Das Leben ist eine Baustelle

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Das Leben ist eine Baustelle
Das Leben ist
                                                          eine Baustelle
                                                       Wir erzählen Ihnen die aufregende Geschichte, wie ein einzelnes
                                                       Möbelstück eine Gründerzeitvilla veränderte, und wie dieses Haus
                                                                einer sechsköpfigen Familie erwachsen wurde.
                                                                                          Text und Produktion: Kerstin Rose, Fotos: Christian Schaulin

                                                        Die erhabene Villa stammt aus
                                                       dem Jahr 1918. Diese hat damals
                                                       ein waschechter General für sich
                                                        und seine Familie bauen lassen.

     Der unangefochtene Lieblingsplatz ist das blaue
     Zimmer mit dem ledernen De-Padova-Sofa und
        einem Flat-Screen-TV. (Beistelltisch von
      Meridiani, Büchergestell von MA/U Studio)

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Das Leben ist eine Baustelle
Das Esszimmer ist in den hinteren Teil des
                                                                                                Hauses direkt neben die Küche umgezogen.
                                                                                                       (Stühle von Maxalto/B&B)

       Wo früher der Esstisch stand,
      befindet sich heute der zentrale
     Wohnraum, der mit seinen Sofas das
            neue Herzstück ist.

                                                                                                          «Um den neuen,
                                                                                                       zentralen Kamin haben
                                                                                                       wir heute verschiedene
                                                                                                         Bereiche angelegt.»
                                                                                                                 CONSTANZE

86                                        Das Ideale Heim im Dezember/Januar 2021 — Im Wandel
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M
                          it einem neuen Sofa fing    Kleinkinder rasten mit Bobycars und Lauf-        schiedene Bereiche angelegt», sagt C
                                                                                                                                          ­ onstanze.
                          alles an. Die sechsköpfi-   rädern übers Parkett. Die L-Form der drei        Über Wochen suchten sie und ihr Mann mit-
                          ge Familie aus Ham-         ineinandergreifenden Räume sowie Türen an        hilfe von Ilka Kühls digitalen Moodboards
                          burg-Blankenese hatte       den passenden Stellen begünstigten «Ring-        passende Möbel, Leuchten und Stoffe aus,
                          sich für ein bequemes       rennen». Legosteine lagen wie Teppiche           stimmten Farben und Materialien ab.
                          Sofa von Verzelloni ent-    kunterbunt aus. Tempi passati! Die vier Kids
     schieden. Als sie es in einem Showroom in        sind jetzt Teenies und chillen lieber als zu              Ein Coaching fürs Leben
     der Speicherstadt erstmals begutachtete und      toben. Ideale Voraussetzungen für ein Face-
     Probe sass, hätte sie im Traum nicht daran       lifting der Flächen, dachte sich das Paar und    «Wir haben in dieser Zeit sehr viel gelernt,
     gedacht, dass sie bald auf einer Baustelle le-   begann, den Einkauf zu erweitern.                haben unsere Augen geschult und interessie-
     ben würde.                                             Zunächst jedoch wurde alles grundreno-     ren uns jetzt für Möbel und Farben, erken-
         Vor Ort im Gespräch mit der Interior-        viert, Holzfussböden wurden abgezogen und        nen Qualität besser», resümiert Constanze.
     Designerin Ilka Kühl wurde C   ­ onstanze und    geölt, Heizkörper modernisiert, Stuck ge-        Die Zusammenarbeit mit einer Interior-De-
     ihrem Mann jedoch klar, dass ein so edles        säubert, Fussleisten erneuert, Türen, Verklei-   signerin war wie ein Coaching, sie lernten
     Sofa eine passende Umgebung bräuchte. Bis        dungen, Fensterrahmen weiss lackiert.            Wünsche zu visualisieren und den eigenen
     dahin hatte sich die Einrichtung der drei        Gleich­zeitig entwickelten die Hausbewohner      Stil zu entwickeln.
     Wohnräume im Erdgeschoss ihrer Gründer-          und die Interior-Designerin die Idee, mithil-         Es ist nicht der erste grosse Wandel der
     zeitvilla beinahe symbiotisch mit dem Her-       fe e­ ines Gas-Kaminofens ein Zentrum zu         Villa in den letzten hundert Jahren. Ein
     anwachsen der Kinder verbunden. Möbel            schaffen. Früher befand sich dort der grosse     ­General hatte sie seinerzeit für sich gebaut
     mussten über Jahre vor allem stossfest und       Esstisch und blockierte die restliche Fläche.     und je ein identisches Anwesen links und
     schnell aus dem Weg zu räumen sein. Vier         «Jetzt haben wir um den Kamin herum ver-          rechts für Sohn und Tochter errichten lassen.

