Das Ehrenamt in der Erwachsenenbildung mit Geflüchteten - Strategische Aspekte für das Bildungsmanagement - Silvester Popescu-Willigmann für ...
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Das Ehrenamt in der Erwachsenenbildung mit Geflüchteten – Strategische Aspekte für das Bildungsmanagement Silvester Popescu-Willigmann für Manage2Integrate
Seite 2 Das Ehrenamt in der Erwachsenenbildung mit Geflüchteten – Strategische Aspekte für das Bildungsmanagement By Silvester Popescu-Willigmann für Manage2Integrate Lernmaterial Mai 2020 Zitationsvorschlag: Popescu-Willigmann, S. (2020): Das Ehrenamt in der Erwachsenenbildung mit Geflüchteten – Strategische Aspekte für das Bildungsmanagement. Lernmaterial für das Projekt Manage2Integrate, Mai 2020. Heraus- gegeben durch das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. Dieses Werk steht – soweit nicht anders gekennzeichnet – unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International (CC BY-ND 4.0). Als Urheber ist der Autor zu nennen. Um eine Kopie dieser Lizenz zu sehen, besuchen Sie https://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/deed.de Projektpartner:
Seite 3 INHALTSVERZEICHNIS Die strategische Perspektive auf das Ehrenamt 4 Relevanz des Ehrenamts für das Bildungsmanagement 5 Strategisches Geschäftsfeld Ehrenamt 6 Weitere Potenziale ehrenamtlichen Involvements 7 Ressourcen und Prozesse: Das Ehrenamt als Mitgestalter des Leistungsangebots 7 Reputation im Sozialraum: Das Ehrenamt als sozialräumlicher Multiplikator 7 Corporate Social Responsibility (CSR): Das ehrenamtliche Engagement des Bildungsunternehmens 7 Personalbindung und Personalentwicklung: Das ehrenamtliche Engagement der Mitarbeitenden 8 Handlungsbereiche für das Bildungsmanagement 9 Angebotsportfolio für die Zielgruppe Ehrenamt 9 Lehr-/Lernbereich Ehrenamt 9 Lehr-/Lernbereich Ehrenamtskoordination 10 Lehr-/Lernmittel und Lernmedien 11 Weitere Leistungen 11 Handlungsfelder für die Unternehmensführung 12 Organisationsentwicklung: Gestaltung von Rahmenbedingungen 12 Personalentwicklung: Qualifizierung und Förderung des haupt- und ehrenamtlichen Personals 13 Finanzierung: Ausgaben- und Einnahmenoptimierung per Finanzierungsmix 14 Fazit 15 Weiterführende Quellen und verwendete Literatur 16 Über den Autor 20 Impressum 21 Kontakt 21 Projektpartner:
Seite 4 Die strategische Perspektive auf das Ehrenamt Dieser Wissensbaustein richtet sich an alle Leitungs- und Fachkräfte bei Bildungsträgern, die sich mit Ent- scheidungs- und Gestaltungsfragen von strategischer Reichweite befassen oder Interesse an strategischen Fragen haben. Wir bewegen uns in der Sphäre des strategischen Bildungsmanagements. Für Bildungsträ- ger jeglicher Couleur wird in diesem Text das Paradigma eines „unternehmerischen Managements“ (Stevenson/Jarillo 2007; Drucker 1985) für das Bildungsmanagement vorgeschlagen, weshalb hier sowohl von „Bildungsträgern“ als auch von „Bildungsunternehmen“ synonym die Rede ist. Für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ist aus Sicht des unternehmerischen Managements eine chancenorientierte Management-Haltung und Praxis Voraussetzung. Damit lässt sich das Unternehmen unter sich verändernden Rahmenbedingungen und Märkten vorausschauend führen, strukturieren und organi- sieren – und durch innovatives Handeln sein Erhalt sichern. Auf diesen Wissensbaustein bezogen ergibt sich daraus das Postulat, das ehrenamtliche Engagement als Tätigkeitsfeld des Bildungsträgers strategisch zu denken und ganzheitlich zu gestalten. Dieser Text lädt dazu ein, bei allen strategischen Fragen den Blick zu öffnen und verschiedene Perspek- tive einzunehmen, damit das strategisch bearbeitete Thema in all seinen (potenziellen) Facetten durchdrun- gen und unternehmerische Chancen in ihrer Vielfalt erkannt werden. Am Beispiel des uns interessierenden Ehrenamts lässt sich ein solcher multiperspektivischer Blick demonstrieren: Es lohnt sich, das Ehrenamt nach verschiedenen Funktionen zu differenzieren, z. B. die Personen, die sich ehrenamtlich engagieren, die Ehrenamtlichen, die Organisationen, die das Ehrenamt fördern oder mit eh- renamtlichem Einsatz ihre Leistungen erbringen, sowie das Ehrenamt als gesellschaftliches Phänomen. Von hier aus offenbaren sich verschiedene Rollen des Ehrenamts aus Sicht des Bildungsunternehmens, wel- che es z. B. mit Leistungsangeboten, im Rahmen der internen Organisationsentwicklung oder mit Maßnah- men der Personalentwicklung adressieren kann (Auflistung ohne Rangfolge): • Bildungsadressatin/Bildungsadressat: Ehrenamtliche, Ehrenamtskoordinierende oder Entschei- dungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Behörden, Unternehmen und Vereinen können Adres- saten – also Lernende – des Bildungsangebots sein. • Kundin/Kunde: Als Bildungsadressatinnen und -adressaten oder als Finanziers von Bildungsange- boten sind Personen oder Organisationen Kundinnen und Kunden des Bildungsträgers. Gerade, wenn Adressatinnen bzw. Adressaten und Zahlende nicht identisch sind, kann es Interessendivergenzen geben, mit denen bei der Angebotsgestaltung und im Marketing konstruktiv umzugehen ist. Eben- falls können Personen oder Organisationen Kundinnen und Kunden von Nicht-Bildungsleistungen wie Beratung und Coaching oder Käuferinnen und Käufer von Lehrmitteln, Fachbüchern und ande- ren, vom Bildungsunternehmen gehandelten Produkten sein. Ehrenamtliche, Ehrenamtskoordinie- rende oder Entscheidungsträgerinnen und -träger geraten so als Kundinnen bzw. Kunden in den Blick. • Kooperationspartner: In der Konzeption und Durchführung von Bildungsangeboten, bei der ge- meinsamen Durchführung von Veranstaltungen oder in der Erbringung von Zusatzleistungen wie Beratung und Coaching können vor allem Organisationen Partner sein und in der Gestaltung des Tätigkeitsfeldes Ehrenamt unterstützen. Institutionelle Kooperationen mit Organisationen wie Verei- nen, Verbänden, Kammern, Stiftungen, Gewerkschaften oder Behörden sind außerdem bei Projekten oder Anträgen auf Fördermittel denkbar. Kooperationspartner unterstützen potenziell auch bei der Teilnehmenden-Akquisition. • Multiplikatorin/Multiplikator: Ehrenamtliche, die mit Adressaten des Bildungsangebots arbeiten, sind ideale Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die für die Teilnahme werben, Vorbehalte und Ängste bei Adressaten abbauen und Zugangsunterstützung durch Orientierung bei der Finanzierung, dem Hinkommen, der Kinderbetreuung etc. leisten können. Das gilt umso mehr für Ehrenamtliche, die von den Adressaten als Peers anerkannt sind. • Unterstützerin/Unterstützer: Ehrenamtliche können durch Zuarbeit beim Angebot oder bei Veran- staltungen logistisch sowie mit Begleit- und Betreuungsleistungen Teilnehmende beim Zugang zum Bildungsprogramm und weiteren Angebot unterstützen und den Bildungsträger operativ entlasten.
