Das Haus der Badischen Heimat und sein Architekt C. A. Meckel
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Das Haus der Badischen Heimat und sein Architekt C. A. Meckel Von Joseph Schlippe Erstveröffentlicht: Badische Heimat 35 (1955) S. 194 - 199 Das Haus der „Badischen Heimat“ zu Freiburg gehört nicht in das Häusermeer der Großstadt, kann in diesem Jahr sein Silberjubiläum feiern: sie ist ja keine Verwaltungsbehörde oder Indu- Im September waren es fünfundzwanzig Jahre, strie-Unternehmung, sondern ein lebendiges daß unser Landesverein sein Haus bezogen Gebilde von ganz besonderer Art. Freiburg hat. Wohl nur wenige Heimatvereine können stellte den Bauplatz zur Verfügung und sicher- sich rühmen, ein so stattliches Haus ihr eigen te sich dadurch das Verbleiben der „Badischen z.u nennen. Nidit aus freien Stücken erbaute Heimat“ hier, wo sie gegründet worden war. der Verein sich ein Haus, vielmehr waren ihm Wodurch wurde der Hausbau möglich? Es war schon vor Jahren die bescheidenen Büroräu- doch eine schwere Zeit; die Nachwehen des me in einem städtischen Gebäude gekündigt ersten Weltkrieges und der Inflation waren al- worden. Man hatte vergeblich versucht, ir- lenthalben noch zu spüren. Da darf man das gendwo mietweise unterzukommen oder ein Verdienst am Hausbau wohl in erster Linie den Haus zu kaufen. Daher entschloß man sich zu beiden Männern zuschreiben, die auch den einem Neubau und wählte hierfür ein Grund- Verein so rasch emporgeführt haben: Eugen stück im Dreisamtal hinter dem „Schiff“. Und Fischer und Hermann Eris Busse. Der das war recht so, denn die „Badische Heimat“ 194
Architekt des Hauses war Carl Anton Meckel, Carl Anton Meckel, der am 3. Juni 1875 zu selber ein eifriger Mitstreiter der „Badischen Frankfurt a. M. geboren wurde, war fünfzig Heimat“. Bald nach dem ersten Weltkrieg hatte Jahre alt, als er dieses Haus schuf. Hinter er den Sadiverständigen-Ausschuß für Denk- ihm lagen bereits fünfundzwanzig Jahre einer malpflege und Heimatschutz organisiert und überaus reichen und erfolgreichen Berufs- als Vorsitzender dieser Kommission jahrelang arbeit. Noch dreizehn Jahre waren ihm dar- segensreich gewirkt. Er schuf kein sentimental über hinaus beschieden. Will man das Haus romantisches Haus in burschikosen Sepplho- der „Badischen Heimat“ in sein Lebenswerk sen, sondern einen handlichen, zweckmäßi- einreihen, dann bildet es den Abschluß jener gen Bau für die Verwaltung des großen Vereins Schaffensperiode, die unter dem übermächti- und für die Wohnungen des Geschäftsführers gen Eindruck des süddeutschen Barock stand. und des Hausmeisters. Wie ganz anders kann Die Werke, die Meckel nachher schuf, sind man in solchen Räumen arbeiten als in Hinter- wesentlich stiller und zurückhaltender als die häusern großstädtischer Mietskasernen oder wilder bewegten Bauten seiner ersten, jugend- in langweiligen Büroräumen, wie dies andere lich überschäumenden Schaffensperiode. Viel- Landesvereine tun müssen. Gewiß ist ein gut leicht verraten sie stärker als seine Jugendwer- Teil des reichen Segens eben darauf zurückzu- ke die Herkunft aus der Schule seines Vaters, führen, daß die „Badische Heimat“ ein so an- der in Gesinnung und Werktreue wirklich „der heimelndes, die Arbeit förderndes Haus drau- Baukunst Meister“ war: Max Meckel, gebürtiger ßen am Stadtrand ihr eigen nennt. Rheinländer, später erzbischöflicher Baudirek- tor, war als Schüler von Vincenz Statz aus der Auch die Vereinsmitglieder trugen viel dazu Kölner Dombauhütte hervorgegangen. Indem bei, um einen so stattlichen Bau zu ermögli- Carl Anton Meckel schon in seinen Jugendjah- chen; sie vertrieben „Bausteine“ und opferten ren die unerhörte Arbeitsleistung seines Va- je nach Vermögen kleinere und größere Be- ters, der ein Kirchenbauer ganz großen Stiles träge. Fast alle schmückenden Teile wurden war, bewundernd miterlebte, wurde er schon gestiftet, so die reich geschmiedeten dreizehn damals durch die Losung des Vaters „Gotik für Korbgitter der Erdgeschoßfenster, das schöne immer!