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Diagnostik von Essverhalten Adrian Meule Kompendien Psychologische Diagnostik
Diagnostik von Essverhalten Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
Kompendien Psychologische Diagnostik Band 18 Diagnostik von Essverhalten Dr. Adrian Meule Herausgeber der Reihe: Prof. Dr. Franz Petermann, Prof. Dr. Heinz Holling Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
Adrian Meule Diagnostik von Essverhalten Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
Dr. Adrian Meule, geb. 1983. 2004–2009 Studium der Psychologie an der Universität Würzburg. 2009– 2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Würzburg und Stipendiat im DFG-Graduierten- kolleg „Verarbeitung emotional relevanter Reize: Von den molekularen Grundlagen zur Empfindung“. 2014 Promotion. 2014–2015 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LWL-Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Universität Bochum. 2015–2019 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im ERC-Projekt „Transdiagnostic views on eating disorders and obesity and new approaches for treatment“ an der Universität Salzburg. Seit 2019 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der LMU München und der Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee. Forschungsschwerpunkte: Essverhalten, Essstörungen, Adipositas. Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertig- stellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Ver- antwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benut- zung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warenna- men (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Copyright-Hinweis: Das E-Book einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und straf- bar. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG Merkelstraße 3 37085 Göttingen Deutschland Tel. +49 551 999 50 0 Fax +49 551 999 50 111 info@hogrefe.de www.hogrefe.de Satz: Matthias Lenke, Weimar Format: PDF 1. Auflage 2020 © 2020 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen (E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2991-5; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2991-6) ISBN 978-3-8017-2991-2 http://doi.org/10.1026/02991-000 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
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Vorwort der Herausgeber Die Methoden der Psychologischen Diagnostik dienen der Erhebung und Auf- bereitung von Informationen, um begründete Entscheidungen zu treffen. Heute bietet die Psychologische Diagnostik ein großes Spektrum an Erhe- bungsverfahren, das von systematischen Ansätzen zur Befragung und Beob- achtung bis zum Einsatz psychometrischer Tests und physiologischer Metho- den reicht. Immer schwieriger wird die gezielte Auswahl geeigneter Verfahren und die Kombination verschiedener Ansätze im Rahmen einer ökonomischen Diagnosestrategie. Unsere Buchreihe möchte aktuelles Wissen über diagnostische Verfahren und Prozeduren zur Weiterentwicklung der Psychologischen Diagnostik zusam- menstellen. Wir als Herausgeber der Buchreihe erwarten, dass zukünftig die Kompetenzen der Psychologischen Diagnostik verstärkt nachgefragt werden. Es handelt sich hierbei um Basiskompetenzen psychologischen Handelns, denen in den letzten beiden Jahrzehnten im deutschen Sprachraum vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Zukünftig sollten Problemanalysen und Problemlösungen noch stärker auf dieses gut fundierte Fachwissen der Psy- chologie zurückgreifen. Die einzelnen Bände dieser Reihe konzentrieren sich jeweils auf spezifische psychologische Themengebiete wie zum Beispiel Rechenstörungen oder ag- gressives Verhalten. Durch diese Spezifikation können diagnostische Fragen im Rahmen der einzelnen Themen intensiver als in der Standardliteratur ab- gehandelt werden. Zudem kann eine engere Verbindung zwischen theoreti- schen Grundlagen und den diagnostischen Fragestellungen erfolgen. Diese Reihe möchte dem Praktiker eine Orientierung und Vorgehensweisen vermitteln, um in der Praxis eine optimale Diagnosestrategie zu entwickeln. Kurzgefasste Übersichten über die aktuellen Trends, praxisnahe Verfahrens- beschreibungen und Fallbeispiele erleichtern auf verschiedenen Ebenen den Zugang zum Thema. Ziel der Reihe ist es somit, die diagnostische Kompe- tenz im Alltag zu erhöhen. Dies bedeutet vor allem • diagnostische Entscheidungen zu verbessern, • Interventionsplanungen besser zu begründen und • in allen Phasen der Informationsgewinnung die Praxiskontrolle zu opti- mieren. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
