Der Bergbau geht - bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften - 71 März 2018 | www gmit-online.de - Berufsverband Deutscher ...
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71 · März 2018 | ISSN 1616-3931 | www gmit-online.de Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften
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71 · März 2018 Das gemeinsame Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler (BDG) Nachrichtenheft von Deutsche Geologische Gesellschaft – Geologische Vereinigung (DGGV) Deutsche Geophysikalische Gesellschaft (DGG) Deutsche Mineralogische Gesellschaft (DMG) Deutsche Quartärvereinigung (DEUQUA) Deutsche Ton- und Tonmineralgruppe (DTTG) Oberrheinischer Geologischer Verein (OGV) Paläontologische Gesellschaft (PalGes) in Kooperation mit Dachverband der Geowissenschaften (DVGeo) Redaktion Christopher Giehl · (cg.) Deutsche Mineralogische Gesellschaft (DMG) Klaus-Dieter Grevel · (kdg.) Deutsche Mineralogische Gesellschaft (DMG) Dachverband der Geowissenschaften (DVGeo) Michael Grinat · (mg.) Deutsche Geophysikalische Gesellschaft (DGG) Jost Haneke · (jh.) Oberrheinischer Geologischer Verein (OGV) Sabine Heim · (sh.) Deutsche Geologische Gesellschaft – Geologische Vereinigung (DGGV) Christian Hoselmann · (ch.) Deutsche Quartärvereinigung (DEUQUA) Hermann Rudolf Kudraß · (hrk.) Deutsche Geologische Gesellschaft – Geologische Vereinigung (DGGV) Jan-Michael Lange · (jml.) Deutsche Geologische Gesellschaft – Geologische Vereinigung (DGGV) Alexander Nützel · (an.) Paläontologische Gesellschaft (PalGes) Matthias Schellhorn · (ms.) Deutsche Ton- und Tonmineralgruppe (DTTG) Birgit Terhorst · (bt.) Deutsche Quartärvereinigung (DEUQUA) Hans-Jürgen Weyer · (hjw.) Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler (BDG) GMIT 71 · März 2018 1
Impressum © GMIT – Geowissenschaftliche Mitteilungen Heft 71 · März 2018 GMIT ist ein deutschsprachiges Nachrichtenorgan und dient dem Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler (BDG), der Deutschen Geologischen Gesellschaft – Geologischen Vereinigung (DGGV), der Deutschen Geophy sikalischen Gesellschaft (DGG), der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft (DMG), der Deutschen Quartärver einigung (DEUQUA), der Deutschen Ton- und Tonmineralgruppe (DTTG), dem Oberrheinischen Geologischen Verein (OGV) und der Paläontologischen Gesellschaft (PalGes) als Publikationsorgan. Die Zeitschrift ist für die Mitglieder der genannten Gesellschaften bestimmt. Der Bezug des Heftes ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Herausgeber ARGE GMIT c/o BDG-Bildungsakademie · Lessenicher Straße 1 · 53123 Bonn V. i. S. d. P. Hans-Jürgen Weyer · BDG (BDG@geoberuf.de) Satz und Layout blattwerk | dd Druck Görres-Druckerei und Verlag GmbH · 56567 Neuwied Auflage 9.500 ISSN 1616-3931 Die Redaktion macht darauf aufmerksam, dass die unter einem Namen oder einem Namenszeichen erschei- nenden Artikel persönliche Meinungen und Ansichten enthalten können, die nicht mit der Meinung und An- sicht der Herausgeber übereinstimmen müssen. Für den Inhalt der Artikel sind die Autoren verantwortlich. Die Autoren erklären gegenüber der Redaktion, dass sie über die Vervielfältigungsrechte aller ihrer Fotos und Illustrationen verfügen und übertragen diese sowohl für die Print- wie für die Online-Ausgabe an GMIT. GMIT Nr. 72 erscheint im Juni 2018. Redaktionsschluss ist der 16. April 2018. Anzeigenschluss ist der 30. April 2018. Weitere Auskünfte erteilt Ihnen die BDG-Geschäftsstelle, Lessenicher Straße 1, 53123 Bonn; Tel.: 0228 696601; Fax: 0228 696603; E-Mail: BDG@geoberuf.de; Internet: www.geoberuf.de. Personenbezogene Angaben der Mitglieder werden zum Zwecke der Mitgliederverwaltung und des Versandes von GMIT gespeichert. Bei unterschiedlicher Schreibweise oder verschiedenen Anschriften (z. B. Dienst- und Privatanschrift) kann es vorkommen, dass ein Mitglied das Heft doppelt erhält. Für entsprechende Hinweise ist die Redaktion dankbar. Die an dieser Ausgabe von GMIT beteiligten Gesellschaften entnehmen Sie bitte dem Inhaltsverzeichnis. Die Redaktion dankt den Inserenten und bittet die Leser, diese zu berücksichtigen. Die Zeitschrift GMIT ist auch online erreichbar: www.gmit-online.de Titelbild: Fördergerüst des Schachtes XII der ehemaligen Zeche Zollverein in Essen-Katernberg. Die Schachtanlage wurde in den Jahren 1928 bis 1932 durch die Architekten F. Schupp und M. Kremmer als Zentralföderanlage des 1851 gegründeten Bergwerks errichtet. Mit einer Jahresförderung von über 3 Mio. t Kohle im Jahr war Zollverein eine der größten Zechen des Ruhrgebietes. Die Baukörper der Schachtanlage gelten als Musterbeispiel einer Industrieanlage der „Neuen Sachlichkeit“. Nach der Stilllegung des Bergwerks 1986 wurde die Anlage unter Denkmalschutz gestellt und ist seit 2001 Teil des UNESCO World Heritage. 2 GMIT 71 · März 2018
Inhaltsverzeichnis Editorial .................................................................... 5 Editorial .................................................................... 7 GEOfokus Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften ................................................................ 21 GEOaktiv Wirtschaft · Beruf · Forschung und Lehre ................................................................. 22 Das Wissenschaftsbarometer 2017 .................................................................. 22 Bundesgesellschaft für Endlagerung formiert sich .................................................................. 22 Kostet der Klimawandel 2,3 Billionen Euro? .................................................................. 24 DFG-Projekt: Landschaftswandel in der südlichen Levante während des Holozäns im Kontext von Staubablagerung und Landnutzung .................................................................. 25 Publikation von Forschungsdaten .................................................................. 26 Motor der Industrialisierung, Klimazeuge und Schmuddelkind – Steinkohle ist das „Gestein des Jahres 2018“ ................................................................ 29 GEOlobby Gesellschaften · Verbände · Institutionen ................................................................. 