“ nachdrücklichst beeinflußt. Wie muß Balkongitter, das stattliche Hauptportal mit dem die Schaffenskraft und Gestaltungsgabe des graziösen Oberlichtgitter usw. Man hat es dem Vaters den etwa Fünfzehnjährigen beeindruckt Haus wohl öfters verargt, daß es mit seinem haben, als Max Meckel die Rochuskapelle steilen Dach und reichen Portal so eigenwillig bei Bingen in ihrer wunderlich gefühlsreichen zwischen den Nachbargebäuden steht. Aber Spätgotik oder gleichzeitig die Römerfassa- darf das Verwaltungsgebäude einer so großen de zu Frankfurt a. M. in prunkvoll spätmittel- Organisation sich nicht mit einem gewissen alterlichen Formen schuf. Ähnlich nachhaltige Recht eine besondere Gestalt geben? So hat Eindrücke empfing C. A. Meckel wenige Jahre denn das Haus inmitten der Siedlungsbauten später auf der Technischen Hochschule Karls- etwas von einem Rathaus, das ja auch sehr ruhe. Hier saß er begeistert zu Füßen des wohl die Dominante sein darf, ohne jedoch den gewiß besten Kenners der mittelalterlichen Rahmen der Straße zu sprengen. Freilich fie- Baukunst: Von Carl Schäfer und gleicherweise len die seitlichen Portale wohl etwas pompös seinem Vater lernte er die mittelalterliche Kon- aus. Durch ihre schmiedeeisernen Tore müßte struktion und handwerklichen Feinheiten. Die man in einen tiefen Park hineinschauen kön- tiefe Verehrung für seinen Vater geht aus den nen. Dankesworten hervor, die der Sohn ihm bei der Weihe des Herderbaues 195
mentale Geste der einen, die pathetisch monumentale Geste der anderen Entwürfe und wies statt ihrer auf den formgeben- den Gehalt des Christentums hin. Neben die von seinem Vater er- erbte, von Carl Schäfer geschul- te, durch das Studium der Mei- sterwerke der rheinischen Spät- gotik noch gesteigerte Liebe zur mittelalterlichen Baukunst trat seit seiner Münchner Studien- zeit die Begeisterung für den süddeutschen Barock: Fried- rich v. Thiersch erweckte in ihm den Sinn für die rauschende Studienhaus der Herz-Jesu-Priester in Freiburg i.Br., Okenstraße Großartigkeit und die genialen Raumkompositionen des Barock. und des Rottenburger Marktbrunnens widme- Welche zwiespältigen Gefühle te. In späteren Schriften und Vorträgen und in und welche Gesinnungskämpfe müssen sich seinem ganzen Schaffen überhaupt offenbart in der Seele des jungen Baukünstlers abge- Carl Anton Meckel immer wieder ein tiefes spielt haben, als er im Alter von achtundzwan- Wissen um die mittelalterliche Baukunst und zig Jahren zusammen mit seinem Vater den eine stupende Vertrautheit mit ihren Werken. preisgekrönten Entwurf für das Kollegienhaus Als dankbarer Schüler seines Vaters und Carl der Freiburger Universität in reichen spätmit- Schäfers wies er auch darauf hin, wie die viel- telalterlichen Formen und gleichzeitig, aller- geschmähte Neugotik den Sinn für das Hand- dings ohne den Vater, den überreich baroc- werk des Steinmetzen und Zimmermanns, ken, gleichfalls preisgekrönten Entwurf für das des Schmiedes und Malers usw. belebt hat. Dresdener Rathaus schuf! Damals galt seine Bei aller handwerklichen Gesinnung galt ihm Liebe wohl mehr dem Barock. doch der Geist der mittelalterlichen Baukunst als das eigentliche Ziel. In seinen letzten Vor- Es ist überraschend, wie reich den beiden, trägen pries er die befruchtende Verbindung Vater und Sohn, Wettbewerbserfolge zuteil von Deutschtum und Christentum und forder- wurden und wie selten doch große Aufträge te, daß der Geist der echten Baukunst „nicht daraus erwuchsen. Immerhin hat Max Meckel nur ein Beten in der Kirche, sondern mit der über ein halbes Hundert Kirchen, zumeist in Kirche“ sein müsse. In seiner Kritik der Entwür- gotischen Formen, erbaut, so z. B. die Binger fe für das Reichsehrenmal bei Bad Berka (sie- Rochuskapelle und die Allerheiligenkapelle bei he die D. A. Z.) lehnte er in köstlicher, damals Niederlahnstein, die Karlsruher St. Bern- har- kaum mehr gewagter Ironie die mystischen duskirche und die Herz-Jesu-Kirdie zu F‘rei- Nornen und die Opfersteine im heiligen Grund, burg, die Ulmer katholische Garnisonskirche die hier präsentiert wurden, ab, ebenso wie die St. Georg und die besonders stimmungsvolle Burgenromantik oder die landschaftlich senti- 196
