Aus aktuellem Anlass - imabe
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Aus aktuellem Anlass Enrique H. Prat 15 ethische Fragen zur Corona-Krise 15 Ethical Questions About the Corona-Crisis Die mit COVID-19 bezeichnete Krankheit ist te Krise ausgelöst. Die Maßnahmen, die getroffen erstmals im Dezember 2019 in der zentralchine- wurden, um die Gesundheit zu schützen („Men- sischen Millionenstadt Wuhan aufgetreten.1 Sie schenleben retten“), hatten schwerwiegende Fol- entwickelte sich im Jänner 2020 in China zur Epi- gen auf verschiedenen anderen Ebenen. Ethische demie. Aufgrund der enormen Dynamik der welt- Fragen tun sich auf, die nach Klärung verlangen. weiten Ausbreitung erklärte WHO-Direktor Tedros Eine ausführliche Wiedergabe der Debatten, Adhanom Ghebreyesus den COVID-19-Ausbruch die noch im Gange sind und die uns wohl noch weit am 11. März 2020 offiziell zur Pandemie.2 Weltweit über das Ende der Pandemie hinaus begleiten wer- gibt es mittlerweile weit mehr als vier Millionen den, sowie das Angebot von konkreten Lösungen Infizierte und mehr als 500.000 Todesfälle (Stand: sollen Thema einer künftigen Schwerpunktausgabe 16. Mai 2020), die auf das Konto des neuen Corona- von IMAGO HOMINIS sein. virus gehen. Dass die Dunkelziffer noch wesentlich Ethik ist eine praktische Querwissenschaft. höher ist, gilt als wahrscheinlich. Sie fragt systematisch danach, was gutes Handeln Der Ausbruch wurde durch das bis dahin un- ausmacht und bietet damit das Grundgerüst, die bekannte Coronavirus SARS-CoV-2 (Krankheits- relevantesten ethischen Fragestellungen aus den erreger) ausgelöst. In den ersten Wochen des Jah- verschiedenen Perspektiven wie etwa der Epidemi- res 2020 zeigte sich, dass SARS-CoV-2 leichter als ologie, Gesundheitspolitik, Soziologie, Geopolitik, die bis jetzt schon bekannten SARS-Viren übertra- aber auch aus rechtsstaatlicher und wirtschaftspo- gen wird. Die Inkubationszeit (Zeit von der Anste- litischer Perspektive zu identifizieren: ckung bis zum Ausbruch der Erkrankung), liegt im Im Folgenden sollen in einem ersten Schritt Mittel (Median) bei 5 – 6 Tagen (Spannweite ein bis Fragezeichen im Lichte der ethischen Prinzipien 14 Tage). Damit ist sie ca. dreimal so lange wie beim rund um das Phänomen der Corona-Pandemie he- bekannten Influenzavirus. Der Ansteckungszeit- rausgefiltert werden. raum ist daher entsprechend länger und insofern Schon kurze Zeit nach dem Shutdown war of- heimtückischer, als die bereits infizierte Person fensichtlich, dass die Prinzipien der Bioethik wich- selbst über lange Zeit keine ausgeprägten Sym- tig sind, aber bei weitem nicht alleine genügen. Zur ptome zeigt, vielleicht auch nicht selbst erkrankt, Bioethik (Medizin-, Pflege- und Forschungsethik sehr wohl aber in dieser Zeit für andere ansteckend im Bereich der Life Sciences) zählen die Achtung ist. Die Basisreproduktionszahl (durchschnittliche der Menschenwürde (das Autonomieprinzip ein- Anzahl der Ansteckungen pro infizierter Person) geschlossen), die Prinzipien des Nicht-Schadens, liegt aufgrund der bisherigen Erkenntnisse bei des Wohlwollens und die Gerechtigkeit. rund 3 Personen pro Patient, während es bei der Die weitreichenden Folgen – ausgelöst durch normalen Grippe (Influenza) rund 1,3 sind.3 die Reaktionen und Maßnahmen auf die Coro- Die Coronavirus-Pandemie und die Maßnah- na-Pandemie – werfen Fragen auf, die über die Bio- men zur Bewältigung der „größten Gesundheits- ethik hinausgehen. Die Sozialethik (Ethik der Insti- krise unsere Zeit“ (Ghebreyesus) hat eine weltwei- tutionen und die politische Ethik) spielt hier eine 82 Imago Hominis · Band 27 · Heft 2
Aus aktuellem Anlass entscheidenden Rolle, analysiert anhand der Prin- rische Erhebungen und internationalen Austausch zipien der Personalität (Respekt der Menschenwür- zu überprüfen, und hinsichtlich ihrer Kosten und de), Gemeinwohl, Solidarität, Subsidiarität und Nutzen rasch zu bewerten und nachzujustieren. der Gerechtigkeit. Trotz weltweit hunderter Forschungsgruppen Der deutsche Virologe Christian Drosten hat und staatlicher Forschungsfinanzierung werden angeregt, die Corona-Pandemie als Modell zu Impfungen wohl kaum vor Herbst 2021 zur Verfü- nehmen, um Nationalstaaten besser auf zukünf- gung stehen - möglicherweise auch keine ausrei- tige Pandemien vorzubereiten. Diese kämen be- chend erprobten wirksamen Medikamente. Ange- stimmt.4 Unmittelbar im Anschluss an COVID-19 sichts dieses Szenarios wird eine zweite – vielleicht sollte man daher eine Strategie erarbeiten, um auch dritte und vierte – Ansteckungswelle, be- zukünftige Pandemien besser und rascher bewälti- fürchtet.8 Der Druck wächst daher, behördliche gen zu können.5 Dafür ist es wichtig, die ethischen Verfahren im Eilzugstempo durchzuführen, die Problemfelder, die sich bei dieser Pandemie gezeigt Versuchung, sonst verpflichtende Stufen bis zur haben, im Blick zu haben. klinischen Erprobung eines Medikaments oder Impfstoffes zu überspringen, ist groß. 1. Ethische Fragezeichen aus epidemiolo- Pandemien wie diese zeigen die Grenzen der gischer Perspektive6 Medizin und der Forschung auf. Sie kann nicht auf Knopfdruck Erfahrungen und sicheres Wissen her- 1.1 Corona-Forschung und mangelnde Evidenz: vorzaubern.9 Zur Bekämpfung der Seuche ist noch Wie kommen wir zu sicherem Wissen? viel mehr Gewissheit, d. h. sicheres Wissen, not- Es gibt grundsätzlich zwei Wege, um eine Vi- wendig. Die Politik allerdings kann nicht so lange rus-Pandemie zu stoppen: antivirale Medikamente warten, sie braucht dringend wissenschaftliche Er- und Impfstoffe. Medikamente mildern die Schwere kenntnisse, um mit effektiven Maßnahmen auf die der Infektion oder heilen sie, Impfstoffe verhin- Corona-Pandemie reagieren zu können. dern sie (Prävention). Solange weder das eine noch Normalerweise unterliegt das wissenschaft- das andere verfügbar ist, bleibt nur die Möglichkeit liche Arbeiten strengen Regeln und Kontroll- ,Infektionsketten zu unterbrechen durch die Re- schleifen. Bis die Ergebnisse überprüft und veröf- duktion der sozialen Kontakte (Social Distancing fentlicht sind, dauert es meist viele Monate. Jetzt durch Ausgangsbeschränkungen oder -sperre, Di- laden Wissenschaftler ihre Studien derzeit ver- stanz von ca. 1 Meter zwischen zwei Personen u. ä., mehrt auf sogenannten Preprint-Servern hoch. In Shutdown) sowie das Einhalten von Hygiene-Vor- der Forschung sind Preprint-Server ein gängiges schriften (Hände waschen, Nasen-Mundschutz). Medium, um vorläufige Ergebnisse mit anderen Einige Studien haben gezeigt, dass die Social Wissenschaftlern zu diskutieren, ohne vorheriges Distancing-Maßnahmen, die von den meisten Län- langwieriges Peer-Review-Verfahren. Ob sie aber dern der Welt zur Eindämmung der Ausbreitung als akute Entscheidungshilfe für Politiker relevant getroffen wurden, wirksam sind.7 Allerdings ba- sind und wie hoch ihre Aussagekraft tatsächlich sieren diese Maßnahmen teilweise auf Annahmen ist, steht auf einem anderen Blatt. Hier spielt auch ohne ausreichende Wissensbasis, denn viele wis- die Wissenschaftskommunikation und Verbrei- senschaftliche Fragen zu den Risiken von COVID-19 tung von sog. „wissenschaftlichen“ Studien ohne sind angesichts der unzureichenden und zum Teil entsprechenden Kontext eine Rolle.10 widersprüchlichen Datenlage noch ungeklärt. Da- Mag sein, dass Autoren aus guter Absicht han- her sind in allen Ländern die Krisenmanager der deln, ihren Beitrag zur Krise leisten zu wollen. Pandemie bemüht, die Maßnahmen durch empi- So mancher Forscher wird aber wohl auch eine Imago Hominis · Band 27 · Heft 2 83
