COVID-19 und Menschen unterwegs - Kurzdossier: JUNI 2020 - the United ...

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COVID-19 und Menschen unterwegs - Kurzdossier: JUNI 2020 - the United ...
Kurzdossier:
      COVID-19 und
Menschen unterwegs

            JUNI 2020
COVID-19 und Menschen unterwegs - Kurzdossier: JUNI 2020 - the United ...
Deutsche Übersetzung: Deutscher Übersetzungsdienst der Vereinten Nationen, New York (DÜD-VN).

         Fragen zur Übersetzung sind an den DÜD-VN zu richten, der die Verantwortung
               für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Übersetzung übernimmt.

                                Copyright @ Vereinte Nationen
COVID-19 und Menschen unterwegs - Kurzdossier: JUNI 2020 - the United ...
Zusammenfassung
                                                                             Lebens- oder Arbeitsbedingungen und haben
Nur wenige Menschen und Orte sind von
                                                                             darüber hinaus aufgrund rechtlicher, sprach-
COVID-19 verschont geblieben. Doch das
                                                                             licher, kultureller oder anderer Barrieren nur
Virus trifft die Gruppen am härtesten, die
                                                                             beschränkt Zugang zu einer Gesundheits-
bereits vor der Krise in prekären Situationen
                                                                             versorgung. Besonders stark betroffen sind
lebten, vor allem die vielen Menschen, die
                                                                             papierlose Migrantinnen und Migranten
weit weg von ihrer Heimat sind: Migran-
                                                                             sowie Flüchtlinge, denen Inhaftierung und
tinnen und Migranten in irregulären Situa-
                                                                             Abschiebung drohen, wenn ihr Aufenthalt
tionen oder prekären Arbeitsverhältnissen,
                                                                             den Einwanderungsbehörden gemeldet wird.
Menschen, die in der Schattenwirtschaft
                                                                             Viele Menschen haben unterwegs auch
tätig sind, Opfer des Menschenhandels und                                    keinen Zugang zu anderen Grundleistungen
Menschen, die vor Verfolgung, Krieg, Gewalt,                                 wie Nahrungs- oder Wasser- und Sanitär-
Menschenrechtsverletzungen oder Katastro-                                    versorgung, wobei diejenigen in instabilen,
phen fliehen – ob innerhalb ihrer Heimat-                                    katastrophengefährdeten und von Konflikten
länder (Binnenvertriebene) oder über                                         betroffenen Ländern mit schwachen Gesund-
internationale Grenzen hinweg (Flüchtlinge                                   heitssystemen noch größeren Risiken aus-
und Asylsuchende).                                                           gesetzt sind. Erschwerend kommt hinzu,
                                                                             dass Reisebeschränkungen die Bereitstellung
Die unverhältnismäßig starken Auswirkungen                                   lebensrettender humanitärer Hilfe behindern.
der COVID-19-Pandemie auf diese Menschen
stellen sich als drei ineinandergreifende                                •   Zweitens sind Menschen, die unterwegs
Krisen dar, die bestehende Situationen                                       sind und in prekären Verhältnissen leben,
der Verwundbarkeit verschärfen.           1                                  insbesondere wenn sie in der Schatten-
                                                                             wirtschaft arbeiten und gar keinen oder
•   Erstens, die Pandemie ist eine Gesund-                                   nur begrenzten Sozialschutz genießen, von
    heitskrise. Menschen, die sich auf den Weg                               einer sozioökonomischen Krise betroffen.
    gemacht haben und dem Virus ausgesetzt                                   Die Krise hat auch die ohnehin prekäre
    sind, haben nur begrenzte Möglichkeiten,                                 Lage von Frauen und Mädchen verschärft,
    sich davor zu schützen. Viele von ihnen                                  die auf ihrem Weg einem höheren Risiko
    unterliegen oft schlechten oder engen                                    von Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung

1   Obwohl alle, die fliehen, migrieren oder vertrieben werden, gleichermaßen Anspruch auf den Genuss derselben allgemeinen
    Menschenrechte haben, wirken sich diese drei ineinandergreifenden Krisen auf das breite Spektrum der in diesem Kurzdossier behan-
    delten Gruppen unterschiedlich aus, je nach Kontext, sozioökonomischer Lage, Rechtsstatus nach nationalem und internationalem
    Recht und einander überschneidenden Faktoren wie Alter, Geschlecht und Behinderung. Binnenvertriebene sind zumeist Staatsbürger
    ihres jeweiligen Landes oder haben dort ihren gewöhnlichen Wohnsitz und sollten daher die gleichen Rechte wie ihre Landsleute genie-
    ßen können. Internationale Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlinge hingegen bilden zwei unterschiedliche Gruppen, für die
    jeweils gesonderte rechtliche Rahmenbedingungen gelten, wobei Flüchtlinge ein Anrecht auf den spezifischen internationalen Schutz
    haben, der im Flüchtlingsvölkerrecht definiert ist. Für Opfer des Menschenhandels gelten spezifische Schutzbestimmungen, die in ver-
    schiedenen Übereinkünften der Vereinten Nationen niedergelegt sind.

                                                                             KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS 3
COVID-19 und Menschen unterwegs - Kurzdossier: JUNI 2020 - the United ...
ausgesetzt sind und Schwierigkeiten beim        wichtigen Rolle, die ihnen im Kampf gegen
      Zugang zu entsprechenden Schutz- und            die Krise an vorderster Front zukommt, etwa
      Betreuungsdiensten haben. Zugleich              in der Kranken- und Altenpflege oder bei der
      führt der Verlust von Arbeitsplätzen und        Sicherung der Nahrungsmittelversorgung
      Löhnen infolge von COVID-19 zu einem            während der Ausgangsbeschränkungen,
      Rückgang der Heimatüberweisungen                und die den großen gesellschaftlichen Bei-
      von Migrantinnen und Migranten, mit ver-        trag verdeutlicht, den sie weltweit leisten.
      heerenden Folgen für die 800 Millionen
      Menschen, die darauf angewiesen sind.           Vor diesem Hintergrund ist die COVID-19-Krise
                                                      für uns eine Gelegenheit, die menschliche
  •   Drittens befinden wir uns in einer Schutz-      Mobilität zum Nutzen aller neu zu überdenken
      krise, da die zur Eindämmung der Aus-           und zugleich die zentrale Aufgabe voranzu-
      breitung von COVID-19 beschlossenen             bringen, zu der wir uns in der Agenda 2030
      Grenzschließungen und anderen Ein-              verpflichtet haben, nämlich niemanden zurück-
      schränkungen der Bewegungsfreiheit              zulassen. Zu diesem Zweck sollten wir uns in
      sich schwerwiegend auf die Rechte vieler        unserem kollektiven Handeln an vier Grund-
      Menschen auswirken, die auf ihrem Weg           sätzen orientieren:
      möglicherweise in sehr gefährlichen Situa-
                                                      1.   Ausgrenzung kommt auf lange Sicht teuer
      tionen festsitzen. Asylsuchende können
                                                           zu stehen, während sich Inklusion für alle
      internationale Grenzen gegebenenfalls nicht
                                                           bezahlt macht: Gerade weil Menschen,
      überschreiten, und für manche Flüchtlinge
                                                           die unterwegs sind, ausgegrenzt werden,
      besteht das Risiko, wieder in ihre Herkunfts-
                                                           gehören sie zu denjenigen, die von der
      länder zurückgeschickt und dort Verfolgung
                                                           aktuellen Pandemie am stärksten gefährdet
      und anderen Gefahren ausgesetzt zu werden.
                                                           werden. Nur durch inklusive gesundheit-
      Migrantinnen und Migranten werden eventuell
                                                           liche und sozioökonomische Maßnahmen
      zur Rückkehr in Heimatländer mit schwachen
                                                           können wir das Virus bekämpfen, unsere
      Gesundheitssystemen gezwungen, die nur
                                                           Wirtschaft wieder ankurbeln und bei
      schlecht für ihre sichere Aufnahme gerüstet
                                                           der Verwirklichung der Ziele für nach-
      sind. Auch Binnenvertriebene können nach
                                                           haltige Entwicklung auf Kurs bleiben.
      einer Heimkehr in eine ähnlich missliche
      Lage geraten. Darüber hinaus schürt die         2.   Die Bekämpfung von COVID-19 und der
      Angst vor COVID-19 Fremdenfeindlichkeit,             Schutz der Menschenrechte derjenigen,
      Rassismus und Stigmatisierung, die ohne-             die unterwegs sind, schließen einander
      hin weit verbreitet sind, und hat sogar schon        nicht aus: COVID-19 hält Menschen nicht
      zu Angriffen auf Flüchtlinge sowie Migran-           davon ab, vor Gewalt oder Verfolgung zu
      tinnen und Migranten geführt. Auf lange              fliehen. Viele Länder haben bewiesen,
      Sicht besteht die Gefahr, dass COVID-19              dass Reisebeschränkungen und Grenz-
      die Einschränkungen der internationalen              kontrollen auf sichere Weise und unter
      Bewegungsfreiheit und die Beschneidung der           voller Achtung der Rechte der Menschen,
      Rechte dieser Menschen verfestigen könnte.           die sich auf den Weg gemacht haben,
                                                           umgesetzt werden können und sollten.
  Die unverhältnismäßig starken Auswirkungen
  von COVID-19 auf Menschen, die unterwegs
  sind, stehen im Kontrast zu der immens

