Policy Brief Nr. 46, Juni 2020 Der globale Handel und die Handelspolitik in Zeiten von COVID-19 - FIW
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Policy Brief Nr. 46, Juni 2020 Der globale Handel und die Handelspolitik in Zeiten von COVID-19 Harald Oberhofer Wirtschaftsuniversität Wien (WU) Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) Der Welthandel wird von COVID-19 stärker betroffen sein als die Gesamtproduktion von Waren und Dienstleistungen. Aktuelle Studien gehen von einem Rückgang der globalen Handelsströme von 11% bis 30% für das Jahr 2020 aus. Für Österreich als kleine offene Volkswirtschaft führt dies zu zusätzlichen Herausforderungen. Dieses Policy Brief gibt einen Überblick über die möglichen Handelseffekte von COVID-19 für die globale und österreichische Wirtschaft und betrachtet insbesondere den Warenhan del, die Tourismusbranche und die ausländischen Direktinvestitionen. In einem weiteren Abschnitt wird ein Überblick über die handelspolitischen Entwicklungen während der COVID-19-Pandemie gegeben und ein besonderer Fokus auf sensible Produkte aus dem Gesundheitsbereich und auf Lebensmittel gelegt. Aus den Erfahrungen mit der COVID-19-Pandemie können Lehren für die internationale Han delspolitik und die EU gezogen werden. Wie diese Lehren aussehen und welche Politikmaßnahmen er griffen werden könnten, wird in einem abschließenden Kapitel behandelt und diskutiert. Ebene beschlossen. So wurden etwa innerhalb der Eu ropäischen Union (EU) und dem Schengen-Raum 1. Einleitung Grenzen geschlossen, der Flugverkehr eingestellt und auch Warenkontrollen im grenzüberschreitenden Han Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat den Groß del eingeführt. Darüber hinaus wurden z.B von den USA teil der globalen Wirtschaft zum Erliegen gebracht. Mit oder Deutschland auch Exportbeschränkungen für China, Japan, den USA, Brasilien und Europa hat die medizinische Schutzausrüstung eingeführt. Andere Län Pandemie die größten Volkswirtschaften der Welt zu der wie etwa Polen und Tschechien beschlagnahmten unterschiedlichen Zeitpunkten erfasst. Die überwälti Schutzmaterialen sogar im Transitbereich. Erst Anfang gende Mehrheit der betroffenen Länder hat restriktive Juni begannen die restriktiven Einschränkungen des Ausgangs- und Verkehrsbeschränkungen eingeführt. europäischen Binnenmarkts durch Öffnungsschritte ab Vielen Wirtschaftsbereichen – darunter vor allem den zunehmen. (persönlichen) Dienstleistungen – wurde die Geschäfts grundlage gesetzlich auf einer temporären Basis entzo Politische Überlegungen zur Rückverlagerung von Pro gen. Bis Mai entspannte sich die Situation in einer Viel duktionen in sensiblen Bereichen wurden von einigen zahl der asiatischen und einigen europäischen Staaten Staaten angeregt, auch ausländische Investitionsbe in medizinischer Hinsicht soweit, dass diese Länder die schränkungen wurden in Kraft gesetzt. Viele dieser inländische Wirtschaft langsam wieder hochfahren Maßnahmen sind mit einer zeitlichen Befristung verse konnten. hen, könnten allerdings die Erholung der Wirtschaft nach der überstandenen COVID-19-Pandemie beein Die Konsequenzen der COVID-19-Schutzmaßnahmen trächtigen. Grundsätzlich stellt sich die Frage, welche für die globale Wirtschaft und den internationalen Han Lehren man aus der COVID-19-Krise für die Gestaltung del wurden vor allem in der Akutphase der Pandemie des globalen Handelssystems ziehen kann und welche in der wirtschaftspolitischen Debatte fast gänzlich aus notwendigen Anpassungen in der Handelspolitik da geblendet. Die gesundheitspolitischen Maßnahmen durch notwendig werden. wurden fast ausschließlich auf nationalstaatlicher FIW-Policy Brief Nr. 46, Juni 2020 1
2. Die Handels- und Direktinvestitionseffekte von COVID-19 Dieses Policy Brief diskutiert auf Basis von aktuell verfüg eine Einschätzung der möglichen COVID-19-Folgen baren Daten und Zahlen sowie bereits bestehender abgeben zu können, kommen in den verfügbaren Ar Szenarioanalysen die möglichen Konsequenzen der beiten so genannte Szenarioanalysen zum Einsatz. In COVID-19-Pandemie für den internationalen Handel diesen werden unterschiedliche Tiefen sowie Zeitdi sowie die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) und mensionen der COVID-19-Pandemie unterstellt und legt dabei einen Fokus auf Österreich. In einem weite daraus die Folgen für den internationalen und den ren Schritt sollen die aktuellen handelspolitischen Maß österreichischen Außenhandel oder den Tourismus ab nahmen, welche als Reaktion der COVID-19-Krise um geleitet. Dieses Policy Brief bezieht sich auf diese Sze gesetzt worden sind, systematisiert und ökonomisch narien und gibt einen Überblick über mögliche (kurzfri bewertet werden. Im letzten Abschnitt wird ein Ausblick stige) Auswirkungen von COVID-19 für die österreichi darauf gegeben, wie eine Post-COVID-19-Handels- sche Außenwirtschaft. politik auf der globalen und der EU-Ebene aussehen könnte. 2.1 Außenhandelseffekte der COVID-19-Pandemie 2. Die Handels- und Bereits das Jahr 2019 war durch eine relativ gedämpfte Direktinvestitionseffekte von Entwicklung der Weltwirtschaft, der globalen Handels COVID-19 ströme und der österreichischen Exporte und Importe geprägt. Die Hauptursachen hierfür waren die Han Eine Einschätzung der gesamten ökonomischen Folgen delskonflikte der USA mit China sowie der EU und die der COVID-19-Pandemie für die Weltwirtschaft und die Unsicherheit über den Brexit, also den Austritt des Ver Handels- und FDI-Beziehungen ist zum aktuellen Zeit einigten Königreichs aus der EU (Oberhofer et al., 2020). punkt mit Risiko und Unsicherheit behaftet. Zum einen erlaubt es die aktuelle Datenlage nur sehr bedingt, die 2.1.1 COVID-19 und die globalen bereits realisierten Rückgänge in den internationalen Wertschöpfungsketten Handelsströmen vollständig abzubilden. Offizielle Da ten von Statistik Austria zur Entwicklung des österreichi Mit dem Ausbruch von COVID-19 am Beginn des Jah schen Außenhandels liegen aktuell zum Beispiel nur für res 2020 und der zunächst regional begrenzten Betrof das erste Quartal 2020 und somit nur teilweise für die fenheit Asiens, vor allem Chinas, änderte sich das Risi Monate mit starken Wirtschaftsbeschränkungen vor.1 koumfeld. Es stellte sich die Frage, wie stark die globa len Wertschöpfungsketten durch die Stilllegung der Zum anderen herrscht aktuell eine große Unsicherheit Produktion in der Region Wuhan und anderen Teilen über die Dauer und die Tiefe der globalen Rezession, Chinas und