Depression und Substanzkonsumstörung - Häufigkeiten, Zusammenhänge, Risikofaktoren

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Depression und Substanzkonsumstörung - Häufigkeiten, Zusammenhänge, Risikofaktoren
Depression und
Substanzkonsumstörung
Häufigkeiten, Zusammenhänge,
        Risikofaktoren
Kessler et al. (2005): Jahresprävalenz psychischer Störungen

Alle Störungen               26,2%          1/5 als „serious“
                                            2/5 als „moderate“
Angststörungen               18,1%          2/5 als „mild“
                                                           eingestuft
Mood Disorder                 9,5%
Substance Use Disorder        3,8%

Die Hälfte aller Patienten mit einer psychischen Erkrankung
weisen schädlichen oder abhängigen Substanzgebrauch (SUD) auf!

Unter den SUD-Patienten weisen 40-60% komorbid andere
psychischen Erkrankungen auf (A u. D, Persönlichkeitsstörungen)
(6,9%)
     Depression                                    205,3

       (5,4%)
     Substanzen                            137

 (0,9%) Bipolare
      Störg.                  34,9

(1,2%) Psychosen          30,7

 (7,0%) Insomnie        18,7

     (14,0%)
                        18,2
   Ängste/Panik

  (0,7%) Zwänge        15,7
                                                                 Prävalenzen psychischer
                                                                 Störungen (12-Monate %),
     (2,0%)PTSD        11,6                                      Menge durch diese Krankheiten
                                                                 verlorene Lebenszeit (DALY)
                                                                 in Europa (Wittchen et al. 2011)
                   0           50    100   150   200       250
Costello et al. (2011):
Psychopathologie von der Kindheit ins Erwachsenenalter

Diagnosen           Veränderungen
                    Kindheit-Jugend      Jugend-Erwachsene

Angststörungen      Zunahme, Anstieg     Zunahme, Anstieg
Depressionen        Zunahme, Anstieg     Zunahme, Anstieg
Substanzstörung     Zunahme, Anstieg     Zunahme, Anstieg
 Alkohol            -                    Zunahme
 Nikotin            -                    Zunahme
 harte Drogen       -                    Zunahme
Alegría et al. (2010):
Komorbidität von GAD u. SUD (N = 43 093)
Lebenszeitprävalenz von GAD+SUD: 2.04%
Lebenszeitprävalenz von GAD:      2.10%
½ Patienten mit GAD+SUD zeigten deutlich erhöhte
Komorbidität mit weiteren psychischen Störungen
(v.a. Externalisierung, Depression),
deutlich erhöhte Behinderung (DALY)
Drogen und Alkohol werden vor allem zur Angstminderung
eingesetzt
Breslau et al, 2003; Driessen et al, 2008;
Mills et al, 2006; Perkonigg et al 2000
PTSD und SUD

Diese Studien zeigen eine 3-5 fache Zunahme an
SUD in PTSD-Patienten.
Etwa die Hälfte aller PTSD-Patienten zeigen
SUD-Komorbidität.
Etwa ein Viertel der SUD-Patienten zeigen
PTSD-Komorbidität
Agosti & Levin (2006): SUD, Depression und Angst
Probanden mit einer Lebenszeitdiagnose für
Depression (MDE) und Substanzmissbrauch (SUD)
bezogen auf Folgejahr:
Aktuelle SUD erhöht das Risiko für eine Depression:
                                      OR 2.9
Aktuelle SUD erhöht das Risiko für eine Angststörung:
                                OR 2.2
Davis et al. (2005/2006): Depression, Angst und SUD
28% aller eingeschlossenen Patienten mit einer MDE
wiesen eine SUD auf (davon 2/3 AL) STAR*D Studie
18% aller Patienten mit einer Angststörung weisen eine
SUD auf
Bei alkoholabhängigen Patienten liegen zwischen
19 – 44% Angststörungen vor
Nikotinabhängige weisen eine MDE in der Lebenszeit
von 37-59% auf
Davis et al. (2008); Castle (2008):
Patienten mit SUD (AL):      65% F, 28% M mit
        psychopathologischer Komorbidität (D, A)
Patienten mit MDE: 1/3 haben komorbid SUD
       Komorbidität führt zu höherer Suizidrate,
       mehr sozialer Behinderung

Komorbidität führt zu geringerem Behandlungserfolg
(Abstinzenz, Symptomreduktion)
Alle
                        588 550 kein Suizid
                        1 275 Suizide (0.22)

              SUD                                    No SUD
        129 767 kein Suizid                    458 783 kein Suizid
        461 Suizide (0.36)                      817 Suizide (0.18)