Aus aktuellem Anlass günstige Gelegenheit erblickt haben, rasch kleine Krankheit und Medikamente zu ihrer Heilung Studien vorzulegen, die wegen der enormen Ak- verfügbar werden.12 tualität des Themas leicht von den Top-Journalen 4. Risikogruppen zu schützen. angenommen wurden. Ungeprüfte Preprint-Stu- Abgesehen davon, dass viele Länder es ver- dien sind im Allgemeinen wenig aussagekräftig. säumt haben, rechtzeitig auf die Gefahr der Pan- Sie stützen sich auf wenige Fälle, genügen nicht demie zu reagieren, wurden in den verschiedenen den wissenschaftlichen Standards, weshalb die Ländern unterschiedliche Strategien gewählt: Interpretation der Ergebnisse nicht über Spekula- Österreich, Deutschland, Tschechien und Ungarn tionen hinausgehen kann.11 Eine Flut von Studien gingen anders vor als zum Beispiel Südkorea, schlechter Qualität, in denen so mancher Autor Schweden, die Niederlande, Großbritannien oder die Chance wittert, ohne strenge Prüfung in einem die USA. Eine entscheidende Rolle hatten dabei Ex- Top-Journal veröffentlichen zu können, führt zu perten in ihrer Rolle als Regierungsberater. Auch Verzerrungen und kann auch Forschungsstandards sie – in erster Linie Epidemiologen und Virolo- insgesamt und längerfristig negativ beeinflussen. gen – konnten auf kein sicheres Wissen bauen, da es noch keine Erfahrung mit COVID-19 gab. Ihre 1. Corona und Ethik der Forschung Empfehlungen sind daher eher mit unsicherem als Ist es ethisch rechtfertigbar, dass Journals evidenzbasiertem Wissen behaftet. Ethisch stellt bei Pandemien von den bewährten Überprü- sich die Frage, worauf sich politische Entschei- fungsregeln der wissenschaftlichen Artikel dungen im Zusammenhang mit der Pandemie (peer review) abgehen? Wie kann die Einhal- stützen. In den Beraterstäben der Politiker fehlte tung wissenschaftlicher Standards in einer es nicht an Mathematikern und Statistikern. Sie Forschung, die unter hohem Druck steht, wandten mathematische Modelle an, die auf der von der Scientific Community besser über- Entscheidungstheorie basieren. Gerade bei Unsi- wacht werden? cherheiten und Gewissheiten ist nicht nur die Ma- thematik, sondern auch die Tugend der Klugheit, deren Hauptbestandteil eine gute Beratung ist, ge- 2. Ethische Fragezeichen aus gesundheitspoli- fragt. Ein wichtiger Faktor dabei ist auch der Erfah- tischer Perspektive rungsaustausch mit anderen Ländern. 2.1 Die politische Strategie gegen die Pandemie 2. Corona und politische Ethik Das vorrangige gesundheitspolitische Ziel bei Welche Regeln der Klugheit müssen Politiker der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie besteht bei gesundheitspolitischen Entscheidungen darin, so viel Infizierte wie möglich zu heilen und zur Bewältigung der Pandemie bei unzurei- so viele Todesfälle wie möglich zu verhindern. Es chender Gewissheit und wissenschaftlichen geht dabei um ein vierfaches Ziel: Unsicherheiten befolgen? 1. Die Zahl der gleichzeitig Infizierten darf das Gesundheitssystem nicht überlasten. 2. So bald wie möglich die Herdenimmunität 2.2 Der Shutdown im Lande zu erreichen. Dazu rechnet man, dass ca. 70% der Bürger erkrankt und bereits 2.2.1 „Das Gesundheitssystem soll nicht über- geheilt sind. lastet werden“ 3. Alles Mögliche zu tun, damit möglichst rasch Die Ausbreitung der Krankheit soll unter ein wirksamer Impfstoff zur Prävention der Kontrolle gehalten werden. Ziel ist es, dass genü- 84 Imago Hominis · Band 27 · Heft 2
Aus aktuellem Anlass gend Ressourcen vorhanden sind, damit die CO- tischen ökonomischen Entwicklung und hohen Ar- VID-19-Neuerkrankten versorgt werden und die beitslosigkeit wird sich die Gesundheitspolitik vor Gesamtzahl der Infizierten die Ressourcen des Ge- der Wirtschafts- und Bildungspolitik wohl beugen, sundheitssystems – d. h. Spitalsbetten, vor allem selbst wenn das Risiko einer zweiten, noch stärkeren Intensivstationsbetten, Ärzte und Pflegepersonal, Infektionswelle besteht. Die Abwägung der ver- Beatmungsmaschinen, Medikamente, Schutzbe- schiedenen Güter (Gesundheit, Wirtschaft, Bildung) kleidung usw. – zu keinem Zeitpunkt überstei- ist eine sozial-ethische Frage, die nicht mit einem gen. Österreich verfügt über 28,9 Intensivbetten je Algorithmus exakt zu lösen ist. Im Nachhinein wird 100.000 Einwohner.13 In Deutschland ist diese Zahl man dies besser beurteilen können. mit 33,9 je 100.000 noch höher. Deutlich geringer sind die Kapazitäten in den von der Corona-Pande- 3. Corona und Bioethik mie besonders stark betroffenen Staaten Spanien Angesichts der mangelnden Erfahrung mit mit 9,7 und Italien mit 8,6 Intensivstationsbetten SARS-CoV-2 und somit des ungenügenden je 100.000 Einwohner. virologischen und epidemiologischen Wis- In mehreren europäischen Ländern hat der sens stellt sich die Frage: Inwieweit waren die Shutdown tatsächlich zur Abflachung der Infekti- Shutdown-Maßnahmen aus wirtschaftlicher onskurve (flatten the curve) geführt, die ohne diese und sozialpolitischer Sicht notwendig? Hät- Maßnahmen möglicherweise exponentiell verlau- ten auch alternative Strategien – etwa der fen wäre.14 Damit wurde in diesen Ländern wie etwa spezifische Schutz der Risikogruppe – zum Deutschland, Schweiz und in Österreich, die Aus- Ziel geführt? breitungszeit von COVID-19 zwar verlängert (ver- mutlich wird sie bis zur Verfügbarkeit eines Impf- stoffs dauern), die Zahl der jeweils Infizierten blieb 2.3 Der Shutdown und die allgemeine Gesund- aber unterhalb der Überlastungsgrenze. Nicht so in heitsversorgung: ein ethisches Dilemma Italien und Spanien, in denen Mitte März bis Mitte Während des „harten“ Shutdown (d. h. vor April 2020 in manchen Regionen (Lombardei bzw. der ersten Auflockerung) wurde der Betrieb in Madrid) das System hoffnungslos überfordert war. Krankenhäusern und auch die Gesundheitsver- Nun, nach