Das Markt- und Technologieumfeld ist reif für Connected Car
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REIFEGRAD VERNeTZTER Lösungen Das Markt- und Technologieumfeld ist reif für Connected Car Connected Car wird kommen! Offen ist, welche technologische und geschäftliche Architektur sich durchsetzt. Hürden, die derzeit noch existieren, können zeitnah gelöst werden. Die Verbindung zwischen Fahrzeug und Internet, in erster Variante über das mitgebrachte Smartphone, ist da. In kurzer Zeit werden auch im Fahrzeug eingebettete On-Board Connectivity Units (OBUs) für den Massenmarkt realisierbar sein.1 Die Automobilbranche hat in der Vergangenheit einige Telematik- Zyklen erlebt und zum Teil sehr hohe Investments getätigt, ohne die erwarteten Gewinne zu erwirtschaften. Telematik-Produkte sind bisher zum Großteil nicht richtig aus der Forschung und Vorentwicklung erwachsen, um im Massenmarkt zur Standard ausrüstung der Fahrzeuge zu werden. Das Thema Telematik beziehungsweise Connected Car wird deshalb sehr kontrovers innerhalb der großen Automobilhersteller diskutiert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Hauptargumente waren sicherlich in der fehlenden Nachfrage der Produkte durch die Fahrer und der nicht ausreichend verfügbaren Technologie sowie Infrastruktur zu finden. Inzwischen ist das Markt- und Techno- logieumfeld reif, um dem Connected Car den Durchbruch zu verschaffen: 1 Dieser Artikel fokussiert auf die Verbindung des Fahrzeugs mit dem Internet und lässt direkte „Vehicle-2-Vehicle“- und „Vehicle-2-Infrastructure“-Kommunikation außen vor. Solche Technologien gehören selbstverständlich auch zum Connected Car, benötigen aber, besonders weil die nötige Infrastruktur noch nicht vorhanden ist, mehr Zeit bis zur Marktdurchdringung. Insbesondere für autonom fahrende Fahrzeuge ist eine „Vehicle-2-Vehicle“- und „Vehicle-2-Infrastructure“- Kommunikation unabdingbar. 14 DMR MARKETS • Automotive • Ausgabe 2014
Abbildung 1: Aufstieg des Connected Car 1. Das Internet ist ein ständiger Im Kontext des Fahrzeugs sind ebenfalls sehr viele Anwen- dungsfälle denkbar. Die Integration bestehender Dienste Begleiter des heutigen Lebens macht in vielen Fällen Sinn. Man denke zum Beispiel an die geworden, besonders auch für Integration von Musik-Streaming-Diensten, die einen Zugriff Gesellschaftsschichten, die zukünftige auf die privaten Playlists ermöglichen, oder der Zugriff auf aktuelle Online-Navigationsdaten, angereichert um sekunden- Autokäufer und Nutzer darstellen. aktuelle, von anderen Verkehrsteilnehmern erzeugte Verkehrs- Durch die massive Verbreitung von Smartphones ist das nachrichten. Darüber hinaus wird es viele weitere Dienste Internet in den letzten Jahren zu unserem ständigen Begleiter geben, die sinnhaft sind, aber zunächst aus der aktuellen geworden. Die Smartphone-Penetration erreicht dieses Jahr Perspektive nicht offensichtlich erscheinen. Es existieren viele 1,75 Milliarden Nutzer weltweit und wird bis 2017 auf zirka Zielgruppen mit besonderen Anforderungen, beispielsweise 2,5 Milliarden, also etwa ein Drittel der Weltbevölkerung, Flottenfahrzeugbetreiber, die bereits jetzt die Vorzüge des steigen. Die Anwendungsfälle eines Smartphones gehen weit Connected Car nutzen. über das hinaus, was sich selbst Pioniere in diesem Gebiet hätten vorstellen können. Dank offener oder halb-offener Im Fahrzeug lassen sich