4 KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS
3.   Niemand ist sicher, bis alle sicher sind: Wir        bekräftigen auch die Überzeugung, dass kein
     können es uns nicht leisten, bei unseren             Land das Virus allein bekämpfen und kein
     Maßnahmen zur Krisenbewältigung und                  Land Migration im Alleingang steuern kann.
     Erholung auch nur einen Menschen zurück-             Doch gemeinsam können wir es schaffen, die
     zulassen, insbesondere nicht diejenigen,             Ausbreitung des Virus einzudämmen, seine
     die unterwegs sind und bereits vor der               Auswirkungen auf Existenzgrundlagen und
     Krise besonders schutzbedürftig waren.               Gemeinschaften zu mindern und gestärkt
     Sie müssen auch unterwegs Zugang zu                  aus der Krise hervorzugehen.
     lebensrettender humanitärer Hilfe, sozialen
     Diensten und Lernangeboten haben. Damit
     wir alle sicher sind, müssen Diagnostika,
                                                             VIER GRUNDSÄTZE FÜR DIE FÖRDERUNG
     Behandlungen und Impfstoffe allgemein
                                                                EINER SICHEREN UND INKLUSIVEN
     zugänglich sein – ohne Diskriminierung                  MENSCHLICHEN MOBILITÄT WÄHREND
     aufgrund des Migrationsstatus.                                   UND NACH COVID-19:

4.   Menschen unterwegs sind Teil der Lösung:        1.    Ausgrenzung kommt auf lange Sicht teuer zu
     Die größte Anerkennung des wichtigen                  stehen, während sich Inklusion für alle bezahlt
     Beitrags, den diese Menschen während                  macht.
     dieser Krise zu unseren Gesellschaften
                                                     2.    Die Bekämpfung von COVID-19 und der Schutz
     leisten, ist die Beseitigung der Schranken,
                                                           der Menschenrechte der Menschen, die
     die sie an der Entfaltung ihres vollen
                                                           unterwegs sind, schließen einander nicht aus.
     Potenzials hindern. Das bedeutet, die
     Anerkennung und Akkreditierung ihrer            3.    Niemand ist sicher, bis alle sicher sind.
     Qualifikationen zu erleichtern, verschie-
                                                     4.    Menschen unterwegs sind Teil der Lösung.
     dene Modelle der Legalisierung des
     Aufenthalts von Migrantinnen und
     Migranten in irregulären Situationen zu
     prüfen und die Transaktionskosten von
     Heimatüberweisungen zu senken.

Viele Regierungen haben bereits ermutigende
Schritte in diese Richtung unternommen (siehe
weiter unten). Die vier Grundsätze dieses Kurz-
dossiers beruhen auf unserer gemeinsamen
Verpflichtung, zu gewährleisten, dass die Ver-
antwortlichkeiten beim Schutz der Flüchtlinge
der Welt ausgewogen verteilt werden und dass
menschliche Mobilität auch weiterhin sicher und
inklusiv und unter Einhaltung der internationalen
Menschenrechtsnormen und des Flüchtlings-
völkerrechts stattfinden kann, wie es nicht
zuletzt nach den Globalen Pakten für Flüchtlinge
und für eine sichere, reguläre und geordnete
Migration vorgesehen ist. Die Grundsätze

                                                            KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS 5
MENSCHEN, DIE UNTERWEGS SIND, SIND VON DREI KRISEN BETROFFEN

                                     • Unhygienische und enge Wohnverhältnisse (Z. B. haben
                                       manche Flüchtlingslager eine Bevölkerungsdichte, die
                                       tausendmal so hoch ist wie in der Aufnahmegemeinde.)
                                     • Eingeschränkter Zugang zur Gesundheitsversorgung
                                     • Ernährungsunsicherheit (Z. B. leben mehr als die Hälfte der
                                       Flüchtlinge und Binnenvertriebenen weltweit in Ländern
                                       und Gemeinschaften mit hoher Ernährungsunsicherheit.)

                                                        Gesundheitskrise

                           Schutzkrise                                       Sozioökonomische Krise

     • Eingeschränkter Asylzugang (Z. B. werden Asyl-                       • Wachsende Arbeitslosigkeit und Verlust der Existenz-
      suchende von 99 Ländern nicht von Einreiseverboten                      grundlagen (Z. B. haben einer UNHCR-Befragung von
      ausgenommen.)                                                           Flüchtlingen in Libanon zufolge mehr als die Hälfte
     • Inhaftierung, Abschiebung und Deportation                              der Befragten ihre ohnehin dürftige Existenzgrundlage
                                                                              verloren.)
     • Festsitzende Migrantinnen und Migranten, Familien-
      trennungen und Menschenhandel.                                        • Rückgang der Heimatüberweisungen (Z. B. werden
                                                                              Heimatüberweisungen 2020 aufgrund von COVID-19
                                                                              um insgesamt 109 Milliarden US-Dollar sinken.)

6 KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS
Migration, Flucht und Binnenvertreibung in
Zahlen

Internationale Migrantinnen und Migranten
Nach amtlichen Angaben lag die Zahl der internationalen Migrantinnen und Migranten, die für statistische
Zwecke als Personen mit geändertem Wohnsitzland definiert werden und Flüchtlinge und Asylsuchende
umfassen, Mitte 2019 bei etwa 272 Millionen. Seit 1990 ist die Zahl dieser Personen weltweit bedeutend
schneller gewachsen (78 Prozent) als die Weltbevölkerung (45 Prozent). Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung
ist in Nordamerika um mehr als sechs, in Europa und Ozeanien um etwa vier und in Nordafrika und Westasien
um mehr als drei Prozentpunkte gestiegen. In anderen Regionen ist er stabil geblieben oder leicht gesunken
(Vereinte Nationen, 2019).

        GESAMTZAHL INTERNATIONALER MIGRANT(INN)EN (1990-2019)
                                                           (IN MILLIONEN)

                                                                                                          271,6

                                                                                  220,8
                                                 173,6
                      153

                       1990                         2000                            2010                      2019

                                                                              2
                                                             Quelle: UNDESA

2   Vereinte Nationen, Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten (2019), International Migration 2019, verfügbar unter:
    https://www.un.org/en/development/desa/population/migration/publications/migrationreport/docs/InternationalMigration2019_
    Report.pdf.

                                                                                  KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS 7
Internationale Arbeitsmigrantinnen und -migranten
  Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gibt es weltweit 164 Millionen internationale Arbeits-
  migrantinnen und -migranten. In den arabischen Staaten, Nordamerika, Westeuropa und Zentral- und West-
  asien ist ihr Anteil an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen am höchsten und in den letzten Jahren gestiegen.

      ANTEIL DER ARBEITSMIGRANT(INN)EN AN ALLEN ERWERBSTÄTIGEN,
                                              2013 & 2017 (IN PROZENT)

                   Arabische Staaten
                       Nordamerika

          Nord-, Süd- und Westeuropa

               Zentral- und Westasien

                           Osteuropa

              Südostasien und Pazifik

             Afrika südlich der Sahara

            Lateinamerika und Karibik

                             Südasien
                           Nordafrika

                             Ostasien

                                         ANTEIL DER ARBEITSMIGRANT(INN)EN AN ALLEN ERWERBSTÄTIGEN, 2013 und 2017 (IN PROZENT)

                                                             Quelle: ILO

8 KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS
Migration, Flucht und Binnenvertreibung in
Zahlen

Flüchtlinge
Die weltweite Flüchtlingsbevölkerung lag Ende 2018 bei 25,9 Millionen und hat inzwischen den höchsten
jemals verzeichneten Stand erreicht. 84 Prozent der Flüchtlinge weltweit leben in Staaten in Nachbarregionen
ihrer Herkunftsländer, etwa ein Drittel davon (6,7 Millionen) in am wenigsten entwickelten Ländern. Insgesamt
sind neun der zehn Länder, die die meisten Flüchtlinge aufgenommen haben, in Entwicklungsregionen und
beherbergen 84 Prozent der Flüchtlinge.