6 Vorwort der Herausgeber Unser Anspruch besteht darin, bestehende Routinen der Psychologischen Diagnostik kritisch zu durchleuchten, Bewährtes zu festigen und neue Wege der Diagnostik, zum Beispiel im Rahmen computerunterstützter Vorgehens- weisen und neuerer testtheoretischer Ansätze, zu etablieren. Mit unserer Buchreihe möchten wir schrittweise und systematisch verschie- dene Anwendungsbereiche der Psychologischen Diagnostik bearbeiten. Pro Jahr sollen zwei Bände publiziert werden, wobei jeder Band etwa 120 bis 180 Druckseiten haben soll. Folgende Bände sind in Vorbereitung: Familienrechtliche Diagnostik Diagnostik von Traumafolgestörungen Stressdiagnostik Teamdiagnostik Wir wünschen uns hierzu einen intensiven Austausch mit unserer Leserschaft. Bremen und Münster, im Juli 2019 Franz Petermann und Heinz Holling Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.1 Geschichtliche Entwicklung essverhaltensbezogener Konzepte und Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.2 Zum Aufbau dieses Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2 Essstörungen und Adipositas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.1 Anorexia Nervosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.2 Bulimia Nervosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.3 Binge-Eating-Störung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.4 Weitere Essstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.5 Adipositas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3 Erfassung von Essverhalten in Labor und Alltag . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.1 Erfassung von Essverhalten im Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.2 Erfassung von Essverhalten im Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4 Selbstbeurteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.1 Gezügeltes und emotionales Essverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.1.1 Restraint Scale (RS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4.1.2 Three-Factor Eating Questionnaire (TFEQ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.1.3 Dutch Eating Behavior Questionnaire (DEBQ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4.1.4 Flexible and Rigid Control Scales (FC12, RC16) . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4.1.5 Inventar zum Essverhalten und Gewichtsproblemen (IEG) . . . . . . . 39 4.1.6 Perceived Self-Regulatory Success in Dieting Scale (PSRS) . . . . . . 39 4.1.7 Salzburg Stress Eating Scale (SSES) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4.1.8 Salzburg Emotional Eating Scale (SEES) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4.2 Craving und suchtartiges Essverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4.2.1 Attitudes to Chocolate Questionnaire (ACQ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.2.2 Food Cravings Questionnaires (FCQ-T und FCQ-S) . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.2.3 Food Craving Inventory (FCI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4.2.4 Power of Food Scale (PFS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4.2.5 Yale Food Addiction Scale (YFAS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
8 Inhaltsverzeichnis 4.3 Orthorektisches Essverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.3.1 Bratman Orthorexia Test (BOT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.3.2 ORTO-15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.3.3 Düsseldorfer Orthorexie Skala (DOS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.4 Intuitives Essverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.4.1 Intuitive Eating Scale (IES) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 4.4.2 Positive Eating Scale (PES) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4.5 Essstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.5.1 Eating Disorder Examination-Questionnaire (EDE-Q) . . . . . . . . . . . . 65 4.5.2 Eating Attitudes Test (EAT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4.5.3 Eating Disorder Inventory (EDI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.5.4 Eating Disorder Diagnostic Scale (EDDS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.5.5 Munich Eating and Feeding Disorder Questionnaire (Munich ED-Quest) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4.5.6 Strukturiertes Inventar für Anorektische und Bulimische Essstörungen: Fragebogen zur Selbstauskunft (SIAB-S) . . . . . . . . . 