Dorfmoderation Niedersachsen - 2 Handreichung für Referierende

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Dorfmoderation Niedersachsen - 2 Handreichung für Referierende
Dorfmoderation
Niedersachsen

    Handreichung für Referierende
2   Modellprojekt
    „Dorf ist nicht gleich Dorf –
    Dorfmoderation Südniedersachsen“
Dorfmoderation Niedersachsen - 2 Handreichung für Referierende
Impressum

Modellvorhaben „Dorf ist nicht gleich Dorf – Dorfmoderation Südniedersachsen“

Laufzeit:

Juni 2017 bis Oktober 2020

Projektträger und Herausgeber:

Landkreis Göttingen in Kooperation mit den Landkreisen Northeim, Goslar und Holzminden

Förderung und fachliche Begleitung:

Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Auftragnehmer:

Ländliche Erwachsenenbildung Niedersachsen e.V. (LEB) in Kooperation mit der
Freien Altenarbeit Göttingen e.V. (FAG)

Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen an der Georg-August-Universität Göttingen (SOFI) in
Kooperation mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/
Göttingen (HAWK)

Projektteam:

Dr. Swantje Eigner-Thiel (HAWK), Jascha Jennrich (LEB), Dr. Rüdiger Mautz (SOFI) und
Dr. Hartmut Wolter (FAG)

Fotos: djoronimo/Adobe Stock, ajilatan/Adobe Stock, Landkreis Göttingen (4)

Kofinanziert durch Bund und Land im Rahmen
der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“:                           Praxispartner:

Förderung und fachliche Begleitung:                                  Wissenschaftliche Begleitung:

Projektträger und Kooperationspartner:                               Begleitung durch Leader:
Dorfmoderation Niedersachsen - 2 Handreichung für Referierende
Handreichung für Referierende
2   Modellprojekt
    „Dorf ist nicht gleich Dorf –
    Dorfmoderation Südniedersachsen“

    Verfasser*innen:

    Swantje Eigner-Thiel

    Jascha Jennrich

    Rüdiger Mautz

    Hartmut Wolter

    Göttingen, 30. Oktober 2020
Dorfmoderation Niedersachsen - 2 Handreichung für Referierende
Dorfmoderation Niedersachsen - 2 Handreichung für Referierende
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Allgemeine Einleitung zum Modellprojekt                   bis 10/2020) die südniedersächsischen Landkrei-
„Dorf ist nicht gleich Dorf“                              se Holzminden, Northeim, Goslar und Göttingen in
                                                          Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen prägende
Unsere Dörfer haben viel zu bieten, und es gibt dort in   Faktoren der Dorfentwicklung identifiziert. Gemein-
den letzten Jahren viele neue, interessante Entwick-      sam mit Pädagog*innen sind Methoden für eine
lungen und Angebote. Nichtsdestotrotz wissen wir:         darauf abgestimmte erfolgreiche Moderation von
Die demografischen Entwicklungen verändern unsere          Dorfprozessen entwickelt worden.
Dörfer. Wir werden weniger und im Durchschnitt älter;
jüngere Menschen zieht es zunehmend in die Städte.        Den wissenschaftlichen Auftrag hat das Soziologische
In der Folge sind Läden, Poststellen und Kneipen aus      Forschungsinstitut e.V. (SOFI) an der Universität Göt-
vielen Ortschaften längst verschwunden und Vereine        tingen in Kooperation mit der Hochschule für ange-
finden kaum Nachwuchs.                                     wandte Wissenschaft und Kunst in Göttingen (HAWK)
                                                          übernommen. Den pädagogischen Anteil des Projekts
Um mit der neuen Situation umgehen zu können,             hat die Ländliche Erwachsenenbildung e.V. (LEB),
brauchen die Menschen in den Dörfern Mut zur Ver-         Region Südniedersachsen, gemeinsam mit der Freien
änderung, kreative Ideen und eine engagierte Dorfge-      Altenarbeit Göttingen e.V. (FAG) erarbeitet. Fachlich
meinschaft für die Umsetzung. Mit der Dorfmoderation      begleitet und finanziell unterstützt wurde das Projekt
sollen „Prozesse von unten“ (Bottom-Up) gefördert         vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung,
werden, indem interessierte Dorfbewohner*innen quali-     Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
fiziert werden. Im Anschluss sollen sie von ihrer Kom-
mune in Vernetzungs- und Verstetigungsstrukturen ein-     Um den geschilderten Herausforderungen besser
gebunden werden, um wirkungsvoll über die Grenzen         gerecht werden zu können, werden mit dem Ab-
des eigenen Dorfes hinweg handeln zu können.              schluss des Modellprojekts zielführende Handrei-
                                                          chungen vorgelegt:
Mit Hilfe der Dorfmoderation werden Menschen mit
Ideen für das Dorf unterstützt und Strategien für Dorf-      ein unter wissenschaftlicher Begleitung erarbeite-
prozesse (mit-)entwickelt. Ein besonderes Augenmerk          tes Curriculum Dorfmoderation in Niedersachsen,
liegt dabei auf dem Zusammenspiel zwischen Ehren-
amtlichen und Hauptamtlichen.                                ein Handbuch für Referierende in der Dorfmode-
                                                             ration,
Die Qualifizierung zum Einstieg in die Dorfmoderati-
on richtet sich gleichermaßen an Akteure aus Politik,        ein Methodenkoffer für die Dorfmoderation,
Verwaltung und Vereinen sowie an alle weiteren
Bürger*innen von jung bis alt, die motiviert sind, sich      ein Dorfanalyseschema und
für ihr Dorf oder ihre Gemeinde zu engagieren.
                                                             ein Verstetigungs- und Vernetzungskonzept für
Die Voraussetzungen für positive Veränderungen sind          die Dorfmoderation in (Süd-) Niedersachsen.
in jedem Dorf unterschiedlich. Die Geschichte der Orte,
die Bedeutung von Landwirtschaft, Kirche und Verei-       Ein umfassender Abschlussbericht zum Modellpro-
nen sowie zahlreiche weitere Faktoren haben die Men-      jekt „Dorf ist nicht gleich Dorf“ enthält detaillierte
schen unterschiedlich geprägt. Die Dorfmoderation         Hintergründe zu allen Handreichungen. In ihm wer-
kann es der Dorfgemeinschaft erleichtern, auf Prozesse    den die empirischen Befunde und wissenschaftlich
und Projekte im Dorf sensibel zu reagieren und die        begleiteten Evaluationen aus der gesamten Projekt-
jeweils eigene Situation vor Ort zu berücksichtigen.      laufzeit im Einzelnen dargestellt.

Mit dem Ziel, die Idee der Dorfmoderation in Süd-         Die hier vorliegende Handreichung für Referierende
niedersachsen bzw. landesweit zu etablieren, haben        ist eine Ergänzung zum Curriculum „Dorfmoderation
im Modellprojekt „Dorf ist nicht gleich Dorf“ (06/2017    in Niedersachsen“.

                  1                  2                  3                4                 5
             Curriculum        Handreichung       Methodenkoffer     Dorfanalyse-     Verstetigungs-
                                    für                               schema              und
                               Referierende                                           Vernetzungs-
                                                                                        konzept

          Abb. 1: Die Handreichung für Referierende als Bestandteil einer fünfbändigen Handreichung
          zum Thema Dorfmoderation
Dorfmoderation Niedersachsen - 2 Handreichung für Referierende
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 Inhaltsverzeichnis