Asiens negativ beeinflusst werden und da die durch COVID-19 verursacht wird (Wolfmayr, 2020B). mit zu einer Abnahme der internationalen Handel Die gängigen Indikatoren zur Bewertung von ökonomi stätigkeit führen können. scher Unsicherheit erreichten im März 2020 Werte, die das Niveau während der Finanzmarktkrise oder der eu Für diesen Effekt von COVID-19 liegt auf Grund des zeit ropäischen Staatsschuldenkrise deutlich überstiegen lichen Ablaufs bereits aggregiertes Datenmaterial vor. (Baker et al., 2020). Entscheidende Unsicherheitsfakto So zeigen aktuelle Zahlen von Eurostat, dass die Im ren sind hier etwa, ob, und wenn ja, welche Länder von porte und Exporte mit Drittstaaten von Jänner bis März einer "zweiten Infektionswelle" getroffen werden und 2020 zurückgegangen sind. So belief sich der saisonbe wie stark sich die Einkommen infolge der Krise verrin reinigte Gesamtwarenhandel (Importe plus Exporte) gern werden. Die Nachfrage nach Investitionsgütern, der EU mit allen Drittstaaten außerhalb der EU im Jän die für den österreichischen Export besondere Bedeu ner 2020 auf 252 Mrd. € und reduzierte sich im März tung aufweisen, wird darüber hinaus maßgeblich von 2020 auf 228 Mrd. €.2 Dies entspricht einem saisonberei der Dauer der Krise bestimmt werden (Wolfmayr, nigten Rückgang des Extra-EU-Handels um rund 9,5%. 2020B). Auch kann aktuell nur grob abgeschätzt wer Besonders stark eingebrochen ist (in absoluten Werten den, wie sich der Tourismus in den nächsten Monaten betrachtet) der Handel mit Maschinen und Fahrzeu und darüber hinaus entwickeln wird (siehe Kapitel 2.2). gen (Exporte -20%, Importe -15%) sowie mit anderen In Diese Kombination von kaum verfügbaren Echtzeitindi dustrieprodukten (Exporte und Importe jeweils -16%). katoren für die aktuelle globale und außenwirtschaftli Die vorläufigen österreichischen Handelsdaten von che Lage und einem ungewöhnlich hohen Maß an Statistik Austria für Jänner und Februar 2020 zeigen ein wirtschaftlicher Unsicherheit verunmöglicht die Anwen ähnliches Bild.3 So haben sich die österreichischen Im dung klassischer Prognoseverfahren für die Abschät porte aus den Nicht-EU-Ländern in diesen beiden Mo zung der Entwicklung im heurigen Jahr. Um trotzdem naten im Jahresvergleich um 9,4% reduziert. Im Februar 2https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/products-eurostat-news/- 1 http://www.statistik.at/web_de/presse/123371.html. /DDN-20200522- 1?inheritRedirect=true&redirect=%2Feurostat%2Fde%2Fhome. 3 https://www.statistik.at/web_de/presse/123070.html. 2 FIW-Policy Brief Nr. 46, Juni 2020
2. Die Handels- und Direktinvestitionseffekte von COVID-19 war der Rückgang stärker ausgeprägt und belief sich eingeführt sowie Ausgangs- und Reisebeschränkungen auf 16%. Die Daten für Österreich belegen jedoch verhängt. Der grenzüberschreitende Güterverkehr auch, dass der Intra-EU-Handel ebenfalls bereits in den wurde erschwert, der Personenverkehr (fast) zur Gänze ersten beiden Kalendermonaten des Jahres 2020 untersagt. Die aktuell verfügbaren Handelsdaten für durch die COVID-19-Pandemie beeinträchtigt wurde. Österreich und von Eurostat können den Einfluss des eu So sanken im Jahresvergleich die österreichischen Im ropäischen "Lockdowns" nur in einem beschränkten porte aus den EU-Mitgliedsländern um 4,7%, die Ex Ausmaß erfassen. porte um 4,9%. Dieses Ergebnis mag auf den ersten Die gesundheitspolitischen Maßnahmen, die durch Blick überraschen, war die EU zu diesem Zeitpunkt ja COVID-19 notwendig wurden, führten im Wirtschaftssy noch nicht direkt vom SARS-CoV-2 Virus betroffen. Teil stem zu einem simultanen – und in dieser Dimension weise kann der Rückgang im Intra-EU-Handel mit gro vermutlich seit dem Ende des zweiten Weltkriegs nicht ßer Wahrscheinlichkeit mit dem negativen Einfluss der mehr bekannten – Angebots- und Nachfrageschock stockenden Lieferketten und den ausbleibenden Vor (Baldwin – Weder di Mauro, 2020). Die ökonomische produkten aus China und anderen asiatischen Volks Unsicherheit und die gesetzlich deutlich beschränkten wirtschaften für die Produktion in der EU erklärt werden. Konsummöglichkeiten dämpften die Nachfrage mas Ob noch andere Faktoren, etwa ein auch in Europa siv. Gleichzeitig wurden auch die Produktionsmöglich möglicherweise stattgefundener Anstieg der ökonomi keiten weitgehend beschränkt, was zu einem negati schen Unsicherheit, ebenfalls eine Rolle spielte, kann ven Angebotsschock führte. Beide Kanäle wirken sich auf Basis der verfügbaren aggregierten Information negativ auf den internationalen Handel aus und so nicht direkt beantwortet werden. kann davon ausgegangen werden, dass die interna Die aktuellsten Außenhandelsdaten der Statistik Austria tionalen Handelsrückgänge stärker ausfallen werden berücksichtigen das gesamte erste Quartal und somit als der Einbruch der Gesamtwirtschaftsleistung. zusätzlich auch den März. Für die Hälfte dieses Monats Diese theoretischen Überlegungen liefern die Basis für waren die restriktiven Ausgangs- und Reisebeschrän eine Reihe von Szenarioanalysen, die sich mit den kungen sowie Grenzkontrollen in Kraft. Im Vorjahresver möglichen Folgen der COVID-19-Pandemie für den in gleich sind im März 2020 die Importe um 8% und die Ex ternationalen Handel im Allgemeinen (IWF, 2020; WTO, porte um 5,2% geringer ausgefallen. Überdurchschnitt 2020A) und den Auswirkungen auf den österreichi lich stark sanken in diesem Monat die Importe aus der schen Warenhandel im Speziellen (Wolfmayr, 2020B) EU (-9,4%) sowie die Exporte in Drittstatten (-7,9%). Hier beschäftigen. Übersicht 1 stellt die unterschiedlichen aus lässt sich ableiten, dass die gesundheitspolitischen Szenarien dar, die den einzelnen Studien zugrunde ge Maßnahmen vor allem die Einfuhr von Waren aus unse legt werden. Die ersten drei Studien fokussieren auf die ren Nachbarstaaten und wichtigsten Handelspartner Handelseffekte von COVID-19. Die letzten beiden be erschwert haben. Die Rückgänge der Ausfuhren in schäftigen sich schwerpunktmäßig mit dem Tourismus Drittstaaten könnte mit der rückläufigen ausländischen und der Entwicklung der ausländischen Direktinvestitio Nachfrage sowie der eingeschränkten Produktions nen. möglichkeiten im Inland in Zusammenhang stehen. Für die Monate April und Mai ist auf Grund der Gesamtsi Die verwendeten Szenarien unterscheiden sich jeweils tuation und den verschärften europa- und weltweiten nach Tiefe und Länge der angenommenen (weltwei Lockdown-Maßnahmen von einem noch stärkeren ten) Rezession. In Bezug auf die Länge