Das Fit-for-55-Paket: Startpunkt für die Umsetzung des EU-Klima-ziels 2030 - Germanwatch eV
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POLITIK & GESELLSCHAFT POLICY BRIEF Das Fit-for-55-Paket: Startpunkt für die Umsetzung des EU-Klima- ziels 2030 Erste Übersicht und Kurzanalyse wichtiger Teile der Fit-for-55-Vor- schläge der EU-Kommission mit Blick auf die aktuellen Positionen von zwei zentralen Mitgliedsstaaten: Deutschland und Frankreich Audrey Mathieu und Anne Gläser
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Zusammenfassung Mit ihrem Fit-for-55-Legislativpaket schlägt die Europäische Kommission eine Überarbeitung praktisch sämtlicher einschlägigen Politikinstrumente vor, um das neue EU-Klimaziel zu errei- chen. Bis 2030 sollen netto mindestens 55% Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 einge- spart werden (55%-Ziel). In dieser Kurzanalyse beleuchtet Germanwatch wichtige Teile der Kommissionsvorschläge und vergleicht sie mit den bis jetzt bekannten deutschen, französischen und deutsch-franzö- sischen Positionen. Die Analyse bietet damit eine Orientierungshilfe für die im Herbst 2021 und Frühjahr 2022 beginnenden Verhandlungen zwischen den Mitgliedsstaaten sowie zwischen Europäischem Rat, Europaparlament und Kommission. Im Fokus der Analyse steht Folgendes: die Aufschlüsselung des 55%-Ziels; die Reform des Eu- ropäischen Emissionshandels; die Anpassung der EU-Klimaschutzverordnung; die Anpassung der Richtlinie für Erneuerbare Energien sowie der Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitli- nien; die Einführung eines CO2-Grenzausgleichsystems. Der Vorschlag der Kommission ist ein Lackmustest für die Umsetzung des Europäischen Green Deal. Ein cleverer, ambitionierter Instrumentenmix, der zügig umgesetzt wird, ist entscheidend für die Erreichung der Klimaziele. Nun kommt es auf alle Mitgliedsstaaten an, denn das Legis- lativpaket muss noch im Rat und im Parlament diskutiert werden. Frankreich, das die Präsi- dentschaft im Rat der Europäischen Union im für die Beratungen des Pakets wichtigen ersten Halbjahr 2022 innehat, sowie Deutschland spielen hierfür eine herausgehobene Rolle. 2
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Impressum Autorinnen: Audrey Mathieu, Anne Gläser Redaktion: Tobias Rinn Titelbild: Shutterstock / ME Image Herausgeber: Germanwatch e.V. Büro Bonn: Büro Berlin: Dr. Werner-Schuster-Haus Kaiserstr. 201 Stresemannstr. 72 D-53113 Bonn D-10963 Berlin Telefon +49 (0)228 / 60 492-0, Fax -19 Telefon +49 (0)30 / 28 88 356-0, Fax -1 Internet: www.germanwatch.org E-Mail: info@germanwatch.org Juli 2021 Bestellnr: 21-3-3 Diese Publikation kann im Internet abgerufen werden unter: www.germanwatch.org/de/20459 Mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Mercator. Für den Inhalt ist alleine Germanwatch verantwortlich. 3
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Inhalt Einleitung............................................................................................................................. 5 1 Die Aufschlüsselung des neuen EU-Klimaziels (55%-Ziel) ............................................ 7 2 Die Anschärfung des Emissionshandelssystems (EHS) ............................................... 11 3 Die Anpassung der EU-Klimaschutzverordnung (ESR) ............................................... 16 4 Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) mit RED III und flankierendes Beihilferecht mit KUEBLL ..................................................................................................................... 20 5 Die Einführung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM).............................. 25 4
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Einleitung Das im Frühling 2021 beschlossene Europäische Klimagesetz entspricht einem Mandat 1 an die Euro- päische Kommission, einen Legislativvorschlag für die Erreichung des neuen EU-Klimaziels auszuar- beiten – bis 2030 sollen mindestens 55% Netto-Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 eingespart werden (55%-Ziel). Mit ihrem Fit-for-55-Legislativpaket 2 greift die Kommission dieses Mandat auf und schlägt eine Überarbeitung sämtlicher einschlägigen Politikinstrumente sowie die Einführung neuer Regelungen vor, damit die zusätzlichen Emissionsreduktionen erreicht werden können. Fit-for-55-Paket der Kommission zur Revision und Erweiterung der klimapoliti- schen Gesetzgebung der EU, vorgestellt am 14.07.2021: • Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems (EHS), einschließlich See- verkehr, Luftfahrt und CORSIA • Überarbeitung der Verordnung über die Einbeziehung von Treibhausgasemis- sionen und Entfernungen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) • Anpassung der EU-Klimaschutzverordnung (Effort Sharing Regulation – ESR) • Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) zur Umsetzung der Ambitionen des neuen Klimaziels 2030 • Änderung der Energieeffizienzrichtlinie (EED) zur Umsetzung der Ambitionen des neuen Klimaziels 2030 • ReFuelEU Aviation – Nachhaltige Kraftstoffe für Flüge • FuelEU Maritime – Grüner europäischer Meeresraum • Überarbeitung der Richtlinie über den Ausbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe • Überarbeitung der Verordnung zur Festlegung von CO₂-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge • Einführung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus: Carbon Border Adjust- ment Mechanism (CBAM) • Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie Nach der Vorstellung der Kommissionsvorschläge beginnt die heiße Phase der konkreteren Positi- onsbestimmungen von Mitgliedsstaaten und Europaparlament, gefolgt von Verhandlungen zwi- schen den drei rechtsetzenden Institutionen Parlament, Rat und Kommission. Die Verhandlungen werden aller Voraussicht nach teils bis Ende 2022, teils bis ins Jahr 2023 hinein andauern. 1 cf. https://ec.europa.eu/clima/policies/eu-climate-action/law_de, zuletzt abgerufen am 21. Juni 2021. 2 cf. https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal/delivering-european-green-deal_en, zu- letzt abgerufen am 14. Juli 2021. 5