74 4.5.7 SCOFF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4.5.8 Short Evaluation of Eating Disorders (SEED) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.5.9 Anorexia-Nervosa-Inventar zur Selbstbeurteilung (ANIS) . . . . . . . . 77 4.5.10 Night Eating Questionnaire (NEQ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4.6 Spezielle Verfahren für das Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . 82 4.6.1 Children’s Eating Behaviour Questionnaire (CEBQ) . . . . . . . . . . . . . . 82 4.6.2 Child Feeding Questionnaire (CFQ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.6.3 Eating Disorders in Youth-Questionnaire (EDY-Q) . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.6.4 Anorectic Behavior Observation Scale (ABOS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5 Interviewverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 5.1 Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-5-Störungen (SCID-5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 5.2 Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen (DIPS) . . . . . 89 5.3 Eating Disorder Examination (EDE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5.4 Strukturiertes Inventar für Anorektische und Bulimische Essstörungen: Interview für Experten (SIAB-EX) . . . . . 90 6 Weitere essverhaltensrelevante Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 6.1 Grazing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 6.2 Essensmotive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 6.3 Neophobie und Ekel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 6.4 Körperbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 6.5 Gewichtsbezogene Stigmatisierung und Diskriminierung . . . . . . . . 99 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
Inhaltsverzeichnis 9 7 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 7.1 Patientin A (Anorexia Nervosa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 7.1.1 Diagnostik bei Aufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 7.1.2 Therapieverlauf und Katamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 7.2 Patientin B (Bulimia Nervosa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 7.2.1 Diagnostik bei Aufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 7.2.2 Therapieverlauf und Katamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 7.3 Patientin C (Nicht näher bezeichnete Essstörung, Adipositas) . . . . 104 7.3.1 Diagnostik bei Aufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 7.3.2 Therapieverlauf und Katamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
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Vorwort Wie kommt es, dass Essen für manche Menschen etwas ganz Normales ist, über das sie nicht viel nachdenken müssen, während andere Menschen täg- lich damit hadern und es für sie zum wichtigsten Thema im Leben wird? Diese Alltagsrelevanz (jeder Mensch muss schließlich essen) und die gleich- zeitig großen individuellen Unterschiede, die Menschen hierbei an den Tag legen, machen Essverhalten zu einem spannenden Thema. Seit nunmehr etwa 10 Jahren befasse ich mich hiermit wissenschaftlich. Die meisten Menschen denken hierbei dann sofort an Magersucht (die wohl bekannteste Essstörung) oder Adipositas. Essverhalten ist aber sehr viel facettenreicher als die simple Unterscheidung „dünn sein und zu wenig essen“ und „dick sein und zu viel essen“. Ziel dieses Buches ist daher, ein möglichst breites Spektrum an Mess- methoden abzudecken, um dieser Vielschichtigkeit der verschiedenen As- pekte des Essverhaltens gerecht zu werden. Herzlich bedanken möchte ich mich bei den Herausgebern – Prof. Dr. Franz Petermann und Prof. Dr. Heinz Holling – für die Möglichkeit, diesen Band im Rahmen der Reihe Kompendien Psychologische Diagnostik zu verfassen und bei Frau Dipl.-Psych. Tanja Ulbricht für die freundliche Unterstützung bei der Umsetzung dieses Buches. Mein Dank gilt weiterhin allen Kolleginnen und Kollegen, die Informationen und Materialien für dieses Buch bereitgestellt und deren Abdruck genehmigt haben. Schließlich möchte ich mich bei Frau Dr. Anna Richard bedanken, die erheblich zur Erstellung der Fallbeispiele beigetragen hat. Prien am Chiemsee, im Herbst 2019 Adrian Meule Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
