WIE DIE EUROPÄISCHE NACHFRAGE NACH SOJA DIE KLIMAKRISE VERSCHÄRFT - DEUTSCHE ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG DES ENGLISCHEN REPORTS - Greenpeace ...

Die Seite wird erstellt Sören Berg
 
WEITER LESEN
WIE DIE EUROPÄISCHE NACHFRAGE NACH SOJA DIE KLIMAKRISE VERSCHÄRFT - DEUTSCHE ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG DES ENGLISCHEN REPORTS - Greenpeace ...
WIE DIE EUROPÄISCHE NACHFRAGE
NACH SOJA DIE KLIMAKRISE VERSCHÄRFT
DEUTSCHE ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG DES ENGLISCHEN REPORTS

 JUNI/
  JULI
  2019
WIE DIE EUROPÄISCHE NACHFRAGE NACH SOJA DIE KLIMAKRISE VERSCHÄRFT - DEUTSCHE ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG DES ENGLISCHEN REPORTS - Greenpeace ...
Übersetzung und Überarbeitung des englischen Reports
“Hooked on Meat. How Europe’s Soya addiction is feeding
the Climate Emergency”, veröffentlicht im Juni 2019 von
Greenpeace Frankreich, Cecile Leuba.
JUNI / JULI 2019

DEUTSCHE FASSUNG (ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG):
V.i.S.d.P.:
Vanessa Reithinger / Greenpeace Deutschland

Grafiker:
Stefan Klein / Klasse 3b

ENGLISCHER ORIGINAL-REPORT:
Kontakt:
cecile.leuba@greenpeace.org / Greenpeace Frankreich
Titelbild:
Marizilda Cruppe / Greenpeace
Die brasilianische Matopiba-Region ist bekannt für die dort stattfindende
Intensivlandwirtschaft, insbesondere Soja und Mais werden hier für
den Export angebaut – was die Entwaldung insbesondere im Cerrado
weiter antreibt.

Layout design:
Marie Fabre (atelierfika.fr) / Greenpeace

Greenpeace France
13 rue d’Enghien
75010 Paris
France
GREENPEACE.ORG

2
WIE DIE EUROPÄISCHE NACHFRAGE NACH SOJA DIE KLIMAKRISE VERSCHÄRFT - DEUTSCHE ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG DES ENGLISCHEN REPORTS - Greenpeace ...
HOOKED ON MEAT

INHALTSVERZEICHNIS

5    INTRO

7    DAS PROBLEM MIT SOJA
8 	ENTWALDUNG  UND ZERSTÖRUNG VON ÖKOSYSTEMEN
13   AUSWIRKUNGEN AUF UMWELT, GESELLSCHAFT
     UND GESUNDHEIT

15   	
      E U-NACHFRAGE NACH FLEISCH
     UND MILCHPRODUKTEN TREIBT
     SOJAIMPORTE AN

21   	
      DIE NAHRUNGSMITTEL- UND
     AGRARREVOLUTION, DIE WIR BRAUCHEN
   G ESUNDE
22	            ERNÄHRUNG FÜR DIE MENSCHEN UND
     UNSEREN PLANETEN
24	 E INE DEUTLICHE REFORM DER GEMEINSAMEN AGRARPOLITIK DER EU
28 	INTENSIVIERUNG DER EU-MASSNAHMEN ZUM SCHUTZ DER
     WÄLDER UND ANDEREN NATÜRLICHEN ÖKOSYSTEMEN
30 	STRENGERE EU-VORSCHRIFTEN FÜR PESTIZIDE UND GVOS

32   ENDNOTEN
38   REFERENZEN

◀	Der Cerrado ist das zweitgrößte Ökosystem in Brasilien, das
   22 % der Landesfläche bedeckt. Durch den radikalen Fortschritt
   der Agrarindustrie im Bereich des Soja- und Getreideanbaus
   ist die Hälfte der Fläche bereits zerstört.
© Fernanda Ligabue / Greenpeace

                                                                                 3
WIE DIE EUROPÄISCHE NACHFRAGE NACH SOJA DIE KLIMAKRISE VERSCHÄRFT - DEUTSCHE ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG DES ENGLISCHEN REPORTS - Greenpeace ...
4
WIE DIE EUROPÄISCHE NACHFRAGE NACH SOJA DIE KLIMAKRISE VERSCHÄRFT - DEUTSCHE ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG DES ENGLISCHEN REPORTS - Greenpeace ...
HOOKED ON MEAT

 INTRO

DER FLEISCHKONSUM
DER EU FÜHRT ZUR
ZERSTÖRUNG VON
WÄLDERN UND ANDEREN
ÖKOSYSTEMEN
Die Sojaindustrie boomt. Die weltweite Sojaproduktion hat sich seit 1997 mehr
als verdoppelt.1 Dies ist auf die wachsende Nachfrage nach Futtermitteln zur
Produktion von Fleisch und Milchprodukten zurückzuführen. 2 Diese rasante
Expansion bedroht einige der artenreichsten Lebensräume der Erde, darunter
den Amazonas Regenwald, den Cerrado und den Gran Chaco in Südamerika,
treibt die Klimakrise an und geht zu Lasten der öffentlichen Gesundheit.

IM JAHR 2017 WURDEN 48% DES SOJAS WELTWEIT
(EINSCHLIESSLICH BOHNEN, SOJASCHROT UND ÖL)
ALLEINE IN BRASILIEN UND ARGENTINIEN PRODUZIERT. 3
In Brasilien hat sich die Sojaproduktion in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als
vervierfacht. 4 Der brasilianische Amazonas wurde zwar weitgehend durch das
Sojamoratorium geschützt 5 – das Ergebnis einer beispiellosen Zusammenarbeit
unter der Leitung von Greenpeace und Beteiligung von Unternehmen, zivilgesell­
schaftlichen Organisationen und der brasilianischen Regierung. Die Sojaindustrie
hat jedoch inzwischen große Teile des Cerrado eingenommen, sodass die Region
bereits die Hälfte der ursprünglichen Vegetation durch landwirtschaftliche
Expansion verloren hat.6 Der Gran Chaco – Südamerikas zweitgrößter Wald, der
sich über Argentinien, Bolivien und Paraguay 7 erstreckt – leidet ebenfalls unter
dem Druck der Agrarindustrie. 8
Die industrielle Landwirtschaft trägt wesentlich zur globalen Klimakrise bei und
ist für zwei Drittel der gesamten Entwaldung in Südamerika verantwortlich.9
Wesentliche Faktoren sind hierbei der Sojaanbau und die Viehzucht.10 Darüber
hinaus gibt es Meldungen, dass der Soja-Boom in Südamerika mit Landraub und
anderen Menschenrechtsverletzungen zusammenhängt.11 Die negativen sozialen
und ökologischen Auswirkungen des Sojaanbaus gehen jedoch noch weiter.
In Brasilien 12 und Argentinien 13 sind über 95 % der Soja gentechnisch verändert
(GM), was mit dem intensiven Einsatz von Herbiziden und anderen gefährlichen
Chemikalien einhergeht.14 In beiden Ländern ist der Pestizideinsatz seit den 90er
Jahren um über 170% gestiegen.15 Dies führt nicht nur Monokulturen mit stark
reduzierter Biodiversität, sondern auch zu einem massiven Einsatz von Pestiziden,
die die Gesundheit von Landwirten und Anwohnern beeinträchtigen können.

◀	Geflügelbetrieb im Norden Deutschlands
© Fred Dott / Greenpeace

                                                                                    Intro   5
WIE DIE EUROPÄISCHE NACHFRAGE NACH SOJA DIE KLIMAKRISE VERSCHÄRFT - DEUTSCHE ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG DES ENGLISCHEN REPORTS - Greenpeace ...
Die Europäische Union ist nach China der zweitgrößte Sojaimporteur der Welt,
            mit rund 33 Millionen Tonnen Sojaprodukten pro Jahr.16 Dies wird durch den
            industriellen Viehzuchtsektor der EU vorangetrieben: Etwa 87% des von der EU
            importierten Sojas werden für Tierfutter verwendet.17 Während ein Teil der Fleisch-
            und Milchproduktion in Länder außerhalb der EU exportiert wird, dient der
            größte Teil davon dem übermäßigen Appetit auf Fleisch und Milchprodukte:
            Der Durchschnittsbürger in Westeuropa konsumiert 85 kg Fleisch und 260 kg
            Milchprodukte pro Jahr, mehr als doppelt so viel wie der globale Durchschnitt.18
            Der Fleisch- und Milchkonsum in Europa gibt Anlass zur Sorge um die öffentliche
            Gesundheit. Im Januar 2019 kam ein Bericht von The Lancet zu dem Schluss,
            dass eine gesunde Ernährung für Menschen und den Planeten eine „Verringe­rung
            von 50 % des weltweiten Konsums ungesunder Lebensmittel” – insbesondere
            von rotem Fleisch – und einen „Anstieg des Konsums gesunder Lebensmittel
            wie Nüsse, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte um mehr als 100 % erfordert“.19