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH In diesem ersten Briefing beleuchtet und analysiert Germanwatch zentrale Teile des Legisla- tivpakets und vergleicht sie mit den bekannten deutschen 3, französischen 4 und, wo vorhan- den, gemeinsam koordinierten deutsch-französischen 5 Positionen. Im Fokus stehen: 1. Die Aufschlüsselung des EU-Klimaziels 2030 6, um das 55%-Ziel zu erreichen. Dabei spie- len die Senken bzw. die Regulation rund um Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (land use, land-use change and forestry ‒ LULUCF) 7 eine besonders kritische Rolle. 2. Die Reform des Europäischen Emissionshandelssystems (EHS oder Emission Trading System ‒ ETS) 8 für die emittierenden Bereiche Strom und Industrie sowie Flug- und Schiffs- verkehr. 3. Die Anpassung der EU-Klimaschutzverordnung (Effort Sharing Regulation ‒ ESR) 9 für die emittierenden Bereiche Straßenverkehr, Gebäudeheizung, Landwirtschaft, kleine Indus- trieanlagen und Abfallwirtschaft. 4. Die Anpassung der Richtlinie für erneuerbare Energien (Renewable Energy Directive ‒ RED III) 10, die flankiert von den Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien (KUEBLL oder Climate, Energy and Environmental State aid guidelines ‒ CEEAG) 11 eine zentrale Rolle für den Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) spielt. 5. Die Einführung eines CO2-Grenzausgleichsystems (Carbon Border Adjustment Mecha- nism ‒ CBAM) 12, welches als flankierendes Instrument zum EHS wichtig für die Vermeidung von Emissionsverlagerung (sog. Carbon Leakage) in Länder ist, in denen es weniger ambi- tionierte Klimapolitik für den Industriesektor gibt. 3 cf. Stellungnahme der Bundesregierung zum Fit-for-55-Paket (Juni 2021): https://www.bundesregierung.de/re- source/blob/975226/1934236/2a31d12b5919b822b3d3822d241e324f/2021-05-25-55-data.pdf?download=1, zuletzt abge- rufen am 12. Juli 2021. 4 cf. Reaktion der französischen Behörden auf die öffentlichen Konsultationen der Kommission zur Überarbeitung von Ge- setzestexten zum Klima: ETS, ESR, LULUCF, CO2-Emissionsnormen für leichte Fahrzeuge (Februar 2021). 5 cf. Erklärung von Berlin (31. Mai 2021): https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/deutsch-franzoesische-erklae- rung-von-berlin-1919726, zuletzt abgerufen am 12. Juli 2021. 6 cf. https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/chapeau_communication.pdf, zuletzt abgerufen am 14. Juli 2021. 7 cf. https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/revision-regulation-ghg-land-use-forestry_with-annex_en.pdf, zuletzt ab- gerufen am 14. Juli 2021. 8 cf. https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/revision-eu-ets_with-annex_en_0.pdf, zuletzt abgerufen am 14. Juli 2021. 9 cf. https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/proposal-amendment-effort-sharing-regulation-with-annexes_en.pdf, zu- letzt abgerufen am 14. Juli 2021. 10 cf. https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/amendment-renewable-energy-directive-2030-climate-target-with-anne- xes_en.pdf, zuletzt abgerufen am 14. Juli 2021. 11 cf. Vorlage zum Beteiligungsverfahren: https://ec.europa.eu/competition-policy/system/files/2021-06/CEEAG_Anne- xes_Draft_EN.pdf, zuletzt abgerufen am 14. Juli 2021. 12 cf. https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/carbon_border_adjustment_mechanism_0.pdf, zuletzt abgerufen am 14. Juli 2021 6
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH 1 Die Aufschlüsselung des neuen EU- Klimaziels (55%-Ziel) Sowohl die französische als auch die deutsche Regierung unterstützten die Arbeit der Europäischen Kommission bereits vor der Veröffentlichung des Legislativpakets und begrüßen dessen Ziel. Jedoch fehlt noch eine belastbare Aufschlüsselung des neuen 55%-Ziels, wobei die Senkenfrage eine zentrale Rolle spielt. Basierend auf den festgelegten Zielen geht es um die Wahl der Instrumente zur Umsetzung. Ein In- strumentenmix hat sich im Kommissionsvorschlag herauskristallisiert, nun ist eine spannende De- batte um die Gewichtung der Instrumente (CO2-Bepreisung, Ordnungsrecht und nationale Klima- ziele) zwischen Kommission, Rat und Parlament zu erwarten. Dabei wird u.a. diskutiert werden, wie möglichst große Synergien bzw. die für den Klimaschutz wirksamsten Verzahnungen erreicht wer- den können. Offizielle Position u. Formulierung Analyse , 13 , 14 , 15 Im September 2020 hatte das Das 55%-Ziel, das einer Emissionsmin- Europäische Parlament ein Min- derung von knapp 53% ohne Senken derungsziel von 60% gefordert. Doch entspricht, bedeutet ungefähr eine Ver- weder die Kommission noch der Rat ha- dopplung des Klimaschutztempos im ben sich Richtung Parlament bewegt. Vergleich zur bisherigen Ambition der Dem EU-Klimagesetz folgend, hat die EU EU. Aber mit Blick auf das, was laut Wis- vor, ein reines Minderungsziel i.H.v. senschaft erforderlich ist, um das 1,5- mindestens 52,8% zu erreichen, wel- Grad-Limit nicht zu überschreiten, und ches von einem Senkenbeitrag i.H.v. gemessen an der 60%-Forderung des rund 4% flankiert wird 16. EU-Parlaments, ist dieses Zwischenziel noch nicht ausreichend. Eine Aufsto- Mit den Vorschlägen des Fit-for- ckung des EU-Minderungsziels auf mi- 55-Pakets startet die Kommis- nus 60%, wie vom EU-Parlament vorge- sion die Implementierung des EU-Klima- schlagen, und ergänzende internatio- gesetzes und des neuen „mindestens nale Klimapartnerschaften für zusätzli- 55%“-Klimaziels (55%-Ziels) bis 2030. chen von der EU unterstützten Klima- 13 Siehe Fußnote 3. 14 Siehe Fußnote 4. 15 Siehe Fußnote 5. 16 Sollten die Wälder und Böden diese 4% Senkenwirkung voll ausfüllen können, würde die EU damit bei vollständiger Erfül- lung des reinen Minderungsziels theoretisch auf ein Netto-Klimaziel von knapp 57% kommen. Sollte die Senkenwirkung der europäischen Wälder und Böden über den Gesamtzeitraum bis 2030 aufgrund des Klimastresses bei null oder darun- ter liegen, müsste der reine EU-Minderungsbeitrag 55% oder entsprechend mehr betragen. 7
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH schutz in Partnerländern sind erforder- Die Bundesregierung erwartet, lich. dass das Fit-for-55-Paket einen geeigneten Rahmen setzt, damit sich Germanwatch fordert die EU auf, bei der der Green Deal als neue, an den Klima- nächsten im Pariser Klimaabkommen zielen ausgerichtete, nachhaltige festgeschriebenen internationalen Zieler- Wachstumsstrategie für Europa entfal- höhungsrunde von 2023 bis 2025 ein ver- ten kann, eingebettet in offene Märkte bessertes Klimaziel für 2030 vorzulegen. und fairen internationalen Wettbewerb Die EU muss beim internationalen Rhyth- auf der Grundlage klarer, vorhersehba- mus mit gutem Beispiel vorangehen und rer und multilateral abgestimmter Re- sollte 2023–2025 zudem ein Ziel für 2035 geln. Deutschland hat als Beitrag zur sowie ein aktualisiertes für 2040 präsen- Umsetzung des 55%-Ziels auf EU-Ebene tieren. Entsprechend sollte die Bundesre- bereits ein 65%-Ziel bis 2030 beschlos- gierung sich klar für eine EU-Position in