Flüchtlinge
25,9 Millionen
20,4 Millionen unter UNHCR-Mandat
5,5 Millionen Palästinaflüchtlinge unter UNRWA-Mandat

                  Quelle: UNHCR3

Binnenvertriebene
Schätzungen zufolge betrug die Zahl der Binnenvertriebenen Ende 2019 weltweit 50,8 Millionen. Davon
wurden 45,7 Millionen infolge von Konflikten und 5,1 Millionen infolge von Katastrophen vertrieben, so
viele wie nie zuvor.

                             GESAMTZAHL DER BINNENVERTRIEBENEN

                                                             Quelle: IDMC4

3   Hohes Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (2019), UNHCR Global Trends Report, verfügbar unter: https://www.unhcr.org/
    dach/wp-content/uploads/sites/27/2019/06/2019-06-07-Global-Trends-2018.pdf.
4   Zentrum für die Beobachtung von Binnenvertreibungen (IDMC) (2020), Global Report on Internal Displacement (2020), verfügbar unter:
    https://www.internal-displacement.org/publications/2020-global-report-on-internal-displacement.

                                                                             KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS 9
1. Gesundheitliche und
  humanitäre Auswirkungen

  Die Gesundheit der Menschen, die unterwegs                                Vereinten Nationen für die Koordinierung huma-
  sind und in prekären Situationen leben, ist                               nitärer Angelegenheiten (OCHA), der sowohl
  durch COVID-19 besonders bedroht. Viele                                   die Verwundbarkeit als auch die Reaktions-
  von ihnen leben oder arbeiten in über-                                    kapazität der Länder aufzeigt6 , so geht daraus
  füllten Räumen oder unter unhygienischen                                  hervor, dass in den 10 Ländern, die am meisten
  Bedingungen, die die Ausbreitung von                                      durch COVID-19 gefährdet sind, insgesamt
                                                                                                                                7
  COVID-19 begünstigen. Ihr Zugang zur                                      17,3 Millionen Binnenvertriebene leben. Diese
  Gesundheitsversorgung ist möglicherweise                                  Risiken werden durch schwache Gesundheits-

  eingeschränkt, vor allem wenn sie keine                                   systeme und Reisebeschränkungen, die den
                                                                            Zugang zu lebensrettender humanitärer Hilfe
  Papiere haben oder ausgegrenzt sind. Oft
                                                                            erheblich erschweren, weiter verschärft.
  haben sie auch keinen Zugang zu anderen
  Grundversorgungsleistungen – angefangen                                   Es liegt in unser aller Interesse, dringend zu
  von Wohnraum und Wasser- und Sanitär-                                     handeln, um die Menschen, die unterwegs
  versorgung über Essen und soziale Dienste                                 sind, und ihre Aufnahmegesellschaften in die
                                       5
  bis hin zu Bildung und Sozialschutz.                                      Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19
                                                                            einzubeziehen und vor den schlimmsten
  Die Gesundheitsrisiken sind noch höher in                                 Auswirkungen der Pandemie zu schützen.
  instabilen und von Konflikten betroffenen
  Gebieten sowie in humanitären Notsituationen
  mit vielen Flüchtlingen und Binnenvertriebenen                            UNHYGIENISCHE UND BEENGTE
  und schwachen Gesundheitssystemen. Zwar                                   WOHNVERHÄLTNISSE UND
  wurden bislang aus überfüllten Lagern und Sied-
                                                                            EINGESCHRÄNKTER ZUGANG
  lungen für Flüchtlinge und Binnenvertriebene,
                                                                            ZU GRUNDVERSORGUNGS-
  etwa in Südsudan, Bangladesch und Kenia, ver-
  gleichsweise geringe Fallzahlen gemeldet, es                              LEISTUNGEN
  ist jedoch ein Anstieg in den nächsten Wochen
  und Monaten zu befürchten, da die Kapazitäten                             Die Lebensbedingungen vieler Menschen, die
  zur Eindämmung des Virus und zur Bewältigung                              unterwegs sind, sind unzureichend. Aus
  seiner Folgen begrenzt sind. Betrachtet man                               diesem Grund sind sie durch die Pandemie
  etwa den COVID-19-Risikoindex des Amtes der                               extrem gefährdet. Binnenvertriebene, Flücht-
                                                                            linge und viele Migrantinnen und Migranten,

  5   OHCHR (2014), The Economic, Social and Cultural Rights of Migrants in an Irregular Situation, verfügbar unter: https://www.ohchr.org/
      Documents/Publications/HR-PUB-14-1_en.pdf.
  6   OCHA (2020), Global Humanitarian Response Plan Covid-19, verfügbar unter: https://www.unocha.org/sites/unocha/files/GHRP-
      COVID19_May_Update.pdf.
  7   Zentrum für die Beobachtung von Binnenvertreibungen (IDMC) (2020), Global Report on Internal Displacement (2020).

10 KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS
insbesondere diejenigen in irregulären Situatio-                          eine Reihe von Faktoren zurückzuführen ist:
nen, leben in überfüllten Räumen – in Lagern                              Migrationsstatus, mangelndes Bewusstsein, feh-
oder informellen Siedlungen, Slums, Massen-                               lender Sozialschutz, Kosten, Sprache, Behinderung,
unterkünften, Schlafsälen, in der Migrationshaft                          Geschlechternormen, kulturelle Barrieren oder
oder auf der Straße, wo Waschräume, Küchen                                diskriminierende Rechtsvorschriften, Politiken
und Speisesäle gemeinschaftlich genutzt                                   und Praktiken. Wenn es zwischen Einwanderungs-
werden, unhygienische Bedingungen herrschen                               behörden und Gesundheitsdiensten keine Tren-
und es nahezu unmöglich ist, Maßnahmen zur                                nung gibt, sind Flüchtlinge und Migrantinnen und
physischen Distanzierung und Ausgangssperren                              Migranten in irregulären Situationen oder ohne
umzusetzen. Das Flüchtlingslager Kakuma in                                ordnungsgemäße Ausweispapiere aus Angst vor
Kenia beispielsweise hat eine Bevölkerungs-                               Inhaftierung, Abschiebung oder anderen Strafen
dichte, die die der Turkana-Aufnahmegemeinde                              möglicherweise nicht in der Lage oder gewillt,
um etwa das Tausendfache übersteigt. In            8
                                                                          Gesundheitsdienste in Anspruch zu nehmen oder
Somalia leben etwa eine halbe Million Binnen-                             sich testen zu lassen. Außerdem haben sie nur
vertriebene, die sowohl vor Konflikten als auch                           begrenzten Zugang zu einer psychischen und
klimatischen Bedingungen geflohen sind, in                                psychosozialen Betreuung, die jetzt umso wichti-
überfüllten Siedlungen in Mogadischu, einer der                           ger ist, weil die Krise sie einer enormen Belastung
am schnellsten wachsenden Städte der Welt.                                aussetzt und ihre ohnehin prekäre Situation
                                                                          verschlimmert.10 Des Weiteren sind Frauen, die
Zudem haben viele Menschen unterwegs                                      unterwegs sind, während der Krise unverhältnis-
nur begrenzten Zugang zu Wasser, Hygiene                                  mäßig hohen Gesundheitsrisiken ausgesetzt, da
und Sanitäreinrichtungen, was regelmäßiges                                ihnen bei der grundlegenden Gesundheitsver-
Händewaschen erschwert. Am Horn von Afrika                                sorgung eine herausragende Rolle zukommt.
haben 37 Prozent der Kinder und jungen Men-
schen, die unterwegs sind, keinen Zugang zu                               Erschwerend kommt hinzu, dass Menschen
grundlegenden sanitären Einrichtungen. Für             9
                                                                          unterwegs in der Regel nur begrenzt mit wich-
manche, etwa Frauen und Mädchen, ältere                                   tigen Gesundheitsinformationen in einer ihnen
Menschen und Menschen mit Behinderungen,                                  verständlichen und vertrauten Form und Spra-
ist der Zugang noch stärker eingeschränkt.                                che versorgt werden. Noch schwieriger ist der
                                                                          Zugang zu Gesundheits- und weiteren Grund-
                                                                          versorgungsleistungen für diejenigen, die mehr-
BEEINTRÄCHTIGTER ZUGANG                                                   fachen und sich überschneidenden Formen der
ZU GESUNDHEITSDIENSTEN                                                    Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt sind,
                                                                          die nicht nur ihrem Migrationsstatus geschuldet
Binnenvertriebene, Flüchtlinge und viele Migran-                          sind, sondern ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen
tinnen und Migranten, insbesondere diejenigen                             Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität, ihrem
in prekären Situationen, stehen vor Hindernissen                          Alter, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, einer
beim Zugang zu Gesundheitsdiensten, was auf                               Behinderung11 oder Armut oder Obdachlosigkeit.

