CXI Konferenz zum Thema "Corporate- und Brand-Identity" am 15.6.2018 in Bielefeld.

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10. CXI Konferenz zum Thema »Corporate- und
Brand-Identity« am 15.6.2018 in Bielefeld.
Nachbericht

Bielefeld, Juni 2018. Das Programmheft glänzt silbrig und verrät: Die Corpo-
rate Design Konferenz CXI der FH Bielefeld feiert dieses Jahr ihr zehnjähriges
Jubiläum mit mehr als 900 Besucherinnen und Besuchern aus dem gesamten
Bundesgebiet sowie dem angrenzenden Ausland. Eingeladen sind Vortragenden
aus Designbüros und internationalen Agenturen zusammen mit ihren Auftragge-
bern, die herausragende Projekte, spannende Hintergründe und die Entwicklung
ihrer Arbeit präsentieren. Zehn Jahre CXI – wenn das kein Grund zu feiern ist!

BBC | DALTON MAAG
Die Liste der Sprecher lies keine Wünsche offen: Die Konferenz begann mit der
Präsentation des Relaunchs des neuen On-Air-Designs und Online-Auftritts des
traditionsreichen und global agierenden britischen TV- und Rundfunksender
BBC. Ein neuer Corporate Font wurde bei Dalton Maag in Auftrag gegeben. Drei
Voraussetzungen sollten mindestens erfüllt werden: »legible«, »visually distinct«
und »save money«. In vielen Workshops entwickelte Lukas Paltram, Creative

                                                                                    info@cxi-konferenz.org
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Director bei Dalton Maag zusammen mit seinen Kollegen sowie dem enthusiasti-
schen User Experience & Design Teams der BBC die neue Hausschrift. Weite-
re Kriterien wurden identifiziert und Schriftentwürfe an echten Anwendungen
getestet. Den Ergebnissen des ca. zwei Jahre andauernden Prozesses merkt
man diese Sorgfalt an. Das neue Schriftsystem, die BBC Reith Sans und Serif
sowie Condensed, verhilft der Marke nun zu mehr Konsistenz, Lesefreundlich-

                                                                                    Postfach 10 11 13
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keit sowie britischer Eleganz und unterstützt die humanistische Vision eines der
Gründungsväter und ersten BBC-Direktors John Reith, der die BBC als Medium
zur Bildung und Erziehung der Massen sah. Mehr über das Redesign auf: bbc.
co.uk/gel

                                                                                    Fachhochschule Bielefeld
DEUTSCHE BAHN | PETER SCHMIDT GROUP
Zwei Giganten der deutschen Markenlandschaft gaben sich anschließend auf                Konferenz

der Bühne die Ehre: Die Lufthansa sowie die Deutschen Bahn, die ihre Erkennt-
nisse aus ihren Branding Prozessen mit dem Publikum teilten und Design-Schät-
ze aus den Archiven präsentierten. Die Deutsche Bahn strebt in einem agilen
und diskursiv-partnerschaftlich geführten Positionierungsprozess mit der Peter
Schmidt Group eine Öffnung sowie die Überprüfung des bestehenden Corporate
Designs auf zukünftige Anforderungen des sich stetig erneuernden Konzerns
mit vielen Tochterunternehmen und Zukunftsprojekten an. Dabei begreift sich
die Deutsche Bahn als »größte Lifestyle Brand Deutschlands« und richtet den
Fokus auf ihre Passagiere sowie in verstärktem Maße auf digitale Technologien
und Kanäle. »Wir wollen das Marken-Design jünger machen. Menschlicher und
moderner werden«, so Michael Bütow, Leiter Markenführung, CD/CI und Mar-
kenprojekte bei der Deutschen Bahn.

Doch wo fängt man damit an ohne die eigene Herkunft zu verleugnen? Be-
hutsam werden die Grenzen des aktuellen Erscheinungsbildes ausgelotet und
Spielräume identifiziert. Statt Markenpolizei zu spielen und neue Richtlinien zu
formulieren, möchte man Orientierung und Freiheiten im Gestaltungssystem er-
möglichen. Erste Ergebnisse aus der Arbeit am Corporate Design werden 2019
ausgerollt, unter anderem mit dem Relaunch des Themas Corporate Clothing.
LUFTHANSA | MARTIN ET KARCZINSKI
Eine weitere Deutsche Traditionsmarke gab Einblick in die Zusammenarbeit mit
ihrer Agentur: Ronald Wild, Corporate Design Manager der Lufthansa und Peter
Martin, CEO der betreuenden Agentur Martin et Kartczinski stellten die Überar-
beitung des Erscheinungsbildes der deutschen Premium Airline vor.