sen. den internationalen Klimaverhandlungen einsetzen, dass alle Staaten alle fünf Auch die französische Regie- Jahre ihre Klimaziele nachschärfen rung unterstützt und begrüßt (Verhandlungen zu sog. Common-Time das verbesserte EU-Klimaziel von min- Frames). destens 55% bis 2030. Im Vorfeld der Veröffentlichung des Fit-for-55-Pakets Die EU sollte jetzt wenigstens das „min- teilte Frankreich die nachdrückliche Un- destens“ vor der Zahl 55 ausbuchstabie- terstützung für das Arbeitsprogramm ren, also deutlich machen, dass sie der Kommission. grundsätzlich bereit ist, bei einem höhe- ren Wert zu landen. Wir schlagen vor, Beide Regierungen ver- dass Rat und Parlament in den anste- pflichten sich, eine ehrgei- henden Verhandlungen dafür die Grund- zige Umsetzung des Green Deal zu un- lagen legen. Parlament, Rat und Kom- terstützen. Das bevorstehende Legisla- mission sollten sehr überzeugend die tivpaket „Fit-for-55“ solle Mitgliedsstaa- Voraussetzungen dafür schaffen, dass ten dazu befähigen, einen soliden und die EU bis 2030 mehr als 53% Minderung beschleunigten Wandel hin zu einer kli- erbringen kann. Die EU muss sich schon maneutralen, wettbewerbsfähigen und jetzt für den nicht unwahrscheinlichen wohlhabenden EU bis 2050 einzuleiten, Fall rüsten, dass die Wälder und Moore heißt es weiter in der Erklärung von Ber- ihre Senkenfunktion wegen des zuneh- lin vom Mai 2021. menden Klimastresses nicht ausfüllen können. Was die „sichere“ Umsetzung des 55%- Ziels betrifft, ist der Start hier leider holprig. Denn sollten die Senken nicht den versprochenen Effekt liefern, hat die Kommission bis jetzt kein Konzept vor- gelegt bzw. schlägt keinen Garantieme- chanismus vor, wie eine eventuelle Lü- cke (von knapp 53% auf mind. 55%) si- cher geschlossen werden könnte. 8
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Die Kommission schlägt einen Die Nutzung eines Instrumentenmixes Instrumentenmix vor, der aus ist grundsätzlich gut und richtig. Es ist einer Anpassung der Klimaschutzverord- sinnvoll, dass angesichts der Herausfor- nung (ESR), verstärkter CO2-Bepreisung derung, ein deutlich erhöhtes Klimaziel und Ordnungsrecht besteht. sozial gerecht zu erreichen, die Kommis- sion auf eine breite Maßnahmenpalette Für die Bundesregierung ist es zurückgreift, die alle Bereiche der Ge- zentral, dass der Instrumenten- sellschaft (zum Beispiel Wertschöp- mix die maximal zulässigen Treibhaus- fungsketten oder Nutzer:innen) in die gasemissionen verlässlich begrenzt. Verantwortung nimmt. Dazu müssten nationale und europäi- sche Instrumente aufeinander abge- Mit ihrem Vorschlag nimmt die Kommis- stimmt sein, heißt es in ihrer Stellung- sion also eine erste Richtungsentschei- nahme. Des Weiteren müsse der Instru- dung in der Debatte um ein von man- mentenmix neben der wirksamen Be- chen als Allheilmittel betrachtetes Leit- grenzung der Gesamtemissionen auch instrument „Emissionshandel“ vor, dem eine Antwort auf die spezifischen Anfor- vorgeworfen wurde, zu viel Gewicht ge- derungen und Bedürfnisse der jeweili- genüber anderen Instrumenten zu be- gen Sektoren geben und den Mitglied- kommen. staaten die erforderliche Flexibilität bei der Umsetzung lassen. Für den Verkehrs- und Gebäu- desektor erfordere eine gestei- gerte Klimaambition auch die Stärkung spezifischer europäischer Strategien zur Entwicklung einer Reihe kohlenstoff- freier Produkte und Dienstleistungen, merkt die französische Regierung an. Der Kommissionsvorschlag für Dass ein Garantiemechanismus zur Si- LULUCF sieht eine Erhöhung cherung des 55%-Ziels fehlt, ist äußerst des Netto-Senkenbeitrags auf 310 Millio- problematisch. Denn nach der Bindung nen Tonnen CO2 bis zum Jahr 2030 vor. in Wäldern oder Mooren kann CO2 durch Dieses EU-Gesamtziel wird auf die Mit- zunehmende Dürren mit Waldsterben gliedstaaten durch jährliche nationale und Bränden leicht wieder freigesetzt Ziele für den Zeitraum 2026 bis 2030 ver- werden. Hinzu kommen methodische teilt. Es wird ein neues Governance-Sys- Schwierigkeiten bei der Berechnung der tem für die Einhaltung der Zielvorgaben Speicherfunktion. Es kann daher leicht eingeführt. passieren, dass die Senken der EU durch den fortschreitenden Klimawandel bis Die Bundesregierung setzt sich 2030 zu einer CO2-Quelle werden, sie dafür ein, die natürlichen Sen- aber rechnerisch immer noch als Senke ken konsequent zu erhalten, zu stärken gelten. Deshalb sind zwei separate Ziele und wo möglich auszubauen. Dabei sei besser, nämlich ein Minderungs- und ein grundsätzlich auch die langfristige CO2- 9
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Speicherung in langlebigen Holzproduk- Senkenbeitragsziel. Ein klar separiertes ten zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Mindestziel für die Emissionssenkung Auswirkungen auf die übrigen Ökosys- gäbe Regierungen und Investoren mehr temleistungen und Waldfunktionen so- Klarheit für ihr Handeln. wie des erforderlichen Finanzierungsbe- darfs müsse eine Folgenabschätzung LULUCF sollte als eigener Sektor mit durchgeführt werden. rechtlich verpflichtenden und ambitio- nierten Zielen einen Beitrag zum Klima- Frankreich wirbt für die wohl- schutz leisten. Dabei sind verbindliche wollende Prüfung des Vor- LULUCF-Ziele nicht nur auf EU-Ebene, schlags der Kommission zur Schaffung sondern auch auf nationaler Ebene not- eines neuen regulierten Sektors aus den wendig und Landwirtschaftsemissionen Nicht-CO2-Emissionen der Landwirt- sollten gesondert behandelt werden. In schaft sowie den Emissionen und der diesem Zusammenhang geht der Vor- Kohlenstoff-Aufnahme aus dem schlag der Kommission in die richtige LULUCF-Sektor. Dieser Ansatz würde es Richtung: Wenn auch erst im Jahr 2026, ermöglichen, eine übersichtlichere und ist die Einführung von nationalen Zielen aufschlussreichere Bilanz zu erstellen; mit einem linearen Pfad, den die Mit- außerdem könnten dadurch die Redu- gliedsstaaten verfolgen müssten, grund- zierung der Nicht-CO2-Emissionen und sätzlich begrüßenswert; auch wenn die Kohlenstoffspeicherung besser auf- diese Maßnahme erst für 2026 vorgese- einander abgestimmt werden. hen ist. 10