30 BDG · Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler ................................................................. 43 DVGeo · Dachverband der Geowissenschaften ................................................................. 47 DGGV · Deutsche Geologische Gesellschaft – Geologische Vereinigung ................................................................. 53 DMG · Deutsche Mineralogische Gesellschaft ................................................................. 59 DEUQUA · Deutsche Quartärvereinigung ................................................................. 65 OGV · Oberrheinischer Geologischer Verein .................................................................. 71 PalGes · Paläontologische Gesellschaft ................................................................ 75 GEOreport Geowissenschaftliche Öffentlichkeitsarbeit · Tagungsbe- richte · Ausstellungen · Exkursionen · Publikationen ................................................................. 76 Öffentlichkeitsarbeit ................................................................. 76 Geologisches Weltnaturerbe Giants Causeway (Nordirland) ................................................................. 78 Tagungsberichte ................................................................. 78 Strahlenschädigung und Lagerung radioaktiver Abfälle – Chine- sisch-deutsches Symposium 2017 in Chengdu (China) GMIT 71 · März 2018 3
Editorial Inhaltsverzeichnis ................................................................. 79 73. Bundesfachschaftentagung der Geowissenschaften in Bremen ................................................................. 80 Publikationen ................................................................ 85 GEOszene Personalia ................................................................. 86 Nachrufe ................................................................ 93 GEOkalender ................................................................ 96 Adressen .................................................................... 2 Impressum Wir bitten Seite 28 HDI Vertriebs AG, Gebietsdirektion Köln um Ihre Aufmerksamkeit — für unsere Inserenten Seite 58 MK – Versuchsanlagen und Laborbedarf · Mücke-Merlau sowie die Beilagen — in diesem Heft Umschlagseite 2 GGU-Software · Steinfeld — Umschlagseite 3 Carl Hamm Geotechnik · Essen — Umschlagseite 4 GEOtec GmbH · Neuss 4 GMIT 71 · März 2018
Editorial 71 · März 2018 | ISSN 1616-3931 | www gmit-online.de Liebe Leserinnen und Leser, März 2018 die Beendigung des aktiven deutschen Steinkohlebergbaus ist in den zurückliegenden Monaten vielfach thematisiert worden. Und GEOfokus: Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften das zu Recht, hat die endgültige Zechenschließung doch erheb- liche Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, die Zulieferindustrie, die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Nachbergbau und vie- les mehr. Nicht zuletzt geht auch viel Knowhow verloren. Sollte es irgendwann einmal zu einem neuen Bergwerk in Deutschland kommen, so werden Hauer und Steiger wohl aus dem Ausland re- krutiert werden müssen. Auch innerhalb der Geologie ist dieses Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Thema seit langem virulent. Denn es kommen auch erhebliche Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften z. T. neue Aufgaben auf die Geologie zu, man denke nur an die Begleitung des kontrollierten Anstiegs des Grundwassers oder an GMIT 71 die Umnutzung weiterer großer Areale insbesondere im Ruhrge- biet, wo der Strukturwandel ohnehin seit Jahrzehnten ein stän- diger Begleiter der Kommunen und der Bevölkerung ist. Neben vielen bergmännischen und geologischen Fachkongressen wur- den die auf die Geowissenschaftler zukommenden Aufgaben auf Wer GMIT liest, ist immer dem letztjährigen deutschen Geologentag behandelt. Und nicht zuletzt ist die Steinkohle das Gestein des Jahres 2018, wodurch gut informiert. Die Mitglieder u. a. ihre enorme Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung der Redaktion sind stolz Deutschlands und weit darüber hinaus in den beiden letzten Jahrhunderten gewürdigt werden soll. darauf, dass die Geowissen- Die Gefahr, dass auch geologisches Wissen durch die Beendigung schaftlichen Mitteilungen des Steinkohlebergbaus verloren geht, greift der Fokusbeitrag des vorliegenden Heftes auf. Volker Wrede, einer der besten Kenner das mit Abstand auflagen- des Ruhrkarbons Deutschlands, rückt die Tatsache ins Bewusst- stärkste deutschsprachige sein, dass das Steinkohlenrevier des Ruhrgebietes den wohl größten zusammenhängenden und am besten untersuchten Publikationsorgan im geologischen Aufschluss überhaupt darstellt. Die geologischen Geobereich ist. Erkenntnisse dürfen nicht verloren gehen, so sein berechtigtes Plädoyer. Doch lesen Sie selbst. In der vorliegenden Ausgabe von GMIT werden viele weitere ak- tuelle Themen aufgegriffen, sowohl in den allgemeinen Rubriken als auch in den Gesellschaftsbeiträgen. Wer GMIT liest, ist immer gut informiert. Die Mitglieder der Redaktion sind stolz darauf, dass die Geowissenschaftlichen Mitteilungen das mit Abstand auflagen- stärkste deutschsprachige Publikationsorgan im Geobereich ist. Wir hoffen, auch in dieser Ausgabe das Interesse unserer Leserin- nen und Leser getroffen zu haben. In diesem Sinne viel Freude beim Lesen der Ausgabe 71 der Geowissenschaftlichen Mitteilungen! Herzliche Grüße und Glückauf Hans-Jürgen Weyer GMIT 71 · März 2018 5
Fumarolenfeld 6 des El Tatio, 4.280 m über NN, östlich der Atacama-Wüste, Chile ( Foto: H. Kudraß) GMIT 71 · März 2018
fokus Teilansicht des ehemaligen Steinbruchs „Rauen“ in Witten- Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Gedern. Steinkohlenbergbau und Geowissen- Die hier aufgeschlossene sand- steinreiche Folge der Sprock- schaften hövel-Formation (Namurium C) mit mehreren Kohleflözen und marinen Horizonten zeigt besonders eindrucksvoll die zyklische Abfolge der oberkarbo- nischen Sedimente. Sie wurde bereits in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts als Abbild global-klimatischer, wahrschein- lich extratellurisch gesteuerter Prozesse gedeutet (vergl. Abb. 2 des GEOfokus-Beitrags).