Seite 5 • Externe Mitarbeitende: Personen, die z. B. als Lehrkraft, Jobcoach oder Mentorin ehrenamtlich mitwirken, sind Mitarbeitende, doch unter anderen Bedingungen als Haupt- oder Nebenamtliche. • Interne Mitarbeitende: Haupt- oder Nebenamtliche können sich auch ehrenamtlich engagieren, indem sie beim Bildungsträger oder in ihrer Freizeit freiwillig tätig sind. Unterschiedliche Rechte und Pflichten, Überschneidungen und Abgrenzungen sowie die sozialversicherungs- und haftungs- rechtliche Problematik sollten klar kommuniziert, vereinbart und gemanagt werden. • Projektionsfläche: Das Involvement des Bildungsunternehmens mit dem Ehrenamt, mit internen und externen Ehrenamtlichen sowie sein eigenes Engagement wird gesellschaftlich und vor allem sozialräumlich beobachtet und hat (potenzielle) Reputationsfolgen. Von diesen Perspektiven ausgehend, lassen sich nun sowohl die Relevanz des Ehrenamts für die Erwachse- nenbildung klarer identifizieren als auch im Anschluss Handlungsbereiche für das Bildungsmanagement ent- wickeln. Wir behandeln speziell das Ehrenamt in der Arbeit mit Geflüchteten. Doch gelten die grundsätzli- chen Überlegungen unabhängig vom Adressatenkreis des ehrenamtlichen Engagements. Relevanz des Ehrenamts für das Bildungsmanagement Das Ehrenamt hat eine integrierende Wirkung und ist unverzichtbar in der Integrationsarbeit (Han-Broich 2012, S. 184). Auch beim Ankommen, der ersten Orientierung und der Integrationsvorbereitung sowie in den vielen kleinen und großen Fragen der Alltagsbewältigung leisten ehrenamtliche Strukturen oftmals entschei- dende Unterstützung (Becker et al. 2016). Neben den hauptamtlichen Angeboten und Strukturen bieten Eh- renamtliche als Lotsinnen und Lotsen, Lehrerinnen und Lehrer, Beratende oder Begleitende niedrigschwel- lige Hilfe beim Bewältigen rechtlicher, behördlicher und alltäglicher Herausforderungen. Das Ehrenamt trägt zur Realisierung von Teilhabe bei. Viele Menschen engagieren sich in Deutschland ehrenamtlich. Über alle Bereiche hinweg sind dies laut dem Freiwilligensurvey 2014 rund 43,6 % der Wohnbevölkerung ab 14 Jahren (Simonson et al. 2017, S. 21). Dabei nehmen die Ehrenamtlichen, die Ehrenamtskoordination und auch die Strukturen der Regelversorgung vielfältige Aufgaben wahr. Das bedingt unterschiedliche Wissens- und Kompetenzerfordernisse. Einblick in die Landschaft ehrenamtlichen Engagements, Details zu ehrenamtlichen Strukturen, Akteuren, Formen des Engagements und Zahlen bieten u. a. die Quellen und weiterführenden Literaturhinweise am Ende. Es wird langfristig einen hohen Bedarf an ehrenamtlichem Engagement in der Migrations- und Ge- flüchteten-Arbeit angesichts der hohen Wanderungsbewegungen weltweit geben. Allein zwischen 2015 und 2019 wurden z. B. rund 30 % aller Asylanträge seit 1953 in Deutschland gestellt. Das sind ca. 1,8 Millionen Asyl-Erst- und Folgeanträge. Etwa die Hälfte dieser Menschen blieb in Deutschland (selbst berechnet aus BAMF 2020). Es kann also von einem anhaltend hohen Bedarf an Integrationsbegleitung der Bleibeberechtigten ausge- gangen werden. Zudem ist insgesamt eine weiterhin hohe Zuwanderung zu erwarten, die in Folge von frei- williger Globalisierung und Fachkräftewanderung entsteht – und ebenso als Konsequenz von bedrohlichen, sicherheits-, politisch und umweltbedingten Notlagen weltweit auftritt. 70,8 Millionen Menschen waren Ende 2018 weltweit auf der Flucht (UNHCR 2019). Dies begründet viel Unterstützung in der Erstorientie- rung und den Lernbereichen nach dem Ankommen (siehe hierzu die Literaturempfehlungen Popescu- Willigmann/Ebbeler/Remmele 2019 und Popescu-Willigmann/Remmele 2019). Aufgrund seiner hohen gesellschaftlichen Relevanz und großer Potenziale für Bildungsunternehmen wird das Ehrenamt als strategisches Betätigungs- und Geschäftsfeld der Erwachsenenbildung vorgeschla- gen – und damit als Entscheidungs- und Gestaltungsbereich des Managements definiert. Ganzheitlich umge- setzt, schafft sich der Bildungsträger mit Ehrenamtsengagement ein strategisches Geschäftsfeld, welches er mit eigener Zielgruppe und Markt, eigener Strategie und Angeboten langfristig bearbeiten kann. Neben Chancen auf dem Markt bietet das Ehrenamt unternehmensinterne Potenziale.
Seite 6 Strategisches Geschäftsfeld Ehrenamt Aus Sicht der strategischen Unternehmensführung gilt es, dem Unternehmen ein klares Profil zu geben und die Unternehmensziele (langfristig) zu planen. Die Bedeutung des strategischen Managements steigt auch in der Erwachsenenbildung, da sich die Marktbedingungen kontinuierlich ändern, z. B. öffentliche Mittel rück- läufig sind und immer mehr Wettbewerber überregional, international und digital um alle Zielgruppen der Erwachsenenbildung werben (Merkens o.J.; Koschek/Ohly 2014; Nuissl 2018; Tippelt 2018). Zu „managen“ bedeutet: Das unternehmerische Handeln wird geplant und gesteuert – und erfolgt nicht zufällig. Es ist zielorientiert – und nicht beliebig. Die grundsätzliche Ausrichtung wird über Strategien konkretisiert, die den Entwicklungspfad für das Unternehmen vorzeichnen. Für die dem Dienstleistungssektor zugeordnete Erwachsenenbildung können spezifische, etablierte Praxen des strategischen Managements angewandt wer- den. Zum strategischen Handeln im Dienstleistungsbereich zählen Meffert et al. (2018, S. 130) u. a. eine Geschäftsfeldstrategie. Damit meinen sie „diejenigen Entscheidungstatbestände, die sich ausschließlich auf die Vorgehensweisen in den definierten bzw. zu definierenden Geschäftsfeldern beziehen.“ Das Ehrenamt hat das Potenzial zum eigenen strategischen Geschäftsfeld. Das Betätigungsfeld ist so groß und bedeutend, dass es sich lohnt, es abzugrenzen und als „homogenes Tätigkeitsfeld“ (Meffert et al. 2018, S. 159) des Bil- dungsträgers systematisch und langfristig zu steuern. Es kann z. B. in Form einer Ehrenamtsstrategie definiert werden. Diese sollte die folgenden Dimensionen enthalten (frei in Anlehnung an Abell 1980, nach Meffert et al. 2018, S. 160 ff.). Als Entscheidungs- und Ge- staltungsfelder ermöglichen diese Dimensionen, Stakeholder- und Kundenbedarfe zu identifizieren, das Angebot für das Ehrenamt daran orientiert strategisch zu konzipieren und marktgerecht zu spezifizieren: • Stakeholder und Kundengruppen des Bildungsträgers: Sie lassen sich differenzieren nach den Akteuren, die mit dem Ehrenamt unmittelbar verbunden sind (Ehrenamtliche, Organisationen) sowie für den Bildungsträger relevanten Einflussgruppen, deren Interessen mit dem Ehrenamtsengagement ebenfalls adressiert werden können (Stakeholder aus der Gesellschaft oder im Sozialraum). Manche Bedarfe der Gruppen überschneiden sich und können mit denselben Angeboten befriedigt werden, andere sind spezifisch und bedürfen eigener Angebote. Beispiele für Kunden: Ehrenamtliche (z. B. Geflüchtete, Unterstützende, Lehrende); Ehrenamtskoordinierende (Organisationen wie Vereine, Verbände, Kammern, Kirchen, Vereine, Initiativen, Schulen, Behörden; koordinierende Personen); Leitungspersonen als Promotoren (aus Politik, Behörden, Unternehmen, anderen Organisationen); Beispiele für Stakeholder: Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Medien. • Bedarfe und Nutzen auf Ebene der Gesellschaft und der Kundengruppen, die der Bildungsträger mit der Ehrenamtsstrategie aufgreift und mit konkreten Angeboten adressieren möchte: Welchen Beitrag leistet das Programm bei der Lösung gesellschaftlicher Aufgaben? Welche Nachfrage der Kundinnen und Kunden bedient er? Beispiele: Sprachniveau und Handlungsfähigkeit Zugewander- ter; Handlungsfähigkeit in der Ehrenamtsrolle; Methoden-, Kommunikations-, Technologie- und Medienkompetenz in der Ehrenamtskoordination. • Ressourcen, Prozesse und Technologien der Leistung: Es geht darum, wie die (Bildungs-) Dienst- leistung den Kundinnen und Kunden zugänglich gemacht wird, von der Akquisition bis zur Evalua- tion, Nachbetreuung und Initiierung von Cross-Selling. Beispiele: Ressourcen (Lehrpersonen, Lehr- mittel, Medien, Lernorte); Kundenansprache (Werbung, Evaluation und Umfragen); Stakeholder- Kommunikation (PR, Informationsanlässe, Maßnahmen der Partizipation); Leistungsarten (Präsenz- kurse, Online-Lehre, Beratung, Informations-, Lehr- und Lernmaterial, Informations- und Netzwerk- veranstaltungen); Technologien (Seminarausstattung, Online-Technologien, Apps). Diese Dimensionen sind Ausgangspunkte zur Operationalisierung des strategischen Geschäftsfelds, zur Formulierung von Handlungsstrategien für die Marktbearbeitung sowie zur Definition eines markt- und bedarfsorientierten Programms, konkreter Leistungsangebote und einer Finanzierungs- und Preisstra- tegie.