Stationäre Behdlg.   Keine Behdlg. im                 Frauen              Männer
  im letzten Jahr       letzten Jahr             42 424 kein Suizid   41 638 kein Suizid
12 028 kein Suizid   88 133 kein Suizid           28 Suizide (0.07)   786 Suizide (0.19)
 93 Suizide (0.77)   345 Suizide (0.39)

Kessler et al; Nock et al: SUD (AL) führt zu einem 4,8-6,5fach erhöhten Suizidrisiko
Wetterling & Schneider: 54% der 227 Suizidanten zeigten Alkoholintoxikation
                        27,3 % hatten Depression
SUD und Suizid
Wunderlich (2012) aus EDSP Studie, München
Komorbiditätsmuster                                  Odds Ratio für
                                                     Suizidversuch

alle andere psychischen Störungen                         28.8

Angst, Depression, Substanzen                             7.5

Weitere Risiko steigernde Faktoren:
Traumatische Ereignisse (insb. sexueller Missbrauch, Vergewaltigung,
körperliche Erkrankungen, Trennung der Eltern, Aufwachsen bei nur
einem Elternteil
Agrawal et al. (2013): SUD und Suizid
3787 Frauen (Zwillinge) zwischen 18 und 27 Jahren wurden befragt
nach Lebenszeit SUD (Alkohol) und Suizidgedanken (SI)
4 Gruppen:
(1) SUD(AL)-/SI- (2) SUD(AL)-/SI+
(3) SUD(AL)+/SI- (4) SUD(AL)+/SI+
SUD(AL)+: OR 3.1 für Suizidgedanken, mehr Stress,
          mehr negative Lebensereignisse,
SUD(AL+, SI+): generell erhöhte Psychopathologie,
              Alkohol als Copingstrategie
SI+:   mehr Depression, mehr Ängste
Verlauf von Depressionswerte bei MDE
mit bzw. ohne SUD (AL)
12

11

10

 9

 8

 7

 6

 5

 4
        in Klinik      Entlassung             nach 2 Mon   nach 4 Mon

                                    SUD + D          D
Driessen et al. (2001): D & A        SUD

Probanden mit einer Alkoholabhängigkeit wurden
prospektiv verfolgt:

62% keine Komorbidität, 23% komorbide Ängste
15% komorbide Depressionen und Ängste
Während Entgiftung und Entwöhnung
sank Depressions- und Angstwerte
Prognose: ohne Komorbidität: 60,5%,
          mit Komorbidität: 26,7% abstinent
Was kommt zuerst?
    D   SUD
   SUD     D
Mögliche Assoziationen zwischen D, A und SUD:
1. SUD als Folge von MDE, A                  [D,A          SUD]
2. MDE, A als Folge von SUD                  [SUD           D, A]
3. Vermehrter Alkoholkonsum während MDE (Coping)
4. D und SUD im Rahmen einer dritten psychischen
   Erkrankung (gemeinsamer dritter Faktor)
5. Unabhängiges, paralleles Bestehen von SUD, D, A
      ! Da A und D in Folge des Substanzentzugs auftreten können, ist Diagnose
       einer A bzw. D Störung erst nach mehrwöchiger Abstinenz gerechtfertigt !
Wunderlich (2012) Daten stammen aus EDSP Studie München
                      n = 1266, 5,5% Suizidversuchsrate

Substanzstörungen

                                                                 vor Suizidversuch
Affektive Störungen
                                                                 Beginn nach
                                                                 Suizidversuch

   Angststörungen

                      0      20      40       60      80   100
Wahrscheinlichkeit einer Depression (über 7 Jahre)
nach Substanzabhängigkeit (SUD)

Baseline: 12,8 J        Wave 5: 19,1 J
Baseline: 41% physisch, 12% sexuell, 14% emotional misshandelt,
19% physisch, 38% non-physisch, 16% andere Form von „neglect“
Baseline: 10% klinisch bedeutsame Depression (D)
          5,3% häufiger Substanzkonsum (FSU)          26% = 208 von 834
          4,3% D und FSU
          80,4% weder D noch FSU

Prädiktion über 6 Jahre:
Clinically significant depression at baseline: OR 2.63** [ND: 9,5%, D: 27,6%]
Female: OR 1.64*
FSU (alcohol at baseline) : OR 21.03** (für D und D + SUD)
FSU (any non-tobacco substance at baseline) OR 37.25** (für D + SUD)

Anderson & Libby (2010) Depression with and without comorbid substance dependence in a sample of young adults
Fergusson et al. 2009/2011:
Causal Links Between Alcohol … and Major Depression
      Dt indicates major depression symptoms at time t; D, fixed-effects component of Dt; Ut, time-dynamic
      component of Dt; νt, disturbance term for Ut; At, alcohol abuse or dependence symptoms at time t; A,
      fixed-effects component of At; Wt, time-dynamic component of At; and τt, disturbance term for Wt.