dem Abflachen der Kurve, stellt sich sorgung im niedergelassenen Bereich auf ein Mi- die Frage, ob in Zukunft nicht mehr für alle, son- nimum reduziert mit dem Ziel, Spitalsbetten und dern nur noch für die Risikogruppe ein besonderer Intensivstationsbetten für zukünftige mit SARS- Schutz verfolgt werden soll.15 CoV-2 infizierte Menschen freizuhalten und um Die Maßnahmen, die weltweit in verschiedenen Ansteckungen zu vermeiden. Dies läuft auf eine Variationen umgesetzt wurden, waren drastisch Diskriminierung von Patienten aufgrund ihrer und beinhalteten starke Beschränkungen der Krankheit hinaus und wurde daher offen kritisiert. Grundrechte. Über die Angemessenheit dieser Ein- Erst als genug Schutzmasken und Schutzbeklei- schränkungen wird noch zu sprechen sein. Die Maß- dung vorhanden waren, hat sich der Betrieb im nahmen des Shutdown führten in etlichen Ländern niedergelassenen Bereich unter Beachtung von zum angepeilten Ziel, die Reproduktionszahl des Schutzmaßnahmen (Desinfektion, kein Kontakt, Coronavirus weit unter den Faktor 1 zu bringen. Ab Distanzhaltung) halbwegs normalisiert. Aller- Ende April 2020 stellte sich die Frage, wie der Be- dings stellte sich heraus, dass Patienten mit drin- trieb in der Gesundheitsversorgung, in der Bildung, gendem Behandlungsbedarf von den Spitälern in der Wirtschaft und überhaupt in der Gesellschaft und Ordinationen aus Angst vor einer Ansteckung hochgefahren werden soll. Angesichts der drama- fern geblieben sind.16 Pflege- und Altersheime Imago Hominis · Band 27 · Heft 2 85
Aus aktuellem Anlass wurden in vielen Ländern zum Problem, da sie Es herrscht allgemeiner Konsens darüber, Res- bei den Maßnahmen nicht direkt berücksichtigt sourcen so zu verteilen, dass möglichst viele Be- wurden und lange keine Schutzbekleidung beka- troffene einer Katastrophe überleben. In Italien gab men. Das Besuchsverbot führte bei Bewohnern in jedoch die Gesellschaft für Anästhesie und Inten- Altenheimen zur Steigerung von Desorientierung sivmedizin (SIAARTI) Empfehlungen ab, wonach und Ängsten, ebenso die Begegnung mit Pflegern Ressourcen nicht nur nach den Überlebenschancen, in Schutzbekleidung.17 Selbst in der Sterbephase sondern auch nach der maximalen Anzahl „Jahre konnten anfangs Patienten nicht von ihren Ange- geretteten Lebens“ verteilt werden sollten. Das läuft hörigen besucht werden. Die Politik konterte und auf eine Altersdiskriminierung hinaus, da jüngere verteidigte den eingeschränkten Betrieb in den Patienten von vorneherein Vorrang haben, weil ihre Spitälern und Ordinationen.18 Lebenserwartung in der Regel höher einzuschätzen ist als die älterer Menschen. Auch in Straßburg wur- 4. Ethik und Corona: Bioethik den Patienten ab 80 Jahre pauschal von einer inten- Ist es gerechtfertigt und verhältnismäßig, sivmedizinischen Beatmung ausgeschlossen. die Gesundheitsversorgung herunterzufah- In der Katastrophen- und Kriegsmedizin wird ren? War es unbedingt erforderlich? Gab es so vorgegangen, dass die Verwundeten in vier keine Alternativen? Wurden die Bedürfnisse Gruppen eingeteilt werden: (1) Jene schwer Ver- der Bewohner von Altenheimen ausreichend wundeten, die ohne sofortige Behandlung nicht berücksichtigt? überleben werden, mit Behandlung aber eine gute Prognose haben; diese werden sofort behandelt; 2.4 Triage als ethisches Dilemma (2) Verwundete, die ohne sofortige Behandlung Eine mögliche Überlastung des Gesundheits- auch mit hoher Wahrscheinlichkeit geheilt werden; systems hätte (und hat in manchen Ländern wie die Behandlung wird aufgeschoben, aber sie wer- zum Beispiel Italien und Spanien) dazu geführt, den unter Beobachtung gestellt. (3) Leicht Verwun- dass Ärzte eine Auswahl treffen müssen, welcher dete, die ohne Behandlung sicher geheilt werden; der Schwerstkranken angesichts der zu knappen sie werden nicht behandelt und (4) Verwundete, die Ressourcen ein Intensivbett bzw. Beatmungsgerät auch bei Behandlung kaum Überlebenschancen ha- bekommen soll. Dieses Dilemma, das Triage (fran- ben; diese werden nicht behandelt. Die Priorität ist zösisch: Auswahl) genannt wird, kommt in der also Gruppe 1 vor Gruppe 2 und diese vor Gruppe 3. medizinischen Versorgung bei Katastrophen und Zu unterscheiden ist, ob das Dilemma in einer in Kriegen vor. Die Zahl der medizinisch zu ver- Konkurrenzsituation ex ante oder ex post auftritt. sorgenden Menschen übersteigt die Kapazitäten, Im ersten Fall geht es darum, zu entscheiden, wel- der Arzt muss eine Priorisierungsentscheidung an che Verwundeten behandelt werden sollen, wenn Ort und Stelle treffen. Die Priorisierungen erfolgen mehrere gleichzeitig auf die Behandlung warten dabei ausdrücklich nicht in der Absicht, Men- und nur einer behandelt werden kann. In diesem schen oder Menschenleben zu bewerten, sondern Fall liefern die erwähnten Priorisierungsregeln aufgrund der Verpflichtung, mit den (begrenzten) eine mehr oder weniger klare Handlungsanleitung. Ressourcen möglichst vielen Patienten eine nutz- Der behandelnde Arzt muss eine Klugheitsent- bringende Teilhabe an der medizinischen Versor- scheidung treffen, indem er primär die erwähnten gung unter Krisenbedingungen zu ermöglichen.19 Regeln anwendet und bei Personen der gleichen Es liegt eine umfangreiche ethische Bibliografie20 Gruppe, die in Konkurrenz zueinander treten, an- zu diesem Thema vor. Die Lösung des Dilemmas dere Faktoren wie Alter und soziales Umfeld (z. B. fällt je nach ethischem Ansatz anders aus. Sorgepflicht für kleine Kinder usw.) berücksichtigt. 86 Imago Hominis · Band 27 · Heft 2
Aus aktuellem Anlass Bei der Konkurrenzsituation ex-post ist die Ent- ner Soziologe Franz Kolland. Sämtliche Systeme scheidung schwieriger: Ist es legitim, bei jeman- wurden in der Coronakrise der Lebensrettung und dem die laufende Behandlung zu stoppen, wenn deshalb der Aufrechterhaltung der Funktionsfä- eine andere Person, die eindeutig bessere Überle- higkeit des Gesundheitssystems untergeordnet. benschancen hat, diese Behandlung dringender Alle anderen sozialen Systeme – Wirtschaft, Fami- benötigt? Eine utilitaristische Position würde dies lie, Bildung, Religion, Kultur, Freizeit und Sport – befürworten, eine Ethik der Menschenwürde wür- werden zunächst auf „Standby“ gesetzt und erst, de sich dieser Abwägung entziehen, da es der Men- nach und nach, so weit hochgefahren, wie es für schenwürde widerspricht, Menschenleben gegen das Gesundheitswesen zuträglich sein kann. Dies Menschenleben abzuwägen. Oberstes Kriterium kann nicht ohne soziale Folgen bleiben. „Eine Kri- muss die Erfolgsaussicht einer Behandlung blei- se im soziologischen Sinne zeichnet sich dadurch ben. Wenn also die Behandlung mit hoher Wahr- aus, dass erstens die normalen