Das Janus-Gesicht der Macht - Persönliche und gesellschaftliche Konsequenzen rücksichtnehmender versus rücksichtsloser Einwirkung auf Andere ...

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Das Janus-Gesicht der Macht
  Persönliche und gesellschaftliche Konsequenzen
    rücksichtnehmender versus rücksichtsloser
               Einwirkung auf Andere

                Wolfgang Scholl
          Humboldt-Universität zu Berlin

              Das Janus-Gesicht der Macht          1
Das Janus-Gesicht der Macht
                      Gliederung

• Macht als Potenzial
• Nutzung des Potenzials:
  Machtausübung, Einflussnahme und Manipulation
• Reaktionen der Betroffenen auf Macht und Einfluss
• Rückwirkungen auf den Machtausübenden
• Konsequenzen für Wissen und Effektivität
• Zusammenfassung

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Macht als Potenzial –
            Gängige Definitionen
Macht kommt von got. „magan“ = vermögen. Power, pouvoir
etc. kommen von lat. „potis“ = vermögend, mächtig; „potis
esse“ = mächtig sein, vermögen wird zu „posse“ = können.

-"Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Bezie-
hung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzu-
setzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht" (Max Weber)
-"A hat Macht über B in dem Maß, wie er B dazu bringen kann,
etwas zu tun, was B sonst nicht getan hätte" (Robert A. Dahl)
-"Unter Macht wird das Vermögen verstanden, auf das Verhalten
anderer Einfluss zu nehmen" (Michael Argyle)
-"Macht ist die Fähigkeit zu handeln" (Rosabeth M. Kanter)
Wer möchte diese Fähigkeit nicht haben?

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Macht als Potenzial –
Forschungsergebnisse (Keltner et al., 2003)
Hohes Machtpotenzial               Geringes Machtpotenzial
¾ Gefühle: Positive Stimmung,  Gefühle: Negative Stimmung,
  Stolz, Begehren, Freude; bei Ehrfurcht, Scham, Schuld;
  Anmache: Ärger, Verachtung. bei Anmache: Furcht, Angst.
¾ Aufmerksamkeit liegt auf         Aufmerksamkeit liegt auf
  Belohnungen, Chancen;            Bedrohungen, Gefahren;
  Andere als mögliche Mittel       Selbst als mögliches Mittel
  für eigene Zwecke.               für die Zwecke Anderer.
¾ Automatische Kognitionen:        Systematischere Kognitionen:
  Stereotype Kognitionen,          Individuierende Kognitionen,
  Outgroup-Diskriminierung,        Ingroup-Diskriminierung,
  Ingroup-Favorisierung.           Outgroup-Favorisierung.
¾ Verhalten: Zupackend,            Verhalten: Gehemmt,
  nach eigenen Vorstellungen,      kontextabhängig,
  ggf. normüberschreitend.         auf Normen achtend

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Macht als Potenzial
           – und dessen Nutzung
• Macht zu haben, fühlt sich gut an.
• Mit Macht kann man viele andere Belohnungen erlangen,
  so dass ein Machtpotenzial an sich belohnend wirkt, schon
  vor jeder Nutzung. Macht ist ein sekundärer Verstärker
  (Psychologie), ein generelles Tauschmedium (Soziologie).
• Daher: Menschen streben nach Kontrolle anderer.

• Macht zu haben ist das eine; das Potenzial zu nutzen ist –
  je nach den Folgen für die Betroffenen – etwas anderes,
  denn mit Macht kann man andere schützen und fördern
  oder aber angreifen, benachteiligen und - im Doppelsinne
  des Wortes - verletzen. Etliche Autoren unterscheiden
  daher zwischen Machtausübung und Einflussnahme und
  eventuell Manipulation:

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Einflussnahme, Machtausübung
  und Manipulation (Scholl, 1976, 1991)
• Einfluss(nahme) ist eine intendierte Einwirkung von A auf das
  Erleben und/oder Handeln von B, die im Einklang mit den
  Interessen von B ist. → Die Interessen von B werden gewahrt
  oder gefördert.
• Macht(ausübung) ist eine intendierte Einwirkung von A auf
  das Erleben und/oder Handeln von B, die gegen die Interessen
  von B ist. → Die Interessen von B werden verletzt.
• Manipulation ist eine Machtausübung von A auf B, die von B
  entweder gar nicht bemerkt wird oder als Einflussnahme wahr-
  genommen wird, weil die Verletzung der Interessen von B
  nicht bemerkt wird. → Die Interessen von B werden verletzt,
  aber es wird von B nicht registriert oder nicht A zugeschrieben.
• Soziale Einwirkung – als Oberbegriff - ist gegeben, wenn A
  das Erleben und/oder Handeln von B (mit)verursacht.
  Die Einwirkung ist umso stärker, je mehr Varianz im Erleben
  und Handeln von B durch A verursacht wird. Ein Machtpotenzial
  im bisherigen Sinne ist hier also ein Einwirkungspotenzial.