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH 2 Die Anschärfung des Emissionshandelssystems (EHS) Für die Sektoren Strom und Industrie schlägt die Kommission eine Anpassung des seit 2005 beste- henden Emissionshandelssystems (EHS) vor. Sowohl die französische als auch die deutsche Regie- rung unterstützen eine „ambitionierte“ Anpassung, setzen jedoch unterschiedliche Akzente, was die Stellschrauben des EHS angeht. Zentral für wirksamen Klimaschutz und das Erreichen des 55%-Ziels ist die zügige Umsetzung der Anpassungen. Die von der Kommission vorgeschlagene Ergänzung des EHS um ein zweites, separates System für die Sektoren Gebäude und Verkehr wird in Teil 3 behandelt. Offizielle Position u. Formulierung Analyse , 17 , 18 , 19 Die Kommission schlägt eine Mit Paris und Berlin hat die Kommission Anschärfung des EHS vor. Aus zwei wichtige Unterstützer für ihre ge- Sicht der Kommission wäre es sehr wün- plante EHS-Reform. Es ist zu hoffen, schenswert, wenn das angepasste Sys- dass sich beide Mitgliedstaaten im Rat tem 2023 in Kraft tritt. nachdrücklich für eine tatsächlich ehr- Der Vorschlag enthält eine Zweckbin- geizige Reform, die schnellstmöglich dung der EHS-Einnahmen: Sie sollen ver- (Januar 2023) in Kraft tritt, einsetzen. bindlich für Klimaschutz und Energie ein- gesetzt werden. Die Einführung eines schrittweise anstei- genden Mindestpreises ist als No-Re- Für beide Regierungen ist gret-Maßnahme überfällig. Es geht da- das Emissionshandelssys- bei um mehr Planbarkeit sowie Investiti- tem der EU ein Eckpfeiler der EU- onssicherheit und eine Absenkung der Klimapolitik und ein Schlüsselinstru- Kapitalkosten für langfristige Investitio- ment zur kostengünstigen Reduzierung nen. von Emissionen. Die Einnahmen aus der Zertifikatsver- Laut Paris und Berlin ist steigerung sollten vollständig dem Kli- eine ambitionierte Stär- maschutz und der innereuropäischen kung des EU-Emissionshandelssys- Solidarität zugutekommen. In dieser tems unerlässlich. Beide Regierungen Hinsicht ist der Vorschlag der Kommis- unterstützen einen angemessenen Min- sion, eine Zweckbindung für die Verwen- destpreis für CO2-Emissionen mit dem 17 Siehe Fußnote 3. 18 Siehe Fußnote 4. 19 Siehe Fußnote 5. 11
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Ziel, das bestehende System zu verbes- dung der EHS-Einnahmen durch die Mit- sern. gliedsstaaten einzuführen, zu begrüßen und sollte von Frankreich und Deutsch- Für die Bundesregierung aller- land unterstützt werden. dings wird ein „EHS-only-An- satz“ den Herausforderungen des um- fassenden Strukturwandels nicht ge- recht. Die ehrgeizige EHS-Reform müsse einen Mindestpreis für CO2 in Form eines Auktionsreserveprei- ses vorsehen, um signifikante Schwan- kungen zu vermeiden und damit die notwendigen Signale für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen auf europäi- scher Ebene zu setzen. Die Kommission schlägt eine Der Abbau der kostenlosen Zuteilung Reduzierung der Zahl kosten- von Zertifikaten für die Industrie sollte – los verteilter Emissionsrechte vor. Die insbesondere im Falle der Einführung ei- kostenlose Zuteilung soll weiterhin für nes CO2-Grenzausgleichsmechanismus jene von Carbon Leakage gefährdeten (CBAM) – konsequent vorangetrieben Sektoren zur Verfügung stehen, die De- werden. Was die vom CBAM abgedeck- karbonisierungsanstrengungen vorwei- ten Branchen angeht, ist ein solches sen können. Auslaufen nicht nur Voraussetzung für substantielle Emissionsreduktionen, Ab 2026 soll die maximale jährli- sondern auch für die Kompatibilität des che Reduktionsrate für die Grenzausgleichs mit WTO-Regeln. Auch Benchmarks, die die Höhe der kosten- in den Branchen, die nicht vom Grenz- losen Zuteilung vorgeben, von derzeit ausgleich abgedeckt sind, sollte die kos- 1,6 auf 2,5% angehoben werden. Für tenlose Zuteilung schneller enden, als Sektoren, die vom geplanten CBAM ab- es der Kommissionsvorschlag vorsieht. gedeckt werden sollen (Strom, Zement, Eisen und Stahl, Aluminium und Dünge- mittel) wird die kostenlose Zuteilung bis 2035 jährlich gesenkt. Die Bundesregierung plädiert dafür, die bisherigen Instru- mente zum Carbon-Leakage-Schutz (kostenlose Zuteilung und Strompreis- kompensation) im angemessenen Um- fang unter Berücksichtigung der interna- tionalen Wettbewerbsfähigkeit fortzu- führen. 12
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Laut Kommissionsvorschlag Die Obergrenze („Cap“) des EHS über- greift oberhalb der Spanne 833 steigt weiterhin die realen Emissionen bis 1.096 Millionen Zertifikate weiterhin und bildet einen strukturellen Über- eine automatische Reduktion von jähr- schuss. Die Europäische Kommission lich 24% des Überschusses (ursprüng- schätzt 20, dass sich die Lücke zwischen lich war eine Absenkung auf 12% vorge- der Obergrenze und den tatsächlichen sehen). Eine grundsätzliche Obergrenze Emissionen im Jahr 2019 auf rund 250 von insgesamt 400 Millionen Zertifikaten Millionen Zertifikate belief. Durch die in der Marktstabilitätsreserve (MSR) Pandemie ist der Überschuss noch ein- ist vorgesehen. mal signifikant angewachsen. Um die tatsächliche Entwicklung der Emissio- Die Kommission sieht eine Erhö- nen widerzuspiegeln, sollte der Start- hung des Linearen Redukti- punkt für den Reduktionspfad an die re- onsfaktors (LRF) auf 4,2% vor. Diese Er- alen Emissionen im Jahr 2021 ange- höhung soll mit einer einmaligen Anpas- passt werden („Rebasing“). Notwendig sung der „Obergrenze“ kombiniert wer- ist daher eine einmalige Reduktion um den (Rebasing). 350 Millionen Zertifikate. Diese Reduk- tion verringert bei stringenter Ausgestal- Frankreich wünscht, dass die tung auch die notwendige jährliche Ver- Revision des EHS einen erneu- knappungsrate (den Linearen Redukti- ten Überschuss an Emissionserlaubnis- onsfaktor, LRF). Der Vorschlag der Kom- sen verhindert. Darum sei die einmalige mission lässt die genaue Höhe des Re- Reduzierung der Ausgabe von Erlaubnis- basing offen, doch die Ankündigung ei- sen, das sogenannte „Rebasing“, not- nes Rebasing ist positiv zu bewerten. wendig, um dem neuen Kontext der De- karbonisierung, wie dem beschleunig- Der Lineare Reduktionsfaktor (LRF) ten Ausbau erneuerbarer Energien und sollte erhöht werden – und das so früh den nationalen Plänen zum Kohleaus- wie möglich (Anwendung der Erhöhung stieg, besser Rechnung tragen zu kön- ab 2023 oder früher). Wissenschaftlichen nen. Bei diesem „Rebasing “ müsse auch Untersuchungen zufolge 21 müsste – im der Zeitpunkt der Überarbeitung der Falle eines erfolgreichen Rebasing ‒ der EHS-Richtlinie berücksichtigt werden. LRF ab 2023 auf einen Wert von unge- Die notwendige Erhöhung des jährli- fähr 4% angehoben werden, um dem chen linearen Quotenreduzierungsfak- 55%-Ziel (ohne Senken) gerecht zu wer- tors sei als Parameter beim „Rebasing “ den. Der Kommissionsvorschlag ent- zu berücksichtigen. Die MSR müsse ge- spricht hier den Erwartungen und ist mit stärkt werden, damit sie den strukturel- dem 2030-Ziel vereinbar. len Zertifikatsüberschuss effektiver auf- fangen kann, um eine Aufstockung bei Zusätzlich sollte die Marktstabilitätsre- einem exogenen Schock zu vermeiden. serve (MSR) deutlich weiterentwickelt Ihre Parameter müssten daher überprüft werden, um auch bei künftigen Heraus- werden, um ein ausreichend schnelles forderungen wie z.B. bevorstehenden Kohleausstiegen in Mitgliedstaaten wirk- sam zu sein. In dieser Hinsicht geht der 20 cf. Impact Assessment "Stepping up Europe’s 2030 climate ambition", 17. September 2020, S. 100. 21 Siehe u.a. Graichen, J./Graichen, V./Healy, S. (2019): The Role of the EU ETS in Increasing EU Climate Ambition. Bericht für Sitra. 13