Geofokus Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Volker Wrede · GeoPark Ruhrgebiet e. V. Ende des Jahres 2018 wird mit Schließung der beiden letzten verbliebenen Zechen Prosper in Bottrop und Ibbenbüren der deutsche Steinkohlenbergbau endgültig eingestellt. Damit geht ein Jahrhunderte alter Wirtschaftszweig zu Ende, der vor allem in den letzten 150 bis 200 Jahren ein entscheidender Faktor für die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung in Deutschland war. Auf die ökonomische und sozialpolitische Be- umfasst u. a. großmaßstäbliche (i. d. R. 1 : 2.000 deutung des Bergbaus wird in zahlreichen Bei- und 1 : 5.000) Darstellungen der einzelnen Soh- trägen aus Anlass dieser Zäsur hingewiesen len der Bergwerke, Querschnittdarstellungen werden. Die Bedeutung, die der Steinkohlen- und vor allem die Baurisse (= Tiefenlinienpläne) bergbau mit seinen umfangreichen, hervorra- aller abgebauten Flöze. Diese Darstellungen gend dokumentierten Aufschlüssen als Infor- sind als amtliche Urkunden nicht nur vermes- mationsquelle und Datenbasis für die Geo - sungstechnisch exakt, sondern beinhalten zahl- wissenschaften besitzt, ist dagegen meist nur lose geologische Detailangaben wie die Art unzureichend bekannt. Dieser Aspekt soll des- der angetroffenen Gesteine, Mächtigkeiten der halb an dieser Stelle zumindest kurz umrissen Flöze und Angaben über die angetroffenen tek- werden. Mit der Schließung der letzten Zechen tonischen Erscheinungen. Häufig wurden Ge- geht nicht nur der unmittelbare Zugang zu den birgsstörungen mit Verwürfen ab Dezimetern untertägigen Aufschlüssen unwiederbringlich flä chendeckend und in verschiedenen Auf verloren, sondern es besteht auch die große Ge- schlussniveaus erfasst. Daneben existieren zahl- fahr, dass das Wissen um diese in ihrem Umfang reiche Sonderdarstellungen bestimmter Auf einzigartigen Aufschlüsse in Vergessenheit ge- schlusssituationen sowie die Ergebnisse koh rät. lenpetrographischer oder gebirgsmechanischer Untersuchungen. Vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fand eine intensive Bepro- Die Datenbasis bung, Sammlung und Auswertung paläontolo gischer Objekte statt, die Eingang fanden in Die Steinkohlenlagerstätten in Deutschland stel zahlreiche große und kleine Sammlungen in len wahrscheinlich das geologisch am besten Museen, Hochschul- und Forschungsinstituten, erkundete Gebiet in Europa dar: Allein das Ruhr- aber auch in Privathand. revier besitzt eine streichende Erstreckung von Neben den Dokumentationen der Zechen- rund 100 km, eine querschlägige Ausdehnung aufschlüsse stehen die Ergebnisse der Stein- von ca. 60 km und ist bis in eine Tiefe von 1.500 – kohlenexploration im Vorfeld der Lagerstätte, 2.000 m flächendeckend intensivst er kundet die vor allem in den 70er bis 90er Jahren des (Abb. 1). Seit 1865 ist die Dokumentation aller vergangenen Jahrhunderts intensiv betrieben untertägig geschaffenen Hohlräume und der an- wurde. In diesem Zeitraum sind mehr als 1.000 getroffenen geologischen Verhältnisse im Gru- Kernbohrungen mit Tiefen von meist zwischen benbild bzw. im Risswerk der Bergwerke gesetz- 1.000 und 1.500 m niedergebracht und doku- lich vorgeschrieben und geregelt. Das Risswerk mentiert worden, ferner wurde annähernd das 8 GMIT 71 · März 2018
Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Geofokus Abb. 1: Übersicht über die Bergbau- und Explorationszone des Ruhrgebiets (Stand: 1993) gesamte Vorfeld der Bergbauzone mit Linien- te“ definiert, die bis in den Zentimeterbereich und Flächenseismik überdeckt. Gerade bei die- hinein beschrieben und dokumentiert wurden. sen jüngeren Explorationsmaßnahmen wurden Der Großteil der Aufschlüsse der Bergbau- und nicht nur die kohleführenden Schichten des Explorationszone ist iterativ mit diesen Richt Oberkarbons untersucht, sondern in zuneh schnitten stratigraphisch parallelisiert worden. mendem Maße auch die Schichten des überla- Ringförmig geschlossene Profilbänder garantie gernden Deckgebirges berücksichtigt, das im ren dabei eine hohe Zuverlässigkeit der Schich- Nordteil des Reviers allein eine Mächtigkeit von tengleichstellung. über 1.000 m erreicht. Regional unterschiedlich Zusammenfassend lässt sich feststellen, enthält das Deckgebirge Ablagerungen aus dem dass durch den Bergbau im Ruhrrevier (ähnli- gesamten Zeitraum vom Unterperm bis zum ches gilt auch für das Saarrevier, das Aachener Tertiär und Quartär. Revier, den Raum Ibbenbüren und die sächsi- Die Stratigraphie des flözführenden Ober- schen Steinkohlenreviere) eine inhaltlich extrem karbons (Namurium B/C bis Westfalium C/D) umfangreiche und große Flächenbereiche ab- wurde sehr detailliert bearbeitet. Für die einzel- deckende geowissenschaftliche Datenbasis ge- nen Formationen sind „Richtschichtenschnit- schaffen wurde. GMIT 71 · März 2018 9
Geofokus Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Bergbau und Geowissenschaften Rheinland und Westfalen“ des Geologischen Landesamtes bzw. Geologischen Dienstes Trotz der grundsätzlich hervorragenden Vor- NRW hervorzuheben, in der zwischen 1960 aussetzungen blieb der Austausch zwischen und 1999 etliche sehr umfangreiche und teil- dem Bergbau und den Geowissenschaften be- weise mehrteilige Bände erschienen, die sich grenzt. Hierfür sind verschiedene Gründe maß- vielerlei Aspekten der Geologie der Steinkoh- geblich gewesen: lenlagerstätten widmeten. Ebenso enthält z. B. auch die vom führenden Forschungsinstitut · Die gewonnenen Primärdaten sind grund- des Bergbaus publizierte Reihe der „Mittei- sätzlich Betriebsdaten im Eigentum der Un- lungen der Westfälischen Berggewerkschafts- ternehmen und wurden/werden von den kasse“ wichtige geologische Arbeiten. Bergbauunternehmen vertraulich behandelt. · Die (universitären) Geowissenschaften in Dies gilt auch für die bei den Bergbehörden Deutschland haben den Umfang und Wert vorliegenden Grubenbilder oder die bei den der aus dem Bergbau stammenden Informa- Staatlichen Geologischen Diensten vorlie- tionen für allgemeine geowissenschaftliche genden geowissenschaftlichen Informatio- Fragestellungen oft nicht erkannt. Wegen des nen, die Dritten nur mit Zustimmung des Ei- eingeschränkten Informationsaustausches gentümers zugänglich sind. zwischen Bergbau und Geowissenschaften · Die geologische Lagerstättenbearbeitung lag sind die Existenz und der