Corona-Krise, wirtschaftliche Entwicklung und Energiepolitik: Eine erste Einordnung - energie.de
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ZUKUNFTSFRAGEN Corona-Krise, wirtschaftliche Entwicklung und Energiepolitik: Eine erste Einordnung Knut Kübler Auf der Agenda der Bundesregierung steht die Umsetzung des Klimaschutzprogramms. Ziel dieses Programms ist es sicher- zustellen, dass Deutschland seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 reduziert. Die damit verbun- dene Debatte bewegt sich allerdings heute ganz im Schatten der Corona-Krise. Analysen für 2020 deuten darauf hin, dass mit einem massiven wirtschaftlichen Einbruch zu rechnen ist. Das wird sich im Energieverbrauch und den CO2-Emissionen niederschlagen. Erste Abschätzungen lassen erkennen, dass Deutschland seinem Klimaziel 2030 näherkommt als bisher gedacht. Damit gewinnt man Zeit und schafft Spielräume, die man nutzen kann, um die heutige Energiepolitik auf den Prüfstand zu stellen und über einen Neustart der Energiewende nachzudenken. 2019 war Klimaschutz ein großes Thema. Man erinnere sich: Jugendliche engagier- ten sich bei den Demonstrationen Fridays for Future; unser Land erlebte Hitze- und Trockenheitsrekorde; einige Städte und Gemeinden riefen den „Klimanotstand“ aus. Die Bundesregierung reagierte. Sie traf wichtige Entscheidungen zum Schutz der Erdatmosphäre. So wurde der Ausstieg aus der Kohle beschlossen und ein Klima- schutzprogramm vorgelegt. Anlass für diese neue Beweglichkeit war sicherlich auch das Bemühen der Politik, nach so manchen unerfüllten Versprechungen in der Vergan- genheit [1], Glaubwürdigkeit zurückzuge- winnen. So schwört die Bundesregierung nunmehr „hoch und heilig“, sie werde alle Maßnahmen ergreifen, damit Deutschland das nächste Klimaziel sicher erreichen wird, d.h. die Emissionen von Treibhausgasen Über energie- und gesamtwirtschaftliche Konsequenzen schockartiger Entwicklungen wie der bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu redu- Corona-Krise zu spekulieren ist schwierig. Politische Entscheidungen brauchen aber Anhaltspunkte Bild: Adobe Stock zieren. Dann, welch ein Zeitenwechsel! Anfang des Vermutlich werden es manche erstaunlich Grundlagen der Analyse Jahres 2020 rückte ein anderes Thema in den finden, wenn in diesem Beitrag vorgeschlagen Vordergrund: Der Kampf gegen das Corona- wird, den jetzt anstehenden Entscheidungen Über die energiewirtschaftlichen und gesamt- virus. Erste Berichte über dieses Virus gab in der Energiepolitik eine „Rechenaufgabe“ wirtschaftlichen Konsequenzen schockartiger es im Januar 2020 aus der chinesischen Mil- voranzustellen. Warum jetzt rechnen? Das Entwicklungen zu spekulieren, ist ein schwie- lionenstadt Wuhan. Am 11.03.2020 sprach hat damit zu tun, dass sich die Bundesregie- riges Geschäft. Es herrscht Unsicherheit. Pro- die Weltgesundheitsorganisation (WHO) von rung vor einigen Jahren entschieden hat, ihre gnosen sind ein großes Wagnis. Andererseits einer Pandemie. Am 12.03.2020 verständig- Energie- und Klimapolitik auf einem System braucht die Politik Anhaltspunkte über mögli- ten sich Bund und Länder auf Leitlinien zur von quantitativen Zielen und Unterzielen auf- che und wahrscheinliche Entwicklungen. Nur Beschränkung sozialer Kontakte. Sie wurden zubauen. Damit kommt die Mathematik ins mit einigem Mut und auch der Bereitschaft, am 22.03.2020 verschärft und liefen auf um- Spiel. Mit ihrer Hilfe wird entschieden, ob die grundsätzliche Kritik zu ertragen, wird man fassende Einschränkungen des öffentlichen Politik beim Umbau der Energieversorgung auf sich auf eine solche Übung einlassen können; Lebens in Deutschland hinaus. In dieser Situ- dem „rechten Weg“ ist oder ob sie nachsteuern allerdings scheint es einen Versuch wert. ation rechnen Wissenschaftler für 2020 mit muss. So stellt sich die Frage: Was bedeutet die einem massiven wirtschaftlichen Einbruch. Corona-Krise eigentlich für die Erreichbarkeit Grundlage der folgenden Überlegungen ist das Manche sprechen sogar von der Möglichkeit des von der Bundesregierung heute politisch denkbar einfachste Modell zur Bestimmung der größten Wirtschaftskrise seit dem Zwei- so herausgehobenen Klimaziels 2030? Dazu der energiebedingten CO2-Emissionen in Ab- ten Weltkrieg. versucht dieser Text eine erste Orientierung. hängigkeit von der wirtschaftlichen Aktivität. 20 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 70. Jg. (2020) Heft 6
