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www.wirtschaft.thueringen.de Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 Endbericht
Auftragnehmer Ramboll Management Consulting GmbH Jürgen-Töpfer-Straße 48 22763 Hamburg T +49 40 30 20 20-0 www.ramboll.de Ansprechpartner Davis Adedayo Eisape Senior Manager M +4915158015216 davis.eisape@ramboll.com Autorinnen und Autoren Carla Harnischfeger Davis Adedayo Eisape Johanna Washington Auftraggeber Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft Berlin, Hamburg Juli 2021
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 Inhalt 1. Einleitung .................................................................................................................... 3 1.1 Hintergrund und Auftrag ...................................................................................... 3 1.2 Vorgehen ............................................................................................................ 3 2. Die sozioökonomische Entwicklung im Freistaat Thüringen – Zentrale Indikatoren .................................................................................................................. 4 3. Zentrale Handlungsfelder des EFRE ......................................................................... 8 3.1 Politisches Ziel 1 „Ein wettbewerbsfähigeres und intelligenteres Europa“ .......... 8 3.1.1 Forschung, Entwicklung und Innovation, fortschrittliche Technologien .... 8 3.1.2 Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit von KMU..................................... 14 3.2 Politisches Ziel 2 „Ein grünerer, CO2-armer Übergang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft und ein widerstandsfähigeres Europa“ .................... 26 3.2.1 Energieeffizienz, erneuerbare Energien und intelligente Energiesysteme ...................................................................................... 26 3.2.2 Klimawandel, Katastrophenprävention und Katastrophenresilienz ......... 33 3.2.3 Förderung einer nachhaltigen, multimodalen städtischen Mobilität im Rahmen des Überganges zu einer CO2-neutralen Wirtschaft ............................................................................................... 37 3.3 Politisches Ziel 5 „Ein bürgernäheres Europa“ .................................................. 37 3.3.1 Integrierte soziale, wirtschaftliche und ökologische Entwicklung ............ 37 4. Fazit – Schlussfolgerungen für das EFRE-Förderprofil ........................................ 43 1
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 Abbildungen Abbildung 1: Vorgehen ...................................................................................................... 3 Abbildung 2: Veränderung des BIP gegenüber dem Vorjahr in Prozent 2012 bis 2019 .... 4 Abbildung 3: BIP/Kopf in Kaufkraftstandard 2012 bis 2018 ............................................... 5 Abbildung 4: Unternehmen nach Größenklassen 2018 ..................................................... 6 Abbildung 5: Entwicklung der Anzahl der Menschen in Thüringen im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 64 Jahren in den Jahren 2000 bis 2019 .... 7 Abbildung 6: Regional Innovation Scoreboard 2011-2019 ................................................ 8 Abbildung 7: Nettozufluss pro Einwohner aus gemeinsamer Forschungsförderung 2018. ............................................................................................................ 9 Abbildung 8: Hochschulen, Institute und weitere Forschungseinrichtungen in Thüringen................................................................................................ 10 Abbildung 9: Anteil der FuE-Ausgaben am BIP nach Sektoren 2018 .............................. 11 Abbildung 10: Patentanmeldungen je 100.000 Einwohner 2015 bis 2019 ......................... 12 Abbildung 11: Gründungsintensität im High-Tech-Sektor (Zahl der Gründungen je 10.000 Erwerbsfähige also Einwohner/-innen im Alter von 18 bis 65 Jahre) 2011-2018 ....................................................................................... 13 Abbildung 12: Veränderung des Unternehmensbestands zum Vorjahr zwischen 2012 und 2017............................................................................................ 14 Abbildung 13: Bruttoinlandsprodukt (preisbereinigt, verkettet) je Arbeitsstunde der Erwerbstätigen............................................................................................ 15 Abbildung 14: Exportquote im Jahr 2019 ........................................................................... 18 Abbildung 15: Entwicklung der Investitionsquote 2012 bis 2017 ....................................... 18 Abbildung 16: Entwicklung der Gründungsintensität zwischen 2014 und 2019 ................. 20 Abbildung 17: Breitbandverfügbarkeit Ende 2018 (>50 Mbit/s) (Anteil aller Haushalte)..... 21 Abbildung 18: Breitbandverfügbarkeit in Thüringen Ende 2018 (Anteil aller Haushalte) .... 22 Abbildung 19: Rohstoffproduktivität Index (1994 = 100) .................................................... 24 Abbildung 20: Entwicklung der Endenergieproduktivität in privaten Haushalten und Unternehmen 1991-2017 (Index)................................................................ 25 Abbildung 21: Primärenergieverbrauch in Thüringen in Terajoule 1995 bis 2016.............. 27 Abbildung 22: CO2-Emissionen aus dem Endenergieverbrauch 2012 bis 2017................ 28 Abbildung 23: Gesamtbestand kommunaler Gebäude nach Nutzungsart in Deutschland 2011 ....................................................................................... 29 Abbildung 24: Tonnen CO2-Äquivalente je Einwohner*in 1990 bis 2017 ........................... 30 Abbildung 25: Anteil erneuerbarer Energieträger an der Bruttostromerzeugung 2010 bis 2017 ............................................................................................. 31 Abbildung 26: Ökologischer Zustand der Gewässer in Thüringen 2009, 2015 und 2021 .. 36 Abbildung 27: Bevölkerungsentwicklung in Thüringen 1950 bis 2019 ............................... 38 Abbildung 28: Überschuss der Zu- bzw. Fortzüge in Thüringen über die Landesgrenzen 2012 bis 2019 ................................................................... 39 Abbildung 29: Bevölkerungsänderung zwischen 1. Quartal 2014 und 1. Quartal 2020 ..... 40 Abbildung 30: Änderung der Flächennutzung in Thüringen in ha 2015 bis 2019 ............... 41 2