Ausgangspunkt des Prozesses war die stagnierende Entwicklung der Marke,
an der seit 30 Jahren strategisch sowie visuell kaum etwas verändert wurde.
Die äußere Realität hat sich jedoch seit den späten 80ern enorm verändert. Die
Digitalisierung baut Barrieren ab, alles ist mit nur einem Klick verfügbar, Simpli-
zität der neue Anspruch der Konsumenten. Darüber hinaus macht die Diversifi-
zierung am Markt eine Neupositionierung der Airline notwendig – das Premium
Segment bedurfte einer neuen Strategie. »Markenarbeit ist die Sichtbarmachung
innerer Haltung und folgt der strategischen Zielsetzung«, so Peter Martin. »Ohne
dass wir das Produkt verändern, ist ein neues Anstreichen ein neues Anstrei-
chen.« Die Bildmarke wurde verschlankt, mehr Fokus auf den Kranich – von der
Design-Ikone Otl Aicher gestaltet – gelegt, der sich jetzt etwas entschiedener
in die Luft schwingt. Der Einsatz von Farbe wurde klar definiert. Eine Palette
von Blautönen dominiert nun das Bild, das Gelb wird dezenter und eindeutiger
eingesetzt. Hannes von Döhren gestaltete ein umfangreiches Schriftsystem. Die
Markenwerte – »durchdacht«, »warmherzig«, »kultiviert« – werden ganzheitlich

                                                                                      info@cxi-konferenz.org
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angewendet. Dabei ist »Premium« nicht einfach gleichzusetzen mit »Luxus«.
Die neue Antwort darauf: persönliche Zuwendung statt übertriebenem Pomp.
Die Vision: »Enriching Travel Experience«. Die Welt entdecken, aufbrechen und
neue Erfahrungen machen – und schließlich auch sich selbst finden. Insgesamt
ein stimmiges neues Erscheinungsbild, kühler aber deutlich hochwertiger und
moderner.

                                                                                      Postfach 10 11 13
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FDP | HEIMAT
Dass Werbeagenturen auch Design können, bewies der Vortrag von Felix Stei-
ner, Art Director bei Heimat, der den Relaunch der Marke FDP vorstellte. Dem

                                                                                      Fachhochschule Bielefeld
politischen Außenseiter, lange Zeit nur noch unter Sonstige aufgelistet, gelang
u.a. mit Hilfe des neuen Erscheinungsbildes sowie gezielter Kampagnen der
Wiedereinzug in den Bundestag sowie verschiedener Länderparlamente.
                                                                                          Konferenz

Die Aufgaben: »Awareness schaffen«, »Neuausrichtung kommunizieren», »An-
wendbarkeit für alle«.

Nicht so leicht, denn die Kommunikation der FDP war verstaubt und transpor-
tierte weder den neuen Geist noch die Haltung der Spitzenkandidaten. Die
Lösung: Die Farben Gelb und Blau wurden frischer und mit dem Farbton Ma-
genta ergänzt. Des Weiteren wurde der Begriff »Freie Demokraten« hinzugefügt,
plakativ und größer als die bisher genutzte Abkürzung FDP. Das neue farbenfro-
he Logo hob sich deutlich in der politischen Landschaft ab und stieß sofort auf
großes Interesse der Presse. »Abseits der politischen Blase, waren wir plötzlich
Popkultur. Damit haben wir den ersten Teil erfolgreich erledigt: Awareness
schaffen«, so Felix Steiner.

Die Neuausrichtung der Partei wurde mit einer Kampagne kommuniziert. Unter
dem Motto »German Mut« betonte man den Optimismus und das neue Selbstbe-
wusstsein der Partei. Ungewöhnlich lange Werbetexte auf Plakaten erläuterten
die politischen Positionen der FDP.
Dokumentarisch anmutende schwarz-weiß Portraits stellten einen Kontrast
zur Buntheit des Logos und der plakativen Headlines auf den Wahlplakaten.
Darüber hinaus machte die FDP mit einigen Aktionen auch international Furore:
Als bekannt wurde, das Großbritannien aus der EU austritt, fuhr ein plakatierter
FPD-LKW durch London und lud Start-ups ein nach Berlin zu kommen –
»… keep calm and move to Berlin.« Hunderte Start-ups erkundigten sich darauf
hin, viele zogen tatsächlich um – die passenden Umzugskisten im FDP Design
standen im Onlineshop zur Verfügung.