ZUKUNFTSFRAGEN ZUKUNFTSFRAGEN Es besteht aus einer einzigen Gleichung, die man auch als „Goldene Gleichung der Energie- und Klimapolitik“ bezeichnen kann: CO2 = (PEV/BIP) x (CO2/PEV) x BIP Dabei gilt: CO2: Energiebedingte CO2-Emissionen in Mio. t PEV/BIP: Spezifischer Primärenergieverbrauch in PJ/Mrd. € BIP2015 PEV: Primärenergieverbrauch in PJ BIP: Bruttoinlandsprodukt in Mrd. €2015 CO2/PEV: Kohlenstoffintensität in Mio. t CO2/PJ Das Modell ist leicht zu verstehen. Daher nur wenige Hinweise zu den Determinanten auf der rechten Seite der Gleichung: Abb. 1 Spezifischer Primärenergieverbrauch in PJ/ Mrd. € BIP2015 Quelle: [2] ■ Bruttoinlandsprodukt (BIP): Je größer das BIP, d.h. je mehr Güter und Dienstleis- nicht in Betracht kommen, bleibt nur der Weg, Bundesregierung in ihrem Klimaschutzpro- tungen produziert bzw. konsumiert werden, auf andere Prognosen zurückzugreifen. gramm vorgesehenen Maßnahmen [3] und um so größer ist der Bedarf an Energie und den Anpassungen im Vermittlungsausschuss um so größer wird – ceteris paribus – auch Spezifischer Energiever- [4] beschrieben. Diese Feststellung ist wich- die Menge der CO2-Emissionen sein, die in brauch und Kohlenstoff- tig, weil die Abschätzungen den Stand der die Atmosphäre emittiert werden. intensität im Trend politischen Beratungen zu Beginn des Jahres ■ Spezifischer Energieverbrauch (PEV/ 2020 wiedergeben und man wohl kein aktuel- BIP): Je weniger Energie benötigt wird, um Im März 2020 legte das Forschungsinstitut leres Material finden kann. Insgesamt bietet eine Einheit BIP herzustellen, d.h. je größer „Prognos“ ein Gutachten mit dem Titel „Ener- das Gutachten eine Fülle von Informationen die Energieeffizienz, um so geringer ist der giewirtschaftliche Projektionen und Folgeab- zur Energiezukunft in Deutschland. Daraus Energiebedarf einer Volkswirtschaft. Anders schätzungen 2030/2050“ vor [2]. Auftragge- lassen sich auch Daten zur Entwicklung des gesagt: Eine Reduktion des spezifischen ber war das BMWi. In dieser Arbeit werden spezifischen Energieverbrauchs und zur Ent- Energieverbrauchs führt im Trend zu gerin- die energiewirtschaftlichen Entwicklungen wicklung der Kohlenstoffintensität bis 2030 geren CO2-Emissionen. in Deutschland unter Beachtung der von der ableiten [5]. Dabei ergibt sich folgendes: ■ Kohlenstoffintensität (CO2/PEV): Wird der Energiemix von besonders kohlenstoff- reichen Energieträgern dominiert (Kohle) er- rechnet sich eine hohe Kohlenstoffintensität. Dominieren kohlenstoffärmere Energieträger (Erdgas) oder kohlenstofffreie Energieträger (erneuerbare Energien), ist das Ergebnis eine geringere Kohlenstoffintensität. Das zeigt: Ein Verzicht auf Kohle und ein Ausbau der erneuerbaren Energien schlägt sich in einer geringeren Kohlenstoffintensität und damit auch geringeren CO2-Emissionen nieder. Hat man für die kommenden Jahre Daten zur Entwicklung der Determinanten zur Hand, las- sen sich die CO2-Emissionen berechnen. Soweit die Theorie. Was wissen wir nun über die künf- tige Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, über die Entwicklung des spezifischen Energie- verbrauchs bzw. der Kohlenstoffintensität und mit welchen Werten können wir für 2030 rech- Abb. 2 Kohlenstoffintensität in Mio. t CO2/ PJ Quelle: [2] nen? Da eigene Analysen realistischerweise ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 70. Jg. (2020) Heft 6 21
ZUKUNFTSFRAGEN ■ Die Gutachter erwarten von 2019 bis Rezession vor allem alte und ineffiziente gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen der 2030 eine Reduktion des spezifischen Ener- Anlagen stilllegt. Auf der anderen Seite Corona-Krise vorgelegt worden ([6] bis [11]). gieverbrauchs um rd. 30 %. Die wesentliche wird die geringe Investitionstätigkeit und Hier wird mit aktuellen Daten gearbeitet. Ursache für diese Verbesserung wird in die dadurch ausbleibende Modernisierung Die Prognosen gehen von unterschiedlichen einer zunehmenden Effizienz von Anlagen, der Anlagen zu einer Abschwächung des Annahmen aus. Die gängigste Erwartung Geräten und Fahrzeugen gesehen. Einspartrends führen. ist für 2020 ein mehr oder weniger starker ■ Bei der Kohlenstoffintensität erwarten ■ Kohlenstoffintensität: Man kann davon Einbruch und dann in 2021 eine deutliche die Gutachter eine Reduktion um 13 %. Hier ausgehen, dass es durch den bereits sicht- Gegenbewegung (V-förmige