Seite 7 Weitere Potenziale ehrenamtlichen Involvements Das Ehrenamt und die darin engagierten Personen bieten Bildungsunternehmen neben ihrer Rolle als Adres- saten des Leistungsangebots weitere Chancen mit Blick auf eine nachhaltige Etablierung auf dem Bildungs- markt. Angesprochen sind Optimierungen in Bezug auf den Leistungsprozess und die Reputation des Un- ternehmens. Darüber hinaus bietet sich für das strategische Management auch hier der schon erwähnte Per- spektivenwechsel an, weg von Ehrenamtlichen als Adressaten: Mit eigenem ehrenamtlichem Engagement kann der Bildungsträger seine gesellschaftliche Verantwortung über sein Leistungsangebot hinaus wahr- nehmen und positive Effekte im Personalmanagement bewirken. Ressourcen und Prozesse: Das Ehrenamt als Mitgestalter des Leistungsangebots Ehrenamtlich Engagierte können in den Leistungsprozess einbezogen werden und sind in der Bildungsarbeit mit Geflüchteten häufig wichtige Akteure. Ehrenamtliche verfügen über wertvolles Knowhow (z. B. als qua- lifizierte Lehrkraft, pro bono publico tätige Rechtsberatende oder Gesundheitsfachperson) und haben Ziel- gruppenkompetenz in Bezug auf die Lebenslagen, Lernvoraussetzungen und Lernbedarfe der von weltweit stammenden, heterogenen Adressatengruppe Geflüchtete sowie einen guten Zielgruppenzugang. Auf den ersten Blick erschließt sich der Nutzen einer Einbindung Ehrenamtlicher in die Leistungserstellung durch die Ausweitung der (personellen) Kapazität, mitunter auch als Hilfe, personelle Engpässe zu über- brücken, wie sie etwa in den Jahren 2015 und 2016 durch die systemüberlastenden Zuzüge entstanden. Au- ßerdem kann die Adressatenorientierung des Programms gesteigert und das Zielgruppenpotenzial stärker ausgeschöpft werden. Es wird auch das Wissen der Haupt- und Nebenamtlichen erweitert und die Wis- sensbasis in der Organisation verbreitert, sofern ein Wissensmanagement in Anwendung ist. Über die Ver- netzung in der Ehrenamtlichen-Szene können Kooperationspartner gewonnen werden, was den Handlungs- spielraum bei Ausschreibungen und für die Programmentwicklung erweitern kann. Ehrenamtliche können mit eigenen Beiträgen an den Bildungs- und Nicht-Bildungsangeboten sowie an Zu- satzangeboten wie zur Alltagsbegleitung mitwirken. Sie können Co-Autorinnen und Autoren von Lehr- und Informationsschriften sein sowie mit ihrer Expertise bei der Angebotskonzeption involviert werden. Als Promotorinnen und Promotoren der Adressatengruppe Geflüchtete sowie gegenüber den Organisationen, denen sie angehören, tragen sie dazu bei, dass Zielgruppen und Bildungsprogramm zusammenfinden. Reputation im Sozialraum: Das Ehrenamt als sozialräumlicher Multiplikator Durch Interaktionen mit Ehrenamtlichen und ihren Organisationen festigt der Bildungsträger seinen Stand in der Gesellschaft, konkret im Sozialraum. Er wird nicht nur als Dienstleister wahrgenommen, sondern als zivilgesellschaftlicher Akteur, als Sozialraumpartner und Peer. Von dieser zivilgesellschaftlichen Ak- zeptanz profitiert das Bildungsunternehmen langfristig; und zwar über ein zusätzliches Nachfragepotenzial in der Bevölkerung sowie in den Netzwerken der Sozialraumpartner. In Fragen der Sozialraumgestaltung ist er involviert. Über lokalpolitische Partizipation ist er mit allen wichtigen Akteuren, auch aus der Politik, vernetzt. Er wird an Entwicklungsprojekten beteiligt und wird bei politischen Entscheidungsprozessen involviert. Dadurch hat der Träger Zugang zu Informationen aus erster Hand und sein unternehmerischer Handlungsradius erhöht sich. Die Reputation des Unternehmens strahlt auf seinen Ruf als Arbeitgeber aus und kann in der Personalge- winnung genutzt werden. Vor allem in Arbeitsbereichen mit Personalmangel oder bei der Suche nach hoch- qualifizierten Talenten kann dies einen Wettbewerbsvorteil bedingen. Die Mitarbeitenden-Gewinnung wird einfacher und die Integration neuer Mitarbeitender gelingt schneller, da aktive Beziehungen zu Schulen, Kin- dergärten, Vermietern, anderen Dienstleistern sowie Anwohnerinnen und Anwohnern bestehen. Corporate Social Responsibility (CSR): Das ehrenamtliche Engagement des Bildungsunternehmens Ihre gesellschaftliche Verantwortung bringen Unternehmen sowohl durch nachhaltige Angebote und Leis- tungsprozesse zum Ausdruck als auch durch soziales, kulturelles oder umweltbezogenes Engagement, sowie
Seite 8 über interne Richtlinien und Praktiken im Umgang mit Interkulturalität und Diversität. Ein eigenes ehren- amtliches Engagement bietet Bildungsunternehmen unzählige Möglichkeiten zur Realisierung ihrer CSR. Arbeitsbedingungen, die den Mitarbeitenden Raum für ehrenamtliches Engagement bieten („Corporate Volunteering“), wären ein Beispiel, bei dem das Unternehmen bezüglich der Ausrichtung des Engagements den Mitarbeitenden die Verantwortung lässt und ihre Initiative mit Zeit unterstützt. Dies kann in Form eines Stundenkontingents innerhalb der bezahlten Arbeitszeit pro Monat oder Jahr für ehrenamtliche Arbeit sein. Ebenfalls denkbar ist die Unterstützung des Ehrenamts mit Ressourcen wie Druck-Möglichkeiten oder die kostenfreie oder -reduzierte Überlassung von Schulungsräumen oder Equipment für ehrenamtliche Ange- bote. Das Unternehmen kann auch über sozialräumliche Kooperationen Bedarfe für ehrenamtliche Unterstüt- zung identifizieren und seinen Mitarbeitenden durch Zeit und Ressourcen ermöglichen, sich daran zu betei- ligen. Das ist im Zusammenhang mit Ausnahmesituationen wie in Katastrophenfällen vorstellbar