Dorfmoderation Niedersachsen - 2 Handreichung für Referierende
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Dorfmoderation Niedersachsen Handreichung für Referierende 2 Modellprojekt „Dorf ist nicht gleich Dorf – Dorfmoderation Südniedersachsen“
Impressum Modellvorhaben „Dorf ist nicht gleich Dorf – Dorfmoderation Südniedersachsen“ Laufzeit: Juni 2017 bis Oktober 2020 Projektträger und Herausgeber: Landkreis Göttingen in Kooperation mit den Landkreisen Northeim, Goslar und Holzminden Förderung und fachliche Begleitung: Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Auftragnehmer: Ländliche Erwachsenenbildung Niedersachsen e.V. (LEB) in Kooperation mit der Freien Altenarbeit Göttingen e.V. (FAG) Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen an der Georg-August-Universität Göttingen (SOFI) in Kooperation mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/ Göttingen (HAWK) Projektteam: Dr. Swantje Eigner-Thiel (HAWK), Jascha Jennrich (LEB), Dr. Rüdiger Mautz (SOFI) und Dr. Hartmut Wolter (FAG) Fotos: djoronimo/Adobe Stock, ajilatan/Adobe Stock, Landkreis Göttingen (4) Kofinanziert durch Bund und Land im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“: Praxispartner: Förderung und fachliche Begleitung: Wissenschaftliche Begleitung: Projektträger und Kooperationspartner: Begleitung durch Leader:
Handreichung für Referierende 2 Modellprojekt „Dorf ist nicht gleich Dorf – Dorfmoderation Südniedersachsen“ Verfasser*innen: Swantje Eigner-Thiel Jascha Jennrich Rüdiger Mautz Hartmut Wolter Göttingen, 30. Oktober 2020
|5 Allgemeine Einleitung zum Modellprojekt bis 10/2020) die südniedersächsischen Landkrei- „Dorf ist nicht gleich Dorf“ se Holzminden, Northeim, Goslar und Göttingen in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen prägende Unsere Dörfer haben viel zu bieten, und es gibt dort in Faktoren der Dorfentwicklung identifiziert. Gemein- den letzten Jahren viele neue, interessante Entwick- sam mit Pädagog*innen sind Methoden für eine lungen und Angebote. Nichtsdestotrotz wissen wir: darauf abgestimmte erfolgreiche Moderation von Die demografischen Entwicklungen verändern unsere Dorfprozessen entwickelt worden. Dörfer. Wir werden weniger und im Durchschnitt älter; jüngere Menschen zieht es zunehmend in die Städte. Den wissenschaftlichen Auftrag hat das Soziologische In der Folge sind Läden, Poststellen und Kneipen aus Forschungsinstitut e.V. (SOFI) an der Universität Göt- vielen Ortschaften längst verschwunden und Vereine tingen in Kooperation mit der Hochschule für ange- finden kaum Nachwuchs. wandte Wissenschaft und Kunst in Göttingen (HAWK) übernommen. Den pädagogischen Anteil des Projekts Um mit der neuen Situation umgehen zu können, hat die Ländliche Erwachsenenbildung e.V. (LEB), brauchen die Menschen in den Dörfern Mut zur Ver- Region Südniedersachsen, gemeinsam mit der Freien änderung, kreative Ideen und eine engagierte Dorfge- Altenarbeit Göttingen e.V. (FAG) erarbeitet. Fachlich meinschaft für die Umsetzung. Mit der Dorfmoderation begleitet und finanziell unterstützt wurde das Projekt sollen „Prozesse von unten“ (Bottom-Up) gefördert vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, werden, indem interessierte Dorfbewohner*innen quali- Landwirtschaft und Verbraucherschutz. fiziert werden. Im Anschluss sollen sie von ihrer Kom- mune in Vernetzungs- und Verstetigungsstrukturen ein- Um den geschilderten Herausforderungen besser gebunden werden, um wirkungsvoll über die Grenzen gerecht werden zu können, werden mit dem Ab- des eigenen Dorfes hinweg handeln zu können. schluss des Modellprojekts zielführende Handrei- chungen vorgelegt: Mit Hilfe der Dorfmoderation werden Menschen mit Ideen für das Dorf unterstützt und Strategien für Dorf- ein unter wissenschaftlicher Begleitung erarbeite- prozesse (mit-)entwickelt. Ein besonderes Augenmerk tes Curriculum Dorfmoderation in Niedersachsen, liegt dabei auf dem Zusammenspiel zwischen Ehren- amtlichen und Hauptamtlichen. ein Handbuch für Referierende in der Dorfmode- ration, Die Qualifizierung zum Einstieg in die Dorfmoderati- on richtet sich gleichermaßen an Akteure aus Politik, ein Methodenkoffer für die Dorfmoderation, Verwaltung und Vereinen sowie an alle weiteren Bürger*innen von jung bis alt, die motiviert sind, sich ein Dorfanalyseschema und für ihr Dorf oder ihre Gemeinde zu engagieren. ein Verstetigungs- und Vernetzungskonzept für Die Voraussetzungen für positive Veränderungen sind die Dorfmoderation in (Süd-) Niedersachsen. in jedem Dorf unterschiedlich. Die Geschichte der Orte, die Bedeutung von Landwirtschaft, Kirche und Verei- Ein umfassender Abschlussbericht zum Modellpro- nen sowie zahlreiche weitere Faktoren haben die Men- jekt „Dorf ist nicht gleich Dorf“ enthält detaillierte schen unterschiedlich geprägt. Die Dorfmoderation Hintergründe zu allen Handreichungen. In ihm wer- kann es der Dorfgemeinschaft erleichtern, auf Prozesse den die empirischen Befunde und wissenschaftlich und Projekte im Dorf sensibel zu reagieren und die begleiteten Evaluationen aus der gesamten Projekt- jeweils eigene Situation vor Ort zu berücksichtigen. laufzeit im Einzelnen dargestellt. Mit dem Ziel, die Idee der Dorfmoderation in Süd- Die hier vorliegende Handreichung für Referierende niedersachsen bzw. landesweit zu etablieren, haben ist eine Ergänzung zum Curriculum „Dorfmoderation im Modellprojekt „Dorf ist nicht gleich Dorf“ (06/2017 in Niedersachsen“. 1 2 3 4 5 Curriculum Handreichung Methodenkoffer Dorfanalyse- Verstetigungs- für schema und Referierende Vernetzungs- konzept Abb. 1: Die Handreichung für Referierende als Bestandteil einer fünfbändigen Handreichung zum Thema Dorfmoderation
6| Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 7 2 Theoretischer Kontext – was müssen Referierende wissen? 8 2.1 Lernziele 8 2.2 Bezüge zur Handreichung „Methodenkoffer für die Dorfmoderation“ 11 3 Schlüsselbegriffe und leitende theoretische Bezüge 12 3.1 Dorfmoderation 12 3.2 Dorfmoderationsteam 12 3.3 Dorfnetzwerk 12 3.4 Kommunikation im Dorf und über das Dorf hinaus 12 3.5 Beteiligung und Partizipation 12 3.6 Akzeptanz und Legitimation 13 3.7 Dorfanalyseschema 13 3.8 Dorfbiografie 13 3.9 Changemanagement 13 3.10 Demokratieförderung 14 3.11 Demografische Entwicklung 14 3.12 Bürgerkommune 14 3.13 Gleichwertige Lebensverhältnisse 14 3.14 Kulturlandschaft 14 3.15 Prozesse und Projekte 14 3.16 Resonanzraum Dorf 15 3.17 Soziale-Orte-Konzept 15 3.18 Wirkungsorientierung 15 3.19 Zurückgenommene Moderation 16 4 Ebenen der Kommunalpolitik und -verwaltung 16 5 Förderkulissen – was müssen Referierende wissen? 17 6 Anforderungen an die Referierenden 17 7 Fazit und Ausblick 17 8 Literatur 18