      Time: t = 1 ages 17 to 18 yrs, t = 2 ages 20 to 21 yrs, t = 3 ages 24 to 25 yrs

      Strukturgleichungsmodell
Fergusson et al. 2009/2011:
Causal Links Between Alcohol … and Major Depression

Participants: 1055 Personen im Alter von 17-18, 20-21, 24-25 Jahren

Ergebnis: hoch signifikanter Zusammenhang von SUD(AL)und MDE
bei Kontrolle konfundierender Variablen (life stress, cannabis use, other illicit drug
       use, affiliation with deviant peers, unemployment, partner substance use, partner criminality)
reduziert sich zwar die Stärke des Zusammenhangs, bleibt jedoch
statistisch signifikant. Strukturgleichungsmodelle zur Kausalität:

  SUD(AL) led to increased risk of Depression (+Anxiety Disorder)

Conclusions:
The findings suggest that the associations between SUD(AL) and MDE were best
explained by a model in which problems with alcohol lead to increased risk of
affective disorders as opposed to a self-medication model in which Depression
lead to increased risk of SUD
Fergusson et al. 2009/2011:
Causal Links Between Alcohol … and Major Depression

 Odds Ratios: Auf jeder Altersstufe zeigte sich ein eindeutiger und
       signifikanter Trend (p≤.01): SUD(AL) erhöht Risiko für D
 Alle Personen, alle Zeitpunkte               1.90 (1.53-2.37) p≤.001
    17-18 Jahre                               2.15 (1.50-3.08) p≤.001
    20-21 Jahre                               1.87 (1.31-2.66) p≤.001
    24-25 Jahre                               1.99 (1.26-3.12) p≤.001

 Modell Goodness-of-fit (Test von 3 Modellen)
    (1) Reziproke Beziehung SUD(AL) und D        .292 (p = .003) B1/B2
    (2) uni-direktionale Beziehung SUD(AL) zu D .210 (p = .001) B1
    (3) uni-direktionale Beziehung D zu SUD(AL) -.092 (p = .26) B2
Fergusson et al. 2009/2011:
Causal Links Between Alcohol … and Major Depression

   Strukturgleichungsmodell
Jaffee et al. 2009:
             Sagt Alkoholkonsum eine depressive Episode
             bei Bipolaren Störungen mit SUD vorher?
N = 115 über 8 Monate untersucht
Anzahl an Tagen mit Alkoholkonsum            Tage mit Depression
Zunahme an Tagen mit Alkoholkonsum           (MDE) im Folgemonat

Vorhersage (OR) von MDE im Folgemonat:
Days of Alcohol Use:               1.4
Increase of Days of Alcohol Use:   2.3
Days Heavy Alcohol Use             1.5
Increase of Days Heavy Alcohol Use 2.0
Boden, Fergusson, Horwood (2008/2010):
Cigarette Smoking - Suicidal Behaviour: a 25-year longitudinal study
N = 1041 Personen untersucht (Geburtskohorte NZ 635 m, 630 w)
Personen >20 Zigaretten/Tag: OR 3.39 für Suizidgedanken
                             OR 4.39 für Suizidversuche
DOCH:
nach Kontrolle von Hintergrundfaktoren, Drittvariablen reduzierte
sich das OR auf ein nicht signifikantes Niveau [1.00 - 1.84] !!

    Der wesentliche und entscheidende Hintergrundfaktor ist
    Armut bzw. niedriger sozioökonomischer Status!
Mögliche
Entwicklungspfade
für Komorbidität ?
Kendler et al 2006
Ätiologische Faktoren der unipolaren Depression
             Prädisponierende Faktoren - Distale Risikofaktoren
 Demographische Faktoren   Vorerkrankungen   Biologische Faktoren   Persönlichkeitsfaktoren   Sozialisationsbedingungen

                              Psychobiologische Vulnerabilität
biologische Perspektive              kognitiv-emotionale Perspektive                  sozial-interaktive Perspektive

                              Ereignis/Belastungen/Stress

                   Reaktionsmuster - proximale Risikofaktoren
Biologische Perspektive                kognitive Perspektive                        sozial-interaktive Perspektive