Entwicklung). spielt vor allem die unterstellte Reduzierung baren Rückgang der Erdgaspreise zu einem Die Bandbreite der Prognosen für den Rück- der Kohleverstromung eine wichtige Rolle. noch schnelleren Ausstieg aus der Kohle gang des BIP in 2020 ist beachtlich und kommt. Ergebnis wäre ein deutlicherer Rück- reicht von minus 2,8 % bis minus 20,6 %. Es ist offensichtlich, dass in dem Gutachten gang der Kohlenstoffintensität. Führt die Diese Zahlen belegen die große Unsicherheit vom März 2020 die Corona-Krise und die im weitere konjunkturelle Eintrübung dagegen in der Einschätzung der gesamtwirtschaft- Zuge dieser Krise bereits eingeleiteten bzw. zu einer Zurückhaltung bei den Investitionen lichen Zukunft (Tab. 1). noch in Gang zu setzenden Maßnahmen in die erneuerbaren Energien, würde das auf keine Rolle spielen konnten. Unsicherheiten eine eher langsamer sinkende Kohlenstoffin- Für unsere Berechnungen bietet es sich an, ergeben sich auch dadurch, dass man nicht tensität hinauslaufen. die letzte und damit aktuellste Analyse zu mit Sicherheit sagen kann, ob die im Klima- den gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen schutzgesetz vorgesehenen und in der Ana- Da es letztlich unklar ist, welche Effekte über- der Corona-Krise zu nutzen. Die Bundesre- lyse unterstellten Maßnahmen alle umgesetzt wiegen, erscheint es aus pragmatischen Grün- gierung erwartet in ihrer Frühjahrsprojek- werden. den vertretbar, die Prognos-Daten als eine Art tion für das Jahr 2020 einen Rückgang des „Mittelwert“ für unsere Berechnungen zu BIP um 6,3 % und in 2021 eine Erholung um Das sind Einschränkungen. Und es ist berech- nutzen; wohl wissend, dass hier Ungenauig- 5,2 % (Abb. 3). Danach wäre der Einbruch tigt zu fragen, wie man es rechtfertigen kann, keiten ins Spiel kommen können. Für diese durch die Corona-Krise etwas stärker als in mit diesen Werten zu arbeiten. Die einfachste Wahl spricht auch die Einordung der Daten der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 Begründung ist natürlich, dass es keine in die längerfristige historische Entwicklung. (BIP 2009: minus 5,7 %). Andererseits erwar- besseren Informationen gibt. Erfreulicher- So kann man belegen, dass sich die hier un- tet die Bundesregierung eine Erholung, die weise kann man aber auch fachliche Argu- terstellten Prognosen für den spezifischen deutlicher ausfällt, als man sie nach der Wirt- mente ins Feld führen. So ist es plausibel Energieverbrauch und für die Kohlenstoffin- schafts- und Finanzkrise beobachten konnte. davon auszugehen, dass die Corona-Krise zur tensität bis 2030 gut in einen längerfristigen gleichen Zeit in gegensätzlicher Weise auf „Trendkanal“ einfügen (Abb. 1 und 2). Wie sich das wirtschaftliche Wachstum in spezifischen Energieverbrauch und Kohlen- Deutschland jenseits des Jahres 2022 – also stoffintensität wirken wird. Es lohnt sich, die- Bruttoinlandsprodukt: in der „Nach-Corona-Zeit“ – entwickeln wird, sen Effekt exemplarisch näher anzuschauen: Absturz und Erholung dazu gibt es noch keine belastbaren Einschät- zungen. Wir wollen für unsere Berechnun- ■ Spezifischer Energieverbrauch: Man kann Anders ist die Situation beim Bruttoinlands- gen in Anlehnung an das Prognos-Gutachten eine Beschleunigung des Einspartrends da- produkt (BIP). Auf diesem Feld sind in den eine mittelfristige jährliche Wachstumsrate durch erwarten, dass die Industrie in der letzten Wochen einige Abschätzungen zu den des BIP von 1,1 % annehmen. Damit würde Deutschland schon in 2023 wieder das BIP- Niveau von 2019 erreichen. Es ist klar, dass Tab. 1: Prognosen für die Wachstumsrate des BIP 2020 und 2021 wir es hier mit einer punktuellen Einschät- Institution Annahme/Szenario BIP 2020 BIP 2021 zung zu tun haben. Im Laufe der nächsten Ein Monat Shutdown - 5,1 / - 5,7 % Wochen und Monate wird es neue Prognosen Ifo-Institut (22.03.2020) Zwei Monate Shutdown - 7,2 / - 11,9 % geben, mit dem Ergebnis, dass sich das Lage- Drei Monate Shutdown - 10,0 / - 20,6 % bild ständig verschiebt und die Berechnungen Basisszenario - 2,8 % + 3,7 % entsprechend angepasst werden müssten. Sachverständigenrat Risikoszenario ausgeprägtes U - 5,4 % + 4,9 % (22.03.2020) Risikoszenario langes U - 4,5 % + 1,0 % CO2-Emissionen liegen Institut der Deutschen Positivszenario - 5,0 % auf der Ziellinie Wirtschaft (26.03.2020) Negativszenario - 10,0 % Gemeinschaftsdiagnose An dieser Stelle kommt die „Goldene Glei- Frühjahrsprognose - 4,6 % + 5,8 % (8.04.2020) chung“ ins Spiel. Sie ist die Basis zur Berech- Internationaler Währungs- nung der künftigen CO2-Emissionen (siehe World Economic Outlook - 7,0 % + 5,2 % fonds (14.04.2020) dazu auch Tab. 2). Für 2020 ergibt sich ein Bundesregierung Emissionsniveau von 586 Mio. t CO2 (der guten Frühjahrsprojektion - 6,3 % + 5,2 % (29.04.2020) Ordnung halber noch einmal der Hinweis, dass 22 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 70. Jg. (2020) Heft 6