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 1. Einleitung 1.1 Hintergrund und Auftrag Derzeit erarbeitet das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Ge- sellschaft (TMWWDG) das Operationelle Programm des Freistaates Thüringen für den Ein- satz des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) in der Förderperiode 2021 bis 2027. Die Aktualisierung der Daten zur sozioökonomischen Entwicklung und Situation im Freistaat Thüringen (SÖA) sowie die Erarbeitung einer Stärken-Schwächen-Analyse (SWOT) sind essenzielle Bestandteile einer faktenbasierten, schlüssigen Ableitung von Handlungsfeldern. Aus den Erkenntnissen von SÖA und SWOT ergeben sich die diesbe- züglichen EFRE-spezifischen Förderbedarfe, auf welche die Programmstrategie für das EFRE-OP 2021-2027 im Freistaat Thüringen Bezug nehmen muss. Den Rahmen für die Analysen der wichtigsten Förderbedarfe im Einsatzbereich des EFRE geben die politischen und spezifischen Ziele in den Entwürfen der Dachverordnung und der EFRE-Verordnung vor (Stand Februar 2021). Diese wurden im Zuge der bisherigen Pla- nungsarbeiten für die kommende Förderperiode bereits mit voraussichtlichen Handlungsfel- der im Freistaat Thüringen spezifiziert. Der Auftrag besteht darin aus der Darstellung der sozioökonomischen Entwicklung die Be- gründung und Herleitung der geplanten Förderstrategie für das zukünftige EFRE-OP in Thü- ringen herauszuarbeiten. 1.2 Vorgehen Die folgende Abbildung zeigt die Schritte zur Erarbeitung der vorliegenden Analyse in der Übersicht. Abbildung 1: Vorgehen 1 0F Quelle: Eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. 1 EFRE-VB: EFRE-Verwaltungsbehörde, IMAG: Interministeriellen Arbeitsgruppe. 3
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 2. Die sozioökonomische Entwicklung im Freistaat Thüringen – Zentrale Indikatoren Das Bruttoinlandsprodukt (BIP, in jeweiligen Preisen), das die wirtschaftliche Leistungskraft des Bundeslandes beziffert, hat sich in Thüringen in den letzten Jahren erhöht. Im Jahr 2019 belief sich das BIP auf rund 63.865 Mill. Euro. Gegenüber dem Jahr 2012 ist das eine Stei- gerung von fast 24 Prozent. Insgesamt war die Entwicklung in Thüringen damit etwas weni- ger positiv als in den anderen ostdeutschen Flächenländern und in Deutschland insgesamt. Hier lag die Steigerung bei 24,5 Prozent beziehungsweise bei 25,2 Prozent. Die Veränderungsrate des BIP gegenüber dem Vorjahr war in den letzten Jahren stets po- sitiv und in den Jahren 2013 und 2014 sowohl über dem bundesweiten Durchschnitt als auch dem der ostdeutschen Flächenländer (siehe Abbildung 2). 6,0 5,2 5,0 4,6 4,1 4,0 4,0 3,7 3,5 3,5 3,4 3,1 3,1 3,1 3,0 2,9 2,9 2,7 2,7 2,7 2,6 2,6 2,4 2,5 2,2 1,9 2,0 2,0 1,5 1,0 – 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Thüringen Deutschland Ostdeutsche Flächenländer Abbildung 2: Veränderung des BIP gegenüber dem Vorjahr in Prozent 2012 bis 20191 Quelle: Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder" (2020); eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. Im Jahr 2012 lag das BIP je Einwohner in Kaufkraftstandard bei 22.700 Euro. Bis zum Jahr 2019 ist es auf 27.400 Euro angestiegen. Dies entspricht einer Steigerung von rund 21 Pro- zent. Trotz der Steigerung liegt dieser Wert weiterhin deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt (37.000) sowie auch unter dem Durchschnitt der EU-27 (30.200 Euro). Eine 4
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 erkennbare Annäherung an den deutschen oder den EU-27-Durchschnitt zeigt die Entwick- lung der Werte für Thüringen in den vergangenen Jahren nicht. 40.000 € 37.000 € 36.200 € 34.300 € 35.100 € 33.700 € 35.000 € 32.000 € 32.500 € 30.200 € 29.200 € 30.000 € 27.500 € 28.200 € 25.800 € 26.000 € 26.600 € 25.000 € 26.800 € 27.400 € 25.900 € 26.100 € 25.000 € 20.000 € 22.700 € 23.400 € 15.000 € 10.000 € 5.000 € - € 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Thüringen Bundesrepublik EU-27 Abbildung 3: BIP/Kopf in Kaufkraftstandard 2012 bis 2018 2 1F Quelle: Eurostat (2020); eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. Von den im Jahr 2018 80.450 Unternehmen in Thüringen haben 99,6 Prozent weniger als 250 Beschäftigte und gelten entsprechend ihrer Beschäftigtenzahl als kleines oder mittleres Unternehmen (KMU). 3 Dieser Anteil entspricht exakt den Anteilen für Deutschland und die 2F ostdeutschen Flächenländer. Gleichzeitig zeigen die Daten deutlich, dass der Anteil der Großunternehmen in Thüringen (sowie in Deutschland insgesamt) sehr gering ist. Der große Anteil an KMU in Thüringen hat sich seit 2012 (99,7 Prozent) kaum verändert. Erwähnenswert ist insbesondere, dass Kleinstunternehmen – d.h. Unternehmen mit weni- ger als neun Mitarbeitenden – mit knapp 89 Prozent den größten Anteil an Unternehmen in Thüringen ausmachen (siehe folgende Abbildung). Deutschlandweit lag der Anteil von Kleinstunternehmen an der Gesamtzahl der Unternehmen im Jahr 2018 bei ebenfalls rund 89 Prozent. Der Anteil der Kleinstunternehmen an der Gesamtzahl der Unternehmen in Thü- ringen hat sich seit 2012 (90,2 Prozent) leicht reduziert. Gleichzeitig wird im Hinblick auf die aktuelle Unternehmensstruktur deutlich, dass ihnen weiterhin eine große Bedeutung für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Thüringens zukommt. 4 3F 2 Eurostat (2020): Regionales Bruttoinlandsprodukt (KKS je Einwohner), nach NUTS-2-Regionen. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/products-datasets/product?code=tgs00005, letzter Abruf 26.11.2020. 3 Hinweis: Der Einordnung der Unternehmen liegt die KMU-Definition der Europäischen Kommission zu- grunde. 4 Statistisches Bundesamt (2020): GENESIS Online-Datenbank, Unternehmen (Unternehmensregister-Sys- tem): Bundesländer, Jahre, Beschäftigtengrößenklassen. Verfügbar unter: Statistisches Bundesamt Deutsch- land - GENESIS-Online: Tabellen (destatis.de), letzter Abruf 26.11.2020. 5