|7 1 Einführung wird. Ergänzend liegt hier nun das Handbuch für Referierende als Handreichung vor, das als angelei- IIm Rahmen des Modellvorhabens „Dorf ist nicht tetes Instrument im Rahmen von Qualifizierungen, gleich Dorf“ (Laufzeit 06/2017 bis 10/2020) wurde aber auch eigenständig von weiteren Interessierten ein Qualifizierungsmodul für die Dorfmoderation genutzt werden kann. entwickelt, erprobt und evaluiert. Zentraler Inhalt dieses Moduls ist die Vermittlung von Fähigkeiten In dieser Handreichung werden die wesentlichen und Kompetenzen zur Identifikation und Berücksich- Ziele der Qualifizierung zu Dorfmoderator*innen tigung dörflicher sowie regionaler Besonderheiten und daraus ableitbare Kompetenzen, die im Zuge von Dorfprozessen. Erfahrungen aus den Dorfmoderator*innen entwickeln können, vorgestellt. Qualifizierungen „Engagementlotsen für Ehrenamt- Die Schwerpunkte liegen dabei auf den Themen De- liche in Niedersachsen“ und „Dorfmoderation BMQ mografie, Sozialraumentwicklung und biografische Niedersachsen“ werden in diesem neuen Qualifizie- Selbstreflexion. Zur Begründung der vorliegenden rungskonzept herangezogen. Annahmen geht es im folgenden Kapitel um leitende wissenschaftliche und theoretische Hintergründe, Mit der vorliegenden Handreichung für die mit Dorfentwicklungsprozessen in Zusammen- Referent*innen in der Qualifizierung von freiwillig En- hang stehen. Daraufhin werden aus heutiger Sicht gagierten zu Dorfmoderator*innen wird beabsichtigt, elementare Schlüsselbegriffe in der Dorfmodera- ein grundlegendes Verständnis für die Vermittlung tion erläutert. Ein Überblick über die Strukturen in von Inhalten und Zielrichtungen sowie für die Ver- der Kommunalpolitik bietet Anknüpfungspunkte für stetigung der „Dorfmoderation“ zu erwirken. Den Re- das strategische Vorgehen in der Dorfmoderation ferierenden bietet diese Veröffentlichung vielfältige und letztlich auch für den Aspekt der „Akzeptanz Hilfestellungen für die methodische und didaktische der Dorfmoderation im Dorf“. Ein Basiswissen über Planung von Veranstaltungen. Darüber hinaus kann Förderkulissen in der Dorfentwicklung wird in einem diese Handreichung zur Gestaltung von Austausch- weiteren Kapitel dieser Handreichung vorgestellt. und Vernetzungstreffen in der Dorfmoderation Neben der Vermittlung von Wissen ist es ein zen- herangezogen werden, z. B. um Schlüsselbegriffe zu trales Anliegen in den Qualifizierungen und den diskutieren oder zu modifizieren. anschließenden Austausch- und Vernetzungstreffen, bei den Teilnehmenden Demokratiefestigkeit und Das Handbuch für Referierende lässt sich einordnen Beteiligungs-Orientierung als grundlegende Haltun- in einen Reigen von Handreichungen zur Dorfmode- gen zu fördern und weiterzuentwickeln. ration: Als Basis dient ein Curriculum für die Qualifi- zierung von Dorfmoderator*innen. Dazu gehört ein Mit einem zusammenfassenden Überblick bzgl. der Methodenkoffer, der den Referierenden und interes- Anforderungen an die Referierenden schließen die sierten Dorfmoderator*innen zur Verfügung gestellt Ausführungen ab.
8| 2 Theoretischer Kontext – was müssen Hintergrund: Wichtige geschichtliche Veränderungen Referierende wissen? im Dorf, vorwiegend aus den letzten 150 Jahren, wer- den zusammengetragen und dahingehend betrach- Im Verlauf des Modellprojekts „Dorf ist nicht gleich tet, ob diese eher allgemeiner (wie in anderen Dörfern Dorf“ haben sich fünf wesentliche Lernzielbereiche auch) oder spezieller Natur sind, also ganz spezifisch für die Qualifizierung ergeben, die im Folgenden für das eigene Dorf. Als allgemeines Beispiel kann vorgestellt werden. Anschließend werden wissen- die Rolle der (land-) wirtschaftlichen Betriebe im Dorf schaftliche und theoretische Hintergründe ange- früher und heute verglichen werden, z. B. hinsichtlich führt, die für Referierende in der Dorfmoderation der Beziehungen von Arbeit, Wohnen und Leben im von Bedeutung sind. Ggf. können die Ausführungen Dorf. Was tritt heute an die Stelle damaliger (natürli- praktisch zum Einstieg in einzelne Themenfelder der cher) Treffpunkte? Es wird ein Verständnis für heutige Qualifizierung genutzt werden. Bedürfnisse und für den Ursprung der Veränderun- gen und der Probleme gefördert. Die Teilnehmen- 2.1 Lernziele den entwickeln eine neue Perspektive auf das Dorf, beispielsweise „Wie war es früher, wie ist es heute Aufgrund der leitenden Annahme „Dorf ist nicht für Einheimische, Zugezogene, ältere oder junge gleich Dorf“ wurde ein Dorfanalyseschema entwi- Menschen usw.“. Durch die Beschreibung von „Dorf- ckelt, mit dem Unterschiede und Gemeinsamkei- geschichte“ soll gelernt werden, Entwicklungen, so ten von Dörfern sichtbar gemacht werden können. wie sie sind, anzuerkennen und frühere Verhältnisse Dieses Diagnoseinstrument erfasst Bedingungen in weder zu romantisieren noch zu dramatisieren. Dörfern, die sich in drei Kategorien gliedern lassen. Ein großer Teil der Aspekte des Dorfanalyseschemas Die Auswirkungen dieser geschichtlichen Aspekte richtet sich auf die Vergangenheit des Dorfes (GES- auf das heutige Dorfleben werden exemplarisch TERN), ein weiterer Teil erfasst Bedingungen in der (z.B. anhand anderer Dörfer) vorgestellt. Die Be- Gegenwart (HEUTE) und ein dritter Bereich ermittelt deutung des Umgangs mit der Geschichte, mit den Optionen für die Zukunft des Dorfes (MORGEN). Wurzeln des eigenen Dorfes, wird ebenfalls an Bei- Vor diesem Hintergrund ist der zusammenfassende spielen verdeutlicht (Bsp.: Infotafeln an Gebäuden, Begriff „Dorfbiografie“ entstanden. Es wird angenom- alte Straßennamen, historische Feste, historische men, dass die Teilnehmenden der Qualifizierung ihr Begebenheiten in Theaterstücken aufleben lassen). Dorf besser kennenlernen, wenn sie sich im Rahmen Möglichkeiten der geschichtlichen Recherche (Ar- der Veranstaltungen mit der dreiteiligen Dorfbiogra- chive etc.) werden vorgestellt. Die Teilnehmenden fie auseinandersetzen. Letztlich werden