Gehalt der Bergbau- bzw. liegt im deutschen Steinkohlenbergbau aufschlüsse oft gar nicht in das Bewusstsein traditionell in der Hand der Markscheider. der einheimischen akademischen Forschung Der deutsche Steinkohlenbergbau beschäf- gelangt. Darüber hinaus ist eine gewisse tigt(e) praktisch keine Lagerstättengeologen. grundsätzliche Scheu mancher Institute in Ein Informationsaustauch zwischen den eher Deutschland festzustellen, sich mit inländi- ingenieurmäßig ausgerichteten Markscheidern schen Fragestellungen zu befassen. Es war und den (akademischen) Geowissenschaften deshalb mitunter einfacher, ausländische fand nicht automatisch statt (z. B. in wissen- Universitäten für Themen zu interessieren, schaftlichen Gremien oder Publikationsrei- die sich aus den Bergbaudaten im Ruhrgebiet hen). Er beschränkte sich oft auf die Diskussi- ergaben, als die geowissenschaftlichen Insti- on bestimmter konkreter Fragestellungen tute „vor Ort“. Mitunter wurden auch (unzu- oder Probleme des Bergbaus oder war stark treffende) Vorstellungen über eine eigene von den persönlichen Interessen der beteilig- „Karbon-“ oder „Kohlengeologie“ tradiert, ten Personen abhängig. So war der Verfasser nach denen sich die geologischen Bedingun- der bis heute unübertroffenen „Geologie des gen in der Steinkohlenlagerstätte z. B. wegen Niederrheinisch-Westfälischen Steinkohlen- der besonderen mechanischen Eigenschaf- gebietes“, Paul Kukuk (Kukuk 1938), von Haus ten der Flöze grundsätzlich von den Bedin- aus Bergingenieur und arbeitete sich erst im gungen der „normalen“ Geologie unterschei- Laufe seiner Berufstätigkeit so weit in die den würden. Geologie ein, dass er sich mit 47 Jahren im Fach Angewandte Geologie habilitierte. Als Folge dieser Probleme wurden in der Vergangenheit zwar manche montangeo- · Trotzdem liegt ein fast unübersehbares logisch bedeutsamen Themenbereiche in Schrifttum vor, in dem sich Auswertungen der den Steinkohlenrevieren sehr intensiv be- Primärdaten zu sehr unterschiedlichen Frage- arbeitet, andere, für die angewandte Seite stellungen finden. Neben zahllosen Einzelver- weniger bedeutsame Fragestellungen wur- öffentlichungen ist hier besonders die Publi- den dagegen eher vernachlässigt. kationsreihe „Fortschritte in der Geologie von 10 GMIT 71 · März 2018
Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Geofokus Themen und Fragestellungen Prinzip der thermischen Beckenmodelle entwi- ckelt, die Auskunft über Versenkung und He- Im Folgenden sollen schlaglichtartig und ohne bung der Schichten im Lauf der Erdgeschichte jeden Anspruch auf Vollzähligkeit einige geo- geben. In diesem Zusammenhang muss auch wissenschaftliche Themenkomplexe genannt auf die regionalen Inkohlungsanomalien inner- werden, zu deren Bearbeitung die Bergbau halb des Ruhrbeckens, aber z. B. auch von aufschlüsse entscheidendes Datenmaterial ge- Bramsche im Osnabrücker Bergland oder bei liefert haben oder liefern können – die strati Erkelenz im Niederrheingebiet hingewiesen graphischen, faziellen und paläontologischen werden, für die es bislang keine zweifelsfrei be- Untersuchungen erlauben in der Zusammen- friedigenden Erklärungsmodelle gibt. schau eine sehr weitgehende Rekonstruktion Das bei der Inkohlung der tief versenkten der Paläogeographie und Palökologie der Kohle Karbonschichten freigesetzte Methan stellt eine führenden Sedimentationsbecken. Hauptkomponente der Erdgaslagerstätten Nord Die sequenzstratigraphische Analyse der deutschlands und der Niederlande dar. Die auffallend zyklischen, von Grundwasser- bzw. Kenntnis der bei der Inkohlung ablaufenden Meeresspiegelschwankungen kontrollierten Ent- Prozesse und der Migrationswege des Gases ist wicklung der Steinkohlemoore führte bereits in daher für das Verständnis der Gaslagerstätten den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts zur Er- von eminenter Bedeutung (Abb. 3). Ebenso kenntnis, dass hieran auch global-klimatische, wichtig ist aber auch die Betrachtung der in der wahrscheinlich extratellurisch gesteuerte Pro- Kohle verbliebenen Gasmengen, die als Gru- zesse beteiligt sind mit Phasenlängen im Be- bengas bzw. „Schlagende Wetter“ eine perma- reich von Zehntausenden von Jahren (Abb. 2). nente Gefahr für den Bergbau darstell(t)en. Bei Vor dem Hintergrund der aktuellen Klima unkontrolliertem Austritt des Grubengases aus diskussion sollten es vor allem die heute we- Bergbauhohlräumen an die Erdoberfläche kön- sentlich verbesserten Datierungsmöglichkeiten nen Explosionsrisiken z. B. in Kellern von Ge- der Gesteine erlauben, diese Prozesse detail- bäuden entstehen. Darüber hinaus ist Methan lierter zu untersuchen und auch im Vergleich in der Atmosphäre ein Treibhausgas von erheb- zum zeitgleichen Vereisungsgeschehen auf den lich höherer Schädlichkeit als das bei seiner Südkontinenten zu interpretieren. Auch inner- Verbrennung anfallende CO2. Die Absaugung halb der Flöze geben in den sogenannten Strei- und energetische Verwertung von Grubengas fenkohlen wechselnde Maceralassoziationen aus der aktiven oder stillgelegten Bergbauzone Hinweise auf möglicherweise zyklische Ände- wird daher z. Zt. nach dem Erneuerbare-Energi- rungen der ökologischen Verhältnisse. Diese en-Gesetz gefördert (Abb. 4). Im Zusammenhang ließen sich dann als Ausdruck von kurzfristige- mit der Diskussion um „Unkonventionelle Erd- ren Klimaentwicklungen in Zeitspannen einiger gasvorkommen“ und die zu ihrer Gewinnung Tausend Jahre erklären. nötigen Fördertechniken wurde eine Abschät- Die Forschungen zur Kohlengenese führten zung der Gaspotenziale im noch unverritzen zur Betrachtung der thermischen Geschichte Bereich der Steinkohlenvorkommen in NRW der Ablagerungsbecken. Bekanntlich ist der vorgenommen. Auf der Basis einer sehr detail- diagenetische Prozess der Inkohlung tempera- lierten Quantifizierung der Kohlenressourcen turgesteuert. Der Inkohlungsgrad der Kohlen ergibt sich bei sehr konservativem Ansatz eine (bzw. allgemein der organischen Substanz in Menge von mehr als 2.200 km³ Flözgas. Auch einem Sediment) ist daher (vereinfacht gespro- wenn die weitere Erkundung dieser Ressource chen) ein Maß für die maximale Aufheizung und momentan politisch zurückgestellt wurde, ver- damit (bei bekanntem geothermischen Gra- fügt Deutschland hiermit über ein bedeutsa- dienten) für die maximale Versenkungstiefe des mes Gasvorkommen für die Zukunft. Ein relativ Gesteins. Aus dieser Überlegung wurde das neuer und überraschender Aspekt dabei ist, GMIT 71 · März 2018 11