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 2,1 0,4 8,6 88,9 "0 - 9" "10 - 49" "50 - 249" "250 und mehr" Abbildung 4: Unternehmen nach Größenklassen 2018 Quelle: Statistisches Bundesamt (2020), eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat sich im Zeitraum 2012 bis 2019 positiv entwickelt und lag 2019 insgesamt um rund 34.000 Beschäftigte oder 8,7 Prozent höher als noch 2012. Zum Stichtag 31.12.2019 waren in Thüringen insgesamt 804.169 Per- sonen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 5 Entsprechend ging die Zahl der Arbeitslo- 4F sen im gleichen Zeitraum um 3,2 Prozentpunkte zurück, im Jahr 2019 lag sie bei 5,3 Pro- zent. Die Entwicklung in Thüringen geht mit einer auch bundesweiten positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren einher. Die mit Blick auf die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und den Anteil der Arbeitslosen positiven Entwicklungen, werden allerdings durch negative Entwicklungen anderer zentraler Arbeitsmarktkennzahlen relativiert. So ist die Anzahl der Erwerbstätigen in Thüringen zwischen 2000 und 2018 entgegen dem bundesweiten Trend erkennbar ge- sunken. Während sich bundesweit in diesem Zeitraum eine Zunahme der Erwerbstätigen um 12,2 Prozent zeigt, weist Thüringen einen Rückgang von drei Prozent auf. Neben Thü- ringen ist die Erwerbstätigenzahl im gleichen Zeitraum nur in Mecklenburg-Vorpommern (- 1,4 Prozent) gesunken. 6 Die Entwicklung in Thüringen dürfte, unter anderem, durch den 5F Rückgang der Bevölkerung im Freistaat in den vergangenen Jahren bedingt sein. 5 Statistisches Bundesamt (2020): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt. 6 Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder. Brutto- inlandsprodukt und Bruttowertschöpfung in den Ländern des Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2019. Verfügbar unter: https://www.statistikportal.de/de/etr/ergebnisse/erwerbstaetige#tabellen, letzter Abruf 26.11.2020. 6
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 Zwischen 2012 und 2019 ist die Einwohnerzahl in Thüringen um 1,7 Prozent (entspricht rund 37.000 Personen) zurückgegangen. Bundesweit und auch in der Mehrheit der ostdeut- schen Flächenländer (Ausnahme Sachsen-Anhalt) ist die Bevölkerung im gleichen Zeitraum gewachsen. 7 Die Schwierigkeiten, die sich hieraus für den Arbeitsmarkt und damit auch für 6F die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Freistaates ergeben, werden noch deutlicher beim Blick auf die Altersstruktur der Bevölkerung. 1.800.000,00 1.600.000,00 1.400.000,00 1.200.000,00 1.000.000,00 800.000,00 600.000,00 400.000,00 200.000,00 - 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Anzahl der 20 - 64 Jährigen Abbildung 5: Entwicklung der Anzahl der Menschen in Thüringen im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 64 Jahren in den Jahren 2000 bis 2019 Quelle: Statistisches Bundesamt (2020), eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. Der Anteil der Menschen zwischen 20 und 64 Jahre (typisches Erwerbsalter) lag 2019 bei 57 Prozent. Laut Bevölkerungsvorausberechnung, die auf Daten des Zensus aus dem Jahr 2011 beruht, wird dieser Anteil im Jahr 2050 in Thüringen nur noch bei 50 Prozent liegen. 8 7F Für den Erhalt und Zugewinn von Fachkräften, ein wesentlicher Faktor für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit einer Region, stellt dies eine enorme Heraus- forderung dar. 7 Statistisches Bundesamt 2020: Fortschreibung des Bevölkerungsstandes. Bundesländer, Stichtag, Einwoh- ner. Verfügbar unter: https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?operation=statistic&levelindex=0&le- velid=1604938318125&code=12411#abreadcrumb, letzter Abruf 26.11.2020. 8 Demografieportal Bund-Länder 2020: Altersstruktur der Bevölkerung in Thüringen. Verfügbar unter: https://www.demografie-portal.de/DE/Fakten/bevoelkerung-altersstruktur-thueringen.html, letzter Abruf 26.11.2020. 7
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 3. Zentrale Handlungsfelder des EFRE 3.1 Politisches Ziel 1 „Ein wettbewerbsfähigeres und intelligenteres Europa“ 3.1.1 Forschung, Entwicklung und Innovation, fortschrittliche Technologien Das Regional Innovation Scoreboard 2019 der Europäischen Union zeigt, dass der Freistaat Thüringen zwar seine Innovationskraft in den vergangenen Jahren zwischenzeitlich steigern konnte, im Wettbewerb mit anderen Regionen allerdings zuletzt wieder leicht zurückfällt (- 3,6 Prozent im Vergleich zu 2011). Derzeit wird Thüringen im Regional Innovation Scoreboard in die Kategorie „strong innovator“ eingeordnet. 140 131 130 128 127 130 126 120 117 113 111 109 110 110 105 109 108 107 103 100 105 101 101 102 100 90 80 2011 2013 2015 2017 2019 Thüringen EU-28 Deutschland Ostdeutsche Flächenländer Abbildung 6: Regional Innovation Scoreboard 2011-2019 Quelle: Europäische Kommission (2019), eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. Insbesondere im Vergleich zu Deutschland insgesamt wird deutlich, dass Thüringen weiter- hin Aufholbedarf hinsichtlich seiner Innovationskraft hat. Aus der Abbildung wird zudem deutlich, dass Thüringen seinen Vorsprung gegenüber den anderen ostdeutschen Flächen- ländern in den vergangenen Jahren eingebüßt hat. Während sich die anderen ostdeutschen Flächenländer insgesamt leicht positiv entwickelt haben, verzeichnet Thüringen einen leich- ten Rückgang seiner Innovationskraft. Trotz überdurchschnittlicher Ergebnisse zum Beispiel bei der Zusammenarbeit innovativer Unternehmen oder wissenschaftlichen Publikationen bedarf es weiterer Anstrengungen, um die Erfolge der Vorjahre zu sichern und weiterhin bestehende regionale Defizite abzubauen. Handlungsbedarf besteht dabei entlang des gesamten Innovationsprozesses – von der Grundlagenforschung bis zur Markteinführung innovativer Produkte. 8
