Das haut uns nicht um! - Gabriele Stegmann
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Schwer e pu unkt Gabriele Stegmann Das haut uns nicht um! Teamresilienz – was Teams stark Was ist Teamresilienz? und widerstandsfähig macht Resilienz (von lateinisch resilire „zurückspringen“, „abprallen“) bedeutet so viel wie Spannkraft, Elastizität und Widerstands- Schwierige Situationen und Herausforderungen kraft. Der Begriff kommt ursprünglich aus der Physik und hat zu meistern und daraus gestärkt herauszugehen sich mittlerweile in mehreren wissenschaftlichen Gebieten ist für den Einzelnen, aber auch für Teams eine etabliert. Im physikalischen Sinn wird der Begriff verwendet, wichtige Fähigkeit. Das hat uns nicht zuletzt um eine Materialbeschaffenheit zu bestimmen. Ein Material ist die Corona-Krise deutlich aufgezeigt. In mei- resilient, wenn es nach Druckausübung seine ursprüngliche ner Tätigkeit als Referentin und Coach kann ich Form wieder annimmt. Eine häufig verwendete Metapher immer wieder gut beobachten, wie unterschied- dafür ist der Schwamm. lich Teams mit Herausforderungen und Krisen umgehen. Während die einen in Drucksituationen Eine noch treffendere Metapher für Resilienz – übertragen auf fokussiert bleiben, nach Rückschlägen weiter- das System Mensch – ist für mich das japanische „Kintsu- machen, in schwierigen Situationen einen Sinn gi“-Verfahren. Bei diesem wird eine zerbrochene Keramik mit finden, optimistisch in die Zukunft blicken und Gold gekittet beziehungsweise ausgebessert und wieder zu- rasch wieder leistungsfähig sind, verharren ande- sammengesetzt. Statt den Makel der Reparatur zu verbergen, re in einem Zustand der Passivität und bestärken werden die Bruchstellen durch Goldstaub im Kleber noch her- sich gegenseitig in der Hilflosigkeit. Schwelende vorgehoben. Die Keramik gewinnt dadurch erheblich an Wert. Konflikte zwischen Teammitgliedern, schlechte Stimmung im Team und ausbleibende (wertschät- Diese Metapher fokussiert die inneren Kräfte und Stärken zende) Kommunikation, sind nur einige Symp- eines Menschen und zeigt uns zudem den Wert beziehungs- tome für geringe Resilienz. Was führt zu diesen weise die Chancen, die in Herausforderungen, Belastungen Unterschieden? Was machen resiliente Teams und Widerständen liegen. Sie können unser Leben im wahrs- anders? Welche Schlüsselfaktoren für erfolgrei- ten Sinne „vergolden“. che Teams gibt es und wie kann Teamresilienz gestärkt werden? Diese Fragen beleuchtet dieser Das Konzept der Resilienz als „psychische Widerstandsfä- Beitrag. higkeit gegenüber biologischen, psychologischen und psy- 26 Durchblick 2020
chosozialen Entwicklungsrisiken“ (Wustmann 2004,18) lässt 180 Teams untersucht, um Muster zu finden. Die Namens- sich auch auf das System Team übertragen. „Teamresilienz wahl war dabei keinesfalls zufällig und bezieht sich auf das bezeichnet die Fähigkeit eines Teams, seine Leistungsfähig- Zitat des Philosophen Aristoteles: „Das Ganze ist mehr als keit unter schwierigen Rahmenbedingungen (Krisen, Druck, die Summe seiner Teile.“ Als entscheidende Faktoren für den hohes Risiko, Wettbewerb, Veränderungen, Rückschläge) Teamerfolg wurden in dieser Studie folgende fünf Säulen zu erhalten und belastende Situationen gemeinsam gut und ermittelt (Weber,P. o. A.): ohne Beeinträchtigung zu bewältigen. 