8   https://sfd.susana.org/about/worldwide-projects/city/122-kakuma
9   UNICEF (2020), Children on the Move in East Africa: Research insights to mitigate COVID-19, verfügbar unter: https://blogs.unicef.org/
    evidence-for-action/children-on-the-move-in-east-africa-research-insights-to-mitigate-covid-19/.
10 Mehr zu dem Thema im Kurzdossier COVID-19 und psychische Gesundheit: Was wir tun müssen, verfügbar unter: https://www.un.org/
   Depts/german/gs/COVID-und-psychische-Gesundheit.pdf.
11 Mehr zu dem Thema im Policy Brief on A Disability-Inclusive Response to COVID-19, verfügbar unter: https://www.un.org/sites/un2.
   un.org/files/sg_policy_brief_on_persons_with_disabilities_final.pdf.

                                                                             KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS 11
Auch die Unterbrechung oder Einstellung grund-
  legender Gesundheitsleistungen aufgrund von
                                                                          BESCHRÄNKTER
  COVID-19, einschließlich im Bereich der sexuellen                       HUMANITÄRER ZUGANG
  und reproduktiven Gesundheit, wird schwer-
  wiegende Auswirkungen auf Menschen haben,                               Alle genannten Risiken erhöhen sich noch durch
  die unterwegs sind, insbesondere Frauen, Neu-                           den Umstand, dass Flugstreichungen, Grenz-
  geborene und heranwachsende Mädchen und                                 schließungen, Ausgangssperren und von man-
  diejenigen in instabilen, katastrophenanfälligen                        chen Ländern auf die Ausfuhr medizinischer
  oder von Konflikten betroffenen Ländern. Eine                           Versorgungsgüter und Ausrüstung verhängte
  verminderte Routineversorgung könnte in nur                             Kontrollen humanitäre Hilfslieferungen für die-
  sechs Monaten 1,2 Millionen zusätzliche Todes-                          jenigen Menschen, die unterwegs sind und
  fälle bei unter 5-Jährigen zur Folge haben,                             dieser Hilfe am meisten bedürfen, erschweren.
  wobei Kinder unterwegs und in von Konflikten                            Besonders hart betroffen sind Flüchtlinge und
  betroffenen Ländern am meisten gefährdet sind.12                        Binnenvertriebene, die am meisten auf huma-
                                                                          nitäre Hilfe angewiesen sind. In Ländern wie
                                                                          Irak und Nigeria haben Ausgangssperren und
   WACHSENDE ERNÄHRUNGS-                                                  der eingeschränkte Zugang zu Lagern zu einer
   UNSICHERHEIT                                                           Beschränkung der Versorgung von Binnen-
                                                                          vertriebenen mit Gütern und Dienstleistungen
  Für Menschen, die unterwegs und in prekären                             auf ausschließlich „lebensrettende“ Aktivitäten
  Situationen sind, besteht auch ein höheres                              geführt. Es wird insbesondere befürchtet, dass
  Risiko, unter COVID-19-bedingter Ernährungs-                            verspätet ergriffene Vorsorge- und Notfall-
  unsicherheit zu leiden, die auf einen Rückgang                          maßnahmen die Risiken für Binnenvertriebene
  der Landwirtschaft, unterbrochene Lieferketten,                         und Flüchtlinge und ihre Verwundbarkeit in den
  Preiserhöhungen bei Gütern des Grundbedarfs                             nächsten Monaten in mehreren Ländern noch
  und einen Kaufkraftschwund aufgrund der                                 erhöhen werden.
  Wirtschaftskrise zurückzuführen ist. Mehr
                                                                          Die Beschränkung des humanitären Zugangs
  als die Hälfte der Flüchtlinge13 und Binnenver-
                                                                          könnte in Verbindung mit erhöhter Ernährungs-
  triebenen weltweit leben in Ländern und Gesell-
                                                                          unsicherheit und dem Einbruch der Wirtschaft
  schaften, in denen bereits vor der Pandemie
                                                                          weitaus mehr Menschenleben kosten als die
  hohe Ernährungsunsicherheit herrschte.14 Ein
                                                                          Krankheit selbst. Dies verdeutlicht einmal
  Beispiel dafür ist Ostafrika, wo die Nahrungs-
                                                                          mehr, wie wichtig es ist, dass die Länder huma-
  mittelrationen für mindestens 60 Prozent der
                                                                          nitäre Hilfsgüter und humanitäres Personal
  Flüchtlinge bereits gekürzt wurden. Diese
                                                                          von den Einschränkungen der Bewegungsfrei-
  Menschen sehen sich nun gezwungen, alter-
                                                                          heit ausnehmen und dass die Regierungen
  native Möglichkeiten zur Deckung ihrer Grund-
                                                                          zusätzlich zu den bestehenden Plänen für
  bedürfnisse zu finden. Unregelmäßige Nahrungs-
                                                                          humanitäre Maßnahmen auch den Plan der
  aufnahme wird bei Kindern, die unterwegs sind,
                                                                          Vereinten Nationen für globale humanitäre
  zu akuter Auszehrung und Wachstumshemmung
                                                                          Maßnahmen in Reaktion auf COVID-19 unter-
  führen und lebenslange Folgen nach sich ziehen.

  12 https://www.unicef.org/press-releases/covid-19-devastates-already-fragile-health-systems-over-6000-additional-children
  13 50 % der Flüchtlinge weltweit leben in 8 Ländern mit Nahrungsmittelkrisen: Türkei, Pakistan, Uganda, Sudan, Libanon, Bangladesch,
     Jordanien und Äthiopien. Global Network against Food Crises, 2020 Global Report On Food Crises, verfügbar unter: https://www.wfp.
     org/publications/2020-global-report-food-crises.
  14 Ebd.

12 KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS
stützen, um die am stärksten gefährdeten
Menschen weltweit vor den schlimmsten
Auswirkungen von COVID-19 zu schützen.

     VORBILDLICHE VERFAHRENSWEISEN
      ZUR MILDERUNG DER GESUNDHEIT-
    LICHEN AUSWIRKUNGEN VON COVID-19
    AUF MENSCHEN, DIE UNTERWEGS SIND

•   Die britische Regierung hat angekündigt, dass
    ausländischen Besucherinnen und Besuchern
    ungeachtet ihres Aufenthalts-/Einwanderungs-
    status die Kosten für die Diagnose oder
    Behandlung von COVID-19 erlassen werden.

•   In Libanon starteten humanitäre Hilfs-
    organisationen und Gesundheitspartner
    Kampagnen zur Information der Flüchtlings-
    bevölkerung über COVID-19.

•   Peru hat eine zeitlich befristete Krankenver-
    sicherung für Flüchtlinge sowie Migrantinnen
    und Migranten beschlossen, bei denen Ver-
    dacht auf COVID-19 besteht oder ein positiver
    Test vorliegt.

•   In Thailand können Migrantinnen und Migran-
    ten in irregulären Situationen bereits seit
    langem der staatlichen Krankenversicherung
    beitreten und bekommen so Zugang zur all-
    gemeinen Gesundheitsversorgung.