werden unter Handelsrückgang auszugehen. Prognosen der österrei schiedliche Rezessionsformen unterstellt, wobei ein V- chischen Nationalbank gehen etwa von (unbereinig förmiger Verlauf des Ab- und Aufschwungs als optimi ten) Rückgängen im Vorjahresvergleich von mehr als stisches Szenario, eine U-Form als weniger optimistisch 25% im April und circa 20% im Mai aus.4 Die tatsächlich und die L-Form als pessimistisches Szenario klassifiziert realisierten Zahlen liegen jedoch erst in Wochen bezie werden (siehe z. B. WTO, 2020B). hungsweise Monaten vor. Für die Abschätzung der möglichen weltweiten Han delseffekte durch die COVID-19-Pandemie stützt sich 2.1.2 Der COVID-19-Lockdown in Europa und der die WTO (2020A) hauptsächlich auf zwei dieser Szena grenzüberschreitende Handel rien. Das erste ist optimistischer, geht von einem schar fen Einbruch des Welthandels in der ersten Jahreshälfte Noch schwieriger ist die Einschätzung der direkten Han und dem Beginn der Erholung ab Jahresmitte 2020 aus. delseffekte der COVID-19-Pandemie in Europa. Ab Hierzu wird unterstellt, dass die Lockdown-Maßnahmen spätestens Mitte März waren viele Mitgliedstaaten der für drei Monate in Kraft bleiben und dann eine V-för EU, darunter auch die größten Volkswirtschaften wie mige Erholung einsetzt. Das U-förmige Szenario nimmt Deutschland, Frankreich und vor allem Italien, massiv an, dass der Aufschwung erst verzögert einsetzt und die von der Gesundheitskrise betroffen. Die meisten Länder Wirtschaft nach dem Einbruch für eine kürzere Zeit auf haben in der Folge Beschränkungen für die nationale dem niedrigeren Niveau verharrt. Das pessimistische Produktion und vor allem die Dienstleistungserbringung Szenario unterstellt, dass die Lockdown-Maßnahmen 4 https://www.oenb.at/Geldpolitik/Konjunktur/prognosen-fuer-oester reich/oenb-exportindikator.html. FIW-Policy Brief Nr. 46, Juni 2020 3
2. Die Handels- und Direktinvestitionseffekte von COVID-19 bis Ende des Jahres in Kraft bleiben und es 2021 nur zu • Komplexe und auf Basis von globalen Zulieferbezie einer geringen Erholung der Weltwirtschaft kommen hungen hergstellte Produkte sowie Dienstleistungen kann. Aktuell bewertet scheint das letzte Szenario zu werden von den Handelsbeschränkungen stärker negativ zu sein, wobei man im Moment kaum abschät betroffen sein. zen kann, ob ein neuerlicher großflächiger Lockdown Auch der Internationale Währungsfonds hat seine Pro im Laufe der nächsten Monate aus gesundheitspoliti gnose für die Entwicklung der Weltwirtschaft in seinem scher Sicht notwendig werden wird. "World Economic Outlook" im April dieses Jahres massiv Übersicht 1: Vergleich unterschiedlicher Szenarien revidiert (IWF, 2020). In seinem Basisszenario geht der Bericht von ähnlichen Annahmen wie die Welthandels organisation in ihrem optimistischen Szenario aus. Dem nach konzentrieren sich die Lockdown-Maßnahmen vor allem auf das zweite Quartal 2020 und können ab dem Sommer schrittweise gelockert werden. Dieses Ba sisszenario wird drei Alternativszenarien gegenüberge stellt. Das erste nimmt an, dass die Lockdown-Maßnah men zeitlich um 50% länger in Kraft bleiben müssen. Das zweite Alternativszenario geht für 2020 von den Annah men des Basisszenarios aus, unterstellt jedoch einen zweiten Ausbruch der COVID-19-Pandemie im Jahr 2021. In Bezug auf die ökonomische Dimension wird an genommen, dass dieser zweite Ausbruch zwei Drittel der Schärfe des Ausbruchs im Jahr 2020 annimmt. Das letzte Alternativszenario verbindet die beiden Alterna tiven: Die Pandemie 2020 dauert um 50% länger und 2021 wird die Weltwirtschaft von einer zweiten Infekti onswelle erfasst. In der Basisvariante prognostiziert der IWF (2020) für das Jahr 2020 einen Rückgang der globalen Wirtschaftslei stung um 3%. Da sich die Weltwirtschaft ab Mitte 2020 in diesem Szenario zu erholen beginnt, könnte das Welt-BIP im Jahr 2021 um 5,8% steigen und somit auf der globalen Ebene die Verluste aus 2020 wettmachen. In den meistentwickelten Ländern der Welt wird der Ab schwung mit 6,1% deutlich stärker ausfallen und kann auch mit dem berechneten Wachstum für 2021 nicht vollständig kompensiert werden. In den Wachstums- und Entwicklungsländern sollte die Rezession mit 1% vergleichsweise moderat ausfallen. Für 2021 unterstellt der internationale Währungsfonds unter dem Basissze nario für diese Volkswirtschaften ein Wachstum von 6,6%. Für die Weltwirtschaft bedeutet diese Rezession im Ba sisszenario einen Rückgang des internationalen Han dels um 11%, was in etwa den Ergebnissen aus dem op timistischen Szenario der Welthandelsorganisation ent spricht. Durch die Ähnlichkeit der Szenarien ist dies nicht sehr überraschend. Für 2021 geht der Internatio Q: WIFO-Zusammenstellung. nale Währungsfonds im Basisszenario von einem Die beiden WTO-Hauptszenarien (optimistisch und pes Wachstum um rund 8,4% aus. Dies bedeutet, dass das simistisch) ) liefern folgende Ergebnisse für den Einfluss Prä-COVID-Welthandelsniveau nicht vor 2022 wieder von COVID-19 auf den grenzüberschreitenden Welt erreicht werden könnte. Die drei erwähnten Alternativ handel: varianten weisen ebenfalls wenig überraschend zum Teil deutlich stärkere negative Effekte der • Der gesamte Welthandel schrumpft im Jahr 2020 im COVID-19-Pandemie auf. Ein neuerlicher Ausbruch im Vorjahresvergleich um 12% bis 33%. Jahr 2021 mit einem um ein Drittel "milderen" Verlauf • Auf allen Kontinenten sinkt der grenzüberschrei würde etwa das mögliche Wachstum im Jahr 2021 tende Handel um mindestens 10%, wobei Asien und ebenfalls fast zur Gänze zunichtemachen und somit zu Nordamerika am stärksten negativ betroffen sein einem dauerhaften und allgemeinen Produktionsrück dürften. gang führen. Dies hätte weitere negative Folgen für den Welthandel über das Jahr 2020 hinaus. 4 FIW-Policy Brief Nr. 46, Juni 2020