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 Wie groß die Standortnachteile und Positionsrückstände Thüringens im Bereich der öffent- lich geförderten Forschung sind, zeigen die Finanzströme der gemeinsamen Förderung von Wissenschaft und Forschung durch Bund und Länder. Laut aktuellem Bericht der Gemein- samen Wissenschaftskonferenz (GWK) beträgt der Nettozufluss aus Mitteln der gemeinsa- men Forschungsfinanzierung nach Thüringen 87 Euro je Einwohner. Thüringen befindet sich damit im bundesweiten Vergleich auf dem drittletzten Platz (Bundesdurchschnitt: 117 Euro/Einwohner). Die nachfolgende Abbildung illustriert, dass der Anteil der Bundesmittel an den Gesamtmitteln in Thüringen geringer ist als in den anderen ostdeutschen Flächen- ländern (mit Ausnahme Mecklenburg-Vorpommerns). Thüringen €87 Brandenburg €108 Mecklenburg-Vorpommern €85 Sachsen €155 Sachsen-Analt €92 Deutschland €117 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 Abbildung 7: Nettozufluss pro Einwohner aus gemeinsamer Forschungsförderung 2018 Quelle: Gemeinsame Wissenschaftskonferenz 2020, eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. Hauptursache der vergleichsweise geringeren Mittelzuflüsse nach Thüringen ist eine nach wie vor bestehende Lücke bei großen Forschungsinfrastrukturen mit einem hohen Finan- zierungsanteil des Bundes, wie z.B. den Helmholtz-Zentren. Derzeit existieren in Thüringen lediglich zwei Helmholtz-Institute. Daneben gibt es in Thüringen zehn staatliche sowie eine private Hochschule. Die folgende Abbildung zeigt auch, dass Thüringen darüber hinaus über eine durchaus beachtliche Anzahl an Forschungseinrichtungen verfügt. 9
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 Abbildung 8: Hochschulen, Institute und weitere Forschungseinrichtungen in Thüringen Quelle: Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft (2019), eigene Darstel- lung Ramboll Management Consulting. Um die geringeren Mittel aus der nationalen Forschungsfinanzierung auszugleichen, ist der Freistaat darauf angewiesen, mit einem deutlich höheren Eigenanteil breite Grundlagenfor- schung zu finanzieren. Die neu etablierte Bundesergänzungszuweisung Forschung schließt die skizzierte Finanzierungslücke nur anteilig. Durch weiterhin bestehende Lücken in der Forschungslandschaft fehlen auf der einen Seite zusätzliche Forschungsimpulse und auf der anderen Seite wichtige regionale Partner für innovative Unternehmen. Auch auf der Seite der Unternehmen existiert erkennbarer Nachholbedarf im Bereich For- schung, Entwicklung und Innovation. Die Innovationstätigkeit Thüringer Unternehmen bleibt noch immer deutlich hinter den Ergebnissen ihrer Konkurrenten aus anderen Regionen zu- rück. Dies wird unter anderem an den vergleichsweisen geringen Ausgaben für Forschung- und Entwicklungstätigkeiten sichtbar. 10
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 Thüringen 1,1% 1,1% Brandenburg 0,6% 1,1% Mecklenburg-Vorpommern 0,6% 1,2% Sachsen 1,2% 1,6% Sachsen-Anhalt 0,4% 1,1% Deutschland 2,1% 1,0% EU-28 1,4% 0,7% 0,0% 1,0% 2,0% 3,0% Unternehmenssektor Staatssektor (inkl. Hochschulen) Abbildung 9: Anteil der FuE-Ausgaben am BIP nach Sektoren 2018 Quelle: Eurostat 2020, eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. Der Anteil der FuE-Ausgaben der Unternehmen am BIP betrug in Thüringen im Jahr 2018 lediglich 1,2 Prozent. Damit liegt der Freistaat erkennbar unter dem deutschen Durchschnitt von 2,2 Prozent. Auch der EU 28-Durchschnitt lag 2018 über dem Wert für Thüringen. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Betrachtung des Personals für Forschung und Entwicklung. Auch hier ist der Anteil im Thüringer Unternehmenssektor deutlich geringer als in Deutsch- land und in der EU 28. Im Jahr 2017 waren in Thüringen lediglich 0,7 Prozent der Beschäf- tigten im Freistaat im Bereich Forschung und Entwicklung in Unternehmen tätig. Für Deutschland lag dieser Wert bei 1,2 Prozent, für die EU 28 bei 1,1 Prozent. 9 Die Werte 8F zeigen deutlich, dass gezielte Anstrengungen erforderlich sind, um die Innovationskraft Thü- ringens in den kommenden Jahren zu stärken und den Standort attraktiver für innovations- freudige Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft zu gestalten. Hauptursache für den Rückstand ist die kleinteilige, KMU-geprägte Unternehmensstruktur der Thüringer Wirtschaft. Kleine und mittlere Unternehmen sind zwar häufig sehr flexibel und können schnell auf sich verändernde Marktbedingungen reagieren. Dem stehen aller- dings strukturbedingte Nachteile, wie z. B. höhere Produktionskosten, geringere Kapazitä- ten zur Umsetzung eigener FuE-Vorhaben oder geringere Marktmacht gegenüber. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Großteil der privaten FuE-Aufwendungen in Deutsch- land (2017: 91,7 Prozent) durch Großunternehmen getätigt wird (arendi Zahlenwerk 2019). Im Jahr 2017 zählten allerdings nur 319 der insgesamt 81.757 Thüringer Unternehmen (0,39 Prozent) zu den Betrieben mit mehr als 250 Beschäftigten. Besonders nachteilig ist dabei 9 Für das FuE-Personal liegen gegenwärtig auf europäischer Ebene noch keine vollständigen Daten für das Jahr 2018 vor. Daher werden die Daten des Jahres 2017 verwendet. 11
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 das weitgehende Fehlen von Großunternehmen, die in Thüringen ihren Sitz bzw. ihre Lei- tungsfunktionen angesiedelt haben oder Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ausfüh- ren. Die strukturelle Schwäche privater FuE-Aktivitäten im Freistaat zeigt sich auch an ei- nem weiteren wichtigen Kennwert: Im bundesdeutschen Durchschnitt bringt der Wirtschafts- sektor als wichtigster Innovationstreiber rund 70 Prozent der gesamten FuE-Ausgaben auf. In Thüringen sind es hingegen nur 50 Prozent (Thüringer Landesamt für Statistik 2020). Die geringeren finanziellen Mittel und der geringere Personaleinsatz Thüringer Unterneh- men für Forschung, Entwicklung und Innovation zeigen sich erwartungsgemäß auch in einer niedrigeren Anzahl von Patentanmeldungen je 100.000 Einwohner im Vergleich zu Deutsch- land insgesamt. 70 57,7 58,8 57,7 60 56,2 56,1 50 40 28,0 30 24,0 25,0 25,5 23,7 20 15,8 14,8 14,5 14,0 14,1 10 0 2015 2016 2017 2018 2019 Thüringen Deutschland Ostdeutsche Flächenländer Abbildung 10: Patentanmeldungen je 100.000 Einwohner 2015 bis 2019 Quelle: Deutsches Patent- und Markenamt (2020), eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. Die Entwicklung der Jahre 2015 bis 2019 zeigt allerdings auch, dass Thüringen im Gegen- satz zu Deutschland insgesamt und im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Flächenlän- dern eine positive Entwicklung aufweist. Diese leicht positive Entwicklung gilt es in den kom- menden Jahren zu verstetigen, um den Rückstand gegenüber Deutschland insgesamt wei- ter zu verringern. Ein weiterer Indikator für die Innovationskraft einer Region ist die Gründungsintensität im High-Tech-Bereich. 10 Sie sind ein wichtiger Treiber für technologischen Fortschritt sowie für 9F 10 Innovative Gründungen gemäß der ZEW-Definition sind Gründungen in der Hightech-Branche, welche sich in die Teilgebiete Forschungsintensive Industrie (Spitzentechnologie, Hochtechnologie) sowie Technologie- 12
