten Value-Chain-Modell aus. Bei der

1
    Grundlagen und Rahmenbedingungen einer Wertschçpfungskette werden im Beitrag
    „Value Chain Controlling: Anstze zur Steuerung unternehmensbergreifender,
    globaler Wertschçpfungsketten“ dargestellt.
2
    Vgl. Picot/Reichwald/Wigand (2003), S. 2 sowie S. 522ff.
3
    Idealerweise werden u.a. das Bonusprogramm und sonstige Vergtungssysteme bei
    den einzelnen Kettenmitgliedern auf die Wertschaffung in der Value Chain
    ausgerichtet, um Anreize zur Erhçhung des individuellen Wertbeitrags zu geben.

                                                                              223
Organisation & IT

                Ausgestaltung entsprechender Zahlungsstrçme geht es nicht ohne
                Experten, namentlich nicht ohne internationale Steuerrechts- und
                Transferpreis-Fachleute. Internationale Großkanzleien fangen nach Be-
                obachtungen der Verfasser gerade an, sich auf derartige Vertrags-
                gestaltungen zu spezialisieren.
  Umfassende    Da im internationalen Rahmen kein allgemein gltiges Rechtssystem
Vertragswerke   vorhanden ist, mssen alle Absprachen und Mechanismen einer Wert-
   notwendig    schçpfungskette individuell in Vertragswerken geklrt und festgehalten
                werden. Auch hierbei sind dringend Spezialisten zu Rate zu ziehen. Die
                erforderlichen vertraglichen Regelungen sind vielfltiger Art; einige
                wesentliche davon betreffen die Controlling-Zahlen:
                • die
                  Zum einen muss die „functional currency“ vereinbart werden, also
                      Whrung, in der das Wertkettenmanagement denkt und in der die
                    wirtschaftlichen Ergebnisse ausgedrckt werden.
                •   Weiter sind einheitliche Definitionen, Rechensystematiken und
                    Erhebungsmethoden fr Erlçs-, Kosten-, Cashflow- und Bilanzdaten
                    fr alle Kettenmitglieder verbindlich zu vereinbaren. Hier treffen
                    sicherlich hufiger unterschiedliche (auch von nationalen Vorlieben
                    geprgte) Kostenrechnungsphilosophien aufeinander oder es spielen
                    lnderspezifische Rechnungslegungsvorschriften eine Rolle.
                •   Auch wird es oft nicht ausreichen, der Zuverlssigkeit gelieferter
                    Zahlen zu vertrauen. Vielmehr mssen Kontrollmechanismen min-
                    destens theoretisch vorhanden sein; beispielsweise das Recht, mithilfe
                    von internen oder externen Auditoren die Glaubwrdigkeit von
                    Input-Daten zu berprfen, die sich die Kettenmitglieder „gegen-
                    seitig“ zur Information, Steuerung und Abrechnung bereitstellen.
                Angesichts der Vielzahl erforderlicher Festlegungen und Absprachen
                kommt es zu umfangreichen Vertragswerken.4 Wnschenswert wren
                allerdings „Standardvertrge“, die nur noch auf den jeweiligen Einzelfall
                angepasst werden mssen.
                Nachfolgend geht es im Wesentlichen um die (vermuteten) Anforderun-
                gen an das Controlling von Value Chains, wobei zwischen der Fort-
                entwicklung bewhrter Controlling-Instrumente und neuartigen Anfor-
                derungen unterschieden wird.5

                4
                    Zum Vertrags-Controlling in Value Chains vgl. Kap. 3.4.
                5
                    Grundlage fr diese Darstellungen sind Projektarbeiten, die im ersten Halbjahr 2010
                    an der Hochschule Pforzheim, Fachbereich Controlling im Bereich Wirtschafts-
                    ingenieurwesen, von einer interdisziplinren Gruppe aus Studierenden, wissenschaft-
                    lichen Mitarbeitern und Professoren erstellt wurden.

                224
Controlling-Instrumente in Wertschçpfungsketten

2      Ausbau bewhrter Controlling-Instrumente
2.1      Konsolidierte Deckungsbeitragsrechnung
Die bewhrte Systematik der gestuften Deckungsbeitragsrechnung bietet                       Gestufte
sich als Ausgangsmodell an, um produkt- oder kundenbezogene Ergeb-                          Deckungs-
nisbeitrge auch einer Wertschçpfungskette festzustellen bzw. zu pla-                       beitragsrechnung
nen.6 Typischerweise erfolgt eine solche Deckungsbeitragsrechnung pro                       als Grundmodell
Abrechnungsperiode, also pro Monat oder Jahr. Fr Entscheidungs-
rechnungen ber mehrere Perioden oder gar den Lebenszyklus eines
Produkts mssen die betroffenen Perioden aufaddiert werden, sofern
Zinseffekte vernachlssigbar sind. Alternativen wren „abzinsende“
Barwertmethoden, wie DCF oder Realoptionen.
Ganz wesentlich ist die Festlegung einer verbindlichen Systematik und
einheitlicher Rechenmethoden fr alle Deckungsbeitragsrechnungen
einer Wertschçpfungskette nach etwa den folgenden berlegungen:
• auftreten;
  Beim Umsatz als Ausgangsgrçße drften keine Schwierigkeiten
             allenfalls ergibt sich eine Wechselkursproblematik, wenn
    Umstze nicht in der „functional currency“ der Wertschçpfungskette
    abgerechnet werden. Klar ist, dass nur Umstze eingerechnet werden,
    die mit einem Endkunden, also zwischen dem letzten Kettenmitglied
    und dem Endabnehmer, erfolgen. Wrden Zwischenumstze in der
    Kette bercksichtigt, wrde dies zu falschen Steuerungsinformationen
    fhren und z.B. Deckungs- oder Wertbeitrge vorspiegeln, die noch
    nicht entstanden sind oder die nie entstehen werden.
•   Bei der Kostenzurechnung wird es schwieriger. Generell gilt das
    Umsatzkostenverfahren, d.h., es werden nur diejenigen Herstell-
    kosten bercksichtigt, die auf den tatschlichen Umsatz mit einem
    Endkunden bezogen sind. Ob dann Plan-, Ist- oder Standardherstell-
    kosten verrechnet werden, ist eine der ersten zu klrenden Fragen.
    Gegebenenfalls sind Ist-Abweichungen zu verrechnen. Auf jeden Fall
    aber sind schon die Herstellkosten nach einheitlichen Regeln zu
    berechnen. Schnell treffen hierbei unterschiedliche Rechensysteme
    oder gar -philosophien der Kettenmitglieder aufeinander, und es muss
    Einigkeit erzielt werden.

     Tipp: Virtuellen „Zentral-Controller“ einfhren
     Idealerweise gibt es auch in der Wertschçpfungskette einen „Zentral“-Con-
     troller, der ggf. ein Machtwort sprechen kann. Allerdings mssen sich die
     Beteiligten darauf zunchst vertraglich verstndigen.

6
    Ahlrichs/Knuppertz (2006), S. 195 ff, z. B. entwickelten nach der gleichen berlegung
    eine bereits prozessorientierte „mehrdimensionale Managementerfolgsrechnung“ fr
    das Supply Chain Management, allerdings nur eines Unternehmens.