            NICHT NUR DIE GESUNDHEIT DER EUROPÄISCHEN BÜRGER
            IST GEFÄHRDET: DER ÜBERMÄSSIGE KONSUM VON FLEISCH
            UND MILCHPRODUKTEN TRÄGT DIREKT UND INDIREKT ZUR
            GLOBALEN KLIMAKRISE BEI.
            Die EU selbst kam zu dem Schluss, dass der Import von Soja – hauptsächlich
            für Tierfutter – in der Vergangenheit der Faktor war, der am stärksten zur welt-
            weiten Entwaldung und den damit verbundenen Emissionen beigetragen hat.
            Fast die Hälfte der Entwaldungsrate im Zusammenhang mit EU-Importen geht
            auf das Konto von Soja. 20
            Die Lösung hierfür besteht nicht darin, die Sojaproduktion in die EU zu verla-
            gern. Rund 70 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche der EU (einschließlich
            Acker- und Grünland) – etwa 1,2 Millionen km² – werden bereits für Tierfutter
            genutzt. 21 Weitere 110.000 km² (eine Fläche so groß wie Österreich und Belgien
            zusammen 22) wären erforderlich, um das Gesamtvolumen der Sojaimporte in die
            EU zu ersetzen. 23 Eine Unabhängigkeit von Sojaimporten und anderen Eiweiß­
            pflanzen, würde – ohne die Produktion und den Verbrauch von tierischen Er-
            zeugnissen drastisch zu reduzieren – die Bereitstellung von fast 30 % der Acker­
            fläche in der EU erfordern, die nicht bereits für die Viehzucht genutzt wird. 24
            Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen 25 und den wachsenden
            Bedrohungen für Gesundheit und biologische Vielfalt zu begegnen, müsste die
            EU bestrebt sein, die Produktion und den Verbrauch von tierischen Erzeugnissen
            bis 2050 um 80 % zu senken. 26 Dieser Wandel kann mit Hilfe politischer Hebel,
            einschließlich der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP), sowie
            durch Informationskampagnen und die Neuzuweisung der öffent­lichen Zuschüsse
            zur Förderung der pflanzlichen Ernährung und des ökologi­schen Landbaus
            erreicht werden. Sojaimporte spielen eine tragende Rolle bei dem übermä­ßigen
            Konsum von Fleisch und Milchprodukten in der EU sowie in der globalen
            Klimakrise. Angesichts dessen müssen dringend Maßnahmen zur Halbierung
            der europäischen Produktion und des Verbrauchs von tierischen Erzeugnissen
            ergriffen werden.

            ▶ Sojaplantagen in Brasilien, für die der Regenwald
              zerstört wurde, Bundesstaat Mato Grosso
            © Markus Mauthe / Greenpeace

6   Intro
WIE DIE EUROPÄISCHE NACHFRAGE NACH SOJA DIE KLIMAKRISE VERSCHÄRFT - DEUTSCHE ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG DES ENGLISCHEN REPORTS - Greenpeace ...
HOOKED ON MEAT

1
DAS
PROBLEM
MIT
SOJA

                       7
WIE DIE EUROPÄISCHE NACHFRAGE NACH SOJA DIE KLIMAKRISE VERSCHÄRFT - DEUTSCHE ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG DES ENGLISCHEN REPORTS - Greenpeace ...
ENTWALDUNG UND
                 ZERSTÖRUNG VON
                 ÖKOSYSTEMEN
                 Weltweit steigende                                  krise. Die Sojaindustrie war ein wesentlicher
                 Nach­frage nach Soja treibt                         Treiber hierfür: Fast 30% der Sojaexpansion im
                 die Entwaldung voran                                Amazonasgebiet in den Jahren 2004 bis 2006
                                                                     gingen auf die Kosten von wertvollem Regen­
                 Weltweit steigt die Sojaproduktion seit Jahren      wald, statt existierende Weiden oder andere
                 massiv an. 1997 wurden weltweit 144 Millionen       bereits gerodete Flächen zu nutzen. 33
                 Tonnen Soja produziert; 20 Jahre später hatte
                 sich die Produktion mehr als verdoppelt und         Im Jahr 2006 hat eine Greenpeace-Kampagne
                 erreichte 353 Millionen Tonnen. 27 Seit 1998 ist    den Zusammenhang zwischen Entwaldung
                 die USA das wichtigste Erzeugerland, gefolgt        im Amazonasgebiet und Sojaexpansion aufge­
                 von Brasilien und Argentinien. 28 Über 88% der      zeigt. 34 Initiiert von Greenpeace einigten sich
                 weltweiten Sojaernte stammt aus Amerika. 29         daraufhin die großen Soja-Händler, zivilgesell­
                                                                     schaftliche Organisationen und die brasiliani­
                 In Brasilien stieg die Sojaproduktion von           sche Regierung auf die Umsetzung des Soja­
                 26 Millionen Tonnen im Jahr 1997 auf 115 Millio­    moratoriums:35 Eine freiwillige Verpflichtung,
                 nen Tonnen im Jahr 2017. In Argentinien stieg       Soja nicht von Farmen im brasilianischen
                 die Sojaproduktion von 11 Millionen Tonnen im       Amazonasgebiet zu kaufen, die nach Juli 2006
                 Jahr 1997 auf 55 Millionen Tonnen im Jahr 2017.30   gerodet hatten (2014 geändert auf Juli 2008). 36
                 In einem ähnlichen Zeitraum stiegen die bra­        Nach mehreren temporären Verlängerungen
                 silianischen Sojaexporte von 19 Millionen           wurde das Moratorium 2016 auf unbestimmte
                 Tonnen auf 67 Millionen Tonnen31 und die argen­     Zeit verlängert. 37
                 tini­schen Exporte von 11 Millionen Tonnen auf
                 44 Millionen Tonnen. 32 Dies zeigt, dass der        Das Sojamoratorium war weitgehend erfolg­
                 Boom der Sojaproduktion exportgetrieben ist.        reich: Nach Juli 2008 sind lediglich 1,2% der
                                                                     Entwaldung im Amazonasgebiet auf Soja zurück­
                 Die rasante Expansion der Sojaproduktion            zuführen. 38 Trotzdem hat sich die Soja­industrie
                 treibt die Umwandlung von Wäldern und               weiter entwickelt und die Sojaanbaufläche im
                 anderen natürlichen Ökosystemen in riesige          brasilianischen Amazonasgebiet hat sich seit
                 Monokulturen, die von Pestiziden abhängig           2006 um 35.000 km² vergrößert. Der Sojaanbau
                 sind, in ganz Südamerika voran und reduziert        wurde insbesondere auf Flächen verlagert, die
                 die biologische Vielfalt erheblich.                 bisher für die Viehhaltung als Weideflächen
                                                                     genutzt wurden. 39 Viehzüchter wandeln neue –
                                                                     oftmals bewaldete – Flächen in Weiden um und
                                                                     der Sojaanbau rückt auf die alten Flächen
                                                                     nach.40 Angesichts dessen bleibt Soja ein
                 Der Kampf um den                                    wichtiger indirekter Treiber der Entwaldung.
                 Schutz des brasilianischen
                 Amazonas-Regenwald                                  Zudem droht das Sojamoratorium unter der
                                                                     neuen brasilianischen Regierung geschwächt
                 Vor fünfzehn Jahren befand sich der Amazonas-       zu werden. Während seines Wahlkampfes 2018
                 Regenwald in einer erheblichen Entwaldungs­         versprach Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro

8   Das Problem mit Soja
WIE DIE EUROPÄISCHE NACHFRAGE NACH SOJA DIE KLIMAKRISE VERSCHÄRFT - DEUTSCHE ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG DES ENGLISCHEN REPORTS - Greenpeace ...
HOOKED ON MEAT

GRAFIK 01   WELTWEITE SOJAPRODUKTION
            VON 1997–2017
            HERVORGEHOBEN SIND DIE TOP DREI PRODUZENTEN                                                            42

                     in
                   Mio. t.

               Argentinien         Brasilien       USA       Restliche Welt

            wiederholt, die brasilianischen Regierungs­          anderen lokalen Gemeinschaften werden
            behörden Ibama und ICMBio zu schwächen und           durch den Landraub verschärft.
            Schutzgebiete und indigenes Land für Land­
            wirtschaft und Bergbau zu öffnen. Während sich
            der Soja-Händlerverband ABIOVE verpflichtet
            hat, das Sojamoratorium aufrechtzuerhalten,          Der Cerrado: ein Ökosystem,
            wurden die Bemühungen von Bolsonaro zur
            Schwächung des Umweltschutzes von Aprosoja,
                                                                 bedroht vom Sojaanbau
            dem Verband der brasilianischen Sojabauern,          Der Cerrado ist die artenreichste Savanne der
            begrüßt.41                                           Welt. Hier leben schätzungsweise 5% der Tiere
                                                                 und Pflanzen unseres Planeten,46 von denen über
            Darüber hinaus treibt der neue Minister für          4.800 Arten nirgendwo sonst auf der Erde zu
            Infrastruktur, Tarcísio Freitas, große Infrastruk­   finden sind.47 Die Region wird als „Wiege des
            turprojekte im Amazonasgebiet voran, um die          Wassers“ bezeichnet, weil sie für acht der
            wachsende Nachfrage nach Soja aus der EU und         12 brasilianischen Flusseinzugsgebiete von
            anderen Ländern zu decken. Dazu zählen die           entscheidender Bedeutung ist; sie enthält die
            Pflasterung der Amazonas-Autobahn BR-319,43          Quellflüsse fast aller südlichen Nebenflüsse
            die Erweiterung der BR-163 44 und der Bau einer      des Amazonas sowie mehrere Flüsse in den
            neuen Getreidetransportbahn.45 Ohne einen            Bundesstaaten Maranhão und Piauí.48 Trotz
            starken Plan und Maßnahmen zur Bekämpfung            seines ökologischen Wertes schreiten die Ro­
            von Waldzerstörung ist das Gebiet des Amazo­         dungen im Cerrado massiv voran 49 und seine
            nas dieser Entwicklung schutzlos ausgesetzt.         Wälder und Wiesen werden in Sojafarmen
            Das Risiko der Waldzerstörung steigt weiter an       und Viehfarmen umgewandelt. 50 Schätzungen
            und die Konflikte mit indigenen Völkern oder         zufolge ist im Cerrado bereits die Hälfte der