Die Adaption des Designs auf kommunaler Ebene gelang durch ein sehr offen
gehaltenes CD Manual. Das System erlaubt den Einsatz sehr unterschiedlichen
Bildmaterials, von düsteren Fotografien bis zu Illustrationen sind keine Grenzen
gesetzt. Kraftvolle Aussagen auf farbigen Balken bilden die visuelle Klammer,
die oft sogar allein zum Tragen kommt. Zum Beispiel auf riesigen Displays auf
der Bühne des Parteitags mit animiertem Text und Icons. Oder beim Werben von
neuen Mitgliedern mit dem ironischen »Doofgedicht«.

FORTUNA DÜSSELDORF | MORPHORIA DESIGN COLLECTIVE
Ein neues kraftvolles, sportliches Erscheinungsbild gelang dem Morphoria
Design Collective für den Fußballverein Fortuna Düsseldorf. Der Auftragge-
ber stand unter hohen Druck der Öffentlichkeit – die Fans identifizieren sich

                                                                                   info@cxi-konferenz.org
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stark mit dem Verein, Sponsoren und Mitglieder haben Mitspracherecht und die
Meinung der Presse war ebenso wichtig. Deshalb wurden in einem aufwändigen
Prozess ca. 3.000 Interviews geführt, um den Markenkern herauszuarbeiten.
Acht Werte beschreiben die Haltung des 1895 gegründeten Vereins: Tradition,
Ecken und Kanten, Heimat, Leidensfähigkeit, Humorvoll, Gemeinschaft, Mutig,
Respekt. »Einen Anspruch oder einzelne Werte mögen auch andere Vereine tei-

                                                                                   Postfach 10 11 13
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len, aber keiner alle zusammen«, so Dr. Alexander Steinforth, Direktor Strategie
und Geschäftsentwicklung von Fortuna Düsseldorf.

Das Briefing: »Das Logo darf nicht verändert werden, ebenfalls die Primärfar-

                                                                                   Fachhochschule Bielefeld
be Rot.« Das Morphoria Design Collective stellte nach umfangreicher Design
Recherche zwei Gestaltungsrichtungen vor, die beide mit der Formensprache
des Vereinslogos spielen. Ein Schriftsystem, das die schrägen Abschlüsse und
                                                                                       Konferenz

runden Bögen des Sichel-F aus dem Logo ableitet, wurde entwickelt. Die Ergeb-
nisse der Recherche ermöglichten eine differenzierte visuelle Positionierung in
der nationalen sowie internationalen Vereinslandschaft.

Der typografische Ansatz gefiel dem Auftraggeber sogar so sehr, dass sie neben
dem charaktervollen Displayfont auch eine Fließtext-Schrift beauftragten. Das
Gestaltungssystem wurde neben dem klassischen Rot-Weiß mit Sekundärfar-
ben ergänzt: Ein dunkles Rot, Schwarz sowie Gold. Außerdem können grafische
Muster aus Details der Typografie generiert und mit Farbe und Schraffur gefüllt
werden. Im Zusammenspiel mit dem Bildmaterial des Vereins ergibt sich so ein
sehr dynamisches Erscheinungsbild, das die Fans mit starkem Beifall angenom-
men haben.

COMMERZBANK | NEUGELB STUDIOS
Die Commerzbank mit ihrer internen Service Design Agentur Neugelb Studios
stellte ihren Weg zur »Banking Experience der Zukunft« vor. Hintergrund: Die
Bankenwelt hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert: Vertrauens-
verlust, Image-Probleme, neue digitale Konkurrenten drängen in den Markt. Dies
sowie veränderte Kundenanforderungen zwingen alle Banken neue und innovati-
ve Ansätze zu entwicklen.
»Customer Experience ist nicht nur wichtig für die Kundenzufriedenheit, sondern
auch für die Marke.« – Sascha Prosek, Head of Brand Strategy & Design bei der
Commerzbank stellt fest, dass ständige Verfügbarkeit, Self-Service, maximale
Flexibilität zur Normalität geworden sind. Die Bank müsse daher alles dafür tun,
den Usern digitale Lösungen anzubieten, die ihn in die Lage bringen, selbstbe-
stimmt zu handeln, und die hohe Erwartungen der Nutzer an die Kundenbera-
tung wie Offenheit, Transparenz und Fairness zu erfüllen.

Die neue Strategie der Commerzbank: Bis 2020 soll sich die klassische Bank
zu einem Technologieunternehmen wandeln. Die eigene Service Design Agen-
tur Neugelb Studios stellt sicher, dass Innovationen und die Kundensicht in die
bestehenden sowie neu zu entwickelnden Produkte einfließen.