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 die Steigerung der Attraktivität und Anziehungskraft eines Standortes für hochqualifiziertes Personal sowie für weitere innovative Unternehmen. Hier zeigt sich ebenfalls, dass Thürin- gen noch hinter dem deutschen Durchschnitt zurückliegt und Unterstützungsbedarf besteht. Abbildung 11: Gründungsintensität im High-Tech-Sektor (Zahl der Gründungen je 10.000 Erwerbsfä- hige also Einwohner/-innen im Alter von 18 bis 65 Jahre) 2011-2018 Quelle: Thüringer Zentrum für Existenzgründungen und Unternehmertum 2020. Die Werte der Abbildung zeigen insgesamt einen Rückgang der Gründungsintensität in Thü- ringen im High-Tech-Bereich seit 2011. Der leichte Anstieg zwischen 2017 (1,04) und 2018 (1,1) ist dagegen positiv zu bewerten. Mit dieser Entwicklung setzt sich Thüringen von der Entwicklung in den anderen ostdeutschen Ländern und in Deutschland insgesamt im posi- tiven Sinne ab. Dennoch liegt Thüringen im Bundesländervergleich weiterhin auf dem dritt- letzten Platz. Nur in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt war die Gründungs- intensität im High-Tech-Bereich im Jahr 2018 noch geringer als in Thüringen. Die zuletzt leicht positive Entwicklung gilt es in den kommenden Jahren zu unterstützen, um den skiz- zierten Rückstand weiter zu verringern. In der Gesamtbetrachtung der dargestellten Entwicklungen zeigt sich, dass in Thüringen ein erkennbarer Bedarf für einen Ausbau der Kapazitäten für Forschung, Entwicklung und In- novation besteht. Dies gilt sowohl für den Wissenschaftsbereich als auch für die Unterneh- men. Insbesondere KMU sind für eine effektive Steigerung ihrer Innovationsfähigkeit darauf angewiesen, mit Akteuren aus der Wissenschaft zu kooperieren und gemeinsame Aktivitä- orientierte Dienstleistungen aufgliedert. Für weitere Informationen siehe: IAB/ZEW Gründungspanel. Techni- scher Anhang zur Befragung 2018. Verfügbar unter: http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/gruendungspanel/Tech- nischerAnhang_IAB_ZEW_2019.pdf, letzter Abruf 26.11.2020. 13
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 ten zu initiieren und umzusetzen. Für die nachhaltige Stärkung des Innovations- und Wirt- schaftsstandortes Thüringen sind zusätzliche Investitionen in die Forschungsinfrastruktur sowie in Kooperations- und Transferangebote zwischen Wissenschaft und Wirtschaft uner- lässlich. 3.1.2 Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit von KMU Analog zu den Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland und in den anderen ost- deutschen Flächenländern, ist die Anzahl der Unternehmen in Thüringen seit 2012 zurück- gegangen: während es im Jahr 2012 noch rund 89.300 Unternehmen in Thüringen gab, lag die Gesamtzahl der Unternehmen im Jahr 2017 bei rund 81.800. Dies ist ein Rückgang von 8,4 Prozent. Im selben Zeitraum ist die Anzahl der Unternehmen jedoch auch auf Bundes- ebene sowie in den ostdeutschen Flächenländern zurückgegangen, und zwar um 5 bezie- hungsweise um 6,3 Prozent. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die Entwicklung des Unternehmensbestandes zwischen 2012 und 2017 und stellt die jeweilige Veränderung zum Vorjahr dar. Es zeigt sich, dass die Veränderung in Thüringen einem ähnlichen Trend folgt wie auf Bundesebene. Deutlich wird jedoch auch, dass die Anzahl der Unternehmen in Thü- ringen im gesamten Zeitraum stärker gesunken ist, als dies bundesweit zu beobachten war. Insbesondere in den Jahren 2016 und 2017 war die Entwicklung in Deutschland insgesamt leicht positiv, während sich der Unternehmensbestand in Thüringen negativ entwickelt hat. 3% 2% 1% 0,4% 0,5% 0,2% 0,2% 0% 0,0% -0,4% -0,6% -0,9% -0,5% -1% -0,6% -1,4% -0,8% -1,1% -1,0% -2% -1,6% -3% -3,4% -4% -4,1% -4,9% -5% 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Thüringen Ostdeutsche Flächenländer Bundesrepublik Abbildung 12: Veränderung des Unternehmensbestands zum Vorjahr zwischen 2012 und 2017 Quelle: Statistisches Bundesamt (2020), eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. Der Thüringer Unternehmensbestand ist überdurchschnittlich stark von kleinen Unterneh- men geprägt. Der Anteil der Kleinst- und Kleinunternehmen lag im Jahr 2018 jeweils erkenn- bar über dem Wert für die westdeutschen Bundesländer und exakt auf dem Niveau der ostdeutschen Flächenländer. Die Entwicklung der Unternehmen nach Beschäftigtenzahl in 14
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 den letzten Jahren zeigt für Thüringen eine leichte Zunahme der kleinen, mittleren und gro- ßen Unternehmen sowie entsprechend einen leichten Rückgang bei den Kleinstunterneh- men (