die Teilneh- durchlaufen selbst einen Rechercheprozess für das menden in die Lage versetzt, aus der dreiteiligen Dorf und suchen Anknüpfungspunkte aus der Ge- Dorfanalyse neue Strategien und Maßnahmen für schichte für die heutige Dorfentwicklung und berei- Dorfprozesse zu erkennen, anzuregen und zu initi- ten u. U. einzelne Projekte vor; Dorfmoderator*innen ieren. Dabei gehen sie ihrer Aufgabe selbst im Sinne lernen, aus der Geschichte heraus Entwicklungs- einer zurückgenommenen Moderation nach. Dane- potenziale aufzuzeigen. Die Auseinandersetzung ben soll die Dorfmoderation auch über das eigene mit der Dorfgeschichte kann zum einen die Iden- Dorf hinauswirken und sich in einem Dörfernetzwerk tifikation der Dorfmoderator*innen mit ihrem Ort als verbindende und stärkende Kraft einbringen. stärken, indem z. B. prägende Ereignisse und Schicksale im Dorf neu diskutiert und wertgeschätzt Im Anschluss werden fünf generelle Zielsetzungen, werden. Zum anderen können die Resonanzen der die damit verbundenen und erwünschten Aspekte Dorfbewohner*innen auf die Auseinandersetzungen des Kompetenzerwerbs sowie jeweils erläuternde mit der Dorfgeschichte zu gestärkten, stabileren Anmerkungen dargestellt. Beziehungen der Menschen untereinander führen. Ein Ziel der Dorfmoderation ist in diesem Sinne Ziel 1 „Dorfgeschichte kennen“: Die Teilnehmen- auch die Gestaltung von Resonanzräumen im Dorf den kennen geschichtliche Zusammenhänge, (siehe Seite 12). Hintergründe und Traditionen ihrer Dörfer. Sie haben ein neues Bewusstsein zum Wandel und Die Rolle von und der Umgang mit Traditionen als zu (historischen) Entwicklungen im Dorf. Auswir- positiven Ressourcen des Dorfes werden themati- kungen der Geschichte auf das heutige Dorfleben siert. Exemplarisch können einzelne Traditionen auf- werden thematisiert. gegriffen und Überlegungen angestellt werden, wie heute mit einem Projekt daran angeknüpft werden Kompetenzen, die sich aus dem Ziel 1 ergeben: könnte. Im Fokus steht auch, Zugezogene gezielt in bestimmte Traditionen einzubeziehen oder von ihnen - Kompetenz 1a: Die Teilnehmenden können Anregungen für modernere Gestaltungsformate zu dorfspezifische Faktoren benennen, die sich auf erhalten. die Vergangenheit und Geschichte eines Dorfes beziehen. Das Kennenlernen und Sich-Bewusstmachen ge- schichtlicher Zusammenhänge ist mit dem Ziel ver- - Kompetenz 1b: Die Teilnehmenden können mit bunden, die bei Dorfbewohner*innen unterschiedlich einem vertieften Verständnis historische Prä- ausgeprägte Dorfidentität wahrzunehmen und zu gungen eines Dorfes vermitteln. reflektieren. Dieses fördert ein neues Bewusstsein
|9 für die dorfbezogenen Entwicklungsprozesse und die Kompetenzen, die sich aus dem Ziel 3 ergeben: Resonanzräume im Dorf. Diese Zielsetzung steht in engem Zusammenhang mit dem ersten Teil der Dorf- - Kompetenz 3a: Die Teilnehmenden können biografie, in dem die Wurzeln des heutigen Status dorfspezifische Faktoren benennen, die sich auf Quo im Dorf aufgezeigt werden. die Zukunftschancen ihres Dorfes beziehen. Ziel 2 „Dorfidentität reflektieren“: Die Teilneh- - Kompetenz 3b: Die Teilnehmenden haben eine menden können die unterschiedlich ausgepräg- Rollen- und Zielklarheit für zukünftige Prozesse ten Dorfidentitäten von Dorfbewohner*innen in einem Dorf. wahrnehmen und reflektieren. Die Teilnehmen- den haben ein Verständnis für den Nachhall Hintergrund: Der dritte Schwerpunkt des Dorfana- früherer prägender Ereignisse im Dorf als Reso- lyseschemas umfasst die Darstellung von endoge- nanzraum. nen Potenzialen in den Dörfern. Dabei geht es um kulturräumliche Potenziale, besondere Fähigkeiten Kompetenzen, die sich aus dem Ziel 2 ergeben: und Fertigkeiten sowie wirtschaftliche, soziale und weitere Potenziale. Diese Vielfalt soll in Bezug auf - Kompetenz 2a: Die Teilnehmenden können Zielgruppen und damit verbundene Zielsetzungen dorfspezifische Faktoren benennen, die sich auf für die Dorfgemeinschaft zum Tragen kommen. die gegenwärtigen, von unterschiedlichen Ziel- Veränderungsprozesse im Dorf bergen jedoch auch gruppen wahrgenommenen Werte und Potenzi- das Risiko von Ablehnung oder geringer Akzeptanz ale eines Dorfes beziehen. in der Bevölkerung. Unerlässlich ist die Veranlassung von Maßnahmen durch die Ortsbürgermeister*innen, - Kompetenz 2b: Die Teilnehmenden können die Ortsratsmitglieder, die Vereine im Ort und ande- Aspekte der Dorfbiografie für Dorfentwicklungs- ren Akteure sowie eine kontinuierliche Abstimmung prozesse nutzen. der Aktivitäten mit ihnen. Ein gelassener Umgang mit schwierigen Gesprächssituationen im Dorf wird in - Kompetenz 2c: Die Teilnehmenden haben mit diesem Kontext als Basiskompetenz der Dorfmode- dem Soziale-Orte-Konzept einen theoretischen ration verstanden. Die Entwicklung eines adäquaten Hintergrund kennengelernt. Die Inhalte können Rollenbewusstseins als Dorfmoderator*in trägt zur sie zur Stärkung des Dorfbewusstseins in einem Verankerung der Dorfmoderation im Dorf bei. Dorf einbringen. Ziel 4 „Reflektierte Medienkompetenz ent- Hintergrund: Die Teilnehmenden lernen ein Dorf aus wickeln“: Die Dörfer sind medial präsent. Die unterschiedlichen Perspektiven kennen, wodurch Dorfmoderator*innen sind sich der Wirkung von das Verständnis für andere Altersgruppen, Lebens- analogen und digitalen Medien bewusst. stile oder soziale Gruppen im Dorf erhöht wird. Bei der vertiefenden Erhebung der Besonderheiten und Kompetenzen, die sich aus dem Ziel 4 ergeben: Charakteristika des Dorfes werden wie im geschicht- lichen Part Teile des Dorfanalyseschemas eine Rolle - Kompetenz 4a: Die Teilnehmenden können den spielen. Der Begriff des „Dorfbewusstseins“ als Pen- Einsatz von analogen und digitalen Medien in dant zum individuellen „Selbstbewusstsein“ wird the- einem Dorf auf Zielgruppen ausrichten. matisiert. Mit „Bewusstsein“, das geschaffen werden soll, ist aber auch die Aneignung von Wissen über - Kompetenz 4b: Die Teilnehmenden können pro- das Dorf gemeint, das gegliedert ist in die zeitlichen zessbezogen mit anderen Dörfern und Akteuren Bereiche der Vergangenheit, der Gegenwart und der in den Dialog gehen. Zukunft im Sinne einer „Dorfbiografie“. - Kompetenz 4c: Die Teilnehmenden können den Auf dieser Grundlage werden in einem ersten Schritt Wahrheitsgehalt von analogen und digitalen die Probleme in den Dörfern