                                                    KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS 13
2. Sozioökonomische
  Auswirkungen

                                                                                                              16
  Die durch COVID-19 notwendig gewordenen                                 Betreuungsdiensten haben. Auch eine ver-
  Maßnahmen wie Ausgangssperren, Reise-                                   mehrte Stigmatisierung und Diskriminierung von
  verbote und physische Distanzierung haben                               Menschen mit Behinderungen zeichnet sich ab.
  weltweit zu einem starken Rückgang der
                                                                          Zahlreiche Arbeitsmigrantinnen und -migranten
  Wirtschaftstätigkeit und in Folge zu einer
                                                                          sowie Flüchtlinge werden nicht in der Lage
  globalen Rezession geführt. Prognosen des
                                                                          sein, zur wirtschaftlichen Erholung in ihren
  Internationalen Währungsfonds zufolge
                                                                          Zielländern beizutragen und ihre Familien
  wird die Weltwirtschaft 2020 um 3 Prozent
                                                                          und Gemeinschaften in ihren Heimatländern
  schrumpfen. Die Wirtschaftskrise wird
                                                                          zu unterstützen. Prognosen zufolge werden
  selbst die Länder mit sehr niedrigen
                                                                          aufgrund von COVID-19 die Heimatüber-
  Infektionsraten hart treffen. Nach Schät-
                                                                          weisungen um 109 Milliarden US-Dollar sinken;
  zungen der Weltbank könnte COVID-19                                     das entspricht 72 Prozent der gesamten
  allein im Jahr 2020 bis zu 60 Millionen                                 öffentlichen Entwicklungshilfe im Jahr 2019.
  Menschen in extreme Armut treiben.15                                    In Ländern mit niedrigem und mittlerem
                                                                          Einkommen, die in hohem Maße auf solche
  Viele Menschen, die von Flucht und Vertreibung                          Überweisungen angewiesen sind, wird das
  betroffen sind oder migrieren, verfügen zumeist                         800 Millionen Menschen schwer belasten.
                                                                                                                                17

  nur über geringe oder gar keine Reserven, um
  sozioökonomische Schocks abzufedern. Sie                                Gleichzeitig bietet sich den Ländern jedoch die
  gehören daher zu denen, die durch Einkommens-                           Chance, gestärkt aus dieser Krise hervorzu-
  verluste, wachsende Arbeitslosigkeit sowie                              gehen: Indem sie sozioökonomische Inklusion
  steigende Ausgaben und Preiserhöhungen bei                              und menschenwürdige Arbeitsbedingungen
  Gütern des täglichen Bedarfs am schwersten                              für geflüchtete, vertriebene und migrierende
  getroffen werden. Die Krise hat auch die ohne-                          Menschen fördern und Wege für eine legale
  hin prekäre Lage von Frauen und Mädchen                                 Migration eröffnen, können sie in den vollen
  verschärft, die auf ihrem Weg einem höheren                             Genuss des positiven gesellschaftlichen Bei-
  Risiko von Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung                            trags kommen, den diese Menschen leisten und
  ausgesetzt sind und Schwierigkeiten beim                                der durch die gegenwärtige Krise verstärkt in den
  Zugang zu entsprechenden Schutz- und                                    Blickpunkt gerückt ist. Wie schon in der Agenda

  15 https://www.worldbank.org/en/news/press-release/2020/05/19/world-bank-group-100-countries-get-support-in-response-to-covid-
     19-coronavirus.
  16 Protection Cluster Yemen, Preparedness and Response to Covid-19 - Protecting Groups at Disproportionate Risk, verfügbar unter:
     https://www.globalprotectioncluster.org/wp-content/uploads/Protecting-Groups-Preparedness-and-Response-to-Covid.pdf.
  17 Weltbank (2020), COVID-19 Crisis Through a Migration Lens, verfügbar unter:
     https://www.knomad.org/sites/default/files/2020-06/R8_Migration%26Remittances_brief32.pdf.

14 KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS
MIGRATIONSRELEVANTE NACHHALTIGKEITSZIELE UND -VORGABEN

     ----�----
    SUSTAINABLE
                 •>                                 Diaspora-Organisationen und
                                                    Migrant(inn)en in die Lage versetzen, zur
                                                    Bekämpfung von COVID-19 und zur
                                                    Erholung beizutragen.
                                                                                                      17 PARTNERSCHAFTEN       1 KEINE
                                                                                                                                 ARMUT
                                                                                                                                                    Entwicklungspotenzial der Migration
                                                                                                                                                    nutzen, um Resilienz zu stärken und

    DEVELOPMENT                                                                                             �
                                                                                                            'fSfJ
                                                                                                                                                    sozioökonomische Erholung zu fördern.

     Gt:>ALS
                                                    Von innovativen Ansätzen zur Nutzung
                                                                                                                                                   Sozialschutzleistungen für alle
                                                    von Technologien für die Erfassung von                                                                                                                        Migrant(inn)en müssen ungeachtet ihres
                                                                                                                                                   Migrant(inn)en und ihre Übertrag­barkeit
                                                    Migrationsdaten lernen und umfassend                                                                                                                          Migrationsstatus gleichen Zugang zur
                                                                                                                                                   auf Zurückkehrende gewährleisten.
                                                    Gebrauch machen, Migrationsdaten                                                                                                                              Gesundheitsversorgung erhalten.
                                                    aufschlüsseln sowie die Aufschlüsselung
                                                    von Entwicklungsdaten nach Migrations­                                                                                                    3 GESUNDHEIT
                                                                                                                                                                                                WOHLERGEHEN
                                                                                                                                                                                                           UND    Mobilität von Gesundheitsfachkräften
                                                    status sicherstellen.                                                                                                                                         erleichtern, um Arbeitskräftemangel
                                                                                                                                                                                                                  zu mildern.

                                                          16 FRIEIIN, GERECHTIGKEIT
                                                             UND STARKE
                                                                                                                                                                                                                    Mittels technologischen Fortschritts die
                                                                                                                                                                                                 4 HOCHWERTIGE
                                                               INST111JTIIMN

                                                              -�                                                                                                                                   BILDUNG          virtuelle Mobilität für Studierende fördern,
                                                                                                                                                                                                                    um physische Beschränkungen im
                                                                                                                                                                                                                    Interesse weltweiter Forschung und
                                Der Schutzbedürftigkeit von
                                                                                                                                                                                                                    Entwicklung zu überwinden.
                                Migrant(inn)en und ihren
                                Gemeinden bei der Bekämpfung
                                                                                                                                                                                                                    In Qualifizierung und Umschulung von
                                von COVID-19 voll Rechnung
                                                                                                                                                                                                                    Migrant(inn)en und Zurückkehrenden
                                tragen, damit irreguläre Migration
                                                                                                                                                                                                                    investieren, um ihren Zugang zu
                                und Menschen-schmuggel und
                                                                                                                                                                                                                    menschenwürdiger Arbeit zu erweitern.
                                -handel sich nicht verschlimmern.
                                                                                                                                                                                                        5 GESCHLECHTER­
                                                                                                                                                                                                          GERECHTIGKBT
                                                                                                                                                                                                                          Migrant(inn)en ungeachtet ihres
                                                                                                                                                                                                                          Migrationsstatus in Bemühungen
                                                                                                                                                                                                                          zur Bekämpfung zunehmender
                                                                NACHHALTtGE
                                                                                                                                                                                                                 �        COVID-19-bedingter geschlechts­
               Unter Berücksichtigung der Aus­              11 ���:i���i                                                                                                                                                  spezifischer Gewalt und sozio­
               wirkungen neuer Stadt-Land­                                                                                                                                                                                ökonomischer Verwundbarkeit
               Mobilität Städte dabei unterstützen,                                                                                                                 Im Rahmen der COVID-19-Maßnahmen                      einbinden.
               die menschliche Mobilität in ihre                                                                                                                    innovative Wege für legale VVlrtschafts­
               Stadtplanungs- und Erholungs­                                                                                                                        migration entwickeln, um angemessen                   Spezifisch mit COVID-19 zusammen­
               prozesse im Zusammenhang mit

                                                                                                                               =........
                                                                                                                                                                    auf Arbeitsangebot und -nachfrage                     hängender Verwundbarkeit von
               COVID-19 einzubeziehen.                                         Kosten für Heimatüberweisungen              WENIGER             8 MENSCHENWÜRDIGE    weltweit, insbesondere im Gesundheits-                Migrant(inn)en im Bereich der
                                                                                                                           UNGLEICHHEITEN
                                                                               auf unter 3 % verringern.                                         SCIIAFTSWAC        bereich, reagieren zu können.
                                                                                                                                                 ARBEIT UND WIRT­

                                                                                                                                                             �
                                                                                                                                                                                                                          sexuellen und reproduktiven
               Städte in die Lage versetzen,
               wachsende Feindlichkeit und
               Diskriminierung gegenüber
                                                                               Überweisungen und andere
                                                                                                                           ◄               ►
                                                                                                                                                          i•I       Vermehrt über globale Partnerschaften
                                                                                                                                                                                                                          Gesundheit begegnen.