                                              Depression

   Folgen der Dysregulation, Verstärkung der psychobiologischen Vulnerabilität

                           Chronifizierung, Rückfälle, Wiedererkankung
Prädisponierende Faktoren - Distale Risikofaktoren
Demographische Faktoren:
        weibliches Geschlecht, jüngeres Lebensalter (Adoleszenz)
        niedriger Sozialstatus, beengte finanzielle Verhältnisse, Arbeitslosigkeit,
        Hausfrauenrolle, Familienstand
Vorerkrankungen:
        subklinische Depression, Schilddrüsenanamolie, Virusinfektion, Angst,
        Persönlichkeitsstörungen
Biologische Faktoren:
        Heredität der Depression, Heredität für Angst/Neurotizismus, Anfälligkeit für
        Veränderbarkeit der Neuromodulatoren, fetaler Hypercortisolismus
Persönlichkeitsfaktoren:
        Introversion, abhgängig-dependente Persönlichkeit, Reassurancetendenz
Sozialisationsbedingungen:
        Depressive Modelle, mangelnde Reagibilität/Vernachlässigung, feindselige/intrusive
        Überstimulation, fehlende vertrauensvolle Bezugsperson, fehlende soziale
        Unterstützung, frühe Traumatisierung (körperlich/sexuell)
Prädisponierende Faktoren - Distale Risikofaktoren
Demographische Faktoren Vorerkrankungen Biologische Faktoren Persönlichkeitsfaktoren Sozialisationsbedingungen

                          Psychobiologische Vulnerabilität
biologische Perspektive:
            Erhöhte Erregbarkeit von Teilen des limbischen Systems, Anfälligkeit für
            Dysregulation neuromodulatorischer Achsen/Systeme, Sensibilisierung bestimmter
            ZNS-Strukuturen und Zellverbände, Änderung der Rezeptorstruktur der Messenger
            Mechanismen, gestörte Schlaf- Wach-Regulation
kognitiv-emotionale Perspektive:
            rasche Konditionierbarkeit, Löschungsresistenz, schnelle Auslösbarkeit negativer
            Affekte, gesteigerte Selbstaufmerksamkeit, negative Schemata (Wahrnehmung,
            Gedächtnis)
sozial-interaktive Perspektive:
            negative Selbst- und Fremdrepräsentation, Vermeidungstendenz sozialer
            Interaktionen, Eingeschränkte soziale und kommunikative Fertigkeiten, reduziertes
            Repertoire an Bewältigungsstrategien und Problemlöseverhalten
Prädisponierende Faktoren - Distale Risikofaktoren

                       Psychobiologische Vulnerabilität

                         Ereignis/Belastungen

          Reaktionsmuster - proximale Risikofaktoren
Biologische Perspektive:
        funktionales Defizit im Locus Coeruleus (Noradrenalin), Transmitter Imbalance,
        CFR Überreaktion, starker Cortisol Anstieg, HPA-Achsen Dysfunktion, Zunahme
        an Beta-Rezeptoren, Störung der Schlafarchitektur und der circadianen Rhythmen
Kognitive Perspektive:
        pessimistischer Explanationsstil, Persistenz negativer Kognitionen (Rumination),
        selektive negative Informationsverarbeitung, unspezifische Zugriffe auf
        autobiographische Erinnerungen, reduzierter Zugriff auf positive Inhalte
Sozial-interaktive Perspektive:
        sozialer Rückzug, soziale Anklammerung, reduzierte soziale Verstärker, mangelnde
        Initiative bzw. Fertigkeiten den Verstärkermangel zu kompensieren
Reaktionsmuster - proximale Risikofaktoren

                                 Depression

Folgen der Dysregulation, Verstärkung der psychobiol. Vulnerabilität
weitere biologische Narben
        Hippocampus Atrophie und Defizite, Fehlfunktion des Anterioren
         Gyrus Cinguli
weitere kognitive Narben
        Veränderter Zugriff auf autobiographisches Gedächtnis, Störung affekt-
        geleiteter Erwartungsprozesse, Schwierigkeiten bei Verhaltensoptionen und
        Willensprozessen
weitere sozial-interaktive Narben
        Verstärkerverluste, Mangel an sozialer Unterstützung, Zunahme emotional
        feindseliger Interaktionen (Partnerschaft, Familie)
Ätiologische Faktoren der unipolaren Depression
             Prädisponierende Faktoren - Distale Risikofaktoren
 Demographische Faktoren   Vorerkrankungen   Biologische Faktoren   Persönlichkeitsfaktoren   Sozialisationsbedingungen

                              Psychobiologische Vulnerabilität
biologische Perspektive              kognitiv-emotionale Perspektive                  sozial-interaktive Perspektive

                              Ereignis/Belastungen/Stress

                   Reaktionsmuster - proximale Risikofaktoren
Biologische Perspektive                kognitive Perspektive                        sozial-interaktive Perspektive