Kapelle auf dem Freiburger Neuen Friedhof, rung gelangte lediglich die St. Kon- radskirche die man jetzt unverständlicherweise niederge- zju Freiburg und die reife St. Annen- Kirche zu rissen hat. C. A. Meckel verehrte diese Werke Berlin-Lichterfelde, die im Jahre 1936 von dem seines Vaters, an denen er z. T. noch mitar- Berliner Bischof Graf Preysing eingeweiht wur- beitete, aber in den ersten Jahrzehnten brach de. bei ihm doch immer wieder die große Leiden- Auf profanem Gebiet ist der große Neubau des schaft zum Barock durch, oft etwas ungebän- Herder-Verlages 1910—1912, über den an an- digt und allzu pompös. Solche Jugendsünden derer Stelle dieses Heftes berichtet wird, wohl nannte der Meister später in leichter Selbstiro- das größte Werk, das Vater und Sohn gemein- nie „eine etwas zu fette Kost”. In seinem letz- sam schufen. ten Lebensjahrzehnt jedenfalls hat er sich von diesen Reminiszenzen aus der Schule Fried- Als weitere Profanbauten erwähnen wir nur richs v. Thiersch völlig freigemacht. Aber die das unvollendet gebliebene Studienhaus an früheste Arbeit, die die Fachwelt auf den Sohn der Okenstraße, den Entwurf für die Wieder- des berühmten Gotikers schauen ließ, der mit herstellung des Freiburger Kaufhauses, den dem II. Preis gekrönte Entwurf für das Dres- Saal „Beton und Zement“ des Münchner Deut- dener Rathaus erinnert, wenn auch entfernt, in schen Museums, das Goethetor zu Emmen- den ruhigen Flanken an den wenige Jahre zu- dingen und das kleine, aber reizvolle Schul- vor vollendeten Münchener Justizpalast seines haus zu Hecklingen. Lehrers Thiersch und in den rhythmisch sich Auch Meckels Wohnhäuser aus dem letzten wiederholenden Giebeln der Risalite an Ent- Jahrzehnt seines Lebens zeigen eine wesentli- würfe von Ratzel, der Schä- fer-Schüler wie C. che Vereinfachung, so vor allem die wohltuend A. Meckel, wie dieser von der mittelalterlichen schlichte Häuserzeile an der Tullastraße, die Formensprache des Altmeisters hinweg sich für die Siedlungsgesellschaft errichteten Bau- dem Barock zuwandte. ten am halbkreisförmigen Tennenbacherplatz Wir erleben heute eine gerechtere Würdigung zu Freiburg, das Haus eines Arztes in Stein- des Jugendstils. Wir sollten aber auch die feld i. O. und das so gänzlich unkonventionel- gleichzeitigen Werke der „historischen Schu- le Haus, das C. A. Meckel für sich selber an le“ gerechter beurteilen: wie zuchtvoll und ge- der Schöneckstraße zu Freiburg erbaute. Vor konnt sind doch die Bauten aus dem Schüler- diesen in seinen letzten Lebensjahren entstan- kreis Carl Schäfers, und wie glutvoll genial sind denen Werken verstummt die Frage, ob das gar seine Meißener Domtürme f Mittelalter oder das Barock Pate standen. Alles Formalistische ist abgefallen, geblieben ist der Den Übergang von den Kirchen in spätgoti- reine architektonische Ausdruck. Nur noch die schem Stil, die er mit seinem Vater schuf, zu ausgereifte Gestaltungskraft und werkgerech- den schlichten Spätwerken hatte die Heilig- te Durchbildung verraten das lange ertragrei- geistkirche zu Basel, die kurz vor dem ersten che Studium der Werke der Alten. Weltkrieg beendet wurde, gebildet. Meckels letztes Werk war der Um- und Aus- Die reifsten Pläne des alternden C. A. Mec- bau des 25 Jahre zuvor erstmals von ihm um- kel blieben leider nur auf dem Papier, so der gebauten Sparkassengebäudes zu Freiburg, gute Wettbewerbsentwurf für das Kraftwerk des spätgotischen Hauses zum Walfisch; sein Ryburg-Schwörstadt, für die Industrie- und innerer Ausbau fiel allerdings wenige Jahre Handelskammer zu Freiburg und für ganz ein- später dem großen Hiegerangriff zum Opfer. fache Kirchenbauten wie etwa die für Cottbus, Ein ähnlich feinfühliges Werk der Denkmalpfle- Pawelwitz und die besonders reizvolle Dorfkir- ge ist der Ausbau der Burgruine Sponeck che zu Kadlub in Oberschlesien. Zur Ausfüh- 197