2. Die Handels- und Direktinvestitionseffekte von COVID-19 Für den Einfluss der COVID-19-Pandemie auf den öster Abbildung 1: Wachstum der österreichischen Exportmärkte reichischen Warenaußenhandel liegen seit kurzem er und der realen Warenexporte Österreichs 2020 – ste Szenarioanalysen des Österreichischen Instituts für Alternativszenarien im Vergleich Wirtschaftsforschung (WIFO) für das Jahr 2020 vor (Wolf Deutschland Italien mayr, 2020B). Die Berechnungen beruhen wiederum Frankreich Übrige Intra-EU-27 USA Schweiz auf drei unterschiedlichen Szenarien. "Szenario I" beruht Übrige Extra-EU-27 Österreichs Marktwachstum 1) auf der Hauptvariante der aktuellsten WIFO-Mittelfrist- Österreichs Exportprognose 1) prognose vom April 2020 (Baumgartner et al., 2020). 0 -1 Diese Variante unterstellt eine erste Erholung vom Lock -2 down noch im 2. Quartal 2020 und jährliche Wach -3 Intra-EU27 stumsraten des jeweiligen realen BIP im Euro-Raum von -4 -5,6 Intra-EU27 -6,1%, in den USA von -5,2% und in China von -1%. Der Wachstumsbeitrag in Prozentpunkten -5 -7,8 Warenwelthandel reduziert sich in diesem Szenario real -6 -7 Extra-EU27 Intra-EU27 um 9%. "Szenario II" folgt den bereits weiter oben ge -3,9 -9,0 -8 nannten Annahmen des Internationalen Währungs -9 fonds (IWF, 2020). Diese implizieren Wachstumsraten für -10 Extra-EU27 -4,6 -9,5 den Euro-Raum, die USA und China von -8%, -6% -11 Extra-EU27 und -2,2%. Der globale Warenaushandel sinkt im -12 -6,2 -13 IWF-Szenario, wie oben erwähnt, um 11%. Das letzte -12,0 -12,4 -14 "Szenario III" in Wolfmayr (2020B) beruht auf dem pessi -15 mistischen Szenario von Oxford Economics (Slater, -16 -15,2 (-22,5) 2020). In diesem Szenario beginnt die Erholung der -17 Weltwirtschaft nicht vor dem 4. Quartal 2020. Das BIP -18 -17,0 -19 des Euro-Raums würde sich demnach im Jahr 2020 um -20 12,4%, das US-amerikanische um 10,8% und das chine -21 -21,5 (-28,0) sische um 5,9% verringern. Für den Warenwelthandel -22 geht "Szenario III" von einem Einbruch um 15% aus, lässt Szenario I Szenario II Szenario III jedoch eine große Bandbreite bis zu 30% zu. Dieses Sze Q: Wolfmayr (2020B), WIFO Mittelfristprognose (Baumgartner et al., 2020); Oxford nario entspricht somit am ehesten dem pessimistischen Economics, 8. April 2020; IWF, World Economic Outlook, 15, April 2020, WTO (2020). Szenario der WTO (2020). – 1) Veränderung gegen das Vorjahr in %. Abbildung 1 fasst die Ergebnisse für die österreichi In qualitativen Aspekten ähneln sich die Ergebnisse aus schen Handelseffekte aus diesen drei Szenarien zusam allen drei Szenarien. Das Marktwachstum in den Ziel men. Die schwarzen Kreise bezeichnen das Markt märkten für die österreichischen Exporte bricht durch wachstum für die österreichischen Exportmärkte, wel die COVID-19-Pandemie zwischen 9,5% (Szenario I) und ches in den Balken nach den Beiträgen aus einzelnen 15,2% (Szenario III) ein. In allen drei Szenarien sind die Wirtschaftsräumen aufgeschlüsselt dargestellt wird. Die negativen Beiträge aus den Volkswirtschaften inner roten Kreise zeigen die auf Basis der Szenarien berech halb der EU größer als die Beiträge aus Drittstaaten. Das neten Exportprognosen für Österreich für das Jahr 2020 ist für Österreich zusätzlich belastend, da die österrei und geben Auskunft über die Betroffenheit der österrei chischen Warenexporte zu einem überwiegenden Teil chischen Exportwirtschaft von COVID-19. in andere EU-Mitgliedsländer gehen. 2018 betrug der Anteil der österreichischen Exporte in die damals noch 27 anderen EU-Mitgliedsländer fast 70% (Oberhofer et al., 2020). Der größte negative Wachstumsbeitrag einer einzelnen Volkswirtschaft kommt wenig überraschend aus Deutschland, als Österreichs wichtigster Destina tion für den Warenaußenhandel. In Szenario I trägt das Schrumpfen der deutschen Volkswirtschaft mit 2,8 Pro zentpunkten zum Gesamtrückgang von 9,5% bei (Wolf mayr, 2020B). Dieser Negativbeitrag erhöht sich auf mehr als 4% im Szenario III, welches die negativsten An nahmen trifft. In Bezug auf die prognostizierten Exporteffekte der COVID-19-Pandemie liegen die Ergebnisse aus den drei Szenarien für Österreich innerhalb der Bandbreite, wie sie von IWF (2020) und WTO (2020) angegeben wer den. Die neuesten Berechnungen der OECD (2020C) ergeben für Österreich etwas geringere negative Han delseffekte. In dieser Studie kommen zwei Szenarien zum Einsatz, welche sich dadurch unterscheiden, ob ein Land von einer zweiten Welle getroffen wird oder nicht. Auf Basis dieser Szenarien geht die OECD (2020C) FIW-Policy Brief Nr. 46, Juni 2020 5
2. Die Handels- und Direktinvestitionseffekte von COVID-19 für heuer von einem Rückgang der österreichischen Ex Abbildung 2: Bewertung der aktuellen Exportaufträge und porte (von Waren und Dienstleistungen) von 8,7% bis Einschätzung der zukünftigen Entwicklung 11,9% aus. Beurteilung der Exportaufträge 1) (sb., li. Achse in %) Median der letzten 15 Jahre (li. Achse) Im WIFO-Mittelfristprognoseszenario schrumpfen die Erwartung der Exportaufträge 2) (sb., re. Achse in %-Punkten) Median der letzten 15 Jahre (re. Achse) 110 20 österreichischen Exporte 2020 im Vergleich zum Vorjahr 100 10 um 12%. Szenario II basiert auf den Annahmen des IWF (2020) und weist für Österreich einen Exportrückgang 90 0 von 17% aus. Die Berechnungen von Wolfmayr (2020B) 80 -10 zeigen somit, dass Österreich als kleine offene Volkswirt 70 -20 schaft stärker negativ im Export betroffen ist, als dies für den (durchschnittlichen) Welthandel insgesamt gilt. Im 60 -30 dritten Szenario könnte der österreichische Warenhan 50 -40 del um mehr als 20%, unter der Annahme eine Reduk 40 -50 tion des Welthandels um 25% sogar um 28%, einbre 30 -60 chen. IV.Qu.2015 IV.Qu.2016 IV.Qu.2017 IV.Qu.2018 IV.Qu.2019 II.Qu.2015 II.Qu.2016 II.Qu.2017 II.Qu.2018 II.Qu.2019 II.Qu.2020 III.Qu.2015 III.Qu.2016 III.Qu.2017 III.Qu.2018 III.Qu.2019 I.Qu.2015 I.Qu.2016 I.Qu.2017 I.Qu.2018 I.Qu.2019 I.Qu.2020 Die vorliegende Szenarioanalyse von Wolfmayr (2020B) für die Entwicklung der österreichischen Exporte im Jahr 2020 ordnet sich in den Berechnungen in die internatio Q: WIFO-Konjunkturtest, Wolfmayr (2020B). - 1) Anteil der Unternehmen, die ihre Ex portaufträge als "ausreichend" oder "mehr als ausreichend" beurteilen. - 2) Anteil nalen Studien ein. Die gewählten Szenarien sind natür der Unternehmen, die in den kommenden 3 Monaten steigende Exportaufträge lich allesamt mit großer Unsicherheit behaftet, wobei erwarten, minus Anteil der Unternehmen, die in den kommenden 3 Monaten sin kende Exportaufträge erwarten. das Basisszenario der WIFO-Mittelfristprognose relativ optimistisch ist. Dieses und das IWF-Szenario können aus Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass auf heutiger Sicht die aktuellen Entwicklungen relativ gut Basis der vorliegenden Zahlen und Berechnungen die abbilden. Szenario III und die Alternativszenarien des In COVID-19-Pandemie massive negative Folgen für die ternationalen Währungsfonds sind deutlich pessimisti Weltwirtschaft, den globalen und österreichischen Au scher, könnten jedoch im Falle des Auftretens einer ßenhandel verursacht, welche in dieser Dimension ein großflächigen zweiten Ansteckungswelle relevant wer zigartig