                                              Depression

   Folgen der Dysregulation, Verstärkung der psychobiologischen Vulnerabilität

                           Chronifizierung, Rückfälle, Wiedererkankung
Therapie, Behandlungsoptionen
Fall 1
Der 29jährige Student (17. Semester) meldet sich bei uns in der
Ambulanz mit Problemen des Studiums (Lernschwierigkeiten,
Aufschiebeverhalten, Prüfungsängsten), mit Antriebsproblemen
(kommt morgens nicht aus dem Bett), Lust- und Interesselosigkeit
verbunden mit Resignation, Niedergeschlagenheit, Schlaf- und
Konzentrationsproblemen, Appetitlosigkeit, Suizidideen, Isolation.
Sein Leben und seine Beschwerden werde nur erträglich, weil er
Marihuana und Zigaretten raucht und sich durch Computerspiele
und Surfen im Netz ablenkt. Die Depressionen fingen an, als er
nach Studienbeginn mit dem neuen Leben nicht zurecht kam,
keine Kontakte hatte, vom Lernen überfordert war. Um überhaupt
zu funktionieren und zu Lehrveranstaltungen zu gehen, fing er an
Marihuana zu rauchen. Je weiter er ins Hintertreffen geriet und
sich isolierte, wurde er von der Computerwelt abhängig.
                      D      SUD (Cannabis + Computerspiele)
Therapieplan Fall 1:

Motivations-, Zielklärung, Kooperation, Antidepressivium,
ambulant erreichte Abstinenz (ärztl. Kontrollen, Laborwerte)
Entfernung der Pflanzen, Entfernung der Computerspiele,
Begrenzung der PC-Zeiten, Umgestaltung der Wohnung,
Tagesgestaltung, Interessen und angenehme Tätigkeiten,
Sport, Lernstrategien aufbauen, Sozialverhalten aufbauen,
Kontaktverhalten zu Mitstudierenden, zu Dozenten,
Prüfergespräch, Elternkontakte, Teilnahme an
Gruppentraining soziale Kompetenz, Seminar- und
Semestergestaltung, Kognitive Interventionen bezüglich
Selbstzweifel, Befürchtungen im Umgang mit anderen,
Ansprüche.
Tägliche telefonische Kontakte, zwei Therapiesitzungen pro
Woche, dann nach 6 Wochen wöchentliche Sitzungen
Fall 2                  SUD (AL)    D

Die 48jährige Frau, Juristin, alleinerziehende Mutter
einer heute 22jährigen Tochter und eines 20jährigen
Sohns entwickelte die Alkoholabhängigkeit nachdem vor
15 Jahren ihre Ehe gescheitert war. Sie stammt aus einer
Familie (Vater, Schwester), in der Alkoholkonsum eine
hohe Bedeutung (gute Laune, Feiern) hat. Die Pat. hatte
immer (während Studium, Ehe, Arbeit) Alkohol
getrunken, wobei sie immer viel vertragen hat und selten
abends ohne eine ganze Flasche (oder mehr) Wein ins
Bett ging. Diese Menge steigerte sich langsam nach der
Scheidung, vor allem an den Wochenenden und nun, da
die Kinder erwachsen und aus dem Haus sind, sogar
täglich auf 3 Flaschen Wein, oft noch gepaart mit hartem
Alkohol.
SUD (AL)     D
Fall 2 ….

Vor 5 Jahren hatte Sie eine letzte Beziehung, die wegen
ihres hohen Alkoholkonsums (schon ab mittags)
scheiterte. Seitdem hat sie sich immer mehr zurück
gezogen. Völlig in die Verzweiflung abgestürzt ist sie, als
vor knapp 2 Jahren ihr Vorgesetzter sie anmahnte und
ihre mangelnde Arbeitsleistung kritisierte. Als ich Sie
kennen lerne, ist sie seit knapp 8 Monaten krank
geschrieben (wegen Antriebsmangel, Interesseverlust,
Niedergeschlagen, Schlafstörungen, Schmerzen,
Erschöpfung, Gedächtnisprobleme, Rückzug), nimmt ein
SSRI gegen ihre Depressionen, doch braucht abends zum
Einschlafen noch immer mindestens 1-2 Flaschen Wein.
Therapieplan Fall 2:

Stationäre Behandlung zu Entzug und Entwöhnung, danach
ambulante Therapie (psychiatrisch, psychotherapeutisch).

