Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2021 - GEW Hessen
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Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 74. Jahr Heft 9/10 Sept./Okt. 2021 zum Inhaltsverzeichnis
IN DIESER HLZ HLZ 9–10/2021 2 Zeitschrift der GEW Hessen Tarif- und Besoldungsrunde für Erziehung, Bildung, Forschung beginnt in Hessen: Jetzt! ISSN 0935-0489 Die Tarifrunde 2019 endete für die Be- I M P R E S S U M schäftigten des Landes Hessen mit ei- Herausgeber: ner respektablen Gehaltssteigerung Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft von durchschnittlich 8 Prozent in drei Landesverband Hessen Schritten, die letzte Gehaltserhöhung Zimmerweg 12 60325 Frankfurt/Main gab es im Januar 2021. Mit diesem Er- Telefon (0 69) 971 2930 gebnis wurde die bundesweite Tarifrun- Fax (0 69) 97 12 93 93 de im Bereich der anderen Bundeslän- E-Mail: info@gew-hessen.de Homepage: www.gew-hessen.de der in der Tarifgemeinschaft der Länder auch in Hessen nachvollzogen. Die Ta- Verantwortlicher Redakteur: Harald Freiling rifeinigung wurde für die Beamtinnen Klingenberger Str. 13 und Beamten weitgehend zeit- und in- 60599 Frankfurt am Main haltsgleich übernommen, auch hier gab Telefon (0 69) 636269 E-Mail: freiling.hlz@t-online.de es die letzte Besoldungserhöhung am den Tarifvertrag der Länder (TVL), son- 1.1.2021 – auch das ein Erfolg der Ge- dern sie stehen an der Spitze. Über die Mitarbeit: Christoph Baumann (Bildung), Tobias Cepok (Hoch- werkschaften. Schwierigkeiten und Herausforderun- schule), Holger Giebel, Angela Scheffels (Mitbestim- Die neue Tarifrunde in Hessen be- gen, die durch einen engen Zeitplan und mung), Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette ginnt Anfang September unter ver- die Pandemie weiter gesteigert werden, Loycke (Recht), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung), Karola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik änderten Vorzeichen: Erstmals fahren berichten Maike Wiedwald und Thi- und Gewerkschaften), Simone Claar (Hochschule) die Gewerkschaften des öffentlichen lo Hartmann in dieser HLZ auf Seite 6. Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert † Dienstes in Hessen nicht im Geleitzug • Alle weiteren aktuellen Informationen: der bundesweiten Verhandlungen über www.gew-hessen.de Schwerpunktthema: Dr. Kai Eicker-Wolf und Harald Freiling Privatisierung: Schwerpunktthema dieser HLZ Illustrationen: Ballhaus West | Agentur für Kampagnen GmbH (Titel), Der Landesdelegiertenversammlung reinigung (S. 8) und Mensaverpflegung Dieter Tonn (S. 25, 33), Ruth Ullenboom (S. 4) der GEW Hessen, die am 23. und 24. (S.10) in hessischen Schulen, mit den Fotos, soweit nicht angegeben: September 2021 in Fulda stattfinden millionenschweren Verlusten aus den Harald Freiling (S. 12, 13), Helga Roth (S. 30), Herbert Storn (S. 16), GEW (S. 8, 9, 36, 37) wird, liegt unter anderem ein Grund- Immobilienverkäufen in der Amtszeit satzantrag zu Fragen der Privatisie- von Ministerpräsident Roland Koch Verlag: Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH rung und zur notwendigen Rückfüh- (S.12), mit dem „Mietenwahnsinn als Niederstedter Weg 5 rung öffentlicher Aufgaben in die Folge von Privatisierung und Staats- 61348 Bad Homburg staatliche Verantwortung vor. Die vor- versagen“ (S. 14) und den Folgen der Anzeigenverwaltung: liegende Ausgabe der HLZ befasst sich Privatisierung der Unikliniken in Gie- Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH unter anderem mit der Forderung nach ßen und Marburg (S. 16). Peter Vollrath-Kühne Postfach 19 44 einer Rekommunalisierung von Schul- • Mehr zur LDV auf Seite 5 61289 Bad Homburg Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21 Die HLZ-Redaktion wünscht allen GEW-Mitgliedern einen guten Start ins neue E-Mail: mlverlag@wsth.de Schuljahr und Semester. Dieser Start ist auch eine gute Gelegenheit, neue Kolle- Erfüllungsort und Gerichtsstand: ginnen und Kollegen auf eine Mitgliedschaft in der GEW anzusprechen. Informa- Bad Homburg tionen über die neuen Werbeprämien findet man auf der Rückseite dieser HLZ. Bezugspreis: Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein- Rubriken Einzelbeiträge Aus dem Inhalt schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag 4 Spot(t)light 6 Tarif- und Besoldungsrunde 2021 enthalten. 