Geofokus Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Abb. 2: Sedimentologische Interpretation eines Aufschlussprofils im Ruhrgebiet mit progressiven und regressiven Zyklothemen (nach Brauckmann et al. 1993) dass nach den Ergebnissen von Kohlenstoff-Iso- zenten?) Aktivitäten von Organismen im Ge- topenuntersuchungen ein Teil der Gase nicht stein entstammt. Hier stehen die Forschungen nur dem Inkohlungsprozess, sondern auch (re- noch ganz am Anfang. 12 GMIT 71 · März 2018
Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Geofokus Von der tektonischen Po- sition her liegen Ruhrkarbon und Aachener Steinkohlenre vier im Bereich der Varisci- schen Orogenfront. Im Gegen- satz zu den NW – SE-streichen- den Abschnitten der Varisci- schen Front in Großbritanni- en, Nordfrankreich oder Bel- gien verlaufen die Falten- achsen im Ruhrkarbon von SW nach NE. Lässt sich dort die Orogenfront relativ scharf durch einen Überschiebungs- gürtel definieren, so klingt im Ruhrkarbon die Faltung ganz allmählich von SE, wo Einen- gungswerte von über 50 % Abb. 3: Inkohlung und Genese von Kohlenwasserstoffen (Wrede 2016) vorliegen, nach NW hin aus, wo die querschlägige Einen- gung geringer als 10 % ist. Eine den Verhältnissen in Nordfrankreich und Belgien ähnelnde Überschiebungs- front ist im Ruhrkarbon auch nicht ansatzweise zu erken- nen. Vielmehr haben die ex- zellenten dreidimensionalen Aufschlüsse eine sehr weitge- hende Analyse der orogenen Einengungstektonik erlaubt, durch die verschiedene Regel- mäßigkeiten und mechanische Zusammenhänge erkennbar wurden, die auf andere Oro- gene übertragbar sind. Insbe- sondere lässt sich zeigen, dass Abb. 4: Mobiles Blockheizkraftwerk zur Nutzung von Grubengas die Überschiebungen des Ruhr karbons im Sinne von „fold-pro gerung ergibt sich, dass die klassische Unterscheidung der strei- pagation-faults“ Teilelemente chenden Störungen z. B. in „Aufschiebungen“, „Überschiebun- eines kombinierten Überschie- gen“ oder „Untervorschiebungen“ rein deskriptiv ist, da alle diese bungs- und Faltungsprozesses Störungsformen in Abhängigkeit von der jeweiligen Faltenposi sind (Abb. 5). Die Entwicklung tion ineinander übergehen. und das Wachstum der Über- Im Ruhrkarbon treten zusätzlich zahlreiche Bruchstrukturen schiebungen lässt sich mit- auf, die vorwiegend quer zu den Faltenachsen oder diagonal hier- mathematischen Modellen be- zu in N–S- bzw. WNW–ESE-Richtung streichen. Dies entspricht schreiben (Abb. 6a, b). Als Fol- dem klassischen Ansatz der Gefügekunde, nach dem quer zur GMIT 71 · März 2018 13
Geofokus Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Abb. 5: Einbindung von Überschiebungen in den Faltenbau (Sutan-Überschiebung in Bochum; Drozdzewski 1980) Haupteinengungsrichtung Dehnungsstrukturen dass orogene Faltungsvorgänge keineswegs auftreten sollen, und diagonal dazu Scher regelmäßig zum Auftreten von Quer- und Dia- störungen mit horizontalen Bewegungskom- gonalstörungen führen. Im Rheinischen Schie- ponenten (Abb. 7, oben). Dieses Modell wurde fergebirge oder im Harz sind Querstörungen vor allem in den 1950er Jahren zum Teil auch zum Faltenbau keineswegs dominierend. Gera- an Daten aus dem Ruhrkarbon entwickelt. de im Harz beherrschen vielmehr die in WNW – Trotzdem zeigt sich gerade hier, dass diese für ESE-Richtung diagonal zu den Faltenachsen die Gefügekunde grundlegende Annahme nicht und parallel zum „saxonischen“ Harzrand strei- generell haltbar ist: Es lässt sich eindeutig be- chenden Erzgänge das tektonische Bild. In den legen, dass die Intensität der Bruchtektonik amerikanischen Appalachen beispielsweise mit zunehmendem Faltungsgrad des Gebirges fehlen entsprechende Störungen sogar voll- abnimmt (Abb. 7, unten). Es muss bei der Beur- ständig, obwohl Faltungsgrad und -stil durch- teilung dieser Feststellung berücksichtigt wer- aus dem Ruhrkarbon ähnlich sind. den, dass die gering gefalteten Gebiete des Im Gegensatz zur Intensität der Bruchtek nördlichen Ruhrgebietes in den 50er Jahren tonik nimmt ihr Regelungsgrad mit der Intensi- noch nicht aufgeschlossen waren und deshalb tät der Faltung zu (Abb. 8): Während im stärker ein solcher Zusammenhang seinerzeit nicht er- gefalteten südlichen Ruhrkarbon die Bruch- kennbar war. Die festgestellte Relation wider- strukturen eher quer zum Faltenbau orientiert spricht jedoch dem kausalen Ansatz, nach dem sind, werden im nördlichen, nur gering gefal die einengenden orogenen Kräfte auch die teten Ruhrkarbon herzynisch (WNW–ESE-) strei- Bruchstrukturen verursachen sollen. Tatsäch- chende, steil stehende Störungen mit z. T. sehr lich zeigt ein Vergleich mit anderen Gebirgen, großen Horizontalkomponenten immer bedeu 14 GMIT 71 · März 2018
Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Geofokus Abb. 6a: Darstellung des bankrechten Verwurfs von Überschiebungen in streichender und einfallender Richtung GMIT 71 · März 2018 15
Geofokus Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Die Explorationsergebnisse des Bergbaus, durch die unterschiedliche Mächtigkeiten der einzelnen Deckgebirgsschichten beiderseits von Störungen messbar wurden, ermöglichen darüber hinaus eine weitgehende zeitliche Bi- lanzierung der Bruchtektonik (Abb. 9). Es han- delt sich bei den Bruchstörungen überwiegend um langlebige, immer wieder reaktivierte Stö- rungen, die jeweils individuelle Entwicklungs- geschichten aufweisen. Von wenigen, allerdings wichtigen Ausnahmen abgesehen, sind sie erst postvariscisch entstanden. Im Laufe der multip- len Aktivitäten dieser Störungen, die sich über den Zeitraum Perm bis Quartär erstrecken kön- nen, kam es in der Oberkreidezeit verbreitet zu einer Bewegungsumkehr: Aus ursprünglichen Abschiebungen wurden vorübergehend Auf- schiebungen. Das Störungsraster vor allem des nördli- chen Ruhrkarbons fügt sich in vielerlei Hinsicht in das System der „saxonischen“, d. h. der post- variscisch-alpidischen Bruchtektonik des außer alpinen Mitteleuropas ein. Die Steinkohlenla- gerstätte von Ibbenbüren liegt unmittelbar im Bereich der Osning-Störung, einer der bedeu- tendsten „saxonischen“ Störungen überhaupt. Abb. 6b: Beziehungen zwischen der streichenden (W) Die Aufschlüsse dieses Bergwerks machen ein