Routinen nicht scheinlichkeit aussichtslos ist, wäre ein Abbruch mehr funktioniert und zweitens die Zustände vor auch in normalen Situationen ethisch legitim, die dem Eintritt der Ereignisse nicht wieder herstell- Behandlung könnte beendet werden.21 bar sind. Ein solches Ereignis erzeugt massive Zahlreiche nationale medizinische Fachgesell- Kontrollverluste“24, gibt der deutsche Soziologe schaften und Ethikkommissionen haben während Wilhelm Heitmeyer zu bedenken. der Pandemie Richtlinien zur Triage veröffentlicht. Manche stützen sich dabei auf eine utilitaristische 3.2 Die Folgen der Krise für die Familie und Argumentation. Triage-Entscheidungen sind für Partnerschaften Ärzte sehr belastend und äußerst schwierig.22 Eine Für integre, gut funktionierende Familiensy- international verbindliche Entscheidungsleitlinie steme brachten die Einschränkungen durch die würde Medizinern mehr Sicherheit geben und Dis- Corona-Krise durchaus auch positive Effekte wie kriminierungen vorbeugen. Entschleunigung und mehr Zeit füreinander in der Partnerschaft oder für die Kinder. Soziolo- 5. Corona und Bioethik gisch gesehen greifen die Shutdown-Maßnah- Wie lassen sich international verbindliche men, die zur Eindämmung der Pandemie von den Entscheidungsleitlinien für Ärzte im Fall ei- Regierungen und Parlamenten getroffen wurden ner Triage erstellen? Wenn sie fehlen, führt – Home-Schooling, Home-Office, Einschränkung das zu Unsicherheit, utilitaristische Positi- der Bewegungsfreiheit, finanzielle Wirtschafts- onen können zu Ungerechtigkeiten und Dis- förderungen, Verschuldung zur Finanzierung der kriminierungen von Patienten führen. Ein Maßnahmen, usw. – massiv in die Grundrechte Konsens über die Triage-Regeln wäre kon- und die Struktur der Gesellschaft ein. Die deut- ventionell zu finden. sche Leopoldina hat die weitreichenden sozialen Folgen der Maßnahmen für die Familie, die eine zentrale Rolle einnimmt, beschrieben. „Sie ver- 3. Ethische Fragezeichen aus sozialpolitischer bleibt oft als einziger Ort, in dem sich die Lebens- Perspektive vollzüge und das soziale Leben abspielen. Zusätz- lich muss sie erweiterte Aufgaben übernehmen 3.1 Corona-Krise: eine neue Art der Krise wie Kinderbetreuung und schulische Ausbildung Krisen, bei denen Gesundheit im Zentrum über Essensbeschaffung bis zur Organisation von steht, seien im Gegensatz zu politischen oder ‚Freizeit‘. Diese zusätzlichen Belastungen treffen Wirtschaftskrisen „ziemlich neu“,23 sagt der Wie- vor allem Frauen. Je nach ökonomischen Möglich- Imago Hominis · Band 27 · Heft 2 87
Aus aktuellem Anlass keiten, kulturellem Hintergrund, Vollständigkeit 3.3 Veränderungen der institutionellen und innerer Organisation können Haushalte die Prozesse in der Arbeitsorganisation, in der genannten Funktionen unterschiedlich gut wahr- Justizverwaltung und in den alltäglichen Bezie- nehmen. Größtenteils bleibt diese kritische Bela- hungen der Menschen stung nach außen hin jedoch unsichtbar“.25 Die Die Shutdown-Maßnahmen zwingen Institu- Zunahme der Gewalt gegen Frauen und Kinder tionen und Menschen zu einem neuen Lebensstil. während der Pandemien sind durch Studien gut Für die Arbeitsorganisation, die Justizverwaltung belegt.26 und die Schulen sind dabei zwangsläufig neue Die Zwangsmaßnahmen zum Social Di- Wege zu erproben und die Vorteile des Internet zu stancing – zu Hause bleiben, Home-Schooling, nutzen, die nach Corona institutionalisiert wer- Home-Office – können bald zur Belastung wer- den könnten: Home-Office wird nach Corona eine den. Eine Umfrage des Instituts für Soziologie an größere Akzeptanz am Arbeitsmarkt genießen. der Universität Wien unter 1.000 österreichischen Die Gerichte überlegen, ob vermehrt Einvernah- Haushalten hat ergeben, dass die Konflikthäufig- men per Videokonferenz gemacht werden usw. keit in rund einem Viertel der Familien zugenom- Auch im Bereich der zwischenmenschlichen men hat. Für ein Drittel der Familien die Kinder- Beziehungen kann es zu Veränderungen kom- betreuung eine große Herausforderung darstellt, men. Das Phänomen des Denunzierens in Coro- und insbesondere Alleinerziehende und Familien na-Zeiten war auffallend.29 Menschen, die sich mit zwei oder mehr Kindern mit häufigeren Kon- sonst wenig sozial geachtet fühlen, erfahren flikten und Problemen bei der Kinderbetreuung plötzlich eine Teilhabe an der Macht des Staates, konfrontiert sind.27 wenn sie andere denunzieren. Auch Alltagsge- Experten haben vor der Gewalt gegen Frauen sten wie eine Umarmung stehen nach Corona und Kinder in Folge der Ausgangsbeschrän- unter neuen Vorzeichen, Menschen werden vor- kungen gewarnt, einzelne Frauenberatungsein- sichtiger, Angst spielt weiterhin für viele Men- richtungen meldeten einen höheren Zulauf.28 schen eine große Rolle.30 Nach der Krise wird man den Anstieg der Gewalt Man kann davon ausgehen, dass die Coro- in der Familie genau untersuchen müssen, auch na-Pandemie einen starken Impuls zur Verände- die Zahl der Ehescheidungen. Bei einer Cost-Be- rung der Institutionen zum sozialen Wandel gibt. nefit-Studie der Shutdown-Maßnahmen wird Das hat positive Seiten, kann aber auch negative man auch die Gewalt in der Familie ebenso wie Folgen haben. Möglichen sozialen Veränderungen psychologische Schäden durch Stress in der Fa- wird man einen legistischen Rahmen (Arbeits- milie berücksichtigen müssen. recht, Sozialrecht, Familienrecht u. dgl.) geben müssen, um Fortschritte zu fördern und Missbräu- 6. Corona und Sozialethik che zu unterbinden. Labile Systeme werden in Krisenzeiten noch labiler: Wurden die geeigneten flankie- 7. Corona und Sozialethik renden Maßnahmen zum Schutz der Familie Der Staat soll wachsam die sozialen Verände- und zur Gewaltprävention zum Schutz von rungen durch Corona beobachten, begleiten Frauen und Kindern eingesetzt? und positive Entwicklungen rasch fördern. 88 Imago Hominis · Band 27 · Heft 2