1 Einführung Menschen essen täglich, sofern dies nicht durch Nahrungsknappheit einge- schränkt ist. Entsprechend handelt es sich bei dem auf den ersten Blick sehr simplen Vorgang der Nahrungsaufnahme um ein sehr komplexes Verhalten. Jeden Tag müssen zahlreiche Entscheidungen getroffen werden: wann geges- sen wird, was gegessen wird und wie lange bzw. wie viel gegessen wird. Nach Wansink und Sobal (2007) treffen Menschen täglich (und meist unbewusst) sogar über 200 solcher Entscheidungen. Trotz dieser Komplexität funktioniert die Steuerung des Essverhaltens zu- meist ohne Probleme. Manche Menschen nehmen allerdings zu wenig Ener- gie mit der Nahrung bzw. bestimmte Nährstoffe nicht in ausreichender Menge auf, was zu Untergewicht bzw. Mangelernährung führen kann. Dieser Man- gel kann einerseits beabsichtigt herbeigeführt sein (wie beispielsweise bei Magersucht), kann aber auch ungewollt eintreten (z. B. bedingt durch körper- Von zu wenig liche Krankheit). Dahingegen nehmen weitaus mehr Menschen zu viel Ener- bis zu viel essen gie mit der Nahrung auf, was langfristig mit Übergewicht einhergeht. Wie beim Zu-wenig-Essen kann auch das Überessen unterschiedliche Gründe haben. Während das Essverhalten mancher Menschen beispielsweise durch zeitlich umgrenzte Essanfälle gekennzeichnet ist, läuft eine kontinuierlich er- höhte Energiezufuhr bei vielen Menschen weniger exzessiv und eher unbe- wusst ab („passives Überessen“). Das Ziel dieses Buches ist die Darstellung von Erfassungsmöglichkeiten zur Beschreibung des Essverhaltens. Gemeint ist hiermit nicht eine exakte Mes- sung der konsumierten Makro- und Mikronährstoffe, wie sie zum Beispiel im Rahmen einer Ernährungsberatung durchgeführt würde. Stattdessen stehen psychologische Aspekte im Vordergrund. Diese umfassen beispielsweise be- stimmte Essensstile und -motive wie eine selbstauferlegte Zügelung des Es- sens, einen subjektiv empfundenen Kontrollverlust über die Nahrungsmenge, die Rolle von Emotionen als Auslöser von Nahrungsaufnahme oder die In- Kontinuum tention, sich besonders gesund ernähren zu wollen. Diese Aspekte können – von gesundem zu gestörtem müssen aber nicht – bei Essstörungen und Adipositas besonders stark oder Essverhalten vermindert ausgeprägt sein. Entsprechend ist ein wesentliches Anliegen die- ses Buches zwar einerseits die Beschreibung klarer kategorialer Erfassungs- ansätze (z. B. bei der Diagnostik von Essstörungen). Darüber hinaus wird an- dererseits Essverhalten und dessen Charakterisierung durch diagnostische Verfahren vor allem als Kontinuum betrachtet, welches – auch ohne, dass ein Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
Einführung 13 klinisch relevantes, gestörtes Essverhalten vorliegt – erheblich variieren kann. Um diese Sichtweise zu verdeutlichen, wird nachfolgend zunächst ein kurzer historischer Überblick über die Entwicklung von relevanten Konzepten und Störungen gegeben. 1.1 Geschichtliche Entwicklung essverhaltens- bezogener Konzepte und Störungen Fälle von Adipositas – also extremen Übergewichts – gab es bereits in der An- tike. Beispielsweise berichtete bereits Celsus (ca. 25 v. Chr. bis 50 n. Chr.) von den körperlichen Risiken, die mit Adipositas einhergehen. Weiterhin waren angemessene Therapiemöglichkeiten zu damaliger Zeit nicht unbekannt. So beschreibt etwa Galen (ca. 129 bis 200 n. Chr.) einen adipösen Patienten, der durch eine Kombination von Ernährungsumstellung und körperlicher Aktivi- tät behandelt wurde (Haslam, 2012). Auch bei der Anorexia Nervosa – also Magersucht – handelt es sich um eine Adipositas und Anorexie sind jahrhundertealte Erkrankung. Eine der prominentesten, frühen Beschreibun- jahrhundertealte gen stammt von William Gull aus dem Jahr 1873 (nachgedruckt in Gull, 1997), Erkrankungen wobei aber auch frühere Fälle bekannt sind (vgl. die Übersicht von Bempo- rad, 1996). Dementsprechend früh wurde die Anorexie als psychische Stö- rung in diagnostische Klassifikationssysteme aufgenommen, nämlich bereits in die erste Version des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychi- scher Störungen (DSM-I) im Jahr 1952. Im Gegensatz dazu hat die Erforschung und Behandlung von anderen Ess- störungen eine jüngere Geschichte. Eine der ersten Beschreibungen von Pa- tienten1, bei denen Essanfälle auftraten, stammt von dem Psychoanalytiker Mosche Wulff (1932). In