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Empirische Untersuchung von
    Macht- und Einflussepisoden
•   Beschäftigte in Organisationen werden mit der Macht-
    Einfluss-Unterscheidung vertraut gemacht, die im übrigen
    dem deutschen Alltags-Sprachgebrauch entspricht.
•   Sie schildern vier Episoden: Macht selbst ausgeübt,
    Einfluss selbst ausgeübt, Machtausübung erfahren,
    Einflussnahme erfahren.
•   Instruktionsbeispiel:
    1.  "Erinnern Sie sich an eine Situation an Ihrem Arbeitsplatz, in der
        Sie Macht ausgeübt haben. Skizzieren Sie diese Situation und
        beschreiben Sie, was Sie erreichen wollten."
    2. "Beschreiben Sie, welche Strategie Sie benutzt haben, um an Ihr
        Ziel zu kommen."
    3. "Beschreiben Sie Ihre Gedanken und Gefühle im Zusammenhang
        mit der Machtausübung"
    Weitere skalierte Fragen zu Reaktionen, Lernen usw. folgten.

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Beispiel Machtausübung
1. Ich arbeitete in einem Ferienjob am Fließband in einer
   Fensterproduktion. Manchmal musste ich Leim an einer Ecke
   auftragen. Die vorgegebene Zeit war schwer einzuhalten,
   daher fing ich an, einfach die ganze Kante zu bestreichen,
   was schneller ging. Ein Kollege weiter hinten musste
   allerdings mehr überflüssigen Leim abwischen.
2. Einmal kam ein Kollege und sagte, dass ich ihm unnötig
   Arbeit machen würde. Ich entschuldigte mich und sagte,
   dass ich es nicht gewusst hätte und dass ich es noch nicht
   so gut kann. Da die Kollegen immer wieder wechselten,
   machte ich einfach weiter so.
3. Ganz zu Anfang versuchte ich, es besser zu machen, aber
   dann war ich ganz zufrieden mit meiner nachlässigeren
   Arbeitsweise. Ich rechtfertigte mich damit, dass für den
   anderen das Abwischen sicher nicht schwerer war als das
   erleichterte Auftragen für mich. Außerdem war ich neu.
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Beispiel Einflussnahme
1. Ich bin Tanzlehrerin und hatte mit einer anderen Frau eine
   6-Minuten Show für 14 Tänzer und Tänzerinnen vorzu-
   bereiten. Gefordert waren vor allem technisch schwierige
   Figuren, aber die Kollegin wollte mehr freie Jazz-Elemente
   unterbringen und im Wettbewerb besser dastehen.
2. Sie traf sich wöchentlich mit mir, machte ihre Ideen und
   Interessen ganz klar, war aber auch sehr offen für meine
   Ideen und akzeptierte sie. Ich veränderte meine Musik, die
   sie nicht mochte, bis wir beide zufrieden waren. Mein Show-
   Konzept mit der grundlegenden Choreographie blieb
   gewahrt, enthielt nun aber mehr Jazz-Elemente.
3. Zunächst fühlte ich mich überfordert von ihren Wünschen,
   und die ständigen Abstimmungen und Revisionen waren
   harte Arbeit. Als die Saison voranschritt, wurden schritt-
   weise Erfolge sichtbar, und am Ende war das Team
   erfolgreich, und wir waren beide zufrieden.
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Grundlagen sozialer Einwirkung
Wirkung auf die Alternativenwahl       Scholl (1976, 1991):   French & Raven
des / der Betroffenen                  Grundlagen sozialer    (1959):
                                       Einwirkung             power bases

Ausschluss aller Alternativen          Zwang
                                                              Coercive power
Höhere Kosten für präferierte Alt.     Bestrafung

Anordnung e. Alternative (Kombi)       Legalität              Legitimate p.

Indirekter Ausschluss e. Alternative   Situationskontrolle

normative Akzeptanz der Alternat.      Legitimation           Legitimate p.
Höherer Nutzen e. Alternative          Belohnung              Reward p.