Aus aktuellem Anlass 4. Ethische Fragezeichen aus rechtsstaatli- 4.2 Zur Legitimität der Einschränkung von cher Perspektive Grundrechten „Eine Norm, die besagt, dass man auf das Grundrechte können mit anderen Rechtsgü- Gute verzichten müsse, um das Gute zu retten, ist tern kollidieren. Die Shutdown-Maßnahmen für ebenso falsch wie die, welche verlangt, dass man die Pandemie priorisieren die öffentliche Gesund- auf die Freiheit verzichten müsse, um die Freiheit heit und damit das Recht auf Leben (Lebensschutz) zu retten“,31 schrieb Giorgio Agamben Anfang gegenüber den oben erwähnten Grundrechten, April 2020. die eingeschränkt werden. In Zusammenhang mit der Begründung der Maßnahmen wurde oft in der 4.1 Maßnahmen gegen Corona, welche einige Öffentlichkeit von dem absoluten Vorrang der Ge- Grundrechte einschränken sundheit und des Lebensschutzes gesprochen, was Darf man Grundrechte aussetzen, um die vor allem in Deutschland zu einer Debatte geführt Grundrechte zu retten? Und wer darf unter wel- hat.33 Allgemeiner Konsens herrscht darüber, dass chen Umständen Grundrechte aussetzen? Grundrechtseinschränkungen zuerst ein (1) legi- Die in vielen Ländern eingesetzten Maß- times Ziel verfolgen müssen – was in der gegenwär- nahmen zur Eindämmung der Ausbreitung von tigen Situation mit dem Schutz von Leben und Ge- SARS-CoV-2 haben persönliche Freiheitsrechte, sundheit der Bevölkerung außer Zweifel steht. Die die in der Verfassung verbrieft sind, außer Kraft eingesetzten Maßnahmen müssen darüber hinaus gesetzt bzw. massiv eingeschränkt. Im europä- (2) geeignet sein, um das Ziel zu erreichen, (3) not- ischen Raum hat dies eine Debatte über die Verfas- wendig (d. h. es gäbe keine bessere Alternative) sungskonformität der Maßnahmen angestoßen, und (4) verhältnismäßig sein. Die Fraglosigkeit des auch in Österreich. Gegen Gesetze und/oder Ver- richtigen Zwecks führt nicht automatisch zur Zu- ordnungen zur Eindämmung des Corona-Virus lässigkeit der ergriffenen Mittel. liegen dem Verfassungsgerichtshof inzwischen Während an der prinzipiellen Geeignetheit (2) rund 70 Anträge vor (Stand: Ende Mai), von de- der ergriffenen Maßnahmen zur Erreichung des nen im Juni die ersten behandelt werden sollen. Ziels, insbesondere der Abflachung der Infekti- Ein Eilverfahren ist in Österreich im Gegensatz onskurve, kein Zweifel bestehen dürfte, sind die zu Deutschland, wo der Verfassungsgerichtshof Kriterien der Notwendigkeit (3) und Verhältnismä- mehrere Demonstrationsverbote gekippt hat,32 ßigkeit (4) nicht so klar erfüllt. Wegen der Schwere gesetzlich nicht vorgesehen. und Dauer der Grundrechtsbeschränkungen wäre Grundrechte sind vorstaatliche Rechte. Sie eine beständige Beobachtung und eine häufige Ver- sind Menschenrechte, die sozusagen vor jeder hältnismäßigkeitsprüfung angebracht, um über Staatsgründung existieren, und nicht vom Staat mögliche Lockerungen nachzudenken.34 begründet und verabschiedet, sondern nur an- Das Verbot der Demonstration gegen die Maß- erkannt und geschützt werden sollen. Konkrete nahmen in Wien (24.4.2020) und das Umkippen der Grundrechte, die durch die Maßnahmen zur Ein- gerichtlichen Demonstrationsverbote in Deutsch- dämmung der Pandemie beschnitten werden, land im April 2020 zeigen, dass das Kriterium der sind die Grundrechte auf Bewegungsfreiheit und Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit nicht ein- Freizügigkeit, auf Versammlungs- und Religi- deutig anwendbar ist und einen großen Interpreta- onsfreiheit sowie die zentralen wirtschaftlichen tionsspielraum zulässt. Grundrechte der Berufs- und Eigentumsfreiheit. Die Debatte zu einem „Corona-Immunitätspass“ nimmt Fahrt auf. Kritiker sehen Grundrechte in Ge- fahr und befürchten eine Spaltung der Gesellschaft.35 Imago Hominis · Band 27 · Heft 2 89
Aus aktuellem Anlass In Deutschland hat Bundesgesundheitsminister heit bewirkt auch eine Einschränkung der Religi- Jens Spahn (CDU) Anfang Mai 2020 den Deutschen onsfreiheit. Zunächst waren keine Gottesdienste Ethikrat um eine Stellungnahme zum geplanten Im- in den Kirchen möglich, sie wurden erst ab munitätsnachweis für SARS-CoV-2 gebeten. 15. Mai 2020 unter sehr restriktiven Bedingungen Die Frage, ob und in welcher Form man Bür- zugelassen. Auch hier scheint eine Prüfung der ger zum Einsatz einer Tracking-Software (Coro- Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit er- na-App) verpflichten darf oder ob dies freiwillig ge- forderlich. Die Tatsache, dass sich die Religions- schieht, wird in zahlreichen Ländern diskutiert.36 gemeinschaften ohne großen Widerstand auf die China implementiert derzeit ein durchaus um- Einschränkungen eingestellt haben, genügt we- strittenes Gesundheits-Tracking-System, das den der, um die Verfassungskonformität, noch um die Immunitätsstatus leicht einbeziehen könnte. In- ethische Zulässigkeit der Einschränkung dieses dien ist die einzige Demokratie der Welt, die ihre Grundrechtes zu beweisen. Bürger zum Herunterladen einer Corona-Kon- takt-Nachverfolgungs-App verpflichtet.37 Hier 9. Corona und Sozialethik steht auch ein Eingriff in die persönliche Freiheit War es ethisch legitim, aufgrund der er- zur Debatte. Im Namen der Sicherheit und des wähnten Kriterien und Prinzipien der Sozi- Grundrechts auf Bewegungsfreiheit sollen die Pri- alethik in der Coronakrise das Grundrecht vatsphäre und sensible Gesundheitsdaten über- auf freie Ausübung der Religion einzu- wacht bzw. preisgegeben werden. Datenschützer schränken? befürchten, dass Arbeitgeber, aber auch Versiche- rungen künftig vermehrt Immunitätsnachweise 4.4 Die Krise, die Stunde der Exekutive. Gibt es verlangen könnten. Es ist zweifelhaft, ob diese ein Zurück? Maßnahme eine Notwendigkeits- und Verhältnis- Der italienische Philosoph Giorgio Agamben mäßigkeitsprüfung bestehen würde. kritisiert, dass Juristen angesichts der Situation im März 2020 nicht nur in Italien geschwiegen haben, 8. Corona und Sozialethik als die Exekutive und Legislative die Gewaltentren- Ist dem Lebensschutz der absolute Vorrang nung aufgegeben haben. Demokratische Regeln unter den Grundrechten einzuräumen? War müssten so rasch wie möglich normalisiert wer- es ethisch legitim, auf Grund der erwähnten den, ermahnen viele Politikphilosophen, Oppositi- Kriterien und der Prinzipien der Sozialethik onspolitiker, Journalisten und Experten. Agamben in der Coronakrise das Grundrecht auf Ver- ist nicht der einzige, der sich skeptisch zeigt: Die sammlung einzuschränken und konkret die Geschichte lehrt, dass Machthaber, sobald sie ein- Demonstrationen zu verbieten? Was bedeu- mal die Macht an sich gezogen haben, diese ungern tet es, wenn Bürger unter den Vorzeichen wieder abgeben.38 der Sicherheit (Corona-App, digitaler Im- munitätsausweise) hochsensible Gesund- 10. Corona und politische Ethik heitsdaten weitergeben sollen? Welche Garantien können vorgesehen wer- den, damit der Ausnahmezustand keine Mi- nute länger als notwendig und unverhältnis- 4.3 Zur Legitimität der Einschränkung der mäßig lange dauert. Religionsfreiheit Die von der österreichischen Regierung einge- setzte Maßnahme gegen die Versammlungsfrei- 90 Imago Hominis · Band 27 · Heft 2