den 1950er Jahren erkannte der Psychiater Albert Stunkard, dass das Essverhalten adipöser Patienten individuell sehr unter- schiedlich sein kann. So beschrieb er unter anderem die Binge-Eating-Störung, Bulimie, Binge- Eating-Störung bei der regelmäßige Essanfälle erlebt werden, sowie das Night-Eating-Syn- und Night- drom, bei dem ein großer Teil der täglichen Nahrungsaufnahme abends nach Eating-Syndrom dem Abendessen oder nachts erfolgt (Stunkard, 1959; Stunkard, Grace & Wolff, 1955). Beide Essstörungen wurden erst über ein halbes Jahrhundert später in die fünfte Version des DSM aufgenommen (American Psychiatric 1 Zugunsten einer besseren Lesbarkeit wird im Text in der Regel das generische Maskulinum verwendet. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen alle Geschlechter (m/w/d). Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. Wenn möglich, wurde eine geschlechtsneutrale Formulierung gewählt. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
14 Kapitel 1 Association, 2013). Der Begriff der Bulimia Nervosa – oder Ess-Brech-Sucht – wurde im Wesentlichen durch die Arbeit von Gerald Russell (1979) geprägt, wobei aber auch hier ältere Beschreibungen existieren (vgl. die Übersicht von Vandereycken, 1994). In das DSM wurde die Bulimie erstmals in dessen drit- ter Überarbeitung im Jahr 1980 aufgenommen. Psychologische Seit Mitte des 20. Jahrhunderts begannen psychologische Ansätze zur Erklä- Aspekte werden im rung von Adipositas und Essstörungen eine immer größere Rolle zu spielen. 20. Jh. vermehrt So betonten verschiedene Autoren die Wichtigkeit psychologischer Faktoren, beforscht wie etwa die Rolle von Emotionen bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Anorexie und Adipositas (Bruch, 1955; Hamburger, 1951; Kaplan & Kap- lan, 1957). In den 1960er Jahren dominierte die Externalitätshypothese zur Er- klärung von Adipositas, welche vor allem durch die Arbeiten von Richard Nis- bett (1968) und Stanley Schachter (1968) geprägt war. Diese besagt, dass das Essverhalten adipöser Menschen vorwiegend durch externale Reize (z. B. der Anblick oder Geschmack von Nahrung oder die Tageszeit) und weniger durch internale Reize (z. B. Hungergefühl) bestimmt wird. In den 1970er Jahren schlug Nisbett (1972) eine alternative Erklärung vor. In seiner Setpoint-Theo- rie ging er davon aus, dass sich die meisten adipösen Menschen in einem Zu- stand chronischen Hungers befinden, da sie versuchen ihr Körpergewicht unter ihrem biologisch determinierten „Sollwert“ zu halten. Diese Überlegungen stimulierten Peter Herman und Janet Polivy zu Unter- suchungen zum gezügelten Essverhalten, also der willentlichen Einschränkung der Nahrungsaufnahme zur Gewichtsregulation (z. B. Herman & Polivy, 1975). In einer wegweisenden Studie (Herman & Mack, 1975) fanden sie he- raus, dass sogenannte gezügelte Esser mehr Eiscreme aßen, wenn sie vor- Gezügeltes her einen Milchshake („Preload“) zu trinken bekamen. Ungezügelte („nor- Essverhalten und Disinhibition male“) Esser aßen dahingegen weniger Eiscreme, wenn sie zuvor einen Milchshake getrunken hatten. Der Konsum des Milchshakes führte also bei den gezügelten Essern zu einer Enthemmung (Disinhibition) des Essverhal- tens; vermutlich, weil sie mit Konsum des Milchshakes ihre selbstgesetzte Diätgrenze bereits überschritten hatten („what-the-hell-effect“; Herman & Polivy, 1983). Während die Theorien von Schachter und Nisbett noch die Erklärung des Essverhaltens adipöser Menschen zum Ziel hatten, können die Studien von Herman und Polivy als Startpunkt einer neuen Forschungslinie gesehen wer- den. Beim Konzept des gezügelten Essverhalten ging es nicht mehr ledig- lich um das Essverhalten von Menschen mit Essstörungen oder Adipositas, sondern es wurde aufgezeigt, dass auch bei gesunden, normalgewichtigen Menschen große individuelle Unterschiede hinsichtlich des Essverhaltens bestehen. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