                                                                                    225
Organisation & IT

                 • Dann  gilt es, die weiteren Kostenpositionen der Deckungsbeitrags-
                   rechnung zu definieren und zu klren, ob und zu welchen Teilen die
                     F&E-, Marketing-, Distributions- oder Unternehmensgemeinkosten
                     wie zu verrechnen sind. Das ist nicht nur methodisch schwierig,
                     sondern es mssen auch die Rechenwerke aller Beteiligten so gestaltet
                     werden, dass sie die geforderten Informationen zeitgerecht fr
                     Planungen, Soll-Ist-Vergleiche und Analysen liefern kçnnen. In der
                     Regel wird es so sein, dass gleiche Kostenarten von mehreren
                     Beteiligten fr die Deckungsbeitragsrechnungen der Wertschçpfungs-
                     kette „zugeliefert“ werden.
                 •   Entscheidend fr die Aussagekraft einer konsolidierten Deckungs-
                     beitragsrechnung sind die gewhlten Stufen: Was sind DB I, DB II,
                     Betriebsergebnis etc.? Soll es letztlich eine Vollkostenrechnung sein
                     oder arbeitet man „nur“ mit Teilkosten? Auch hier werden Glaubens-
                     streite entstehen, die der Value Chain Controller zur Lçsung fhren
                     muss.
 Verrechnung     Gestufte Deckungsbeitragsrechnungen sind normalerweise nicht auf
    der vollen   Wertbeitrge, sondern auf die Ermittlung des klassischen Betriebsergeb-
Kapitalkosten    nisses bzw. vorgelagerter Deckungsbeitrge ausgelegt. Es gibt Anstze,
   notwendig     ber kalkulatorische Kosten die vollen Kapitalkosten einzubeziehen.
                 Nicht zuletzt haben dies schon die Vter der deutschen Kostenrechnung
                 mithilfe von „kalkulatorische Zinsen“ mehr oder weniger bewusst
                 gemacht. Wo dies akzeptiert ist, muss lediglich eine korrekte, risikoad-
                 justierte Eigenkapitalrendite (in diesem Fall idealerweise fr die ganze
                 Wertschçpfungskette) gefunden und eingerechnet werden.

                     Tipp: Zinsen ber CAPM bestimmen
                     Die kalkulatorischen Zinsen kann man beispielsweise mithilfe der Capital-
                     Asset-Pricing-Methode (CAPM) bestimmen. Wirtschaftsprfer sind hier sicher-
                     lich gerne behilflich. Jedenfalls gengt es fr die Zwecke der Wertorientierten
                     Unternehmensfhrung nicht, einen wie auch immer gearteten „Kapitalmarkt-
                     zins“ freihndig festzulegen.

                 Wenn die Berechnungen sorgfltig gemacht werden, gengen sie den
                 Ansprchen einer Wertorientierung schon sehr weitgehend. Der große
                 Vorteil dieses Vorschlags ist es, dass er kein Umdenken in der
                 Deckungsbeitragssystematik erfordert, wohl aber in der Interpretation
                 der Rechenergebnisse. Bis heute ist bei vielen Managern der Eindruck
                 vorhanden, Eigenkapital koste kein Geld. Dass es – richtig betrachtet –
                 eine hçhere Verzinsung als Fremdkapital erfordert und das auch noch als
                 Mindestverzinsung, d. h. als eine zu berschreitende Schwelle, wenn
                 Wert geschaffen werden soll, muss vielfach noch „in die Kçpfe“ der
                 verantwortlichen und entscheidungsbefugten Manager. Gelegentlich

                 226
Controlling-Instrumente in Wertschçpfungsketten

haben sogar Controller damit Verstndnisprobleme; aber sie sind
gefragt, wenn es gilt, Rechenergebnisse zu interpretieren und Hand-
lungsempfehlungen fr das Value Chain Management abzuleiten.

2.2      Balanced Scorecard
Auch eine Wertschçpfungsketten-Organisation sollte sich strategische           Koordinierte
Ziele setzen und diese auf die Organisationsmitglieder „herunterbre-           Zielorientierung
chen“. Der Controller sollte die Zielerreichung berprfen und bei             aller
Abweichungen von den Planwerten Maßnahmenvorschlge zur Rck-                  Management-
                                                                               ebenen
kehr auf den gewnschten Pfad machen. Konsequenterweise ist eine
speziell entworfene Balanced Scorecard (BSC) fr die gesamte Value
Chain empfehlenswert bzw. sogar erforderlich, die mit den Zielplanun-
gen aller Beteiligten abgestimmt ist – eine Herkulesaufgabe fr die
zustndigen Controller.
Die BSC eignet sich aus zwei Grnden fr das Controlling von
Unternehmensnetzwerken:
1. Die Mehrdimensionalitt der BSC ermçglicht es, die Ziele der
   einzelnen Wertschçpfungspartner im Netzwerk zu differenzieren.
2. Der bereits hohe Bekanntheitsgrad dieses Instrumentariums in der
   Praxis.
Die klassische, unternehmensbezogene Ausgestaltung der BSC muss
hierfr allerdings um neue Perspektiven erweitert werden: Die Prozess-
perspektive muss auf die unternehmensbergreifenden Netzwerkpro-
zesse ausgedehnt und eine neue Perspektive des Managements der
Netzwerkbeziehungen eingebaut werden.7 Dadurch werden die Wirkun-
gen vorgesehener Maßnahmen auf die Gesamtstrategie des Netzwerks
sichtbar sowie eine Steuerung der Informations- und Finanzstrçme im
Netzwerk mçglich.
Eßig gestaltet in seinem Konzept der „Multi Level Balanced Scorecard“
die Dimensionen bzw. Perspektiven der BSC entsprechend den Anfor-
derungen einer Supply Chain und integriert zustzlich eine durch-
gehende Wertorientierung sowie mehrere Analyseebenen, um die Mehr-
dimensionalitt eines Netzwerks zu bercksichtigen.8
Die bisher am weitesten gediehene Weiterentwicklung einer BSC zum              Modifikation
praxistauglichen Controlling-Instrument in Netzwerken ist der Ansatz           des Kaplan/
von Bosshardt fr eine modifizierte BSC zum Performance Measurement            Norton-Modells
in Supply Chains. Seiner Argumentation nach macht „… eine Aus-                 notwendig

7
    Vgl. Wente/Walther (2007), S. 55f.
8
    Vgl. Eßig (2007), S. 238-242.

                                                                        227
Organisation & IT

                  weitung der Perspektive vom einzelnen Unternehmen hin zu einer
                  Betrachtung von Netzwerkpartnerschaften auch eine Modifikation tradi-
                  tionell unternehmensbezogener Controlling-Instrumente und -methoden
                  notwendig …“.9 Fr seine Form der (auch finanzorientierten) Supply
                  Chain whlt er die Finanz-, Endkunden-, Prozess-, Kooperations- und
                  Potenzialperspektive als Erweiterung und Modifikation des ursprng-
                  lichen Konzepts von Kaplan und Norton.10 Er sieht „das Controlling als
                  geeignete betriebswirtschaftliche Disziplin der Komplexittsbeherrschung
                  eines Supply-Chain-Management-Zusammenschlusses“.11 Nach seiner
                  Ansicht „… haben, neben dem Supply-Chain-Management, auch die
                  jeweils betroffenen Einzelunternehmungen einen starken Informations-
                  bedarf ber die Performance ihrer Partner im Wertschçpfungsprozess“.12
                  Die Motivation der Partner zum Verbleib in der Wertschçpfungskette ist
                  nach Bosshardt stark von der Generierung und transparenten Abbildung
                  ihrer individuellen Erfolgsbeitrge abhngig.13

                  2.3       Werttreiber-Management
    Werttreiber   Gerade in einer globalen Value Chain ist es unverzichtbar, in allen
produktbezogen    Funktionsbereichen der Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebsstufen
     optimieren   unternehmensbergreifend die Werttreiber herauszuarbeiten und diese mit
                  den bekannten Methoden des Controllings zu messen und koordiniert zu
                  steuern. Produktbezogen sind nicht wertschçpfende Aktivitten zu mini-
                  mieren bzw. zu eliminieren. Erlach beispielsweise entwickelt, ausgehend
                  von der Produktion, mithilfe des Wertstrommanagements Vorschlge fr
                  eine wertstromorientierte Fabrik – ein Ansatz, der vermutlich auch auf eine
                  unternehmensbergreifende Value Chain bertragen werden kann.14
                  Mder beschreibt die Werttreiber in Technologieunternehmen (insbeson-
                  dere in der Forschung und Entwicklung), die vermutlich fr Wert-
                  schçpfungsketten leicht bernommen werden kçnnen.15
                  Die ganzheitliche, organisationsbergreifende Betrachtung der Wert-
                  schçpfung in einer Value Chain ist noch nicht sehr entwickelt. Walther
                  macht ansatzweise Vorschlge, indem sie sowohl die stoffstrombasierten
                  Aspekte der Phasen des Produktlebenszyklus als auch die organisatori-
                  schen Aspekte der Kooperation betrachtet.16 Hierbei geht es auch um die

                  9
                       Bosshardt (2007), S. 2 f.
                  10
                       Vgl. Bosshardt (2007), S. 87.
                  11
                       Bosshardt (2007), S. 148.
                  12
                       Bosshardt (2007), S. 1.
                  13
                       Vgl. Bosshardt (2007), S. 2.
                  14
                       Vgl. Erlach (2010), S. 269 und S. 281.
                  15
                       Vgl. Mder (2009), S. 160.
                  16
                       Vgl. Walther (2010), S. 265.