Aus aktuellem Anlass 4.5 Mangel an Solidarität als Kriminalstraftat? Situationen mit nur gewisser formaler Ähnlich- Solidarität ist ein wichtiges Prinzip der keit. Im Lichte der Sozialethik scheint es nicht klar, Sozialethik und ebenso der christlichen Soziallehre. dass Mangel an Solidarität eine Kriminalstraftat ist Sie ist auch ein Wert und eine Tugend. In Zeiten der und Solidarität mit strafrechtlichem Zwang durch- Krise sind das Prinzip, der Wert und die Tugend be- gesetzt werden soll. sonders gefragt. Die Manager der Krise appellieren 11. Corona und Sozialethik unentwegt an die Solidarität der Bürger, um sie zu Ist es ethisch legitim, bei einer Pande- motivieren, sich an die Maßnahmen zu halten und mie konkrete Handlungen wie auf öffent- damit vor allem die anderen zu schützen. In Öster- licher Straße zu spazieren oder keinen Na- reich wurde kritisiert, dass die Politik sich hier einer sen-Mundschutz zu tragen u.dgl. als einen unverhältnismäßigen Rhetorik der Angst bediente Mangel an Solidarität darzustellen und sie („Lebensgefährder“). „Abstandhalten verlangt, pa- als Kriminalstraftat zu betrachten und zu be- radoxerweise, gesellschaftlichen Zusammenhalt auf strafen? Was spricht dafür und was dagegen? breiter Basis – und hier tritt das Strafrecht auf den Und wann und unter welchen Bedingungen? Plan: gegen die Uneinsichtigen und Widerständi- gen, die sich um Kontaktverbot und Ausgangssperre nicht scheren, gleichzeitig aber auch adressiert an 5. Ethische Fragezeichen aus ökonomischer die, die sich konform verhalten, um sie in schwie- Perspektive riger Zeit in sozialer Vereinzelung zu bestärken.“39 Es Die Politik hat zur Eindämmung der Pandemie stellt sich die Frage, ob es angemessen war, Maßnah- mit drastischen Shutdown-Maßnahmen reagiert, men, die ein so schwaches wissenschaftliches Funda- die wochenlang weltweit viele Sektoren der Wirt- ment hatten – von evidenzbasierter-medizinischer schaft lahmgelegt haben und zu einem historischen Indikation ist keine Rede –, unter Strafe zu stellen. Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt haben. Viele „Auf Solidarität gründende Pflichten im Strafrecht Klein- und Mittelbetriebe stehen vor dem Ruin, waren bislang typischerweise Handlungsgebote. Je- auch zahlreichen Großbetrieben droht die Insol- dermann kennt die bei ‚gemeiner Gefahr‘ drohende venz trotz großzügiger staatlicher finanzieller Ret- Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nach tungsschirme.41 Vermögensverluste treffen breite einem Unglücksfall oder die Garantenpflicht der Schichten, soweit sie Ersparnisse insbesondere für Eltern, Gefahren vom Kind abzuwenden. Nun wird die Altersversorgung gebildet haben. Je länger ein das Gebot, vom Kontakt zum Mitmenschen Abstand Shutdown dauert, umso weniger lassen sich gravie- zu nehmen, Strafgrund: homo homini virus (…). rende ökonomische Folgen vermeiden. Wer einen ‚triftigen Grund‘ für das Verlassen seiner Am 14.4.2020 bestätigte der Internationale Wohnung nicht plausibel machen kann – und die- Währungsfonds (IWF): COVID-19 hat zur schwers- se Einschätzung bleibt zunächst einmal Polizisten ten Wirtschaftskrise seit der großen Depressi- auf der Straße überlassen –, bewegt sich außerhalb on (1929) geführt.42 Optimistisch betrachtet wird seiner vier Wände auf flächendeckend kriminalisier- die Weltwirtschaft zwischen 3% und 10% schrump- tem Terrain“,40 kritisieren Strafrechts-Experten in fen. Europa trifft es am stärksten (-7,5). Mittlerweile Deutschland. sind die Prognosen mancher Länder nach unten Die Pandemie wurde immer wieder mit einer korrigiert worden. Die WTO (World Trade Organi- Kriegssituation verglichen und dafür plädiert, sation) hat einen Rückgang des Welthandels zwi- ähnliches Recht wie beim Kriegsrecht anzuwenden schen 13% und 33% prognostiziert.43 und militärische Disziplin einzufordern. De facto Das österreichische Wirtschaftsforschungs- handelt es sich jedoch um gänzlich verschiedene institut (WIFO) rechnet in Österreich mit der Imago Hominis · Band 27 · Heft 2 91
Aus aktuellem Anlass stärksten Wirtschaftsrezession seit dem Zweiten 5.2 Mehr Staat? Zu viel Staat? Weltkrieg: „Als Folge der COVID-19-Pandemie bzw. Der Ruf nach „mehr Staat“ ist in der Krise un- der Maßnahmen zu deren Eindämmung wurde überhörbar.47 Die staatlichen Maßnahmen zur Ret- die internationale und auch österreichische Wirt- tung der Wirtschaft, so notwendig sie jetzt sind, schaft im März dieses Jahres in einen markanten stellen eine Zunahme des staatlichen Einflusses auf Abschwung gestoßen. Im II. Quartal wird mit einer die Wirtschaft dar. Ist die liberale Marktwirtschaft globalen Rezession in noch nie dagewesener Grö- in Gefahr? Die in der Krise getroffenen wirtschafts- ße und Synchronität gerechnet. Das WIFO erwar- politischen Maßnahmen gefährden das nachhal- tet daher für 2020 in Österreich einen Rückgang tige Wirtschaften im Rahmen einer freiheitlichen der Wirtschaftsleistung und der Beschäftigung Marktordnung. Ein Rückzug aus Unternehmen, um 5¼% und einen Anstieg der Arbeitslosenquo- sofern krisenbedingt Beteiligungen stattfanden, te auf 8¾%“.44 Ähnlich bricht die Konjunktur in sollte im Voraus geregelt sein.48 Deutschland als Folge der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie laut ifo-Institut drastisch 13. Corona und Wirtschaftsethik ein: das Bruttoinlandsprodukt soll 2020 um 4,2% Wie weit soll der Staat die Wirtschaft kon- schrumpfen.45 trollieren und auf Beteiligungen eingehen? Wie schnell soll der Staat seinen Einfluss 5.1 Finanzhilfe auf Kosten der zukünftigen wieder zurückgeben? Generationen? Die finanziellen Rettungsmaßnahmen in 5.3 Ökologisches Ziel nach der Krise politisch schwindelerregenden Höhen sind notwendig, wer- weniger wichtig? fen aber auch Fragen auf: Seit Ausbruch der Coronakrise wurde es um Die Staatsschulden werden in den reichen Län- ökologische Ziele in der Politik leiser. Der Fokus dern enorm ansteigen, damit die Rettungsschirme stand zuerst auf Gesundheit, dann auf Ökonomie finanziert werden.46 Sie werden die zukünftigen und Bildung. Die Gefahr besteht, dass nun einfach Generationen über Jahrzehnte hinweg belasten so weitergemacht wird und beim nötigen Neuauf- und die bestehende Finanzblase enorm wachsen bau und der notwendigen Neuausrichtung man- lassen. Die Coronakrise könnte also zu einer neu- cher Wirtschaftszweige ökologische Ziele vernach- en Finanzkrise führen. Die Erfahrung zeigt, dass lässigt werden. Die Leopoldina betont deshalb: das Finanzsystem Krisen mit einer Vergrößerung „Bereits bestehende globale Herausforderungen der Staatsschulden aufschieben kann. Die Frage wie insbesondere der Klima- und Artenschutz ver- ist nur: Wie lange? Die Politik musste in Coro- schwinden mit der Coronavirus-Krise nicht. Poli- na-Zeiten kurzfristig Entscheidungen fällen und tische Maßnahmen sollten sich auf nationaler wie kann beim Thema Verschuldung offenbar mit einer internationaler Ebene an den Prinzipen von ökolo- Öffentlichkeit rechnen, die sich darüber (noch) kei- gischer und sozialer Nachhaltigkeit, Zukunftsver- ne Gedanken macht. träglichkeit und Resilienzgewinnung orientieren. Maßnahmen, die bereits vor der Coronavirus-Krise 12. Corona und Wirtschaftsethik auf einer breiten wissenschaftlichen Evidenz und Warum wird das Problem der Finanzierung einem politisch-gesellschaftlichen Konsens beruh- der neuen Schulden und die neuen Bela- ten, dürfen nicht abgeschwächt, sondern müssen stungen der künftigen Generationen vorerst weiterhin mit hoher Priorität umgesetzt oder sogar ausgeblendet? verstärkt werden“.49 92 Imago Hominis · Band 27 · Heft 2