ZUKUNFTSFRAGEN ZUKUNFTSFRAGEN Weiter ist klar, dass das hier genutzte Modell extrem einfach ist. So bleiben alle System- zusammenhänge im Dunkeln. Das ist eine Einschränkung. Andererseits hat der Ansatz auch Vorteile. Die Rechnung ist für Laien gut nachvollziehbar. Und es gilt, von der alten Erfahrung zu profitieren: „Wer rechnet, sieht doppelt gut“. Schließlich können Leser, die andere Annah- men für wahrscheinlicher halten, ohne große Mühe eigene Rechnungen durchführen und zur Diskussion stellen. So werden manche vielleicht einen noch stärkeren wirtschaft- lichen Einbruch in 2020 erwarten. In diesem Fall käme man zu einem noch niedrigeren Emissionsniveau. Unterstellt man dagegen für die kommenden Jahre eine geringere Dynamik bei den Bemühungen auf dem Feld der Energieeinsparung oder Verzögerungen Abb. 3 Wachstumsrate des realen BIP in % beim Ausbau der erneuerbaren Energien, Quelle: [11] landet man bei höheren CO2-Emissionen. Hier sind die unterschiedlichsten Varianten in diesem Beitrag immer nur von den energie- Emissionswert von 436 Mio. t CO2. Deutschland möglich, die man gegenüberstellen und in bedingten CO2-Emissionen die Rede ist). würde seine Emissionen bis 2030 gegenüber ihren jeweiligen politischen Konsequenzen dem Basisjahr 1990 um 56 % vermindern und bewerten kann. Dieses Ergebnis würde bedeuten, dass Deutsch- damit seine Vorgabe einer Reduktion um 55 % land sein CO2-Minderungsziel aus dem Ener- einhalten (Abb. 4). Genaugenommen ist das Orientierung und giekonzept des Jahres 2010, das die Bundes- kein so überraschendes Ergebnis, wie vielleicht Ausblick regierung eigentlich schon aufgegeben hatte, manche vermuten. So hat das zu dieser Analyse doch noch erreichen würde. Seinerzeit war herangezogene „Prognos-Gutachten“ für 2030 Die Energiewende, die heute mit dem gro- im Energiekonzept versprochen worden, die einen absehbaren Rückgang der CO2-Emissio- ßen Ziel „Klimaneutralität 2050“ verbunden Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 % nen um 52 % errechnet, ohne dabei Effekte der wird, ist ein gewaltiger Transformationspro- gegenüber dem Basisjahr 1990 zu vermindern. Corona-Krise zu berücksichtigen. zess [12]. Angesichts der dabei immer deut- Wenn man die hier unterstellten Annahmen licher zu Tage tretenden Herausforderun- akzeptiert, könnte Deutschland bis 2020 mit Gleichwohl sind einige Hinweise zur Bewer- gen kann man gut verstehen, wenn hinter einer Minderung der Emissionen gegenüber tung dieser Abschätzung von größter Wich- der Energiewende auch immer wieder der 1990 um 41 % rechnen (1990 betrugen die tigkeit. An erster Stelle: Die Berechnungen in Wunsch nach einer grundlegenden Verände- energiebedingten CO2-Emissionen 989 Mio. t). diesem Beitrag sollen der Illustration dienen rung unseres Wirtschafts- und Gesellschafts- und zur Diskussion anregen. Daher wird hier systems sichtbar wird. Man kann erwarten, Zu welchem Emissionsniveau führen unsere auch bewusst nicht von einer „Prognose“ dass die Corona-Krise solche Vorstellungen Annahmen über die künftigen Entwicklungen gesprochen. Gewählt wird ein sehr viel be- noch verstärken wird. des spezifischen Energieverbrauchs, der Koh- scheidenerer Begriff. Mit der neudeutschen lenstoffintensität und des Bruttoinlandsproduk- Bezeichnung „Educated Guess“ soll das zum Allerdings werden sie in der „Nach-Corona- tes für 2030? Die Berechnungen ergeben einen Ausdruck gebracht werden. Zeit“ auf Verhältnisse treffen, die man heute kaum richtig und vollständig übersehen kann. Unklar ist insbesondere die Rolle des Tab. 2: Annahmen und Ergebnisse der Berechnungen Staates mit seinen in Zukunft eher begrenz- 2010 2019 2030 2019/30 ten finanziellen Möglichkeiten. Viele Vor- Bruttoinlandsprodukt (Mrd.€2015) 2.780 3.242 3.526 +9% schläge zum Umbau der Energieversorgung klingen gut, allerdings nur, solange niemand Spezifischer Energieverbrauch 5,114 3,953 2,778 - 30 % wagt, die Frage zu stellen „Wer zahlt?“. (PJ/Mrd. €2015) Unter solchen Erwartungen eine Orientie- Kohlenstoffintensität 0,0552 0,0510 0,0445 - 13 % rung zu finden, ist nicht einfach. In diesem (Mio. t CO2/PJ) Papier kann es daher um kaum mehr als den CO2-Emissionen (Mio. t CO2) 784 654 436 - 33 % „Versuch einer Orientierung“ gehen. ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 70. Jg. (2020) Heft 6 23