1. Psychologische Sicherheit: Trotz Stressbedingungen bleibt ein resilientes Team produk- Jeder weiß, dass er im Team wertgeschätzt wird, auch wenn tiv und eignet sich weitere Kompetenzen an, um mit den er Fehler macht, Kritik übt oder auf Probleme hinweist. Belastungsfaktoren immer besser umgehen zu können“ (Kainzbauer & Brandhuber, 2015, S. 4). Wie beim einzelnen 2. Zuverlässigkeit: Menschen ist die Resilienz eines Teams ebenfalls ein dyna- Die Mitglieder können sich gegenseitig aufeinander verlassen, mischer, aktiver Prozess, der auch präventiv initiiert werden sie wissen, jeder setzt sich bestmöglich für die gemeinsamen kann (vgl. Huber 2019, S. 23f.). Aufgaben ein. Jammer-Team oder Power-Team? Was 3. Klare Strukturen, Ziele und Rollen: machen resiliente Teams anders? Die Ziele sind klar formuliert und die Aufgaben entsprechend Teamresilienz zeigt sich häufig anhand von bestimmten verteilt; die Teamleitung hat die Rollen so verteilt, dass die Symptomen und Merkmalen. Petra Weber (o. A.) vom Coa- Teammitglieder ihre Stärken am besten ausspielen. chingzentrum Heidelberg hat eine gute Gegenüberstellung gemacht, anhand derer Führungskräfte auch gleich einschät- 4. Sinnhaftigkeit der Aufgabe: zen können, ob ihr Team eher zu den „Power-Teams“ oder zu Die Teammitglieder sind überzeugt, dass ihre Aufgabe und ihr den „Jammer-Teams“ gehört: Ziel sinnvoll für die Organisation und in gewissem Sinn auch für die Welt ist. Schlüsselfaktoren erfolgreicher Teams Was macht ein erfolgreiches Team aus? Warum scheitern 5. Persönliches Anliegen: einige, während andere Bestleistungen erreichen? Im Jahr Die Aufgaben des Teams sind für die Mitglieder auch ein 2012 ist Google diesen Fragen in seinem „Project Aristotle“ großes persönliches Anliegen. Die Mitglieder haben einen nachgegangen und hat in einem Zeitraum von zwei Jahren intrinsischen Anreiz, ihr Bestes zu geben. Merkmale hoher Teamresilienz Merkmale mangelnder Teamresilienz Resiliente Teams Teams mit wenig Resilienz sind optimistisch und reden über ihre Erfolge und Fort- sind pessimistisch, klagen oft darüber, wie schwierig alles schritte ist akzeptieren Veränderungen und konzentrieren sich auf die tun sich schwer, Veränderungen anzunehmen, wollen, dass damit verbundenen Chancen alles bleibt, sehen eher die Probleme denken, reden und handeln aktiv und lösungs- und hand- reden mehr über die Probleme und erwarten, dass andere lungsorientiert sie lösen zeigen Initiative und machen von sich aus Verbesserungs- bringen wenig eigene Ideen ein und zeigen wenig Initiative vorschläge übernehmen Verantwortung, auch wenn etwas schiefläuft suchen die Schuld bei anderen oder in den Umständen glauben daran, anstehende Herausforderungen bewältigen fühlen sich schnell überfordert, wenn neue Herausforderun- zu können gen anstehen stecken Rückschläge weg und verfolgen beharrlich ihre neigen dazu, eher zu resignieren, wenn es schwierig wird Ziele verstehen sich gut und unterstützen sich gegenseitig sind häufig auch untereinander in Konflikte verstrickt sprechen Probleme an, diskutieren offen und können auch halten ihre eigene Meinung eher zurück, neigen zum Ja-Sa- sachlich engagiert streiten gen und reden eher „hinten herum“ freuen sich über Erfolge von Teamkolleg*innen würdigen wenig den Erfolg anderer, sind eher missgünstig sind sehr engagiert, motiviert und leistungsstark zeigen wenig echtes Engagement und sind eher leistungs- schwach Durchblick 2020 27