                  228
Controlling-Instrumente in Wertschçpfungsketten

Frage, inwieweit Machtverhltnisse im Netzwerk, Eigeninteressen der
Netzwerkpartner, Lerneffekte und Zeithorizonte die gemeinsame Wert-
schçpfung beeinflussen. Ein Optimum erscheint Walther nur mçglich
durch einen zentralen Planer mit vollstndiger Information und voller
Weisungsbefugnis17 – Voraussetzungen, die sicherlich kritisch zu dis-
kutieren, jedenfalls aber eher theoretischer Natur sind. Auch wren die
Intangibles (= immaterielle Vermçgenswerte) nicht nur der beteiligten
Unternehmen zu messen, sondern auch diejenigen, die die Kette per se
erzeugt. Mçller stellt sich eine integrierte Betrachtung und Bewertung
materieller und immaterieller Werttreiber in fnf Ebenen mit dem
Spitzenwert „Network Value Added“, wie in Abb. 1 dargestellt, vor.18

                                                                                                          Gesamtwert
                                                                                                              > eindeutige Rechenlogik

                                               Wertschöpfung in Netzwerken                                    > rein monetäre Bewertung

                                                (Network Value Added)
                                                                                                          Komponenten
                                                                                                              > mehrfache Zuordnung möglich
                                                                                                              > Berücksichtigung der Intangibles
                                    Kapital-              Steuersatz                        ...                 als „Korrekturfaktor“
                                  kostensatz
                                                        Geschäfts-                                        Kategorien
                                 Erlöse                vermögen                      Kosten                   > mehrfache Zuordnung möglich
                                                                                                              > absolute und relative
                                   Umlaufverm.         Innovation       Investoren         Zulieferer
                                                                                                                Bewertung möglich
                                Kapitalrend.      Anlageverm.         Personal          Prozesse
                                                                                                          Treiber
                             Prod.-kosten      Koord.-kosten        Kunden           Standort                 > eindeutige Zuordnung
                                                                                                              > Berücksichtigung mehrer
                                                                                                                Messgrößen

                                                                                                          Messgrößen
                         1
                 ar n/
                      er
                   tn
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                                                                                                                        3
             er m

                                                                                                                  ar n/
                                                                                                                      er
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                                                                                                                    tn
                                                                                                                kp e
         tz rn

                                                                                                              er m
       Ne nte

                                                                                                            w eh
                                                                                                          tz rn
        U

                                   Netzwerkbereich als Bewertungsgrundlage
                                                                                                        Ne nte
                                                                                                         U

                                Unternehmen/Netzwerkpartner 2

Abb. 1: Ebenenmodell zur Ermittlung der Wertschçpfung in Netzwerken19

17
     Vgl. Walther (2010), S. 263.
18
     Vgl. Mçller (2006), S. 150-160.
19
     Quelle: Mçller (2006), S. 153.

                                                                                                         229
Organisation & IT

                    2.4       Kostenoptimierung
       Bekannte     Zur Optimierung der Einzel- und Gemeinkosten der Beteiligten sind
    Instrumente     i. d.R. keine neuen Rechenwerke erforderlich. Vielmehr sind solche heute
      anwenden      blicherweise sehr gut ausgereift und in ihrer Aussagekraft dem
                    Management bekannt. Gute Kostenrechnungssysteme der Teilnehmer
                    vorausgesetzt – neben den klassischen idealerweise auch neuere Formen
                    wie Prozess- und Lebenszykluskostenrechnung sowie Kaizen und Target
                    Costing –, kçnnen diese Rechenwerke, nach einer entsprechenden
                    Standardisierung, auch als Basis fr die Kostenermittlung im Rahmen
                    einer Wertschçpfungskette genutzt werden. Standardisierte Rechen-
                    systeme der Kettenmitglieder bieten dem Value Chain Controller
                    zustzliche Informations- und Analysemçglichkeiten, z.B. im Sinne
                    von Kostenvergleichen oder Benchmarkstudien.
                    Gleichwohl bleibt die Frage, wie das Management einer Value Chain ggf.
                    Einfluss auf die Kostenentwicklung bei einzelnen Mitgliedern nehmen
                    kann, denn es wird vielfach nicht ausreichen, auf freiwillige Kosten-
                    disziplin zu setzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit ungeeigneten
                    Transferpreisen zwischen den Beteiligten operiert wird.20 Hier muss der
                    Controller wachsam sein und aus seinen Informationen Handlungs-
                    empfehlungen ableiten und nachdrcklich dem Management vorlegen.
                    Es ist eine Frage an die organisatorische Gestaltung und die Zuweisung
                    von Managementfunktionen und -verantwortlichkeiten in der Value
                    Chain (im Vertragswerk festzulegen), inwieweit Direktionsrechte und
                    Sanktionen solche Empfehlungen untersttzen sollen.

                    2.5       Investitionsplanung
  Einzelfall- und   Hufig werden die Errichtung und der Betrieb einer Value Chain Sach-
 unternehmens-      und Personalinvestitionen erfordern. Damit verbunden ist die Frage, wer
       bezogene     diese finanziert. Die Finanzierung von Investitionen ist immer einzel-
Betrachtung bei     fallbezogen und in erster Linie vom „zustndigen“ Kettenmitglied zu
    Investitionen
                    klren.21 Doch unabhngig davon: Zur Ermittlung der Vorteilhaftigkeit
                    einer Investition hat der Controller ausreichend bewhrte Instrumente
                    zur Hand. Diese mssen innerhalb der Wertschçpfungskette abgestimmt
                    und vereinheitlicht werden, was die Klrung methodischer Fragen
                    erfordern wird – wiederum bis hin zur verbindlichen Festlegung in
                    juristischen Vertrgen.

                    20
                         Vgl. Kap. 3.1 und 3.3.
                    21
                         Ggf. sind berkreuz-Finanzierungen unter den Kettenmitgliedern erforderlich, aber
                         auch mçglich. Vgl. auch Kap. 3.1 und 3.3.