ZUKUNFTSFRAGEN Beginnen wir mit einer einfachen Feststel- allerdings jetzt alle Beteiligten, sich noch ein- ■ Eine Politik mit vielen quantitati- lung: Dem Klima ist es egal, ob die treib- mal ganz grundsätzlich mit den Fragen einer ven Zielen und Unterzielen passt nicht hausrelevanten Spurengase durch einen sicheren, wirtschaftlichen, umwelt- und kli- in eine Zeit mit enormen und sich auch wirtschaftlichen Einbruch, den Übergang zu mafreundlichen Energieversorgung zu befas- oft unerwartet vollziehenden Verände- neuen Technologien oder Änderungen im sen. Das bedeutet nicht, dass aktuelle Ent- rungen. Wenn man das akzeptiert, ist Verbraucherverhalten reduziert werden. Ein scheidungen, wie etwa zu den Vorgaben von es politisch nur schwer zu rechtferti- Bundeskanzler hat einmal gesagt „Entschei- Abstandsregeln für Windkraftanlagen, zur gen, ein umfassendes und detailliertes dend ist, was hinten rauskommt“. Das gilt auch Weiterentwicklung des EEG oder zu Elemen- Bild von der Energiezukunft zu entwer- für die Klimapolitik. Die CO2-Emissionen in ten einer Wasserstoffstrategie bedeutungslos fen, weder in Bezug auf das angestrebte Deutschland werden auf kurze Frist in einem wären. Wer sich aber in Zeiten, in denen es Langfristziel noch auf dem Weg dorthin. Umfang zurückgehen, wie man es bisher nicht ums „Überleben“ geht, mit kleinteiligen Pro- Offenheit der Zukunft ist eine fundamen- für möglich gehalten hat. blemen beschäftigt, läuft Gefahr, einen Ein- tale Gegebenheit allen politischen Han- druck zu hinterlassen, wie jener 6. Ingenieur delns. Es ist wichtig und wäre vorteilhaft, Das hat eine ganze Reihe von Konsequenzen. auf der Titanic, der, als das Schiff schon in wenn sich die Politik wieder um mehr Ein Effekt soll hier besonders hervorgehoben den Fluten zu versinken begann, sich noch Offenheit und Flexibilität bemühen würde. werden: Es entfällt ein Teil des Handlungs- um die konstruktiven Verbesserungen eines ■ Man weiß, dass eine Politik um so drucks, der in den letzten Jahren durch aus- Kleiderbügelhalters bemühte. Insofern wäre überzeugender und wirkungsvoller ist, bleibende Erfolge bei der Reduktion von CO2- allein die Ankündigung einer Bestandsauf- je einfacher und übersichtlicher sie kons- Emissionen und den neuen Versprechungen nahme und eines weiteren grundsätzlichen truiert ist. Es wird nicht einfach sein, die der Bundesregierung entstanden ist. Was Klärungsprozesses politisch vorteilhaft, um über Jahrzehnte gewachsene, kaum noch aber bedeutet das? Ein geringerer Hand- das notwendige Momentum für mehr Klima- zu übersehende Komplexität der Energie- lungsdruck gibt Raum und Zeit, die man schutz zu erhalten. politik der Bundesregierung zu reduzieren. nutzen kann, um die Energiepolitik auf den Es ist aber allemal einen Versuch wert, da- Prüfstand zu stellen und abzuklären, wo und Grundsatzfragen der rüber nachzudenken, wie man die Dinge wie man die Dinge besser machen kann. Energiepolitik vereinfachen könnte. Ziel sollte es sein, das System insgesamt transparenter und effizi- Der Schutz der Erdatmosphäre wird in Um welche Grundsatzfragen der Energiepoli- enter zu machen. So könnte man auch die Deutschland als eine „Frage des Überlebens“ tik könnte es gehen? Wichtig ist es, sich hier oftmals ungerechtfertigten Vorteile begren- gesehen (Bundeskanzlerin Angela Merkel auch außerhalb des üblichen und eingefahre- zen, die Insider aus ihrem Spezialwissen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos am nen energiepolitischen Narrativ zu bewegen. über die komplexe Materie ziehen. 