oder kann ebenso als wiederkehrendes oder regelmäßiges Angebot gestaltet sein. Ein wiederkehrendes Angebot könnte z. B. ein jährliches oder monatliches Brunch-Event für Menschen ohne Obdach oder die Beteiligung an Stadtteil-Reinigungsaktionen sein. Beispiele für regelmäßige Angebote sind Nachhilfekurse für leistungs- schwächere Lernende, Erstorientierungshilfen für Zugezogene oder Pro-bono-Beratungen für gemeinnützige Vereine. Personalbindung und Personalentwicklung: Das ehrenamtliche Engagement der Mitarbeitenden Die Förderung des ehrenamtlichen Engagements seiner Mitarbeitenden („Coporate Volunteering“) kann aus Sicht des Arbeitgebers auch Potenziale für das Personalmanagement hervorheben, namentlich die Personal- bindung erhöhen und Ziele der Personalentwicklung fördern. „Die Förderung von ehrenamtlichem Engage- ment wird insgesamt als sehr wichtig erachtet. Als Motivation für die Unterstützung sehen Unternehmen da- bei sowohl ihre gesellschaftliche Verantwortung als auch eine Verbesserung der Unternehmenskultur, die persönliche und soziale Weiterentwicklung des Einzelnen und von Teams als auch die Steigerung der eige- nen Attraktivität als Arbeitgeber“, fasst Redmann (2018, S. 181) die Ergebnisse einer Studie mit kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen in Deutschland aus dem Jahr 2011 zusammen. Mitarbeitenden zu ermöglichen, sich neben der Arbeit für Themen zu engagieren, die ihnen wichtig sind, kann das Commitment in der Belegschaft stärken. Dies können zivilgesellschaftliche Engagements sein, die der Arbeitgeber initiiert bzw. unterstützt, oder ehrenamtliche Engagements der Mitarbeitenden, denen der Arbeitgeber im Arbeitssetting Raum gibt. Der Arbeitsplatz gewinnt an Identifikationspotenzial. Raum für ein Engagement außerhalb der Arbeit macht diese abwechslungsreicher, birgt Motivationspotenzial, kann die Fluktuation senken und die Leistungsfähigkeit erhöhen. Das Ehrenamt fördert ebenfalls die Personalentwicklung. Mitarbeitende können ihre Kompetenzen erwei- tern und aus verschiedenen Rollen heraus neue Perspektiven entwickeln. Problemlösefähigkeit und ver- netztes Denken werden gefördert, einhergehend mit Mut und Persönlichkeitsentwicklung infolge der eh- renamtlichen Verantwortung. Ehrenamtliche Verantwortung fördert damit auch die fachliche, soziale und persönliche Mobilität der Mitarbeitenden. Sie versuchen sich in neuen Rollen und entwickeln neue Kompe- tenzen, die ihnen in für die bestehenden oder für neue Aufgaben zugutekommen können.
Seite 9 Handlungsbereiche für das Bildungsmanagement Mit der Ehrenamtsstrategie ergeben sich Impulse für die Angebotsgestaltung und die Unternehmensführung, die im Folgenden nacheinander dargestellt werden. Angebotsportfolio für die Zielgruppe Ehrenamt Bildungsunternehmen adressieren mit dem Zielgruppenprogramm das Ehrenamt und dessen Lernbedarfe. Zur Systematisierung werden die Angebotsbereiche „Lehr-/Lernbereich Ehrenamt“, „Lehr-/Lernbereich Ehrenamtskoordination“, „Lehr/Lernmittel und Lernmedien“ sowie „Weitere Leistungen“ vorgeschla- gen. Zur systematischen und strategisch nachhaltigen Entwicklung des Angebotsportfolios empfehlen sich Pro- zesse aus dem Produktmanagement und zugehörige Instrumente (Matys 2018; Aumayr 2016). Außerdem sind Business-Canvas-Ansätze (z. B. nach Osterwalder/Pigneuer 2011) eingängige, anwendungsfreundliche und systematische Methoden für diesen Zweck. Lehr-/Lernbereich Ehrenamt Fast ein Viertel der Ehrenamtlichen benötigt für sein Engagement eine Aus- oder Weiterbildung, zwei Fünf- tel nehmen im Rahmen des Ehrenamts an Weiterbildungen teil oder lernen non-formal oder informell dazu (Simonson/Romou Gordo 2017). Die Lernbedürfnisse Ehrenamtlicher sind so vielfältig wie die Aufgaben, denen sie sich widmen. Daneben sind Fragen der Rahmenbedingungen von Ehrenamtlichkeit von Inte- resse. Die Arbeit mit Geflüchteten ist in spezifischer Weise anspruchsvoll, da Geflüchtete komplexe Lebenslagen aufweisen, die viel Fachwissen und personale Kompetenz aufseiten von Unterstützenden erfordern. Die Ent- scheidungen, die Geflüchtete im Rahmen ihres Asylverfahrens und in der Integrationsvorbereitung treffen, haben in der Regel weitreichende und häufig irreversible Konsequenzen. Eine kompetente Beratung und Begleitung sind unverzichtbar, ebenso wie die Kenntnis und Einhaltung der Grenzen ehrenamtlichen En- gagements. Das gilt auch für die nicht explizit (rechts-)beratende Unterstützung in Alltagsfragen oder die Begleitung zu Behörden, wo der Übergang in die Lebenslagenberatung häufig fließend ist. Für das Handlungsfeld „Arbeit mit Geflüchteten“ eignen sich folgende Lernfelder für das Lern-Angebot für Ehrenamtliche (siehe auch Bauerschaper 2019 und Lange 2017). Die potenziellen Lernbedarfe sind weitge- fächert, z. B.: • Fachwissen in der Arbeit mit Geflüchteten: Grundlagen des Asyl- und Aufenthaltsrechts, Kennt- nisse des Asylverfahrens und des Familiennachzugs, sozialrechtliche Ansprüche und Grundlagen des Verwaltungsverfahrensrechts; Lebenslagen Geflüchteter; Grundwissen zur fluchtursachen- und fluchtroutenbeeinflussten Gesundheit; Gesundheitssystem und Gesundheitsversorgung; Wissen zur geopolitischen Lage, zu Herkunftsländern, Bildungs- und Arbeitssystemen sowie -bedingungen in den Herkunftsländern; Grundwissen zu Bildungsteilnahme und Arbeitsintegration in Deutschland und über lokale Besonderheiten; Diskriminierung und Rassismus; Radikalisierung; Rahmenbedin- gungen ehrenamtlichen Engagements wie