                                                                                     Das Problem mit Soja     9
WIE DIE EUROPÄISCHE NACHFRAGE NACH SOJA DIE KLIMAKRISE VERSCHÄRFT - DEUTSCHE ÜBERSETZUNG UND ÜBERARBEITUNG DES ENGLISCHEN REPORTS - Greenpeace ...
ursprünglichen Vegetation (etwa 88 Million         Die Gran Chaco-Wälder:
                  Hektar 51, die Größe von Venezuela 52) zerstört.
                  Die verbleibende Fläche bindet eine Kohlen­        ausgebeutet für Sojaanbau
                  stoffmenge, welche äquivalent zu 13,7 Giga­        und Rinderhaltung in
                  tonnen CO2 ist. 53                                 Argentinien, Paraguay und
                  Insbesondere das als Matopiba bekannte Ge­         Bolivien
                  biet des Cerrado ist derzeit massiv durch die      Das Ökosystem des Gran Chaco umfasst eine
                  Expansion der Agrarindustrie von Entwaldung        Fläche von mehr als 1,1 Millionen km² und er­
                  bedroht. 54 Das Gebiet liegt in den brasiliani­    streckt sich über Teile von Argentinien, Para­
                  schen Bundesstaaten Maranhão, Tocantins,           guay und Bolivien. 59 Die Region bildet den
                  Piauí und Bahia und umfasst eine Fläche von        größten tropischen Trockenwald Südamerikas
                  738.000 km². 55 Zwischen 2007 und 2014 gingen      und ist – nach dem Amazonas – das zweit­
                  fast zwei Drittel der landwirtschaftlichen         größte Waldgebiet.60 „Chaco“ kommt von einem
                  Expansion in Matopiba auf Kosten der Wälder        Quechua-Wort, das Jagdgebiet bedeutet.61
                  und anderer heimischer Vegetation. 56              Das Gebiet ist mit seinen dornigen Bäumen,
                                                                     Sträuchern und Gräsern die Heimat von Tausen­
                  Einer Analyse von Trase – einer Nichtregie­        den von Pflanzenarten und Hunderten von
                  rungsorganisation (NGO), die sich für mehr         Vogelarten, Reptilien und Säugetieren, darunter
                  Transparenz in den Lieferketten für landwirt­      Jaguare, Gürteltiere und Riesenameisenbären.62
                  schaftliche Rohstoffe einsetzt – zufolge waren
                  zwischen 2010 und 2015 nur fünf Händler für        Der Gran Chaco leidet unter einer der höchsten
                  mehr als drei Viertel der gesamten Sojaexporte     Entwaldungsraten der Welt,63 bedingt durch die
                  aus Matopiba verantwortlich. Darunter auch         landwirtschaftliche Expansion für Rinderzucht
                  Mitglieder des Sojamoratoriums: ADM, Bunge         und Soja.64
                  und Cargill. 57 Diese Händler, die eine positive
                  Rolle beim Sojamoratorium eingenommen              Satellitenbilder von 2017 zeigen, dass bis dato
                  hatten, 58 trugen also dennoch zur Zerstörung      etwa 23% (nahezu 27.000 Hektar) der Wälder
                  des Cerrado bei.                                   des Gran Chaco in Ackerland oder Weideland
                                                                     umgewandelt wurden.65 3,4 Millionen Hektar
                                                                     natürliches Waldgebiet (5 % der totalen Wald­
                                                                     fläche) gingen allein zwischen 2010 und 2017
                                                                     verloren.66 Die Länder, über die sich der Gran
                                                                     Chaco erstreckt, gehören zu den zwölf Ländern
                                                                     mit dem höchsten Gesamtverlust der Baum­
                                                                     bedeckung (2010 – 2018).67 Die Expansion der
                                                                     Agrarindustrie steht zudem im Zusammenhang
                                                                     mit der Unterdrückung und Versklavung
                                                                     der indigenen Bevölkerung 68 und anderen
                                                                     Menschenrechtsverletzungen.69

10   Das Problem mit Soja
HOOKED ON MEAT

GRAFIK 02   ANSTIEG DER SOJAPRODUKTION
            UND SOJAEXPORTE
            (VERGLEICH 1997 UND 2017)

                                                in
            ARGENTINIEN                       Mio. t.

               Sojaproduktion   Sojaexporte

                                                in
            BRASILIEN                         Mio. t.

               Sojaproduktion   Sojaexporte

                                                  Das Problem mit Soja   11
GRAFIK 03         KARTE DER BETROFFENEN GEBIETE

                                    Amazonas-Regenwald

                                                              Cerrado

                                       Gran Chaco

                       Matopiba                     Amazonas-Regenwald
                       Entwaldung                   Cerrado
                                                    Gran Chaco

                  0   250   500   1.000
                                      km      N

12   Das Problem mit Soja
HOOKED ON MEAT

AUSWIRKUNGEN AUF
UMWELT, GESELLSCHAFT
UND GESUNDHEIT
Abhängigkeit der aktuellen                          technisch verändertem Saatgut und chemischen
                                                    Pestiziden tragen zwangsläufig zum Verlust der
Sojaproduktion von                                  biologischen Vielfalt bei.76 Das hauptsächlich
gentechnisch verändertem                            verwendete Glyphosat 77 wurde von der Welt­
Saatgut und Pestiziden                              gesundheitsorganisation als „wahrscheinlich
                                                    krebserregend für den Menschen“ eingestuft.78
Die Entwaldung sowie die Umwandlung und             Zudem werden Fungizide und Insektizide auch
Schädigung natürlicher Ökosysteme sind nicht        im Sojaanbau routinemäßig eingesetzt.79
die einzigen negativen Umweltauswirkungen
der expandierenden industriellen Sojaproduk­        Eine Fallstudie eines großen Sojaproduzenten
tion. Weltweit ist etwa 50% des produzierten        in Brasilien berichtete über den Einsatz
Soja gentechnisch verändert (GM),70, das gilt       2008/2009 von 18 Herbiziden, 13 Insektiziden
ebenso für 95% des in Brasilien und Argentinien     und 8 Fungiziden in seinen Nutzpflanzen.80
angebauten Sojas.71 Die Technologien hinter         Darüber hinaus wurden 2012 mehr als 25% der
den verschiedenen gentechnisch veränderten          Sojapflanzen in Brasilien mit Flugzeugen be­
Sojasorten gehören einer Handvoll multinatio­       sprüht,81 eine Praxis, die die EU bereits 2009
naler Unternehmen, die vom Bayer-Konzern            aus Sorge um die potenziellen Gesundheits-
dominiert werden (der im Juni 2018 den US-          und Umweltauswirkungen verboten hat.82
Riesen Monsanto aufgekauft hatte).72 Sie dienen
vor allem dazu, dass die GM Pflanzen dem            Keine der in Brasilien und Argentinien ange­
Sprühen mit Herbiziden standhalten. Von dem         bauten gentechnisch veränderten Sojapflanzen
GM Soja, das in Brasilien angebaut wird, sind       ist für den Anbau in der EU zugelassen. Auch
40% herbizidtolerant (vor allem Monsanto/           mehrere Pestizide, die für diese Nutzpflanzen
Bayers Roundup Ready® GM-Soja, das glypho­          verwendet werden, sind nicht für die Verwen­
satverträglich ist) und 60% gentechnisch            dung in der europäischen Landwirtschaft
verändert, um sowohl glyphosat­tolerant als         zugelassen.83 Zu den verbotenen Pestiziden
auch insektenresistent zu sein (Monsantos           gehören Carbofuran, Metolachlor, Paraquat,
Intacta™).73 In Argentinien ist 83 % des GM-Sojas   Tebuthiuron und Trifluralin (die in Brasilien
herbizidtolerant (wiederum überwiegend              eingesetzt werden) 84 und MSMA, Haloxyfop,
gegenüber Glyphosat) und 17 % wiederum gen­         Imazethapyr, Atrazin und Paraquat (die in Ar­
technisch verändert, um sowohl glyphosat­           gentinien eingesetzt werden).85 Mit der Einfuhr
tolerant als auch insektenresistent zu sein         von Soja und Sojaprodukten aus diesen
(Monsantos Intacta™).74                             Ländern ignoriert die EU schädliche Anbau­
                                                    methoden, die sie innerhalb ihrer Grenzen
Seit der Einführung von GM-Nutzpflanzen Mitte       nicht tolerieren würde – eine inakzeptable
der 90er Jahre ist der Einsatz von Pestiziden,      Doppelmoral.
einschließlich Herbiziden, pro Flächeneinheit
sowohl in Argentinien als auch in Brasilien um
mehr als 170% gestiegen.75 Die großflächige
Umwandlung des natürlichen Lebensraums in
intensive Sojamonokulturen und die starke
Abhängigkeit von insektenresistentem gen­