                                                                               migrationsbezogene Finanzströme                                                      Qualifizierungs- und Ausbildungsmodelle
               Migrant(inn)en einzudämmen.                                     fair und ausgewogen zur Förderung                                                    besser auf Angebot und Nachfrage auf
                                                                               lokaler Reaktions-, Erholungs- und                                                   dem globalen Arbeitsmarkt abstimmen
                                                                               Entwicklungsmaßnahmen nutzen.                                                        und dabei Potenzial von digitaler
                                                                                                                                                                    Technologie und Telearbeit maximieren.
 Quelle: IOM lssue Brief on Why Migration Malters for Recovering Better from COVID 19, 2020                                                          18
                                                                                                                           Quelle: IOM

2030 für nachhaltige Entwicklung anerkannt,                                                                                                          Die weltweit 164 Millionen Arbeitsmigrantinnen
ist die Mobilität der Menschen untrennbar mit                                                                                                        und -migranten19 und ihre Familien sind wäh-
der nachhaltigen Entwicklung verbunden.                                                                                                              rend einer Wirtschaftskrise zumeist viel stärker
                                                                                                                                                     von Arbeitsplatz- und Lohnverlusten bedroht
                                                                                                                                                     als die Staatsangehörigen ihres jeweiligen
STEIGENDE ARBEITSLOSIGKEIT                                                                                                                           Aufenthaltslandes. Während der globalen
UND VERLUST DER EXISTENZ-                                                                                                                            Finanzkrise 2008 lag in den 28 Ländern der
GRUNDLAGEN                                                                                                                                           Europäischen Union die Arbeitslosenquote bei
                                                                                                                                                     den im Ausland geborenen Beschäftigten weit
Die durch COVID-19 bedingten Einschränkungen                                                                                                         über der für die Einheimischen.20 Dafür gibt
der Bewegungsfreiheit und der daraus resultie-                                                                                                       es mehrere Gründe – so waren etwa Arbeits-
rende Wirtschaftseinbruch gefährden Arbeits-                                                                                                         plätze in saisonalen Sektoren wie im Bau- oder
plätze, insbesondere in der Schattenwirtschaft,                                                                                                      Dienstleistungssektor am stärksten betroffen,
und entziehen somit vielen Menschen, die                                                                                                             und Eingewanderte werden häufig als letzte
unterwegs sind, ihre Existenzgrundlage.                                                                                                              eingestellt und als erste wieder entlassen.

18 Internationale Organisation für Migration, IOM Issue Brief on Why Migration Matters for Recovering Better from COVID 19, verfügbar
   unter: https://www.iom.int/sites/default/files/documents/issue_brief_why_migration_matters_for_recovering_better.pdf.
19 Internationale Arbeitsorganisation (2018), Global Estimates on International Migrant Workers: Results and Methodology, verfügbar unter:
   https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---dcomm/---publ/documents/publication/wcms_652001.pdf.
20 Weltbank (2020), COVID-19 Crisis Through a Migration Lens.

                                                                                                                                                          KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS 15
AUSWIRKUNGEN VON COVID-19 AUF INFORMELL BESCHÄFTIGTE
                                                                      (STAND: 29. APRIL 2020)

                       In der informellen Wirtschaft Beschäftigte: Wie viele sind erheblich betroffen?

                                 Weltweit               Länder mit niedrigem      Länder mit niedrigerem        Länder mit höherem    Länder mit hohem
                                                        Einkommen                 mittlerem Einkommen           mittlerem Einkommen   Einkommen

                                   Gesamtbeschäftigung
                                   Informelle Beschäftigung in Prozent der Gesamtbeschäftigung
                                   Erheblich betroffene informelle Beschäftigung in Prozent der Gesamtbeschäftigung

                                                                                                           25
                                                                                        Quelle: ILO

  Die sozioökonomischen Auswirkungen der                                                                   ILO-Schätzungen der Rückgang der von informell
  Pandemie werden insbesondere diejenigen                                                                  Beschäftigten geleisteten Arbeitsstunden einem
  Arbeitsmigrantinnen und -migranten und Flücht-                                                           Verlust von mehr als 305 Millionen Vollzeit-
  linge treffen, die zu Niedriglohnbedingungen                                                             Arbeitsplätzen entsprechen.23 In Libyen etwa
  in der Schattenwirtschaft tätig sind und keine                                                           stieg die Arbeitslosigkeit unter Migrantinnen
  menschenwürdige Arbeit und Sozialschutz-                                                                 und Migranten von 7 Prozent im Februar auf
                            21
  leistungen erhalten. Jüngste Untersuchungen                                                              24 Prozent Ende April 2020.24
  der ILO veranschaulichen, wie hoch in vielen
                                                                                                           Zum Verlust des Arbeitsplatzes kommt für
  Ländern mit niedrigem und mittlerem Ein-
                                                                                                           Arbeitsmigrantinnen und -migranten belastend
  kommen der Beschäftigungsanteil von Arbeits-
                                                                                                           hinzu, dass arbeitsrechtliche Schutzbestimmun-
  migrantinnen (fast 75 Prozent) und -migranten
                                                                                                           gen oder Sozialschutzsysteme für sie häufig
  (70 Prozent) in der informellen Wirtschaft ist.22
                                                                                                           nicht gelten und dass mit einer Entlassung das
  Da 30 Prozent der Migrantinnen und Migranten
                                                                                                           Risiko verbunden sein kann, die Aufenthalts-
  jünger als 30 Jahre sind, besteht die Gefahr, dass
                                                                                                           oder Arbeitserlaubnis zu verlieren und dann
  eine bereits jetzt mit hoher Jugendarbeitslosig-
                                                                                                           entweder ohne Papiere im Land bleiben oder
  keit konfrontierte Generation noch weiter zurück-
                                                                                                           ins Herkunftsland zurückkehren zu müssen.26
  fällt. Allein im zweiten Quartal 2020 dürfte nach

  21 Internationale Arbeitsorganisation (2020), Protecting migrant workers during the COVID-19 pandemic, verfügbar unter: https://www.ilo.
     org/wcmsp5/groups/public/---ed_protect/---protrav/---migrant/documents/publication/wcms_743268.pdf.
  22 Amo-Agyei, S. An Analysis of the Migrant Pay Gap, Technical Report, ILO Geneva (2020), erscheint demnächst, verfügbar unter
     https://www.ilo.org/global/topics/labour-migration/. Für 14 der 49 untersuchten Länder lagen Daten zu im informellen Sektor
     beschäftigten Arbeitsmigrantinnen und -migranten vor. In denselben Ländern waren 70 Prozent der im informellen Sektor Beschäftigten
     Staatsangehörige.
  23 Internationale Arbeitsorganisation (2020), COVID-19 and the World of Work: Third edition, verfügbar unter: https://www.ilo.org/global/
     topics/coronavirus/impacts-and-responses/WCMS_743146/lang--en/index.htm.
  24 Im April 2020 durchgeführte Befragung von 1.350 Migrantinnen und Migranten im Rahmen der Displacement Tracking Matrix (DTM) der
     Internationalen Organisation für Migration.
  25 Internationale Arbeitsorganisation (2020), COVID-19 and the World of Work: Third edition.
  26 Internationale Arbeitsorganisation (2020), Protecting migrant workers during the COVID-19 pandemic.