Rechte, Pflichten und Grenzen des Handelns (z. B. nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz), Haftung, Sorgfaltspflichten, Datenschutz, Persönlichkeitsrechte, Aufsichtspflicht, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, Versicherungsschutz, Aufwandsentschädi- gung. • Angebote und Anbieterstrukturen: Angebotsformen (Beratung, Therapie, Versorgung, Lehr-/ Lern- und Informationsmaterial) und Angebote für Geflüchtete und für Ehrenamtliche im Sozial- raum und darüber hinaus; professionelle und ehrenamtliche Akteure, Anlauf-, Beratungs- und Thera- piestellen, Bezugsquellen für Materialien, Zugang und Zugangsvoraussetzungen für Angebote für Geflüchtete (Kosten, Kostenerstattung, Transit, Zeiten); formale und tatsächliche (Nicht-) Zuständig- keiten. • Methodisches Handlungswissen: Methoden, Techniken und Technologien für: Selbstorganisation, Vereinbarkeit von Familie, Ehrenamt und Beruf, Zeitmanagement, Vernetzung, Zusammenarbeit
Seite 10 und Kommunikation in der Hilfslandschaft und mit Geflüchteten; IT-Kenntnisse (Office, Content- Management-Systeme, Social Media, verschlüsselte Kommunikation etc.); interkulturelles Wissen, Wertesysteme, Normen, Rituale, eigene interkulturelle Handlungs- und Kommunikationskompetenz; pädagogisches Fachwissen, Didaktik und Methodik sowie fachdidaktische, unterrichtspraktische und medienpädagogische Kompetenz je nach Arbeitsbereich (Sprache, Arbeitsintegration, Freizeit etc.). • Beziehung zwischen Ehrenamtlichen und Geflüchteten: Empathie, Geduld, Rücksicht, Toleranz und Offenheit; Rollenklarheit, Nähe und reflexive Distanz; Gefahren einer asymmetrischen Hilfebe- ziehung mit Machtgefällen (Bauerschaper 2019, S. 202); wertschätzende und klare Kommunikation, auch unerfreulicher Inhalte; Grenzen und alternative Quellen der Unterstützung; konstruktiver Um- gang mit Dilemmata; Vermittlung und konstruktives Verhalten in unerfreulichen und ausweglosen Situationen. • Beziehung zwischen Ehren- und Hauptamtlichen: Akteure, Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Rollenverhältnisse; Komplementarität von Haupt- und Ehrenamt; Verhandlungsgeschick, Diplomatie und Durchsetzungsfähigkeit. • Soft Skills und personale Kompetenzen: Professionalität entsprechend Standards im Handlungs- feld; Zielorientierung und Selbstregulation, Verbindlichkeit und Verantwortung; Aufbau und Refle- xion einer differenzierten Haltung; realistische Einschätzung der eigenen Belastbarkeit, Selbstfür- sorge, Abgrenzung und Resilienz; Frusttoleranz und Selbstmotivation. Das Bildungsangebot muss methodisch variabel und praxisorientiert sein, da es in der Ehrenamtlichen-Bil- dung um die Verbesserung der Handlungskompetenz geht. Das Programm muss außerdem flexibel sein. Vor allem fachliche Lernbedarfe in der Arbeit mit Geflüchteten ändern sich häufig, „genau wie die Rahmenbe- dingungen (Asylrecht beispielsweise) einem stetigen Wandel unterliegen. Gesetzes- und Verfahrensänderun- gen, aber auch veränderte Fluchtrouten und Krisenherde wirken sich letztendlich bis auf die lokale Ange- botsebene von Maßnahmen aus“ (Remmele/Ebbeler/Popescu-Willigmann 2019, S. 217). Es bietet sich eine Modularisierung des Angebots an. Aufgrund der Komplexität der Materie sollten Expertinnen und Exper- ten in die Planung und Angebotsdurchführung involviert sein. Die Arbeit Ehrenamtlicher überschneidet sich häufig mit den Aufgaben institutioneller und professioneller Anbieter. In der Geflüchteten-Arbeit betrifft dies vor allem rechtliche Felder, pädagogische Bereiche oder die medizinische Versorgung in der Arbeit mit traumatisierten Menschen. Die Lernfelder sind deshalb aus der jeweiligen Akteursperspektive aufzubereiten und zu granulieren. Hier wandeln Bildungsträger auf einem schmalen Grat zwischen „Zu wenig“ und „Zu viel“, wenn sie die notwendigen Grenzen zwischen fachlicher Expertise und ehrenamtlicher Hilfe respektieren und gleichzeitig die Initiative Ehrenamtlicher nicht ersticken wollen. Die sorgsame Auswahl der Lerngegenstände schützt auch Ehrenamtliche vor Über- forderung und bewahrt sie womöglich gar vor einer „sekundären Traumatisierung“ (Andreatta/Mitterhofer 2016). Kleist (2017, S. 30) resümiert: „Die Aufgabe für den Bildungssektor wird es [sein,] die professionel- len Defizite des freiwilligen Bildungsangebots durch Fortbildung und Begleitung für Ehrenamtliche aufzu- fangen […], ohne den ehrenamtlichen und zivilgesellschaftlichen Charakter zu unterminieren. Das Hauptamt und das Ehrenamt dürfen nicht in Konkurrenz zueinander treten, sondern sollten als komplementär betrachtet werden.” Lehr-/Lernbereich Ehrenamtskoordination Ehrenamtskoordinierende haben fachliche, methodische (auch technologische) und persönliche Lernbedarfe im Zusammenhang mit den Aufgaben in ihrer Rolle, z. B.: • Analytisch: Identifikation des Angebots an ehrenamtlichem Engagement sowie der Nachfrage bzw. dem Bedarf nach ehrenamtlicher Mitarbeit: quantitativ, inhaltlich, qualitativ, räumlich, zeitlich. • Konzeptionell: Aufbau von effektiven und effizienten Strukturen zur verlässlichen und zeitnahen Koordination von Angebot und Nachfrage sowie ihrer nachhaltigen Finanzierung; Ermittlung und Befriedigung von Bildungsbedarf; Evaluation der Strukturen und des ehrenamtlichen Engagements. • Organisatorisch/logistisch: Zusammenbringen von Angebot und Nachfrage; Koordination von Ak- teuren und Dienstleistern zur Aufrechthaltung der Angebots-/Nachfrage-Steuerung; Planung, Durchführung und Nachbereitung von Veranstaltungen.