erscheinen. Wirtschaftspolitische Maßnahmen, den. welche die jeweiligen Volkswirtschaften soweit als möglich stabilisieren, erlauben es, den Abschwung zu Unabhängig von der konkreten Wahl des Szenarios zei abzuschwächen. Jedoch erscheint es notwendig, zu gen sich jedoch mindestens zwei allgemeine Trends. Er sätzlich handelspolitisch zu agieren, um die ökonomi stens wird der Welthandel und der der österreichische schen Kosten von COVID-19 zu reduzieren. Außenhandel stärker schrumpfen als die Wirtschaftslei stung insgesamt. Dieses Phänomen konnte während der Finanzkrise ebenfalls beobachtet werden (Bems et 2.2 COVID-19 und der österreichische al., 2013). Zweitens wird die österreichische Außenwirt Tourismus schaft überdurchschnittlich negativ von der COVID-19-Pandemie betroffen sein. Dieses Ergebnis Der Tourismus bildet eine der wichtigsten Komponen spiegelt sich auch im WIFO-Konjunkturtest wider (Hölzl ten des Dienstleistungshandels und ist gleichzeitig ein et al., 2020). Garant für eine trotz einer traditionell negativen Han Abbildung 2 stellt den Verlauf der aktuellen Exportauf delsbilanz ausgeglichene österreichische Leistungsbi tragslage der österreichischen Warenexporteure lanz. 2018 war die Tourismuswirtschaft darüber hinaus (blaue Linie) sowie die Erwartung hinsichtlich der zu mit einem direkten und indirekten Wertschöpfungsan künftigen Entwicklung der Exportaufträge (grüne Linie) teil von mehr als 8% einer der wichtigsten Sektoren für über die Zeit dar. Die Erwartungen beziehen sich auf das österreichische BIP (Fritz, 2020A). Die Nächtigungs eine Einschätzung über die Entwicklung der Auftrags zahlen im Tourismus und der Besuch von ausländischen lage über die nächsten drei Monate. Die Abbildung Gästen in Österreich haben sich, ähnlich wie der Wa zeigt einen massiven Einbruch sowohl hinsichtlich der renaußenhandel, bereits 2019 weniger dynamisch ent aktuellen Exportauftragslage jedoch noch stärker in wickelt als in den Jahren davor (Oberhofer et al., 2020). Bezug auf die kurzfristigen Erwartungen. Der Erwar Die Wintersaison 2019/20 verlief jedoch bis zum den ver tungsindikator, welcher als Saldo von positiven und ne ordneten Betriebsschließungen mit einem Nächti gativen Erwartungen gebildet wird, brach im April 2020 gungsplus von 7,2% von November 2019 bis Februar auf einen Wert von -50,4 ein. Dieser Einbruch übersteigt 2020 sehr erfolgreich (Fritz, 2020A). alle Werte, die im Zuge der Finanzkrise jemals gemes Die COVID-19-Pandemie stellt die österreichische Tou sen wurden. rismuswirtschaft jedoch vor besondere Herausforderun gen und wird diesen Wirtschaftszweig überproportional treffen. Abgesehen von der Imageproblematik, ausge löst durch die in der Öffentlichkeit bekannt geworde nen Ansteckungsketten aus Schigebieten und Après- Ski-Lokalen in Tirol, stellen die im Rahmen des Lock 6 FIW-Policy Brief Nr. 46, Juni 2020
2. Die Handels- und Direktinvestitionseffekte von COVID-19 downs verhängten Ausgangs- und Reisebeschränkun das sich gegen Ende des Jahres und der beginnenden gen sowie die für touristische Zwecke verhängten Be Wintersaison wieder abschwächt, wofür sich der tretungsverbote für Unternehmen des Beherbergungs Imageschaden durch die Verbreitung des SARS-CoV-2 wesens und der Gastronomie und anderer Bereiche Virus in Tirol verantwortlich zeigt. Die unterschiedlichen der österreichischen Tourismuswirtschaft eine existenti Versionen des zweiten Szenarios gleichen in Bezug auf elle Bedrohung dar. Für die Entwicklung vor allem der die Entwicklung der Inlandsnachfrage dem ersten Sze ausländischen Tourismusnachfrage ist nicht nur die Si nario, erlauben jedoch eine zusätzliche Erholung der tuation in Österreich, sondern auch die in den Quellen Nachfrage aus dem deutschen Quellmarkt, die letzt ländern entscheidend. Die kürzlich beschlossenen Aus- endlich für den Rest des Jahres in der optimistischsten und Einreisebestimmungen für die meisten EU-Staaten Variante um lediglich 5% unter dem Vorjahrsniveau ver sind für den Tourismus von großer Bedeutung. Wären bleibt (Fritz, 2020B). Können die aktuellen Wiederöff diese Öffnungen nicht erfolgt oder müssten sie zurück nungsmaßnahmen im grenzüberschreitenden Perso genommen werden, könnten Touristen aus diesen Ge nenverkehr aufrecht erhalten bleiben, dürfte Variante bieten nicht in Österreich einreisen, auch wenn sich im 2 tendenziell die Realität besser abbilden können. Inland die Infektionslage weiter entspannt (Fritz, Die Hauptergebnisse aus internen WIFO-Berechnungen 2020A). von Ende April 2020 für die unterschiedlichen Szenarien Seit Anfang April 2020 hat das WIFO laufend Einschät können wie folgt zusammengefasst werden: zungen zur Entwicklung der Nächtigungszahlen in • Im Vorjahresvergleich sinkt die Anzahl an Nächti Österreich für das Jahr 2020 abgegeben (Fritz, 2020B). gungen in österreichischen Beherbergungsstätten Hier gilt Ähnliches wie für den Warenhandel. Die zwischen 32% (im optimistischsten Szenario) und COVID-19-Pandemie sorgt für ein zu hohes Maß an Un 44%. sicherheit, um klassische Prognosen anstellen zu kön nen. Aus diesem Grund hat das WIFO zur Abschätzung • Die Umsatzverluste der Beherbergungsstätten wer der COVID-19-Folgen für die Anzahl an Nächtigungen den durch zu erwartende Preisreduktionen sowie in Österreich auf unterschiedliche Szenarien zurückge den Ausfall zahlungskräftiger Gäste aus Fernmärk griffen, die auf den 2019 realisierten Anteilen der Näch ten größer ausfallen als die mengenmäßigen Rück tigungen nach Quellmärkten in den Bundesländern gänge. basieren. Diese Szenarien gehen prinzipiell davon aus, • Im Falle einer zweiten Ansteckungswelle oder nega dass die behördliche Schließung von Beherbergungs tiverer Entwicklungen in den wichtigsten Quellmärk betrieben bis Ende Mai andauert, sich die Nachfrage ten könnte der Rückgang jedoch wesentlich stärker im Juni sehr zögerlich, über die Monate Juli und August ausfallen. dann etwas deutlicher erholt, aber auch danach die Die Ergebnisse der vorhandenen WIFO-Berechnungen Vorjahresniveaus noch nicht wieder erreicht werden dokumentieren die massive Betroffenheit des Tourismus können (Fritz 2020B). Dabei ist jedoch wichtig zu be durch die COVID-19-Pandemie. Die Rückgänge im rücksichtigen, dass die Entwicklung der Nachfrage ausländischen Tourismus werden die Leistungsbilanz schon aufgrund des unsicheren Verlaufs der Pandemie Österreichs verschlechtern und ordnen sich insgesamt in anderen Ländern und den damit einhergehenden in die negative Entwicklung des österreichischen