lösungsorientiert erfasst. Informationen erkennen und ggf. Gegendarstel- In der Folge sollen realistische und für das Dorf lungen vermitteln. passende Perspektiven beschrieben werden, die an die jeweiligen gegenwärtigen Situationen anknüpfen. Hintergrund: Ein Schwerpunkt kann dabei die Beschreibung von robusten, riskanten und resilienten Zusammenhalten a) Analoge Medien analog des Soziale-Orte-Konzepts (Kersten/Neu/Vo- gel, 2017; siehe Seite 18) sein. Es wird eine Ist-Analyse der bisher genutzten analo- gen Medien zur Öffentlichkeitsarbeit im Dorf durch- Ziel 3 „Rollenklarheit schaffen“: Die Teilnehmen- geführt. Vor- und Nachteile sowie Optimierungs- den können ihre Rollen für zukünftige Prozesse in möglichkeiten der vorhandenen Öffentlichkeitsarbeit den Dörfern benennen sowie den damit verbun- werden diskutiert. Ggf. können in Abstimmung mit denen Aufwand einschätzen. Sie sind in der Lage, dem Ortsrat neue Formen der analogen Öffentlich- Zielgruppen zu bestimmen und Zielsetzungen keitsarbeit in den Dörfern eingeführt werden, wie z. B. zu formulieren. Mit besonderen bzw. schwierigen ein Infokasten oder Schaukasten, Faltblätter, Info- Situationen können sie adäquat umgehen. zettel (Hauswurfsendungen), Broschüren, Gemein-
10 | deblättchen, Tageszeitung, persönliche Information zu einer stärkeren Demokratiefestigkeit im Dorf über Multiplikatoren (z.B. in den Vereinen). beitragen! b) Digitale Medien Kompetenzen, die sich aus dem Ziel 5 ergeben: Es wird eine Ist-Analyse der bisher genutzten digita- - Kompetenz 5a: Die Teilnehmenden können ihre len Medien zur Öffentlichkeitsarbeit im Dorf durch- eigene und andere Biografien mit dem Dorfpro- geführt. Vor- und Nachteile sowie Optimierungs- zess in Beziehung setzen. möglichkeiten werden diskutiert. Stichworte sind z. B. Emailverteiler, Dorf-App-Gruppe, Internetseite. - Kompetenz 5b: Die Teilnehmenden können Sichtweisen von verschiedenen Alters- und Be- c) Praktische Anwendung völkerungsgruppen im Dorf, von Vertreter*innen aus der Kommunalpolitik und Verwaltung sowie Die festgestellten Besonderheiten und individuellen der regionalen Wirtschaft einnehmen und Charakteristika der Dörfer werden öffentlichkeits- bezogen auf die Akteure Empathie entwickeln wirksam aufbereitet, z.B. indem Internetseiten erstellt und vermitteln. oder aktualisiert werden. Mit dem Ortsrat abge- stimmte Presseaktivitäten werden angeregt, wie es - Kompetenz 5c: Die Teilnehmenden haben eine beispielsweise in vielen Dörfern bereits geschieht. reflexive Grundhaltung und können ihr eigenes Die Dorfmoderator*innen entwickeln ein Verständnis Handeln kritisch betrachten. für den abgestimmten Umgang mit den Ortsbür- germeistern*innen, den Ortsräten und ggf. anderen Hintergrund: Im Mittelpunkt steht der Mensch, der beteiligten Akteuren hinsichtlich möglicher Presse- seine Lebens- und Wohnsituation im Dorf aktiv und mitteilungen. Es werden Hinweise zur Nutzung neuer in Gemeinschaft im Sinne einer demokratiefesten Medien gegeben, bspw. zur Etablierung möglicher Kommune gestalten will. Dorf-App-Gruppen im Bereich Mobilität (Mitnahme- App), wie in einigen Dörfern bereits praktiziert. Ein biografisch-reflexiver Zugang sowohl in den Modulen als auch begleitend zur Umsetzung bei Neue Plattformen wie www.nebenan.de werden Dorfprozessen bzw. einzelnen Projekten bietet eine vorgestellt und in ihrer individuellen potenziellen multiperspektivische Wahrnehmung der Positionen un- Bedeutung mit möglichen Chancen für das jeweilige terschiedlicher Akteure. Dabei können eigene Sichtwei- Dorf diskutiert. sen reflektiert werden, außerdem aber auch Haltungen und das Erfahrungswissen des jeweiligen Umfeldes. Auf Weiterbildungsmöglichkeiten wie einen Dorf- MOOC (MOOC: Massive Open Online Course; siehe Demografie-Sensibilität ist auf einer weiteren Ebene www.unser-dorf-mooc.de) wird vertieft eingegan- an die biografischen Erfahrungsräume von Men- gen. Kurze Dorffilme können als „Appetithäpp- schen geknüpft. Es geht hier um die Förderung der chen“ gedreht werden, dabei filmen bestenfalls Akzeptanz und Integration demografischer Verände- Dorfbewohner*innen selbst einzelne Begebenheiten, rungen und Transformationen in ein sozialraumorien- Besonderheiten, Persönlichkeiten des Dorfes oder tiertes Denken. auch einzelne Betätigungsfelder im Ort, um zu einem positiven Image des Dorfes beizutragen. Ein Grundverständnis vom Dorf, in dem man lebt, als gestaltbarem Sozialraum stellt eine wesentliche Im Umgang mit analogen und digitalen Medien ist Voraussetzung für das (Aus-)Handeln in sozialen stets ein kritisches Bewusstsein und eine hohe Sen- Netzwerken bzw. in der Netzwerkarbeit dar. Netzwerk- sibilität gegenüber polarisierenden oder wertenden arbeit auf haupt- und ehrenamtlichen Ebenen erfordert Darstellungen nötig. Eine gute, objektive Öffentlich- eine gute Netzwerkkommunikation, die neue Formen keitsarbeit erfordert eine enge Zusammenarbeit mit des gemeinsamen Wirkens und Lernens unterstützt. dem Ortsrat im Dorf. Neben der Vermittlung dieser theoretischen Kompe- tenzen, dem Wissen des „ich weiß es“ und „ich weiß Ziel 5 „Demokratiefestigkeit stärken“: Demokra- wie“, geht es in den Modulen auch um die Umsetzung tisches und beteiligungsorientiertes Vorgehen der Kompetenzen, also der Performanz („ich zeig es; ich steht in der Dorfmoderation im Vordergrund. mach es“), d. h. um die Verrichtung und Ausführung des In der Dorfbevölkerung, im Ortsrat und bei Gelernten (s. Kompetenzpyramide Abb. 2, vgl.. Miller, anderen Akteuren wird die Akzeptanz gegen- 1990). über der Dorfmoderation zunehmen, wenn das Handeln in einem offenen demokratischen Abschließend erfordert dieses Vorgehen eine refle- Diskurs abgestimmt wird. Mit Hilfe von Metho- xive Grundhaltung, die es ermöglicht, das eigene den zur biografischen Selbstreflexion können Handeln mittels verschiedener Techniken kritisch sich die Dorfmoderator*innen vergewissern, zu betrachten, in der Gemeinschaft zu diskutieren ob sie beispielsweise bestimmte Perspektiven und Rückschlüsse für weitere Aktivitäten daraus zu außer Acht gelassen, Personengruppen über- ziehen. Dieser Ansatz entspricht einer konstruktiven sehen oder Sachverhalte ausgeblendet haben. Grundhaltung, die um ein Verständnis aus unter- Dorfmoderator*innen sollen mit ihrer Haltung schiedlichen Perspektiven bemüht ist.