                                                                        Das Problem mit Soja    13
Auswirkungen auf die                               Verletzung der Rechte von
                  Biodiversität und die                              Arbeitnehmern, indigenen
                  menschliche Gesundheit                             Völkern und anderen lokalen
                  Eine aktuelle Studie über die globalen Insekten­
                                                                     Gemeinschaften
                  populationen ergab, dass 40 % der Insekten­        Die rasche Ausweitung der Sojaproduktion in
                  arten in den nächsten Jahrzehnten vom Aus­         Südamerika wird mit Landraub, Vertreibung,
                  sterben bedroht sein könnten. Dies ist vor allem   Schuldknechtschaft und anderen Formen der
                  auf den Verlust von Lebensräumen durch             Sklaverei sowie weiteren Menschenrechts­
                  Landumwandlung in intensive Landwirtschaft         verletzungen gegen indigene Völker, lokale
                  und Urbanisierung sowie auf die Verschmut­         Gemeinschaften und Arbeiter in Verbindung
                  zung mit synthetischen Pestiziden und Dünge­       gebracht.91
                  mitteln zurückzuführen.86
                                                                     Diese Ungerechtigkeiten werden durch das
                  Diese Bedrohungen sind umso größer, wenn           Versagen von Bundes- und Kommunalregie­
                  sie besonders artenreiche Lebensräume, wie         rungen verschärft, indigene Völker und
                  den Amazonas- Regenwald, den Cerrado und           Anwohner wirksam zu schützen. Gleichzeitig
                  den Gran Chaco betreffen. In diesen Gebieten       ist die wirtschaftliche und politische Macht der
                  leben Tausende von endemischen Arten, die          Unternehmensgruppen und Einzelpersonen,
                  durch die intensive Landwirtschaft, die groß­      die die Produktion und den Handel mit Soja
                  flächige Landumwandlung sowie den Einsatz          kontrollieren, gewachsen, ebenso wie der
                  von Pestiziden und gentechnisch veränderten        Landbesitz in den Händen einiger weniger
                  Pflanzen gefährdet sind.87                         Großgrundbesitzer.

                  Neben den Umweltschäden ist auch die               Ein entscheidender Weg zum Schutz der Wälder
                  menschliche Gesundheit gefährdet. Ein Bericht      und zur Eindämmung des Verlustes der biolo­
                  der NGO Human Rights Watch aus dem Jahr            gischen Vielfalt besteht darin, die Landrechte
                  2018 ergab, dass die Landbevölkerung in Bra­       der indigenen Völker und der lokalen Gemein­
                  silien von Pestiziden, die beim Versprühen aus     schaften anzuerkennen und rechtlich zu
                  dem Zielgebiet wegdrifteten, betroffen war.88      schützen.92
                  Laut dem UN-Sonderberichterstatter des
                  UN-Hochkommissars für Menschenrechte
                  (OHCHR) wurden 2017 in offiziellen brasiliani­
                  schen Regierungsdaten 5.501 Fälle von akuten
                  Pestizidvergiftungen verzeichnet – fast doppelt
                  so viel wie zehn Jahre zuvor.89 Eine Studie in
                  Rio Grande do Sul ergab, dass Arbeiter auf Soja­
                  farmen einem Cocktail von Pestiziden aus­
                  gesetzt waren und empfahl die Überwachung
                  genetischer Marker für die Toxizität bei
                  solchen Arbeiten.90

                                                                     ▶	Der Name Matopiba erklärt sich durch die
                                                                        Lage in den brasilianischen Bundesstaaten
                                                                        Maranhão, Tocantins, Piauí und Bahia
                                                                     © Marizilda Cruppe / Greenpeace

14   Das Problem mit Soja
HOOKED ON MEAT

2
EU-NACHFRAGE
NACH FLEISCH
UND MILCH-
PRODUKTEN
TREIBT SOJA-
IMPORTE AN

                     15
Die EU importiert jährlich rund 33 Millionen          und eine immer stärkere Konzentration dieser
                   Tonnen Sojaprodukte,93 angetrieben vom                Produktion auf weniger, größere und inten­
                   Appetit der Bevölkerung auf Fleisch und Milch­­       sivere Betriebe. Dies geht mit einem entspre­
                   produkte: Der Durchschnittsbürger in West­            chenden Anstieg der Nachfrage nach Kraft­
                   europa konsumiert 85 kg Fleisch und 260 kg            futter, hauptsächlich aus Soja und Getreide,
                   Milchprodukte pro Jahr, mehr als doppelt              und den damit verbundenen Auswirkungen
                   so viel wie der globale Durchschnitt.94               auf den Tierschutz und den Einsatz von Anti­
                   Schätzungsweise 87 % des importierten Sojas           biotika einher.96
                   werden für Tierfutter verwendet, davon fast
                   50 % für Hühner (Masthühner für Fleisch und           Der hohe Fleisch- und Milchkonsum gibt
                   eierlegende Hühner), gefolgt von Schweinen            Anlass zu ernsthaften Bedenken im Bereich
                   (24 %), Milchkühen (16 %) und Fleischrindern (7 %).   der öffentlichen Gesundheit. Die Weltgesund­
                   Der Rest (4 %) wird für Zuchtfische und für die       heitsorganisation,97 der Weltkrebsforschungs­
                   Produktion von anderem Fleisch verwendet.95           fonds 98 und zahlreiche andere Gesundheits­
                                                                         organisationen und Wissenschaftler haben
                   Der zunehmende Einsatz von Soja als Futter­           bereits davor gewarnt, dass unser aktueller
                   mittel ist stark mit dem Aufkommen der                Fleischkonsum das Risiko von Diabetes,99
                   Massentierhaltung verbunden. Tatsächlich ist          Herzerkrankungen 100 und Krebs erhöht. Auch
                   das System der industriellen Fleisch- und             die EU-Gesundheitsbehörde empfiehlt, den
                   Milchproduktion von der Verfügbarkeit großer          Konsum tierischer Produkte zu reduzieren
                   Mengen proteinreicher Futtermittel abhängig.          zugunsten von pflanzlichen Lebensmitteln.101
                   Die wichtigsten Trends im europäischen
                   Tierhaltungssektor sind das Wachstum der
                   Milch-, Schweine- und Geflügelproduktion

GRAFIK 04          EU28 SOJAIMPORTE
                   2017

                                                                                               15%     USA
                                              29%
               ARGENTINIEN

                    BRASILIEN                                                                    19%      RESTLICHE
                                                                                                          WELT
                                              37%

16   EU-Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten treibt Sojaimporte an
HOOKED ON MEAT

GRAFIK 05   ANTEIL SOJA-FUTTERMITTEL
            PRO TIERKATEGORIE IN DER EU

               50%       HÜHNER
              (MASTHÄHNCHEN UND
                                                        24%
                                                        SCHWEINE
              EIERLEGENDE HÜHNER)

                   16%
                  MILCHKÜHE
                                                          7%
                                                     FLEISCHRINDER

                    4%
                   FISCH AUS
               AQUAKULTUR SOWIE
                ANDERES FLEISCH

                         EU-Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten treibt Sojaimporte an   17
GRAFIK 06          SOJA WIRD HAUPTSÄCHLICH FÜR
                   TIERFUTTER GENUTZT

                                                                                          7%      LEBENSMITTEL

      TIERFUTTER                87,4 %
                                                                                         5,6%     BIODIESEL

                   Im Januar 2019 kam ein Bericht von The Lancet       Auch der übermäßige Konsum von Fleisch
                   zu dem Schluss, dass eine für Menschen und          und Milchprodukten trägt zur Klimakrise bei.
                   den Planeten gesunde Ernährung „erhebliche          Die Tierhaltung – die Nutztiere selbst und
                   Ernährungsumstellungen erfordert, einschließ­       die Futtermittelproduktion – treibt die Wald­
                   lich einer mehr als 50-prozentigen Verringe­        zerstörung signifikant voran 105 und macht etwa
                   rung des weltweiten Konsums ungesunder              60% der Treibhausgasemissionen (GHG) aus
                   Lebensmittel, wie z. B. rotem Fleisch“ und „einen   der Landwirtschaft aus.106 Dies ist ein weiterer
                   Anstieg von 100 % des Konsums gesunder              Grund, warum verschiedene Behörden eine
                   Lebensmittel, wie z. B. Nüsse, Obst, Gemüse         Umstellung auf pflanzliche Ernährung befürwor­
                   und Hülsenfrüchte“.102                              ten. Der im März 2019 veröffentlichte Bericht
                                                                       des Umweltprogramms der Vereinten Nationen
                                                                       Global Environment Outlook ist die jüngste
                   DIE AGRARPOLITIK IN DER
                                                                       Studie, in der festgestellt wurde, dass weniger
                   EU UNTERSTÜTZT DIESES                               Fleischkonsum den Fußabdruck der landwirt­
                   FLEISCH- UND MILCHBASIERTE                          schaftlichen Flächennutzung durch die Nah­
                   ERNÄHRUNGS­S YSTEM, VOR DEM                         rungsmittelproduktion und damit die Auswir­
                   WISSENSCHAFT­L ER UND                               kungen auf Umwelt und Klima erheblich
                   EU-GESUNDHEITSBEAMTE WARNEN.                        verringern würde.107