16 KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS
Auch Binnenvertriebene und Flüchtlinge hat                                sich gezwungen, auch dann noch zu arbei-
der Wirtschaftsabschwung hart getroffen. In                               ten, wenn sie krank sind, was Auswirkungen
den ersten fünf Wochen der Ausgangssperren                                auf die Gesamtgesellschaft haben kann.
gingen beim Hohen Flüchtlingskommissariat
der Vereinten Nationen (UNHCR) und seinen
Partnern im gesamten Nahen Osten und in                                   UNVERHÄLTNISMÄSSIG
Nordafrika über 350.000 Ersuchen von Flücht-                              STARK BETROFFEN: FRAUEN,
lingen und Binnenvertriebenen um finanzielle                              KINDER, MENSCHEN MIT
Hilfe zur Deckung ihrer täglichen Grundbedürf-                            BEHINDERUNGEN UND
nisse ein. In Libanon gaben mehr als die Hälfte
                                                                          ÄLTERE MENSCHEN
der vom UNHCR befragten Flüchtlinge an,
ihre ohnehin schon karge Existenzgrundlage
                                                                          Geflüchtete, vertriebene und migrierende Frauen
verloren zu haben. 70 Prozent mussten Mahl-
                                                                          und Mädchen 29 sind einer Reihe spezifischer
zeiten ausfallen lassen. In mehreren Ländern
                                                                          Folgewirkungen der Pandemie besonders stark
hindern die für sie geltenden Einschränkungen
                                                                          ausgesetzt. Ungefähr 42 Prozent aller Arbeits-
der Bewegungsfreiheit Binnenvertriebene
                                                                          migranten weltweit sind Frauen.30 Da sie über-
an existenzsichernden Tätigkeiten sowie am
                                                                          proportional oft im Gesundheitsbereich arbeiten,
Zugang zu Agrarland zur Selbstversorgung.
                                                                          sind sie entsprechenden Gesundheitsrisiken aus-
Wie schon in der Finanzkrise von 2008 litten                              gesetzt. Aufgrund hartnäckig fortbestehender
Länder mit leistungsfähigen Sozialschutz- und                             Rollenklischees tragen diese Frauen zudem
Grundversorgungssystemen am wenigsten                                     die Hauptlast der sowohl bezahlten als auch
unter den negativen Auswirkungen und erholten                             unbezahlten Haus- und Pflegearbeit, wozu die
                                  27
sich auch am schnellsten. Mit Stand vom                                   Quarantänebestimmungen noch verschärfend
22. Mai 2020 hatten 190 Länder aufgrund von                               beitragen. Ebenso hat sich durch die Ausgangs-
COVID-19 Sozialschutzprogramme entweder                                   beschränkungen das Risiko der geschlechts-
in Planung, bereits eingeführt oder angepasst.                            spezifischen Gewalt, insbesondere durch
Bargeldtransfers gehören dabei zu den am                                  Intimpartner, noch zusätzlich erhöht.31 Das
häufigsten ergriffenen Maßnahmen. Arbeits-
                                               28                         Gleiche gilt angesichts der häufig beengten
migrantinnen und -migranten und andere in                                 Wohnverhältnisse und der unsicheren Arbeits-
der Schattenwirtschaft Beschäftigte, darunter                             bedingungen auch für das Risiko sexueller
auch Flüchtlinge, werden jedoch häufig nicht                              Belästigung und Ausbeutung. Migrantinnen
in die Sozialschutzmaßnahmen einbezogen.                                  und Flüchtlingsfrauen sehen sich außerdem
Ohne gesichertes Einkommen sehen sie                                      häufig daran gehindert, sich an die Polizei,

27 Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) (2010), The Global Financial Crisis of 2008-10: A View from the Social Sectors,
   verfügbar unter: https://www.researchgate.net/publication/46468404_The_Global_Financial_Crisis_of_2008-10_A_View_from_the_
   Social_Sectors.
28 http://www.ugogentilini.net/
29 Mehr zu dem Thema im Policy Brief on the Impact of COVID-19 on Women, verfügbar unter:
   https://www.un.org/sites/un2.un.org/files/policy_brief_on_covid_impact_on_women_9_apr_2020_updated.pdf.
30 Internationale Organisation für Migration (2020), World Migration Report 2020, verfügbar unter: https://publications.iom.int/system/
   files/pdf/wmr_2020.pdf#page=232.
31 https://www.un.org/press/en/2020/sgsm20034.doc.htm

                                                                            KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS 17
die Justiz oder Einrichtungen zum Schutz vor                            durch diese Situation nun noch verschlechtert
  geschlechtsspezifischer Gewalt zu wenden,                               wird. Auch schon vor der Pandemie war die
  insbesondere wenn sie sich illegal im Land                              Wahrscheinlichkeit, dass Flüchtlingskinder
  aufhalten und Repressalien, Stigmatisierung,                            keine Schule besuchen, doppelt so hoch wie für
                                                                                             35
  Freiheitsentzug und eine mögliche Ausweisung                            andere Kinder. Da der Zugang zu den Schulen
  fürchten. Deshalb sind verstärkt Schutzmaß-                             eingeschränkt ist, werden Kinder möglicher-
                            32
  nahmen erforderlich. Hinzu kommt, dass                                  weise vermehrt ihre Schullaufbahn abbrechen.
  Schutz- und Betreuungsdienste im Bereich                                Der Lernerfolg wird nachlassen, und einige
  der sexuellen und geschlechtsspezifischen                               Kinder werden angesichts der wirtschaftlichen
  Gewalt nicht überall als systemrelevant ein-                            Belastungen gezwungen sein, arbeiten zu gehen,
  gestuft sind, was den Zugang für Frauen und                             und dürften nach dem Ende der Gesundheits-
  Mädchen in dieser Lage noch mehr erschwert.                             krise noch mehr Schwierigkeiten haben, den
                                                                          Schulbesuch wiederaufzunehmen. Insbesondere
          33
  Kinder machen mehr als die Hälfte aller Flücht-                         Mädchen, die Flucht oder Binnenvertreibung
  linge weltweit und 42 Prozent aller Binnenver-                          erfahren, werden möglicherweise überhaupt
                    34
  triebenen aus. Die Ausgangsbeschränkungen                               nicht mehr zur Schule gehen. Für eine ganze
  wegen COVID-19 und der Wirtschaftsabschwung                             Generation dieser jungen Menschen wird es
  bedeuten für viele Familien einen harten Über-                          dann umso schwieriger sein, einen Arbeits-
  lebenskampf, bei dem das Lernen und die                                 platz zu finden oder ein Geschäft aufzubauen.
  gesunde Ernährung der Kinder in den Hinter-
  grund treten und für viele Kinder ein erhöhtes                          Angesichts der überproportional hohen
  Risiko besteht, ohne Schutz unterwegs zu                                COVID-19-Sterblichkeitsraten bei älteren Men-
                                                                                  36
  sein. Die sozioökonomischen Folgewirkungen                              schen sind ältere Flüchtlinge, Binnenver-
  der Pandemie verstärken auch die Gefahr von                             triebene und Migrantinnen und Migranten den
  Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung, zum Bei-                             gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie
  spiel in Form von Kinderarbeit, Kinderhandel                            besonders stark ausgesetzt. Erschwerend
  zum Zweck der sexuellen Ausbeutung oder                                 dazu kommen noch der beschränkte Zugang
  Kinderheirat, insbesondere für heranwachsende                           zu einer Gesundheitsversorgung und zu
  Mädchen. So verzeichnet etwa das UNHCR                                  verlässlichen Gesundheitsinformationen
  einen Anstieg der Fälle von Kinderarbeit und                            sowie unhygienische Wohnverhältnisse,
  Kindesmissbrauch unter syrischen Flüchtlingen.                          weshalb für diese Bevölkerungsgruppe das
                                                                          Virus ganz besonders gefährlich ist.
  1,5 Milliarden junge Menschen in 188 Ländern,
  also mehr als 90 Prozent aller, die zur Schule                          Menschen mit Behinderungen, einschließlich
  gehen oder studieren, erleben derzeit einen                             der von Flucht und Vertreibung betroffenen
  Bildungsausfall. Kinder und Jugendliche, die                            oder migrierenden, leiden gleichfalls über-
  fliehen, migrieren oder vertrieben werden, haben                        proportional unter den gesundheitlichen
  ohnehin einen prekären Bildungszugang, der                              Auswirkungen der Pandemie, weil sie ver-

  32 Global Protection Cluster (2020), Covid19 Protection Risks & Responses Situation Report No 2, verfügbar unter:
     https://www.globalprotectioncluster.org/2020/04/09/covid19-protection-risks-responses-situation-report-no-2/.
  33 Mehr zu dem Thema im Policy Brief on the Impact of COVID-19 on Children, verfügbar unter: https://www.un.org/sites/un2.un.org/files/
     policy_brief_on_covid_impact_on_children_16_april_2020.pdf.
  34 UNICEF (2020), Lost at Home, verfügbar unter: https://www.unicef.org/media/68826/file/Lost-at-home-risks-and-challenges-for-IDP-
     children-2020.pdf.
  35 UNICEF (2017), Education Uprooted, verfügbar unter: https://www.unicef.org/publications/files/UNICEF_Education_Uprooted.pdf.
  36 Mehr zu dem Thema im Policy Brief on the Impact of COVID-19 on older persons, verfügbar unter:
     https://www.un.org/sites/un2.un.org/files/un_policy_brief_on_covid-19_and_older_persons_1_may_2020.pdf.