 1.     Einführung                                                       7

 2      Theoretischer Kontext – was müssen Referierende wissen?          8

 2.1    Lernziele                                                        8

 2.2    Bezüge zur Handreichung „Methodenkoffer für die Dorfmoderation“   11

 3      Schlüsselbegriffe und leitende theoretische Bezüge                12

 3.1    Dorfmoderation                                                   12

 3.2    Dorfmoderationsteam                                              12

 3.3    Dorfnetzwerk                                                     12

 3.4    Kommunikation im Dorf und über das Dorf hinaus                   12

 3.5    Beteiligung und Partizipation                                    12

 3.6    Akzeptanz und Legitimation                                       13

 3.7    Dorfanalyseschema                                                13

 3.8    Dorfbiografie                                                     13

 3.9    Changemanagement                                                 13

 3.10   Demokratieförderung                                              14

 3.11   Demografische Entwicklung                                         14

 3.12   Bürgerkommune                                                    14

 3.13   Gleichwertige Lebensverhältnisse                                 14

 3.14   Kulturlandschaft                                                 14

 3.15   Prozesse und Projekte                                            14

 3.16   Resonanzraum Dorf                                                15

 3.17   Soziale-Orte-Konzept                                             15

 3.18   Wirkungsorientierung                                             15

 3.19   Zurückgenommene Moderation                                       16

 4      Ebenen der Kommunalpolitik und -verwaltung                       16

 5      Förderkulissen – was müssen Referierende wissen?                 17

 6      Anforderungen an die Referierenden                               17

 7      Fazit und Ausblick                                               17

 8      Literatur                                                        18
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1 Einführung                                             wird. Ergänzend liegt hier nun das Handbuch für
                                                         Referierende als Handreichung vor, das als angelei-
IIm Rahmen des Modellvorhabens „Dorf ist nicht           tetes Instrument im Rahmen von Qualifizierungen,
gleich Dorf“ (Laufzeit 06/2017 bis 10/2020) wurde        aber auch eigenständig von weiteren Interessierten
ein Qualifizierungsmodul für die Dorfmoderation           genutzt werden kann.
entwickelt, erprobt und evaluiert. Zentraler Inhalt
dieses Moduls ist die Vermittlung von Fähigkeiten        In dieser Handreichung werden die wesentlichen
und Kompetenzen zur Identifikation und Berücksich-        Ziele der Qualifizierung zu Dorfmoderator*innen
tigung dörflicher sowie regionaler Besonderheiten         und daraus ableitbare Kompetenzen, die
im Zuge von Dorfprozessen. Erfahrungen aus den           Dorfmoderator*innen entwickeln können, vorgestellt.
Qualifizierungen „Engagementlotsen für Ehrenamt-          Die Schwerpunkte liegen dabei auf den Themen De-
liche in Niedersachsen“ und „Dorfmoderation BMQ          mografie, Sozialraumentwicklung und biografische
Niedersachsen“ werden in diesem neuen Qualifizie-         Selbstreflexion. Zur Begründung der vorliegenden
rungskonzept herangezogen.                               Annahmen geht es im folgenden Kapitel um leitende
                                                         wissenschaftliche und theoretische Hintergründe,
Mit der vorliegenden Handreichung für                    die mit Dorfentwicklungsprozessen in Zusammen-
Referent*innen in der Qualifizierung von freiwillig En-   hang stehen. Daraufhin werden aus heutiger Sicht
gagierten zu Dorfmoderator*innen wird beabsichtigt,      elementare Schlüsselbegriffe in der Dorfmodera-
ein grundlegendes Verständnis für die Vermittlung        tion erläutert. Ein Überblick über die Strukturen in
von Inhalten und Zielrichtungen sowie für die Ver-       der Kommunalpolitik bietet Anknüpfungspunkte für
stetigung der „Dorfmoderation“ zu erwirken. Den Re-      das strategische Vorgehen in der Dorfmoderation
ferierenden bietet diese Veröffentlichung vielfältige     und letztlich auch für den Aspekt der „Akzeptanz
Hilfestellungen für die methodische und didaktische      der Dorfmoderation im Dorf“. Ein Basiswissen über
Planung von Veranstaltungen. Darüber hinaus kann         Förderkulissen in der Dorfentwicklung wird in einem
diese Handreichung zur Gestaltung von Austausch-         weiteren Kapitel dieser Handreichung vorgestellt.
und Vernetzungstreffen in der Dorfmoderation              Neben der Vermittlung von Wissen ist es ein zen-
herangezogen werden, z. B. um Schlüsselbegriffe zu        trales Anliegen in den Qualifizierungen und den
diskutieren oder zu modifizieren.                         anschließenden Austausch- und Vernetzungstreffen,
                                                         bei den Teilnehmenden Demokratiefestigkeit und
Das Handbuch für Referierende lässt sich einordnen       Beteiligungs-Orientierung als grundlegende Haltun-
in einen Reigen von Handreichungen zur Dorfmode-         gen zu fördern und weiterzuentwickeln.
ration: Als Basis dient ein Curriculum für die Qualifi-
zierung von Dorfmoderator*innen. Dazu gehört ein         Mit einem zusammenfassenden Überblick bzgl. der
Methodenkoffer, der den Referierenden und interes-        Anforderungen an die Referierenden schließen die
sierten Dorfmoderator*innen zur Verfügung gestellt       Ausführungen ab.
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 2 Theoretischer Kontext – was müssen                    Hintergrund: Wichtige geschichtliche Veränderungen
   Referierende wissen?                                  im Dorf, vorwiegend aus den letzten 150 Jahren, wer-
                                                         den zusammengetragen und dahingehend betrach-
 Im Verlauf des Modellprojekts „Dorf ist nicht gleich    tet, ob diese eher allgemeiner (wie in anderen Dörfern
 Dorf“ haben sich fünf wesentliche Lernzielbereiche      auch) oder spezieller Natur sind, also ganz spezifisch
 für die Qualifizierung ergeben, die im Folgenden         für das eigene Dorf. Als allgemeines Beispiel kann
 vorgestellt werden. Anschließend werden wissen-         die Rolle der (land-) wirtschaftlichen Betriebe im Dorf
 schaftliche und theoretische Hintergründe ange-         früher und heute verglichen werden, z. B. hinsichtlich
 führt, die für Referierende in der Dorfmoderation       der Beziehungen von Arbeit, Wohnen und Leben im
 von Bedeutung sind. Ggf. können die Ausführungen        Dorf. Was tritt heute an die Stelle damaliger (natürli-
 praktisch zum Einstieg in einzelne Themenfelder der     cher) Treffpunkte? Es wird ein Verständnis für heutige
 Qualifizierung genutzt werden.                           Bedürfnisse und für den Ursprung der Veränderun-
                                                         gen und der Probleme gefördert. Die Teilnehmen-
 2.1 Lernziele                                           den entwickeln eine neue Perspektive auf das Dorf,
                                                         beispielsweise „Wie war es früher, wie ist es heute
 Aufgrund der leitenden Annahme „Dorf ist nicht          für Einheimische, Zugezogene, ältere oder junge
 gleich Dorf“ wurde ein Dorfanalyseschema entwi-         Menschen usw.“. Durch die Beschreibung von „Dorf-
 ckelt, mit dem Unterschiede und Gemeinsamkei-           geschichte“ soll gelernt werden, Entwicklungen, so
 ten von Dörfern sichtbar gemacht werden können.         wie sie sind, anzuerkennen und frühere Verhältnisse
 Dieses Diagnoseinstrument erfasst Bedingungen in        weder zu romantisieren noch zu dramatisieren.
 Dörfern, die sich in drei Kategorien gliedern lassen.
 Ein großer Teil der Aspekte des Dorfanalyseschemas      Die Auswirkungen dieser geschichtlichen Aspekte
 richtet sich auf die Vergangenheit des Dorfes (GES-     auf das heutige Dorfleben werden exemplarisch
 TERN), ein weiterer Teil erfasst Bedingungen in der     (z.B. anhand anderer Dörfer) vorgestellt. Die Be-
 Gegenwart (HEUTE) und ein dritter Bereich ermittelt     deutung des Umgangs mit der Geschichte, mit den
 Optionen für die Zukunft des Dorfes (MORGEN).           Wurzeln des eigenen Dorfes, wird ebenfalls an Bei-
 Vor diesem Hintergrund ist der zusammenfassende         spielen verdeutlicht (Bsp.: Infotafeln an Gebäuden,
 Begriff „Dorfbiografie“ entstanden. Es wird angenom-      alte Straßennamen, historische Feste, historische
 men, dass die Teilnehmenden der Qualifizierung ihr       Begebenheiten in Theaterstücken aufleben lassen).
 Dorf besser kennenlernen, wenn sie sich im Rahmen       Möglichkeiten der geschichtlichen Recherche (Ar-
 der Veranstaltungen mit der dreiteiligen Dorfbiogra-    chive etc.) werden vorgestellt. Die Teilnehmenden
 fie auseinandersetzen. Letztlich werden die Teilneh-     durchlaufen selbst einen Rechercheprozess für das
 menden in die Lage versetzt, aus der dreiteiligen       Dorf und suchen Anknüpfungspunkte aus der Ge-
 Dorfanalyse neue Strategien und Maßnahmen für           schichte für die heutige Dorfentwicklung und berei-
 Dorfprozesse zu erkennen, anzuregen und zu initi-       ten u. U. einzelne Projekte vor; Dorfmoderator*innen
 ieren. Dabei gehen sie ihrer Aufgabe selbst im Sinne    lernen, aus der Geschichte heraus Entwicklungs-
 einer zurückgenommenen Moderation nach. Dane-           potenziale aufzuzeigen. Die Auseinandersetzung
 ben soll die Dorfmoderation auch über das eigene        mit der Dorfgeschichte kann zum einen die Iden-
 Dorf hinauswirken und sich in einem Dörfernetzwerk      tifikation der Dorfmoderator*innen mit ihrem Ort
 als verbindende und stärkende Kraft einbringen.         stärken, indem z. B. prägende Ereignisse und
                                                         Schicksale im Dorf neu diskutiert und wertgeschätzt
 Im Anschluss werden fünf generelle Zielsetzungen,       werden. Zum anderen können die Resonanzen der
 die damit verbundenen und erwünschten Aspekte           Dorfbewohner*innen auf die Auseinandersetzungen
 des Kompetenzerwerbs sowie jeweils erläuternde          mit der Dorfgeschichte zu gestärkten, stabileren
 Anmerkungen dargestellt.                                Beziehungen der Menschen untereinander führen.
                                                         Ein Ziel der Dorfmoderation ist in diesem Sinne
     Ziel 1 „Dorfgeschichte kennen“: Die Teilnehmen-     auch die Gestaltung von Resonanzräumen im Dorf
     den kennen geschichtliche Zusammenhänge,            (siehe Seite 12).
     Hintergründe und Traditionen ihrer Dörfer. Sie
     haben ein neues Bewusstsein zum Wandel und          Die Rolle von und der Umgang mit Traditionen als
     zu (historischen) Entwicklungen im Dorf. Auswir-    positiven Ressourcen des Dorfes werden themati-
     kungen der Geschichte auf das heutige Dorfleben      siert. Exemplarisch können einzelne Traditionen auf-
     werden thematisiert.                                gegriffen und Überlegungen angestellt werden, wie
                                                         heute mit einem Projekt daran angeknüpft werden
     Kompetenzen, die sich aus dem Ziel 1 ergeben:       könnte. Im Fokus steht auch, Zugezogene gezielt in
                                                         bestimmte Traditionen einzubeziehen oder von ihnen
     - Kompetenz 1a: Die Teilnehmenden können            Anregungen für modernere Gestaltungsformate zu
       dorfspezifische Faktoren benennen, die sich auf    erhalten.
       die Vergangenheit und Geschichte eines Dorfes
       beziehen.                                         Das Kennenlernen und Sich-Bewusstmachen ge-
                                                         schichtlicher Zusammenhänge ist mit dem Ziel ver-
     - Kompetenz 1b: Die Teilnehmenden können mit        bunden, die bei Dorfbewohner*innen unterschiedlich
       einem vertieften Verständnis historische Prä-     ausgeprägte Dorfidentität wahrzunehmen und zu
       gungen eines Dorfes vermitteln.                   reflektieren. Dieses fördert ein neues Bewusstsein
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für die dorfbezogenen Entwicklungsprozesse und die          Kompetenzen, die sich aus dem Ziel 3 ergeben:
Resonanzräume im Dorf. Diese Zielsetzung steht in
engem Zusammenhang mit dem ersten Teil der Dorf-             - Kompetenz 3a: Die Teilnehmenden können
biografie, in dem die Wurzeln des heutigen Status               dorfspezifische Faktoren benennen, die sich auf
Quo im Dorf aufgezeigt werden.                                 die Zukunftschancen ihres Dorfes beziehen.