                   Fast drei Viertel der landwirtschaftlichen
                   Nutzfläche der EU wird dazu verwendet, um
                   Nutztiere zu ernähren – nicht die Menschen.103
                   Etwa ein Fünftel des jährlichen Gesamthaus­
                   halts der EU – zwischen 28,5 und 32,6 Mrd. €
                   an EU-Mitteln, einschließlich der Zahlungen
                   der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) – geht
                   an Viehzuchtbetriebe oder Betriebe, die
                   Futtermittel für Tiere erzeugen.104

18   EU-Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten treibt Sojaimporte an
HOOKED ON MEAT

EINE VON DER EU SELBST DURCH-                        UM DIE ZIELE DES PARISER KLIMA­
GEFÜHRTE ANALYSE ERGAB, DASS                         ABKOMMENS 113 ZU ERREICHEN
IN DER VERGANGENHEIT 47 % DER                        UND DIE WACHSENDE KRISE IN
WELTWEITEN ENTWALDUNG IM                             DEN BEREICHEN GESUNDHEIT UND
ZUSAMMENHANG MIT EU-IMPOR-                           BIOLOGISCHE VIELFALT ZU BE-
TEN ALLEIN AUF SOJA ZURÜCK-                          WÄLTIGEN, MUSS DIE EU IHREN
ZUFÜHREN SIND. 108                                   VERBRAUCH UND DIE PRODUKTI-
                                                     ON VON FLEISCH UND MILCH­
Eine Verlagerung der Sojaproduktion in die EU        PRODUKTEN BIS 2050 DRASTISCH
wäre keine Lösung. Rund 70 % der Acker- und          SENKEN. 114
Grünflächen in der EU – rund 1,2 Mio. km² –
werden bereits zur Herstellung von Futtermit­        Dies sollte durch politische Hebel erreicht
teln für Nutztiere genutzt.109 Weitere 110.000 km²   werden, einschließlich einer wirksamen Reform
(eine Fläche so groß wie Österreich und Belgien      der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Nur so
zusammen 110) wären erforderlich, um das der­        kann verhindert werden, dass Gelder weiterhin
zeit in den EU-Markt importierte Soja anzu­          in die Intensivtierhaltung und industrielle
bauen.111 Um den derzeitigen Verbrauch von Soja      Landwirtschaft fließen – stattdessen sollten die
und anderem Getreide in der Fleisch- und             Subventionen eine stärker pflanzenbasierte
Milchindustrie selbst abzudecken, müsste die         Ernährung fördern und in diesem Zusammen­
EU fast 30 % der ohnehin begrenzten Acker­           hang besonders der ökologischen Landwirt­
fläche, die derzeit nicht für die Tierproduktion     schaft zugute kommen.
genutzt wird, hierfür umwandeln.112 Dies würde
weder die Probleme der Klimaauswirkungen
noch der Gesundheitsauswirkungen, die sich
aus unserem übermäßigen Verzehr von Fleisch
und Milchprodukten ergeben, beheben. Im Ge­
genteil, es könnte sogar die Produktion einiger
Produkte ins Ausland verlagern und so mög­
licherweise ein Treiber der Entwaldung durch
einen anderen ersetzt werden.

                       EU-Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten treibt Sojaimporte an         19
GRAFIK 07         VERSTECKTES SOJA IN UNSEREN LEBENSMITTELN

                          100                            100                               100
                           G                              G                                 G
                                     109 G                            51 G                                 46 G

                     Hähnchenbrust                 Schweinekotelett                     Hamburger

                           55                            100
                           G                              G
                                      35 G                            25 G

                            Ei                           Käse

                  ANTEIL AN SOJA, DER ZUR                       ▶	Sojabohnenplantage im brasilianischen
                  PRODUKTION UNSERER                               Cerrado, Bundesstaat
                  LEBENSMITTEL BENÖTIGT WIRD                    © Otto Ramos / Greenpeace

20 EU-Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten treibt Sojaimporte an
HOOKED ON MEAT

3
DIE NAHRUNGS-
MITTEL- UND
AGRAR-REVOLU-
TION, DIE WIR
BRAUCHEN

                     21
GESUNDE ERNÄHRUNG
                   FÜR DIE MENSCHEN UND
                   UNSEREN PLANETEN
                   Das globale Ernährungssystem – insbesondere             und intensiv bewirtschafteten Futtermitteln
                   die Produktion von Fleisch und Milchprodukten –         durch einen ökologischen Ansatz zu ersetzen:
                   ist ein starker Treiber sowohl für die Entwaldung       Wiederkäuer könnten auf Grünland grasen,
                   als auch für die Treibhausgasemissionen.115             während Schweine und Geflügel mit Lebens­
                   Landwirtschaftliche Emissionen, auch durch              mittelresten (die unnötig in der Tonne landen)
                   Entwaldung und Landnutzungsänderungen,                  und Pflanzenresten gefüttert werden könnten.
                   machen fast ein Viertel der globalen Treibhaus­
                   gasemissionen aus.116 Die Nutztierhaltung – die
                                                                           EIN GESÜNDERER UND NACH­
                   Tiere selbst und die Futtermittelproduktion –
                   ist für etwa 60 % der weltweiten Treibhausgas­
                                                                           HALTIGERER FLEISCH- UND
                   emissionen aus der Landwirtschaft verantwort­           MILCHKONSUM BEDEUTET, DASS
                   lich.117 Soja, das hauptsächlich als Tierfuttermittel   DER DURCHSCHNITTSBÜRGER
                   verwendet wird, machte in der Vergangenheit             BIS 2030 NICHT MEHR ALS 24 KG
                   fast die Hälfte der Entwaldung aus, die im              FLEISCH UND 57 KG MILCH­
                   Zusammenhang mit EU-Importen steht.118                  PRODUKTE PRO JAHR VERZEHRT.

                   GREENPEACE FORDERT, DASS
                                                                           Dies entspricht in etwa der im EAT-Lancet
                   SICH DER WELTWEITE VERBRAUCH                            Bericht befürworteten sogenannten „Planetary
                   VON TIERISCHEN PRODUKTEN                                Health Diet”, die nicht mehr als 98 Gramm
                   BIS 2050 HALBIERT.                                      rotes Fleisch (Schwein, Rind oder Lamm),
                                                                           203 Gramm Geflügel und 196 Gramm Fisch pro
                   Für Europa, wo der Fleisch- und Milchkonsum             Woche empfiehlt: zusammen etwas mehr als
                   etwa doppelt so hoch ist wie im weltweiten              25 kg pro Jahr.120
                   Durchschnitt 119 bedeutet dies eine stärkere und
                   schnellere Reduzierung: etwa 80% bis 2050.
                   Um ein solches Ziel zu erreichen, muss die Pri­
                   orität darin bestehen, den Konsum von schäd­
                   lichen Fleisch- und Milchprodukten zu senken
                   und die Zahl der Nutztiere zu reduzieren.

                   Die Erreichung dieses Ziels geht Hand in Hand
                   mit einem Übergang zum ökologischen Land­
                   bau – ein System, das die Ernährungssicherheit
                   gewährleistet und sowohl unser Klima als auch
                   unsere biologische Vielfalt schützt. Für den
                   Viehzucht Sektor bedeutet das, Tiere mit Res­
                   pekt und ohne Leid zu züchten und auf Flächen
                   zu halten, die nicht für die menschliche Nah­
                   rungsmittelproduktion oder die biologische
                   Vielfalt benötigt werden. Dies bedeutet auch,
                   den derzeitigen Gebrauch von proteinreichen

22   Die Nahrungsmittel- und Agrarrevolution, die wir brauchen
HOOKED ON MEAT

GRAFIK 08   DERZEITIGER DURCHSCHNITTLICHE KONSUM
            VON FLEISCH UND MILCHPRODUKTEN

                Fleisch: kg
                 pro Kopf
                 pro Jahr
                                                            Greenpeace    Greenpeace
                                                             2030-Ziel:   2050-Ziel:
                                                                  24 kg   50% weniger
                                                              pro Kopf    (Basis 2013)
                                                               pro Jahr   auf 16 kg
                                                                          pro Kopf
                                                                          pro Jahr

                Milchpro-
                dukte: kg
                pro Kopf
                pro Jahr                                    Greenpeace    Greenpeace
                                                             2030-Ziel:   2050-Ziel:
                                                                  57 kg   50% weniger
                                                              pro Kopf    (Basis 2013)
                                                               pro Jahr   auf 33 kg
                                                                          pro Kopf
                                                                          pro Jahr

              Welt   China   Brasilien    Argentinien    USA
              Westeurope   Südostasien     Afrika   Indien

            Zahlen aus 2013 (die jüngsten verfügbaren Zahlen
            aus FAOSTAT 2018)
            Kg Fleisch bezieht sich auf das Schlachtkörpergewicht, d. h. rohe und
            unverarbeitete Produkte zum Zeitpunkt des Verkaufs, wie in FAOSTAT.