zu einem Turmatelier für den Maler Hans Adolf Bühler. Das wichtigste Werk aus Meckels Spätzeit auf diesem Gebiet ist der St. Georgsbrunnen vor dem Frei- burger Münster. Hier hat Meckel bewie- sen, daß er als einer der letzten Meister noch „Zirkels Kunst und Gerechtigkeit“ beherrschte. In jenen Jahren schrieb Meckel, der eine ganze Reihe wertvoller Aufsätze und Vorträge hinterlassen hat, die Abhandlung über die Konstruktion der figurierten Gewölbe in der deutschen Spätgotik (Zeitschrift „Architektura“, I, 193 3), die sein profundes Wissen auf diesem Wohnhausblock Loretto - Reiterstraße in Freiburg i. Br. Spezialgebiet imponierend offenbart. Wer außer ihm hätte noch einen solchen Auf- Beherrscher mittelalterlicher Bauformen und satz schreiben können! Wer überhaupt wäre -konstruktionen konnte ihm in ganz Deutsch- so zu einem Lehrer der akademischen Jugend land keiner streitig machen. oder zum Leiter einer Münsterbauhütte beru- fen gewesen wie er! Aber erst spät, zu spät Wie in beruflicher so auch in menschlicher Hin- bemühte man sich darum, ihn für einen Lehr- sicht stellte seine starke und ehrfurchtgebieten- stuhl zu gewinnen, während er immerhin beim de Persönlichkeit eine unbestrittene Autorität Freiburger Münster wenigstens als Berater tä- dar. Dankbar und bewundernd folgte man sei- tig sein konnte. An Bedeutung als Baukünst- nen oft scharfen, stets aber klar durchdachten ler kam ihm unter den badischen Architekten Ausführungen auf großen Kongressen, so vor nur der ihm auch menschlich nahestehende allem auf den Denkmalpflegetagen. Es muß Franz Kuhn in Heidelberg, der aus Ebringen auch erwähnt werden, daß Meckel immer das bei Freiburg stammte, nahe. Seinen Rang als Recht des Künstlers aus das denkerische Aus- reifen und Ausfeilen der Entwürfe forderte im Gegensatz zu der ame- rikanischen Hetze unserer Tage, die keine Ehrfurcht mehr vor dem architektonischen Schaffen kennt. Als Mitbegründer und Vorsitzender lokaler und gesamtdeutscher Fach- verbände nahm er in Kol Haus Meckel am Schloßberg zu Freiburg i. Br. 198
legenkreisen eine hochgeachtete Stellung ein. scharfen Verstandes und seiner praktischen Die „Badische Heimat“ insbesondere ist ihm Kenntnisse keinewegs ein durch Wissenschaft für manche wichtige, im besten Sinne zeitnahe oder Technik infizierter Baukünstler, er war Gutachten zu besonderem Dank verpflichtet. vielmehr im innersten Herzen ein Poet, dem es immer um die freilich handwerklich fundier- Das reiche und bedeutende Lebenswerk, das te Baukunst, aber doch eben um die Kunst, Medoel in nicht ganz vier Jahrzehnten ge- niemals um das rein Technische ging. Auch schaffen hat, konnte hier nur andeutungswei- in diesem Sinne sollte der große Künstler und se dargestellt werden. Heute aber, dreizehn prächtige Charakter gerade uns Heutigen ein Jahre nach seinem Tode, darf man sagen, daß Vorbild sein. sein architektonisches Lebenswerk in den bald eineinhalb Jahrzehnten seit seinem Heimgang Am 2. Dezember 1938 ist C. A. Meckel für im- nichts an Bedeutung verloren, sondern im Ge- mer von uns gegangen. Sein Grab fand er un- genteil gewonnen hat. Wie für die Gegenwart ter der zierlichen Arkade der Familiengruft, die gemünzt sind manche seiner Äußerungen. in ihrer Wohlabgewogenheit und Originalität Audi wir, ja gerade wir Heutigen, können noch ein schönes Zeugnis von Carl Anton Meckels sehr viel aus seinen Werken lernen. Er war reifer Künstlerschaft bildet. eben trotz seines umfangreichen Wissens, Carl Anton Meckel 1875 - 1938 199
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