23.01.2019). Corona-Krise hin, Corona-Krise Dem Leser sollen dazu drei Überlegungen zur ■ Eine wichtige Aufgabe ist es, den im her, der Klimaschutz bleibt auf der politi- weiteren Diskussion an die Hand gegeben Klimaschutzprogramm der Bundesregie- schen Agenda. Die aktuelle Situation zwingt werden: rung vorgesehenen Preismechanismus konsequent weiterzuentwickeln und dabei dem Thema „Energieeinsparung“ ein sehr viel größeres Gewicht zu geben. Es ist nun einmal die zentrale Aufgabe der Politik dafür zu sorgen, dass die „Energiepreise die Wahrheit“ sagen. Damit schafft man immer noch die besten Voraussetzungen, den angestrebten „großen Umbau der Energieversorgung“ so kostengünstig wie möglich zu gestalten. Und wenn man sich überhaupt traut, etwas über die Zukunft zu sagen, dann ist es das: Die Kosten des Umbaus der Energieversorgung werden eine überragende Rolle spielen. In diesem Zusammenhang geht es auch um mehr Eigenverantwortung der Investoren, Pro- duzenten und Verbraucher. Wie kann eine Gesellschaft akzeptieren, dass jemand, der vorgibt, er könne aus Angst vor der Klima- katstrophe nachts nicht mehr schlafen, nur dann bereit ist, seine stromfressende Abb. 4 Energiebedingte CO2-Emissionen in Mio. t Heizungspumpe zu ersetzen, wenn ihm der Quelle: eigene Darstellung Staat einen Zuschuss von 80 € gibt? 24 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 70. Jg. (2020) Heft 6
ZUKUNFTSFRAGEN ZUKUNFTSFRAGEN Voraussetzungen für einen Anmerkungen [6] Ifo-Institut: Die volkswirtschaftlichen Kosten des Neustart der Energiewende Corona-Shutdown für Deutschland: Eine Szenarienrech- [1] Kübler, K.: Was ist eigentlich aus dem ersten Klima- nung, in: ifo-Schnelldienst, 4/2020, März 2020. Dazu und zu vielen anderen Fragen sind Klä- schutzziel der Bundesregierung geworden?, in: Ener- [7] Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamt- rungen notwendig. Damit würde man erste giewirtschaftliche Tagesfragen, 67. Jg. (2017), Heft 12, wirtschaftlichen Entwicklung: Die gesamtwirtschaftli- Voraussetzungen für einen Neustart der Ener- S. 42-46. che Lage angesichts der Corona-Pandemie, Wiesbaden giewende schaffen. Zusammen mit weiteren [2] Prognos: Energiewirtschaftliche Projektionen und 22.03.2020. Überlegungen könnte dann eine neue, zu- Folgeabschätzungen 2030/2050, Gutachten im Auftrag [8] Institut der Deutschen Wirtschaft: Corona stoppt kunftsfähige energiepolitische Gesamtaussage des BMWi, Basel 10.03.2020. die Volkswirtschaft von allen Seiten, IW-Kurzberichte der Bundesregierung mit dem einen großen [3] BMU: Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregie- 31/2020, 26.03.2020. Ziel „Klimaneutralität 2050“ gelingen. rung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050, Berlin [9] DIW u.a.: Gemeinschaftsdiagnose 1/2020, Wirtschaft 08.10.2019. unter Schock, Finanzpolitik hält dagegen, 08.04.2020. Ein solcher Neustart ist in jedem Falle notwen- [4] Deutscher Bundesrat: Vermittlungsausschuss erzielt [10] IMF: The Great Lockdown: Worst Economic dig und dringlich. Das letzte Energieprogramm Kompromiss zum Klimapaket, Pressemitteilung, Berlin Downturn Since the Great Depression, Washington, der Bundesregierung, das sog. Energiekonzept, 18.12.2019. 14.04.2020. stammt aus dem Jahr 2010 und ist alles andere [5] Wer die in dieser Analyse genutzten Daten mit den [11] BMWi: Schlaglichter der Wirtschaftspolitik, Berlin, als aktuell. Vernünftigerweise wird man davon Angaben des Prognos-Gutachtens vergleichen will, sei 29.04.2020. ausgehen können, dass die Verantwortlichen darauf hingewiesen, dass bei den BIP-Werten hier die [12] Kübler, K.: Energie und Klima: Ein Blick auf die schon mit den ersten Vorbereitungen begonnen Preisbasis 2015 unterstellt wird (Prognos: Preisbasis globale Herausforderung, in: Energiewirtschaftliche haben. Das würde der Bundesregierung dann 2010) und bei den CO2-Werten nur die Emissionen aus Tagesfragen, 69. Jg. (2019), Heft 10, S. 17-24. auch die Möglichkeit geben, rechtzeitig zu Be- der Verbrennung fossiler Energieträger in Ansatz ge- ginn der kommenden Legislaturperiode ein bracht werden (Prognos berücksichtigt darüber hinaus neues Energieprogramm für Deutschland vor- die CO2-Emissionen der Landwirtschaft sowie die Emissi- Dr. K. Kübler, Rheinbach zulegen, in dieser oder in einer anderen Form. onen aus Industrieprozessen und der Abfallwirtschaft). kmkue@web.de ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 70. Jg. (2020) Heft 6 25