und einfallenden (L) Länge von Überschiebungen und tiefes tektonisches Stockwerk innerhalb der ihrem Maximalverwurf (D) (Wrede 2005; Gillespie 1993) Störungszone unmittelbar zugänglich, das sonst nirgends aufgeschlossen ist. Diese Auf- tender. Dieser Zusammenhang ist bereits schlüsse belegen eindeutig eine transpressive O. Ampferer (1942) aufgefallen und wurde von Beanspruchung des Karbonhorstes. ihm als Reaktion der jüngeren Brüche auf ein Nur in den Steinkohlerevieren ist es mög- bereits durch Faltung vorstrukturiertes Gebirge lich, die Ausbildung und Entwicklung „saxoni- interpretiert. scher“ Störungen sowohl im paläozoischen So- Aufgrund der Aufschlüsse des Steinkohlen- ckel wie im darüberliegenden, permischen bis bergbaus sind im Bereich des Ruhrkarbons die neogenen Deckgebirge im Detail zu studieren Störungen des paläozoischen Sockels sehr gut und zu vergleichen. bekannt. Durch den flächenhaften Aufschluss der Flöze beiderseits von Störungen lassen sich Lineare wie z. B. Faltenachsen über die Störun- Folgerungen gen hinweg verfolgen. Hierdurch sind eindeuti- ge Aussagen zur Größe der jeweiligen vertika- Es ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass der len und horizontalen Bewegungskomponenten Steinkohlenbergbau im Lauf seiner Geschichte mög lich. Dabei zeigt sich, dass wesentliche eine Fülle von Basisdaten geliefert hat, die für horizontale Bewegungen an praktisch allen die verschiedensten geowissenschaftlichen Fach- Störungen auftreten. richtungen und Fragestellungen von überragen- 16 GMIT 71 · März 2018
Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Geofokus Abb. 7: Oben: gefügekundliche Interpretation der Bruchtektonik (Pilger 1956); unten: Beziehung zwischen oro gener Einengung und Häufigkeit von Bruchstörungen im Ruhrgebiet (Wrede 1987) der Bedeutung sind. Mit der Stilllegung des Bohrkerne der Explorationsbohrungen bis auf Bergbaus und den damit zwangsläufig verbun geringe Reste verloren, ebenso sind die Original denen personellen Veränderungen droht dieser daten der seismischen Untersuchungen nicht Datenfundus verloren zu gehen oder in Verges- mehr verfügbar. Viele Zechenunterlagen wurden, senheit zu geraten. soweit sie nicht zum bergamtlich geforderten Die Sicherung der Unterlagen und auch der Grubenbild gehören, aus Mangel an Aufbewah- Bestände der geowissenschaftlichen Sammlun- rungsmöglichkeiten vernichtet, andere werden gen ist vorrangig, da sie nicht mehr ersetzbar in unterschiedlichen, teils öffentlichen, teils pri- oder reproduzierbar sind. Bereits heute sind die vaten (bzw. Firmen-)Archiven verwahrt. GMIT 71 · März 2018 17
Geofokus Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Abb. 8: Häufigkeit und Regelungsgrad der Bruchstörungen in Vergleichsflächen (jeweils 100 km²) in der Bochumer Hauptmulde (Einengung 40–50 %; 41 Störungen > 10 m Verwurf) und der Lippe-Hauptmulde (Einengung 5–10 %; 64 Störungen > 10 m Verwurf) Das bei unterschiedlichen Institutionen vor- zugänglich dokumentiert werden, in welchen handene Sammlungs- und Archivgut muss er- Archiven, Sammlungen oder Museen sich wel- fasst und erschlossen und es muss allgemein che Unterlagen befinden. Ein Beispiel hierfür 18 GMIT 71 · März 2018
Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Geofokus Abb. 9: Verwurfsbilanzen von Störungen im westlichen Ruhrkarbon (nach Wolf 1985) könnte die gegenwärtig laufende Erfassung der Ges., 145. Hauptvers., Exkursionsführer: 25–40; Kre montanhistorischen Sammlungsbestände zum feld. Deutsche Stratigraphische Kommission (2005) (Hrsg.): Steinkohlenbergbau in Deutschland sein, die Stratigraphie von Deutschland V – Das Oberkarbon vom Montanhistorischen Dokumentationszen (Pennsylvanium) in Deutschland. – Cour. Forsch.- trum „montan.dok“ des Deutschen Bergbau- Inst. Senckenberg, 254: 477 S.; Frankfurt/M. museums durchgeführt wird. Soweit machbar, Drozdzewski, G. (1980): Tiefentektonik der Emscher- sollte das Archivgut digitalisiert werden, da in und Essener Hauptmulde im mittleren Ruhrge- biet. – In: Beiträge zur Tiefentektonik des Ruhrkar- Zukunft immer stärker ausschließlich auf digi- bons: 45–83; Krefeld. tale Unterlagen zugegriffen werden wird und Drozdzewski, G. (1988): Die Wurzel der Osning-Über- lediglich analog vorhandene Daten und Publi- schiebung und der Mechanismus herzynischer In- kationen Gefahr laufen, ignoriert zu werden. versionsstörungen in Mitteleuropa. – Geol. Rdsch., Die Stilllegung des Steinkohlenbergbaus in 77: 127–141; Stuttgart. Drozdzewski, G., Henscheid, S., Hoth, P., Juch, D., Littke, Deutschland stellt somit die deutschen Geowis- R., Vieth, A. & Wrede, V. (2009): The pre-Perminan of senschaften vor eine große Herausforderung, NW-Germany – structure and coalification map. – Z. wollen sie nicht einen über 150 Jahre aufgebau- dt. Ges. Geowiss., 160: 159–172; Stuttgart. ten und bisher inhaltlich noch keineswegs aus- Drozdzewski, G. & Wrede, V. (1994): Faltung und Bruch tektonik – Analyse der Tektonik im Subvariscikum. – geschöpften Fundus an Daten wieder verlie- Fortschr. Geol. Rhld. Westf., 38: 7–187, Krefeld. ren. Geologisches Landesamt Nordrhein-Westfalen (1974, Hrsg.): Inkohlung und Erdöl. – Fortschr. Geol. Rhein ld. u. Westfalen, 24: 184 S.; Krefeld. Referenzen und weiterführende Literatur Gillespie, P. A. (1993): Structural Analysis of Faults and Folds with examples from the South Wales Coal- Ampferer, O. (1942): Zum Bewegungsbild des Nieder- field and the Ruhr Coalfield. – Thesis, University of rheinisch-Westfälischen Steinkohlengebietes. – Z. Wales: 125 S.; Cardiff. dt. geol. Ges., 94: 292–306; Berlin. Jessen, W. (1955): Das Ruhrkarbon (Namur C – Westfal Brauckmann, C., Schäfer, A., Drozdzewski, G. & Wrede, C) als Beispiel für extratellurisch verursachte Zykli- V. (1993): Stratigraphie, Sedimentologie und Tekto- zitätserscheinungen. – Geol. Jb., 71: 1–20; Hanno- nik im Oberkarbon des Subvariscikums. – Dt. geol. ver. GMIT 71 · März 2018 19