   Ziel 2 „Dorfidentität reflektieren“: Die Teilneh-           - Kompetenz 3b: Die Teilnehmenden haben eine
   menden können die unterschiedlich ausgepräg-                Rollen- und Zielklarheit für zukünftige Prozesse
   ten Dorfidentitäten von Dorfbewohner*innen                   in einem Dorf.
   wahrnehmen und reflektieren. Die Teilnehmen-
   den haben ein Verständnis für den Nachhall            Hintergrund: Der dritte Schwerpunkt des Dorfana-
   früherer prägender Ereignisse im Dorf als Reso-       lyseschemas umfasst die Darstellung von endoge-
   nanzraum.                                             nen Potenzialen in den Dörfern. Dabei geht es um
                                                         kulturräumliche Potenziale, besondere Fähigkeiten
   Kompetenzen, die sich aus dem Ziel 2 ergeben:         und Fertigkeiten sowie wirtschaftliche, soziale und
                                                         weitere Potenziale. Diese Vielfalt soll in Bezug auf
   - Kompetenz 2a: Die Teilnehmenden können              Zielgruppen und damit verbundene Zielsetzungen
     dorfspezifische Faktoren benennen, die sich auf      für die Dorfgemeinschaft zum Tragen kommen.
     die gegenwärtigen, von unterschiedlichen Ziel-      Veränderungsprozesse im Dorf bergen jedoch auch
     gruppen wahrgenommenen Werte und Potenzi-           das Risiko von Ablehnung oder geringer Akzeptanz
     ale eines Dorfes beziehen.                          in der Bevölkerung. Unerlässlich ist die Veranlassung
                                                         von Maßnahmen durch die Ortsbürgermeister*innen,
   - Kompetenz 2b: Die Teilnehmenden können              die Ortsratsmitglieder, die Vereine im Ort und ande-
     Aspekte der Dorfbiografie für Dorfentwicklungs-      ren Akteure sowie eine kontinuierliche Abstimmung
     prozesse nutzen.                                    der Aktivitäten mit ihnen. Ein gelassener Umgang mit
                                                         schwierigen Gesprächssituationen im Dorf wird in
   - Kompetenz 2c: Die Teilnehmenden haben mit           diesem Kontext als Basiskompetenz der Dorfmode-
     dem Soziale-Orte-Konzept einen theoretischen        ration verstanden. Die Entwicklung eines adäquaten
     Hintergrund kennengelernt. Die Inhalte können       Rollenbewusstseins als Dorfmoderator*in trägt zur
     sie zur Stärkung des Dorfbewusstseins in einem      Verankerung der Dorfmoderation im Dorf bei.
     Dorf einbringen.
                                                            Ziel 4 „Reflektierte Medienkompetenz ent-
Hintergrund: Die Teilnehmenden lernen ein Dorf aus          wickeln“: Die Dörfer sind medial präsent. Die
unterschiedlichen Perspektiven kennen, wodurch              Dorfmoderator*innen sind sich der Wirkung von
das Verständnis für andere Altersgruppen, Lebens-           analogen und digitalen Medien bewusst.
stile oder soziale Gruppen im Dorf erhöht wird. Bei
der vertiefenden Erhebung der Besonderheiten und            Kompetenzen, die sich aus dem Ziel 4 ergeben:
Charakteristika des Dorfes werden wie im geschicht-
lichen Part Teile des Dorfanalyseschemas eine Rolle          - Kompetenz 4a: Die Teilnehmenden können den
spielen. Der Begriff des „Dorfbewusstseins“ als Pen-            Einsatz von analogen und digitalen Medien in
dant zum individuellen „Selbstbewusstsein“ wird the-           einem Dorf auf Zielgruppen ausrichten.
matisiert. Mit „Bewusstsein“, das geschaffen werden
soll, ist aber auch die Aneignung von Wissen über            - Kompetenz 4b: Die Teilnehmenden können pro-
das Dorf gemeint, das gegliedert ist in die zeitlichen         zessbezogen mit anderen Dörfern und Akteuren
Bereiche der Vergangenheit, der Gegenwart und der              in den Dialog gehen.
Zukunft im Sinne einer „Dorfbiografie“.
                                                             - Kompetenz 4c: Die Teilnehmenden können den
Auf dieser Grundlage werden in einem ersten Schritt            Wahrheitsgehalt von analogen und digitalen
die Probleme in den Dörfern lösungsorientiert erfasst.         Informationen erkennen und ggf. Gegendarstel-
In der Folge sollen realistische und für das Dorf              lungen vermitteln.
passende Perspektiven beschrieben werden, die an
die jeweiligen gegenwärtigen Situationen anknüpfen.      Hintergrund:
Ein Schwerpunkt kann dabei die Beschreibung von
robusten, riskanten und resilienten Zusammenhalten       a) Analoge Medien
analog des Soziale-Orte-Konzepts (Kersten/Neu/Vo-
gel, 2017; siehe Seite 18) sein.                         Es wird eine Ist-Analyse der bisher genutzten analo-
                                                         gen Medien zur Öffentlichkeitsarbeit im Dorf durch-
   Ziel 3 „Rollenklarheit schaffen“: Die Teilnehmen-      geführt. Vor- und Nachteile sowie Optimierungs-
   den können ihre Rollen für zukünftige Prozesse in     möglichkeiten der vorhandenen Öffentlichkeitsarbeit
   den Dörfern benennen sowie den damit verbun-          werden diskutiert. Ggf. können in Abstimmung mit
   denen Aufwand einschätzen. Sie sind in der Lage,      dem Ortsrat neue Formen der analogen Öffentlich-
   Zielgruppen zu bestimmen und Zielsetzungen            keitsarbeit in den Dörfern eingeführt werden, wie z. B.
   zu formulieren. Mit besonderen bzw. schwierigen       ein Infokasten oder Schaukasten, Faltblätter, Info-
   Situationen können sie adäquat umgehen.               zettel (Hauswurfsendungen), Broschüren, Gemein-
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   deblättchen, Tageszeitung, persönliche Information           zu einer stärkeren Demokratiefestigkeit im Dorf
   über Multiplikatoren (z.B. in den Vereinen).                 beitragen!