Seite 11 • Politisch: Werben um Unterstützung und Verhandlungsführung bei Politik und Behörden bzw. Or- ganisationen und Ehrenamtlichen. • Kommunikativ: Netzwerkarbeit mit Organisationen, Verantwortlichen, Ehrenamtlichen, Politik und Behörden, Kooperationspartnern, Gönnern und Sponsoren sowie weiteren Stakeholdern; Beratung und Coaching; Mediation und Vermittlung; Motivation von Akteuren; Öffentlichkeitsarbeit, Vor- träge und Präsentationen; dies fußt in der Arbeit mit Geflüchteten auf einer stark ausgeprägten inter- kulturellen und Länderkompetenz sowie persönlicher Offenheit. • Fachlich: Kenntnis sozialräumlicher Strukturen und Akteure; Fachwissen in relevanten Themen wie Haftungs- und Versicherungsrecht, Ehrenamtsvergütung und Aufwandsentschädigung, steuerliche Aspekte sowie arbeits-, vereins- und ordnungsrechtliche Grundlagen; Beherrschen der Produktion von Werbe- und Gebrauchstexten; je nach Handlungsbereich ein Wissen um thematische Grundla- gen, maßgebliche (politische und gesellschaftliche) Akteure und Zusammenhänge sowie das gegen- wärtige weltpolitische Geschehen (all dies ist in der Arbeit mit Geflüchteten unverzichtbar). • Administrativ und technologisch: Anwenden administrativer Routinen (z. B. Aktenordnung, Kas- senführung), Nutzung von Instrumenten wie Einsatz- und Bedarfsplanung, Aufgabenbeschriebe; Nutzung von Technologien wie Office-Anwendungen, Content-Management-Systeme, Social Me- dia. Lehr-/Lernmittel und Lernmedien Ergänzend können Materialien für die Qualifizierung von Ehrenamtlichen und Ehrenamtskoordinierenden sowie zum Einsatz in der ehrenamtlichen Arbeit entwickelt werden. Diese werden eigenständig vermarktet oder in dem Lehr-/Lernangebot begleitend eingesetzt. Das gesamte Spektrum der Bildungsmedien ist hier- für denkbar: • Bücher oder Broschüren als Print- und/oder Digitalprodukte. • Onlinekurse mit oder ohne Zertifikat, die über eine eigene Website oder über E-Learning-Plattfor- men wie iVersity, Lecturio, LinkedIn Learning oder Udemy sowie in Kooperation mit Verbänden, Behörden oder anderen Bildungsträgern angeboten werden. • Hilfsmittel wie Sprach-/Vokabelkarten, Methoden-Sets, Spiele zum Einsatz in der ehrenamtlichen Arbeit wie Foxtrail, Planspiele oder Materialien zum Selbststudium und zur Prüfungsvorbereitung für Ehrenamtliche oder Geflüchtete, physisch oder als Lern-Apps, Erklärvideos oder Podcasts. Zur Unterstützung der Ehrenamts- und Geflüchteten-Arbeit gibt es kommerzielle und noch mehr kostenfreie Materialien. An ein wirtschaftliches tragfähiges Produkt stellen sich daher hohe Anforderungen. Aus strategischer Sicht kann die Investition in diesen Bereich sich dennoch lohnen; nämlich, wenn die Pro- dukte auch als Mittel für anderweitige Synergien gesehen werden. So kann die Herstellung kooperativ er- folgen (mit Bildungsträgern, hauptamtlichen oder zivilgesellschaftlichen Akteuren, Behörden oder Unterneh- men), sie kann die Reputation steigern, Potenziale für die Zusammenarbeit in Projekten bieten und so bzw. über die Streuung oder den Vertrieb der Produkte Kundenpotenziale für das eigentliche Bildungsangebot er- schließen. Die Kooperationen können entlang des ganzen Herstellungszyklus entfaltet werden: in der Kon- zeption, in der Herstellung und im Vertrieb (z. B. über Geflüchteten- oder Migrantenorganisationen, Multi- plikatorinnen und Multiplikatoren, Sozialarbeitende, Unterkünfte, Gesundheitspersonal, Rechtsberatende oder Geschäfte und Beratungsstellen; zum Verkaufspreis, zum Selbstkostenpreis, zum Sozialpreis, als Give- away, als Link auf der Website etc.). Weitere Leistungen Das Bildungsunternehmen kann Angebote entwickeln, die aus Sicht seiner Zielgruppen zusätzliche Nutzen abdecken. Dadurch kann ein umfangreicheres Leistungsvolumen bei bestehenden Zielgruppen platziert bzw. können neue Zielgruppen gewonnen werden. So hat der große Zuzug Geflüchteter in der Mitte des letzten Jahrzehnts viele neue Player ins Spiel gebracht, weil die umfangreichen Bedarfe durch die etablierten Versorgungsstrukturen nicht abgedeckt wurden. Doch das Prinzip der kaufmännischen Vorsicht gilt auch bei der Angebotserweiterung. Strategisch nicht zu rechtfertigende Angebote sollten nicht realisiert werden.
Seite 12 Die weiteren Leistungen müssen nicht kommerziell vermarktet werden, sondern können aus strategischer Sicht kostendeckend, für den guten Zweck bzw. im Rahmen einer Added-Value-Strategie angeboten werden. Zusatzangebote wie die folgenden, durchgeführt von Bildungsanbietern, wären für das Ehrenamt denkbar: • Organisationsberatung: Ehrenamtsberatung für Vereine, Verbände und andere Organisationen, die mit Ehrenamtlichen arbeiten; Arbeitgeberberatung in Bezug auf Arbeitgeberrechte und -pflichten sowie zu Möglichkeiten eigenen Ehrenamtsengagements. • Fachberatung für Personen: Beratung von Ehrenamtskoordinierenden bezüglich ihrer Aufgaben sowie von Ehrenamtlichen und Interessierten in allen oder in einzelnen, klar umrissenen Fragen zum Spektrum ehrenamtlicher Tätigkeiten (siehe oben, Lehr-/Lernbereich Ehrenamt). • Supervision, Coaching: Angebot von oder Vermittlung zu Anbietern professioneller Begleitung. • Ehrenamtskoordination (regional oder sektoral): Verantwortung für die Ehrenamtskoordination für eine Region (z. B. Stadtteil, Sozialraum) oder einen Sektor (z. B. Sprachkurse); Durchführung von Informations- und Vernetzungsveranstaltungen (z. B. Ehrenamtsbörse); Vermittlung zwischen Angebot und Nachfrage durch persönliche Koordination oder die Bereitstellung einer Datenbank bzw. eines Internetportals (wie z. B. das VHS-Ehrenamtsportal, siehe Quellen). • Moderation und Mediation: Vermittlung in der Anbahnung oder bei der Durchführung ehrenamtli- cher Aktivitäten oder bei Konflikten innerhalb der Ehrenamtsstrukturen, zwischen Haupt- und Eh- renamt oder zwischen Ehrenamtlichen und Geflüchteten. Handlungsfelder für die Unternehmensführung Was bedeuten die strategischen Potenziale des Ehrenamts für die Unternehmensführung? Es müssen die in- nerbetrieblichen Voraussetzungen geschaffen werden, um die Potenziale nachhaltig zu realisieren. Wir sehen uns hierfür organisatorische, personelle und finanzielle Implikationen an. Organisationsentwicklung: Gestaltung von Rahmenbedingungen Die Regelung der Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Abläufe muss entlang der Wertschöpfungskette alle Aspekte der Ehrenamtsstrategie berücksichtigen (Strategieformulierung Planung Angebotskon- zeption Akquisition Durchführung Evaluation Planung…) und alle Arbeitsbereiche wie Bil- dungsplanung, Lehre und Verwaltung einbeziehen. Das Ehrenamt und die darin engagierten Personen sind sowohl potenzielle Kunden als auch potenziell Mit- wirkende an der Leistungserstellung. Eine aktuelle Studie konstatiert die Notwendigkeit der Koordina- tion zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen in der Arbeit mit Geflüchteten sowie in der Zusammenarbeit zwischen ihnen (Schumacher 2018, S. 2). Einen Bedarf an Organisationsentwicklung formulieren in diesem Zusammenhang Hartnuß/Kegel (2011, S. 625): „Diese Organisationsentwicklung hat zum Ziel, sowohl die Organisation als Trägerorganisation von freiwilligem, bürgerschaftlichen Engagement kenntlich zu machen als auch ein Freiwilligenmanagement zur Unterstützung der freiwillig Engagierten und deren Kooperation mit den beruflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einzurichten.