| 11 Ich mach es Ich zeig es Ich weiß wie Ich weiß es Abb. 2: Kompetenzpyramide nach Miller (1990) Das didaktische Arrangement der „Kompetenzpy- nen die unterschiedlich ausgeprägten Dorfidentitäten ramide“ basiert dabei auf den biografischen Erfah- von Dorfbewohner*innen wahrnehmen und reflek- rungen der Referierenden und der Teilnehmenden. tieren. Die Teilnehmenden haben ein Verständnis Selbstthematisierung (biografische Reflexion) und für den Nachhall früherer prägender Ereignisse im Prozessreflexion (Reflexion von Strukturen und Hand- Dorf als Resonanzraum.“ lungsroutinen) spielen hier eine besondere Rolle. Das didaktische Konzept geht deshalb von einer Beglei- ZUKUNFT IM DORF tung der Projekte nicht nur während der Teilmodule Abgeleitet aus dem Ziel 3: „Die Teilnehmenden aus, sondern vor allem im Rahmen eines kontinuierli- können ihre Rollen für zukünftige Prozesse in den chen Austauschs in einem Netzwerk Dorfmoderation. Dörfern benennen sowie den damit verbundenen Aufwand einschätzen. Sie sind in der Lage, Zielgrup- 2.2 Bezüge zur Handreichung „Methodenkoffer für pen zu bestimmen und Zielsetzungen zu formulieren. die Dorfmoderation“ Mit besonderen bzw. schwierigen Situationen können sie adäquat umgehen“. Für die im Vorangegangenen genannten Zielset- zungen werden bestimmte „Zwecke“ formuliert, KOMMUNIKATION die zu einer Vereinfachung der Zuordnung in der Abgeleitet aus dem Ziel 4: „Die Dörfer sind medial Handreichung „Methodenkoffer“ dienen. Im Me- präsent. Die Dorfmoderator*innen sind sich der Wir- thodenkoffer werden den einzelnen Methoden kung von analogen und digitalen Medien bewusst“. Symbole zugeordnet, die auf den Zweck hinweisen; z. B. erhält eine Methode zur Förderung der Kom- NETZWERK munikation das Symbol „zwei verbundene Spruch- Abgeleitet aus dem Ziel 4: „Die Dörfer sind medial blasen“ (s.u.). Somit erhalten die Lesenden über- präsent. Die Dorfmoderator*innen sind sich der Wir- sichtliche Hinweise darauf, welche Zielsetzung(en) kung von analogen und digitalen Medien bewusst“. mit dem Einsatz der jeweiligen Methode verbunden ist oder sind. Ist beispielsweise einer Methode der SELBSTREFLEXION Begriff „Dorfgeschichte“ zugeordnet, können die Abgeleitet aus dem Ziel 5: „Mit Hilfe von biografischer Leser*innen leichter erkennen, dass mit der vor- Selbstreflexion sind die Dorfmoderator*innen sich liegenden Methode in einer bestimmten Art und ihrer Rolle im Dorf bewusst. Eine Akzeptanz der Dorf- Weise die Dorfgeschichte eine Rolle spielt. moderation und der Dorfentwicklungsprozesse ist bei den beteiligten Akteuren vorhanden“. Als Begriffe, die den besonderen Zweck einer Metho- de kennzeichnen, werden festgelegt: EMPATHIE Abgeleitet aus dem Ziel 5: „Mit Hilfe von biografischer DORFGESCHICHTE Selbstreflexion sind die Dorfmoderator*innen sich Abgeleitet aus dem Ziel 1: „Die Teilnehmenden ihrer Rolle im Dorf bewusst. Eine Akzeptanz der Dorf- kennen geschichtliche Zusammenhänge, Hinter- moderation und der Dorfentwicklungsprozesse ist bei gründe und Traditionen ihrer Dörfer. Sie haben ein den beteiligten Akteuren vorhanden“. neues Bewusstsein im Blick auf den Wandel und die (historischen) Entwicklungen im Dorf. Auswirkungen DEMOKRATIEFÖRDERUNG der Geschichte auf das heutige Dorfleben werden Abgeleitet aus dem Ziel 5: „Mit Hilfe von biografischer thematisiert.“ Selbstreflexion sind die Dorfmoderator*innen sich ihrer Rolle im Dorf bewusst. Eine Akzeptanz der Dorf- POTENZIALE IM DORF moderation und der Dorfentwicklungsprozesse ist bei Abgeleitet aus dem Ziel 2: „Die Teilnehmenden kön- den beteiligten Akteuren vorhanden“.
12 | 3 Schlüsselbegriffe und leitende theoretische 3.3 Dorfnetzwerk Bezüge Dorfintern sollte ein stabiles Netzwerk an Zur Förderung eines einheitlichen Begriffsverständ- Unterstützer*innen und Anpackenden aufgebaut nisses und um Missverständnisse in der Kommuni- werden. Jede*r beteiligt sich in dem Maße, wie sie/er kation zu vermeiden, werden im Folgenden Schlüs- es möchte. Grundsätzlich muss ein Dorfnetzwerk selbegriffe aus der Dorfmoderation beschrieben. gewollt sein und auf Akzeptanz stoßen. Ein mit dem Sind Herleitungen aus wissenschaftlichen Bezügen Ortsrat abgestimmtes Handeln ist von großer Bedeu- erfolgt, werden die weiterführenden Quellen ge- tung für wirkungsvolle Prozesse in der Dorfmode- nannt. Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf ration. Darüber hinaus wird damit auch die Arbeit in Vollständigkeit; Ergänzungen können auf den freien einem Dörfer-Netzwerk gefördert. Eine ortsübergrei- Seiten am Ende dieser Veröffentlichung vorgenom- fende Zusammenarbeit von Dörfern sichert einen men werden. guten Erfahrungsaustausch. 3.1 Dorfmoderation 3.4 Kommunikation im Dorf und über das Dorf hinaus Das Wort Moderation hat „moderat“ im Wortstamm und steht mit den Eigenschaften behutsam, vor- Die Kommunikationsformen werden unterschieden sichtig, sanft, allmählich, vermittelnd und unter- in interne Kommunikation innerhalb des Dorfes und stützend in Verbindung. Dorfmoderation wird in externe Kommunikation aus dem Dorf heraus. diesem Sinne verstanden als zurückgenomme- ne Aktivität, die komplementär zum Wirken der Zur internen Kommunikation gehören Anlässe, die Ortsbürgermeister*innen und des Ortsrats erfolgt sich aus den jeweils unterschiedlichen Dynamiken in und einer stetigen Abstimmung mit ihnen bedarf. den Dörfern zufällig oder beiläufig ergeben. Andere interne Anlässe dagegen sind z. B. (öffentliche) Orts- Dorfmoderation zielt auf die Verstetigung von aus ratssitzungen, Dorfwerkstätten oder ähnliche Treffen dem Dorf heraus „bottom up“ organisierter Dorfent- im Dorf, zu denen Akteure im Dorf in bestimmten wicklungen ab. Diese Entwicklungen können sich Intervallen eingeladen werden. Daneben können sowohl auf Prozesse im Dorf beziehen, als auch auf beispielsweise Dorfsprechstunden in Abstimmung Strukturen. mit den Ortsbürgermeister*innen stattfinden. Weitere Kommunikationsformen sind Dorfzeitungen, Aushän- Folgende qualitative Unterscheidungen sind hin- ge, eine Dorfhomepage und weitere Möglichkeiten sichtlich des Begriffes Dorfmoderation vorzunehmen: der analogen oder digitalen Kommunikation. a) Dorfmoderation als inhaltliches Konzept mit the- Die über das Dorf hinausgehende Kommunikation oretischen Hintergründen und Überlegungen als kann einen Austausch mit Gemeinde-, Samtge- „optimales Konzept“. meinde-, Landkreis- und Landesgremien umfassen sowie Formen der analogen und digitalen