Identifikation mit Bezugsperson        Attraktivität          Referent p.

Übernahme Alternativenbeurteilung      Sachkenntnis           Expert p.

Neubeurteilung der Alternativen        Information            Information i.

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These: Je restriktiver eine Grundlage, umso
 mehr eignet sie sich zur Machtausübung
  Wahrscheinlichkeit von   Wirkung auf die                 Scholl (1976,         French &
  Macht                    Alternativenwahl                1991)                 Raven (1959):
  Einfluss                 des / der Betroffenen                                 power bases
                           (Alt. = Alternativen)
                           Ausschluss aller Alternat.      Zwang
                                                                                 Coercive power
                           Höhere Kosten f. präf. Alt.     Bestrafung

                           Anordnung e. Alternative        Legalität             Legitimate p.

                           Indirekter Ausschluss e. Alt.   Situationskontrolle

                           normative Akzeptanz d. Alt.     Legitimation          Legitimate p.

                           Höherer Nutzen e. Alt.          Belohnung             Reward p.

                           Imitation der Bezugsperson      Attraktivität         Referent p.

                           Übernahme Alt.beurteilung       Sachkenntnis          Expert p.

                           Neubeurteilung der Alternat.    Information           Information i.

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Verteilung von Macht und Einfluss
 über die Einwirkungsgrundlagen
Grundlagen Macht Einfluss
Bestrafung      29     1
Legalität       192   21
Sit.kontrolle   33     8
Legitimität     34    57
Belohnung        5    28
Attraktivität    3    10
Sachkenntnis 15       51
Information     17    75
                                  0%    20%     40% 60% 80%   100%
Episoden        328   251
                                              Machtausübung

(Reanalyse der Daten von Buschmeier, 1995)
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Emotionale Reaktionen der
 Macht- bzw. Einfluss-Betroffenen
               (Reanalyse der Daten von Buschmeier, 1995)

      120

      100
       80

       60
       40

       20
        0
    Personen       Beeinflusste                 Bemächtigte
    Emotionen        Positiv          Neutral         Negativ
Die Macht-Einfluss-Unterscheidung muss zur Unterscheidung
von hohem und geringem Einwirkungspotenzial hinzukommen!
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Weitere Konsequenzen bei den Betroffenen:
           Psychologische Reaktanz
• Reaktanz ist ein motivationaler Zustand, eine bedrohte oder
  verlorene Freiheit zu schützen bzw. wieder herzustellen.
• Stärke der Reaktanz hängt ab von
   – der Wichtigkeit der Freiheit für die Person,
   – der Stärke der Freiheitseinengung.
• Verhaltensreaktion
   – Widerstand: direkte Wiederherstellung der Freiheit; oder
   – indirekte Wiederherstellung durch demonstrative Eigenständigkeit.
• Emotionale Reaktion: Ärger.
• Kognitive Reaktion: Aufwertung der versperrten Alternative.

Î Offene Machtausübung sollte zu Reaktanz führen.

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Weitere Konsequenzen bei den Betroffenen:
            Erlernte Hilflosigkeit
 • Wenn einem Individuum Ereignisse widerfahren, die
   durch sein Verhalten nicht änderbar sind, d. h. wenn
   sie unkontrollierbar sind, dann führt das zu erlernter
   Hilflosigkeit.
 • Erlernte Hilflosigkeit hat drei Folgen:
    – Verhalten: Passivität; es fehlt der Anreiz, etwas zu tun
    – Emotion: Traurigkeit, Depression
    – Kognition: Lernen ist beeinträchtigt, Änderungen der
      Situation werden oft nicht bemerkt.
 Î Machtausübung, gegen die Widerstand zwecklos ist,
   sollte zu erlernter Hilflosigkeit führen.

 • Reaktanz und Hilflosigkeit scheinen unvereinbar, aber ...