                    230
Controlling-Instrumente in Wertschçpfungsketten

2.6    Planung und Reporting
Auch Entscheidungstrger in einer Wertschçpfungskette mssen vom          Planung und
Controller mit relevanten Daten auf dem Weg zu den definierten Zielen     Reporting werden
versorgt werden, jedoch ist die Aufgabe hier naturgemß komplex und       komplexer
kompliziert. Empfehlenswert ist eine Ausweitung, ggf. bis hin zu einer
Angleichung, der vorhandenen Planungs-, Budgetierungs- und Repor-
ting-Systeme aller Partner einer Wertschçpfungskette, soweit es Aktivi-
tten im Rahmen von inner- oder berbetrieblichen Ketten betrifft. Der
Detaillierungsgrad der zu planenden und zu beobachtenden Daten muss
vom Nutzen fr das Wertschçpfungsmanagement der Kette, also von
den fr erforderlich gehaltenen Steuerungsinformationen her, definiert
werden. Dies kann der Controller nur in enger Abstimmung mit seinen
Managementpartnern, ggf. aus verschiedenen teilnehmenden Unterneh-
men, bewerkstelligen.
Ist-Abweichungen zu Soll-Werten sollten im regelmßigen Reporting an
das Wertketten-Management nicht nur aufbereitet und routinemßig
vorgelegt werden, beispielsweise mittels Cockpit-Charts, sondern der
Value Chain Controller sollte sich auch zutrauen, seine Handlungs-
empfehlungen deutlich auszusprechen und deren Umsetzung nach-
zuverfolgen. Es ist außerdem zu klren, wie Planung und Reporting fr
eine Value Chain in die regulren Controlling-Systeme der beteiligten
Unternehmen integriert werden. An dieser Stelle wird auf konkrete
Gestaltungsvorschlge verzichtet, weil sich diese aus den gngigen
Instrumenten des Projekt-Controllings verhltnismßig leicht ableiten
lassen.

3     Erweiterte Aufgaben des Value Chain Controllers
3.1    Aufteilung der Wertbeitrge
Die angemessene Aufteilung der monetren Ergebnisse einer Wert-           Zuweisung der
schçpfungspartnerschaft unter den Kettenmitgliedern ist die vielleicht    Wertbeitrge
anspruchsvollste Aufgabe fr den Value Chain Controller. Denn nur         muss „gerecht“
wenn die geschaffenen Werte auf die Mitglieder „gerecht“, also ent-       sein
sprechend der Verursachung oder zumindest einvernehmlich, zugerech-
net werden kçnnen, macht die Wertschçpfungskette wirklich Sinn: Wie
schon ausgefhrt, erlaubt es prinzipiell erst eine solche Zurechnung
jedem Kettenmitglied, seinen Beitrag zum wirtschaftlich besseren
Abschneiden einer Wertschçpfungskette gegenber herkçmmlichen
Organisationsformen klar zu erkennen. Kein wirtschaftlich Handelnder
wird sich einer Wertschçpfungskette anschließen (wollen), sich ihr gar
unterstellen, wenn dies nicht mit der Aussicht auf einen materiellen

                                                                   231
Organisation & IT

                 Vorteil fr ihn verbunden ist. Dieser kann nur in einer eindeutigen
                 Zurechnung, und i. d.R. auch in einem kassenmßigen Zufluss, der
                 Wertbeitrge beim Einzelnen ausgedrckt werden.

                       Beispiel: Value Chain Management bei Benetton
                       Ein praktisches Beispiel fr eine Gewinn- bzw. Wert-Zurechnungsphilosophie
                       liefert der italienische Modebekleider Benetton: Er delegiert arbeitsintensive
                       Teile des Produktionsprozesses an etwa 350 „Subkontrakt-Unternehmen“, die
                       zwar rechtlich selbststndig, aber von Benetton wirtschaftlich abhngig sind,
                       weil sie kein vollstndiges Produkt liefern. Zustzlich kontrolliert Benetton
                       weiterhin den gesamten Produktionsprozess durch die Durchfhrung der
                       zentralen und technologisch anspruchsvollen Phasen. Im Unterschied zu
                       anderen Herstellern garantiert er jedoch den Netzwerk-Lieferanten einen
                       vereinbarten Anteil am erwirtschafteten Gewinn der von ihm gesteuerten
                       Wertschçpfungskette.22

berzeugende     Die Fachliteratur bietet bisher zur Aufteilung der Wertbeitrge nur
Anstze fehlen   wenige bis keine Lçsungsanstze. Das Grundproblem ist, dass es keine
                 Marktpreise fr den Beitrag eines einzelnen Kettenglieds gibt und eine
                 Abkehr von der Denkweise im Zusammenhang mit klassischen Ver-
                 rechnungs- bzw. Transferpreisen notwendig ist. Auch „cost plus“-An-
                 stze passen nicht mehr ins Bild. Zu beachten ist zustzlich, dass –
                 insbesondere bei langen Wertschçpfungsketten – noch nicht am Markt
                 realisierte Gewinne bzw. Wertbeitrge eine Rolle spielen kçnnen: Erst
                 wenn ein Produkt an den Endkunden verkauft ist, hat es im Idealfall
                 Wert fr die gesamte Kette geschaffen. Erst dann ist theoretisch eine
                 Verteilung der geschaffenen Werte mçglich.
                 In der Praxis wird man – schon zur Lçsung der Finanzierungspro-
                 blematik bei den einzelnen juristischen Einheiten der Wertschçpfungs-
                 kette – nicht darum herumkommen, die Verteilung des geschaffenen
                 Werts in zwei Stufen vorzunehmen: Zunchst eine, ggf. recht will-
                 krliche, Zurechnung und Bezahlung kalkulatorisch vorlufig ermittelter
                 Ertrge und spter eine „Korrektur“ durch Ab- und Nachschlge, um die
                 „richtigen“ Wertbeitrge widerzuspiegeln, wenn sie denn berechnet
                 werden konnten. Ein Grenzfall wre sicherlich die Erstattung der
                 (einheitlich definierten) Vollkosten an jeden Teilnehmer einer Wert-
                 schçpfungskette im ersten Schritt und eine sptere Verteilung bzw.
                 Verrechnung positiver oder negativer Wertbeitrge. Denkbar sind solche
                 Verrechnungen und Zahlungen in den verschiedensten Formen, z.B.
                 auch im Rahmen eines „Pools“, der nach Auszahlung aller Wertbeitrge

                 22
                      Vgl. Sydow (2005), S. 32-35.

                 232
Controlling-Instrumente in Wertschçpfungsketten

aufgelçst wird, der aber auch der gezielten berkreuzfinanzierung der
Teilnehmer dienen kçnnte.

      Achtung: Verteilung des Cashflows
      Zu bedenken ist hier, dass unter Cashflow-Gesichtspunkten eine schnelle, ggf.
      vorlufige Verteilung der Erlçse bzw. Rohertrge an die Ketten-Beteiligten oder
      aber eine Vorab-Verteilung der Ertrge mit nachfolgender Adjustierung
      notwendig ist. Sollte ein Pool als gesellschaftsrechtliche Einheit konzipiert
      werden, wren die Folgen steuerrechtlicher Art fr die Beteiligten zu bedenken,
      z.B. bei einer Gewinnzurechnung mit Steuerpflicht bei den Beteiligten.

Solche Vorschlge sind aber nur „Technik“, denn es bleibt zunchst die                   Aufteilungs-
Frage nach der gerechten Aufteilung des geschaffenen Werts innerhalb                     kriterien noch zu
der Kette zu beantworten. Wie gesagt, gibt es hierfr bisher nur                         entwickeln
rudimentre Vorstellungen. Kraus gibt z.B. ein zweidimensionales
Schema fr eine Aufteilung der Gewinne im Automobilsektor als
Ex-ante-Vorstellung wieder.23 Es ist zu vermuten, dass in der Praxis ein
solches Schema von der Verhandlungsstrke der Teilnehmer beeinflusst
wrde – und damit kçnnte es Akzeptanzprobleme bei den „schwche-
ren“ Kettenmitgliedern verursachen (s. Abb. 2).

Abb. 2: Profit-Pool in der automobilen Wertschçpfungskette24

23
     Vgl. Kraus (2005), S. 181.
24
     Quelle: Kraus (2005), S. 180, dort zitiert aus einer Studie „Automobiltechnologie
     2010“ von Mercer Management Consulting aus dem Jahre 2001.