                                         Die Nahrungsmittel- und Agrarrevolution, die wir brauchen   23
EINE DEUTLICHE REFORM
                   DER GEMEINSAMEN
                   AGRARPOLITIK
                   Seit mehr als einem halben Jahrhundert ermöglicht die Agrarpolitik der EU
                   neben der damit verbundenen Handelspolitik den Ausbau der indus­tri­
                   ellen Fleisch- und Milchproduktion. Dies hatte erhebliche Auswirkungen
                   auf die öffentliche Gesundheit und die Umwelt – auch außerhalb der EU.
                   Die EU-Agrarsubventionen sollten stattdessen verwendet werden, um den
                   Übergang zu einer pflanzlichen Ernährung zu erleichtern und eine öko­
                   logische Tierproduktion zu fördern. Die EU muss den Übergang zu agrar-
                   ökologischen Anbaumethoden deutlich beschleunigen.

                   Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) ist einer der wichtigsten poli-
                   tischen Hebel, die bestimmen, wie Lebensmittel in der EU hergestellt und
                   konsumiert werden. Sie hat zur Konzentration und Industrialisierung des
                   europäischen Agrarsektors geführt. Die Folge: Der Großteil der kleineren
                   Betriebe verschwand, vor allem die großen industriell arbeitenden Betriebe
                   konnten sich durchsetzen. Die Erzeugung von tierischen Produkten in
                   der EU ist heute auf wenige Länder konzentriert. Deutschland, Frankreich,
                   Spanien und das Vereinigte Königreich beispielsweise erzeugen zusam-
                   men 54 % der Rinder, 50 % der Schweine und 54% der Schafe und Ziegen in
                   der EU 121.

                   Eine konsequente Reform der GAP ist von entscheidender Bedeutung,
                   um den notwendigen Wandel zu einer gesünderen und nachhaltigeren Er-
                   nährung zu ermöglichen und dazu beizutragen, die europäische Landwirt-
                   schaft vom derzeitigen Modell der Massentierhaltung abzukoppeln. Der
                   GAP-Reformprozess hat bereits begonnen, und die neuen Richtlinien
                   sollen ab 2021 gelten.122 Die Europäer haben die Chance, das europäische
                   Ernährungssystem zu verbessern und nachhaltige, nahrhafte und erschwing­
                   liche Lebensmittel für alle bereitzustellen. Greenpeace fordert die Ent-
                   scheidungsträger auf europäischer und nationaler Ebene auf, sich für eine
                   GAP einzusetzen, die unsere Gesundheit, die Umwelt und die Lebens-
                   grundlage der ländlichen Gemeinschaften schützt. Die folgenden Schritte
                   sind hierfür dringend notwendig:

24   Die Nahrungsmittel- und Agrarrevolution, die wir brauchen
HOOKED ON MEAT

  1                                                 3

Keine GAP-Gelder für                              Unterstützung für den
Massentierhaltung                                 ökologischen Anbau von
GAP-Gelder sind öffentliche Mittel, die Umwelt­   Obst und Gemüse
verschmutzung nicht belohnen sollten. Bei         Obwohl der Nutztierhaltung-Sektor für 14% der
einer großen Anzahl von Tieren unter beengten     weltweiten Treibhausgasemissionen verant­
Verhältnissen stoßen Tierfabriken hohe Men­       wortlich ist, erhält er eine beträchtliche
gen an klimaschädlichen Methan, umweltschäd­      GAP-Unterstützung, sowohl direkt als auch
lichen Ammoniak und umweltschädlichen             über Zahlungen für den Anbau von Futter­
Lachgas aus. GAP-Gelder sollten die industri­     pflanzen. Stattdessen sollten GAP-Zahlungen
elle Massentierhaltung nicht unterstützen.        bevorzugt nach diesen Kriterien verwendet
                                                  werden:
                                                  • Unterstützung der ökologischen Er­
                                                     zeugung von Obst, Gemüse und Hülsen-
  2                                                  früchten für den direkten menschlichen
                                                     Verzehr und
Weniger und dafür bessere                         •F
                                                    örderung gesunder Ernährung, z. B. durch
Fleisch- und Milchprodukte                         Stärkung eines EU-weiten Schulobst-
fördern                                            und -gemüsesystems und Finanzierung
                                                   von Kampagnen zu Fleischalternativen.
Die GAP-Zahlungen sollten Betriebe unterstüt­
zen, die eines oder mehrere dieser Kriterien
erfüllen:
• Maßnahmen zur schrittweisen Reduktion
 der Tierzahlen - und damit zur Reduktion           4
 von Emissionen (Methan, Ammoniak, ...)
•A
  ufzucht von Tieren in ökologisch be-           Verschärfung der
 wirtschafteten extensiven 123 (Low-Input-,       Umwelt-Voraussetzungen
 Freilandhaltung) Systemen; und                   für GAP-Subventionen
•A
  bschaffung des routinemäßigen Ein­             Die Europäische Kommission hat angekündigt,
 satzes von Antibiotika. Verzicht auf Anti­       dass die Umweltkriterien, die die Landwirte
 biotika, die zur Behandlung von Menschen         einhalten müssen, um GAP-Gelder zu erhalten,
 eingesetzt werden, um das Risiko der Bildung     verbessert werden. Dazu gehört auch die Ein­
 resistenter Keime zu verringern.                 haltung aller EU-Umweltschutzvorschriften,
                                                  einschließlich der Gesetze zum Schutz unseres
                                                  Wassers vor Verschmutzung, zur Begrenzung
                                                  schädlicher Emissionen, zur Kontrolle des
                                                  Einsatzes von Pestiziden und zum Schutz von
                                                  Wildtieren und natürlichen Lebensräumen.

                                Die Nahrungsmittel- und Agrarrevolution, die wir brauchen   25
Ökologische Tierhaltung nahe Wien,
Österreich
© Mitja Kobal / Greenpeace

Küken auf einem Öko-Bauernhof
in Bulgarien
© Ivan Donchev / Greenpeace

26
HOOKED ON MEAT

  5                                                 7

Verbindliche GAP-Ziele                            Mindestens 50% der
für alle Länder                                   GAP-Subventionen für
Die Europäische Kommission hat neun überge­       Gesundheits-, Klima- und
ordnete Ziele vorgeschlagen, die die EU-Länder
im Rahmen ihrer nationalen GAP-Pläne ver­
                                                  Umweltschutz
folgen können. Vier davon betreffen die öffent­   Derzeit gehen die Direktzahlungen der GAP
liche Gesundheit, den Klimawandel und die         an Landwirte, unabhängig davon, ob sie der
Umwelt. Es sollte nicht den Regierungen über­     menschlichen Gesundheit oder der Umwelt
lassen bleiben, aus diesen neun Zielen auszu­     helfen oder schaden. Die neue GAP sollte
wählen. Die Länder müssen mindestens die          sicherstellen, dass mindestens 50 % dieser
Gesundheits-, Klima- und Umweltziele erfüllen.    Direktzahlungen für Gesundheits- und
                                                  Umweltschutz ausgegeben werden.

  6
                                                    8
Stärkung der
GAP-Umweltmaßnahmen                               Unterstützung nachhaltig
Die Europäische Kommission erklärt, dass sie
                                                  wirtschaftender Kleinbauern
den Umweltschutz im Rahmen der GAP ver­           Öffentliche Gelder sollten die Vielfalt auf un­
bessern will. In ihrem neuen Haushaltsvoran­      seren Feldern und auf unserem Teller fördern.
schlag reduziert die EU allerdings die verfüg­    Zwischen 2005 und 2013 mussten jedoch ein
baren Mittel für die „ländliche Entwicklung“      Viertel der europäischen Landwirtschaftsbe­
um ein Viertel, die in der Vergangenheit den      triebe (3,5 Millionen Unternehmen) schließen.
besten Gesundheits- und Umweltschutz er­          Viele der verbleibenden Betriebe haben sich
bracht hat. Der Geldbetrag für die ländliche      kontinuierlich erweitert. Um kleine Betriebe
Entwicklung, insbesondere für den ökologi­        zu unterstützen, die ökologischen Landbau
schen Landbau, biologischen Landbau und die       betreiben oder versuchen, auf diesen umzu­
naturnahe Landwirtschaft, muss erheblich          stellen, muss die neue GAP:
erhöht werden.                                    •e
                                                    ine Obergrenze für die Höhe der Sub-
                                                   ventionen festlegen, die ein einzelner
                                                   Begünstigter erhalten kann, um die von
                                                   großen industriellen Betrieben erhaltenen
                                                   Beträge wirksam zu begrenzen; und
                                                  •a
                                                    bsteigende Zahlungssysteme (degressive
                                                   payments) einführen, die kleineren Betrie­
                                                   ben mehr Geld einbringen.