“ Es empfiehlt sich darüber hinaus, Standards der Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen zu implementieren, „zur Sicherung und zum Ausbau des Freiwilligen- und Ehrenamtsmanagements […] damit ausreichend gute Bedingungen für ehrenamtliches Engagement vorhanden sind“ (DRK 2016, S. 1). Zum effektiven und effizienten Handling der Zusammenarbeit sollte die Aufgabe des Ehrenamtsmana- gements verstetigt werden (Birnkraut 2013). Diese kann z. B. im Personalmanagement, in der Bildungspla- nung, in der Öffentlichkeitsarbeit oder in einem eigenständigen Arbeitsbereich angesiedelt sein. Die Veror- tung sollte sich an den Gegebenheiten orientieren und sicherstellen, dass die Stelle mit den benötigten Res- sourcen und Vollmachten ausgestattet ist, um ihre intermediäre Verantwortung erfüllen zu können. Es sollten die folgenden Aufgaben – wo nötig in Zusammenarbeit mit anderen internen Stellen – gebündelt werden: Bedarfserhebung (quantitativ und qualitativ), Gewinnung, Auswahl und Einsatz Ehrenamtlicher, Verwaltung des Ehrenamtlichen-Pools, Einsatzplanung, Personalentwicklung, Motivation und Anerkennung,
Seite 13 Evaluation sowie Verabschiedung. Aus Sicht der Ehrenamtlichen sollte es eine Ansprechperson für alle ihre Fragen geben. Neben der Gestaltung der grundlegender Strukturen und Prozesse stellen sich viele operative Fragen, die für eine Zusammenarbeit zu organisieren sind; z. B.: Berechtigung und Zugang zu Ressourcen wie Räu- men und Lehrmitteln, IT-Ausstattung und Zugang zur Kursverwaltung und Lernressourcen wie Software, Einhaltung des Datenschutzes, Nutzung darüber hinausgehender Infrastruktur wie Kopierer und Getränkeau- tomat, effiziente Abrechnung, Infrastruktur für mobiles, auch auswärtiges Arbeiten, Erreichbarkeit von An- sprechpersonen aus Lehrplanung und Verwaltung, Zugang zu Unterstützungsstrukturen wie Supervision und Coaching. Die Mitarbeitenden sind bei der Organisationsentwicklung einzubeziehen, ihr Commitment zu gewin- nen und ihr Knowhow zu nutzen. Das geschieht idealerweise in einem begleiteten, auf jeden Fall aber syste- matischen und partizipativen Prozess der Organisationsentwicklung, der darauf abzielt, ein geteiltes Mindset bei den Mitarbeitenden zu erwirken und belastbare, zielförderliche Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln. Neben den organisatorischen Aspekten der Zusammenarbeit ist nämlich die Schaffung einer zielförderlichen Arbeitskultur gefragt. Daher werden hier sinnvollerweise auch Ehrenamtliche beteiligt. Un- verzichtbar erscheint es, ein gegenseitiges Verständnis und Anerkennung zwischen Haupt- und Ehrenamtli- chen zu fördern. Gerade in der Zusammenarbeit mit den in der Regel intrinsisch motivierten Ehrenamtlichen kann eine belastbare informelle Beziehungsqualität mitunter erfolgsentscheidend sein. Es existieren mittlerweile viele, über das Internet häufig kostenfrei abrufbare und darunter auch nützliche Informationen und Materialien sowie einige Studien, die sich mit dem Freiwilligenmanagement bzw. der Eh- renamtskoordination befassen. Einige davon behandeln auch Reibungspunkte in der Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt und unterbreiten Lösungsideen; z. B.: Akzeptanz unterschiedlicher Ziele und Rollen, eigenes Rollenverständnis und Grenzen des Engagements, Vermischung von Person und Berufsrolle, Unter- oder Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, Dissense über professionelles Handeln, der Trias Nähe – Distanz – Abgrenzung, Disparitäten im Beziehungsdreieck Geflüchtete – Hauptamtliche – Ehrenamt- liche. Praktische Anregungen finden sich somit zur Genüge (siehe auch Hinweise am Ende). Entscheidend er- scheint an dieser Stelle deswegen der Apell, auch diese Management-Aufgabe unter strategischen Ge- sichtspunkten systematisch anzugehen und stabile Strukturen sowie Abläufe zu etablieren, die eine kontinuierliche und qualitativ gleichbleibende Ehrenamtsarbeit sowohl auf Angebots- als auch auf Prozess- ebene ermöglicht. Personalentwicklung: Qualifizierung und Förderung des haupt- und ehrenamtlichen Personals Weiter oben wurden Potenziale des Ehrenamts für die Personalbindung und Personalentwicklung angespro- chen. An dieser Stelle geht es um Handlungsbedarfe für das Management, die sich im Bereich Personalent- wicklung ergeben, wenn Haupt- und Ehrenamtliche an der Leistungserstellung mitwirken. Holtbrügge (2015, S. 135) beschreibt Personalentwicklung anschaulich als „alle planmäßigen und zielgerich- teten Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung sowie des Karrieremanagement[s], die der individuellen be- ruflichen Entwicklung und Förderung der Mitarbeiter dienen und diesen unter Beachtung ihrer persönlichen Interessen und Bedürfnisse die zur Wahrnehmung ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben notwendi- gen Qualifikationen vermitteln.“ Pädagogisch betrachtet, zielt Personalentwicklung darauf, Kompetenzen und Einstellungen der Mitarbeitenden zu verändern. Dabei ist Personalentwicklung „Teil einer umfassende- ren Organisationsentwicklung“, da die Veränderung der Organisation sich über den „Wandel von Strukturen, Strategien, Prozessen, Kulturen und Menschen“ verwirklicht (Lindner-Lohmann et al. 2014, S. 142, Hervor- hebung im Original). Ganzheitlich und strategisch betrachtet, ist dies keine unilaterale Veranstaltung, denn die Wünsche der Mit- arbeitenden sind ebenso zu berücksichtigen wie die betrieblichen Anforderungen. Wenn eine langfristige Personalbindung sowie Kontinuität im Wissensaufbau und in der Produktivität im Unternehmen gewährleis- tet werden sollen, so sind den Mitarbeitenden persönliche Perspektiven zu bieten, auf die mit Hilfe der Ent- wicklungsplanung hingearbeitet wird. Während die Perspektiven für hauptamtliche Mitarbeitende in der Form von Karriere-, Wissens- und Kompetenzzielen definiert werden können, sind für Ehrenamtliche z. T.