                                                                                  233
Organisation & IT

                          Achtung: Wenn starke Partner ihre Position ausntzen …
                          Fachlich unschçn und wenig motivierend ist es, wenn die fhrenden Partner
                          einer Value Chain den anderen Mitgliedern Preise fr ihre Leistungen
                          „einrumen“, die diesen eine auskçmmliche „Marge“ lassen und eine etwaige
                          restliche Wertschçpfung vom fhrenden Partner vereinnahmt wird. Diese
                          „Verteilung“ der geschaffenen Wertbeitrge ist z. B. in der Automobilbranche
                          oder in der Schuhindustrie durchaus nicht unblich, mçglicherweise mangels
                          ausreichender Erkenntnis der Zusammenhnge einer Wertschçpfungskette, wie
                          sie in diesem Artikel propagiert wird.

                    Hilfslçsungen wie eine simple Zuordnung der erzielten Wertbeitrge
                    „nach Kçpfen“, d.h. nach der Anzahl der beteiligten Unternehmen oder
                    der Verrechnung des geschaffenen Werts als Kostenaufschlge („cost
                    plus“), erscheinen vorsintflutlich. Sie sind wenig zielfhrend und nur
                    dann akzeptabel, wenn alle Beteiligten es so wollen und einen Sinn darin
                    sehen. Aber auch professionellere Vorschlge mssen von den Betei-
                    ligten in erster Linie akzeptiert werden. Ansonsten ist die Motivations-
                    wirkung einer solchen Verteilung schnell dahin, ja, es kann schon das
                    Zustandekommen einer Value Chain torpediert werden.
      Einsatz des   Unterstellt, das materielle Vermçgen jedes Partners kçnnte, richtig
  materiellen und   ermittelt, der Wertschçpfungskette zugerechnet und der Verteilung der
des immateriellen   geschaffenen Wertbeitrge zugrunde gelegt werden, so wrde dies jedoch
         Kapitals   nur den (nach welchen berlegungen auch immer) bilanzierten Kapital-
      honorieren
                    einsatz „honorieren“. Gerade bei hoch innovativen Aufgaben wird
                    jedoch derjenige Teilnehmer die hçchste Wertsteigerung generieren, der
                    nichtbilanzielles, intangibles Kapital einsetzt. Die Notwendigkeit einer
                    Bewertung der intangiblen Werte wurde zwar inzwischen erkannt, die
                    berlegungen zu geeigneten Methoden und Rechenverfahren zu ihrer
                    Erfassung, auch als Basis fr die angesprochenen Verrechnungen, stehen
                    aber erst am Anfang.25 Mçller beispielsweise schlgt zur Ermittlung der
                    individuellen Wertbeitrge eine Transaktionskostenrechnung vor. In
                    Ergnzung der traditionellen Kostenrechnung wird hier die Wertnde-
                    rung durch eine Transaktion unter Einbezug von Intangibles abge-
                    bildet.26 Die Praxistauglichkeit dieses Vorschlags ist offen.
                    Derzeit verbleibt, aus Sicht der Verfasser, die vorlufige Idee, in den
                    zuvor erwhnten konsolidierten Deckungsbeitragsrechnungen27 ber
                    richtig angesetzte kalkulatorische Zinsen den materiellen Kapitaleinsatz
                    pro Teilnehmer abzurechnen und de facto ber die Transferpreise an die
                    Wertschçpfungspartner zu vergten. Eine Wertschçpfung, die durch den
                    Einsatz von immateriellen Vermçgensbestandteilen, wie Wissen und

                    25
                         Vgl. Mçller (2006), S. 70-75, und Picot/Reichwald/Wigand (2003), S. 551.
                    26
                         Vgl. Mçller (2002), S. 322 f. Vgl. ferner Kap. 3.3.
                    27
                         Vgl. Kap. 2.1.

                    234
Controlling-Instrumente in Wertschçpfungsketten

Humankapital, bedingt ist, kann derzeit nur nach gemeinsam verein-
barten „freihndigen“ Zurechnungen auf die Partner erfolgen, z.B.
mithilfe von quivalenzziffern, die die Beitrge der Partner gewichten.
Dies wrde praktisch ber Zu- und Abschlge bei den Transferpreisen
erfolgen mssen oder durch eine separate Zu- und berweisung an jedes
einzelne betroffene Kettenmitglied.
Die Fehlsteuerung des Ressourceneinsatzes aufgrund ungeeigneter Lç-              Gefahr der
sungen fr die Zurechnung der Wertschçpfung der Kette kann enorm                 Fehlallokation
sein: Einzelne Wertschçpfungspartner werden im Zweifelsfall innovative           von Ressourcen
Ideen unterdrcken, weil deren Verwirklichung ihnen keine Vorteile
bringt. Wrde der Partner hingegen seinen „gerechten“ Anteil an der
Wertschçpfung bekommen, wre ein Anreiz gesetzt, Gutes durch
Besseres zu verdrngen und damit im echten Sinne der Value Chain zu
agieren, d. h. die Steigerung des Kundennutzens in den Vordergrund zu
stellen. Es braucht deshalb nicht hervorgehoben zu werden, dass die
„Verteilungsproblematik“ in der Wertschçpfungskette zu den beson-
ders vorrangig weiter zu erforschenden und zu diskutierenden Themen
gehçren muss.

3.2       Suche nach geeigneten Partnern und Standorten
Der Initiator einer Wertschçpfungskette ist naturgemß bestrebt, geeig-
nete Partner zu finden. Mçller unterscheidet auf Basis eines Vorschlags
von Sydow/Windeler vier elementare Aufgaben des Managements von
Netzwerken:28
• die Selektion von Netzwerkpartnern,
• die Allokation von Aufgaben und Ressourcen,
• die Regulation der Zusammenarbeit im Netzwerk und
• die Evaluation der Netzwerkunternehmungen.
Insbesondere im Rahmen der ersten beiden Aufgaben ist es von zentraler           Komplementre
Bedeutung, komplementre Partner zu finden, d.h. solche, die die                 Partner
Core-Kompetenzen der einzelnen Partner in geeigneter Weise ergnzen
und nicht Schwchen multiplizieren. Gemeinhin spricht man davon,
Synergien herauszuarbeiten oder Wettbewerbsvorteile („competitive
advantages“) zu potenzieren. Der Auswahlprozess kann von informellen
Handschlagvertrgen unter langjhrigen Geschftspartnern bis zu einer
systematischen Suche nach mçglichen Partnern, verbunden mit einer
sog. „due diligence“, gehen, bevor ein Vertrag abgeschlossen wird. Hier
hat der Controller ein wichtiges und ggf. weites Aufgabenfeld: Er muss

28
     Vgl. Mçller (2005), S. 177.

                                                                          235
Organisation & IT

                              potenzielle Partner „bewerten“. Dabei geht es vor allem darum, diese auf
                              ihre Zuverlssigkeit hin abzuschtzen und Risiken auf ein berechen- und
                              vertretbares Maß zu reduzieren sowie diese fr die Auswahl zu
                              quantifizieren. Hierzu nimmt der Controller Anleitung bei den bekann-
                              ten quantitativen und qualitativen Tools zur Abschtzung von Projekt-
                              risiken.
     Standortwahl             Eng verbunden mit der Suche nach Partnern ist hufig die Suche nach
                              geeigneten Standorten. Diese kann der Suche nach geeigneten Partnern
                              vorgelagert sein, wenn z.B. Kostenvorteile genutzt werden sollen, die mit
                              Standorten verbunden sind. Auch hier ist der Controller mit seinen
                              vorhandenen Tools involviert, z.B. durch Kosten- und Standortver-
                              gleiche.
      Einsatz von             Methodisch ist fr die Auswahl alternativer Standorte oder alternativer
Scoring-Modellen              Partner der Einsatz von Scoring-Modellen, kombiniert mit einer
                              Portfolio-Analyse, zu empfehlen. Ein Beispiel fr die Bewertung
                              potenzieller Partnerschaften mithilfe eines solchen Punktesystems zeigt
                              Abb. 3.