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Reaktionen auf Kontrollverlust –
  integriertes Modell (Wortmann & Brehm, 1975)

      hoch                         Wichtiges
                                   Ereignis:

                                                               Reaktanz
Motivation,
  Kontrolle
auszuüben

                                                               Hilflosigkeit
                 Weniger
                 wichtiges
    gering       Ereignis:

              gering    Erfahrung der Unkontrollierbarkeit   hoch

Dieses Modell wurde sowohl experimentell als auch bei
Arbeitslosen bestätigt .
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Wirkung von Macht und Einfluss
 auf Reaktanz und Hilflosigkeit

 5                Macht               Einfluss              Angaben von
                                                            Beschäftigten,
                                                            (Buschmeier,
 4
                                                                1995)
 3

 2

 1

 0

 -1   Widerstand      Widerstand       Inneres          Hilflosigkeit
      aus Sicht des   aus Sicht des    Widerstreben     (Widerstreben
      Einwirkenden    Betroffenen      d. Betroffenen   - Widerstand)

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Machtausübung korrumpiert den
     Machthaber ... psychisch
Kipnis prüfte und bestätigte folgende Thesen (1976):
• Ein hohes Machtpotenzial erhöht die „Versuchung“ für den
   Machthaber, verfügbare härtere Mittel zur Durchsetzung
   persönlicher Vorstellungen einzusetzen, auch gegen die
   Interessen der anderen.
• Nutzt der Machthaber seine Überlegenheit und fügen sich die
   anderen, dann sieht er deren Leistung als nicht selbst,
   sondern von ihm verursacht;
• er findet eine Rechtfertigung seines Tuns in der Abwertung
   der Betroffenen: die sind nicht fähig, haben kein Recht,
   verdienen es nicht besser ... und in der Aufwertung seiner
   Person als wertvoller.
• Er distanziert sich von den Betroffenen und wird in Zukunft
   noch eher geneigt sein, seine Überlegenheit auszuspielen.

                    Das Janus-Gesicht der Macht             18
Machtausübung korrumpiert den
  Machthaber ... auch materiell
Mitchell et al. (1998) bestätigten folgende Thesen:
• Personen in höherer Machtposition unterliegen weniger
   strengen Kontrollen (geprüft an Business Schools).
• Personen in höherer Machtposition haben mehr Spielraum,
   weniger klare Erwartungen und mehr soziale Distanz nach
   unten (große Ölgesellschaft).
• Personen in höherer Machtposition schreiben sich Erfolge
   eher selbst zu, Misserfolge eher den Umständen. Bei
   geringerer Macht schreiben sie es eher ungenügender
   eigener Anstrengung und Fähigkeit zu (Experiment).
• Mehrdeutige Standards und fehlende Sanktionssysteme
   führen zu mehr organisationaler und persönlicher Krimina-
   lität (180 Elektronik-Firmen).
• Klare Standards und Rechenschaftspflicht vermindern ille-
   gale Handlungen; allerdings nimmt auch das freiwillige
   Engagement für die Organisation ab (Experiment).
                   Das Janus-Gesicht der Macht                 19
Machtausübung wird den „Tätern“
 oft nicht (sofort) bewusst, weil
• sie sich an ihre eigenen Rechtfertigungen gewöhnt haben
  bzw. ihrer eigenen Propaganda zunehmend glauben (s.o.),
• es gesellschaftlich vorfabrizierte Rechtfertigungen gibt, z.
  T. mit der Folge selbsterfüllender Prophezeiung,
   – die Vorrechte aufgrund angeblicher Fähigkeitsunterschiede
     zuteilen, weil die anderen genetisch oder kulturell niedriger
     stehen (Rassismus, Kolonialismus; Sexismus: Logik,
     Rationalität, Führungsfähigkeit eher bei Männern?),
   – die Änderungen zugunsten der Benachteiligten als Fehlverhal-
     ten ablehnen und entsprechend bewertete Subtypen kreieren
     (die abstoßende Karrierefrau, das Mannweib, die Lesbe, die
     Emanze versus die fürsorgliche Mutter oder das Vollweib),
• wahrgenommene Machtpotenziale automatisch rücksichts-
  lose (oder rücksichtnehmende) Ziele und entsprechende
  Handlungen auslösen können wie z. B. sexuelle Übergriffe
  (Bargh & Alvarez, 2001).
                     Das Janus-Gesicht der Macht                     20
Machtausübung, Einflussnahme
       und Wissensproduktion
Machtausübung beeinträchtigt die Wissensproduktion, weil
• mächtigere Personen Diskussionen oft beenden, wenn sie ihre Inter-
  essen gefährdet sehen;
• Personen mit abweichender Meinung unter Konformitätsdruck kommen;
• Personen mit relevantem Wissen, aber geringerem Status oft nicht
  gehört oder von Entscheidungen ausgeschlossen werden;
• Informationen manipuliert werden zugunsten der persönlich präfe-
  rierten Alternativen;
• Reaktanz oder Hilflosigkeit als Reaktionen auf Machtausübung den
  Prozess der Wissensgewinnung weiter verschlechtern.
Einflussnahme dagegen fördert die Wissensgewinnung; sie
• fördert den Austausch unterschiedlicher Meinungen und Standpunkte;
• erfordert fortgesetzte, intensive Diskussionen;
• induziert eine Suche nach neuen, besseren Alternativen, mit denen sich
  die Interessen aller Beteiligten besser befriedigen lassen
• lässt Statusunterschiede in den Hintergrund treten.
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Wissenszuwachs bei Macht-
ausübung und Einflussnahme
„Inwiefern haben Sie (der Einwirkende), Ihrer Meinung nach, im
Verlauf der Situation neue Erfahrungen und Kenntnisse gewon-
nen?“ (Untersuchung 9)