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Funktionieren auch nach 2023 zu garan- Vorschlag der Kommission in die richtige tieren. Richtung. Eine Weiterentwicklung der MSR kann die Resilienz des EHS deutlich verbessern. Dabei sollte die jährliche ma- ximale Zuführungsrate in die Reserve er- höht werden, darüber hinaus sollte die Obergrenze der in der Reserve verblei- benden Zertifikate von Jahr zu Jahr ab- nehmen. Ebenfalls sollten alle Zertifikate, die sich länger als fünf Jahre in der Markt- stabilitätsreserve befinden, automatisch gelöscht werden. Die Europäische Kommission Emissionen aus dem internationalen plant, einen Teil des Schiffsver- See- und Luftfahrtsektor sind derzeit im kehrs ab 2026 ‒ mit einer Übergangs- ersten Fall nicht und im zweiten sehr un- phase von 2023 bis 2025 ‒ in das EU- zureichend reguliert. Der Flug- und Emissionshandelssystem einzugliedern. Schiffsverkehr sollte in voller Höhe in Fahrten innerhalb der EU sind zu 100% den bestehenden Emissionshandel ein- abgedeckt, alle anderen Fahrten zu bezogen werden und keinerlei kosten- 50%. lose Zertifikate erhalten. Ergänzend hierzu gilt es, die Kerosinsteuerbefrei- Die Kommission schlägt keinen ung für den Luftverkehr schnellstmög- Einbezug des internationalen lich abzuschaffen und eine ambitio- Flugverkehrs in das EHS vor. nierte Quotenregelung für die Nutzung von synthetischen Kraftstoffen Bei einer Einbeziehung der See- (SynFuels) für den Flugverkehr einzufüh- schifffahrt in eine CO2-Beprei- ren. sung seien die Entwicklungen auf Ebene der Internationalen Seeschifffahrts-Or- Die Positionen von Berlin und Paris sind ganisation (IMO) zu berücksichtigen, mit Blick auf die nötige Ambition nicht meint die Bundesregierung. Eine ab- ausreichend. Die EU sollte sich in diesen schließende Bewertung werde man auf Bereichen nicht auf die zu unambitio- Grundlage einer Folgenabschätzung nierten Instrumente und Pläne auf glo- vornehmen. baler Ebene verlassen. Der Schiff- fahrtssektor sollte sofort vollständig in Die Bundesregierung unter- das EHS einbezogen werden. Die Vor- stützt u.a. eine Stärkung des schläge der Kommission sind daher ein EU-EHS im Luftverkehr. Mit der Überar- erster richtiger Schritt. Was die internati- beitung der EHS-Richtlinie solle die kos- onalen Flugemissionen betrifft, sollte tenlose Zuteilung im Luftverkehr zeitnah die EU den Einbezug in das EHS weiter- beendet und CORSIA (Carbon Offsetting hin für die Zukunft vorsehen und nur and Reduction Scheme for International temporär ausgesetzt lassen. Hier geht Aviation) umgesetzt werden, so die Bun- der Kommissionsvorschlag nicht weit desregierung. Gleichzeitig werde sich genug. die Bundesregierung zur Erreichung der 14
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH globalen Klimaneutralitätsziele nach- drücklich für eine Steigerung der An- strengungen in der Internationalen Zivil- luftfahrtorganisation (ICAO) einsetzen. Deutschland unterstütze zudem aktiv die Entwicklung und den Einsatz von synthetischen Flugkraftstoffen (PtL) auf Basis erneuerbarer Energien. Frankreich möchte rasch Ge- spräche über die Ausweitung des EHS auf den maritimen Sektor aufnehmen. Im Hinblick auf den Luftver- kehrssektor unterstützt Frank- reich den Vorschlag, die Emissionszerti- fikate, die den Betreibern kostenlos zu- geteilt werden, schnell zu reduzieren. Ein Standpunkt zur Überarbeitung des Luftverkehrsteils der EHS-Richtlinie und einer Verzahnung derselben mit CORSIA werde folgen. 15
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH 3 Die Anpassung der EU- Klimaschutzverordnung (ESR) Für die Bereiche Straßenverkehr, Gebäudeheizung, Landwirtschaft, kleine Industrieanlagen und Ab- fallwirtschaft bleibt die Effort Sharing Regulation (ESR) und damit die Festlegung von nationalen ver- bindlichen Zielen erhalten. Laut vorgeschlagener Schlüsselverteilung soll Deutschland nun für die ESR-Bereiche bis 2030 die Emissionen um 50% statt 38% senken (im Vergleich zu 2005). Das bestehende Emissionshandelssystem (EHS für Strom und Industrie) vor 2031 auf den Straßen- verkehr und den Gebäudesektor auszuweiten, ist aufgrund der derzeit sehr unterschiedlichen Preis- elastizität und der daraus resultierenden einseitigen Belastung des Energiesektors abzulehnen. Auf absehbare Zeit müssen wirksames Ordnungsrecht und staatliche Förderung eine zentrale Rolle für die Transformation des Verkehrs- und Gebäudesektors spielen. Ein gesonderter CO2-Preis für diese Sektoren kann eine wichtige ergänzende Funktion zur Klimazielerreichung erhalten. Offizielle Position u. Formulierung Analyse , , , Die Kommission schlägt vor, die Die Erhaltung und Anpassung der EU- EU-Klimaschutzverordnung Klimaschutzverordnung (ESR) ist grund- (ESR) fortzuführen und an die angeho- sätzlich zu begrüßen. Die Bedeutung der benen Klimaziele anzupassen. nationalen Gestaltungsverantwortung für die Umsetzung der Maßnahmen im Die Anstrengungen aller Verkehr- und Gebäudesektor darf nicht Mitgliedstaaten müssten unterschätzt werden. National Ow- sich einander zunehmend annähern nership für Klimaschutz und das Sub- (Konvergenz), um bis 2050 gemeinsam sidiaritätsprinzip schützen uns vor ei- Klimaneutralität zu erreichen, so das ner verringerten Priorisierung der deutsch-französische Paar. Klimapolitik seitens der nationalen Re- gierungen, vor einer Abnahme der Ex- Die bestehenden Flexibili- pertise (Thinktanks, NGOs, Abgeordnete täten zwischen den Mit- und Ministerialbeamt:innen) auf Mit- gliedstaaten sollen weiterhin beibehal- gliedstaatsebene und vor einer EU-Ver- ten werden. Die französische Regierung drossenheit seitens der EU-Bürger:in- präzisiert in ihrer Stellungnahme, dass nen. diese Flexibilitäten jedoch nicht als Rechtfertigung nationaler Emissions- Die ESR beinhaltet über die Orientierung minderungsziele vorgebracht werden der nationalen Ziele am BIP pro Kopf sollten, die deutlich von den Treibhaus- eine wichtige Form des sozialen Aus- gas-Emissionsminderungspotenzialen gleichs. abweichen. 16