Seite 14 andere Motivatoren relevant: So kann durch eine den Interessen der Person entsprechende thematische, zeit- liche und örtliche Einsatzplanung Zufriedenheit bewirkt werden. Durch die ehrenamtlichen Aufgaben und Erfahrungen, informell erworbene Kompetenzen sowie neues Wissen können Ehrenamtliche ihre persönli- che Entwicklung fördern, eine Befriedigung im sinnvollen Handeln erfahren sowie ihre Optionen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Sowohl das altruistische Engagement als auch die Erfahrungen und das Wissen können Pluspunkte in Vorstellungsgesprächen oder bei der Karriereplanung beim eigenen Arbeitgeber sein. Viele Führungspersonen haben sich ihre ersten Managementsporen mit der Verantwortung in ehrenamtlichen Aufgaben verdient. Die Personalentwicklung mit Haupt- und Ehrenamtlichen ist anspruchsvoll, da verschiedene Intentionen (des Unternehmens und der Mitarbeitenden) und Zeiträume (Bedarfe der Gegenwart und der Zukunft) gemeinsam zu planen sind. Die Komplexität wird dadurch gesteigert, dass in der Zusammenarbeit von Haupt- und Eh- renamtlichen (tendenziell!) unterschiedliches Vorwissen, verschiedene Professionsverständnisse sowie ver- schiedene (formale bzw. rechtliche) Charakter der Zusammenarbeit, der Entlohnung sowie Motivatio- nen des Engagements und damit Verbindlichkeiten der Arbeitsbeziehung miteinander in Einklang zu bringen sind. Die Komplexität der Personalentwicklung und der enorme Erfolgsbeitrag des Personals zur Wertschöpfung unterstreicht die Notwendigkeit einer konsistenten Planung der Personalentwicklung. Entsprechend empfiehlt es sich auch in diesem Bereich, strategisch, kontinuierlich und systematisch zu arbeiten. Die Mitarbeitenden sind bei ihrer individuellen Entwicklungsplanung wie auch bei der Programmkonzeption aktiv einzubinden. Gerade gegenüber den nicht-pekuniär entlohnten Ehrenamtlichen kann ihre Partizipation Anerkennung ausdrücken, die ihrerseits das Commitment stärkt. In Entwicklungsgesprächen können dies- bezügliche Ziele, Wünsche und Erwartungen zwischen Mitarbeitendem und vorgesetzter Person ausge- tauscht und vergangene Erfahrungen konstruktiv und lernförderlich evaluiert werden. Für die Ehrenamtli- chen im pädagogischen Bereich braucht es ferner begleitende Angebote der Unterstützung wie kollegiale Beratung, Supervision oder Coaching. Diese Methoden können auch die Qualität der Zusammenarbeit zwi- schen den Beschäftigtengruppen positiv beeinflussen. Je größer der Personalstamm und je anspruchsvoller und vielfältiger die Qualifikationsbedarfe sind, desto mehr Wert sollte auf professionelle Instrumente und Methoden der Personalentwicklung gelegt werden. Es ist auch darauf zu achten, dass die angebotenen Personalentwicklungsmaßnahmen transparent kommu- niziert werden, damit Mitarbeitende sie in Anspruch nehmen können. Bei der Personaleinsatzplanung ist die Zeit zu berücksichtigen, die Mitarbeitende für ihre Fort- und Weiterbildung benötigen. Beim Einsatz Ehren- amtlicher sind die Angebote den Restriktionen der in der Regel in ihrer Freizeit tätigen Personen anzupas- sen und entsprechend zeitlich, örtlich und methodisch (Präsenz, Online-Lehre) flexibel anzubieten. Finanzierung: Ausgaben- und Einnahmenoptimierung per Finanzierungsmix Die Finanzierung der Erwachsenenbildung wird in Deutschland anteilig und im Wesentlichen von öffentli- chen Finanziers (Kommunen, Länder, Bund, Europäische Union), der Wirtschaft und gesellschaftlichen Gruppen wie Gewerkschaften oder politischen Parteien, den Bildungsträgern sowie den Nutzerinnen und Nutzern der Bildungsprogramme getragen (ausführlich z.B. Weiß 2018). Die Finanzierungsbeiträge in der Weiterbildung stagnieren über die letzten gut zwei Jahrzehnte weitge- hend in absoluten Beträgen (Dobischat et al. 2019). Eingedenk der Kaufpreis- und Lohnentwicklung scheint dem Sektor real weniger Einkommen zur Verfügung zu stehen, obwohl der Bildungsbedarf zunimmt ange- sichts technologischer Entwicklungen, der Vernetzung, Globalisierung und Internationalisierung der Arbeits- welt, sektoraler Branchenverschiebungen sowie sich verändernder Anforderungsprofile. Die Finanzierungs- praxis bewegt sich in eine „verstärkte Markt- und Nachfrageorientierung“ (Weiß 2018, S. 572) und gleich- zeitig klaffen die öffentlichen Ausgaben für Weiterbildung und die private Finanzierung durch Betriebe und Privatpersonen deutlich auseinander (ca. ¼ öffentliche vs. ¾ private Mittel) (Zahlen nach Dobischat et al. 2019, S. 24 ff.). Der Effekt der Wahlfreiheit auf Konsumentenseite wird noch durch einen zunehmenden Anbieter-Wettbewerb verstärkt (Merkens o.J.; Koschek/Ohly 2014; Nuissl 2018; Tippelt 2018). Es kom- men zu der hohen Dynamik auf dem Weiterbildungsmarkt neue Angebotsformen durch Online-Anbieter hinzu, die zeitlich und örtlich flexible sowie oft kostengünstige und damit attraktive, zeitgemäße Angebote vorweisen.
Seite 15 Die Ehrenamtsstrategie bietet für Bildungsunternehmen finanzielle Chancen, die durch innovatives Han- deln, die Anpassung des Angebots sowie der Prozesse wahrgenommen werden wollen. Durch die Zusam- menarbeit mit Ehrenamtlichen können auf der einen Seite Kostenvorteile erzielt werden, da, ähnlich dem Einsatz von Honorarkräften, die Arbeitsleistung nur bedarfsgerecht und punktuell erbracht wird, ohne dass Fixkosten für Lohn- und Sozialversicherungsabgaben anfielen. Das ist kein Plädoyer für eine Substitution haupt- oder nebenamtlicher Mitarbeitender durch Ehrenamtliche, sondern eine Sensibilisierung für den tat- sächlichen Kosteneffekt infolge einer sinnvollen Diversifikation des Personaleinsatzes. Auf der anderen Seite können Angebote auf die Bedürfnisse privater Finanziers in der Erwachsenenbil- dung zugeschnitten werden. Für Ehrenamtliche können z. B. Kurse zusammengestellt werden, die sowohl über eine Zertifizierung als auch über die Inhalte einen beruflichen Mehrwert bieten und daher einen Zeit- und eventuellen Finanzaufwand lohnen. Unternehmen können sowohl über Beratungsleistungen als auch über Kursangebote für ihre Führungskräfte, Personen im Ehrenamtsmanagement oder die Mitarbeitenden als Kunden neuer Leistungen geworben werden. Schließlich sind die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die mit dem Ehrenamt arbeiten, Adressaten von Beratungs- und Bildungsangeboten. Darüber hinaus lassen sich Angebote für öffentliche Finanziers konfektionieren, die der beruflichen Qualifizierung von Personen für neue Aufgaben in der Ehrenamtskoordination oder in den gesuchten Unterstützungsbereichen für Ge- flüchtete (z. B. Lotsen- und Begleitaufgaben, Sprachmittlung, Sprachlehrende) dienen. Auch auf das Poten- zial weiterer Angebote und Leistungen außerhalb des Bildungsprogramms wurde oben hingewiesen. Der Finanzierungsmix kann außerdem durch Projektverbünde und Kooperationen erweitert werden. So lassen sich in dem Feld der Arbeit mit Geflüchteten europäische, Bundes- und regionale öffentliche Projekt- mittel für die Verbesserung der Ehrenamtsstrukturen, der Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt, der Ehrenamtsqualifikation etc. akquirieren. Auch Stiftungen kommen als Projektpartner oder Finanziers in Betracht. Aus strategischer Sicht werden solche Projekte idealerweise genutzt, um nicht nur temporär zweck- gebundene Mittel zu akquirieren, sondern durch Innovation die zivilgesellschaftlichen Strukturen nach- haltig zu verbessern. Solche Veränderungen auf Strukturebene können auch dem Bildungsunternehmen un- mittelbar Vorteile bringen, wenn es damit einen Markt für seine Angebote mit etabliert. Durch eine Finanzstrategie kann das Bildungsunternehmen einen Finanzierungsmix zusammenzustellen, der finanzielle Risiken ausgleicht, langfristige Handlungssicherheit bietet und unternehmerische Spielräume eröffnet. Fazit Das Ehrenamt birgt strategisches Potenzial für Bildungsunternehmen. Es sollte multiperspektivisch adres- siert werden. Für vielfältige Akteure des Ehrenamts können Angebote zum Kompetenzaufbau im ehrenamtli- chen Einsatzbereich, zu Rahmenbedingungen der Ehrenamtlichkeit, zur Ehrenamtskoordination und zum Ehrenamtsmanagement offeriert sowie weitere Leistungen außerhalb des Bildungsprogramms angeboten werden. Es besteht ein hoher und dynamischer Bedarf an Bildung in der Ehrenamtsarbeit mit Geflüchteten. Die Einbindung des Ehrenamts in die Leistungserstellung bietet Reputations-, Personal-, Ressourcen- und Prozess-Potenziale. Die innerbetrieblichen Voraussetzungen für Ehrenamtsarbeit werden über Organisations- und Personalentwicklung sowie einen nachhaltigen Finanzierungsmix geschaffen. Das Ehrenamt kann als strategisches Geschäftsfeld in Form einer Ehrenamtsstrategie systematisch und nachhaltig gesteuert werden.
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