   b) Digitale Medien                                           Kompetenzen, die sich aus dem Ziel 5 ergeben:

   Es wird eine Ist-Analyse der bisher genutzten digita-         - Kompetenz 5a: Die Teilnehmenden können ihre
   len Medien zur Öffentlichkeitsarbeit im Dorf durch-              eigene und andere Biografien mit dem Dorfpro-
   geführt. Vor- und Nachteile sowie Optimierungs-                 zess in Beziehung setzen.
   möglichkeiten werden diskutiert. Stichworte sind z. B.
   Emailverteiler, Dorf-App-Gruppe, Internetseite.               - Kompetenz 5b: Die Teilnehmenden können
                                                                   Sichtweisen von verschiedenen Alters- und Be-
   c) Praktische Anwendung                                         völkerungsgruppen im Dorf, von Vertreter*innen
                                                                   aus der Kommunalpolitik und Verwaltung sowie
   Die festgestellten Besonderheiten und individuellen             der regionalen Wirtschaft einnehmen und
   Charakteristika der Dörfer werden öffentlichkeits-               bezogen auf die Akteure Empathie entwickeln
   wirksam aufbereitet, z.B. indem Internetseiten erstellt         und vermitteln.
   oder aktualisiert werden. Mit dem Ortsrat abge-
   stimmte Presseaktivitäten werden angeregt, wie es             - Kompetenz 5c: Die Teilnehmenden haben eine
   beispielsweise in vielen Dörfern bereits geschieht.             reflexive Grundhaltung und können ihr eigenes
   Die Dorfmoderator*innen entwickeln ein Verständnis              Handeln kritisch betrachten.
   für den abgestimmten Umgang mit den Ortsbür-
   germeistern*innen, den Ortsräten und ggf. anderen         Hintergrund: Im Mittelpunkt steht der Mensch, der
   beteiligten Akteuren hinsichtlich möglicher Presse-       seine Lebens- und Wohnsituation im Dorf aktiv und
   mitteilungen. Es werden Hinweise zur Nutzung neuer        in Gemeinschaft im Sinne einer demokratiefesten
   Medien gegeben, bspw. zur Etablierung möglicher           Kommune gestalten will.
   Dorf-App-Gruppen im Bereich Mobilität (Mitnahme-
   App), wie in einigen Dörfern bereits praktiziert.         Ein biografisch-reflexiver Zugang sowohl in den
                                                             Modulen als auch begleitend zur Umsetzung bei
   Neue Plattformen wie www.nebenan.de werden                Dorfprozessen bzw. einzelnen Projekten bietet eine
   vorgestellt und in ihrer individuellen potenziellen       multiperspektivische Wahrnehmung der Positionen un-
   Bedeutung mit möglichen Chancen für das jeweilige         terschiedlicher Akteure. Dabei können eigene Sichtwei-
   Dorf diskutiert.                                          sen reflektiert werden, außerdem aber auch Haltungen
                                                             und das Erfahrungswissen des jeweiligen Umfeldes.
   Auf Weiterbildungsmöglichkeiten wie einen Dorf-
   MOOC (MOOC: Massive Open Online Course; siehe             Demografie-Sensibilität ist auf einer weiteren Ebene
   www.unser-dorf-mooc.de) wird vertieft eingegan-           an die biografischen Erfahrungsräume von Men-
   gen. Kurze Dorffilme können als „Appetithäpp-               schen geknüpft. Es geht hier um die Förderung der
   chen“ gedreht werden, dabei filmen bestenfalls             Akzeptanz und Integration demografischer Verände-
   Dorfbewohner*innen selbst einzelne Begebenheiten,         rungen und Transformationen in ein sozialraumorien-
   Besonderheiten, Persönlichkeiten des Dorfes oder          tiertes Denken.
   auch einzelne Betätigungsfelder im Ort, um zu einem
   positiven Image des Dorfes beizutragen.                   Ein Grundverständnis vom Dorf, in dem man lebt,
                                                             als gestaltbarem Sozialraum stellt eine wesentliche
   Im Umgang mit analogen und digitalen Medien ist           Voraussetzung für das (Aus-)Handeln in sozialen
   stets ein kritisches Bewusstsein und eine hohe Sen-       Netzwerken bzw. in der Netzwerkarbeit dar. Netzwerk-
   sibilität gegenüber polarisierenden oder wertenden        arbeit auf haupt- und ehrenamtlichen Ebenen erfordert
   Darstellungen nötig. Eine gute, objektive Öffentlich-      eine gute Netzwerkkommunikation, die neue Formen
   keitsarbeit erfordert eine enge Zusammenarbeit mit        des gemeinsamen Wirkens und Lernens unterstützt.
   dem Ortsrat im Dorf.                                      Neben der Vermittlung dieser theoretischen Kompe-
                                                             tenzen, dem Wissen des „ich weiß es“ und „ich weiß
       Ziel 5 „Demokratiefestigkeit stärken“: Demokra-       wie“, geht es in den Modulen auch um die Umsetzung
       tisches und beteiligungsorientiertes Vorgehen         der Kompetenzen, also der Performanz („ich zeig es; ich
       steht in der Dorfmoderation im Vordergrund.           mach es“), d. h. um die Verrichtung und Ausführung des
       In der Dorfbevölkerung, im Ortsrat und bei            Gelernten (s. Kompetenzpyramide Abb. 2, vgl.. Miller,
       anderen Akteuren wird die Akzeptanz gegen-            1990).
       über der Dorfmoderation zunehmen, wenn
       das Handeln in einem offenen demokratischen            Abschließend erfordert dieses Vorgehen eine refle-
       Diskurs abgestimmt wird. Mit Hilfe von Metho-         xive Grundhaltung, die es ermöglicht, das eigene
       den zur biografischen Selbstreflexion können            Handeln mittels verschiedener Techniken kritisch
       sich die Dorfmoderator*innen vergewissern,            zu betrachten, in der Gemeinschaft zu diskutieren
       ob sie beispielsweise bestimmte Perspektiven          und Rückschlüsse für weitere Aktivitäten daraus zu
       außer Acht gelassen, Personengruppen über-            ziehen. Dieser Ansatz entspricht einer konstruktiven
       sehen oder Sachverhalte ausgeblendet haben.           Grundhaltung, die um ein Verständnis aus unter-
       Dorfmoderator*innen sollen mit ihrer Haltung          schiedlichen Perspektiven bemüht ist.
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                                                Ich mach es

                                                 Ich zeig es

                                                Ich weiß wie

                                                 Ich weiß es

                           Abb. 2: Kompetenzpyramide nach Miller (1990)