Öffent- b) Dorfmoderation als Oberbegriff für das prakti- lichkeitsarbeit. Generell ist damit die Annahme sche Handeln und die konkrete Umsetzung von verbunden, dass ein Austausch von Akteuren in den Prozessen im Dorf und im Dörfernetzwerk. Dörfern innerhalb eines Dörfer-Netzwerks stärkend und motivierend auf die Beteiligten wirkt. c) Dorfmoderation als fortlaufende Begleitung, Reflexion, Vernetzung und Verstetigung auf den Für den Aufbau und die Pflege einer guten Ge- unterschiedlichen Ebenen. sprächskultur im Dorf und über das Dorf hinaus sollen Grundsätze einer wertschätzenden Kommu- Dorfmoderation wurde auf den Dorf-, Landkreis-, nikation beachtet werden. Landesebenen bzw. der Bundesebene unterschied- lich entwickelt und ausgestaltet. Die Weiterent- 3.5 Beteiligung und Partizipation wicklung von horizontalen und vertikalen Netz- werkaktivitäten tragen zu einem differenzierteren Die Begriffe Beteiligung und Partizipation werden Begriffsverständnis bei. in diesem Kontext synonym verwendet. Die Beteili- gung von Bürger*innen in der Dorfentwicklung hat 3.2 Dorfmoderationsteam unterschiedliche Facetten. Nach Heite, Rüßler und Stiel (2015) reicht das Spektrum vom Verständnis des Ein Auftreten und Handeln im Dorfmoderationsteam Begriffs Beteiligung von „an Informationen teilhaben erhöht die Effektivität der Dorfmoderation. Es werden lassen“, über Mitsprache, Mitbestimmung, Mitent- unterschiedliche Auffassungen und Perspektiven scheidung bis hin zur Selbstverwaltung von Projekten. gebündelt, verschiedene Kompetenzen zusammen- In der Dorfmoderation ist analog dazu insbesondere gefasst und Aufgaben auf mehrere Personen verteilt. die Vorsilbe „Mit-“ von Bedeutung, d.h. inwieweit sind Eine wirkungsvolle Dorfmoderation ist entweder in Dorfprozessen Formen z. B. der Mitwirkung, der von den Ortsbürgermeister*innen und den Ortsräten Mitbestimmung und der Mitentscheidung gegeben? veranlasst oder sie unterstützen die Dorfmoderati- onsteams bei ihren Aktivitäten. Die Beteiligung und Mitbestimmung wurden ver-
| 13 standen als Beteiligung an Prozessen und Ent- erfasst worden. Diese können ggf. in der Dorfmode- scheidungen, die von Ortsratsmitgliedern bzw. den ration berücksichtigt bzw. vertiefend und erweiternd Ortsbürgermeister*innen getroffen werden. Beson- nutzbar gemacht werden. ders deutlich kommt ein neues Verständnis von Beteiligungskultur am Beispiel der „Bürgerkommune“ Die Systematisierung der Kriterien, die sich auf die Ver- (s. 3.12) mit entsprechenden Beteiligungsstrukturen gangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der Dörfer und einer flachen Hierarchie zur Geltung. beziehen, hat innerhalb eines Entwicklungsprozesses zum sogenannten Dorfanalyseschema geführt. Die oben genannte Differenzierung macht deutlich, dass es bei einer Beteiligung von „Macher*innen“ im Im Dorfanalyseschema I geht es vorwiegend um die Ort z. B. um die Gestaltung und Leitung einer ehren- Siedlungsstruktur, die geografische Lage des Ortes und amtlich organisierten Suppenküche als wöchentlicher historische Prägungen. Das Dorfanalyseschema I be- Mittagstisch im Dorf gehen kann. Beteiligung kann fasst sich demnach mit der Vergangenheit des Dorfes. demgegenüber aber auch bedeuten, dass Ortsrats- entscheidungen transparent getroffen und kommu- Mit dem Dorfanalyseschema II wird die aktuelle Situa- niziert werden, wobei Möglichkeiten zur Nachfrage tion im Dorf erfasst. Es werden z. B. Rahmendaten der oder zum Widerspruch eingeräumt werden. Einwohner*innen erhoben sowie kulturräumliche Po- tenziale und besondere Fertigkeiten der Menschen im 3.6 Akzeptanz und Legitimation Dorf. Diese Daten bilden infolgedessen die Gegenwart bzw. die gegenwärtige Situation im Dorf ab. Die Einbindung der Dorfmoderation in das Dorfge- schehen erfordert Akzeptanz und ein damit einherge- Das Dorfanalyseschema III greift Fragen und Visionen hendes Verständnis von Legitimation gegenüber den auf, die die Zukunft des Dorfes betreffen. aktiven Personen sowie den Prozessen in der Dorf- moderation. Ziel der Dorfmoderation ist es, „bottom- 3.8 Dorfbiografie up“-Strukturen zu schaffen, die auf eine möglichst umfassende Bürger*innenbeteiligung, Engagement- Aus diesem Dreiklang „Vergangenheit, Gegenwart, förderung, Demokratieförderung und Vernetzung Zukunft“ in den Dorfanalyseschemen ist der Begriff ausgerichtet ist. Es wird davon ausgegangen, dass „Dorfbiografie“ in Analogie zum biografischen Arbei- die Akzeptanz bzw. Legitimation der Dorfmoderation ten hervorgegangen. Auf die Bedeutung historischer zunimmt, je stärker die gerade genannten Aspekte Prägungen für Dorfprozesse wurde in Kapitel 2.1 ausgeprägt sind. Weiterhin wird die Akzeptanz der bereits vertiefend eingegangen. Dorfmoderation bei den Akteur*innen im Ort in Ab- hängigkeit von dem Erfolg angeschobener Dorfpro- Analog zur Entwicklung des Dorfes wird für die zesse zunehmen. persönliche Biografie der Dreiklang „ich in meinem Dorf früher – heute – in zehn Jahren“ betrachtet und Die Dorfmoderation an sich ist ein freiwilliges Engage- in verschiedenen Übungen reflektiert und zu den ment, das in die formalen und informellen Strukturen ei- äußeren Bedingungen des Dorfes in Beziehung ge- nes Dorfes eingebettet und gut mit ihnen vernetzt sein setzt. Beides zusammengenommen, die persönlichen soll. Es gibt keine Berufung zur/zum Dorfmoderator*in Motive, Erlebnisse und Aktivitäten im Dorf sowie die im Sinne einer formalen Legitimation. äußeren Gegebenheiten, bildet die Dorfbiografie. 3.7 Dorfanalyseschema 3.9 Changemanagement Das „Dorfanalyseschema“ ist das Kernergebnis der „Das haben wir schon immer so gemacht!