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 Euro erkennbar höher und auch im Vergleich mit den ostdeutschen Flächenländern steht Thüringen zurück. Hier betrug der durchschnittliche Bruttostundenlohn im Jahr 2019 24,06 Euro. Die Betrachtung der Entwicklung in den vergangenen Jahren weist zwar auf steigende Löhne in Thüringen (2012: 17,25 Euro, bis 2019 +4,93 Euro). Allerdings lag die Steigerung auf einem vergleichbaren Niveau wie bundesweit (2012: 22,91 Euro, bis 2019 +4,84 Euro), sodass keine Annäherung zu verzeichnen ist. In den anderen ostdeutschen Flächenländern fiel die Steigerung zwischen 2012 und 2019 mit 5,46 Euro pro Stunde etwas höher aus als in Thüringen. 12 11F Die Branchenstruktur in Thüringen weist gegenüber der Bundesebene einige Besonderhei- ten auf: Rund 46 Prozent der Unternehmen in Thüringen sind den Branchen Handel, In- standhaltung und Reparatur von KFZ, dem Baugewerbe oder freiberuflichen, wissenschaft- lichen und technischen Dienstleistungen zuzuordnen. Den geringsten Anteil machen Unter- nehmen aus den Branchen Bergbau/ Gewinnung von Steinen und Erden (0,1 Prozent) und Wasserversorgung/ Entsorgung/ Beseitigung von Umweltverschmutzung (0,5 Prozent) so- wie Energieversorgung (ein Prozent) aus. Im Vergleich zur Branchenstruktur auf Bundesebene zeigt sich ein ähnliches Bild. Deutlich wird, dass das Baugewerbe und das Verarbeitende Gewerbe in Thüringen einen größeren Anteil ausmacht als bundesweit, während freiberufliche und wissenschaftliche sowie tech- nische Dienstleistungen einen kleineren Anteil ausmachen. Die Verteilung der Unternehmen nach Branchen in Thüringen (2017) Branche Anteil an Unternehmen in Anteil an Unternehmen in Thüringen 2017 Deutschland 2017 Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz 17,6% 17,6% Baugewerbe 17,5% 12,1% Freiberufliche, wissenschaftliche und technische 11,1% 14,4% Dienstleistungen Verarbeitendes Gewerbe 9,2% 6,4% Gesundheits- und Sozialwesen 7,8% 7,4% Erbringung von sonstigen Dienstleistungen 7,2% 7,0% Gastgewerbe 6,6% 7,5% Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen 6,5% 6,4% 12 Arbeitskreis "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder" im Auftrag der Statistischen Ämter der 16 Bundesländer, des Statistischen Bundesamtes und des Bürgeramtes, Statistik und Wahlen, Frankfurt a. M. (2020): "Arbeitnehmerentgelt, Bruttolöhne und -gehälter in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2019, Reihe 1, Länderergebnisse Band 2". Verfügbar unter: https://www.statistikportal.de/si- tes/default/files/2020-04/vgrdl_r1b2_bs2019.xlsx, letzter Abruf 26.11.2020. 16
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 Verkehr und Lagerei 3,6% 3,6% Grundstücks- und Wohnungswesen 3,4% 4,6% Kunst, Unterhaltung und Erholung 2,3% 3,2% Information und Kommunikation 2,2% 3,5% Erbringung von Finanz- und Versicherungsleistungen 2,0% 2,0% Erziehung und Unterricht 1,6% 2,1% Energieversorgung 1,0% 1,7% Wasserversorgung/ Entsorgung/ Beseitigung von Um- 0,5% 0,4% weltverschmutzungen Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 0,1% 0,1% Tabelle 1: Die Verteilung der Unternehmen nach Branchen in Thüringen (2017) Quelle: Statistisches Bundesamt (2019); eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. Dass der vergleichsweise hohe Anteil der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes im Fall von Thüringen nicht in ausreichendem Maße zu einer intensiven internationalen Ver- flechtung der Wirtschaft führt, zeigt die folgende Abbildung. Zwar hat sich die Exportquote der Wirtschaft im Freistaat in den vergangenen Jahren erkennbar positiv entwickelt. Die konstante jährliche Wachstumsrate seit 2009 ist für Thüringen im Bundesvergleich über- durchschnittlich und liegt bei 5,7 Prozent (Deutschland: 4,5 Prozent; Ostdeutsche Flächen- länder: 5,5 Prozent). Der Abstand Thüringens zur Bundesrepublik ist dennoch weiterhin be- trächtlich (2019: 14,3 Prozentpunkte). Die positive Entwicklung gilt es auch in den kommen- den Jahren aufrecht zu erhalten, indem die Exporttätigkeiten der Thüringer Unternehmen gestärkt werden und der bestehende Rückstand verringert wird. 17
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 50% 40% 38,6% 30% 24,3% 24,7% 20% 10% 0% Thüringen Ostdeutsche Flächenländer Bundesrepublik Abbildung 14: Exportquote im Jahr 2019 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (2020), eigene Darstellung Ramboll Management Con- sulting. Auch im Hinblick auf die Investitionen haben die Thüringer Unternehmen erkennbaren Auf- holbedarf. Die vergleichsweise geringeren Investitionen Thüringer Unternehmen werden an- hand der Investitionsquote deutlich. Die Investitionsquote (Bruttoanlageinvestitionen im Ver- hältnis zum BIP) bemisst den Anteil der Wirtschaftsleistung, der in private und öffentliche Investitionen fließt. 22,2% 22,0% 21,6% 21,8% 20,8% 20,8% 20,5% 20,5% 20,0% 20,0% 20,0% 20,5% 20,0% 20,3% 20,3% 20,0% 20,0% 19,9% 19,1% 19,1% 18,0% 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Thüringen Bundesrepublik Ostdeutsche Flächenländer Abbildung 15: Entwicklung der Investitionsquote 2012 bis 2017 Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2020), eigene Berechnung und Darstellung Ramboll Management Consulting. 18
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 Die Abbildung zeigt, dass die Investitionsquote in Thüringen zwischen 2012 und 2017 kon- tinuierlich unter der in den ostdeutschen Flächenländern liegt. Die Entwicklungen sind weit- gehend parallel verlaufen, für das Jahr 2017 zeigt sich allerdings, dass der Abstand zwi- schen Thüringen und den ostdeutschen Flächenländern im Vergleich zu den Vorjahren grö- ßer geworden ist. So war der Rückgang gegenüber dem Jahr 2016 in Thüringen größer als in den anderen Teilen Ostdeutschlands. Bundesweit zeigt sich insgesamt eine größere Kon- stanz bei der Investitionsquote. Entgegen der Entwicklung in den ostdeutschen Ländern ist die Quote zwischen 2016 und 2017 leicht gestiegen. Die ergänzende Betrachtung der Ent- wicklung der Investitionsintensität (Investitionen in Euro je Beschäftigten) bestätigt dieses Bild, sowohl für Thüringen als auch für die Bundesrepublik. 13 Der zuletzt negativen Entwick- 12F lung in Thüringen hinsichtlich der Investitionen gilt es entgegenzusteuern, da abnehmenden Investitionen den Aufbau des Kapitalstocks in den Unternehmen verlangsamen und somit auch negativen Einfluss auf das Produktivitätswachstum haben. Ein weiterer aussagekräftiger Indikator im Hinblick auf die Wettbewerbs- und Innovationsfä- higkeit einer Wirtschaft sind die Gründungen. Insgesamt geht die Anzahl der Gründungen in Deutschland seit Ende der 1990er Jahre zurück, auch wenn in den jüngsten Erhebungen in einigen Bundesländern ein leichter Anstieg der Anzahl der Gewerbeanmeldungen zu ver- zeichnen war. Relevant für die Betrachtung der Unternehmensgründungen ist insbesondere die Grün- dungsintensität. Um verschiedene Regionen in Bezug auf das Gründungsgeschehen zu ver- gleichen, wird die Gründungsintensität im Folgenden als „Anzahl der Existenzgründungen pro 10.000 Einwohner im erwerbsfähigen Alter (18 bis unter 65 Jahren)“ dargestellt. 13 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (2019): Investitionsquote und -intensität im Bundesvergleich. Verfügbar unter: https://www.statistik-bw.de/Industrie/Struktur/VG-IQ-II.jsp, letzter Abruf 23.11.2020. 19