Das didaktische Arrangement der „Kompetenzpy-           nen die unterschiedlich ausgeprägten Dorfidentitäten
ramide“ basiert dabei auf den biografischen Erfah-       von Dorfbewohner*innen wahrnehmen und reflek-
rungen der Referierenden und der Teilnehmenden.         tieren. Die Teilnehmenden haben ein Verständnis
Selbstthematisierung (biografische Reflexion) und         für den Nachhall früherer prägender Ereignisse im
Prozessreflexion (Reflexion von Strukturen und Hand-      Dorf als Resonanzraum.“
lungsroutinen) spielen hier eine besondere Rolle. Das
didaktische Konzept geht deshalb von einer Beglei-      ZUKUNFT IM DORF
tung der Projekte nicht nur während der Teilmodule      Abgeleitet aus dem Ziel 3: „Die Teilnehmenden
aus, sondern vor allem im Rahmen eines kontinuierli-    können ihre Rollen für zukünftige Prozesse in den
chen Austauschs in einem Netzwerk Dorfmoderation.       Dörfern benennen sowie den damit verbundenen
                                                        Aufwand einschätzen. Sie sind in der Lage, Zielgrup-
2.2 Bezüge zur Handreichung „Methodenkoffer für          pen zu bestimmen und Zielsetzungen zu formulieren.
    die Dorfmoderation“                                 Mit besonderen bzw. schwierigen Situationen können
                                                        sie adäquat umgehen“.
Für die im Vorangegangenen genannten Zielset-
zungen werden bestimmte „Zwecke“ formuliert,            KOMMUNIKATION
die zu einer Vereinfachung der Zuordnung in der         Abgeleitet aus dem Ziel 4: „Die Dörfer sind medial
Handreichung „Methodenkoffer“ dienen. Im Me-             präsent. Die Dorfmoderator*innen sind sich der Wir-
thodenkoffer werden den einzelnen Methoden               kung von analogen und digitalen Medien bewusst“.
Symbole zugeordnet, die auf den Zweck hinweisen;
z. B. erhält eine Methode zur Förderung der Kom-        NETZWERK
munikation das Symbol „zwei verbundene Spruch-          Abgeleitet aus dem Ziel 4: „Die Dörfer sind medial
blasen“ (s.u.). Somit erhalten die Lesenden über-       präsent. Die Dorfmoderator*innen sind sich der Wir-
sichtliche Hinweise darauf, welche Zielsetzung(en)      kung von analogen und digitalen Medien bewusst“.
mit dem Einsatz der jeweiligen Methode verbunden
ist oder sind. Ist beispielsweise einer Methode der     SELBSTREFLEXION
Begriff „Dorfgeschichte“ zugeordnet, können die          Abgeleitet aus dem Ziel 5: „Mit Hilfe von biografischer
Leser*innen leichter erkennen, dass mit der vor-        Selbstreflexion sind die Dorfmoderator*innen sich
liegenden Methode in einer bestimmten Art und           ihrer Rolle im Dorf bewusst. Eine Akzeptanz der Dorf-
Weise die Dorfgeschichte eine Rolle spielt.             moderation und der Dorfentwicklungsprozesse ist bei
                                                        den beteiligten Akteuren vorhanden“.
Als Begriffe, die den besonderen Zweck einer Metho-
de kennzeichnen, werden festgelegt:                     EMPATHIE
                                                        Abgeleitet aus dem Ziel 5: „Mit Hilfe von biografischer
DORFGESCHICHTE                                          Selbstreflexion sind die Dorfmoderator*innen sich
Abgeleitet aus dem Ziel 1: „Die Teilnehmenden           ihrer Rolle im Dorf bewusst. Eine Akzeptanz der Dorf-
kennen geschichtliche Zusammenhänge, Hinter-            moderation und der Dorfentwicklungsprozesse ist bei
gründe und Traditionen ihrer Dörfer. Sie haben ein      den beteiligten Akteuren vorhanden“.
neues Bewusstsein im Blick auf den Wandel und die
(historischen) Entwicklungen im Dorf. Auswirkungen      DEMOKRATIEFÖRDERUNG
der Geschichte auf das heutige Dorfleben werden          Abgeleitet aus dem Ziel 5: „Mit Hilfe von biografischer
thematisiert.“                                          Selbstreflexion sind die Dorfmoderator*innen sich
                                                        ihrer Rolle im Dorf bewusst. Eine Akzeptanz der Dorf-
POTENZIALE IM DORF                                      moderation und der Dorfentwicklungsprozesse ist bei
Abgeleitet aus dem Ziel 2: „Die Teilnehmenden kön-      den beteiligten Akteuren vorhanden“.
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   3 Schlüsselbegriffe und leitende theoretische           3.3 Dorfnetzwerk
     Bezüge
                                                          Dorfintern sollte ein stabiles Netzwerk an
   Zur Förderung eines einheitlichen Begriffsverständ-     Unterstützer*innen und Anpackenden aufgebaut
   nisses und um Missverständnisse in der Kommuni-        werden. Jede*r beteiligt sich in dem Maße, wie sie/er
   kation zu vermeiden, werden im Folgenden Schlüs-       es möchte. Grundsätzlich muss ein Dorfnetzwerk
   selbegriffe aus der Dorfmoderation beschrieben.         gewollt sein und auf Akzeptanz stoßen. Ein mit dem
   Sind Herleitungen aus wissenschaftlichen Bezügen       Ortsrat abgestimmtes Handeln ist von großer Bedeu-
   erfolgt, werden die weiterführenden Quellen ge-        tung für wirkungsvolle Prozesse in der Dorfmode-
   nannt. Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf      ration. Darüber hinaus wird damit auch die Arbeit in
   Vollständigkeit; Ergänzungen können auf den freien     einem Dörfer-Netzwerk gefördert. Eine ortsübergrei-
   Seiten am Ende dieser Veröffentlichung vorgenom-        fende Zusammenarbeit von Dörfern sichert einen
   men werden.                                            guten Erfahrungsaustausch.

   3.1 Dorfmoderation                                     3.4 Kommunikation im Dorf und über das Dorf
                                                              hinaus
   Das Wort Moderation hat „moderat“ im Wortstamm
   und steht mit den Eigenschaften behutsam, vor-         Die Kommunikationsformen werden unterschieden
   sichtig, sanft, allmählich, vermittelnd und unter-     in interne Kommunikation innerhalb des Dorfes und
   stützend in Verbindung. Dorfmoderation wird in         externe Kommunikation aus dem Dorf heraus.
   diesem Sinne verstanden als zurückgenomme-
   ne Aktivität, die komplementär zum Wirken der          Zur internen Kommunikation gehören Anlässe, die
   Ortsbürgermeister*innen und des Ortsrats erfolgt       sich aus den jeweils unterschiedlichen Dynamiken in
   und einer stetigen Abstimmung mit ihnen bedarf.        den Dörfern zufällig oder beiläufig ergeben. Andere
                                                          interne Anlässe dagegen sind z. B. (öffentliche) Orts-
   Dorfmoderation zielt auf die Verstetigung von aus      ratssitzungen, Dorfwerkstätten oder ähnliche Treffen
   dem Dorf heraus „bottom up“ organisierter Dorfent-     im Dorf, zu denen Akteure im Dorf in bestimmten
   wicklungen ab. Diese Entwicklungen können sich         Intervallen eingeladen werden. Daneben können
   sowohl auf Prozesse im Dorf beziehen, als auch auf     beispielsweise Dorfsprechstunden in Abstimmung
   Strukturen.                                            mit den Ortsbürgermeister*innen stattfinden. Weitere
                                                          Kommunikationsformen sind Dorfzeitungen, Aushän-
   Folgende qualitative Unterscheidungen sind hin-        ge, eine Dorfhomepage und weitere Möglichkeiten
   sichtlich des Begriffes Dorfmoderation vorzunehmen:     der analogen oder digitalen Kommunikation.