Geofokus Der Bergbau geht – bleibt das Wissen? Steinkohlenbergbau und Geowissenschaften Josten, K.-H. (1990): Die Steinkohlenfloren Nordwest- Thielemann, T. (2000): Der Methanhaushalt über kohle deutschlands. – Fortschr. Geol. Rheinld. u. Westf., führenden Sedimentbecken: Das Ruhrbecken und 36: Text-Bd. 434 S.; Taf.-Bd. 220 Taf.; Krefeld. die Niederrheinische Bucht. Methanbildung, -mi Juch, D. & Arbeitsgruppe GIS (1988): Aufbau eines gration und -austausch mit der Atmosphäre. – Ber. geologischen Informationssystems für die Stein- Forsch.-Zentr. Jülich, 3792: 350 S.; Jülich. kohlenlagerstätten Nordrhein-Westfalens und im Wolf, R. (1985): Tiefentektonik des linksniederrheini- Saarland. – Abschl.-Ber. BMFT-Forsch.-Vorhaben 03E- schen Steinkohlengebietes. – Beitr. z. Tiefentekto- 6288-A: 112 S.; Krefeld. nik westdt. Steinkohlenlagerst., 124: 105–167; Kre- Juch, D. (1991): Das Inkohlungsbild des Ruhrkarbons – feld. Ergebnisse einer Übersichtsauswertung. – Glückauf- Wrede, V. (1987): Einengung und Bruchtektonik im Forschungshefte, 52: 37–47; Essen. Ruhrkarbon. – Glückauf, 48: 116–121; Essen. Kukuk, P. (1938): Geologie des Niederrheinisch-West- Wrede, V. (2005): Thrusting in a folded regime: Fold fälischen Steinkohlengebietes. – Text-Bd. 706 S., Es- Accomodation Faults in the Ruhr Basin, Germany. – sen. Journ. Struct. Geol., 27: 789–803; Amsterdam. Pilger, A. (1956): Die tektonischen Richtungen des Ruhr- Wrede, V. (2010): Zur Zeitlichkeit postvariscischer Tek- karbons und ihre Beziehungen zur Faltung. – Z. dt. tonik im südwestlichen Teil des Münsterschen Krei- geol. Ges., 107: 206–230; Hannover. debeckens. – Schr.-R. Dt. Ges. Geowiss., 73: 163– Süss, M. P., Drozdzewski, G. & Schäfer, A. (2000): Se- 169; Hannover. quenzstratigraphie des kohleführenden Oberkar- Wrede, V. (2016): Schiefergas und Flözgas – Potenziale bons im Ruhr-Becken. – Geol. Jb., A 156: 45–106; und Risiken der Erkundung unkonventioneller Erd- Hannover. gasvorkommen in Nordrhein-Westfalen aus geowis Teichmüller, M. & Teichmüller, R. (1986): Relations be- senschaftlicher Sicht. – scriptum, 23: 5–129; Kre- tween coalification and palaeogeothermics in var- feld. iscan and alpidic foredeeps of western Europe. – Palaeogeothermics. Lecture Notes in Earth Sciences, 5: 53–78; Berlin u. Heidelberg. Teichmüller, M., Teichmüller, R. & Bartenstein, H. (1984): Inkohlung und Erdgas – eine neue Inkohlungskarte der Karbon-Oberfläche in Nordwestdeutschland. – Fortschr. Geol. Rheinld. u. Westf., 32: 11–34; Kre- feld. Der Beitrag stellt eine überarbeitete Fassung des Vor- trags des Verfassers auf dem 10. Deutschen Geologen- tag am 26. Oktober 2017 in Offenburg dar. Anschrift des Autors Dr. Volker Wrede, GeoPark Ruhrgebiet e. V., c/o Geologi scher Dienst NRW, de-Greiff-Str. 195, 47803 Krefeld wredevolker@yahoo.de 20 GMIT 71 · März 2018
aktiv Wirtschaft · Beruf · Forschung und Lehre Sandsteintagebau Lohmgrund, Sachsen (Foto: J.-M. Lange)
Geoaktiv Wirtschaft · Beruf · Forschung und Lehre Das Wissenschaftsbarometer 2017 kdg. Wie groß ist das Interesse an wissen- schaftlichen Themen, wie stark ist das Vertrau- en in die Wissenschaft und welche Forschungs- bereiche sind am wichtigsten für die Zukunft? In einer repräsentativen Umfrage ermittelt die von den deutschen Wissenschaftsorganisati- onen getragene gemeinnützige Gesellschaft „Wissenschaft im Dialog“ seit 2014 einmal jährlich die Einstellungen der Bevölkerung zu Wissenschaft und Forschung. Unter www. wissenschaftsbarometer.de sind die Ergebnisse zu finden. Das Wissenschaftsbarometer 2017 zeigt auf, dass im Wahlkampf zur Bundestagswahl Wis- senschaft und Forschung nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Diese Ansicht vertreten knapp zwei Drittel der Befragten. Eine Frage, die sich besonders vor dem Hin- Jeweils knapp drei Viertel zeigen sich jedoch tergrund der aktuellen Diskussionen um Ex- überzeugt. Der Aussage, dass Wissenschaft pertenfeindlichkeit und Fake News stellt, ist mehr schadet als nützt, stimmen 11 % der die nach dem Vertrauen der Menschen in Wis- Befragten zu, 64 % widersprechen. Im Vorjahr senschaft und Forschung. 12 % der Befragten waren es 10 bzw. 70 %. geben an, dass sie Wissenschaft und Forschung Befragt wurden die Bürger auch zum Verhält- nicht vertrauen. Jeder zweite Befragte bekun- nis von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. det Vertrauen, der Rest zeigt sich unentschie- Hier sehen die Befragten ein Ungleichgewicht. den. Vor allem die Expertise der Forschenden 57 % der Bürger schätzen den Einfluss von Poli- wird als Grund für Vertrauen aufgeführt. Als tik auf die Wissenschaft als zu groß ein. Umge- häufigster Grund für Misstrauen wird die Ab- kehrt hat Wissenschaft laut 45 % der Befragten hängigkeit von Geldgebern genannt. einen zu geringen Einfluss auf die Politik. 61 % Das Wissenschaftsbarometer fragt auch nach empfinden den Einfluss der Wirtschaft auf die den Einstellungen zum menschengemachten Wissenschaft als zu groß. Klimawandel oder zur Evolutionstheorie. 8 % der Befragten geben an, am menschen www.wissenschaftsbarometer.de gemachten Klimawandel zu zweifeln, jeder Zehnte stellt die Evolutionstheorie infrage. Bundesgesellschaft für Endlagerung formiert sich hjw. Im Zuge der gesetzlichen Neuordnung der Die Asse GmbH – Gesellschaft für die Betriebs- Endlagerung radioaktiver Abfälle in Deutsch- führung und Schließung der Schachtanlage land ist es zum Jahreswechsel 2017/2018 zur Asse II in Remlingen, die Deutsche Gesellschaft Verschmelzung bislang getrennt auftretender zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfall- Gesellschaften gekommen. stoffe mbH (DBE) in Peine und die Bundesge- 22 GMIT 71 · März 2018
Wirtschaft · Beruf · Forschung und Lehre Geoaktiv sellschaft für Endlagerung mbH (BGE) in Peine Die Anschrift des mit neuen Zuständigkeiten sind mit Wirkung vom 20. Dezember 2017 in die betrauten Unternehmens lautet: neue Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) zusammengeführt worden. Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) Zur Einrichtung der BGE gehörten bereits die Eschenstraße 55, 31224 Peine Standorte Salzgitter, Morsleben, Berlin und Tel.: 05171 43-0 Gorleben. Kostet der Klimawandel 2,3 Billionen Euro? Im folgenden Beitrag sind Auszüge aus dem mapolitiker am liebsten im Koalitionsvertrag Artikel von Daniel Wetzel in der Welt vom festgeschrieben sähen, kann aus unserer Sicht 19.1.2018 zusammengestellt. realistischerweise in Deutschland nicht gelin- — gen“, lautet das Fazit, das BDI-Präsident Dieter hjw. Als der damalige Kanzleramtsminister Kempf bei der Präsentation der Studie in Berlin Peter Altmaier vor Jahren vorhersagte, die zog. Kosten der deutschen Energiewende könnten Gleichwohl konnte Kempf dem Zahlenmaterial noch eine Billion Euro erreichen, erntete er nur auch eine gute Nachricht entnehmen. Die er Unglauben, Hohn und Spott. Jetzt ist es Zeit, forderlichen Billionen-Investitionen in den Altmaier zu rehabilitieren. Denn die Billionen- Klimaschutz sorgten immerhin auch für Ein zahl ist mittlerweile wissenschaftlich abgesi- sparungen, etwa beim Import von Rohöl oder chert und größer als je zuvor. Der Bundesver- Kohle. Die echten Mehrkosten fielen damit band der Deutschen Industrie (BDI) hat rund geringer aus: Die Studie bezifferte sie auf 200 Experten ein Jahr lang rechnen lassen. 