Schwerpunkte der KVT:
Risikosituationen im Alltag für Alkohol bewältigen, Gestaltung
des Alltags, Situationsanalysen, Aufbau alternativer Fertigkeiten
(Sport, Genuss, Achtsamkeit, Gelassenheit)
Bearbeitung der eigenen Lebens-, Entwicklungsgeschichte
(Prägungen, Schemata, traumatische Erfahrungen, Ehe, Kinder),
Bedeutung für heute, angemessener Umgang mit Erfolgen und
Misserfolgen
Kognitive Interventionen (Selbstzweifel, Selbstwertung)
Aufbau neuer bzw. Reaktivierung früherer Sozialkontakte, dabei
Training von kommunikativen und sozialen Fertigkeiten
Berufliche Wiedereingliederung (Halbtagstätigkeit)
Evaluation,
Effektivitätsstudien,
Empirische Evidenz
der Psychotherapie
Hofmann et al. 2012:
Efficacy of CBT: A review of 106 meta-analyses

Störung                 Anzahl           KVT           Andere Therapien
                      Metaanalysen   Response Rate      Response Rate

Ängste (inkl. PTSD)       13            46-77%             14-50%

Depressionen               6            51-87%             45-70%

Anzahl von Patienten erforderlich
damit ein Patient gebessert (NNT)                    2.7
                                                           Cuijper et al 2009
Wissenschaftliche Evidenzen (1)

                                                 KVT                   IPT                  STPP
Acut unipolare Depression
  Individual treatment                             A                    A                     A
  Group treatment                                  A                     B                    0
  Couple, Family treatment                         A                     B                    0
  Out-patients                                     A                    A                     A
  In-patients                                      B                     B                    0
  Mild, Minor Depression                           A                     0                    0
  Severe Depression                                A                     B                    0
  Combination with Medication                      A                     B                    0
  Maintenance                                      A                    A                     0
Chronic Depression                                 A                     B                    0
Recurrent Depressionen                             A                     B                    0
                                A = „effective“ [2 or more RCT by independent research groups]
                                B = „possibly effective“ [1 RCT or studies by only one research group]
                                0 = „without evidence of efficacy“ [case reports, no (controlled) trials]
Wissenschaftliche Evidenzen (2)

                                                             KVT                 IPT                 STPP
 Depression in Childhood and Adolescence                      A                    B                    0
 Depression in Later Life (Elderly)                           A                    B                    B
 Depression during Pregnancy, Postpartum                       B                   B                    B
 Depression and Comorbid Somatic Illnesses                    A                    0                    0
Bipolare affektive Disorders                                  A                    B                    0
Prevention                                                    A                    0                    0

                                           A = „effective“ [2 or more RCT by independent research groups]
                                           B = „possibly effective“ [1 RCT or studies by only one research group]
                                           0 = „without evidence of efficacy“ [case reports, no (controlled) trials]

                                                       deJong-Meyer, Hautzinger, Kühner, Schramm (2007)
Spezielle Therapieangebote bei
         Komorbidität
  Substanzabhängigkeit und
       Depression/Angst
Hesse 2009:
Psychologische Therapie für Komorbidität ( SUD+A, SUD+D)

7 Studien (4 SUD+D, 3 SUD+A) mit kleinen Stichproben
Keine zuverlässigen Schlussfolgerungen möglich!

SUD+D (N=223 Pat.): ES für D = .58; 14% mehr Tage abstinent

SUD+A: keine bzw. nicht-signifikante Effekte

Conclusion:
Psychotherapeutic treatment for co-morbid depression and
substance use disorders is a promising approach … not sufficiently
empirically supported.
…. for co-morbid anxiety and SUD is not empirically supported!
%
Pettinati et al. 2013:
Co-occurring Mood and Substance Use Disorders: A new target

„Overall, findings from the relatively small amount of available
data indicate that pharmacotherapy for managing mood
symptoms can be effective in patients with substance
dependence, although results have not been consistent across
all studies.
In most studies, medication for managing mood symptoms did
not appear to have an impact on the substance use disorder.

However, research has only begun!“
3-65_mod_2015
Bei Komorbidität von Alkoholabhängigkeit und depressiver Störung
kann eine PHARMAKOTHERAPIE mit Antidepressiva (empirische
Belege liegen vor für Fluoxetin, Desipramin und Mirtazapin) zur
Reduktion der depressiven Symptome sowie der                       KKP
Wahrscheinlichkeit eines Alkoholrückfalls (empirische Belege
liegen vor für Fluoxetin, Desipramin und Mirtazapin) eingesetzt
werden.