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Für die Bundesregierung ist es Im Straßenverkehr und Gebäudesektor zentral, dass sich die auf ein europäisches Emissionshandels- Anstrengungen der Mitgliedstaaten system als das Leitinstrument zur Errei- zunehmend annähern, um das chung der Klimaziele zu setzen, würde gemeinsame Ziel der Klimaneutralität erhebliche Risiken sowohl für die Akzep- bis 2050 – in Deutschland bis 2045 – zu tanz des Klimaschutzes und damit für erreichen. Im Sinne einer zunehmenden die Erreichung des EU-Klimaziels als Konvergenz sollte daher die Spanne auch für soziale Gerechtigkeit mit sich zwischen dem höchsten und niedrigsten bringen. Zudem ist nicht auszuschlie- Ziel unter Berücksichtigung der ßen, dass ein neues System mit Anlauf- unterschiedlichen schwierigkeiten zu kämpfen haben wird, Ausgangsbedingungen der für deren Ausmerzung mehrere Jahre Mitgliedstaaten verringert werden. Unter benötigt werden, während die Klima- Einschluss dieser Aspekte erscheine es krise voranschreitet. angemessen, die Ziele auch angelehnt an einen Schlüssel auf Basis des BIP- ESR-Anpassungen sind notwendig im pro-Kopf zu verteilen. Diese zentralen Hinblick auf die bisherige Flexibilität: Aspekte sollten bei der Entwicklung der Das Schlupfloch der Verwendung von Legislativvorschläge berücksichtigt Ausgleichszahlungen aus dem Landnut- werden. zungssektor oder von Überschüssen aus dem EU-EHS zur Zielerreichung in den Frankreich stimmt einer ESR- ESR-Sektoren sollte möglichst geschlos- Anpassung zu: Die von den Mit- sen werden. Die ersten nationalen Ener- gliedstaaten festgelegten Klimaziele gie- und Klimapläne (NECP) zeigen eine müssten angepasst werden, um koordi- klare Maßnahmenlücke im Energieeffi- nierte Maßnahmen zu ermöglichen und zienzbereich (Gebäudebereich) – und nationale Politiken zu implementieren. das selbst in Bezug auf das bereits veral- tete EU-Klimaziel von minus 40%. Im Frankreich hält ebenfalls einen Verkehr haben die Emissionen EU-weit kosteneffizienten Weg für not- seit 1990 zugenommen. Notwendig ist wendig. Die Überprüfung der Kriterien ein Moratorium für die Möglichkeit, Off- für die Festlegung nationaler Ziele sei sets aus überschüssigen Zertifikaten aus unerlässlich. dem EHS oder aus dem Landnutzungs- sektor zu verwenden, um die Anstren- Besondere Aufmerksamkeit gungen aus den Sektoren Wärme, Ver- müsse auch dem Übergang zwi- kehr, Landwirtschaft und Abfall zu ver- schen den Zuteilungen der geltenden ringern. Verordnung und denen, die auf der Grundlage der überarbeiteten Verord- Bei einer Weiterentwicklung der ESR nung erlassen werden, gewidmet wer- sollte auch die Frage der Governance den, um einen Überschuss an Zertifika- bzw. des Monitorings mitgedacht wer- ten zu vermeiden. den: Wie wird überprüft, dass jeder Mit- gliedsstaat seine nationalen Verpflich- tungen umsetzt? Diese Frage der Klima- gerechtigkeit zwischen Mitgliedsstaaten ist von zentraler Bedeutung für den eu- ropäischen Zusammenhalt. Hierbei kön- nen NECP eine wichtige Rolle für einen 17
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH robusten und transparenten Prozess spielen. Die NECP sollten sich an der ESR orientieren und abbilden, wie die Staaten die ESR umsetzen. Die Kommission ebnet den Weg Die Bundesregierung spricht sich als für ein CO2-Bepreisungssystem derzeit einzige EU-Regierung eindeutig in den Bereichen Verkehr und Ge- für eine Ausweitung der CO2-Bepreisung bäude. Das neue Emissionshandelssys- auf Verkehr und Wärme 22 in einem sepa- tem soll 2026 starten. raten System aus. Ohne das deutsche Werben hätte die Kommission hierzu 25% der Einnahmen aus diesem mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen neuen Emissionshandel sollen Vorschlag für eine ETS-Erweiterung vor- einem Sozialklimafonds (Social Cli- gelegt. Dennoch bleibt die derzeitige mate Fund) zugutekommen, um den Position der Bundesregierung ‒ trotz Sozialausgleich innerhalb der EU zu si- eindeutiger Bevorzugung einer Einfüh- chern. Um dieses Geld ‒ in Gesamthöhe rung dieses neuen CO2-Preis-Systems ‒ von geschätzten 72,2 Milliarden Euro eher interpretationsfähig bzw. offen. über einen Zeitraum von 8 Jahren (2025 bis 2032) ‒ abrufen zu können, müssen Zentral für einen erfolgreichen Klima- es die Mitgliedsstaaten aus Eigenmitteln schutz ist, dass ein europäischer CO2- verdoppeln. Preis für Verkehr und Gebäude: - vor 2031 nicht das zentrale Instru- Die Bundesregierung spricht ment zur Erreichung der Klima- sich grundsätzlich für eine Aus- ziele ist. Germanwatch sieht die weitung der CO2-Bepreisung auf Ver- perspektivische Einführung einer kehr und Wärme in einem separaten CO2-Bepreisung in den Sektoren System aus. Perspektivisches Ziel sollte Gebäude und Verkehr in der EU laut Berlin ein einheitlicher als interessante Option, die Errei- sektorübergreifender CO2-Preis in der chung der neuen Klimaziele abzu- EU sein. Die ESR mit nationalen Minde- sichern, rät aber davon ab, einen rungszielen sollte die Effizienz eines neuen CO2-Preis in diesen Sekto- Emissionshandels für Verkehr und ren mit dem etablierten Emissi- Wärme allerdings nicht beeinträchtigen. onshandel der Sektoren Strom Noch im Februar 2021 teilte und Industrie zumindest bis 2030 Frankreich seinen Vorbehalt zu verbinden; gegenüber einer Ausweitung des EHS - einen Preisanstiegspfad mit nicht auf den Gebäude- und Verkehrssektor sehr weit auseinanderliegendem mit. Die Regierung prüft die Vorschläge Mindest- und Höchstpreis hat, an hinsichtlich einer kostengünstigen und dem private Haushalte und Unter- nehmen ihre Investitionspläne ausrichten können; 22 Die Bundesregierung spricht sich für die Bepreisung des gesamten Wärmesektors (und nicht lediglich des Gebäudesektors) aus, um damit wie im Deutschen Bundesemissionshandelsgesetz (BEHG) auch die kleineren Industrieanlagen zu erfassen und ein EU-weites Level Playing Field zu schaffen. 18