während des Fahrens ein Großteil Programmierschnittstellen (APIs) ist ein immenses Appli- der aktuellen Internetdienste nicht ernsthaft nutzen. Die kations-Ökosystem um diese Geräte entstanden. Wir Eingabeschnittstellen werden meist dem Anwendungsfall verknüpfen uns online auf unterschiedlichsten Plattformen nicht gerecht. Touchscreens funktionieren wegen fehlenden untereinander und halten Kontakt zu Familie, Freunden und haptischen Feedbacks nicht richtig. Die Sprachsteuerung Geschäftskontakten, wir konsumieren Text, Bild, Ton und ist oftmals nicht gut genug implementiert. Diese Probleme Video online, wir kaufen und verkaufen online, und letztlich werden zwar durch aufkommende Integrations-Standards wie verlagern sich durch Cloud Computing immer mehr der MirrorLink2, proprietäre Lösungen wie Apple CarPlay3 sowie ursprünglich nativen Anwendungen ins Netz. 2 http://www.mirrorlink.com/, 2014-03-20 3 http://www.apple.com/ios/carplay/, 2014-03-20 15 DMR MARKETS • Automotive • Ausgabe 2014
Googles Open Automotive Alliance (OAA)4 schrittweise 3. Die Hardware- und Verbindungskosten gelöst. Eine vollständige Integration in das Fahrzeug samt Remote Services, also Diensten, die sich nutzen lassen, wenn sind in der letzten Dekade rapide das Auto geparkt ist und kein Smartphone in der Nähe ist, gefallen und ermöglichen nun eine benötigen allerdings separat eingebaute Hardware und verhältnismäßige Implementierung in SIM-Karten. den Fahrzeugen. 2. In den meisten entwickelten Ländern Sowohl die Hardware als auch die Kosten für eine Netzver- bindung sind auf allen Ebenen, vom Netzbetreiber bis zum ist der Zugriff auf Breitband- Endkunden, stark gefallen. Dies ermöglicht eine verhältnis- Internet zur Genüge ausgebaut mäßige Implementierung auch in Fahrzeugen. und die Netzabdeckung in nahezu Der effektive Preis pro Megabyte versandter Daten ist von 2008 allen bewohnten Gebieten, in mit zirka 0,30€ (0,47$) auf 0,04€ (0,05$) pro Megabyte in denen Fahrzeuge hauptsächlich 2010 gefallen. Zurzeit existieren bereits Angebote im Bereich verwendet werden, vorhanden. Die unterhalb eines Cents – eine Verminderung der Kosten um über 89 Prozent.6 Durch spezielle M2M-Tarife kann davon Netzgeschwindigkeit ist deshalb auch ausgegangen werden, dass die Kosten noch weiter fallen. für Anwendungen wie Multimedia- Streaming ausreichend. Was die Kosten für die Hardware angeht, greift zu einem Großteil die Gesetzmäßigkeit, die allgemein als Moores Law Die LTE-Abdeckung ist zwar aktuell in den meisten Ländern bezeichnet wird. Diese beschreibt die Beobachtung, dass noch nicht sehr hoch, es kann jedoch davon ausgegangen sich die Anzahl der Schaltkreiskomponenten und damit werden, dass diese in den nächsten Jahren rapide wachsen auch die Leistung mit minimalen Komponentenkosten alle wird. Schaut man sich den Ausbau von HSPA-Netzen an, 12-24 Monate verdoppelt. Im Umkehrschluss werden so für findet man in den EU27-Ländern bereits eine Abdeckung dieselbe Leistung geringere Kosten fällig. Zwischen 1975 und von 94,9 Prozent. Selbst in abgelegenen Gebieten in Europa 2014 haben sich die Kosten pro Transistor jedes Jahr etwa beträgt die HSPA Abdeckung noch 79,09 Prozent.5 halbiert.7 Economies of Scale, also die Massenproduktion von Mobilfunk-Chips, drücken die Kosten ebenfalls. Die Geschwindigkeit beziehungsweise die verfügbare Bandbreite hat sich allein zwischen den Jahren 2005 und 