Schwerpunkt Wie kann man Teamresilienz stärken? werden, steigert die Innovationskraft eines Teams. In einer Ausgehend von diesen fünf Säulen lassen sich Bausteine und von Akzeptanz und Wertschätzung geprägten Teamkultur gibt Elemente ableiten, um die Resilienz im Team zu stärken (vgl. es weniger „Ja-Sager“, die Teammitglieder denken aktiv mit, Weber & Ullmann, o. A.) suchen nach Lösungs- und/oder Verbesserungsvorschlägen. Auf der normativen Ebene braucht es zunächst einen ge- Wenig resiliente Teams fühlen sich häufig in der Opferrolle, meinsamen Wertekern und eine Zukunftsvision. Team- klagen über die Umstände und kommen schwer in die Gän- werte können auch als „emotionaler Klebstoff“ bezeichnet ge. Resiliente Teams handeln initiativ und gestalten. Sie werden. Sie bilden die Basis und spiegeln, worauf es dem glauben an sich, ihre Fähigkeiten und die Möglichkeit eines Team im Arbeitsalltag besonders ankommt. Werte müssen positiven Ausgangs ihrer Handlungen. Dies impliziert auch im Alltag gelebt werden, das setzt eine starke Identifikation eine zuversichtliche Haltung bezüglich der Zukunft, trotz voraus. Allein die schriftliche Verankerung in Konzeption oder oder vor allem wegen widriger Umstände. Führungskräfte Leitbild ist zu wenig. Führungskräfte sind angehalten, die können das Team in dieser Haltung unterstützen, indem sie Kernwerte vorzuleben, immer wieder darüber zu reden und viel positives Feedback geben, Erfolge würdigen und wert- darauf zu achten, dass sie konsequent umgesetzt werden. schätzen, aber auch selbst eine optimistische und engagierte Ein positives, emotional ansprechendes und visuell präg- Haltung einnehmen und vorleben. nantes Bild der Zukunft (Vision) gibt den Teammitgliedern Orientierung, schafft Begeisterung und stiftet Sinn. Resiliente Teams konzentrieren sich bei Problemen mit ihrer Aufmerksamkeit sofort auf das Mögliche und den Lösungs- Gemeinsame und herausfordernde Ziele sind die Mei- raum, sie sind lösungsorientiert und nicht problemfokussiert. lensteine auf dem Weg zur Vision. Sie spornen an, motivie- Was können wir jetzt tun? Wie können wir das Beste aus der ren und ermöglichen dem Team Fortschritte und Erfolge zu Situation machen? Was ist das Gute daran? Dadurch sind sehen. Werden diese auch noch entsprechend gewürdigt, oder werden sie handlungsfähig. Führungskräfte können dies entsteht das Gefühl von Selbstwirksamkeit, von „Yes we can“. unterstützen, indem sie lösungsorientierte Diskussionsprozes- Ziele sollten mit dem Team im Dialog regelmäßig überprüft se initiieren und moderieren. und angepasst werden, so bleiben alle ein- und angebunden. Nicht immer geht alles glatt. Unerwartete Rückschläge, Fehler Klare verbindliche Strukturen und Rollen sowie Grund- und Probleme sind normal, sie gehören dazu. Davon lassen regeln für die Zusammenarbeit sind die Basis für effizien- sich resiliente Teams nicht beeindrucken oder gar entmuti- tes Arbeiten im Team. Sie verhindern Spannungen, Konflikte gen. Ein konstruktiver Umgang mit Rückschlägen und und „Soziales Faulenzen“ nach dem Motto „Toll, ein anderer Niederlagen entsteht, wenn sich Teammitglieder gegenseitig macht´s!“ unterstützen, aneinander glauben und sich Mut machen. Eine Führungskraft, die die Anstrengungen des Teams wahrnimmt, Eine offene und konstruktive Kommunikationskultur, in anerkennt, lobt, ermutigt und immer weiter anspornt, unter- der verschiedene Meinungen gehört und (angstfrei) diskutiert stützt diese Haltung zusätzlich. 28 Durchblick 2020