         Macht-              Einfluss-
n        situationen         situationen         Skala   t      Sign
97       2.19                2.44                0-5     1.73   .044

„Hat die andere Person (Betroffener) von Ihnen Informationen,
Ideen und/oder Anregungen über die Sache, um die es bei der
Entscheidung ging, erhalten?“ (Untersuchung 4)
         Macht-              Einfluss-
n        situationen         situationen         Skala   t      Sign.
35       3.64                4.27                0-6     2.55   .008
nach Buschmeier (1995)
... und mangelndes Wissen führt zu geringerer Effektivität:
                   Das Janus-Gesicht der Macht                          22
Effektivität bei Macht-
    ausübung oder Einflussnahme
„Hat die Entscheidung zur Verwirklichung der Ziele und Aufgaben der
betrieblichen Änderung beigetragen?“ (Untersuchung 4)
                      Macht-         Einfluss-
beurteilt von    n    situationen    situationen     Skala t      Sign.

beiden Seiten 35      3.26           4.06            0-6   3.50   .001

„Inwieweit ist das Problem insgesamt gelöst worden? (Untersuch. 9)

                      Macht-         Einfluss-
beurteilt von    n    situationen    situationen Skala t          Sign.

Einwirkendem 94 3.75                 4.24            0-5   2.91   .002

Betroffenem      90 2.94             4.14            0-5   6.12   .000
nach Buschmeier (1995)

                       Das Janus-Gesicht der Macht                        23
Eine andere Untersuchung, andere
  Messungen, dieselben Thesen
• Innovation und Information (Scholl, 2004):
  20 gelungene und 20 misslungene Innovationen aus 16
  Unternehmen wurden aus ca. 5 Interviews pro Fall rekon-
  struiert; Informationspathologien wurden hier qualitativ
  erfasst. 4 der 5 Befragten füllten anschließend einen
  Fragebogen aus mit Fragen zu Informationspathologien,
  Konflikthandhabung, Handlungsfähigkeit und Innovations-
  erfolg.
• Wissenzuwachs wurde – umgekehrt gepolt - als Ausmaß
  von Informationspathologien gemessen.
• Machtausübung und Einflussnahme wurden als
  entsprechende Stile der Konflikthandhabung gemessen.
• Effektivität wurde als Ausmaß des Innovationserfolgs
  bestimmt.

                   Das Janus-Gesicht der Macht               24
Innovation   und Information
      Erhobene Innovationsfälle
                               (Scholl, 2004)
   42 untersuchte         Innovationsprozesse    aus 16 Unternehmen (A -P)

 Produkte                                        Verfahren

 Minidosiergerät (A)                             EDV- Materialwirtschaft (A)
 Hochdruckentladungslampe (C)                    PPS- Einführung (B)
 Antibiotikum (D)                                BTX- Vertriebsabwicklung (C)
 CD- Kunststoff (E)                              Phosphorsäureherstellung (I)
 Spezialverpackung (F)                           Galenik- Produktion (J)
 Konzertkopfhörer (G)                            EDV- Finanzbuchhaltung (K)
 Studiomikrofon (G)                    20        Stärkeäther - Herstellung (L)
 Leitungssuchgerät (H)             erfolgreich   EDV- Vertriebsabwicklung (L)
 Antibiotischer Futterzusatz (I)                 Electronic- Mail - Einführung (N)
 Exzenterschleifer (M)                           CAD- Einführung (O)