                                         Bewertung mit entsprechend                                       Bewertung mit entsprechend
                                         differenzierter Punkteskala!                                     differenzierter Punkteskala!

                              Chancen-                                                          Risiko-
    Chancen-                  bewertung gering    mittel    groß        Risiko-                 bewertung gering    mittel    groß
    merkmal                                                             merkmal

    Steigert das Unternehmensimage                                      Verwässerung der eigenen Marke

    Verbessert die finanzielle                                          Finanzrisiko durch vertragliche
    Handlungsfähigkeit                                                  Bindung an Partner
    Erweitert das unternehmerische
                                                                        Know-how-Abfluss
    Know-how
                                                                        Technische Abhängigkeit vom
    Erhöht die Produktionsflexibilität                                  Partner nimmt zu
                                                                        Überschneidungen in der
    Verbessert die Qualität
                                                                        Produktpalette
    Schafft Synergieeffekte im Bereich                                  Unterschiede im Führungs- und
    Beschaffung                                                         Steuerungssystem der Partner
    Erschließt Diversifikations-                                        Drohende Personalrisiken auf
    möglichkeiten                                                       Grund von Überkapazitäten
    Bietet schnell verfügbare neue und                                  Hoher Aufwand zur Integration
    attraktive Vertriebsstrukturen                                      in die Unternehmensorganisation
    Ermöglicht umfangreiche F&E-
    Aktivitäten

    Gesamtchancen                                                       Gesamtrisiko

Abb. 3: Chancen-Risko-Vergleich alternativer Partnerschaften

                              236
Controlling-Instrumente in Wertschçpfungsketten

Es ist zunchst ein Kriterienkatalog zu erstellen, der mçgliche Chancen
und Risiken einer Partnerschaft konkretisiert. Diese sind anschließend
von der Unternehmensleitung, idealerweise mit Untersttzung externer
neutraler Berater, zu bewerten. Die Bewertungsskala kann dabei eine
sehr grobe (gering – mittel – groß) oder auch sehr feine (Punktskala von
1 bis 10) Differenzierung aufweisen. Typische Kriterien sollen dabei die
Auswirkungen der Partnerschaft auf Unternehmensimage, Markt- und
Produktstrategie, Kosteneinsparpotenzial durch Nutzung von Synergien,
Unternehmenskultur und Unternehmensorganisation, Kommunikation
u.a. messbar machen. Die abschließende Bewertung kçnnte dann noch
durch Visualisierung der Ergebnisse mithilfe eines Chancen-Risiko-
Portfolios nach dem Muster in Abb. 4 ergnzt werden. Wie bei
Portfolio-Analysen blich, lassen sich aus den den jeweiligen Quadran-
ten zugeordneten Normstrategien Empfehlungen fr das weitere Vor-
gehen hin zu einer angestrebten Partnerschaft ableiten.

                                                                          Handlungsempfehlung
                       hoch

                                                                          (‚Normstrategie‘):
  Chancen der Partnerschaft

                                       (3)               (4)
                                                                          (1) Partnerschaft nicht weiter
                                                                  A
                                                                              verfolgen
                                             B                            (2) nach neuen, anderen
                                                                              geeigneten Partnern suchen
                                                                          (3) Partnerschaft anstreben;
                                                                              dabei Risiken genauer
                                      (1)                (2)                  analysieren, quantifizieren
 gering

                                             C                                und Risikostrategie
                                                                              entwickeln
                                                                          (4) Partnerschaft ohne
                              hoch                               gering       Einschränkungen anstreben
                                     Risiken der Partnerschaft
                                                                          X    Potenzielle Partnerschaft X
                                                                               (Kreisumfang gibt Größe des
                                                                               Partners wieder)

Abb. 4: Chancen-Risko-Portfolio alternativer Partnerschaften

Im Beispiel in Abb. 4 wre eine Partnerschaft A uneingeschrnkt
erstrebenswert. Bei der Alternative B msste man die Risiken genauer
analysieren und erst nach Verabschiedung einer Risikostrategie die
Partnerschaft anstreben. Alternative C ist auszuschließen. Der Value
Chain Controller sollte bei dieser auf einem Scoring-Modell basierenden
Portfolio-Analyse eine initiierende und koordinierende Rolle berneh-
men und das Management der Wertschçpfungskette bei der Bewertung
und Entscheidung untersttzen.

                                                                                                            237
Organisation & IT

                  3.3      Transferpreise/Transaktionskostenstze
    Klassische    Wie bereits ausgefhrt, mssen die Leistungen rechtlich unabhngiger
Abrechnungs-      Unternehmen innerhalb einer Value Chain untereinander „abgerechnet“
    methoden      werden:
 zielorientiert
     einsetzen    • Zum   einen erfordern dies die handels- und steuerrechtlichen Vor-
                    schriften fr gewerbliche Unternehmen. Diese Vorschriften sind im
                       internationalen Verkehr durchaus unterschiedlich, orientieren sich
                       aber zumeist am klassischen Modell einer Marktbeziehung („arm's
                       length principle“) bzw. am Modell der Zuschlagskalkulation („cost
                       plus“) und nicht am neuen Modell einer auf das gemeinsame Ziel der
                       Wertgenerierung ausgerichteten Wertschçpfungskette.29 Sie sind des-
                       halb pragmatisch auszulegen und anzuwenden, ggf. mit Korrektur-
                       mechanismen, Ergnzungszahlungen u. ., um letztendlich die wirk-
                       lichen Wertschçpfungsbeitrge physisch, d. h. in Geld, zu den
                       Einzelunternehmen zu transportieren.
                  •    Zum anderen erfordert es – wie schon ausgefhrt – die Finanzierung
                       der Wertschçpfungsaktivitten durch die Beteiligten, dass ber
                       rechtzeitige Abrechnung und Bezahlung ihrer Beitrge ein entspre-
                       chender Kassenfluss entsteht. Gerade das Working Capital Manage-
                       ment der Beteiligten wird durch die Gestaltung einer Wertschçp-
                       fungskette in vielfltiger Weise berhrt – und wirft naturgemß
                       Finanzierungsfragen auf. Ahlichs/Knupperts zeigen Anstze fr das
                       Working Capital Management in prozessorientierten Unternehmen
                       auf, die ggf. bertragen werden kçnnen.30 Das Gesagte gilt ebenso fr
                       die Finanzierung ggf. notwendiger Sachinvestitionen und die Finan-
                       zierung immaterieller Gter fr die Zwecke einer Wertschçpfungs-
                       kette.
                  In der Praxis erfolgt die Leistungsverrechnung zwischen den Beteiligten
                  aus den beiden oben genannten Grnden ber Transferpreise und/oder
                  Transferzahlungen, die jedoch nun neu interpretiert werden mssen. Ein
                  Ansatz wre z.B. die Verwendung von Transaktionskostenstzen.31 Auf
                  jeden Fall sollte der Value Chain Controller bei der Konzipierung der
                  Formen der Leistungsverrechnung und bei den faktischen Abrechnungen
                  zumindest mitwirken und dies nicht allein den durch herkçmmliche
                  Denkweisen geprgten Experten berlassen. Insbesondere muss er aber
                  die Auswirkungen der gewhlten Abrechnungsverfahren auf die lokalen
                  Rechenwerke der Kettenmitglieder beobachten und sofort gegensteuern,
                  wenn hieraus fehlerhafte Managemententscheidungen resultieren.
                  29
                       Vgl. Kap. 3.1.
                  30
                       Vgl. Ahlrichs/Knuppertz (2006), S. 281ff.
                  31
                       Vgl. Kap. 3.1 sowie Mçller(2006), S. 101-105, und Picot/Reichwald/Wiegand,
                       S. 552ff.