“ - Kleinste Pilotstudie „Potenziale und Herausforderungen Veränderungen im Dorf können problematisch sein, dörflicher Prozesse“ (Landkreis Göttingen, 06/2017) wenn z. B. altbewährte Handlungsmuster in Frage sowie des Modellvorhabens „Dorf ist nicht gleich gestellt werden. Das Konzept des Changemanage- Dorf“ (Landkreis Göttingen, 10/2017 bis 10/2020). ments kommt aus dem Projektmanagement in der Vor dem Hintergrund einer breiten Zielsetzung sind Wirtschaft und kann nur in einer angepassten Va- in der Pilotstudie empirische Dorfanalysen in 16 riante auf das Dorf übertragen werden. Das Prinzip Dörfern durchgeführt worden, die demografische, sieht vor, dass ein bestehender, stabiler Sachverhalt wirtschaftliche, infrastrukturelle und soziokulturelle im Rahmen einer Dorfwerkstatt „aufgetaut“ wird, d.h., Entwicklungs- und Veränderungsprozesse dörflicher dass sich eine Gruppe von Aktiven im Dorf überlegt, Lebensverhältnisse in den Blick genommen ha- wie beispielsweise das Dorffest anders gestaltet ben. Der Betrachtungszeitraum erstreckt sich in der werden kann. Diese Gruppe „bewegt“ alle Gedan- Pilotstudie überwiegend von den 1950er-Jahren bis ken, Ideen und Vorschläge, sammelt neue Ideen und heute. Darüber hinaus werden, soweit es im Rahmen kommt zu einem Ergebnis, das anschließend „einge- der Studie möglich war, auch historische und kultur- froren“ wird. Diese drei Schritte „auftauen, bewegen landschaftliche Prägungen aus der weiter zurücklie- und einfrieren“ entsprechen einer stark vereinfachen- genden Dorf- und Regionalgeschichte berücksichtigt. den Auffassung von einem Changemanagement. In der Pilotstudie sind daneben auch aktuelle lokale Probleme und endogene Potenziale sowie prakti- Nähere Informationen: sche Ansätze, Impulse und Ideen zur Problemlösung kgst.de/change-management
14 | 3.10 Demokratieförderung Maßnahmen müssen mögliche negative Effekte sowie gesellschaftliche Veränderungen wie der demo- Demokratieförderung ist ein wesentliches Ziel in der grafische Wandel Berücksichtigung finden.“ – so die Dorfmoderation. Damit verbunden ist das Bestre- zusammenfassende Definition des Volkswirtschaftlers ben, alle Akteuere miteinander in Kontakt bzw. einen und Wirtschaftsgeografen Martin Rosenfeld (2018, S. kontinuierlichen Austausch zu bringen. Freiwillig 837) im Handwörterbuch der Stadt� und Raumentwick- Engagierte, kommunale Gremien, regionale Organi- lung der Akademie für Raumforschung und Landes- sationen und alle weiteren relevanten Akteure sollen planung. mit offenen Augen und offenen Ohren antidemokra- tischen Bestrebungen entgegenwirken. Im Rahmen Die Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz- der Dorfmoderation können z. B. regelmäßig Dorf- Gemeinschaft (2020) benennt ergänzend das Zentra- werkstätten, Treffpunkte im Ort und virtuelle bzw. so- le-Orte-System als wichtigstes Gestaltungsinstrument ziale Medien im Dorf gestaltet werden, die zur Förde- der Raumordnung zur Schaffung gleichwertiger rung eines demokratischen Miteinanders beitragen. Lebensverhältnisse, um für alle Menschen ein ver- In ergänzenden Austauschtreffen und vertiefenden lässliches Angebot für als lebensnotwendig einge- Bildungsangeboten können demokratieförderliche stufte Leistungen der Daseinsvorsorge in zumutbarer Aktivitäten vermittelt sowie entsprechende Haltun- Entfernung vorhalten zu können (S. 4). Insbesondere gen verfestigt werden. die Einrichtungen der sozialen Infrastruktur seien in den zentralen Orten zu bündeln. 3.11 Demografische Entwicklung Von Kersten, Neu und Vogel (2017) wird die Gleich- In der Dorfmoderation wird eine positive, offene wertigkeit der Lebensverhältnisse als der Grund- Haltung gegenüber demografischen Entwicklungen pfeiler einer demokratisch verfassten, auf sozialen eingenommen. Das u.a. in den Medien vermittelte Ausgleich hin orientierten Gesellschaft dargestellt. Verständnis vom demografischen Wandel ist über- Gleichwertigkeit bedeute, den Menschen die Zusa- wiegend negativ gefärbt und z. B. durch die Dar- ge zu geben, Teil eines sozialen Ganzen zu sein, das stellung drastisch zurückgehender Infrastrukturen aber unterschiedliche Lebenssituationen und –lagen in ländlichen Räumen geprägt. Die Entwicklung der zulässt. Gleichwertigkeit ist also nicht so zu verstehen, Dörfer wird häufig mit dem Bild einer Abwärtsspirale dass alle Infrastrukturen, Lebensumstände und Versor- verknüpft. Mögliche positive Effekte im Zusammen- gungsleistungen gleich sind. Vielmehr sollen gleiche hang mit dem Wandel werden eher nicht gesehen. Teilhabechancen gewährleistet sein. Vor diesem Hintergrund steht die Empfehlung, den offenen und wertfreien Begriff „demografische Ent- 3.14 Kulturlandschaft wicklung“ statt der defizitorientierten Bezeichnung „demografischer Wandel“ zu verwenden. Dörfer sind Bestandteil der Kulturlandschaft und unterliegen der Veränderungsdynamik, sie sind für 3.12 Bürgerkommune die Bewohner*innen aber auch und in besonderer Weise Identifikationsraum und ein Ort der Vertraut- Mit Bezug auf Michael Pelzer „Die Bürgerkommune heit. Kulturlandschaften können als ein Spiegelbild Weyarn“ (Kropp 2012) und Gerhard Henkel (2016) des sich stetig wandelnden Mensch-Umwelt-Ver- bieten die Ausführungen zur Gestaltung einer Bür- hältnisses verstanden werden. Dieses Verhältnis gerkommune einerseits für die Dorfmoderator*innen drückt sich auch in sich wandelnden Nutzungsan- eine Möglichkeit für ein neues, demokratisches sprüchen der menschlichen Gesellschaft an den Handeln in der Kommune. Andererseits wird ge- Raum aus. Kulturlandschaft als eine geografische zeigt, wie Kommunalpolitiker*innen ihre Position von Realität ist somit immer auch ein historisches Er- „Vollversorger*innen” zu “Entwicklungsagent*innen gebnis. Der historische Geograf Burggraaff (1996) verändern können. Außerdem lassen sich Analogien definiert Kulturlandschaft wie folgt: „Der von Men- zum Konzept der geschlossenen Kommunikation in schen nach ihren existentiellen, wirtschaftlichen der traditionellen Organisation der Kommunen fin- und ästhetischen Bedürfnissen eingerichtete und den, während die Bürgerkommune mit dem Leitbild angepasste Naturraum, der im Laufe der Zeit mit „Aktivierender Staat“ eher dem Prinzip der offenen einer zunehmenden Dynamik entstanden ist und Kommunikation entspricht. Vertiefende Informati- ständig verändert bzw. umgestaltet wurde und onen zur Bürgerkommune stehen im Internet auf noch wird.” Die Kulturlandschaft ist das geschicht- den Seiten der kommunalen Gemeinschaftsstelle liche Gedächtnis unserer Gesellschaft. Lebens- für Verwaltungsmanagement zur Verfügung, siehe geschichten sind mit Landschaften untrennbar www.kgst.de. verknüpft. Die Forschung geht von einer persönli- chen, emotionalen und geschichtlich gewachsenen 3.13 Gleichwertige Lebensverhältnisse Verbundenheit der Menschen mit einer Kulturland- schaft aus (Harteisen 2000). „Unter Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist das Ziel zu verstehen, die soziale und wirtschaftliche Mit dem Dorfanalyseschema wird die Möglichkeit Situation in benachteiligten Regionen zu verbessern, des Einstiegs in eine individuelle, biografische bis ein Mindestniveau erreicht ist. Bei der Festlegung Reflexion über die eigene Kulturlandschaft ange- des Niveaus sowie der erforderlichen staatlichen boten.