                                Die Nahrungsmittel- und Agrarrevolution, die wir brauchen      27
INTENSIVIERUNG DER
                   EU-MASSNAHMEN ZUM
                   SCHUTZ DER WÄLDER UND
                   ANDEREN NATÜRLICHEN
                   ÖKOSYSTEMEN
                   Im Dezember 2018 kündigte die Europäische Kommission auf Anraten
                   des Europäischen Parlaments 124 und mehreren europäischen Ländern 125 an,
                   die Maßnahmen gegen die weltweite Entwaldung und Waldschädigung zu
                   verstärken.126

                   Die Kommission räumte ein, dass „die EU als wichtiger Importeur von Agrar-
                   rohstoffen Teil des Problems ist, aber auch Teil der Lösung sein kann“.127
                   Zu diesem Zweck kam eine kürzlich von der Kommission finanzierte Studie zu
                   dem Schluss, dass ein Maßnahmenpaket mit neuen Rechtsvorschriften die
                   größten Auswirkungen haben würde.128

                   Greenpeace fordert die EU auf, rasch einen umfassenden und ehrgeizigen
                   Aktionsplan, einschließlich neuer Gesetze, zu verabschieden, um die Ursachen
                   der Entwaldung, der Waldschädigung und der Umwandlung oder Verschlech-
                   terung anderer natürlicher Ökosysteme anzugehen. Die EU sollte bestrebt sein,
                   ihre zerstörerischen Auswirkungen auf Wälder und natürliche Ökosysteme zu
                   beseitigen. Zudem müssen natürliche Lebensräume geschützt und wiederher-
                   gestellt, der globale ökologische Fußabdruck verringert und Menschenrechte
                   geschützt werden. Parallel dazu muss ein Übergang von konventioneller Land­
                   wirtschaft zu ökologischer Landwirtschaft stattfinden und gefördert werden.
                   Die Vorschläge der Kommission müssen dem Ernst der Lage und der Dring-
                   lichkeit der aktuellen Klima- und Biodiversitätskrise entsprechen. Untätigkeit
                   oder halbgare Maßnahmen führen zu weiteren erheblichen Schäden für das
                   Leben der Menschen und die Umwelt.

                   Die Maßnahmen der EU zum Schutz der Wälder und anderer natürlicher
                   Ökosysteme sollten mindestens folgende Punkte beinhalten:129

28   Die Nahrungsmittel- und Agrarrevolution, die wir brauchen
HOOKED ON MEAT

  1                                                 3

Neue Gesetze                                      Verbrauch reduzieren
Binnenmarkt — Neue Rechtsvorschriften sind        Der Aktionsplan sollte politische Vorschläge
erforderlich, um sicherzustellen, dass alle im    enthalten, die darauf abzielen, eine Verrin­
EU-Binnenmarkt verkauften Wald-Risikogüter        gerung des Verbrauchs von Fleisch und
und Folgeprodukte (i) streng definierten Nach­    Milchprodukten sowie Einwegprodukten und
haltigkeitskriterien entsprechen, um ökologi­     Verpackungen wie Pappbecher und Karton
sche und soziale Auswirkungen wie Entwaldung,     in der EU zu erzielen.
Waldschädigung, Umwandlung oder Verschlech­
terung anderer natürlicher Ökosysteme und
Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden, und
(ii) nicht von Unternehmen hergestellt werden,      4
die für solche ökologischen oder sozialen Aus­
wirkungen verantwortlich sind. Diese neuen
Rechtsvorschriften sollten auch Verpflichtun­     Langfristige Klimastrategie
gen für in der EU ansässige Betreiber vorsehen,   Die EU diskutiert derzeit eine neue langfristige
einschließlich z.B. Sorgfaltspflicht, Rückver­    Klimastrategie. Die Ziele für 2030 müssen
folgbarkeit, Transparenz der Lieferkette und      dringend erhöht und eine Strategie unterstützt
Überprüfung durch Dritte.                         werden, die die Emissionen in allen Sektoren
Finanzen — Es bedarf neuer Rechtsvorschrif­       drastisch reduziert. Nur so können bis 2040
ten, um zu verhindern, dass das Finanzsystem      die Nettoemissionen auf Null reduziert werden
zur Unterstützung von Unternehmen oder            (Netto-Null-Emissionen). Um dieses Ziel zu
Tätigkeiten im Zusammenhang mit Entwaldung,       erreichen, muss die EU zudem die Kohlenstoff­
Waldschädigung, Umwandlung oder Verschlech­       abscheidung und -speicherung erhöhen,
terung anderer natürlicher Ökosysteme und         indem Wälder, Moore und andere natürliche
Menschenrechtsverletzungen genutzt wird.          Ökosysteme in der EU renaturiert und vor
Diese neuen Rechtsvorschriften sollten die        weiterer Zerstörung geschützt werden.
Finanzakteure (einschließlich Banken, Investo­
ren und Versicherer sowie den öffentlichen
Sektor) verpflichten, die Sorgfalts- und Trans­
parenzanforderungen einzuhalten.                    5

                                                  Änderungen an bestehenden
  2                                               Richtlinien
                                                  Um die Klimaziele geschlossen anzugehen und
                                                  die Ziele des künftigen Aktionsplans sicher­
Internationale Zusammen-                          zustellen, müssen Änderungen an einer Reihe
arbeit und Dialog                                 bestehender Regulierungen vorgenommen
Die EU sollte ihre Zusammenarbeit mit den Er­     werden. Dazu gehören beispielsweise die GAP,
zeugerländern verstärken, um den Schutz und       die EU-Handelsrichtlinien sowie die Richtlinien
die Renaturierung von Wäldern, Mooren und         der EU und ihrer Mitgliedstaaten zur Bioenergie.
anderen natürlichen Ökosystemen zu gewähr­
leisten. Zudem muss die EU die Regierungen
der Erzeugerländer in der Strafverfolgung von
Landraub sowie bei der Klärung und Anerken­
nung des Landbesitzes indigener Völker und
Gemeinschaften unterstützen sowie einen
Über­gang zu ökologischen Anbaumethoden
vorantreiben. Darüber hinaus sollten die Mit­
gliedstaaten der EU als Verbraucherländer
zusammenarbeiten und das politische Gewicht
nutzen, um die Produktionsländer für Maß­
nahmen zum Waldschutz und anderere
Ökosysteme zu gewinnen.

                                Die Nahrungsmittel- und Agrarrevolution, die wir brauchen      29
STRENGERE
                  EU-VORSCHRIFTEN FÜR
                  PESTIZIDE UND GVOS
                  Greenpeace fordert die EU auf, folgende Maßnahmen umzusetzen:

                    1                                                3

                  Einfuhrverbot von Lebens-                        Einführung einer EU-weiten
                  und Futtermitteln, die mit                       GVO-Kennzeichnung für
                  verbotenen Pestiziden                            Lebensmittel tierischen
                  behandelt wurden                                 Ursprungs
                  Die EU sollte ein Einfuhrverbot für Lebens-      Die EU sollte die Kennzeichnung von Lebens­
                  und Futtermittel verhängen, die mit Pestiziden   mitteln tierischen Ursprungs, bei denen die
                  behandelt wurden, die nicht für die Verwen­      Tiere mit gentechnisch veränderten Pflanzen
                  dung in der EU zugelassen sind und/oder die      gefüttert wurden, vorschreiben. Derzeit ist
                  aufgrund von Gesundheits- und Umweltrisiken      die GVO-Kennzeichnung nur für Lebens- und
                  verboten wurden.                                 Futtermittel, die GVO-Kulturpflanzen enthal­
                                                                   ten, verpflichtend. Bis zur Umsetzung dieser
                                                                   Än­derung fordern wir die Einzelhändler auf,
                                                                   eine gentechnikfreie Kennzeichnung für Tier­
                                                                   produkte zu verwenden, bei denen kein gen­
                    2                                              technikfreies Futtermittel verwendet wurde.

                  Ausfuhr verbotener
                  Pestizide stoppen
                  Die EU sollte den Verkauf von Pestiziden im       4
                  Ausland einstellen, wenn sie die Verwendung
                  dieser innerhalb der eigenen Grenzen nicht
                  erlaubt.
                                                                   Reform des EU-Entschei-
                                                                   dungsprozesses für
                                                                   gentechnisch veränderte
                                                                   Kulturpflanzen
                                                                   Die EU sollte ihren Entscheidungsprozess über
                                                                   gentechnisch veränderte Pflanzen reformieren.
                                                                   Nach den derzeitigen Vorschriften erlaubt die
                                                                   Europäische Kommission konsequent die Ein­
                                                                   fuhr von gentechnisch veränderten Pflanzen
                                                                   ohne die Unterstützung einer qualifizierten
                                                                   Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten und in vielen
                                                                   Fällen trotz des erklärten Widerstands des
                                                                   Europäischen Parlaments.