Wa Reisebeschränkungen schwer abschätzbar bleibt, ren- und Dienstleistungsaußenhandels ein. Wirtschafts wobei die aktuellen Lockerungen der Reisebeschrän politische Maßnahmen und die bereits größtenteils er kungen für den Tourismus positiv zu werden sind. folgten koordinierten Grenzöffnungen auf EU-Ebene Aus diesem Grund verwendet Fritz (2020B) zwei unter werden notwendig sein, um den bereits entstandenen schiedliche Annahmen hinsichtlich der Erholung der ökonomischen Schaden nicht weiter anwachsen zu Nachfrage. Das erste Szenario unterstellt, dass die Erho lassen. lung der Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben von der inländischen Nachfrage getragen wird. So 2.3 Ausländische Direktinvestitionen in lange in Österreich relativ restriktive Ausreisebestim mungen für die südlichen Urlaubsdestinationen wie Zeiten von COVID-19 etwa Italien und Spanien gelten, und auch die Unsi cherheit über das Ansteckungsrisiko im Ausland hoch Auch ausländische Direktinvestitionen (FDI) sind von bleibt, dürfte mit höherer inländischer Nachfrage in der COVID-19-Pandemie betroffen. In wirtschaftlich un österreichischen Sommerurlaubsdestinationen zu rech sicheren Zeiten meiden Unternehmen typischerweise nen sein. Die erste Variante von Szenario 1 geht, wie langfristige Investitionen und Beteiligungen. So werden bereits erwähnt, von einem massiven Rückgang der strategische und langfristig ausgerichtete Investitions Übernachtungen bis Ende Juli aus, danach aber von projekte verschoben. Dies betrifft zum einen, wie oben einer stetigen Erholung der Inlandsnachfrage, welche beschrieben, den Handel mit Investitionsgütern, aber das Vorjahresniveau allmählich übersteigt. Eine optimi auch die Ansiedlungsentscheidungen von Unterneh stische Variante dieses Szenarios geht alternativ davon men. aus, dass sich die Inlandsnachfrage bereits im Juli im Auf der anderen Seite hat die COVID-19-Krise gewisse Vorjahresvergleich um 5% erhöht. Bis November wird Schwachstellen in den globalen Wertschöpfungsket ein doch deutliches Wachstum der inländischen Nach ten sichtbar gemacht. Konkret scheinen manche Pro frage von bis zu 20% im Vorjahresvergleich unterstellt, FIW-Policy Brief Nr. 46, Juni 2020 7
3. Handelspolitik in Zeiten von COVID-19 duktionsprozesse zu wenig diversifiziert zu sein. Eine Ab 2 Virus im Laufe des Jahres 2021 leicht. In einem Regio hängigkeit von nur wenigen Zulieferbetrieben, die re nalvergleich zeigen alle Szenarien eine stärkere Betrof gional vielleicht auch noch "geclustered" sind, birgt das fenheit der Entwicklungsländer. Für diese würden die Risiko eines Totalausfalls der Vorleistungsproduktion in einströmenden Direktinvestitionen noch stärker sinken sich. Das gilt übrigens auch für rein nationale Produkti und somit die wirtschaftliche Situation weiter verschärft onsnetzwerke (Bonadio et al., 2020). Im Nachgang zur werden. Auf Basis der vorliegenden Berechnungen COVID-19-Krise könnte es somit zu einer vermehrten Di geht die OECD davon aus, dass ausländische Direktin versifikation in Produktionsnetzwerken kommen, was zu vestitionen eine wichtige Rolle für den Aufschwung einem Anstieg von ausländischen Direktinvestitionen nach der überwundenen COVID-19- Pandemie spielen führen könnte. werden und es dazu investitionsfreundliche politische Aktuell dominiert jedoch die Unsicherheit und führt zu Rahmenbedingungen benötigen wird. einem starken Rückgang der ausländischen Direktinve stitionen. Die OECD (2020A) widmet sich in einem aktu 3. Handelspolitik in Zeiten von ellen Bericht den möglichen kurz- und mittelfristigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie für die auslän COVID-19 dischen Direktinvestitionsaktivitäten und verwendet ebenfalls drei unterschiedliche Szenarien (optimistisch, Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat (nicht nur) mittel, pessimistisch):5 in Europa zu handelspolitischen Reaktionen geführt. Zum einen wurden durch die nationalen gesundheits Das optimistische Szenario unterstellt, dass sich das politischen Maßnahmen strikte Reisebeschränkungen SARS-CoV-2 Virus im Laufe der nächsten zwei bis drei in Kraft gesetzt. Diese nachvollziehbaren und notwen Monate kontrollieren lässt, effektive Behandlungsme digen Maßnahmen schränken jedoch die Funktionsfä thoden gefunden, die Testkapazitäten massiv ausge higkeit des Binnenmarktes und die Personenfreizügig weitet werden und die wirtschaftspolitischen Maßnah keit deutlich ein. In Österreich und Deutschland haben men insofern effektiv sind, dass keine strukturellen Schä diese Beschränkungen zum Beispiel für Tätigkeiten in den in den betroffenen Volkswirtschaften entstehen. In der 24-Stunden-Pflege sowie in der Frühjahrsernte diesem Szenario würde bereits Ende 2021 das Vorkri durch fehlende Fach- und Arbeitskräfte (vor allem) aus senniveau des BIP erreicht werden können. Das mittlere den osteuropäischen Ländern zu Problemen geführt.6 Szenario geht von lokal begrenzten weiteren und neu Die eingeführten Grenzkontrollen beeinträchtigen dar erlichen Ausbrüchen von COVID-19 aus und unterstellt, über hinaus den Warenhandel innerhalb des Binnen dass die Politikmaßnahmen damit regional unter marktes, obwohl der Gütertransport der erste Bereich schiedlich effektiv sind. Im pessimistischen Szenario war, in dem man sich auf gemeinsame Lockerungen geht die OECD (2020A) davon aus, dass die gesetzten einigte. Die verfügbare Evidenz aus der früheren Schlie Maßnahmen nicht ausreichen, um das Virus vollständig ßung von einzelnen Binnenmarktgrenzen im Zuge der einzudämmen. Darüber hinaus reichen die wirtschafts "Flüchtlingskrise" belegt, dass die Einführung von Grenz politischen Maßnahmen nicht aus, um strukturelle Ef kontrollen innerhalb des Binnenmarktes ökonomische fekte in den Volkswirtschaften zu vermeiden. Es kommt Kosten verursacht (Felbermayr et al., 2016). Im Ver in diesem Szenario zu vermehrten Insolvenzen und einer gleich zu den Grenzschließungen der Jahre 2015/16 länger andauernden Rezession. waren die Reisebeschränkungen in der Hochphase der Im optimistischen Szenario geht die OECD (2020A) von COVID-19 Pandemie deutlich restriktiver, was wie einem Rückgang der weltweiten FDI-Ströme um 30% bis derum deutlich größere ökonomische Kosten dieser 40% im Jahr 2020 aus, bevor sie im Jahr 2021 um ein Maßnahmen erwarten lässt. ähnliches Ausmaß wiederum ansteigen würden. So Mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie führten könnte bis Ende 2021 das Vorkrisenniveau an Nettoin viele Länder Exportbeschränkungen