ZUKUNFTSFRAGEN Meinungen & Fakten Leistungsbilanz-Prognose der Übertragungs- netzbetreiber: Kohleausstieg vergrößert Lücke – Das Ausland wird wichtiger Die Übertragungsnetzbetreiber untersuchen jährlich, ob die Stabilität des deutschen Stromversorgungssystems für die nächsten Jahre auch in kritischen Situationen gewährleistet werden kann. Demnach könnte Deutschland schon ab dem Jahr 2022 auf Stromimporte aus dem Ausland angewiesen sein, um eine sichere Versorgung jederzeit garantieren zu kön- nen. Die Erfahrungen zu Beginn der Corona-Krise, auf die einzelne EU-Staaten zunächst mit der Schließung der Grenzen und rein nationalen Hilfsprogrammen reagierten, lehren jedoch, dass Stromlieferungen aus dem Ausland in kritischen Situationen nicht unbedingt verlässlich sind. Im Bericht der deutschen Übertragungsnetz- betreiber zur Leistungsbilanz 2018-2022 (Stand 18.02.2020) [1] wird für eine kriti- sche Situation, in der die Einspeisungen aus Wind- und Photovoltaikanlagen ihren voraus- sichtlich geringsten und die zu deckende Last ihren voraussichtlich höchsten Wert anneh- men, untersucht, ob mit den in Deutschland verfügbaren Stromerzeugungsanlagen die Last in Deutschland gedeckt werden kann. Dabei wird gleichzeitig eine hohe Nichtver- fügbarkeit konventioneller Kraftwerkskapa- zitäten angenommen [2]. Als Referenzzeit- punkt des Berichts wurde daher ein Abend eines Winterwerktages gewählt [3]. Solche Situationen sind nicht etwa rein theo- retisch, sondern vergleichbar bereits aufge- treten, so in der Kältephase im Januar 2017. Neben hoher Nichtverfügbarkeiten von Kern- und Steinkohlekraftwerken in Deutschland [4] waren zusätzlich französische Kernkraft- Abb. Krisenreaktion der EU auf die Corona-Pandemie Bild: Klaus Stuttmann werke in hohem Maße nicht einsatzbereit. Diese Kältewelle betraf ganz Europa. Wegen der räumlichen Ausdehnung solcher Wetter- sorgung nicht mehr aus eigener Kraft gewähr- vom Netz, so dass im Januar 2022 die verblei- verhältnisse wird das Potenzial überregiona- leisten, sondern wird von Importen aus dem bende Leistungsunterdeckung auf -7,2 GW ler Ausgleichseffekte von den Übertragungs- Ausland abhängig sein. gegenüber -1,5 GW aus dem ersten Szenario netzbetreibern grundsätzlich als gering ein- steigt [7]. Die Höhe der Versorgungslücke ent- geschätzt [5]. Die errechnete Importabhängigkeit erhöht spricht dabei in etwa den Kohlekapazitäten, sich deutlich, wenn neben dem Kernenergie- die außer Betrieb genommen werden. Verbleibende Leistung im ausstieg auch die Auswirkungen des geplan- Januar 2021 noch positiv, ten Kohleausstiegs berücksichtigt werden. In Da der Referenz- bzw. Stichtag der Untersu- im Januar 2022 negativ einem zusätzlichen Szenario haben die Über- chung im Januar 2022 liegt, bleibt die Stillle- tragungsnetzbetreiber dies erstmals unter- gung weiterer 1,6 GW Braunkohlekraftwerks- Ergebnis der Untersuchung ist, dass die ver- sucht: Im Januar 2021 ist die Abweichung leistung unberücksichtigt, da diese zu einem bleibende Leistung [6] (mit Berücksichtigung gering. Die verbleibende Leistung beträgt späteren Zeitpunkt im Jahr vorgesehen sind. der Reservekraftwerke) im Januar 2021 noch dann 2,6 GW im Vergleich zu 2,9 GW im Demzufolge sinkt die gesicherte Stromerzeu- positiv (2,9 GW), im Januar 2022, auf Grund Szenario ohne Kohlausstieg, da lediglich ein gungsleistung im Laufe des Jahres 2022 noch der Stilllegung von 4,1 GW Kernkraftwerks- Braunkohle-Kraftwerksblock mit ca. 0,3 GW weiter ab. leistung, allerdings negativ (-1,5 GW) wäre. Leistung außer Betrieb genommen wird. Zum Deutschland kann demnach ab 2022 in kriti- Ende des Jahres 2021 gehen weitere 0,9 GW Noch liegt der Importbedarf damit unterhalb schen Situationen die Sicherheit der Stromver- Braun- und ca. 5,3 GW Steinkohleleistung der maximalen Kapazität von 18,5 GW, für 26 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 70. Jg. (2020) Heft 6
ZUKUNFTSFRAGEN Meinungen & Fakten ZUKUNFTSFRAGEN die es Übertragungsleitungen und Netzkopp- Ob und in welcher Höhe die Nachbarländer [3] Neben den beschriebenen Wetterbedingungen ist lungsstellen zum benachbarten Ausland gibt. Deutschland in einer kritischen Lage versor- auch das Eintreten der Jahreshöchstlast an einem Win- Allerdings sollen zwischen 2023 und 2030 gen können, hängt nicht nur von der techni- terwerktag wahrscheinlich. Im Jahr 2018 z.B. trat die in Deutschland nochmals etwa 13 GW Kohle- schen Verfügbarkeit von Kraftwerksleistung Jahreshöchstlast am 28. Februar auf. kraftwerksleistung vom Netz gehen. ab. Es stellt sich die Frage, ob und in welchem [4] Nichtverfügbarkeiten u.a. auf Grund verschobener Umfang andere Länder bereit sind, jederzeit Revisionen zum Austausch der Brennelemente wegen Außerdem lassen die Übertragungsnetz- (auch bei enger Versorgung