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH sozial gerechten Reduzierung der Treib- - über einen großen Teil seiner Ein- hausgasemissionen sowie ihrer Reali- nahmen dafür genutzt wird, die sierbarkeit. Insbesondere eine Auswei- notwendige Transformation so- tung des EHS auf den Straßengüterver- zial gerecht zu gestalten, das kehr solle im Hinblick auf seine Sozial- heißt, ein wirkungsvolles Konzept verträglichkeit mit dem Doppelziel der für den Sozialausgleich beinhaltet Angleichung der Energiebesteuerung - die Klimaschutzanstrengungen in und der Reduzierung der Treibhaus- den Mitgliedstaaten unterstützt; gasemissionen eingehend untersucht - in einem Instrumentenmix andere werden. Der Gebäude- und Verkehrssek- funktionierende und hinzukom- tor solle weiterhin Gegenstand vorrangi- mende Klimaschutzinstrumente – ger europäischer Regulierungsmaßnah- wie etwa Technologiestandards – men (Emissionsstandards und -nor- unterstützt und nicht etwa ersetzt. men), Infrastruktur- oder Finanzpolitik sowie nationaler Klima- und Energieeffi- Der Vorschlag eines Sozialklimafonds zienzpolitik sein. (Social Climate Fund) ist ein Schritt in die richtige Richtung, ist jedoch in die- ser Form noch unzureichend. Es ist nicht davon auszugehen, dass die vor- geschlagenen 25% der Einnahmen aus dem EHS für Gebäude und Straßenver- kehr ausreichen um soziale Härten zu vermeiden. Der tatsächliche Bedarf an Finanzmitteln sollte ermittelt und der Fonds entsprechend aufgestockt wer- den. 19
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH 4 Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) mit RED III und flankierendes Beihilferecht mit KUEBLL Der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) auf EU-Ebene gehört zu den Eckpfeilern des Fit- for-55-Pakets. Auch hier ist eine Tempoerhöhung notwendig. Für die Umsetzung der letzten Richtli- nie für erneuerbare Energien (RED II) hatten die Mitgliedsstaaten bis Ende Juni 2021 Zeit – und nun kommt bereits die nächste Anpassung: RED III. Dabei wird die Ambition des Kommissionsvorhabens bisher von Deutschland und Frankreich nur mäßig unterstützt. Zentral für den beschleunigten EE-Ausbau ist eine gute Verzahnung mit den Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen (KUEBLL), die ebenfalls derzeit überarbeitet werden. Offizielle Position u. Formulierung Analyse , , , Der Kommissionsvorschlag sieht Um einen fairen Beitrag zur Einhaltung keine verbindlichen nationalen des 1,5°-Limits einerseits zu leisten und Ziele für EE vor, sondern weiterhin ein andererseits den EU-weiten Kohleaus- gemeinsames Ziel für die ganze EU. Sie stieg weitestgehend bis 2030 zielgerecht setzt sich für eine Erhöhung des Ge- zu begleiten, ist ein schnellerer Ausbau samtziels ein: Bis 2030 sollen erneuer- der EE erforderlich. Am Gesamtener- bare Energien statt derzeit 32% einen giemix sollten sie bis 2030 einen Anteil Anteil am Bruttoendverbrauch (Energie- von 45% und möglichst 50% haben. mix) von 40% erreichen. Die Formulierungen der Regierungen aus Frankreich und Deutschland deuten Derzeitig versprochener deut- dagegen auf ein geringeres Ambitionsni- scher EE-Beitrag im Energiemix veau und eine Orientierung am zu nied- zum 2030-EU-Ziel (von derzeit 32%): rigen Ambitionsniveau der Kommission 30%. 23 hin. In dieser Hinsicht lässt ein neuer Be- richt der Internationalen Energieagentur (IEA) 25 keinen Raum für Interpretations- spielraum: Wir müssen bis 2030 global 23 cf. Deutscher Nationaler Energie- und Klimaplan 2020: In seinem NECP hat Deutschland als Beitrag zum gesamten EU-Ziel einen nationalen Anteil von 30% erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch bis 2030 versprochen. 25 cf. https://www.iea.org/reports/net-zero-by-2050, zuletzt abgerufen am 15.7.2021. 20
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Derzeitig versprochener franzö- das Vierfache von dem im Jahr 2020 er- sischer EE-Beitrag im Energiemix reichten EE-Ausbau schaffen, um bis zum 2030-EU-Ziel: 33%. 24 2050 klimaneutral zu sein. Die europäi- sche Dynamik muss sich dieser Heraus- Beide Länder unterstützen forderung erst noch stellen. eine angemessene An- passung der Ziele der EU für erneuer- Der deutsche EE-Beitrag muss prozen- bare Energien und Energieeffizienz bis tual mindestens dem EU-Beitrag ent- 2030 an das neue EU-Klimaziel. sprechen. Der derzeitig versprochene Beitrag i.H.v. 30% bis 2030 ist im Ver- Die Bundesregierung setzt sich gleich zum bald nicht mehr aktuellen für eine konsistente Anpas- EU-Ziel von 32% ein Armutszeugnis. sung der EU-2030-Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz an das Auch bei den Erneuerbaren ist National neue EU-2030-Klimaziel ein. Sie unter- Ownership wichtig. Die nationale Ei- stützt daher grundsätzlich eine Ambiti- genverantwortung ist zentral, um sicher- onssteigerung für erneuerbare Energien, zustellen, dass das neue, ehrgeizigere insbesondere auch im Wärme- und Ver- Ziel erreicht wird und die EE in allen Mit- kehrsbereich. gliedstaaten den erforderlichen Schub erhalten. Es ist daher entscheidend, Aus Sicht der Bundesregierung dass der europäische Anspruch durch ist die gegenwärtige Zielarchi- national verbindliche Ziele unter- tektur für erneuerbare Energien, mit ei- mauert wird, für die grenzüberschrei- nem verbindlichen EU-Ziel und frei- tende Partnerschaften in Betracht gezo- willigen, aber verlässlichen nationa- gen werden könnten. Mit national ver- len Beiträgen und konkret zu überprü- bindlichen Zielen haben wir auch eine fenden Zwischenschritten, grundsätz- reale Chance, über ein möglicherweise lich geeignet für eine Zielerhöhung. Sie noch nicht ausreichendes EU-Ziel bietet die richtige Balance zwischen Ver- hinaus zu gehen. lässlichkeit und Investitionssicherheit sowie Flexibilität für die EU-Mitglied- staaten. 24 cf. Französischen Nationalen Energie- und Klimaplan 2020: In seinem NECP hat Frankreich als Beitrag zum gesamten EU- Ziel einen nationalen Anteil von 33% erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch bis 2030 versprochen. 21
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Die Bundesregierung fordert, Die Bundesregierung sollte präzisieren, dass bei zukünftigen Rechtsak- was sie unter „in begrenztem Umfang ten die Nutzung von Erdgas beachtet erforderlich“ versteht. Erdgas ist zwar wird – insbesondere in effizienten Gas- grundsätzlich besser als Kohle, kann Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen – und aber keinesfalls als klimafreundlicher Erdgas für einen Übergangszeitraum ein Energieträger angesehen werden. notwendiger Energieträger bleibt, insbe- Durch die Erdgasnutzung werden neben sondere vor dem Hintergrund des CO2 große Mengen an Methan freige- gleichzeitigen Ausstiegs aus der Kern- setzt. Der Einsatz von Erdgas als Ersatz energie und der Kohleverstromung. In- für Kohle und Atomkraft muss daher auf vestitionen in Gaskraftwerke könnten ein Minimum reduziert werden und spä- demnach in begrenztem Umfang erfor- testens 2035 bis 2040 zum Erliegen kom- derlich sein. men. Die bestehende Gasinfrastruktur wird in fast allen energiewirtschaftlichen Szenarien als weitgehend ausreichend für die künftige Versorgungssicherheit in der EU bewertet. Wenn Kohleregionen in Deutschland und EU jetzt den Aufbau von