18 KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS
mehrt für Sekundär- und Begleiterkrankungen                             Der Rückgang der Heimatüberweisungen bringt
anfällig sind. Die für sie bereits ohnehin                              auch wirtschaftliche Härten und Probleme für
bestehenden Ungleichheiten wie etwa höhere                              die Familien und Heimatgemeinden der Arbeits-
Armutsraten und mangelnder Bildungszugang                               migrantinnen und -migranten mit sich. Das
verstärken diese Auswirkungen noch.                                     macht sich unmittelbar in den Bildungs- und
                                                                        Gesundheitsausgaben der betroffenen Haus-
                                                                        halte in den Herkunftsländern bemerkbar.
RÜCKGANG DER HEIMAT-                                                    Im Durchschnitt fließen 75 Prozent der Über-
ÜBERWEISUNGEN                                                           weisungen in die Deckung der Kosten für grund-
                                                                        legende Bedürfnisse, etwa für Nahrung, Schule,
Die Auswirkungen von Arbeitsplatzverlusten                              medizinische Behandlung und Wohnen.41 Der
und Lohneinbußen auf Arbeitsmigrantinnen und                            Rückgang der Heimatüberweisungen wird für
-migranten sowie auf beschäftigte Flüchtlinge                           viele Entwicklungsländer umso schmerzhafter
werden auch ihre Familien in den Herkunfts-                             sein, als insbesondere die ausländischen Direkt-
ländern schmerzhaft zu spüren bekommen.                                 investitionen 2020 wahrscheinlich noch stärker
                                                                                                                                  42
Nach Schätzungen der Weltbank werden sich                               sinken werden als die Heimatüberweisungen.
die Heimatüberweisungen aufgrund der Pan-
                                                           37
demie um 109 Milliarden US-Dollar verringern.
Heimatüberweisungen machen in 30 Ländern 38                             MENSCHEN UNTERWEGS: IHR
mehr als 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts                           BEITRAG ZUR GESELLSCHAFT
(BIP) aus und stellen weltweit für mehr als 800
Millionen Menschen eine grundlegende Ein-                               Ungeachtet der erheblichen Auswirkungen
                          39
kommensquelle dar. Erste Zahlen aus Zentral-                            von COVID-19 auf Arbeitsmigrantinnen und
amerika zeigen, dass die Heimatüberweisungen                            -migranten und Flüchtlinge wirft die Pandemie
Ende März 2020 um 40 Prozent zurückgegangen                             ein Schlaglicht auf den enormen Beitrag, den
sind. Zu den Verdiensteinbußen der Arbeits-
      40
                                                                        diese Menschen für die Gesellschaft leisten, in
migrantinnen und -migranten kommt hinzu, dass                           der sie leben. Millionen von ihnen kämpfen an
wegen der Ausgangsbeschränkungen und der                                vorderster Front gegen das Virus oder erfüllen
Einstufung von Überweisungsdienstleistern als                           eine wichtige Funktion als systemrelevante
nicht systemrelevante Unternehmen der Zugang                            Arbeitskräfte, insbesondere im Gesundheits-
zu diesen Dienstleistern eingeschränkt ist. Ange-                       wesen, im formellen und informellen Pflege-
sichts sinkender Umsätze bei weiterlaufenden                            sektor sowie in der Nahrungsmittelversorgung.
Betriebsaufwendungen könnten sich viele dieser                          Daten aus über 80 Mitgliedstaaten der Welt-
Dienstleister zur Geschäftsaufgabe gezwungen                            gesundheitsorganisation (WHO) zeigen, dass
sehen. Die daraus resultierende Verringerung                            mehr als ein Viertel der Ärzte und ein Drittel
des Wettbewerbs hätte wiederum negative                                 der Zahnärzte und Apotheker entweder im
Auswirkungen auf die Bemühungen zur Senkung                             Ausland ausgebildet oder im Ausland geboren
                                                                                  43
der Transaktionskosten für Überweisungen.                               wurden. Etwa jede achte in der Kranken-

37 Weltbank (2020) , COVID-19 Crisis Through a Migration Lens.
38 Internationale Organisation für Migration (2020), Migration-Related Socioeconomic Impacts of COVID-19 on Developing Countries, Issue
   Brief, Mai 2020, verfügbar unter: https://www.iom.int/sites/default/files/documents/05112020_lhd_covid_issue_brief_0.pdf.
39 https://www.un.org/development/desa/en/news/population/remittances-matter.html
40 https://voxeu.org/article/perfect-storm-covid-19-emerging-economies
41 https://www.un.org/development/desa/en/news/population/remittances-matter.html
42 Weltbank (2020), COVID-19 Crisis Through a Migration Lens.
43 Die Daten entstammen der NHWA-Datenplattform der Weltgesundheitsorganisation, verfügbar unter: https://apps.who.int/nhwaportal/.

                                                                          KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS 19
pflege beschäftigte Person übt ihre Tätigkeit                                                                                        migrantinnen und -migranten leisten. In der
  in einem anderen Land als ihrem Herkunfts-                                                                                           nordamerikanischen Landwirtschaft, die
             44
  land aus. Arbeitsmigrantinnen und -migran-                                                                                           sehr stark von der Wanderarbeit abhängig
  ten und beschäftigte Flüchtlinge stellen einen                                                                                       ist, hat die Krise zum Beispiel zu einem
  wesentlichen Teil des Gesundheitspersonals,                                                                                          Saisonarbeitermangel geführt. Ähnlich ist die
  das in den entwickelten Ländern COVID-19                                                                                             Situation in Europa, wo Schätzungen zufolge
  bekämpft. Weltweit sind Tausende von ihnen                                                                                           bis zu einer Million Saisonarbeitskräfte in
                                                                                                                                                                                                                    46
  im Rahmen der nationalen Gesundheits-                                                                                                der Landwirtschaft fehlen werden.
  systeme an den Maßnahmen zur Bewältigung
  der Pandemie beteiligt, und in mehreren Län-                                                                                         Die Krise bietet daher einen Anlass, den positi-
  dern werden Gesundheitsfachkräfte aus ihren                                                                                          ven gesellschaftlichen Beitrag dieser Menschen
  Reihen beschleunigt akkreditiert, damit sie zu                                                                                       und die wichtige Rolle der Migration in den Ziel-
  diesen Maßnahmen beitragen können. Obwohl                                                                                            ländern umfassender zu bewerten. Um gestärkt
  Gesundheitsfachkräfte als systemrelevant                                                                                             aus der Krise hervorgehen zu können, müssen
  gelten, befinden sich einige von ihnen immer                                                                                         die Länder weiter darüber nachdenken, wie im
  noch irregulär in ihrem Aufenthaltsland.                                                                                             Ausland erworbene akademische und beruf-
                                                                                                                                       liche Qualifikationen leichter anerkannt und
  Auch in anderen Bereichen, wie etwa in der                                                                                           Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlinge
  Nahrungsversorgung, wird deutlich, welchen                                                                                           in die Systeme der sozialen Sicherung ein-
  wichtigen gesellschaftlichen Beitrag Arbeits-                                                                                        bezogen werden können und wie grundsätzlich

            ANTEIL DER IM AUSLAND AUSGEBILDETEN ÄRZTINNEN UND ÄRZTE
                            IN AUSGEWÄHLTEN LÄNDERN
                  Anteil der im Ausland ausgebildeten* Ärztinnen und Ärzte in ausgewählten Ländern, jeweils jüngste Zahlen (2016-2018)**

                                                                                                                                                                       Nicht gewichteter durchschnittlicher Anteil der
                                                                                                                                                                       im Ausland ausgebildeten
                                                                                                                                                                       Zahnärzte: 38,2 % (36 Länder)
                                                                                                                                                                       Geburtshelfer: 11,8 % (33 Länder)
                                                                                                                                                                       Krankenpfleger: 10,4 % (55 Länder)
                                                                                                                                                                       Apotheker: 35,6 % (32 Länder)

                                                                                                                                                                        Nicht gewichteter durchschnittlicher Anteil der
                                                                                                                                                                        im Ausland ausgebildeten Ärzte: 27 %

                           % im Ausland ausgebildeter Ärztinnen
                                                                       % im Ausland geborener Ärztinnen und Ärzte (N=14)
                           und Ärzte (N=67)

                     Quelle: WHO National Health Workforce Accounts, 2019.
                     * Daten zu im Ausland geborenen Personen stellvertretend für im Ausland ausgebildete Personen verwendet für ARE, ARM, BHR, ECU, ISL, LBY, LKA, MEX, MLI, MOZ, OMN, PAN, PRK und PRT
                     ** Basierend auf einer Vorabanalyse

                                                                                                                                        45
                                                                                                                Quelle: WHO

  44 Weltgesundheitsorganisation (2020), State of the World’s Nursing Report, verfügbar unter: https://www.who.int/publications-detail/
     nursing-report-2020.
  45 Die Daten entstammen der NHWA-Datenplattform der Weltgesundheitsorganisation, verfügbar unter: https://apps.who.int/nhwaportal/.
  46 Internationale Organisation für Migration (2020), Covid-19: Policies and Impact on Seasonal Agricultural Workers, verfügbar unter:
      https://www.iom.int/sites/default/files/documents/seasonal_agricultural_workers_27052020_0.pdf.

20 KURZDOSSIER: COVID-19 UND MENSCHEN UNTERWEGS
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