3-66_mod_2015
Bei Vorliegen einer depressiven Störung und einer komorbiden
Alkoholabhängigkeit sollte eine antidepressive PSYCHOTHERAPIE
zur Reduktion der depressiven Symptome, sowohl als alleiniges
                                                                   KKP
Verfahren als auch als Teil einer Kombinationsbehandlung mit
einer Pharmakotherapie oder einer suchtspezifischen
Psychotherapie (empirische Belege liegen für die KVT vor),
angeboten werden .
3-67.2 mod 2015
PSYCHOTHERAPIE bei alkoholbezogenen Störungen und
Depression
Kognitive Verhaltenstherapie sollte als
Behandlungsverfahren bei Personen mit komorbiden
psychischen Störungen (Depressionen) zur Besserung
des Trinkverhaltens und der depressiven Symptomatik
angeboten werden.                                     B

Zu anderen Psychotherapieverfahren kann aufgrund
unzureichender Daten keine Empfehlung
ausgesprochen werden.
KVT der Depression
Stellen Sie sich einen Mann vor …

• 44 Jahre alt, Informatiker, erfolgreich, vh, 2 Ki
• Probleme mit Denken, Konzentration
• Wortfindungsstörungen, Denkblockaden
• Angespannt, missgestimmt, erschöpft
• Magenschmerzen, Druck auf der Brust,
  Kloßgefühl im Hals, Sodbrennen,
  Hitzewallungen, Schlafprobleme,
• Selbstvorwürfe, pessimistische Befürchtungen
• Weinerlich („nah am Wasser gebaut“)
•   hoher Arbeitsdruck (Projekte, Termine)
•   Schulden durch Hausbau
•   Konflikte, Schulprobleme der pubertierenden Tochter
•   Seit 4 Jahren in jetziger Firma
•   Ankündigung in Firma: Informatikabteilung wird über
    nächste 3-4 Jahre reduziert (halbiert)
•   Vater (damals 47 J.) verstorben als Pat. 11 J. alt war
•   Immer um Mutter und Familie gekümmert
•   Er hat alles zusammen gehalten
•   Über Umwegen (Abendgymnasium) zum Studium
•   Absprache, Verpflichtungen oder Termin immer
    eingehalten, geschätzt wegen seiner Gewissenhaftigkeit
•   Seit Jahren Magenprobleme, Schmerzen
Problembereiche:

1.   Pessimistisch, katastrophisierende Annahmen
2.   Kontrollverlust bezüglich Arbeitssituation
3.   Problematischer Umgang mit der Tochter
4.   Kommunikationsprobleme (Arbeit, Ehe)
5.   Keine Abgrenzung und Selbstbehauptung (Mutter)
6.   Rückzug, keine soz. Kontakte (außer Familie, Arbeit)
7.   Fehlende Verhaltensalternativen (Tochter, Stress)
8.   Mangelnde alternative Interessen (Aktivitäten)
9.   Wenig Zugang zu Bedürfnissen, Wünschen, Emotionen
Therapiemodell KVT
Hintergrund      Kognitionen
Traumatische     automatische Gedanken
Erfahrungen,     negative Attributionen,
Kontrollver-     dysfunktionale Bewertungen
lust, Benach-    und Schemata (Haltungen)
teiligungen,     Kompetenzen

                                                     Depression
Isolation,       Ressourcen, Bewältigungsmuster,
Persönlichkeit   Fertigkeiten, Interaktionsmuster,
Biologie         Problemlösen, Selbstkontrolle
                 Aktivitäten
Situative        verstärkende Erfahrungen,
Bedingungen,      Ablenkung, Tagesstruktur
Auslöser          Einbezug von Angehörigen,
                  Partner, Familie
Psychotherapie der Depression (KVT)
Modul 1:
Aufbau therapeutischer Beziehung, Akzeptanz, Geduld,
Lebens- und Krankengeschichte, Krankheitsverlauf,
prägende Bezugspersonen erfragen und Erfahrungen
(emotionale, kognitive, traumatische) mit denen
herausarbeiten, zentrale Probleme erkennen und
benennen, Ziele herausarbeiten und konkretisieren
(festhalten)
Modul 2:
Erarbeitung und Vermittlung eines Erklärungsmodells und
des therapeutisch hilfreichen Rational (Modell), Struktur
und Elemente der Therapie ableiten, Bezug zu den Zielen
Psychotherapie der Depression (KVT)

Modul 3:
Alltagsgestaltung, Tagesstruktur, Beobachtungsaufgaben
dazu, welche Art (pos., neg.) Tätigkeiten und Aktivitäten
finden statt bzw. dominieren, Verhaltensanalysen,
verbunden mit Auswirkung auf Befinden durchführen
Herausarbeiten angenehmer, positiv erlebter Tätigkeiten
und Aktivitäten, Verhaltensaktivierung (Aktivitätsaufbau)
Verwendung von Protokollen und konkreten Planungen,
Absprachen und ggf. Hilfestellungen
Psychotherapie der Depression (KVT)