»Sucht euch einen Kunden, der sich verändern muss – es ist unfassbar, was man
dann als Designer plötzlich machen kann!«, berichtet Holger Grünwald, Ge-
schäftsführer der Neugelb Studios über die Zusammenarbeit mit dem Konzern.
Das Gestaltungskonzept und die neue Formensprache der Commerzbank folgt
diesen Anforderungen und den Kernattributen: »Schnell«, »Fokussiert«, »Dialo-
gisch«, »Nützlich«. Mit User Centered Design und Design-Thinking-Methoden
entstehen aktuell ganzheitliche Nutzererfahrungen und werden kontinuierlich
weiterentwickelt. Umfangreiche Formulare werden durch einfache Dropdown-

                                                                                     info@cxi-konferenz.org
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Funktionen abgelöst. Statt eines langen Textes erklären interaktive Grafiken
komplexe Vorgänge. Es wurden Web-Design-Guidelines und Branding-Toolkits
entwickelt, die eine Skalierbarkeit des Corporate Designs ermöglichen. Auch der
persönliche Kundenkontakt erhält ein neues Interieur-Konzept, das die Filialen
bald im neuen Glanz erscheinen lässt.

                                                                                     Postfach 10 11 13
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YOUTUBE | SAFFRON BRAND CONSULTANTS
Die letzte Präsentation enthüllte interessante Einblicke in die Zusammenarbeit
der Vortragenden. Auf der Bühne: Die spanische Branding Agentur Saffron mit
Gabor Schreier, Chief Creative Director und Matt Atchison, Creative Director

                                                                                     Fachhochschule Bielefeld
sowie der Auftraggeber, Christopher Bettig von der Google-Tochter YouTube.
Die Ausgangslage: YouTube wird weder von seinen Nutzern noch intern als
Unternehmen wahrgenommen, sondern vielmehr als allgemeines Kulturgut,
                                                                                         Konferenz

Eigentum der User, Videomacher, Vlogger, als soziales Forum zur Unterhaltung,
Bildung und Selbstdarstellung. Das Interface Design änderte sich nahezu jedes
Jahr. »We had a really broken Design System«, bestätigt Christopher Bettig,
Creative Director bei YouTube. Unterschiedliche Logo-Varianten waren im Ein-
satz und verstärkten das visuelle Chaos. Ein Problem, welches YouTube nicht
mehr allein lösen konnte. Saffron nahm sich dieses Problems an – und sah sich
mit einer schier unlösbaren Aufgabe konfrontiert: Wie verbindet man die Begrif-
fe »free expression«, »democratic«, »personal«, »sub-culture«, »shared ownership«,
»social«, »community« innerhalb eines Corporate Designs? Wie und wo sollten
sie damit beginnen? Ist das das Ende von Corporate Design?

Eine Metapher half die Marke als Ort zu begreifen und damit eine Lösung zu
entwickeln: YouTube als Stadt mit einem »Zentrum«, »Sehenswürdigkeiten«,
»Vierteln und Stadtteilen« sowie eigener »Kultur«. Mit dem Ansatz des »Minimum
Viable Branding« ging man das Projekt an und startete mit dem bekannten roten
Icon, dem YouTube-Play-Button: Eine neue Farbe wurde definiert, Ecken gleich-
mäßig abgerundet, das Dreieck ausgerichtet, ein Raster entwickelt, welches die
Winkel des Dreiecks aufnimmt und als Container für weitere grafische Inhalte
dienen kann. Weitere geometrische Symbole, wie Pause, Record und Stop, wur-
den dem grafischen Repertoire hinzugefügt.
Um sich an einem Ort zu orientieren, gibt es spezifische Schilder, Straßennamen,
U-Bahn Kennzeichnung, usw. Der logische Schritt: eine eigene Schrift für YouTu-
be, die es als Ort deutlich von anderen unterscheidbar macht.

»We’ve got to be imperfect and quirky to be accessible, so people feel welcome«,
erklärte Matt Atchison die Eigenheiten der neuen Hausschrift.

Die Wortmarke in der Alternate Gothic wurde für den Einsatz auf Bildschirmen
und Touchscreen optimiert, lesbarer und menschlicher gestaltet. Als YouTube
Display wird sie un in erster Linie für die Submarken und Produktnamen einge-
setzt und strukturiert die Markenarchitektur.

Mit dem Redesign legte Saffron die Basis für flexible Anwendbarkeit, Kreativität
für die Anwender, demokratische Gestaltung. Und der Prozess wird weiter fort-
geführt: »The end of design can be the beginning of identity.«

Text: Christine Wenning

Die nächste CXI findet statt am 24. Mai 2019.

                                                                                   info@cxi-konferenz.org
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