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 0% -2% -4% -3,2% -6% -6,9% -8% -10% -10,0% -11,1% -12% -11,6% -12,7% -14% Abbildung 16: Entwicklung der Gründungsintensität zwischen 2014 und 2019 Quelle: Thüringer Zentrum für Existenzgründungen und Unternehmertum (2020), eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. Insgesamt zeigt die Entwicklung der Gründungsintensität einen deutlichen Rückgang zwi- schen 2014 und 2019. In Thüringen belief sich dieser auf 11,6 Prozent, deutschlandweit lag er dagegen bei knapp 7 Prozent. Auch im Vergleich mit den anderen ostdeutschen Flächen- ländern wird deutlich, dass der Rückgang in Thüringen sehr hoch war. Lediglich in Sachsen- Anhalt hat die Gründungsintensität noch etwas stärker abgenommen. Um Innovationen zu entwickeln, neue Arbeitsplätze zu schaffen sowie unternehmerischen Wettbewerb und Strukturwandel zu befördern, sind Gründungen ein wichtiger Treiber. Aus diesem Grund ist die Erhöhung der Gründungen ein wichtiges Anliegen, um die Wettbewerbsfähigkeit einer Region insgesamt zu erhöhen. Der digitale Wandel ist in vollem Gang. Digitale Technologien verändern die Arbeits- und Geschäftsprozesse zunehmend rapide – mit massiven Folgen für die technologischen und wirtschaftlichen Prozesse generell und die Wettbewerbssituation der Unternehmen im Spe- ziellen. Um den digitalen Wandel erfolgreich (mit) zu gestalten, ist es unabdingbar, dass Unterneh- men sich den Veränderungen stellen und die Bereitschaft zeigen, ihre Arbeitsweise und Produktionsprozesse zu verändern, um dauerhaft zukunfts- und wettbewerbsfähig zu blei- ben. Hier zeigt sich, dass häufig insbesondere KMU im Vergleich zu Großunternehmen noch Nachholbedarf haben (BMVI 2019). Dies gilt erwartungsgemäß nicht nur für KMU in Thürin- gen, sondern für KMU im Allgemeinen. 20
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 Ausschlaggebend hierfür ist, dass das Bewusstsein bei den KMU über die Notwendigkeit entsprechender Veränderungen nicht immer ausreichend vorhanden ist. Der Digitalisie- rungsindex Mittelstand spiegelt die von mittelständischen Unternehmen erkannte Relevanz der Digitalisierung und deren Umsetzungsgrad wider. 14 In 40 Prozent der mittelständischen 13F Unternehmen Thüringens gehört die digitale Transformation zur Gesamtstrategie, damit liegt das Land verglichen mit dem Bundesdurchschnitt um fünf Prozentpunkte zurück. Wei- tere 35 Prozent der Betriebe arbeiten zumindest an einzelnen digitalen Projekten. 25 Pro- zent schenken dem Thema Digitalisierung noch wenig Beachtung: Sie befinden sich entwe- der in der Planungsphase oder haben sich noch gar nicht damit beschäftigt. Die Folge: Mit 53 von 100 möglichen Punkten liegt Thüringen zwei Punkte unter dem gesamtwirtschaftli- chen Durchschnitt aller Länder (Techconsult 2019). Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Beteiligung am digitalen Wandel ist die Verfüg- barkeit von schnellem und sicherem Internet. Um die entsprechenden Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen digitalen Wandel zu schaffen, ist insbesondere auch die politische Unterstützung relevant. Die Bundesregierung hat sich daher das Ziel gesetzt, bis 2025 ein möglichst flächendeckendes Gigabitnetz aufzubauen (BMWI 2019). 100 96,0 97,0 97,2 92,8 91,3 88,7 89,7 88,8 90 87,4 87,4 85,8 82,5 83,8 80 78,1 72,6 68,4 70 60 50 40 30 20 10 0 Abbildung 17: Breitbandverfügbarkeit Ende 2018 (>50 Mbit/s) (Anteil aller Haushalte) Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2019), eigene Darstellung Ramboll Manage- ment Consulting. 14 Der Digitalisierungsindex wurde für das Jahr 2018 zum dritten Mal erstellt, allerdings erstmalig zusätzlich mit einer regionalen Auswertung. Entsprechend ist eine Darstellung der Entwicklung in Thüringen nicht mög- lich. 21
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 Die Verfügbarkeit von Hochleistungsnetzen in Thüringen insgesamt hat sich in den vergan- genen Jahren konstant verbessert. Im Jahr 2014 lag die Verfügbarkeit von Hochleistungs- netzen ab >50 Mbit/s in Thüringen noch bei 40,8 Prozent aller Haushalte (BMVI 2014). Im Zeitraum von 2014 bis 2018 hat sich diese in Thüringen um knapp 105 Prozent (von 40,8 Prozent auf 83,8 Prozent) verbessert (siehe Abbildung 17). Im selben Zeitraum hat sich die Breitbandverfügbarkeit ab >50 Mbit/s bundesweit um knapp 31 Prozent (von 66,4 Prozent auf 86,7 Prozent) verbessert (BMVI 2019). Thüringen konnte seinen Rückstand somit dies- bezüglich erkennbar verringern. Ende 2018 hingegen lag die Breitbandverfügbarkeit (>200 Mbit/s) in Thüringen bei rund 48 Prozent aller Haushalte (siehe Abbildung 18). Im bundesweiten Vergleich der Bundesländer steht Thüringen mit dieser Abdeckung an drittletzter Stelle. Die Breitbandverfügbarkeit in Thüringen liegt sowohl deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt (66,5 Prozent) als auch unter dem Durchschnitt der ostdeutschen Flächenländer (54,8 Prozent). 99,8 99,8 99,3 100 89,9 90 86,8 83,8 80 70 60 50 48,0 40 34,2 30 20 14,1 10 0 ≥ 1 Mbit/s ≥ 2 Mbit/s ≥ 6 Mbit/s ≥ 16 Mbit/s ≥ 30 Mbit/s ≥ 50 Mbit/s ≥ 200 Mbit/s ≥ 400 Mbit/s ≥ 1000 Mbit/s Abbildung 18: Breitbandverfügbarkeit in Thüringen Ende 2018 (Anteil aller Haushalte) Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2019), eigene Darstellung Ramboll Manage- ment Consulting. Gleichzeitig kann Technologie allein die digitale Transformation von Unternehmen nicht vo- rantreiben. Unternehmen brauchen Mitarbeiter/innen, die mit digitalen Technologien umge- hen können und dem Wandel positiv gegenüberstehen. 52 Prozent der Befragten in Thürin- gen sehen diese digitale Kompetenz als ebenso entscheidend für die Zukunft an wie die 22