30 Die Nahrungsmittel- und Agrarrevolution, die wir brauchen
HOOKED ON MEAT

Ein Blauscheitelmotmot (Momotus momota),
gesichtet im Amazonas Regenwald
© John Novis / Greenpeace

Ein Ipê-Baum im Regenwald südlich von
Santarèm, Bundesstaat Pará, Brasilien
© Daniel Beltrá / Greenpeace

                                                       31
END-
                     NOTEN

                1	1997 wurden weltweit 144 Millionen Tonnen              17   Siehe Kroes H & Kuepper B (2015) S. 9-11.
                   Sojabohnen produziert. 2017 waren es                        Tabelle 17 in diesem Bericht zeigt den Soja-
                   353 Millionen Tonnen. Quelle: FAOSTAT-Website               konsum in der EU, eingebettet in verschiedene
                   „crops“                                                     Sektoren. Für die Berechnung haben wir die
                                                                               Äquivalente für Soja verwendet. Zu der Kate-
                2	Laut Eurostat-Daten wurden 2013 fast drei                   gorie „Futtermittel“ gehört Soja, das in der
                   Viertel der Großvieheinheiten (GVE) (72,2%)                 Rinderzucht und Produktion von Fleisch, Eiern
                   in der EU-28 in sehr großen Betrieben aufge­                und Eiprodukten sowie in der Produktion von
                   zogen. Quelle: Eurostat (2018)­                             Milchprodukten und als Futtermittel für Zucht-
                                                                               fische verwendet wird. Das Gesamtvolumen
                3     FAOSTAT-Website „Crops“
                                                                               entspricht einem Wert von 23,28 Millionen
                4     FAOSTAT-Website „Crops“                                  Tonnen Sojabohnen, was 87% des Gesamt-
                                                                               wertes von 26,64 Millionen Tonnen ausmacht.
                5	Gibbs HK et al (2015)
                                                                          18   Greenpeace (2018) S. 14
                6	Spring J (2018), Gibbs HK et al (2015) Critical
                   Ecosystem Partnership Fund (2017) pp51-52              19	Willett W et al (2019) p2, pp9-12

                7	Company Action on Deforestation (2018) p1              20	European Commission (2013) S. 23-24. Unter
                                                                              „Verkörperte Entwaldung“ versteht man die
                8	NASA Earth Observatory website ‚Deforestation              Entwaldung im Zusammenhang mit der Pro­
                   in Paraguay‘ und Oliveira G & Hecht S (2016)               duktion von Waren, Waren oder Dienstleistun­
                                                                              gen. Dem Bericht zufolge importierte die EU
                9     Kissinger G, Herold M & De Sy V (2012) p5
                                                                              zwischen 1990 und 2008 pflanzliche und
                10	Kissinger G, Herold M & De Sy V (2012) pp15, 44           tierische Erzeugnisse mit einer Fläche von
                                                                              90.000 km2 Entwaldung. Davon entfielen
                11    Siehe z.B. Prager A & Milhorance F (2018)               74.000 km2 (82%) auf pflanzliche Erzeugnisse,
                      and Lane C (nd).                                        wobei Ölpflanzen den größten Anteil haben
                                                                              (52.000 km2). Sojabohnen und Sojakuchen
                12    International Service for the Acquisition of            wiederum machten 82% davon (42.600 km2)
                      Agri-biotech Applications (2017) pp16-17                aus, was 47% der Gesamtimporte der EU an
                13	International Service for the Acquisition of              verkörperter Entwaldung entspricht.
                    Agri-biotech Applications (2017) p21                  21	Daten und Methoden, die Greenpeace von der
                14	Pretty J & Bharucha ZP (2015), Leguizamón A               Europäischen Kommission zur Verfügung ge­
                    (2014) und Schiesari L et al (2013)                       stellt wurden. Siehe Greenpeace (2019) S. 11, 13.
                                                                              Methodik und Daten siehe auch Europäische
                15	In Argentinien stiegen die Ausbringungsmen­               Kommission (2018a,c,d,f) und Website der
                    gen von 1,93 kg/ha im Jahr 1996 auf 5,17 kg/ha            Europäischen Kommission Getreide, Ölsaaten
                    im Jahr 2016, während sie in Brasilien von                und Eiweißpflanzen, Reis“. Hinweis: Diese Be­
                    1,55 kg/ha auf 4,31 kg/ha stiegen.                        rechnung umfasst Ölsaaten wie Raps und
                    Quelle: FAOSTAT-Website „Pesticides“.                     Sonnenblumen, die eine Gesamtfläche von fast
                                                                              120.000 km2 umfassen. Während extrahiertes
                16	Im Jahr 2016 importierte die EU 33,3 Millionen            Öl weitgehend als Lebensmittelzutat oder für
                    Tonnen Sojaprodukte (Sojabohnen, Sojaschrot,              Biodiesel verwendet wird, wird das Mehl – ein
                    Sojaöl, Sojapaste und Sojasauce). Die Importe             Nebenprodukt des Ölextraktion Prozesses –
                    bestanden überwiegend aus Sojabohnen                      als Tierfutter verwendet (siehe Europäische
                    (14,5 Mio. t) und Sojaschrot (18,6 Mio. t). Quelle:       Kommission (2018d) p2). Es ist anzunehmen,
                    FAOSTAT-Website „Crops and livestock products“.

32   Endnoten
HOOKED ON MEAT

     dass die gesamte Anbaufläche für Ölsaaten als     33	Gibbs HK et al (2015)
     Futtermittelproduktion in der Berechnung be-
     rücksichtigt werden sollte; jedoch wurde - nach   34	Greenpeace (2006)
     einem konservativen Ansatz im Einklang mit
                                                       35	Trase (2018b) DoR cites Adario P (2016)
     den von der Europäischen Kommission selbst
                                                           Vor 10 Jahren wurde der Amazonas noch für
     angewandten Methoden zur Attribuierung der
                                                           Soja zerstört, dann änderte sich alles. 16. Mai
     „verkörperten Entwaldung“ (siehe Anhang C p11
                                                           Greenpeace UK https://www.greenpeace.org.
     der Europäischen Kommission (2013) – die ge-
                                                           uk/10-years-ago-amazonwas-being-bulldo­
     nutzte Fläche proportional berechnet, basie-
                                                           zed-soy-then-everythingchanged-20160516/
     rend auf dem Prozentsatz der in Mehl umge
     stellten Ernte im Vergleich zur extrahierten      36	Greenpeace (2014)
     Ölfraktion.
                                                       37	Greenpeace (2014)
22	CIA-Website „The World Factbook“
                                                       38   ABIOVE & Agrosatéllite (2018) S. 15
23	Die EU importierte 2016 33,3 Millionen Tonnen
    Sojaprodukte (Quelle: FAOSTAT-Website „Crops       39   ABIOVE & Agrosatéllite (2018) S. 18
    and livestock products). Der durchschnittliche
                                                       40	Fearnside P (2017)
    EU-Ertrag aus der Sojaproduktion betrug 2016
    3 Tonnen/ha (Quelle: Europäische Kommission        41   Freitas G Jr. & Freitas T (2018)
    (2018g), Registerkarte MS_Ölsaaten). Dies er­
    gibt einen Flächenbedarf von 110.000 km2.          42	Quelle: FAOSTAT website „Crops“

24	Im Jahr 2017 wurden von den 1,05 Millionen km²     43	Faleiros G & Isensee e Sá M (2018)
    Ackerfläche in der EU rund 668.000 km2 als
    Futtermittel genutzt (siehe oben Greenpeace        44	Rocha J (2019)
    (2019) pp11, 13 für eine vollständige Erklärung    45	Branford S & Torres M (2018) DoR refs to Dias
    der Zahlen). Damit stehen nur noch 382.000 km2         BFS (1982) ‘Alternativas para o desenvolvimen­
    für die direkte Herstellung von Lebensmitteln          to dos cerrados: manejo e conservação dos
    und andere Anwendungen zur Verfügung. Ein              recursos naturais renováveis’ Brasília,
    Flächenbedarf von 110.000 km2 zur Erzeugung            FUNATURA/IBAMA
    der derzeit von der EU importierten Soja Menge
    entspricht 30 % der Ackerfläche, die nicht be­     46	World Wildlife Fund website: „Cerrado: Facts“
    reits für die Tierernährung genutzt wird.
                                                       47   Strassburg B, Brooks T & Feltran-Barbieri R (2017)
25	European Council Website „Paris Agreement
    on Climate Change“                                 48	World Wildlife Fund (2017) p2

26   Greenpeace (2018)                                 49	TerraBrasilis Website „Incrementos de des­
                                                           matamento anuais no Cerrado Brasileiro“.
27	FAOSTAT-Website „Crops“
                                                       50	Critical Ecosystem Partnership Fund (2017)
28	FAOSTAT-Website „Crops“                                pp146-151

29   FAOSTAT-Website „Crops“                           51	MapBiomas Project v31. Annual land use land
                                                           cover maps of Brazil
30	FAOSTAT-Website „Crops“
                                                       52   88,2 Millionen Hektar Quelle: CIA website
31	Brasilien exportierte 1997 19,5 Millionen Tonnen        The world Factbook
    Sojaprodukte (Sojabohnen, Sojaschrot, Sojaöl
    und Sojasauce) und 2016 67,3 Millionen Tonnen.     53	Critical Ecosystem Partnership Fund (2017)
    (Die Daten sind für die Exporte im Jahr 2017           pp51-52
    sind noch nicht verfügbar.) Quelle: FAOSTAT-
    Website „Crops and livestock products“.            54   USDA (2012)

32	Argentinien exportierte 1997 10,5 Millionen        55   Input Brasilianische Website „Regionen:
    Tonnen Sojaprodukte (Sojabohnen, Sojaschrot,            MATOPIBA‘‘
    Sojaöl und Sojasauce) und 2016 43,7 Millionen
                                                       56	Carneiro Filho A & Costa K (2016) p9
    Tonnen. (Die Daten für die Exporte im Jahr 2017
    sind noch nicht verfügbar.) Quelle: FAOSTAT-       57   Trase (2018a)
    Website „Crops and livestock products“.
                                                       58	ABIOVE (2007) p10

                                                                                               Endnoten     33
Sie können auch lesen