   a) Dorfmoderation als inhaltliches Konzept mit the-    Die über das Dorf hinausgehende Kommunikation
      oretischen Hintergründen und Überlegungen als       kann einen Austausch mit Gemeinde-, Samtge-
      „optimales Konzept“.                                meinde-, Landkreis- und Landesgremien umfassen
                                                          sowie Formen der analogen und digitalen Öffent-
   b) Dorfmoderation als Oberbegriff für das prakti-       lichkeitsarbeit. Generell ist damit die Annahme
      sche Handeln und die konkrete Umsetzung von         verbunden, dass ein Austausch von Akteuren in den
      Prozessen im Dorf und im Dörfernetzwerk.            Dörfern innerhalb eines Dörfer-Netzwerks stärkend
                                                          und motivierend auf die Beteiligten wirkt.
   c) Dorfmoderation als fortlaufende Begleitung,
      Reflexion, Vernetzung und Verstetigung auf den       Für den Aufbau und die Pflege einer guten Ge-
      unterschiedlichen Ebenen.                           sprächskultur im Dorf und über das Dorf hinaus
                                                          sollen Grundsätze einer wertschätzenden Kommu-
   Dorfmoderation wurde auf den Dorf-, Landkreis-,        nikation beachtet werden.
   Landesebenen bzw. der Bundesebene unterschied-
   lich entwickelt und ausgestaltet. Die Weiterent-       3.5 Beteiligung und Partizipation
   wicklung von horizontalen und vertikalen Netz-
   werkaktivitäten tragen zu einem differenzierteren       Die Begriffe Beteiligung und Partizipation werden
   Begriffsverständnis bei.                                in diesem Kontext synonym verwendet. Die Beteili-
                                                          gung von Bürger*innen in der Dorfentwicklung hat
   3.2 Dorfmoderationsteam                                unterschiedliche Facetten. Nach Heite, Rüßler und
                                                          Stiel (2015) reicht das Spektrum vom Verständnis des
   Ein Auftreten und Handeln im Dorfmoderationsteam       Begriffs Beteiligung von „an Informationen teilhaben
   erhöht die Effektivität der Dorfmoderation. Es werden   lassen“, über Mitsprache, Mitbestimmung, Mitent-
   unterschiedliche Auffassungen und Perspektiven          scheidung bis hin zur Selbstverwaltung von Projekten.
   gebündelt, verschiedene Kompetenzen zusammen-          In der Dorfmoderation ist analog dazu insbesondere
   gefasst und Aufgaben auf mehrere Personen verteilt.    die Vorsilbe „Mit-“ von Bedeutung, d.h. inwieweit sind
   Eine wirkungsvolle Dorfmoderation ist entweder         in Dorfprozessen Formen z. B. der Mitwirkung, der
   von den Ortsbürgermeister*innen und den Ortsräten      Mitbestimmung und der Mitentscheidung gegeben?
   veranlasst oder sie unterstützen die Dorfmoderati-
   onsteams bei ihren Aktivitäten.                        Die Beteiligung und Mitbestimmung wurden ver-
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standen als Beteiligung an Prozessen und Ent-              erfasst worden. Diese können ggf. in der Dorfmode-
scheidungen, die von Ortsratsmitgliedern bzw. den          ration berücksichtigt bzw. vertiefend und erweiternd
Ortsbürgermeister*innen getroffen werden. Beson-            nutzbar gemacht werden.
ders deutlich kommt ein neues Verständnis von
Beteiligungskultur am Beispiel der „Bürgerkommune“         Die Systematisierung der Kriterien, die sich auf die Ver-
(s. 3.12) mit entsprechenden Beteiligungsstrukturen        gangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der Dörfer
und einer flachen Hierarchie zur Geltung.                   beziehen, hat innerhalb eines Entwicklungsprozesses
                                                           zum sogenannten Dorfanalyseschema geführt.
Die oben genannte Differenzierung macht deutlich,
dass es bei einer Beteiligung von „Macher*innen“ im        Im Dorfanalyseschema I geht es vorwiegend um die
Ort z. B. um die Gestaltung und Leitung einer ehren-       Siedlungsstruktur, die geografische Lage des Ortes und
amtlich organisierten Suppenküche als wöchentlicher        historische Prägungen. Das Dorfanalyseschema I be-
Mittagstisch im Dorf gehen kann. Beteiligung kann          fasst sich demnach mit der Vergangenheit des Dorfes.
demgegenüber aber auch bedeuten, dass Ortsrats-
entscheidungen transparent getroffen und kommu-             Mit dem Dorfanalyseschema II wird die aktuelle Situa-
niziert werden, wobei Möglichkeiten zur Nachfrage          tion im Dorf erfasst. Es werden z. B. Rahmendaten der
oder zum Widerspruch eingeräumt werden.                    Einwohner*innen erhoben sowie kulturräumliche Po-
                                                           tenziale und besondere Fertigkeiten der Menschen im
3.6 Akzeptanz und Legitimation                             Dorf. Diese Daten bilden infolgedessen die Gegenwart
                                                           bzw. die gegenwärtige Situation im Dorf ab.
Die Einbindung der Dorfmoderation in das Dorfge-
schehen erfordert Akzeptanz und ein damit einherge-        Das Dorfanalyseschema III greift Fragen und Visionen
hendes Verständnis von Legitimation gegenüber den          auf, die die Zukunft des Dorfes betreffen.
aktiven Personen sowie den Prozessen in der Dorf-
moderation. Ziel der Dorfmoderation ist es, „bottom-       3.8 Dorfbiografie
up“-Strukturen zu schaffen, die auf eine möglichst
umfassende Bürger*innenbeteiligung, Engagement-            Aus diesem Dreiklang „Vergangenheit, Gegenwart,
förderung, Demokratieförderung und Vernetzung              Zukunft“ in den Dorfanalyseschemen ist der Begriff
ausgerichtet ist. Es wird davon ausgegangen, dass          „Dorfbiografie“ in Analogie zum biografischen Arbei-
die Akzeptanz bzw. Legitimation der Dorfmoderation         ten hervorgegangen. Auf die Bedeutung historischer
zunimmt, je stärker die gerade genannten Aspekte           Prägungen für Dorfprozesse wurde in Kapitel 2.1
ausgeprägt sind. Weiterhin wird die Akzeptanz der          bereits vertiefend eingegangen.
Dorfmoderation bei den Akteur*innen im Ort in Ab-
hängigkeit von dem Erfolg angeschobener Dorfpro-           Analog zur Entwicklung des Dorfes wird für die
zesse zunehmen.                                            persönliche Biografie der Dreiklang „ich in meinem
                                                           Dorf früher – heute – in zehn Jahren“ betrachtet und
Die Dorfmoderation an sich ist ein freiwilliges Engage-    in verschiedenen Übungen reflektiert und zu den
ment, das in die formalen und informellen Strukturen ei-   äußeren Bedingungen des Dorfes in Beziehung ge-
nes Dorfes eingebettet und gut mit ihnen vernetzt sein     setzt. Beides zusammengenommen, die persönlichen
soll. Es gibt keine Berufung zur/zum Dorfmoderator*in      Motive, Erlebnisse und Aktivitäten im Dorf sowie die
im Sinne einer formalen Legitimation.                      äußeren Gegebenheiten, bildet die Dorfbiografie.

3.7 Dorfanalyseschema                                      3.9 Changemanagement

Das „Dorfanalyseschema“ ist das Kernergebnis der           „Das haben wir schon immer so gemacht!“ - Kleinste
Pilotstudie „Potenziale und Herausforderungen              Veränderungen im Dorf können problematisch sein,
dörflicher Prozesse“ (Landkreis Göttingen, 06/2017)         wenn z. B. altbewährte Handlungsmuster in Frage
sowie des Modellvorhabens „Dorf ist nicht gleich           gestellt werden. Das Konzept des Changemanage-
Dorf“ (Landkreis Göttingen, 10/2017 bis 10/2020).          ments kommt aus dem Projektmanagement in der
Vor dem Hintergrund einer breiten Zielsetzung sind         Wirtschaft und kann nur in einer angepassten Va-
in der Pilotstudie empirische Dorfanalysen in 16           riante auf das Dorf übertragen werden. Das Prinzip
Dörfern durchgeführt worden, die demografische,             sieht vor, dass ein bestehender, stabiler Sachverhalt
wirtschaftliche, infrastrukturelle und soziokulturelle     im Rahmen einer Dorfwerkstatt „aufgetaut“ wird, d.h.,
Entwicklungs- und Veränderungsprozesse dörflicher           dass sich eine Gruppe von Aktiven im Dorf überlegt,
Lebensverhältnisse in den Blick genommen ha-               wie beispielsweise das Dorffest anders gestaltet
ben. Der Betrachtungszeitraum erstreckt sich in der        werden kann. Diese Gruppe „bewegt“ alle Gedan-
Pilotstudie überwiegend von den 1950er-Jahren bis          ken, Ideen und Vorschläge, sammelt neue Ideen und
heute. Darüber hinaus werden, soweit es im Rahmen          kommt zu einem Ergebnis, das anschließend „einge-
der Studie möglich war, auch historische und kultur-       froren“ wird. Diese drei Schritte „auftauen, bewegen
landschaftliche Prägungen aus der weiter zurücklie-        und einfrieren“ entsprechen einer stark vereinfachen-
genden Dorf- und Regionalgeschichte berücksichtigt.        den Auffassung von einem Changemanagement.
In der Pilotstudie sind daneben auch aktuelle lokale
Probleme und endogene Potenziale sowie prakti-             Nähere Informationen:
sche Ansätze, Impulse und Ideen zur Problemlösung          kgst.de/change-management
14 |