Intrinsische Motivation ist der Motor für Engagement und HUBER, M. (2019): Resilienz im Team. Ideen und Anwen- Leistungsstärke. Sie entsteht in einem Klima der Wertschät- dungskonzepte für Teamentwicklung. Wiesbaden: zung. Wer merkt, dass seine Leistungen geschätzt werden, Springer und Rückhalt erfährt, strengt sich auch gerne an. Dass WEBER, P. & ULLMANN, M. (o. A.): Das Modell der Teamresili- Wertschätzung der mit großem Abstand wichtigste Faktor für enz – was Teams stark macht. Verfügbar unter: Motivation und Einsatz im Beruf ist, bestätigen inzwischen www.teamresilienz.de/informationen-und-tipps/das-team- zahlreiche wissenschaftliche Studien. resilienz-modell/ (03.08.2020) WEBER, P. (o. A.): Jammer-Team oder Power-Team. Verfügbar Auch Reinhard Haller (2019) weist in seinem kürzlich erschie- unter: www.teamresilienz.de/informationen-und-tipps/ nen Buch „Das Wunder der Wertschätzung. Wie wir andere teamresilienz-merkmale/ (03.08.2020) stark machen und dabei selbst stärker werden“ auf die Kraft WEBER, P. (o. A.): Die Schlüsselfaktoren erfolgreicher Teams der Gratifikation (wissenschaftlich etablierter Begriff für alles, – das Google-Aristoteles Projekt und was Führungskräfte was im beruflichen Umfeld mit Anerkennung, Lob und Dank- daraus lernen können. Verfügbar unter: barkeit zu tun hat) darauf hin. www.teamresilienz.de/informationen-und-tipps/ schl%C3%BCsselfaktoren-erfolgreicher-teams/ Eine Unternehmenskultur, die auf gegenseitiger Wertschät- (03.08.2020) zung beruht, führt nachweislich zu mehr Zufriedenheit, WUSTMANN, C. (2004): Resilienz. Widerstandsfähigkeit von höherer Produktivität und stärkerer Identifikation der Mitarbei- Kindern in Tageseinrichtungen fördern. Weinheim: Beltz ter*innen mit dem Unternehmen. Wertschätzung ist ein psy- chologischer Schutzfaktor. Es ist Aufgabe der Führungskraft Gabriele Stegmann ein entsprechendes Klima zu entwickeln und zu fördern. ist Referentin & Coach im Bereich Elementar- pädagogik, CoCoon – Hier reifen Kompetenzen Dafür braucht sie neben fachlichen Kenntnissen eine hohe www.co-coon.at soziale Kompetenz, denn „die ideale Führung ist an einzelne Gruppenmitglieder individuell, angepasst, richtet sich aber auch nach der Art der Gruppe“, so Haller (S. 186). „Immer utigende, anspornende, integ- erforderlich sind fördernde, ermutigende, sende, immer aber wertschät- rierende, manchmal auch bremsende, zende Anregungen“ (ebd.). Fazit Teams sind nicht per se resilient oder nicht resilient. Sie fallen auch nicht einfach vom Himmel. Resilienz im Team ist ein ielen Faktoren beeinflusst dynamischer Prozess, der von vielen n sich durch ihre gut funktio- wird. Resiliente Teams definieren sönlichen Ressourcen jedes nierenden Prozesse und die persönlichen stsein für die vorhandenen Einzelnen. Je größer das Bewusstsein Ressourcen ist, umso besser ist die Resilienz im Team. Zudem haben die Art und der Stil til der Führung wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung von Schutzfaktoren für Resilienz nzfördernden Arbeitsbedin- sowie die Gestaltung von resilienzfördernden gungen. Spezifische Fort- und Weiterbildungen für Führungs- ndividuelle Bera- kräfte, Teamschulungen sowie individuelle eute können bei tungen durch qualifizierte Fachleute der Entwicklung und Stärkung von on Resilienz im sten. Team einen wichtigen Beitrag leisten. Literatur HALLER, R. (2019): Das Wun- der der Wertschätzung. Wie wir andere stark machen und dabei selbst stärker werden. Mün- chen: Gräfe und Unzer Verlag GmbH Durchblick 2020 29
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