Einführung 15 1.2 Zum Aufbau dieses Buches Im vorliegenden Band werden zahlreiche Konstrukte des Essverhaltens und deren Erfassungsmöglichkeiten dargestellt. Der Fokus liegt hierbei auf mehr oder weniger bekannten Instrumenten, für die auch deutschsprachige Versi- onen vorliegen. Daher kann dieses Buch keinen Anspruch auf Vollständigkeit hinsichtlich jeglicher Maße, die es zum Essverhalten gibt, stellen. Beispiels- weise existieren zahlreiche Verfahren, für die allerdings keine deutschspra- chigen Übersetzungen vorliegen. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe im deutschen Sprachraum entwickelter und publizierter Instrumente, die jedoch weder international noch national eine breite Rezeption erfahren haben und daher nicht in dieses Buch aufgenommen wurden. Im folgenden Kapitel 2 wird zunächst ein Überblick über die Definitionen und Kernmerkmale von Essstörungen und Adipositas gegeben. Danach folgen in Kapitel 3 kurze Erläuterungen zu Erfassungsmöglichkeiten von Essverhalten im Labor und im Alltag. Den Großteil des Buches stellt dann die Beschrei- bung von Fragebogenverfahren in Kapitel 4 dar. Hier werden zunächst Inst- rumente beschrieben, die zur Erfassung bestimmter Essverhaltensweisen die- nen. Diese können zwar mit Essstörungen und Adipositas in Verbindung stehen, jedoch variieren deren interindividuelle Ausprägungen auch stark bei normalgewichtigen Menschen ohne Essstörungen. Diese Aspekte umfassen unter anderem gezügeltes und emotionales Essverhalten, Craving nach be- stimmten Nahrungsmitteln bzw. ein suchtähnlicher Nahrungsmittelkonsum, orthorektisches Essverhalten sowie intuitives Essverhalten. Danach folgt eine Beschreibung von Selbstberichtsverfahren zur Erfassung gestörten Essver- haltens sowie von Interviewverfahren zur Diagnostik von Essstörungen in Ka- pitel 5. Zusätzlich werden in Kapitel 6 noch Verfahren zu weiteren essensre- levanten Konzepten angesprochen, wie etwa zur Erfassung von Grazing, bestimmter Essensmotive, essensbezogener Neophobie und Ekel, körper- bezogener Wahrnehmung und Beurteilung sowie gewichtsbezogener Stigma- tisierung und Diskriminierung. Abschließend wird in Kapitel 7 die Anwen- dung ausgewählter Verfahren im Kontext der Diagnostik von Essstörungen anhand von drei Fallbeispielen erläutert. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
2 Essstörungen und Adipositas 2.1 Anorexia Nervosa Anorexia Nervosa (von griech. an- = ohne und órexis = Appetit) bezeichnet eine Essstörung, bei der die Nahrungsaufnahme stark eingeschränkt wird und eine dadurch erzielte Gewichtsabnahme in Untergewicht resultiert. Diese Gewichtsabnahme ist allerdings nicht durch eine körperliche Krank- heit bedingt, sondern motiviert durch eine ausgeprägte Angst vor einer Ge- wichtszunahme bzw. davor, dick zu werden oder zu sein. Die eigene Figur bzw. das Körpergewicht werden dabei verzerrt wahrgenommen, sodass diese Angst trotz des Untergewichts weiter besteht. Betroffenen fehlt also die Einsicht bezüglich des Schweregrads des körperlichen Zustandes (vgl. Tabelle 1). Es wird gemeinhin zwischen zwei Subtypen der Anorexia Nervosa unter- schieden. Beim restriktiven Typus treten keine regelmäßigen Essanfälle auf. Restriktiver Der Gewichtsverlust wird durch eine eingeschränkte Nahrungsaufnahme vs. bulimischer Subtyp und/oder durch übermäßige körperliche Aktivität erzielt. Beim Binge-Eating/ Purging-Typus treten wiederkehrende Essanfälle auf, die mit entsprechen- den kompensatorischen Maßnahmen einhergehen, um einer Gewichtszu- nahme entgegenzuwirken (z. B. selbstinduziertes Erbrechen). Anders als bei der Bulimia Nervosa liegt hier aber auch ein signifikant niedriges Körperge- wicht vor. Die höchsten Inzidenzraten der Anorexia Nervosa zeigen sich im Jugend- und jungen Erwachsenenalter. Die 12-Monats-Prävalenz lag in einer deutschen Stichprobe von 14- bis 24-Jährigen bei 0.4 % (Nagl, Jacobi et al., 2016). In einer repräsentativen Stichprobe von Erwachsenen zwischen 18 und 79 Jahren in Deutschland betrug die 12-Monats-Prävalenz 0.8 % (Jacobi et al., 2014, 2016). Prävalenz Es sind weit mehr Frauen als Männer betroffen; das Verhältnis beträgt etwa der Anorexia Nervosa 10 : 1 (weiblich:männlich). Von allen psychischen Störungen weist Anorexia Nervosa die höchste Sterblichkeitsrate auf. Während sich diese zum größten Teil auf direkte medizinische Komplikationen aufgrund des Hungerns zurück- führen lässt, besteht aber auch eine hohe Suizidrate (Zipfel, Giel, Bulik, Hay & Schmidt, 2015). Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