 Fehlerortungsgerät (H)                          Computergestützte Wertanalyse (B)
                                        2
 Induktionsmeßsonde (A)
                                                 EDV- Angebotsverfolgung (A)
 Halogenlampe Japan (C)
                                                 PPS- Einführung (C)
 Magentherapeutikum (D)
                                                 PVC - Beschichtungsmaschine (F)
 Auto- Kunststoff (E)                            EDV- Produktionslogistik (J)
 Leichtkopfhörer (G)                             HICOM - Einführung (K)
 Universalmikrofon (G)                 20        Conticracker (L)
 Unterwassermesssonde (H)           erfolglos    BTX- Vertriebsabwicklung (N)
 Partikelmessgerät (H)                           EDV- Vertriebsdatenbank (O)
 Schnellkleber (L)
 Akku- Schleifer (M)
 Keramikwerkstoff (P)
 Synthetische Duftstoffe (P)

                       Das Janus-Gesicht der Macht                                   25
Informationspathologien
                                        und Innovationserfolg
                                                                               Informationen wurden ..
                                       100

                                        80                                     ..nicht (korrekt)
                                                                      36
             Informationspathologien

                                                                                 verarbeitet.
                                        60
Anzahl der

                                                                               ..nicht (korrekt)
                                        40                            26
                                                  12                             übermittelt.

                                                  14                           ..nicht beschafft.
                                        20                            15
                                                  7                            ..nicht produziert.
                                                  10                  15
                                         0
                                               gelungene         misslungene
                                       Ø 2.2   Innovation         Innovation     Ø 4.8
                                                 Das Janus-Gesicht der Macht                             26
Ursachen von
   Informationspathologien
                                                      35

                            Informationspathologien
               Anzahl der
                                                      30

                                                      25

                                                      20
 misslungene
Innovationen                                          15

 gelungene                                            10
Innovationen
                                                       5

                                                       0
                                        es ein          en            gs-             ng         ene
                                       d    s        nk             n              bu          ss gen
                                   geln usst      d e        d i gu
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                                                                                         g
                                   m               Ve Pro                           Un Vors "W
                              oble       W                           Ma                       n         27
                            Pr                                                              vo
Macht, Einfluss und Effektivität
                                  Effektivität
                                 (Innovationserfolg)
         +.31                                                 +.34

      Wissenszuwachs                                    Handlungs-
      (wenig Info.pathologien)                           fähigkeit

         +.28
                          +.47                     –.33
       Einflussnahme                                       Macht-
      (Interessenberücksicht.)                            ausübung

                                      –.33

Pfadmodell der Konsequenzen von Machtausübung und Einflussnahme
auf die Effektivität (chi2=5.24, df=4, p=.26, GFI=.94)
                          Das Janus-Gesicht der Macht                28
Zusammenfassung
• Ein hohes Macht- bzw. Einwirkungspotenzial ermöglicht
  Kontrolle; es ist in sich belohnend und wird erstrebt.
• Bei der Nutzung des Macht- bzw. Einwirkungspotenzials ist zu
  unterscheiden, ob es autonomiefördernd oder einschränkend
  genutzt wird oder – anders gesagt – ob im Einklang mit den
  Interessen der Betroffenen (= Machtausübung) oder gegen
  deren Interessen (= Einflussnahme).
• Machtausübung führt – anders als Einflussnahme - bei den
  Betroffenen zu negativen Gefühlen sowie zu Reaktanz oder
  Hilflosigkeit.
• Machtausübung korrumpiert die Machtausübenden durch
  Rechtfertigungen, Abwertung der Betroffenen, Selbstauf-
  wertung und verstärkt – auch aufgrund geringerer Kontrollen
  – die Missachtung moralischer und legaler Standards.
• Machtausübung schädigt die soziale Gemeinschaft durch
  geringere Wissensproduktion und geringere Effektivität.

                    Das Janus-Gesicht der Macht              29
Das Janus-Gesicht der Macht ...
   zeigt sich erst in der Nutzung des jeweiligen
Einwirkungs- bzw. Machtpotenzials, nämlich positiv
in der Berücksichtigung der Interessen anderer
oder negativ in ihrer Verletzung.
   Die Auswirkungen betreffen nicht nur die Ziel-
personen, sondern auch die Einwirkenden selbst
sowie das Wissen, die Handlungsfähigkeit und die
Effektivität der jeweiligen sozialen Einheit.
   Folgende Sinnsprüche fassen es gut zusammen:
   "Machtausübung korrumpiert, absolute Macht
   korrumpiert absolut."
   "Macht ist die Chance, nicht lernen zu müssen."
                Das Janus-Gesicht der Macht          30
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  Aufmerksamkeit

      Das Janus-Gesicht der Macht   31
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                            Das Janus-Gesicht der Macht                                  32
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                           Das Janus-Gesicht der Macht                                 33
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