4. Die nötigen Partnerschaften 2010 verhundertfacht – HSDPA in 2005 mit einem Mbit/s zu LTE in 2010 mit 100 Mbit/s – und von 1999 bis 2010 zwischen Automobilherstellern, sogar vertausendfacht: GPRS unterstützt seit 1999 100 kbit/s Zulieferern, der Softwarebranche und und LTE seit 2010 Geschwindigkeiten bis zu 100 Mbit/s. Die Netzgeschwindigkeit in Mobilfunknetzen ist demnach Telekommunikationsunternehmen inzwischen ausreichend auch für aufwändigere Multimedia- kommen langsam in Fahrt. Anwendung. Automobilhersteller öffnen sich für benötigte Kooperationen mit der Softwarebranche. Apple bekommt mit CarPlay eine Einer Nutzung im Fahrzeug steht damit ein schlecht Möglichkeit zur Smartphone-Integration, Google und das ausgebautes, zu langsames Netz nicht im Wege. Selbst in Android-Ökosystem kommen über die Open Automotive großen Flächenländern wie den USA ist die Netzabdeckung Alliance (OAA) ins Fahrzeug. Weiterhin ermöglicht größtenteils ausreichend, um Connected-Car-Anwendungen das MirrorLink Konsortium einen Hersteller-unabhän- zu ermöglichen. gigen Integrations-Standard. Etablierte Lieferanten von Infotainment Systemen bauen ebenfalls weitreichende Partner- schaften aus. Als gutes Beispiel sei hier QNX mit seiner CAR Platform8 genannt. Letztlich ist eine halboffene Plattform der Schlüssel zu einem guten Produkt. Eine komplette Öffnung 4 http://www.openautoalliance.net/#about, 2014-03-20 6 http://www.fiercewireless.com/story/entner-what-price-megabyte- wireless-data/2011-04-13, 2014-03-20 5 Broadband Coverage in Europe 2011 - European Commission, 2011 7 http://en.wikipedia.org/wiki/Moore’s_law, 2014-03-20 8 http://www.qnx.com/, 2014-03-20 16 DMR MARKETS • Automotive • Ausgabe 2014
Abbildung 2: Mobilfunk-Potenzial vs. Connected-Car-Potenzial (Quelle: Ovum Research and Berg Insight, 2011, Ward AutoWorld 2011) im Kontext des Fahrzeugs wäre gegebenenfalls risikobehaftet, Die Telekommunikationsbranche sieht besonders im da sich damit die Customer Experience nicht mehr komplett Bereich M2M für Automotive-Applikationen große steuern lässt und bestimmte Anwendungen sicherlich auch Wachstumsmöglichkeiten und ist bereit, zu investieren. ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten. Eine geschlossene Schließlich hat die Penetration von SIM-Karten in vielen Plattform wird es nicht ermöglichen, neue Services in Vielzahl Märkten bereits mehr als 100 Prozent der Bevölkerung kostengünstig und mit vernünftiger Time-to-Market zu erreicht, einige Länder erreichen sogar knapp 200 Prozent.10 integrieren. Weltweit existieren allerdings über eine Milliarden Fahrzeuge11, wovon erst 23 Millionen12 vernetzt sind. Interessant ist auch, dass mit Tesla der erste Hersteller Deshalb strömen die Telekommunikationsunternehmen erfolgreich das OTA (Over-the-Air) Update-Verfahren nutzt mit neuen Möglichkeiten wie virtuellen SIM-Karten, und Remote Maintenance, also eine Wartung aus der Ferne, die sehr einfach in die Produkte zu integrieren sind, und anbietet. Mercedes und BMW erproben ebenfalls dieses speziellen M2M-Tarifen sowie -Plattformen in die Märkte. Verfahren.9 Besonders Over-the-Air-Updates sind nötig, um die Systeme nicht schnell veralten zu lassen. Der Technolo- gielebenszyklus eines Fahrzeugs ist selbstverständlich um einiges länger als der eines eingebetteten Systems beziehungs- weise der von Software-Applikationen. 9 http://www.heise.de/tr/artikel/Download-statt-Werkstatt-2154811. 10 http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_number_of_ html, 2014-03-28 mobile_phones_in_use, 2014-03-25 11 Ward AutoWorld, 2011 12 Ovum Research, 2011 17 DMR MARKETS • Automotive • Ausgabe 2014