Gasinfrastruktur forcieren, droht ein fossiler Lock-In auf Jahrzehnte, der das Ziel der Klimaneutralität unterminiert, was nur mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten vermieden werden kann. Ihren Vorschlag 26 für neue Leit- Bei der Überarbeitung des Beihilferechts linien für staatliche Klima-, für Umweltschutz- und Energieförde- Umweltschutz- und Energiebeihilfen rung sollte das Do-No-Significant- (KUEBLL) ab 2022 hat die Kommission Harm-Prinzip leitend sein. Umwelt- bereits im Juni 2020 vorgelegt. Darin schädliche und risikoreiche Technolo- setzt sie vor allem auf Technologienof- gien wie die Kernenergie sollten neben fenheit. Bei den Erneuerbaren sollen fossilen Energien ausgeschlossen wer- Ausschreibungen verstärkt werden. den. Dass erneuerbare Energien nicht klar präferiert werden, sondern densel- Die Bundesregierung hält einen ben Regeln unterliegen könnten wie technologieoffenen Ansatz für CO2-Abscheidung und Einlagerung (CCS) sinnvoll. Insbesondere sollten die Mit- oder Atomenergie, ist mehr als bedenk- gliedstaaten Flexibilität erhalten, wie lich und inakzeptabel. und mit welchen Mitteln sie diese Benchmarks bzw. Ziele erreichen wol- Darüber hinaus sollten die neuen Leitli- len. Dazu gehört auch die Möglichkeit nien klare Vorgaben zur Unterstüt- des Handels von RFNBOs (Renewable zung von Gemeinschaftsprojekten bei 26 cf https://ec.europa.eu/competition-policy/system/files/2021-06/CEEAG_Draft_communication_EN.pdf, sowie auch die Annexe: https://ec.europa.eu/competition-policy/system/files/2021-06/CEEAG_Annexes_Draft_EN.pdf (zuletzt abgerufen am 11.07.2021). 22
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH Fuels of Non-Biological Origin) zwischen der Ausschreibung von EE-Projekten ge- den Mitgliedstaaten (d.h. Übertragung ben, um eine gesicherte Entwicklung von Zielmengen auf Mitgliedstaaten- der sogenannten Bürgerenergie zu ge- Ebene). währleisten. Die Vermischung der erneu- erbaren Energien mit anderen soge- Die Bundesregierung fordert die nannten „Low Carbon“-Technologien Kommission auf, geeignete Vor- birgt das Risiko, dass Energiegemein- schläge vorzulegen, die zu einer Be- schaften nicht nur standardmäßig mit schleunigung und Erleichterung der größeren kommerziellen Projekten um Planungs- und Genehmigungsverfah- Unterstützung konkurrieren müssen, ren für die Windkraft beitragen. sondern möglicherweise auch mit ande- ren kohlenstoffarmen, aber riskanten Technologieansätzen im Wettbewerb stehen. Forderungen nach einer Beschleuni- gung der Planungs- und Genehmi- gungsverfahren auf EU Ebene sind wichtig. Die Bundesregierung sollte hier jedoch auch die eigenen Hausaufgaben machen und in den verstärkten Dialog mit den Bundesländern treten, um na- turschutzfachliche Bewertungen von Projekten zu erleichtern, pauschale Ab- standregelungen abzuschaffen und das Personal in den Behörden massiv aufzu- stocken. Auch die Schaffung eines eige- nen Windenergie-an-Land-Gesetzes auf Bundesebene ist notwendig. In den Augen der Bundesregie- Dieser von der Bundesregierung hervor- rung ist das in der Erneuerba- gehobene Punkt zum „Common Rule ren-Richtlinie festgeschriebene „Com- Book“ geht in die richtige Richtung und mon Rule Book“ von zentraler Bedeu- sollte im Rat diskutiert und unterstützt tung, um einen verlässlichen EU-Rah- werden. men für die Fördersysteme der EU-Mit- gliedstaaten zu schaffen. Je ambitio- nierter die Ziele werden, desto stärker sollten jedoch die Realisierungsheraus- forderungen in den Blick genommen werden. Wenn die Ausschreibungen temporär unterzeichnet sind, dürfe dies nicht dazu führen, dass die EU-Mitglied- staaten die Ausschreibungsmenge un- mittelbar reduzieren müssen, vielmehr 23
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH sollten die Mitgliedstaaten dann aufge- fordert werden, einen Aktionsplan vor- zulegen, wie Investoren zur Abgabe von Angeboten angeregt werden können und die Flächenverfügbarkeit unter der Berücksichtigung des Naturschutzes er- höht werden kann. 24
Das Fit-for-55-Paket – Übersicht und Kurzanalyse GERMANWATCH 5 Die Einführung eines CO2- Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) Während Frankreich stark auf die Einführung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM in der engl. Abkürzung) setzt, um Emissionsverlagerung (Carbon Leakage) zu vermeiden, zeigt sich die Bun- desregierung bisher gespalten und teilweise verhalten. In Ergänzung zu einer EHS-Anpassung spielt CBAM prinzipiell eine wichtige Rolle, um den Klimaschutz sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU voranzubringen. Dabei kommt es jedoch auf ein kluges CBAM-Design an – und darauf, auf die betroffenen Handelspartnerländer umgehend mit überzeugenden Kooperationsangeboten und Ge- sprächen zuzugehen. Offizielle Position u. Formulierung Analyse , , , Der CO2-Grenzausgleich soll die CBAM ist ein potentiell wichtiges In- Importe von Zement, Eisen, strument, um ‒ flankierend zum EHS Stahl, Strom, Aluminium und Dünge- ‒ die Klimaziele zu erreichen. Die rele- mittel betreffen und 2023 mit einer drei- vantesten Produkte und Branchen jährigen Pilotphase starten. werden vom Kommissionsvorschlag be- rücksichtigt. Es scheint sinnvoll, dass zu Laut der französischen Regie- einem späteren Zeitpunkt nur solche rung könnte der Mechanismus Produkte zusätzlich aufgenommen wer- könnte kurzfristig in den Sektoren um- den können, die sich auf der Carbon- gesetzt werden, die am stärksten von Leakage-Liste des EU-EHS befinden. Carbon Leakage betroffen sind (wie Stahl und Zement), basierend auf dem Da die kostenlose Zuteilung von Emissi- EHS-Preis und einem Standardwert für onszertifikaten so schnell wie möglich die CO2-Intensität von Produkten. Dieser auslaufen muss und derzeit kein ver- Standardwert sollte dem europäischen gleichbar wirksames Instrument zur Durchschnitt für ähnliche Produkte ent- Vermeidung von Carbon Leakage be- sprechen und gleichzeitig Flexibilität er- kannt ist, sollte die Entwicklung eines möglichen, indem die tatsächliche CO2- CBAM vorangetrieben werden. Das In- Intensität von Produkten und die strument hat zudem das Potenzial, An- Klimapolitik von Drittländern berück- reize für verstärkten Klimaschutz außer- sichtigt werden. halb der EU zu setzen. Aus Sicht der Bundesregierung Das Instrument CBAM wird deutlich stär- müssen alle Chancen und Risi- ker von der französischen als von der ak- ken, die mit einem CO2-Grenzaus- tuellen deutschen Regierung unter- gleichsmechanismus oder alternativen stützt. Für die gelungene Umsetzung 25
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