für medizinische vestitionen erreicht werden. Dieses Niveau läge dann Produkte ein. Bis zum 25. April 2020 galten bereits in 75 jedoch immer noch unter dem des Jahres 2015, da die Ländern Ausfuhrbeschränkungen für medizinische FDI-Ströme in den letzten Jahren generell rückläufig Schutzbekleidung, Masken, Beatmungsgeräte und waren (siehe dazu auch Hunya - Schwarzhappel, 2018 ähnliche Produkte aus dem Gesundheitsbereich für die CESEE-Region). (Evenett, 2020A). Diese 75 Länder sind insgesamt für Im mittleren Szenario gehen die ausländischen Direktin 122 neue und zusätzliche Beschränkungen in diesem vestitionsströme um 35% bis 45% zurück. Die Erholung im Bereich verantwortlich (Evenett, 2020A). Einige Länder, Jahr 2021 ist in diesem Szenario weniger stark ausge darunter die USA, Frankreich und Indien, haben meh prägt und das Niveau an FDI-Strömen wäre Ende näch rere Ausfuhrbeschränkungen verhängt oder diese im sten Jahres im Vorkrisenvergleich um etwa ein Drittel niedriger. Im pessimistischen Szenario schrumpfen die FDI-Ströme um mehr als 40% und erholen sich erst mit der Verfügbarkeit einer Impfung gegen das SARS-CoV- 5 Siehe auch McKinsey (2020). 6 Siehe z. B. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oester reich/2058202-Korridorzuege-fuer-Pfleger-und-Erntehelfer-aus- Rumaenien.html. 8 FIW-Policy Brief Nr. 46, Juni 2020
3. Handelspolitik in Zeiten von COVID-19 Zeitablauf verschärft. Auch innerhalb des Binnenmark im Jahr 2019 persönliche Schutzausrüstung im Waren tes haben Exportbeschränkungen zu (temporär) verzö wert von 119,3 Mio. € aus China und von 31,5 Mio. € gerten Exporten und politischen Irritationen geführt.7 aus den USA (Wolfmayr, 2020A). Mit 51,5% an den ge Gleichzeitig blieben während der COVID-19-Pandemie samten Extra-EU-Importen dieses Gutes dominiert we tarifäre und nichttarifäre Importbeschränkungen für nig überraschend China als wichtigster Handelspartner Gesundheitsprodukte und Seifen großteils aufrecht außerhalb der EU. Die USA folgt mit 13,6% auf dem zwei (Evenett, 2020B). Insgesamt führten die zusätzlichen ten Platz. Ausfuhrbeschränkungen bei gleichbleibenden Einfuhr Die COVID-19-Pandemie zeigt, dass ein Virus nationale bestimmungen zu einer Zunahme der Handelsbarrieren Grenzen relativ leicht überwinden kann und eine mas für Produkte aus dem Gesundheitsbereich. sivere Ausbreitung von COVID-19 in einem Nachbar Für die Bewältigung der Gesundheitsfolgen von land (auch außerhalb der EU) die Krise innerhalb der EU COVID-19 könnten die neuen Handelsbarrieren vor al verstärken kann. Mit dem Abschneiden von Nachbar lem für Entwicklungsländer zu einem ernsthaften Pro ländern von den notwendigen Gesundheitsprodukten blem werden (Espita et al., 2020). Den Berechnungen zur Reduktion der Fallzahlen kann somit auch eine Ge dieser Weltbankstudie zur Folge steigen die Weltmarkt fahr für das eigene Gesundheitssystem entstehen preise für medizinische Schutzmasken zum Beispiel (Wolfmayr, 2020A). Eine schnelle Eindämmung der durch die Exportbeschränkungen um rund 20%, bei ei Pandemie kann darüber hinaus nur dann effektiv gelin ner gleichzeitigen Reduktion der Verfügbarkeit solcher gen, wenn den "Hotspots" die größtmögliche Unterstüt Masken. Die Gesundheitssysteme der meisten Entwick zung und Hilfe zuteil wird. Exportbeschränkungen kön lungsländer werden durch die Preiserhöhungen und nen demnach kontraproduktiv sein. die Angebotsverknappung auf den internationalen Im Bereich der Lebensmittelversorgung kam es in eini Märkten schneller an ihre Grenzen stoßen und könnten gen europäischen und anderen Ländern zu "Hamster bei ähnlichen Verläufen wie in den USA oder einigen käufen", bei denen gewisse Produkte überproportional europäischen Ländern vollständig kollabieren. Aktuelle stark nachgefragt wurden. In früheren Krisensituatio Zahlen geben im Moment jedoch Hoffnung, dass zu nen, wie etwa der Finanzmarktkrise, haben einige Län mindest auf dem afrikanischen Kontinent ein milderer dern mit Handelsbeschränkungen auf die gesteigerte Verlauf der Pandemie möglich sein könnte.8 Nachfrage reagiert, und so bestand auch in der aktu Die EU hat auf die Ausfuhrbeschränkungen von Ge ellen COVID-19-Krise die Sorge vor einer ähnlichen Ent sundheitsausrüstung innerhalb des Binnenmarktes mit wicklung. Während der Finanzmarktkrise konnten etwa einer Verordnung reagiert (für Details siehe z. B. Wolf 45% und 30% des Anstiegs der Weltmarktpreise für Reis mayr, 2020A). Diese Verordnung sollte den unbe und Weizen auf restriktive handelspolitische Maßnah schränkten Handel von medizinischen Produkten inner men zurückgeführt werden (Sinabell, 2020). Teilweise halb der EU garantieren, schrieb jedoch eine Geneh wurden diese Fehler auch im Zuge der COVID-19-Pan- migungsnotwendigkeit für Exporte in Drittstaaten vor demie wiederholt. 35 Länder haben bis Ende April 2020 und beschränkte die Ausfuhren in Drittstaaten auf 26% Exportbeschränkungen für Nahrungsmittel verhängt aller Exporte der betroffenen Produkte.9 Sie war zeitlich (Baldwin - Evenett, 2020), obwohl die historischen Er befristet und ist mit 28. Mai 2020 ausgelaufen. fahrungen belegen, dass diese Maßnahmen inneffek tiv und oftmals sogar kontraproduktiv sind. Die Ausfuhr In einer aktuellen WIFO-Untersuchung weist Wolfmayr beschränkungen im Zuge der COVID-19-Pandemie (2020A) auf die Gefahren durch unbeabsichtigte Ne sind auch insofern überraschend, als im Vergleich zu beneffekte einer Exportbeschränkungspolitik hin. Zum den Preissteigerungen von Lebensmitteln zwischen den einen spielen die globalen Wertschöpfungsketten und Jahren 2006 bis 2008 aktuell die (globale) Versorgungs- internationale Verteilernetzwerke für die Bereitstellung und Produktionslage relativ günstig ist (Martin - Glau von Gesundheitsprodukten eine wichtige Rolle. Han ber, 2020). delsbeschränkungen können auf der "Gegenseite" durch andere handelsbeschränkende Maßnahmen Ein weiteres handelspolitisches Thema, welches auch in beantwortet werden. Das kann zum Stocken der Wert Österreich im Zuge der COVID-19-Pandemie verstärkt schöpfungskette führen und damit auch die Produk diskutiert wurde, betrifft die gesetzlichen Rahmenbe tion für den EU-Markt drosseln (Evenett, 2020B). Auch dingungen von ausländischen Unternehmensinvestitio können Importe von medizinischen Fertigprodukten nen in Form von Beteiligungen bzw. Übernahmen. In aus Drittstaaten ebenfalls mit Exportbeschränkungen der letzten Maiwoche hat die Bundesregierung einen belegt werden und so das Angebot für die notwendige Gesetzesentwurf zu Investitionskontrollen vorgelegt, Versorgung im Binnenmarkt schmälern (Bown, 2020; welcher die Umsetzung einer bereits vor längerer Zeit Wolfmayr, 2020A). Österreich importierte zum Beispiel beschlossenen EU-Verordnung im österreichischen Recht sicherstellen soll.10 Demnach sollen ausländische 7 Siehe z. B. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oester 9https://eur-lex.europa.eu/legal-con reich/2054858-Fast-eine-Staatsaffaere-um-Masken.html. tent/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32020R0402&from=DE. 8 https://orf.at/stories/3167492/. 10https://www.derstandard.at/story/2000117752180/schramboeck- will-genehmigungspflicht-fuer-unternehmenskaeufe-ueber-25-prozent . FIW-Policy Brief Nr. 46, Juni 2020 9