470 Mrd. € bis 2050 für die Erreichung des Mini- 68 Verbände speisten Zahlen ein. Wissenschaft- malziels und 960 Mrd. € – also rd. 30 Mrd. €/a – ler, Unternehmer, Gewerkschafter diskutierten für das Maximalziel der fast vollständigen De- in mehr als 40 Workshops alle denkbaren Zu- karbonisierung. Volkswirtschaftlich könnten kunftsszenarien der Energieversorgung. Zu- die Investitionen sogar das deutsche Bruttoin- sammengefasst und analysiert von den Institu- landsprodukt bis 2050 leicht erhöhen. Die Stu- ten Prognos und Boston Consulting Group liegt dienautoren sprechen bei optimaler Umset- das Ergebnis jetzt in Form einer 300-Seiten-Stu- zung aller Maßnahmen von einer möglichen die unter dem Namen „Klimapfade für Deutsch- „schwarzen Null“ im Bruttoinlandsprodukt, land“ vor. Demnach muss Deutschland in den also der Summe aller im Inland produzierten kommenden 30 Jahren rd. 1,5 Billionen € zu- Waren und Dienstleistungen. Denn von den sätzlich investieren, um den CO2-Ausstoß wie Klimaschutzausgaben profitieren zahlreiche geplant um 80 % zu senken. Industriesektoren, zum Beispiel Maschinenbau, Doch in Wirklichkeit wird es noch teurer. Denn Bau- und Dämmstoffindustrie in Form zusätzli- Deutschland hat im Rahmen des Weltklimaab- cher Aufträge. kommens von Paris schriftlich zugesagt, sogar Irgendjemand muss die Billionen-Summe eine CO2-Einsparung von 95 % bis zum Jahr schließlich zahlen. Viele Hauseigentümer, Öl- 2050 anzustreben. Dieses Ziel einer fast voll- heizungsbesitzer und Autofahrer werden ständigen Dekarbonisierung der Gesellschaft zwangsläufig für Klimaschutzauflagen zur Kas- erfordert laut BDI-Studie sogar 2,3 Billionen € se gebeten, ohne dass sie dadurch einen un- an zusätzlichen Investitionen. „Eine 95%ige mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil hätten. Um Treibhausgasreduktion, wie sie manche Kli- Akzeptanz herzustellen, Anreize zu setzen und GMIT 71 · März 2018 23
Geoaktiv Wirtschaft · Beruf · Forschung und Lehre soziale Schieflagen zu vermeiden, müssen Verzögerung des Netzausbaus beobachtbar – hohe Summen zur Kompensation eingesetzt können die Kosten und Risiken erheblich stei- werden: Das Billionen-Programm zur Dekarbo- gen oder das Ziel sogar unerreichbar werden nisierung ist zugleich ein in dieser Höhe nie lassen“, warnen die Studienautoren. Wie eine dagewesenes fiskalisches Umverteilungspro- „optimale Umsetzung“ aussehen würde, haben gramm. Dass die Politik so etwas leisten kann, die Autoren der BDI-Studie anhand einiger Bei- hat sie bislang zumindest nicht unter Beweis spiele beschrieben. So müssten allein für das gestellt. Minimalziel von 80 % CO2-Einsparung 26 Mio. Dass es auch bei der Erreichung des Minimal- Elektroautos auf die Straße. Zudem müssten ziels von 80 % CO2-Reduktion bei den ange- 4.000 km Autobahn mit elektrischen Oberlei- nommenen Kosten von 1,5 Billionen € bleibt, tungen für den Schwerlastverkehr ausgerüstet ist dabei höchst unwahrscheinlich. Denn diese werden. Die Sanierungsrate im Gebäudebe Summe ergibt sich nur, wenn alle Klimaschutz- stand müsste sich auf 1,7 % fast verdoppeln, maßnahmen, wie etwa die Energiewende die Industrie zu 90 % von modernsten Effizienz- „optimal gesteuert und politisch begleitet technologien durchdrungen sein. Schließlich werden“, wie es in der Studie heißt. Die Studi- müsste die installierte Wind- und Solarkraft- enautoren haben ihre Ziele unter der Prämisse Kapazität auf 240 GW mehr als verdoppelt wer- errechnet, dass alles perfekt läuft, also „rich- den. Der Versuch einer 95%igen CO2-Einspa- tige Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt rung, wie ihn die Bundesregierung gegenüber getroffen werden“. Von einer wirtschaftlich den Vereinten Nationen zugesagt hat, würde „optimalen“ Steuerung konnte allerdings in zusätzlich erfordern, die CO2-Emissionen der der deutschen Energiewende bislang nicht die Müllverbrennung, der Raffinerien, Stahl- und Rede sein. Im Gegenteil: Gerade die uneffizien- Zementwerke in unterirdischen Speichern ein- testen Ökostrom-Techniken wurden am stärks- zulagern. Landwirte wären gehalten, bei Kühen ten subventioniert, der Stromnetz-Ausbau durch geänderten Verdauungsprozess deren verlief nicht abgestimmt mit dem Zubau neuer Treibhausgas-Emissionen zu verringern. Schließ- Windräder und Solaranlagen. „Fehlsteuerun- lich müssten in diesem Szenario 340 TWh Ener- gen in der Umsetzung – wie zum Beispiel in der gie in Form synthetischer Brenn- und Kraft Energiewende durch Überforderung und die stoffe aus dem Ausland importiert werden. DFG-Projekt: Landschaftswandel in der südlichen Levante während des Holozäns im Kontext von Staubablagerung und Landnutzung Bislang ist wenig über die Landschaftsent- der Zweck und die Konstruktionskonzepte wicklung der südlichen Levante während des antiker landwirtschaftlicher Terrassen in der Holozäns bekannt und die Zusammenhänge südlichen Levante noch weitgehend unbe- zwischen Landschaftsveränderungen, mensch- kannt. Das Projekt nähert sich diesen Fragen licher Aktivität und Fluktuationen des Klimas über eine vergleichende Untersuchung von sind weitgehend unklar. Die gut untersuchten geoarchäologischen Archiven entlang eines Lössablagerungen der Negev in Südisrael do- regionalen Transekts. Systematische Verglei- kumentieren hauptsächlich pleistozäne Um- che von Sedimenten in unterschiedlichen weltveränderungen, während Löss in Südjor- archäologischen Strukturen (z. B. Ruinen auf danien zwar postuliert, aber kaum untersucht Hügelkuppen, Zisternen und Terrassen) sowie wurde. Trotz der experimentellen Arbeiten zur natürlichen Sedimenten entlang von Catenen Funktionsweise von Terrassensystemen sind in deren Einzugsgebieten werden nahe den 24 GMIT 71 · März 2018
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