                                                                      Die drei Wohnräume sind L-förmig
                                                                   angeordnet und ermöglichten den Kindern
                                                                          spannende «Ringrennen».

           Im Vergleich
         zu den vorherigen
           Wandlungen
          des Hauses fühlt
           sich das neue
          Interiorkonzept
             geradezu
           erwachsen an.
                                                                                                                                                        Am Anfang der Geschichte zum Umbau
                                                                                                                                                        der Gründerzeitvilla standen die beiden
                                                                                                                                                            bequemen Sofas von Verzelloni.

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Das Leben ist eine Baustelle
«Wir haben in
                                                                                                                                         dieser Zeit sehr viel
                                                                                                                                            gelernt, haben
       Die Schlafzimmer in der
       oberen Etage bräuchten
                                                                                                                                            unsere Augen
        gemäss C
               ­ onstanze eine
      Auffrischung. Eile ist aber
                                                                                                                                             geschult und
     nicht geboten. (Stuhl: Gubi,                                                                                                          erkennen heute
         Leuchte: Foscarini)
                                                                                                                                          Qualität besser.»
                                                                                                                                                CONSTANZE

                                                  Die Privatsphäre des kleinen Arbeitsbereichs im Wintergarten hat es
                                                            Constanze, der Haus­herrin, besonders angetan.

                                    Als Constanze und ihre Familie es 2005 über-      ter war der Keller dran, den sie tiefer legen   «Ich habe Privatsphäre und bin dennoch an-
                                    nahmen, bauten sie zunächst architektoni-         liessen, um eine angenehme Raumhöhe zu          wesend.» Das Esszimmer ist in den hinteren
                                    sche Eingriffe wechselnder Vorgänger so gut       erhalten, und belichteten ihn mit grösseren     Teil Richtung Küche gezogen. Der unange-
                                    es ging zurück und gingen dafür auf Spuren­       Fenstern. Die Energie der vier Kindergarten-    fochtene Lieblingsplatz der sechsköpfigen
                                    suche. Unglücklicherweise waren alle Doku-        und Schulkinder erforderte neue Rahmenbe-       Familie ist jedoch das blaue Zimmer mit dem
                                    mente und Pläne zum Haus Jahre zuvor bei          dingungen. Es wurden Spiel- und Sporträu-       Flat-Screen. Hier fläzen sich hin und wieder
                                    einem Grossbrand im Bauamt zerstört               me eingerichtet sowie eine Unterkunft mit       alle sechs gemeinsam auf dem grossen lässi-
                                    ­worden. Sie mussten sich bei der Arbeit auf      Bad fürs Au-pair geschaffen.                    gen L ­ edersofa und sind rundum zufrieden
                                     Mutmassungen und Gespür verlassen. Zum                                                           mit i­ hrem neuen alten Zuhause.
                                     Schluss restaurierten sie gut erhaltene Origi-         Das neue Haus wurde erwachsen                   Wie es scheint, ist nun alles fertig, eigent-
                                     nal-Details wie Türen mit Bleiglas sowie                                                         lich. Die Schlafzimmer in der ersten Etage
                                     ­Deckenstuck.                                    Im Vergleich zu den vorherigen Wandlun-         müssten dringend gemacht werden. Bis zur
                                           Den grössten Eingriff nahmen sie in der    gen des Hauses fühlt sich das neue Interior-    nächsten entscheidenden Lebensphase aller
                                      Küche vor, erweiterten sie dank zweier an-      konzept geradezu erwachsen an. Vor dem          Kinder sind es jedoch noch ein paar Jahre.
                                      grenzender Miniräume und schufen einen          Kamin ist ein modern gemütlicher Wohn-          «Wenn die ersten ausziehen, verlagern mein
                                      Austritt in den rückwärtigen Garten. Unvor-     raum entstanden. Gleich zwei cremefarbene       Mann und ich unser Schlafzimmer vom
                                      stellbar, dass es diesen zuvor nicht gegeben    Sofas von Verzelloni werden von den Kin-        Dachgeschoss eine Etage tiefer», sagt
                                      hatte. Der General wie alle nachfolgenden       dern nach der Schule gern in der Horizonta-     ­Constanze, die Hausherrin. Bis dahin sucht
                                      Besitzer hatten offenbar den Garten nicht ins   len okkupiert. Constanze hingegen schätzt        sie in aller Ruhe Farben und Möbel aus. Sie
                                      Wohnkonzept integriert. Ein paar Jahre spä-     den kleinen A
                                                                                                  ­ rbeitsbereich im Wintergarten:     weiss ja jetzt, wie es geht.                ——

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