4. Handelspolitik in der Post-COVID-19-Ära Unternehmensübernahmen (durch Unternehmen aus Drittstaaten) ab einer Beteiligungsgrenze von 25% ge 4. Handelspolitik in der nehmigungspflichtig werden. In definierten sensiblen Post-COVID-19-Ära Bereichen, wie etwa der Arzneimittelproduktion, der Wasserversorgung oder der digitalen Infrastruktur, soll Die COVID-19-Pandemie hat gewisse Schwachstellen die Genehmigungsschwelle mit einem Anteil von 10% im internationalen Handelssystem sichtbar gemacht niedriger angesetzt werden. Das Gesetz soll mit Som und zu einigen teilweise auch unerwarteten handels mer oder spätestens Herbst in Kraft treten. Nach aktu politischen Reaktionen geführt. Aus der aktuellen Krise eller Rechtslage besteht bisher lediglich eine Melde sollten für die Weiterentwicklung des Binnenmarktes pflicht von Beteiligungen von mindestens 25%, wenn und des globalen Handelssystems die richtigen diese von Unternehmen aus Drittstaaten gehalten wer Schlüsse gezogen und notwendige Anpassungen vor den. Österreich gehört mit diesen Maßnahmen zu einer genommen werden. Gruppe von 14 EU-Mitgliedsländern, welche Investiti Die aktuellen Vorschläge aus der Literatur betonen, onskontrollen bereits gesetzlich vorgeschrieben haben dass ein verstärkter Protektionismus und eine Abschot (Kowalski, 2020).11 Von diesen EU-Ländern haben ei tung von den Weltmärkten die negativen Folgen der nige wie etwa Deutschland, Niederlande und Frank COVID-19-Krise wahrscheinlich verstärken würden reich im Zuge der COVID-19-Krise die entsprechenden (siehe z. B. Baldwin - Evenett, 2020; OECD, 2020B). Auch Investitionskontrollengesetze bereits verschärft. Italien historische Episoden sprechen dagegen, dass sich eine ging sogar noch einen Schritt weiter und hat die Inve weltweite Wirtschaftskrise durch restriktive Handelspoli stitionskontrollen auf Investoren aus der EU ausgewei tik effektiv kurieren lässt. So hat etwa nach Ansicht von tet. Diese scharfen Regelungen dürfte wohl nicht durch Wirtschaftshistorikern der "Smoot-Hawley Tariff Act" des das EU-Recht gedeckt sein. Auch außerhalb der EU US-amerikanischen Kongresses, in welchem im Juni kann eine Tendenz zu verstärkten Investitionskontrollen, 1930 eine drastische Erhöhung von Einfuhrzöllen be etwa im Vereinigten Königreich und Australien, beob- schlossen wurde, die Rezession nach der Weltwirt achtet werden. schaftskrise von 1929 weiter (massiv) verschärft und ver In der aktuellen Krisensituation verfolgen Investitions längert (siehe z. B. Grossman, 2013). kontrollen das Ziel, unverschuldet in Probleme gerate Grundsätzlich geht die Wirtschaftspolitik mit vielleicht nen Unternehmen vor unfreiwilligen Übernahmen zu ganz wenigen Ausnahmen nicht davon aus, durch pro schützen. Temporär begrenzt und mit Augenmaß an tektionistische Maßnahmen bzw. Handelsrestriktionen gewendet erscheinen diese Kontrollen vertretbar, so die COVID-19-Krise erfolgreich bekämpfen zu können. lange sie sich auf Drittstaaten außerhalb der EU be Die COVID-19-Pandemie als Gesundheitskrise hat aller schränken. Mittelfristig betrachtet können solche Kon dings einige Schwachstellen in der EU und dem globa trollen jedoch als Standortfaktor für internationale Inve len Wirtschaftssystem aufgezeigt, die adressiert werden storen abschreckend wirken. Darüber hinaus könnten sollten. Erstens hat sich in der EU gezeigt, dass bei Poli die Kontrollen das Konkursrisiko in Unternehmen in aus tikfeldern, die in der alleinigen nationalen Kompetenz ländischer Miteigentümerschaft erhöhen, falls diese verblieben sind, die Koordinierung der Mitgliedsländer ihre Anteile nicht erhöhen dürfen. Das höhere Konkurs nicht sehr gut funktioniert. Die Einzelstaaten trafen ihre risiko könnte sicher wiederum negativ auf die Kapital gesundheitspolitischen Maßnahmen vor allem auf Basis kosten der Unternehmen auswirken und den österrei der jeweiligen nationalen Situationseinschätzungen. chischen Kapitalmarkt insgesamt schwächen. Sollte es Das führte im Ergebnis jedoch zu unkoordinierten hierdurch zu einem Rückgang an Investitionen kom Grenzschließungen und anderen Behinderungen inner men, könnte sich dies dämpfend auf die Produktivitäts halb des Binnenmarktes. Auch hat es relativ lange ge entwicklung der österreichischen Wirtschaft in der dauert, bis den stark betroffenen Mitgliedsländern in Post-COVID-19-Zeit auswirken. Zwar geht die Literatur koordinierter Art und Weise geholfen wurde. Eine Lehre davon aus, dass der Produktivitätseffekt von ausländi aus der COVID-19-Pandemie könnte die Entwicklung schen Investitionen in hochentwickelteren Ländern eines EU-weiten Pandemieplans sein, der die Koopera schwächer ausgeprägt ist (siehe z. B. Weyerstraß, tion der einzelnen Mitgliedstaaten klarer strukturiert und 2018), jedoch kann aktuell noch nicht seriös abge eine koordinierende Rolle einnimmt. Gesundheitspoliti schätzt werden, wie wichtig ausländische Investitionen sche Agenden werden wohl auch in Zukunft eine Kom für eine schnelle und nachhaltige Erholung der heimi petenz der Nationalstaaten bleiben, jedoch zeigt sich, schen Wirtschaft und die Sicherung der Wettbewerbs dass eine mangelnde gesundheitspolitische Abstim fähigkeit von inländischen Unternehmen sein werden. mung innerhalb der EU in einer Krisensituation den Bin nenmarkt unter Druck setzen kann und so zusätzliche Probleme für die europäische Wirtschaft verursacht. In Zusammenhang mit den gesundheitspolitisch notwe nigen Grenzschließungen und Kontrollen hat sich ein 11Eine laufend aktualisierte Liste aller EU-Mitgliedsländer mit Investiti onskontrollen findet sich unter https://trade.ec.eu ropa.eu/doclib/docs/2019/june/tradoc_157946.pdf. 10 FIW-Policy Brief Nr. 46, Juni 2020
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