| 15 3.15 Prozesse und Projekte 3.17 Soziale-Orte-Konzept Analog zum Modell der „vollständigen Handlung“ In Berichterstattungen zu den demografischen (Bundeszentrale für politische Bildung, 2020) umfas- Entwicklungen werden gelegentlich vereinfachende sen Prozesse in der Dorfentwicklung idealerweise Gegenüberstellungen beschrieben, z. B.: folgende Schritte: In der Stadt gibt es…., auf dem Dorf fehlen …; Auftrag klären, Wachstumsregionen bieten eine hohe Lebens- Informationen sammeln, qualität, Schrumpfungsregionen nicht; Ressourcen und Herausforderungen benennen, junge Menschen ziehen in die Stadt, die Dörfer überaltern; Zielsetzungen (für Projekte) festlegen, in der Stadt gibt es gute Infrastrukturen, auf dem die Handlung oder Handlungsschritte beschrei- Land gibt es immer weniger. ben (wer macht was, wann, wie lange), Diese allgemeinen Darstellungen beeinträchtigen das Projekt oder die Projekte durchführen, die Wahrnehmung der Wirklichkeit, denn auch in sogenannten Schrumpfungsregionen gibt es „starke den Erfolg bewerten und in die Informations- Dörfer“ und auch in den Städten werden Folgen der sammlung einfließen lassen, ggf. bei ausgeblie- demografischen Entwicklungen beklagt, wenn z. B. die benem Erfolg die Zielsetzung überprüfen und die kleinen „Läden und Geschäfte um die Ecke“ schließen. Handlungen wiederholen. Mit dem „Soziale-Orte-Konzept“ (SOK; Kersten, Neu, Die wesentliche Aussage für die Dorfmoderation Vogel, 2017) wird ein differenzierterer Blick auf ein- ist in diesem Zusammenhang, dass Projekte in den zelne Regionen und Orte möglich. Das SOK fördert Dörfern nachhaltiger und erfolgreicher sind, wenn die Auseinandersetzung mit neuen Impulsen für das sie in einen Prozess im Dorf eingebunden sind. soziale Leben im Dorf. Bestenfalls wirken die neuen Dorfmoderator*innen können innerhalb des Prozes- Anregungen über das Dorf und die Gemeinde hinaus ses Situationsanalysen vornehmen, Ressourcen in in andere Orte hinein. Unter „Sozialen Orten“ wird das ihren Dörfern aufspüren, Mitstreiter*innen finden, Miteinander und gemeinsame Wirken von einer teilha- die Rahmenbedingungen für erfolgreiche Projekt- beorientierten Kommunalpolitik, einer kooperativen re- initiativen mitgestalten und letztlich den Erfolg gionalen Wirtschaft und einer aktiven Zivilgesellschaft einzelner Projekte und des gesamten Prozesses verstanden. Je besser die Zusammenarbeit funktio- auswerten. niert, umso größer ist der „soziale Zusammenhalt“. Die Qualitäten des Zusammenhalts werden unterschieden 3.16 Resonanzraum Dorf in robusten, riskanten und resilienten Zusammenhalt (ebenda). Dorfmoderation kann nicht von einer Person allein gestaltet werden, es ist vielmehr ein Prozess, bei 3.18 Wirkungsorientierung dem möglichst viele Menschen im Ort angespro- chen werden müssen. Doch allein die „Ansprache“ Wirkungen sind Veränderungen, die durch geplan- der Menschen reicht nicht aus, es ist auch eine tes Handeln z. B. in Zielgruppen, im Lebensumfeld Resonanz von ihnen erwünscht. Das Dorf als Reso- oder in der Gesellschaft entstehen. Bezogen auf die nanzraum ist so zu verstehen, dass Inhalte und The- Dorfentwicklung weist die Wirkungsorientierung auf men von Einzelnen aufgegriffen werden und mehr unterschiedliche Ebenen hin, auf denen Veränderungen oder weniger große Resonanz erzeugen werden. innerhalb der Veränderungsprozesse im Dorf erfolgen. Damit verbunden ist das Sammeln von Informatio- nen, Argumenten und Fachwissen im Dorf gemeint Auf der höchsten Stufe der sogenannten „Wirkungs- sowie ein Beziehungsaufbau zu Themen, Menschen treppe“ (vgl. Abb. 3; vgl. PHINEO: Kursbuch Wirkung, und Orten im „Resonanzraum Dorf“. In einem Reso- 2014) stehen die gesellschaftlichen Veränderungen nanzraum begegnen sich Menschen, Worte klingen im Dorf oder der Impact. nach, Gedanken finden Widerhall, Fragen finden Antworten, Antworten rufen nach neuen Fragen Beispielsweise können demografische Entwicklun- und Neues kann entstehen (vgl. Rohr, 2013). Es wird gen in Dörfern zunehmend zu einer Ausdünnung der nicht nur verstanden, was der einzelne Mensch Nahversorgung führen. Ein mögliches Ziel auf dieser sagt, sondern auch, was er fühlt. Werden Dörfer als Stufe der Wirkungstreppe würde demnach lauten: Resonanzräume verstanden, bieten sie Einblicke in „Dorfbewohner*innen sichern aktiv mit Maßnahmen die Emotionen oder das „Klima der Beziehungen“ im die Lebensqualität im Dorf.“ Dorf. Gelingt es, Dörfer als Resonanzräume erfahr- bar zu machen, ist damit eine Förderung der Eigen- Beziehen sich die Wirkungen auf Veränderungen dynamik und der Entwicklung von Gestaltungsoptio- innerhalb der Zielgruppen, spricht man von einem nen verbunden. Outcome. Dabei werden Veränderungen auf den Ebe-
16 | Ab dieser Stufe spricht man von 7 Gesellschaft verändert sich Impact Wirkung. 6 Lebenslage der Zielgruppen ändert sich 5 Zielgruppen ändern ihr Handeln Outcome 4 Zielgruppen verändern Bewusstsein bzw. Fähigkeiten 3 Zielgruppen akzeptieren Angebote 2 Zielgruppen werden erreicht 1 Aktivitäten finden wie geplant statt Output Abb. 3: Wirkungstreppe Quelle: www.phineo.org nen der Änderung der Lebenslage, des Verhaltens Moderation von größeren Gruppen übernehmen und der Fähigkeiten von Zielgruppen unterschieden. zu können. Andere Aktive können beispielsweise Bezogen auf die Lebenslage könnte eine Zielformu- besonders gut Prozesse im Ort planen, struktu- lierung lauten: „Dorfbewohner*innen haben ein stabi- rieren und begleiten. Eine weitere Variante drückt lisierendes Konzept für die Nahversorgungssituation sich dadurch aus, dass Dorfmoderator*innen den entwickelt und umgesetzt.“ Macher*innen den Rücken freihalten und nicht „in der ersten Reihe stehen“ wollen. Günstig ist es Der Output auf den unteren Stufen der Wirkungstrep- für Dorfmoderator*innen, wenn sie sich aus dem pe bezieht sich auf Angebote, Maßnahmen oder Pro- Dorfgeschehen herausnehmen und von einer Me- dukte, die die Voraussetzungen dafür sind, dass Wir- taebene auf das Dorf schauen können, z. B. indem kungen erreicht werden. Beispielsweise ist damit das sie „vom Ballsaal auf die Balustrade“ gehen, „helfen regelmäßige Angebot von vier Dorfwerkstätten (Aus- können mit den Händen in den Hosentaschen“ oder tausch- und Planungstreffen) pro Jahr gemeint, an in bestimmten Situationen von einer „imaginären denen eine gewisse Anzahl an Dorfbewohner*innen Trittleiter, die sie immer bei sich haben, herunter auf teilnimmt. das Dorfgeschehen schauen“ können. All diese und weitere Formen der Moderation sind idealerweise in Die Wirkungsorientierung steht einer Problemorientie- Dorfmoderationsteams vorzufinden. rung als Denkansatz gegenüber. Mit dem Konzept der Wirkungsorientierung wird die Annahme verbunden, 4 Ebenen der ländlichen Entwicklung dass neue Wege leichter gefunden werden, wenn der Blick auf wünschenswerte Ziele gerichtet ist statt auf Die Entscheidungsebenen für die Entwicklung der Probleme, die zu lösen sind. ländlichen Räume lassen sich grob wie folgt glie- dern: 3.19 Zurückgenommene Moderation Dorf/Stadtteil Unter 3.1 wird der Begriff „Dorfmoderation“ bereits beschrieben, das Wort Moderation hat „moderat“ Dorfregion im Wortstamm und steht, wie gesagt, mit den Ei- genschaften behutsam, vorsichtig, sanft, allmählich, Kommune: Samtgemeinde, Gemeinde, Stadt vermittelnd und unterstützend in Verbindung. Dorf- moderation wird in diesem Sinne verstanden als zu- Landkreis rückgenommene Moderation, die komplementär zum Wirken der Ortsbürgermeister*innen oder des Ortsrats ggf. LEADER- oder ILE-Region erfolgt und einer Abstimmung mit ihnen bedarf. Mit der zurückgenommenen Moderation ist eine Haltung in Niedersachsen: Ämter für regionale Landes- verbunden, die Dorfentwicklung durch aktive Men- entwicklung schen im Ort ermöglichen und sie befähigen will, statt sich als Dorfmoderator*in selbst um die einzelnen Landesverwaltung Angelegenheiten zu kümmern. Bundesverwaltung Es gehen mit diesem Begriffsverständnis zudem verschiedene Formen des Auftretens im Dorf ein- Das Niedersächsische Kommunalverfassungs- her. In der Dorfmoderation kann es nützlich sein, die gesetz (NKomVG) regelt die Strukturierung der
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