5. Letztlich erkennen die Automobil- Das Connected Car wird weitreichenden Einfluss auf die Automobilbranche haben: Es verändert nicht nur die hersteller den strategischen Wert einer Beziehung zwischen Herstellern und Kunden, sondern ständigen Verbindung mit den Kunden ermöglicht auch neue Geschäftsmodelle wie Carsharing. und deren Daten an. Letztlich wird es einen großen Beitrag zur Elektromobi- lität, zum Beispiel zur intelligenten Planung, Buchung und Internet-Unternehmen wie Google und Facebook machen es Bezahlung von Ladestationen, sowie zum autonomen Fahren, vor: Daten sind wertvoll und können richtig genutzt zu hohen zum Beispiel durch Austausch von Status und Sensordaten Umsätzen und stark optimierten Produkten führen. Ein zwischen den Fahrzeugen, liefern. Großteil der Umsätze stammt zwar aus dem Werbegeschäft, etwas was Automobilhersteller vermutlich nicht in ihren Neben den existierenden Zulieferern etablieren sich neue Fahrzeugen umsetzen sollten, es existieren allerdings noch Partner wie Google und Apple im Ökosystem der Automobil viele weitere Möglichkeiten die Daten sinnvoll zu nutzen. branche. Automobilhersteller müssen sich unter anderem Eine ständige Verbindung mit den Kunden kann sogar als mit Themen wie dem Management von Softwareprodukten, Paradigmenwechsel gesehen werden: der Automobilhersteller agiler Produktentwicklung, Data Analytics, Billing, Device hat das erste Mal die Möglichkeit, seinen Kunden während Management, Mobilfunktechnik und Regularien aus der der Nutzungsphase der Produkte aktiv zu begleiten, kann das Telekommunikationsbranche beschäftigen und die benötigten eigene Werkstattgeschäft sehr gezielt steuern und letztlich die Kompetenzen dazu aufbauen. gesamte Customer Experience entlang des Lebenszyklus der Timo Bolse ist Consultant und berät Unternehmen der Produkte verbessern und um zusätzliche Dienstleistungen Automobil- und Telekommunikationsindustrie zu den anreichern. Themen Strategie und Innovation, insbesondere Telematik und Connected Car. Hypes wie Big Data Analytics für ein besseres Kundenver- Mark Heinrich ist Partner und berät Unternehmen der Auto- ständnis und zur Optimierung der Produkte verstärken diese mobilindustrie zu Strategie- und Innovationsthemen. Debatte zusätzlich und machen den Weg für Projekte in diesem Bereich innerhalb der Automobilbranche frei. Selbstverständlich wird die Thematik rund um Datenerhebung und -analyse sehr kontrovers diskutiert und Automobilher- steller sind gut beraten, hier mit dem richtigen Augenmaß zu agieren, um nicht die eigenen Marken zu beschädigen. Es ist äußerst wichtig, die Privatsphäre der Kunden zu schützen und die richtige Tiefe der Datenerhebung zu finden, um gleichzeitig Nützliches anbieten zu können. Selbige Vorsicht ist bezüglich der Sicherheit der Systeme geboten, um keine unnötigen kritischen Angriffsvektoren in die Fahrzeugelek- tronik13 zu ermöglichen. 13 Checkoway et al, Comprehensive Experimental Analyses of Automotive Attack Surfaces, University of San Diego, University of Washington. 18 DMR MARKETS • Automotive • Ausgabe 2014
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