   3.10 Demokratieförderung                                 Maßnahmen müssen mögliche negative Effekte sowie
                                                            gesellschaftliche Veränderungen wie der demo-
   Demokratieförderung ist ein wesentliches Ziel in der     grafische Wandel Berücksichtigung finden.“ – so die
   Dorfmoderation. Damit verbunden ist das Bestre-          zusammenfassende Definition des Volkswirtschaftlers
   ben, alle Akteuere miteinander in Kontakt bzw. einen     und Wirtschaftsgeografen Martin Rosenfeld (2018, S.
   kontinuierlichen Austausch zu bringen. Freiwillig        837) im Handwörterbuch der Stadt� und Raumentwick-
   Engagierte, kommunale Gremien, regionale Organi-         lung der Akademie für Raumforschung und Landes-
   sationen und alle weiteren relevanten Akteure sollen     planung.
   mit offenen Augen und offenen Ohren antidemokra-
   tischen Bestrebungen entgegenwirken. Im Rahmen           Die Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-
   der Dorfmoderation können z. B. regelmäßig Dorf-         Gemeinschaft (2020) benennt ergänzend das Zentra-
   werkstätten, Treffpunkte im Ort und virtuelle bzw. so-    le-Orte-System als wichtigstes Gestaltungsinstrument
   ziale Medien im Dorf gestaltet werden, die zur Förde-    der Raumordnung zur Schaffung gleichwertiger
   rung eines demokratischen Miteinanders beitragen.        Lebensverhältnisse, um für alle Menschen ein ver-
   In ergänzenden Austauschtreffen und vertiefenden          lässliches Angebot für als lebensnotwendig einge-
   Bildungsangeboten können demokratieförderliche           stufte Leistungen der Daseinsvorsorge in zumutbarer
   Aktivitäten vermittelt sowie entsprechende Haltun-       Entfernung vorhalten zu können (S. 4). Insbesondere
   gen verfestigt werden.                                   die Einrichtungen der sozialen Infrastruktur seien in
                                                            den zentralen Orten zu bündeln.
   3.11 Demografische Entwicklung
                                                            Von Kersten, Neu und Vogel (2017) wird die Gleich-
   In der Dorfmoderation wird eine positive, offene          wertigkeit der Lebensverhältnisse als der Grund-
   Haltung gegenüber demografischen Entwicklungen            pfeiler einer demokratisch verfassten, auf sozialen
   eingenommen. Das u.a. in den Medien vermittelte          Ausgleich hin orientierten Gesellschaft dargestellt.
   Verständnis vom demografischen Wandel ist über-           Gleichwertigkeit bedeute, den Menschen die Zusa-
   wiegend negativ gefärbt und z. B. durch die Dar-         ge zu geben, Teil eines sozialen Ganzen zu sein, das
   stellung drastisch zurückgehender Infrastrukturen        aber unterschiedliche Lebenssituationen und –lagen
   in ländlichen Räumen geprägt. Die Entwicklung der        zulässt. Gleichwertigkeit ist also nicht so zu verstehen,
   Dörfer wird häufig mit dem Bild einer Abwärtsspirale      dass alle Infrastrukturen, Lebensumstände und Versor-
   verknüpft. Mögliche positive Effekte im Zusammen-         gungsleistungen gleich sind. Vielmehr sollen gleiche
   hang mit dem Wandel werden eher nicht gesehen.           Teilhabechancen gewährleistet sein.
   Vor diesem Hintergrund steht die Empfehlung, den
   offenen und wertfreien Begriff „demografische Ent-          3.14 Kulturlandschaft
   wicklung“ statt der defizitorientierten Bezeichnung
   „demografischer Wandel“ zu verwenden.                     Dörfer sind Bestandteil der Kulturlandschaft und
                                                            unterliegen der Veränderungsdynamik, sie sind für
   3.12 Bürgerkommune                                       die Bewohner*innen aber auch und in besonderer
                                                            Weise Identifikationsraum und ein Ort der Vertraut-
   Mit Bezug auf Michael Pelzer „Die Bürgerkommune          heit. Kulturlandschaften können als ein Spiegelbild
   Weyarn“ (Kropp 2012) und Gerhard Henkel (2016)           des sich stetig wandelnden Mensch-Umwelt-Ver-
   bieten die Ausführungen zur Gestaltung einer Bür-        hältnisses verstanden werden. Dieses Verhältnis
   gerkommune einerseits für die Dorfmoderator*innen        drückt sich auch in sich wandelnden Nutzungsan-
   eine Möglichkeit für ein neues, demokratisches           sprüchen der menschlichen Gesellschaft an den
   Handeln in der Kommune. Andererseits wird ge-            Raum aus. Kulturlandschaft als eine geografische
   zeigt, wie Kommunalpolitiker*innen ihre Position von     Realität ist somit immer auch ein historisches Er-
   „Vollversorger*innen” zu “Entwicklungsagent*innen        gebnis. Der historische Geograf Burggraaff (1996)
   verändern können. Außerdem lassen sich Analogien         definiert Kulturlandschaft wie folgt: „Der von Men-
   zum Konzept der geschlossenen Kommunikation in           schen nach ihren existentiellen, wirtschaftlichen
   der traditionellen Organisation der Kommunen fin-         und ästhetischen Bedürfnissen eingerichtete und
   den, während die Bürgerkommune mit dem Leitbild          angepasste Naturraum, der im Laufe der Zeit mit
   „Aktivierender Staat“ eher dem Prinzip der offenen        einer zunehmenden Dynamik entstanden ist und
   Kommunikation entspricht. Vertiefende Informati-         ständig verändert bzw. umgestaltet wurde und
   onen zur Bürgerkommune stehen im Internet auf            noch wird.” Die Kulturlandschaft ist das geschicht-
   den Seiten der kommunalen Gemeinschaftsstelle            liche Gedächtnis unserer Gesellschaft. Lebens-
   für Verwaltungsmanagement zur Verfügung, siehe           geschichten sind mit Landschaften untrennbar
   www.kgst.de.                                             verknüpft. Die Forschung geht von einer persönli-
                                                            chen, emotionalen und geschichtlich gewachsenen
   3.13 Gleichwertige Lebensverhältnisse                    Verbundenheit der Menschen mit einer Kulturland-
                                                            schaft aus (Harteisen 2000).
   „Unter Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist
   das Ziel zu verstehen, die soziale und wirtschaftliche   Mit dem Dorfanalyseschema wird die Möglichkeit
   Situation in benachteiligten Regionen zu verbessern,     des Einstiegs in eine individuelle, biografische
   bis ein Mindestniveau erreicht ist. Bei der Festlegung   Reflexion über die eigene Kulturlandschaft ange-
   des Niveaus sowie der erforderlichen staatlichen         boten.
| 15

3.15 Prozesse und Projekte                             3.17 Soziale-Orte-Konzept

Analog zum Modell der „vollständigen Handlung“         In Berichterstattungen zu den demografischen
(Bundeszentrale für politische Bildung, 2020) umfas-   Entwicklungen werden gelegentlich vereinfachende
sen Prozesse in der Dorfentwicklung idealerweise       Gegenüberstellungen beschrieben, z. B.:
folgende Schritte:
                                                          In der Stadt gibt es…., auf dem Dorf fehlen …;
   Auftrag klären,
                                                          Wachstumsregionen bieten eine hohe Lebens-
   Informationen sammeln,                                 qualität, Schrumpfungsregionen nicht;