Essstörungen und Adipositas 17 Tabelle 1: Wesentliche diagnostische Merkmale der Anorexia Nervosa nach DSM-5 (APA/ Falkai et al., 2018) und ICD-11 (WHO, 2019) DSM-5 ICD-11 Symptom2 Symptom Erläuterung A. Eine in Relation zum Bedarf Signifikant niedriges • BMI < 18,5 kg/m2 eingeschränkte Energieaufnahme, Körpergewicht (unter bei Erwachsenen welche unter Berücksichtigung Berücksichtigung von • BMI < 5. Perzentil von Alter, Geschlecht, Entwick- Körpergröße, Alter und bei Kindern und lungsverlauf und körperlicher Entwicklungsstufe), Jugendlichen Gesundheit zu einem signifikant das nicht durch eine niedrigen Körpergewicht führt. andere gesundheit Signifikant niedriges Gewicht ist liche Einschränkung definiert als ein Gewicht, das oder Nicht-Verfüg unterhalb des Minimums des barkeit von Nahrung normalen Gewichts oder, bei bedingt ist. Kindern und Jugendlichen, unter- halb des minimal zu erwartenden Gewichts liegt. B. Ausgeprägte Angst vor einer Persistierende • reduzierte Energie- Gewichtszunahme oder davor, Verhaltensweisen, die aufnahme (restrik- dick zu werden, oder dauerhaftes die Wiedererlangung tives Essverhalten) Verhalten, das einer Gewichts eines Normalgewichts • Purging (selbst zunahme entgegenwirkt, trotz des verhindern und die induziertes Erbre- signifikant niedrigen Gewichts. typischerweise mit chen, Missbrauch einer Angst vor einer von Abführmitteln) Gewichtszunahme • erhöhter Energie- einhergehen. verbrauch (exzessive körper liche Aktivität) C. Störung in der Wahrnehmung Ein geringes Körper der eigenen Figur oder des gewicht oder die Figur Körpergewichts, übertriebener ist entscheidend für Einfluss des Körpergewichts oder die Selbstbewertung der Figur auf die Selbstbewertung oder dieses wird oder anhaltende fehlende Einsicht fälschlicherweise als in Bezug auf den Schweregrad normal oder sogar des gegenwärtig geringen Körper- überhöht wahrgenom- gewichts. men. 2 Diagnostische Kriterien der Anorexia Nervosa nach DSM-5 (aus APA/Falkai et al., 2018, S. 463. Abdruck erfolgt mit Genehmigung aus der deutschen Ausgabe des Diagnostic and Sta- tistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition © 2013, Dt. Ausgabe: © 2018, American Psychiatric Association. Alle Rechte vorbehalten.) Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
18 Kapitel 2 2.2 Bulimia Nervosa Bulimia Nervosa (von griech. boulimía = Ochsenhunger) bezeichnet eine Ess- störung, bei der regelmäßige Essanfälle auftreten und die mit kompensato- rischen Maßnahmen einhergehen, um einer Gewichtszunahme entgegen- zuwirken. Wenn die Betroffenen zwar das Gefühl haben, die Kontrolle über ihr Essverhalten verloren zu haben, die gegessene Menge aber nicht erheb- lich größer war als die Menge, die die meisten Menschen unter ähnlichen Subjektive Umständen essen würden, spricht man von einem subjektiven Essanfall. Wenn vs. objektive Essanfälle sowohl ein Kontrollverlust erlebt wurde als auch die gegessene Nahrungs- menge außergewöhnlich groß war, spricht man von einem objektiven Ess anfall. Bei den kompensatorischen Maßnahmen handelt es sich häufig um selbstherbeigeführtes Erbrechen, diese können aber auch andere Verhaltens- weisen umfassen (vgl. Tabelle 2). Wie bei der Anorexia Nervosa haben Figur und Körpergewicht einen übermäßigen Einfluss auf die Selbstbewertung. Im Gegensatz zur Anorexia Nervosa sind die Betroffenen aber meist normal- gewichtig oder leicht übergewichtig. Auch bei der Bulimia Nervosa finden sich die höchsten Inzidenzraten im Ju- gend- und jungen Erwachsenenalter. Das mittlere Ersterkrankungsalter liegt allerdings etwas später als bei der Anorexia Nervosa (Steinhausen & Jensen, 2015). In der Studie von Nagl, Jacobi et al. (2016) lag die 12-Monats-Präva- Prävalenz der lenz von 14- bis 24-Jährigen bei 0.3 %. In einer repräsentativen Stichprobe Bulimia Nervosa von Erwachsenen zwischen 18 und 79 Jahren in Deutschland betrug die 12-Monats-Prävalenz 0.2 % (Jacobi et al., 2014, 2016). Wie bei der Anorexia Nervosa sind auch bei der Bulimia Nervosa weit mehr Frauen als Männer be- troffen; das Geschlechterverhältnis beträgt in etwa 20 : 1 (weiblich : männ- lich). Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
Essstörungen und Adipositas 19 Tabelle 2: Wesentliche diagnostische Merkmale der Bulimia Nervosa nach DSM-5 (APA/ Falkai et al., 2018) und ICD-11 (WHO, 2019) DSM-5 ICD-11 3 Symptom Symptom Erläuterung A. Wiederholte Episoden von Ess Häufige, wiederkeh- • Umgrenzter Zeit- anfällen. Ein Essanfall ist durch die rende Episoden von raum, in dem ein folgenden beiden Merkmale gekenn- Essanfällen. subjektiver zeichnet: Kontrollverlust 1. Verzehr einer Nahrungsmenge in über das Essen einem bestimmten Zeitraum (z. B. erlebt wird, deut- innerhalb eines Zeitraums von 2 lich mehr oder Stunden), wobei diese Nahrungs- anders gegessen menge erheblich größer ist als die wird als