Aus aktuellem Anlass 14. Corona, Wirtschafts- & Umweltethik Anhand der Erfahrungen der Corona-Pandemie Wird die ökologische Politik in der Krise he- sollte ein Modell erarbeitet werden, um zukünftige runtergefahren? Können ökologische Ziele Pandemien rascher und effizienter zu bekämpfen mittelfristig mit dem gleichen Einsatz ange- und zu bewältigen. Die internationale Zusammen- strebt werden? Wie sollen die kurzfristigen arbeit könnte viel besser funktionieren. In diesem ökonomischen Maßnahmen zur Ankurbe- Zusammenhang wird man die Rolle der WHO und lung der Wirtschaft mit den langfristigen ihre Nähe zu chinesischen Machthabern untersu- ökologie-politischen Zielen der Staaten in chen müssen, die von vielen Staaten scharf kritisiert Einklang gebracht werden? wurde. Man darf die Organisation nicht vorverurtei- len,52 aber dass sie die chinesischen Behörden noch im Februar gedeckt hat, ist mehr als verwunderlich.53 6. Ethische Fragezeichen aus geopolitischer Perspektive 6.1.2 Über den Machtkampf der Großmächte: „Ein Virus verlagert die Macht“ 6.1 Ist Solidarität auf globaler Ebene ange- sichts der Pandemie gelebt und erwünscht? Eine Katastrophe des Ausmaßes einer Pande- Zwei Phänomene von geopolitischer Relevanz mie wird für Großmächte, kleinere Machtträger können besonders in Verbindung mit der Coro- und „Möchtegerne“ leicht zur Gelegenheit, um na-Pandemie gebracht werden: die Globalisierung sich geopolitisch besser zu positionieren. Viele und der Kampf der Großmächte um Vermehrung kommen zu dem Schluss, dass China den größeren ihres Welteinflusses. Vorteil aus der Krise zu ziehen scheint.54 Eine Frage, die die Weltöffentlichkeit beschäftigt 6.1.1 Globalisierung: die Stunde der National- und nach Ansicht von Virologen und Epidemiolo- staaten gen nicht unerheblich ist, betrifft den Ursprung von „Der Krisenreflex der Staaten ist Unilateralis- SARS-CoV-2. Die meisten Virologen favorisieren die mus statt Kooperation. Paradox ist dies nicht zuletzt Version, wonach das Virus vom Tier auf den Men- deshalb, weil sich große Krisen kaum unilateral be- schen in Wuhan auf einem Tiermarkt für begehrte Ar- wältigen lassen“.50 SARS-CoV-2 hat sich nicht zuletzt ten übertragen wurde. Weitere Szenarien, wonach das wegen der globalisierten Verflechtungszusammen- Virus künstlich gezüchtet aus einem Labor in Wuhan hänge wie etwa dem internationalen Reiseverkehr so entkommen sein könnte, weist China vehement von rasch verbreitet. Als eine der ersten Reaktionen zur sich. Eine sachliche Auseinandersetzung dazu ist der- Pandemie haben die Nationalstaaten zum Schutz zeit leider nicht möglich, da sie regelmäßig zu diplo- ihrer Bürger die Grenzen für den Personenverkehr matischen Angriffen und Gegenangriffen zwischen geschlossen. Der Globalisierungsgedanke und die den beiden Großmächten USA und China führt.55 internationale Zusammenarbeit wurden innerhalb China selbst hat die Pandemie in den Griff be- der Europäischen Union, aber auch darüber hinaus kommen. Es bietet sich in Ländern von Asien und teilweise und zeitweilig ausgesetzt. Die Rolle Chinas Afrika als Helfer an, vor allem in jenen Ländern, in und die mangelnde Transparenz in der Weitergabe denen China bei Infrastrukturinvestitionen stark der Daten haben zusätzlich Misstrauen gesät. engagiert ist (z.B. Angola, Ghana, Nigeria, Kenia, Auch in der Europäischen Union herrschen Demokratische Republik Kongo und Äthiopien). große Differenzen zwischen den Staaten in der Fra- Ganz selbstlos wird dieser Einsatz der Weltmacht ge der Hilfsprogramme und Vorgangsweisen,51 na- China, die sich ihren politischen Einfluss sichern tionalstaatliche Interessen stehen im Vordergrund. möchte, wohl nicht sein. Imago Hominis · Band 27 · Heft 2 93
Aus aktuellem Anlass 6.2 Die Armut in der Welt wird steigen Referenzen Die reichen Länder der Welt können sich die 1 Anfang Mai wird bekannt, dass möglicherweise frü- wirtschaftlichen Rettungsmaßnahmen gegenwärtig her oder gleichzeitig bereits Ende Dezember 2019 in leisten, für 2021 ist ein Wachstum der BIP prognosti- Frankreich ein Fall von Covid-19 diagnostiziert wurde. 2 WHO Director-General’s opening remarks at the me- ziert,56 an den Folgen des Wirtschaftseinbruchs wird dia briefing on COVID-19, 11. März 2020. man allerdings noch Jahre leiden. Was für reiche 3 World Health Organization, Coronavirus disease 2019 Länder gilt, gilt noch mehr für arme. Ihre Abhängig- (COVID-19): Situation Report – 29. keit vom Einfluss der Großmächte und multinatio- 4 Die Welt ist laut Experten viel zu schlecht auf globale Epide- naler Konzerne wird steigen. mien vorbereitet, Der Standard, 18.9.2019. 5 Interview mit Christian Drosten in „Zeit im Bild 2 Spe- Die Instrumentalisierung von Pandemien für zial“ mit Armin Wolf, ORF, 24.4.2020. Machtspiele auf höchster politischer Ebene ist eine 6 Diese Perspektive beschränkt sich nicht auf die epi- traurige Wirklichkeit. Aus ethischer Sicht sind sie demiologischen Fakten, sondern soll auch relevante inakzeptabel. Die Machtspiele der USA und Chinas virologische und infektiologische Aspekte umfassen. auf dem Rücken der Opfer dieser und zukünftiger Eine laufend aktualisierte Darstellung des Verlaufes Pandemien sind ethisch auf das schärfste zu ver- von COVID-19 findet sich auf der Seite des Robert Koch Instituts, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavi- urteilen. Gibt es für dieses Problem eine Lösung? rus-Krankheit-2019 (COVID-19). Realpolitik zählt seit jeher nicht unbedingt zu den 7 Sakamoto H. et al., Seasonal Influenza Activity ethisch saubersten Tätigkeiten. Trotzdem muss During the SARS-CoV-2 Outbreak in Japan, JAMA man anerkennen, dass in der internationalen Zu- (2020); 323(19): 1969-1971, doi:10.1001/jama.2020.6173. sammenarbeit im letzten Jahrhundert viele Fort- 8 Kissler S. M. et al., Projecting the transmission dynamics of SARS-CoV-2 through the postpandemic period, Science, schritte erzielt wurden. Die im Anschluss an den 14.4.2020. Zweiten Weltkrieg gegründeten internationalen 9 Knoll R., Soziologe zu Corona-Gesetzen: „Lebensgefährlich Organisationen und ihre Projekte zeigen das. In für die Demokratie“, Interview, Der Standard, 6.4.2020. diesem Sinne könnten die Erfahrungen dieser Pan- 10 Erdek M. A., Ethical Responsibility in Publishing Research demie eine Chance sein, um die internationale Zu- Results on Covid-19 Treatments; in Clinical Trials and Hu- sammenarbeit und Solidarität zu stärken. man Subjects Research, The Hastings Center – Bioethics Forum, 30.4.2020, https://www.thehastingscenter. 