   Ressourcen und Herausforderungen benennen,             junge Menschen ziehen in die Stadt, die Dörfer
                                                          überaltern;
   Zielsetzungen (für Projekte) festlegen,
                                                          in der Stadt gibt es gute Infrastrukturen, auf dem
   die Handlung oder Handlungsschritte beschrei-          Land gibt es immer weniger.
   ben (wer macht was, wann, wie lange),
                                                       Diese allgemeinen Darstellungen beeinträchtigen
   das Projekt oder die Projekte durchführen,          die Wahrnehmung der Wirklichkeit, denn auch in
                                                       sogenannten Schrumpfungsregionen gibt es „starke
   den Erfolg bewerten und in die Informations-        Dörfer“ und auch in den Städten werden Folgen der
   sammlung einfließen lassen, ggf. bei ausgeblie-      demografischen Entwicklungen beklagt, wenn z. B. die
   benem Erfolg die Zielsetzung überprüfen und die     kleinen „Läden und Geschäfte um die Ecke“ schließen.
   Handlungen wiederholen.
                                                       Mit dem „Soziale-Orte-Konzept“ (SOK; Kersten, Neu,
Die wesentliche Aussage für die Dorfmoderation         Vogel, 2017) wird ein differenzierterer Blick auf ein-
ist in diesem Zusammenhang, dass Projekte in den       zelne Regionen und Orte möglich. Das SOK fördert
Dörfern nachhaltiger und erfolgreicher sind, wenn      die Auseinandersetzung mit neuen Impulsen für das
sie in einen Prozess im Dorf eingebunden sind.         soziale Leben im Dorf. Bestenfalls wirken die neuen
Dorfmoderator*innen können innerhalb des Prozes-       Anregungen über das Dorf und die Gemeinde hinaus
ses Situationsanalysen vornehmen, Ressourcen in        in andere Orte hinein. Unter „Sozialen Orten“ wird das
ihren Dörfern aufspüren, Mitstreiter*innen finden,      Miteinander und gemeinsame Wirken von einer teilha-
die Rahmenbedingungen für erfolgreiche Projekt-        beorientierten Kommunalpolitik, einer kooperativen re-
initiativen mitgestalten und letztlich den Erfolg      gionalen Wirtschaft und einer aktiven Zivilgesellschaft
einzelner Projekte und des gesamten Prozesses          verstanden. Je besser die Zusammenarbeit funktio-
auswerten.                                             niert, umso größer ist der „soziale Zusammenhalt“. Die
                                                       Qualitäten des Zusammenhalts werden unterschieden
3.16 Resonanzraum Dorf                                 in robusten, riskanten und resilienten Zusammenhalt
                                                       (ebenda).
Dorfmoderation kann nicht von einer Person allein
gestaltet werden, es ist vielmehr ein Prozess, bei     3.18 Wirkungsorientierung
dem möglichst viele Menschen im Ort angespro-
chen werden müssen. Doch allein die „Ansprache“        Wirkungen sind Veränderungen, die durch geplan-
der Menschen reicht nicht aus, es ist auch eine        tes Handeln z. B. in Zielgruppen, im Lebensumfeld
Resonanz von ihnen erwünscht. Das Dorf als Reso-       oder in der Gesellschaft entstehen. Bezogen auf die
nanzraum ist so zu verstehen, dass Inhalte und The-    Dorfentwicklung weist die Wirkungsorientierung auf
men von Einzelnen aufgegriffen werden und mehr          unterschiedliche Ebenen hin, auf denen Veränderungen
oder weniger große Resonanz erzeugen werden.           innerhalb der Veränderungsprozesse im Dorf erfolgen.
Damit verbunden ist das Sammeln von Informatio-
nen, Argumenten und Fachwissen im Dorf gemeint         Auf der höchsten Stufe der sogenannten „Wirkungs-
sowie ein Beziehungsaufbau zu Themen, Menschen         treppe“ (vgl. Abb. 3; vgl. PHINEO: Kursbuch Wirkung,
und Orten im „Resonanzraum Dorf“. In einem Reso-       2014) stehen die gesellschaftlichen Veränderungen
nanzraum begegnen sich Menschen, Worte klingen         im Dorf oder der Impact.
nach, Gedanken finden Widerhall, Fragen finden
Antworten, Antworten rufen nach neuen Fragen           Beispielsweise können demografische Entwicklun-
und Neues kann entstehen (vgl. Rohr, 2013). Es wird    gen in Dörfern zunehmend zu einer Ausdünnung der
nicht nur verstanden, was der einzelne Mensch          Nahversorgung führen. Ein mögliches Ziel auf dieser
sagt, sondern auch, was er fühlt. Werden Dörfer als    Stufe der Wirkungstreppe würde demnach lauten:
Resonanzräume verstanden, bieten sie Einblicke in      „Dorfbewohner*innen sichern aktiv mit Maßnahmen
die Emotionen oder das „Klima der Beziehungen“ im      die Lebensqualität im Dorf.“
Dorf. Gelingt es, Dörfer als Resonanzräume erfahr-
bar zu machen, ist damit eine Förderung der Eigen-     Beziehen sich die Wirkungen auf Veränderungen
dynamik und der Entwicklung von Gestaltungsoptio-      innerhalb der Zielgruppen, spricht man von einem
nen verbunden.                                         Outcome. Dabei werden Veränderungen auf den Ebe-
16 |

                      Ab dieser Stufe
                      spricht man von         7     Gesellschaft verändert sich                   Impact
                      Wirkung.

                                             6     Lebenslage der Zielgruppen ändert sich

                                         5       Zielgruppen ändern ihr Handeln                   Outcome

                                     4       Zielgruppen verändern Bewusstsein bzw. Fähigkeiten

                                 3       Zielgruppen akzeptieren Angebote

                             2       Zielgruppen werden erreicht

                         1       Aktivitäten finden wie geplant statt                              Output

                      Abb. 3: Wirkungstreppe                                        Quelle: www.phineo.org

   nen der Änderung der Lebenslage, des Verhaltens                       Moderation von größeren Gruppen übernehmen
   und der Fähigkeiten von Zielgruppen unterschieden.                    zu können. Andere Aktive können beispielsweise
   Bezogen auf die Lebenslage könnte eine Zielformu-                     besonders gut Prozesse im Ort planen, struktu-
   lierung lauten: „Dorfbewohner*innen haben ein stabi-                  rieren und begleiten. Eine weitere Variante drückt
   lisierendes Konzept für die Nahversorgungssituation                   sich dadurch aus, dass Dorfmoderator*innen den
   entwickelt und umgesetzt.“                                            Macher*innen den Rücken freihalten und nicht
                                                                         „in der ersten Reihe stehen“ wollen. Günstig ist es
   Der Output auf den unteren Stufen der Wirkungstrep-                   für Dorfmoderator*innen, wenn sie sich aus dem
   pe bezieht sich auf Angebote, Maßnahmen oder Pro-                     Dorfgeschehen herausnehmen und von einer Me-
   dukte, die die Voraussetzungen dafür sind, dass Wir-                  taebene auf das Dorf schauen können, z. B. indem
   kungen erreicht werden. Beispielsweise ist damit das                  sie „vom Ballsaal auf die Balustrade“ gehen, „helfen
   regelmäßige Angebot von vier Dorfwerkstätten (Aus-                    können mit den Händen in den Hosentaschen“ oder
   tausch- und Planungstreffen) pro Jahr gemeint, an                      in bestimmten Situationen von einer „imaginären
   denen eine gewisse Anzahl an Dorfbewohner*innen                       Trittleiter, die sie immer bei sich haben, herunter auf
   teilnimmt.                                                            das Dorfgeschehen schauen“ können. All diese und
                                                                         weitere Formen der Moderation sind idealerweise in
   Die Wirkungsorientierung steht einer Problemorientie-                 Dorfmoderationsteams vorzufinden.
   rung als Denkansatz gegenüber. Mit dem Konzept der
   Wirkungsorientierung wird die Annahme verbunden,                      4 Ebenen der ländlichen Entwicklung
   dass neue Wege leichter gefunden werden, wenn der
   Blick auf wünschenswerte Ziele gerichtet ist statt auf                Die Entscheidungsebenen für die Entwicklung der
   Probleme, die zu lösen sind.                                          ländlichen Räume lassen sich grob wie folgt glie-
                                                                         dern:
   3.19 Zurückgenommene Moderation
                                                                            Dorf/Stadtteil
   Unter 3.1 wird der Begriff „Dorfmoderation“ bereits
   beschrieben, das Wort Moderation hat „moderat“                           Dorfregion
   im Wortstamm und steht, wie gesagt, mit den Ei-
   genschaften behutsam, vorsichtig, sanft, allmählich,                     Kommune: Samtgemeinde, Gemeinde, Stadt
   vermittelnd und unterstützend in Verbindung. Dorf-
   moderation wird in diesem Sinne verstanden als zu-                       Landkreis
   rückgenommene Moderation, die komplementär zum
   Wirken der Ortsbürgermeister*innen oder des Ortsrats                     ggf. LEADER- oder ILE-Region
   erfolgt und einer Abstimmung mit ihnen bedarf. Mit
   der zurückgenommenen Moderation ist eine Haltung                         in Niedersachsen: Ämter für regionale Landes-
   verbunden, die Dorfentwicklung durch aktive Men-                         entwicklung
   schen im Ort ermöglichen und sie befähigen will, statt
   sich als Dorfmoderator*in selbst um die einzelnen                        Landesverwaltung
   Angelegenheiten zu kümmern.
                                                                            Bundesverwaltung
   Es gehen mit diesem Begriffsverständnis zudem
   verschiedene Formen des Auftretens im Dorf ein-                       Das Niedersächsische Kommunalverfassungs-
   her. In der Dorfmoderation kann es nützlich sein, die                 gesetz (NKomVG) regelt die Strukturierung der
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