gewöhn- Menge, die die meisten Menschen lich und man sich in einem vergleichbaren Zeitraum nicht imstande unter vergleichbaren Bedingungen fühlt, das Essen zu essen würden. beenden oder die 2. Das Gefühl, während der Episode Art der Nahrungs- die Kontrolle über das Essverhalten mittel oder die zu verlieren (z. B. das Gefühl, nicht gegessene mit dem Essen aufhören zu kön- Nahrungsmenge nen oder keine Kontrolle über Art einzuschränken. und Menge der Nahrung zu haben). B. Wiederholte Anwendung von unan- Die Essanfälle gehen • selbstinduziertes gemessenen kompensatorischen einher mit wiederhol- Erbrechen Maßnahmen, um einer Gewichtszu- ten unangemessenen • Missbrauch von nahme entgegenzusteuern, wie z. B. kompensatorischen Laxanzien oder selbstinduziertes Erbrechen, Miss- Verhaltensweisen Klistieren brauch von Laxanzien, Diuretika oder mit dem Ziel, eine • anstrengende anderen Medikamenten, Fasten oder Gewichtszunahme körperliche übermäßige körperliche Bewegung. zu verhindern. Aktivität C. Die Essanfälle und die unange Essanfälle treten messenen kompensatorischen einmal pro Woche oder Maßnahmen treten im Durchschnitt häufiger über einen mindestens einmal pro Woche über Zeitraum von mindes- einen Zeitraum von 3 Monaten auf. tens einem Monat auf. D. Figur und Körpergewicht haben Übermäßige Beschäf einen übermäßigen Einfluss auf die tigung mit Figur oder Selbstbewertung. Körpergewicht, welche stark die Selbst bewertung beeinflusst. E. Die Störung tritt nicht ausschließ- Es besteht kein Unter- lich im Verlauf von Episoden einer gewicht bzw. keine Anorexia Nervosa auf. Anorexia Nervosa. 3 Diagnostische Kriterien der Bulimia Nervosa nach DSM-5 (aus APA/Falkai et al., 2018, S. 472. Abdruck erfolgt mit Genehmigung aus der deutschen Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition © 2013, Dt. Ausgabe: © 2018, American Psychia- tric Association. Alle Rechte vorbehalten.) Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
20 Kapitel 2 2.3 Binge-Eating-Störung Bei der Binge-Eating-Störung (von engl. binge = Gelage, Exzess) treten regel- mäßige Episoden von Essanfällen auf. Im Gegensatz zur Bulimia Nervosa werden allerdings keine unangemessenen, kompensatorischen Maßnahmen zur Verhinderung einer Gewichtszunahme angewandt. Entsprechend sind die Betroffenen häufig übergewichtig, wobei das Körpergewicht kein dia gnostisches Merkmal der Störung darstellt. Menschen mit einer Binge-Eating- Störung können somit auch normalgewichtig sein. Bei Menschen mit Adipo- sitas stellt die Binge-Eating-Störung allerdings die häufigste Essstörung dar. Während die Definition eines Essanfalls äquivalent ist zu derjenigen bei Bu- limia Nervosa, müssen für die Diagnose einer Binge-Eating-Störung noch weitere Symptome vorliegen, die häufig mit den Essanfällen einhergehen (vgl. Tabelle 3). Tabelle 3: Wesentliche diagnostische Merkmale der Binge-Eating-Störung nach DSM-5 (APA/Falkai et al., 2018) und ICD-11 (WHO, 2019) DSM-5 ICD-11 4 Symptom Symptom Erläuterung A. Wiederholte Episoden von Häufige, wieder • Umgrenzter Zeit- Essanfällen. Ein Essanfall ist durch kehrende Episoden von raum, in dem ein die folgenden beiden Merkmale Essanfällen. subjektiver Kontroll- gekennzeichnet: verlust über das 1. Verzehr einer Nahrungsmenge Essen erlebt wird, in einem bestimmten Zeitraum deutlich mehr oder (z. B. innerhalb eines Zeitraums anders gegessen von 2 Stunden), wobei diese wird als gewöhnlich Nahrungsmenge erheblich und man sich nicht größer ist als die Menge, die imstande fühlt, das die meisten Menschen in einem Essen zu beenden vergleichbaren Zeitraum unter oder die Art der vergleichbaren Bedingungen Nahrungsmittel essen würden. oder die gegessene 2. Das Gefühl, während der Nahrungsmenge Episode die Kontrolle über das einzuschränken. Essverhalten zu verlieren (z. B. das Gefühl, nicht mit dem Essen aufhören zu können oder keine Kontrolle über Art und Menge der Nahrung zu haben). 4 Diagnostische Kriterien der Binge-Eating-Störung nach DSM-5 (aus APA/Falkai et al., 2018, S. 479. Abdruck erfolgt mit Genehmigung aus der deutschen Ausgabe des Diagnostic and Sta- tistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition © 2013, Dt. Ausgabe: © 2018, American Psychiatric Association. Alle Rechte vorbehalten.) Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus A. Meule: Diagnostik von Essverhalten (ISBN 9783840929915) © 2020 Hogrefe, Göttingen.
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