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 technischen oder sozialen Kompetenzen ihrer Mitarbeiter. 44 Prozent glauben, dass sie ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das eigene Unternehmen ist (Bundesdurchschnitt: 46 Pro- zent) (ebd.). 34 Prozent der Thüringer Unternehmen glauben, dass die eigene Belegschaft optimal auf die Herausforderungen der digitalen Transformation vorbereitet ist (Bundes- durchschnitt: 35 Prozent). Und nur 22 Prozent der Befragten glauben, dass es genügend Digitalisierungsexperten auf dem externen Markt gibt. Dennoch geben lediglich 34 Prozent der Unternehmen an, dass sie die digitale Kompetenz ihrer Mitarbeiter gezielt fördern. Zum Vergleich, im Bundesdurchschnitt sind es bereits 43 Prozent der Befragten (ebd.). Im Ergebnis der dargestellten Entwicklungen zeigt sich, dass in Thüringen trotz bereits po- sitiver Entwicklungen ein erkennbarer Bedarf für den weiteren Ausbau von schnellem und sicherem Internet besteht, der jedoch nicht im Rahmen des OP EFRE gefördert werden darf. Gleichzeitig muss im Sinne einer digitalen Transformation in Unternehmen neben dem Infrastrukturellen, Technischen und Prozessualen auch die Belegschaft stärker gefördert und vorbereitet werden. Insbesondere KMU sind für die Steigerung ihrer Innovationsfähig- keit und den Erhalt ihrer Wettbewerbsfähig darauf angewiesen, ganzheitlich und aktiv am digitalen Wandel zu partizipieren. Für das Gelingen sind Investitionsmaßnahmen in neue smarte Technologien unerlässlich. Ein weiterer Ansatzpunkt, um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu erhöhen, ist die Steigerung der Ressourceneffizienz, z. B. durch die Umstellung der Produktionsabläufe auf ressourcenschonende und –effiziente Verfahren. Sie ermöglicht einerseits eine Redu- zierung der Kosten und trägt zum anderen dazu bei, die Abhängigkeit von knapper werden- den Ressourcen zu verringern. Primär reduziert es den Druck auf die natürlichen Ressour- cen und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Schonung dieser Ressourcen und ist damit Voraussetzung, um das EU-Ziel der Klimaneutralität 2050 zu erreichen und die biologische Vielfalt zu erhalten. Die Ressourceneffizienz lässt sich dabei durch die zwei Indices Roh- stoffproduktivität und Endenergieproduktivität ausdrücken. Die Rohstoffproduktivität drückt aus, wie effizient abiotische Primärmaterialien in Thüringen eingesetzt werden, um das entsprechende BIP im gleichen Zeitraum zu erwirtschaften. Im Zeitraum von 2000 bis 2018 hat die Rohstoffproduktivität rund 71 Prozent zugenommen. Die BIP (preisbereinigt) ist im selben Zeitraum um 25 Prozent gestiegen, während der Roh- stoffverbrauch um 26,7 Prozent sank 15. Bis zum Jahr 2020 soll die Rohstoffproduktivität um 14F 225 Prozent bezogen auf den Wert von 1994 gesteigert werden 16. Das entspricht einer Stei- 15F gerung von 60 Prozent bezogen auf den Wert von 2010. 15 Quelle: 3. Indikatorenbericht (2020): Nachhaltige Entwicklung in Thüringen, Verfügbar unter: https://um- welt.thueringen.de/fileadmin/Publikationen/Publikationen_TMUEN/Indikatorenbe- richt_TMUEN_2020_01.pdf, letzter Abruf 07.04.2021. 16 Quelle: Nachhaltigkeitsplan des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2018 – 2020 (2018), Verfügbar unter: https://www.thueringen.de/mam/th8/tmlfun/nachhaltigkeit/plan/nachhaltigkeits- plan_18_04_09_tmuen.pdf, letzter Abruf 05.04.2021. 23
Sozioökonomische Entwicklung und Stärken-Schwächen-Analyse im Freistaat Thüringen in Vorbereitung des Operationellen Programms des EFRE 2021-2027 300,00 271,50 251,40 250,00 227,10 208,50 242,00 199,60 203,60 221,10 223,90 200,00 189,20 186,60 174,20 199,80 153,40 173,70 167,90 164,60 150,00 131,00 149,90 100,00 50,00 0,00 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Index der Rohstoffproduktivität Abbildung 19: Rohstoffproduktivität Index (1994 = 100) Quelle: 3. Indikatorenbericht Nachhaltigkeit in Thüringen (2020), eigene Darstellung Ramboll Management Consulting. Die Entwicklung der Endenergieproduktivität in Thüringen zeigt, dass die Unternehmen in den vergangenen Jahren bereits erkennbare Fortschritte erzielt haben. 17 16F Die guten Fortschritte in Thüringen werden insbesondere auch aus dem Vergleich mit der Entwicklung dieses Indikators in Deutschland insgesamt sowie in den anderen ostdeut- schen Flächenländern deutlich. Demnach ist in Thüringen die Endenergieproduktivität zwi- schen 1991 bis 2017 deutlich stärker gestiegen als in Deutschland insgesamt und in den anderen ostdeutschen Flächenländern. Bei der Betrachtung der Entwicklung ist zu beach- ten, dass die Steigerung der Produktivität primär auf die Steigerung der Wirtschaftsleistung und weniger auf die absolute Reduzierung des Endenergieverbrauchs zurückzuführen ist (vgl. Kapitel 3.2.1). Die gesteigerte Endenergieproduktivität zeigt somit primär, dass die ver- brauchte Energie zunehmend effizienter eingesetzt wurde. Weitere Potenziale bestehen demnach aber insbesondere auch darin, den Endenergieverbrauch zu reduzieren. In Anbe- tracht der enormen Bedeutung, sowohl ökonomisch als auch ökologisch, ist eine weitere Erhöhung der Energieproduktivität trotz der bereits sehr positiven Entwicklung ausgespro- chen zielführend. Der nachhaltige und effiziente Umgang mit natürlichen Ressourcen stellt somit einen Bedarf dar, der in besonderer Weise zukunftsorientiert ausgerichtet ist. Hier gilt es, die bereits positiven Entwicklungen in den Thüringer Unternehmen durch eine noch ge- zieltere Anwendung ressourcenschonender Technologien und Produktionsverfahren zu un- terstützen. 17 Die Endenergieproduktivität bemisst das Verhältnis zwischen Wirtschaftsleistung (BIP) und Endenergiever- brauch in Unternehmen und privaten Haushalten. Der Großteil des Endenergieverbrauchs entfällt auf Unter- nehmen, sodass die Entwicklung dieses Indikators insgesamt als Hinweis auf die Entwicklung der Energie- produktivität in den Unternehmen genutzt werden kann. 24
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