15. Corona: Sozialethik & politische Ethik org/ethical-responsibility-in-publishing-research-re- sults-on-covid-19-treatments/. Auf internationaler Ebene hat die Solidari- 11 Kummer S., Pandemie: Krise entschuldigt keine nied- tät bei der Pandemie schlecht funktioniert. rigen Wissenschaftsstandards, Bioethik aktuell, IMABE, Wäre es in Hinblick auf zukünftige Pande- 4.5.2020. mien möglich, die internationale Solidarität 12 Koff W. C., Williams M. A., Covid-19 and Immunity der Staaten, Staatengemeinschaften und in- in Aging Populations – A New Research Agenda, NEJM, ternationalen Organisationen so zu fördern, 17.4.2020, DOI: 10.1056/NEJMp2006761. 13 vgl. Intensivbetten: Deutschland mit hoher Versorgungs- dass sie die Armut der Welt effizient be- dichte im internationalen Vergleich, Deutsches Ärzte- kämpfen, bei Katastrophen und Pandemien blatt, 2.4.2020. zusammenarbeiten und sich der Machtlogik 14 Specktor B., Coronavirus: What is ‘flattening the curve,’ der imperialistischen Strategien der alten and will it work?, Live Science, 16.3.2020, https://www. und der neuen Weltmächte entziehen? livescience.com/coronavirus-flatten-the-curve.html. 15 Nida-Rümelin J., „Wir müssen weg von allgemeinen Maßnahmen!“, Interview, Die Furche, 22.4.2020. 16 Sorge um Patienten mit akutem Behandlungsbedarf, Deut- sches Ärzteblatt, 22.4.2020. 17 Kummer S., COVID-19: Unnötige Krankenhauseinwei- 94 Imago Hominis · Band 27 · Heft 2
Aus aktuellem Anlass sungen bei älteren Menschen verhindern, Bioethik aktuell, na-blog-beitraege/blog06/. IMABE, 4.5.2020. 28 Gstöttner E., Häusliche Gewalt: Mehr Andrang bei Frau- 18 Vgl. Rosenbaum L., The Untold Toll – The Pandemic’s enberatungsstellen in Linz, OÖN, 24.4.2020; Zahl der An- Effects on Patients without Covid-19, NEJM, 17.4.2020, rufe wegen häuslicher Gewalt gestiegen, WDR, 22.4.2020; DOI: 10.1056/NEJMms2009984; Rückkehr zur Norma- Gewalt gegen Frauen: UNHCR in höchster Alarmbereit- lität hängt von Impfung ab, ORF, 18.4.2020, https://orf. schaft, ORF, 20.4.2020. at/stories/3162359/: „Das muss man akut beenden. 29 Macht die Corona-Krise uns zu Denunzianten? Fünf Fragen Man darf keinen Menschen wegen seiner Krankheit an einen Experten, Deutschlandfunk Nova, 7.4.2020. diskriminieren. Das muss aufhören, rasch“, so der 30 Kolland F., siehe Ref. 23. Infektiologe Christoph Wenisch. [...] Der Schutz des 31 Agamben G., Zum Umgang der liberalen Demokratien mit Systems bleibe „erste Priorität“, weshalb auch die Ein- dem Coronavirus: Ich hätte da eine Frage, Neue Züricher schränkungen für Besucher aufrecht bleiben werden, Zeitung 15.4.2020, S. 13. so Gesundheitsminister Anschober. Es werde „sicher 32 vgl. Bundesverfassungsgericht, Suche nach Entschei- noch länger keine Normalsituation“ in den Spitälern dungen; z.B. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten herrschen. Senats vom 17. April 2020, 1 BvQ 37/20, Rn. 1-29. 19 Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- 33 Rede von Bundeskanzler Sebastian Kurz: „…Ge- und Notfallmedizin, Entscheidungen über die Zuteilung sundheit ist das wichtigste, was es gibt…“, in: Zeit von Ressourcen in der Notfall- und der Intensivmedizin im im Bild 1, ORF, 18.3.2020; Armin Laschet, Wolfgang Kontext der COVID-19-Pandemie, 25.3.2020. Schäuble und Markus Söder diskutieren öffentlich 20 Lübbe W., Corona-Triage, Verfassungsblog, 15.3.2020, über den Stellenwert des Lebensschutzes: Debatte über https://verfassungsblog.de/corona-triage/; Lübbe W. absoluten Vorrang des Lebensschutzes, FAZ Nr. 99/18 R 1, (Hrsg.), Tödliche Entscheidung. Allokation von Leben und 28.4.2020. Tod in Zwangslagen, mentis-Verlag, Paderborn (2004); 34 Deutsche Ethik-Rat, Solidarität und Verantwortung in Lübbe W., Veralltäglichung der Triage? Überlegungen der Corona-Krise. Ad-hoc-Empfehlung, 27.3.2020, S. 4-5. zu Ausmaß und Grenzen der Opportunitäts-kostenorien- 35 Kummer S., COVID-19: Debatte zu einem „Corona-Im- tierung in der Katastrophenmedizin und ihrer Übertrag- munitätspass“ nimmt Fahrt, Bioethik aktuell, IMABE, barkeit auf die Alltagsmedizin, Ethik in der Medizin 4.6.2020. (2001); 13: 148-160. 36 Coeckelbergh M., Corona-App: Ethische, rechtliche und 21 Prat E. H., Die Verhältnismäßigkeit als Kriterium für die gesellschaftliche Fragen, Der Standard, 19.5.2020. Entscheidung über einen Behandlungsabbruch, Imago Ho- 37 Corona-App in Indien zunehmend verpflichtend, OÖN, minis (1999); 6(1): 11-31. 15.5.2020. 22 Prat E. H., Sinnhaftigkeit in der Medizin, Imago Hominis 38 Agamben G., siehe Ref. 31. (2004); 11(4): 287-301. 39 Jahn M., Schmitt-Leonardy Ch., Solidarität durch 23 Kolland F., “Social Distancing”: Coronavirus verändert Recht?, FAZ, 23.4.2020, S. 6. Gesellschaft, Interview, Redaktion (uni:view)/APA, 40 Ebd. 20.3.2020. 41 Boumans D., Link S., Sauer S., COVID-19: Die Welt- 24 Heitmeyer W., „In der Krise wächst das Autoritäre“, Inter- wirtschaft auf der Intensivstation. Erkenntnisse aus einer view, Die Zeit, 13.4.2020. weltweiten Expertenumfrage, ifo Schnelldienst 5/2020, 25 Leopoldina –Nationale Akademie der Wissenschaf- IFO-Institut, April 2020. ten, Dritte Ad-hoc-Stellungnahme: Coronavirus-Pandemie 42 The Great Lockdown: Worst Economic Downturn Since – Die Krise nachhaltig überwinden, 13.4.2020, S. 10; Vgl. the Great Depression, Press Release No. 20/98, IMF, auch Pieh Ch., Deutlicher Anstieg an psychischen Symp- 23.3.2020. tomen. Eine Studie der Donau-Universität Krems unter- 43 Trade set to plunge as COVID-19 pandemic upends global suchte die psychische Gesundheit in Zeiten von COVID-19, economy, Press Release 855, WTO, 8.4.2020. Donau Universität Krems, 5.5.2020. 44 Baumgartner J., Wirtschaftliche Entwicklung im Zeichen 26 Peterman A. et al., Pandemics and Violence Against Wo- der COVID-19-Krise, WIFO, 23.4.2020. men and Children, Studie, Center for Global Develop- 45 Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2020: Wirtschaft un- ment, April 2020. ter Schock – Finanzpolitik hält dagegen, ifo Institut, 27 Berghammer C., Familienkonflikte in der Corona-Krise, 8.4.2020. Vienna Center for Electoral Research, Universität 46 Auswirkungen der Corona-Krise auf die öffentlichen Haus- Wien, https://viecer.univie.ac.at/corona-blog/coro- halte, WIFO, 27.3.2020. Imago Hominis · Band 27 · Heft 2 95
Sie können auch lesen