im eigenen Land) des Wegfalls der Kernbrennstoffsteuer und Transport- betreiber in ihrem Bericht offen, ob bei ge- Kapazitäten für den deutschen Strommarkt problemen bei Steinkohle u.a. aufgrund von Niedrigwas- nügend Erzeugungsleistung das Stromnetz zur Verfügung zu stellen. ser in den Flüssen. die Leistung zwischen Erzeugern und Ver- [5] Siehe auch „Europas Stromversorgung verliert brauchern auch übertragen kann und ob der Dass diese Bereitschaft nicht selbstverständ- sichere Basis“ in Energiewirtschaftliche Tagesfragen, ausländische Versorgungsbeitrag tatsäch- lich ist, zeigt die Krisenreaktion vieler EU- 70. Jg. (2020), Heft 1/2, S. 40 f. lich zur Verfügung steht. Zur vollständigen Staaten auf die Corona-Pandemie. Neben den [6] Saldo aus der verfügbaren Leistung und der zu Bewertung der Versorgungssicherheit wäre Schließungen der Grenzen sind hier vor allem deckenden Last. eine solche Analyse laut der vier Übertra- (die inzwischen aufgehobenen) Exportverbote [7] Der kraftwerksscharfe Stilllegungspfad von Stein- gungsnetzbetreiber jedoch ebenfalls not- ein warnendes Beispiel dafür, das in Krisen- kohlekraftwerken ist gemäß Entwurf zum Kohleaus- wendig. situationen nationale Bedürfnisse Vorrang stiegsgesetz vom 29.01.2020 zum Zeitpunkt der Berichts- haben vor dem europäischen Binnenmarkt. erstellung nicht vollständig absehbar, sodass für diesen Risiko-Bewertung Bericht Annahmen getroffen werden mussten. Laut Ge- wäre wesentlich Anmerkungen setz finden in den Jahren 2020 und 2021 in einem ver- kürzten Verfahren Ausschreibungen über 4 bzw. 1,5 GW Eine Risiko-Bewertung des (gesicherten) aus- [1] https://www.netztransparenz.de/portals/1/Bericht_ Netto-Nennleistung zur Ermittlung stillzulegender ländischen Versorgungsbeitrags wäre, insbe- zur_Leistungsbilanz_2019.pdf Steinkohlekapazitäten statt. Mit Eintritt des Kohlever- sondere vor dem Hintergrund, dass Deutsch- [2] Bei Nichtverfügbarkeit können Kraftwerke, z.B. auf- feuerungsverbots wird die endgültige Stilllegung der land ab 2022 in kritischen Situationen von grund von Revisionen, brennstoff- oder wetterabhängi- Anlagen zum Stichzeitpunkt im Jahr 2022 angenommen. Stromimporten aus dem Ausland angewiesen gen Nichtverfügbarkeiten, ungeplanten Ausfällen sowie sein dürfte, wesentlich. Reservevorhaltungen für Systemdienstleistungen nicht zur Lastdeckung eingesetzt werden. „et“-Redaktion Regulierungsvorschlag für eine europäische Wasserstoff-Infrastruktur GEODE legte am 20. Mai 2020 einen Vorschlag zur umfassenden Laut dem stellvertretenden Präsidenten der GEODE AISBL, Prof. Regulierung der zukünftigen europäischen Wasserstoff-Infrastruktur vor. Christian Held, „gilt es, den Regulierungsrahmen jetzt zu schaffen, Nach Auffassung des Verbandes soll sich die zukünftige Wasserstoff- um Investitionen in die Wasserstoff-Infrastruktur und den Übergang Infrastruktur aus den bestehenden Erdgasnetzbetreibern herausent- zu einer sauberen Gasindustrie zu ermöglichen“. wickeln, wobei letztere zu Kombinetzbetreibern werden. Zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie Der Inhalt des Papiers wurde bereits am 5. Mai 2020 in einem gemein- müssen jetzt Investitionsbarrieren beseitigt werden und der Wirt- samen Webinar von GEODE und Hydrogen Europe vorgestellt, an dem u.a. schaft gleichzeitig durch innovative Technologien grüne Impulse die Energie-Kommissarin Kadri Simson sowie der stellvertretende General- gegeben werden. GEODE zeigt, wie dies im Fall der Gasnetzinfra- direktor für Energie Klaus-Dieter Borchardt teilnahmen, und stieß auf breite struktur möglich werden kann und ist bereit, die europäischen und Zustimmung bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. deutschen Gesetzgeber bei den kommenden Herausforderungen zu unterstützen. Der Vorschlag von GEODE zeigt, dass Wasserstoff als zusätzliches Grund- gas essentiell zur Erfüllung der Klimaziele des European Green Deal ist und Weitere Informationen unter skizziert präzise, wie der Regulierungsrahmen für alternative Gase geöffnet und an zukünftige Entwicklungen angepasst werden kann. Die rechtliche https://www.geode-eu.org/wp-content/uploads/2020/05/GEO- Umsetzung ist dabei einfach wie brillant und bringt zudem erhebliche volks- DE_H2-Papier.pdf wirtschaftliche Vorteile mit sich. ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 70. Jg. (2020) Heft 6 27
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