                  238
Controlling-Instrumente in Wertschçpfungsketten

   Achtung: Verrechnungspreise nicht zur Steuerung nutzen
   Verrechnungspreise lassen i.d. R. (auch unrealisierte) Zwischengewinne ent-
   stehen, die die Beteiligten aufgrund hergebrachter Denkweisen zu (im Sinne
   der Kette) suboptimalen Handlungen veranlassen kçnnen. Deshalb drfen sie
   in der Value Chain keine Steuerungsfunktion haben; vielmehr sind allein die
   Managementrechnungen des Controllers entscheidungsrelevant.

Zu bedenken sind ggf. die steuerrechtlichen Wirkungen der gewhlten              Steuerliche
Verrechnungen, da diese die Steuerlast der Beteiligten verndern                 Effekte kçnnen
kçnnen. Steuerliche Effekte und Optimierungen sollten selbstverstnd-            Zusatz-Wert-
lich auch in Wertschçpfungsketten genutzt werden, aber im Sinne der              beitrge schaffen
Erfolgssteuerung einer Value Chain als „Zusatz-Wertbeitrag“ gelten und
entweder den betroffenen Kettenmitgliedern berlassen oder an alle
Kettenmitglieder (einvernehmlich) verteilt werden. Von Ausnahmen
abgesehen, wre es ein Schritt zu viel, wollte man im globalen Maßstab
(mçgliche) Nach-Steuern-Effekte zur Voraussetzung fr die Bildung
einer Value Chain machen. Wenn sich eine solche Kette „vor Steuern“
nicht lohnt, d. h., wenn auf dieser Basis kein Wert geschaffen wird, sollte
man es lieber lassen. Steuervorteile sind, insbesondere im globalen
Kontext, zu flchtig, um hierauf strategische Partnerschaften – wie es
die meisten Wertschçpfungsketten sind – aufzubauen.

3.4    Vertrags-Controlling
Diese Aufgabe ist ganz neu fr einen Value Chain Controller. Mçglicher-          Vçllig neue
weise hat er sie schon im Zusammenhang mit strategischen Part-                   Controlling-
nerschaften „zelebriert“. Sie ist aber unerlsslich, denn alles in einer         Aufgabe
unternehmensbergreifenden, gar globalen, Wertschçpfungspartner-
schaft muss, wie schon ausgefhrt, in einem Vertragswerk geregelt
werden, weil es hierfr keine – im kontinental-europischen Sinne –
normativen Vorschriften gibt. Fr angelschsische Kollegen ist dies, im
Gegensatz zu vielen deutschen Controllern, weniger ein Problem, weil sie
solche Situationen in ihrem fallorientierten Rechtssystem gewçhnt sind.
Meist wird außerdem Englisch als Sprache internationaler Vertragswerke
gewhlt und schon das kann Schwierigkeiten bei der Interpretation von
Vertragsbestimmungen, insbesondere im globalen Kontext, mit sich
bringen. Hinzu kommt allgemein, dass der zahlenorientierte Controller
hufig Probleme mit den juristischen Ausdrucks- und Darstellungs-
formen hat.
Gleichwohl: Jede einzelne Bestimmung eines Kooperationsvertrags muss
nachgehalten werden. Bei Abweichungen mssen die blichen Con-
trolling-Warnsignale aufleuchten und es sind Abhilfemaßnahmen ein-

                                                                          239
Organisation & IT

                     zuleiten. Es empfiehlt sich, entsprechende (ggf. verbale) Hinweise in das
                     regelmßige Value Chain Reporting einzubauen. Selbstverstndlich
                     kçnnen gravierende Vertragsverstçße Sofortmaßnahmen erfordern, die
                     der Controller dann ebenfalls sofort zu adressieren hat.

                     3.5       Kooperations-/Beziehungs- und Vertrauens-Controlling
 Netzwerkkultur,     Gerade bei einer Wertschçpfungskette, in der mehrere unabhngige,
  Netzwerkklima      teilweise global an verschiedenen Standorten angesiedelte Unternehmen
  und Netzwerk-      zusammenarbeiten, hat das Beziehungsmanagement eine besondere
       identitt     Bedeutung. Es hat die Aufgabe, die unterschiedlichen, oft auch gegen-
                     stzlichen Interessen und Handlungen der Kettenmitglieder auf die
                     gemeinsam definierten Ziele auszurichten und zu koordinieren. Zu
                     beachten sind hierbei auch Principal-Agent-Aspekte, unterschiedliche
                     Eigeninteressen und Ansichten ber Ehrenkodexe und Korruption sowie
                     die jeweiligen Unternehmenskulturen, die zugleich oft standort- und
                     lnderabhngig sind. Der Controller muss die Schaffung „eines Netz-
                     werkmilieus als schwchere Form einer Netzwerkkultur, das durch
                     gemeinsame Erfahrungen, Traditionen, Orientierungen und Einstel-
                     lungen der Netzwerkteilnehmer gekennzeichnet ist“,32 untersttzen.
                     Dazu gehçrt auch die Mitwirkung an der Definition und an der
                     Einfhrung eines einheitlichen Werte- und Normensystems. Verbun-
                     den mit der Netzwerkkultur sind nach Mçller das Netzwerkklima, das die
                     Qualitt der Arbeitsbeziehungen und die interne „Stimmung“ wieder-
                     gibt, und die Netzwerkidentitt, die sich im Erscheinungsbild der
                     Mitglieder nach außen gegenber Kunden, Lieferanten etc. zeigt.33
                     Wichtig fr den Controller ist es, messbare Kennzahlen als Indikatoren
                     fr die Beziehungsqualitt innerhalb der Value Chain zu definieren. Dies
                     ist nicht einfach, da viele der zu betrachtenden Variablen sog.
                     „Intangibles“ sind. Pollmeier schlgt beispielsweise vor, in der Koope-
                     rationsperspektive ihrer Supply Chain Balanced Scorecard folgende
                     Kennzahlen nachzuhalten:
                     • die Zugehçrigkeitsdauer der Kettenmitglieder,
                     • damit verbunden der Zufriedenheitsindex,
                     • die Vertrauens-, Konflikt-, Fluktuations- und Vertragsbruchrate.   34

     Vertrauen ist   Der wichtigste Indikator fr die Beziehungsqualitt in einer Wert-
   Voraussetzung     schçpfungskette ist das gegenseitige Vertrauen. Vertrauen ist eine
einer Value Chain    zentrale Voraussetzung fr die Koordination, die Stabilitt und den
                     Erfolg der Kette und damit oft wichtiger als vertragliche Regelungen.
                     32
                          Jehle (2005), S. 181, vgl. auch S. 161-181.
                     33
                          Vgl. Mçller (2006), S. 103-106, insb. S. 104.
                     34
                          Vgl. Pollmeier (2008), S. 277-282.

                     240
Controlling-Instrumente in Wertschçpfungsketten

Jehle stellt daher fr Supply-Netzwerke ein von Weber/Bacher/Gebhardt/
Voss bernommenes Bewertungsschema vor, das auch auf Wertschçp-
fungsketten bertragen werden kann (s. Abb. 5).