Modul 4:
Erkennen automatisierter (verfestigter) kognitiver Muster
und dysfunktionaler Informationsverarbeitungen,
Schemata und Grundüberzeugungen, Herausarbeiten des
biographischen Zusammenhangs dieser Muster,
Erarbeiten alternativer Sichtweisen, Haltungen und
kognitiver Muster, Gedankenkontrollstrategien, Training
neuer Denk- und Verarbeitungsmuster
Übungen, (Spalten-) Protokolle führen, Alltagstests
Psychotherapie der Depression (KVT)
Modul 5:
Erlernen neuer Fertigkeiten und Kompetenzen:
Stressmanagement, Sozialverhalten, Selbstsicherheit,
Kommunikation und Interaktion (Einbezug von Partner,
Familie), Problemlösen sowie andere für die individuelle
Situation benötigten Skills.
Übungen, Rollenspiele, Exposition und Konfrontation,
Alltagstests

Modul 6: Vorbereitung auf Krisen, Beibehaltung des
Gelernten, Notfallplanung, Auffrischungs- bzw.
Stabilisierungssitzungen, Erhaltungstherapie,
Rückfallverhinderung
Was zeichnet erfolgreiche (nicht nur KVT)
Depressionstherapeuten aus?
1.    Problemorientierung, Zielorientierung
2.    Strukturiert, flexibel, aktiv, direktiv
3.    Interessiert, neugierig, „sokratisch“ interagierend
4.    Akzeptanz, Professionalität, Sicherheit
5.    Kooperatives Arbeitsbündnis
6.    Gegenwartsnähe, Alltagsnähe, Konkret
7.    Erklärungen geben, Information, Rational erarbeiten
8.    Fertigkeiten und Ressourcen orientiert
9.    Neulernen, Kompetenzen erweitern
10.   Beziehung klärend (falls nötig), selbsteinbringend
11.   Rückmeldungen, Zusammenfassungen
Effect of Cognitive Therapy with Antidepressant Medications
versus Antidepressants Alone on the Rate of Recovery in
Major Depressive Disorder (Hollon et al. 2014)
452 Patienten mit einer MDD wurden zufällig entweder einer
Kombinationstherapie (CBT+ADM) oder einer Monotherapie
(ADM) zugewiesen und über bis zu 42 Monate behandelt
Ziel: „recovery“ bzw. „remission“ (HDRS < 8 bzw. 12; LIFE < 2)

Hinzufügen von KVT günstiger …
• Remissionsraten: 73% vs. 63% (HR 1.33)
• bei schwereren, nicht-chronischen MDD: 81% vs. 52% (HR 2.34)
• schnellere Besserung und Herauskommen aus der MDD
• Abbrecher (19% vs. 27%) und SAE (49 vs. 71)
Empfehlungen zur Psychotherapie
der Depression
Zur Behandlung akuter leichter bis mittelschwerer depressiver Episoden soll eine
Psychotherapie (KVT) angeboten werden.                                         A

Bei akuten schweren Depressionen soll eine Kombinationsbehandlung mit
medikamentöser Therapie und Psychotherapie (KVT) angeboten werden.            A

Wenn ein alleiniges Behandlungsverfahren in Betracht gezogen wird, soll bei
ambulant behandelbaren Patienten mit akuten mittelschweren- bis schweren
depressiven Episoden eine alleinige Psychotherapie (KVT) gleichwertig zu einer
alleinigen medikamentösen Therapie angeboten werden.                           A

Bei schweren und rezidivierenden sowie chronischen Depressionen sollte die
Indikation zur Kombinationsbehandlung aus Pharmakotherapie und geeigneter
Psychotherapie (KVT) vorrangig …. geprüft werden.                          A

http://www.depression.versorgungsleitlinien.de 2015
Zur Stabilisierung des Therapieerfolgs sowie zur Senkung des
  Rückfallrisikos soll im Anschluss an eine Akutbehandlung eine
  angemessene psychotherapeutische Nachbehandlung (KVT)
  (Erhaltungstherapie) angeboten werden.                     A

  Längerfristige stabilisierende Psychotherapie (Rezidivprophylaxe)
  soll Patienten mit einem erhöhten Risiko für ein Rezidiv angeboten
  werden.                                                     A

  Bei therapieresistenter Depression sollte den Patienten eine
  angemessene Psychotherapie (KVT) angeboten werden. A

http://www.depression.versorgungsleitlinien.de 2015
Toll, oder? Besser geht’s doch gar
nicht! Nun ….
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