                                                Vertrauen

                                                                                                                      Intuition
                                                 Emotionales
         Zuverlässigkeit      Kompetenz           Vertrauen            Verletzbarkeit          Loyalität

         > Abmachungen      > Auswahl eines     > Mitarbeiter an       > Verletzbarkeit     > Demonstration
           einhalten          Partners, der       der Schnitt-           der Partner          hoher Einsatz-
                              nachgewiesene       stelle zu Partner-     vorsichtig           bereitschaft für
         > Vorhersehbares     technologische      unternehmen            managen              den Partner
           Verhalten          Kompetenz           sollten hohe
           gegenüber          besitzt             Kompetenz            > Informations-      > Fordern der-
           dem Partner                            besitzen               austausch unter      selben Einsatz-
                            > Sicherstellen,                             Berücksichtigung     bereitschaft
                              dass kompetente   > Wichtige               der Interessen       durch den
                              und erfahrene       Eigenschaften:         der Partner          Partner für das
                              Leute des           gutes Know-how                              eigene Unter-
                              Partnerunter-       von Methoden,                               nehmen
                              nehmens und         Technologie und
                              die Partner-        Funktionen,
                              schaft betreuen     gute Führungs-
                                                  fähigkeiten und
                                                  „gesunder
                                                  Menschen-
                                                  verstand“

          Bewertung          Bewertung           Bewertung              Bewertung            Bewertung
         Niveau:    4       Niveau:    5        Niveau:       3        Niveau:     4        Niveau:      5
         Tendenz:   h       Tendenz:   j        Tendenz:      j        Tendenz:    j        Tendenz:     l

                                                                                                                      Reflexion

           Gemeinsame Ursachenanalyse und Definition von Maßnahmen bei niedrigen Vertrauenswerten

Abb. 5: Bewertungsschema fr Vertrauen in Supply-Netzwerken35

3.6       Internal und External Audit/Corporate Governance
Die Ttigkeit interner und externer Auditoren sowie die Anwendung                                                Noch
heute blicher Corporate-Governance-Vorschriften auf Wertschçp-                                                  unbearbeitetes
fungsketten ist ein noch unbearbeitetes Thema. Die Funktion des                                                  Thema
Internal Audit kann sicherlich nach hnlichen Grundstzen wie die fr

35
     Quelle: Jehle (2005), S. 170.

                                                                                                     241
Organisation & IT

                     Projekte und strategische Allianzen gestaltet werden; dieser Punkt soll
                     jedoch in diesem Aufsatz nur angerissen werden.
                     Externe Auditoren sind hauptschlich auf rechtliche Einheiten und
                     deren Jahresabschlsse nach den jeweils gltigen Rechnungslegungs-
                     vorschriften orientiert. In diesem Zusammenhang prfen sie aber
                     beispielsweise die im Kap. 3.3 erwhnten Transferpreise zwischen den
                     Beteiligten der Wertschçpfungskette. Auch stellen sie durch ihre Kon-
                     trollttigkeiten die Korrektheit von Abrechnungen sicher und nehmen
                     Geschftsprozessprfungen vor. Sie beurteilen die Geschftslage, die
                     Anwendung der Corporate-Governance-Regeln und sind zu Aussagen
                     ber das Risikomanagement einer Firma verpflichtet. In der Regel haben
                     sie eine gute Kenntnis der Geschftsablufe. Es wre fr den Value Chain
                     Controller ungeschickt, sich einerseits nicht in geeigneter Weise die
                     Erkenntnisse externer Auditoren nutzbar zu machen, zum anderen
                     nicht durch entsprechende Informationen deren Arbeit und deren
                     Beurteilungen zu untersttzen. Auf diesem Gebiet ist noch konzeptio-
                     nelle Arbeit zu leisten; Anstze in der Literatur liegen nach Kenntnis der
                     Verfasser bisher nicht vor.

                     3.7       Risiko-Controlling
   Bestandteil des   Das Spiegelbild der Chancen einer Wertschçpfungskette sind die mit ihr
 Steuerungs- und     verbundenen Risiken, angefangen bei den politischen und rechtlichen
  berwachungs-      Bedrohungen im globalen Kontext bis zum Wissensabfluss und zu
instrumentariums     unterschiedlichen Korruptionsgepflogenheiten. Jehle verlangt deshalb zu
                     Recht ein gezieltes Management von Chancen und Risiken zur vollen
                     Wertentfaltung einer Wertschçpfungskette.36 Bisher gibt es nur erste
                     Anstze hierzu.37 Solche mssen vor allem aus den vorhandenen und in
                     Entwicklung befindlichen Instrumenten des Risiko-Controllings bei
                     Einzelfirmen entwickelt werden. So gibt beispielsweise Wolf nach einer
                     Untersuchung der spezifischen Risiken von Unternehmensnetzwerken
                     Gestaltungsempfehlungen fr Controlling-Instrumente, die er aus vor-
                     handenen Werkzeugen des Risikomanagements ableitet.38 Er schlgt, wie
                     auch Jehle oder Pollmeier, die Integration in den Steuerungs- und
                     berwachungsprozess im Rahmen einer Balanced Scorecard vor.39

                     36
                          Vgl. Jehle (2005), S. 154-156.
                     37
                          Vgl. z. B. Ponis (2010), S. 1, 4, 51ff.
                     38
                          Vgl. Wolf (2010), S. 345.
                     39
                          Vgl. Wolf (2010), S. 285-304, sowie Jehle (2005), S. 156-159, und Pollmeier (2008),
                          S. 277, 287f., 289-305. Vgl. auch Kap. 2.2.

                     242
Controlling-Instrumente in Wertschçpfungsketten

3.8    Investor Relations und wertorientierte
       Kapitalmarktkommunikation
Wie schon fr Einzelunternehmen oder Konzerne blich, kçnnte auch         Der Value Chain
eine Wertschçpfungskette ihre Ttigkeit als „Investitionsobjekt“ Kapi-    Controller als
talanlegern anbieten. Dies stçßt aber an Grenzen, da die Wertschçp-       Partner externer
fungskette keine rechtliche Einheit ist, in die von außen investiert      Kapitalgeber
werden kann. Es wird also i.d. R. darum gehen, die Teilnahme an einer
Wertschçpfungskette untersttzend bei der Kapitalsuche einer oder
mehrerer an der Kette teilnehmenden Gesellschaften anzufhren. Das
Gleiche gilt im Rahmen der pflegenden Investor-Relations-Ttigkeiten
der an der Wertschçpfungskette beteiligten Einzelunternehmen. Wegen
seiner Kenntnis der Zahlen und Ablufe wird es i. d.R. der Controller
sein, der in solchen Fllen Rede und Antwort stehen und beispielsweise
den Beitrag der Value Chain zur Ertragskraft einer Einzelfirma
darstellen kann. Sind quantitative Angaben nicht erwnscht, kann der
Controller auch mit qualitativen Darstellungen punkten. Er sollte sich
deshalb dieser Aufgabe im Sinne der Wertschçpfungskette nicht
entziehen und auch hier den gngigen Vorbehalt berwinden, Con-
troller seien „interne, graue Muse“.

4     Organisatorische Eingliederung des Value Chain
      Controlling
Bei einer Wertschçpfungskette handelt es sich im Prinzip um eine          Keine
Leistungsgemeinschaft, die einheitlich gefhrt und auf ein Ziel aus-      klassische, nun
gerichtet sein muss, um den optimalen Kundennutzen und damit – wie        unternehmens-
ausgefhrt – einen maximalen Wertbeitrag jedes einzelnen Kettenmit-       bergreifende
                                                                          Aufbau-
glieds zu erreichen. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass sie keine     organisation
Aufbauorganisation im traditionellen Sinne zur Verfgung hat, weil eine   vorhanden
solche blicherweise auf rechtliche Einheiten orientiert ist.
Fr das Management von Wertschçpfungsketten werden die Werkzeuge
und Fhrungsprinzipien des Netzwerk- und/oder Kooperationsma-
nagements eingesetzt, die zwar solche Begrenzungen berwinden, gleich-
wohl aber rechtliche Einheiten als „Gehuse“ nutzen (mssen). Zum
Beispiel kçnnen Arbeitsvertrge nur zwischen einem Controller bzw.
einem Manager und einem rechtlich verfassten Unternehmen geschlos-
sen werden. Dies zeigt schon, dass die organisatorische Anbindung des
Controllings an eine rechtliche Einheit erforderlich ist, obwohl dessen
Aufgaben ber dieses Gebilde hinausgehen. Je nach Gestaltung, Aufgabe
und Grçße der Wertschçpfungskette kann es sich anbieten, dass ein
beteiligtes Unternehmen bzw. sein/e Controller die Aufgabe des Value

                                                                   243
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