5 Meldungen beginnt in Hessen Zuschriften: 23 Briefe 18 Schuljahr beginnt - Corona bleibt Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder 30 Aus der Personalratsarbeit 24 Entwurf zur Novellierung des wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver- öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen 36 Recht: Haftung für dienstliche Hessischen Lehrerbildungsgesetzes: vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen Endgeräte Die Stellungnahme der GEW nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion 36 Nachrufe | Jubiläen 26 Harmonie im Landtag? SPD legt übereinstimmen. Entwurf für Musikschulgesetz vor Titelthema: Privatisierung 28 Entwurf zur Novellierung des Redaktionsschluss: 8 Schulreinigung rekommunalisieren! Hessischen Hochschulgesetzes Jeweils am 5. des Vormonats 10 Mensaessen in Kitas und Schulen 31 Warum misstraut der Kultusminis- Nachdruck: 12 Die Immobiliengeschäfte von Ro- ter den Grundschullehrkräften? Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti- land Koch: Millonenfache Verluste 32 Bernd Käpplinger: Digital wird gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei- genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher 14 Die Privatisierung des Wohnungs- bleiben. Was machen wir daraus? Genehmigung der Redaktion und des Verlages. baus und die Folgen 34 Kollege Becker schreibt... Druck: 16 Gießen-Marburg: Eine Uniklinik als Druck- und Verlagshaus Thiele & Schwarz GmbH Objekt privater Spekulation 19-22 lea-Fortbildungsprogramm Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
3 HLZ 9–10/2021 zum Inhaltsverzeichnis KOMMENTAR Liebe Kolleginnen und Kollegen! Willkommen im Schuljahr 2021/2022! Das vergan- brauchen eine Schule für alle und wir brauchen für gene Schuljahr war von chaotischem Handeln und alle Beschäftigten in Kita, Schule und Hochschule schlechtem Management des Hessischen Kultusmi- gute Arbeitsbedingungen. Wir benötigen eine solide nisteriums (HKM) geprägt, und ich fürchte, dass es und bedarfsgerechte Bildungsfinanzierung, denn nur auch für den Schulbeginn am 30. August 2021 keine so können wir Bildungsgerechtigkeit und Chancen- strukturierte und planvolle Vorbereitung geben wird. gleichheit für alle Kinder, Jugendlichen und Studie- Es wird kein datenschutzsicheres Videokonferenz- renden durchsetzen. Angemessene Fachkraft-Kind- system geben und in den allermeisten Klassenräu- Relationen in den Kitas, kleine Lerngruppen an den men werden uns keine Lüftungsanlagen oder mobi- Schulen und die Beendigung des Befristungsunwesen len Lüftungsgeräte erwarten. Die Maskenpflicht und an den Hochschulen sind die zentralen politischen das dreimalige Testen in den ersten beiden Wochen Themenfelder. Dies gelingt nur, wenn mehr qualifi- nach den Sommerferien werden neben den AHA-L ziertes Personal in alle Bildungseinrichtungen kommt Regeln nicht ausreichen, um für alle in der Schu- und die Kolleginnen und Kollegen gut und gerecht le Lernenden und Arbeitenden einen guten Arbeits- bezahlt werden. Grundschullehrkräfte verdienen A13 und Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Auch das auch in Hessen und auch Erzieherinnen und Erzieher „Aufholprogramm“ mit dem lächerlichen Namen müssen endlich angemessen vergütet werden. „Löwenstark – der BildungsKICK“ wird den Schüle- Aus persönlichen Gründen werde ich nach zehn rinnen und Schülern wenig nutzen. Nötig wären klei- Jahren im Vorsitz der GEW nicht erneut zur Wahl ne Lerngruppen mit ausgebildeten Lehrkräften sowie der Vorsitzenden antreten. Von 2011 bis 2014 war ein gutes freizeitpädagogisches Angebot, das von Pä- ich stellvertretende Landesvorsitzende, von 2014 bis dagoginnen und Pädagogen angeleitet wird. 2017 Vorsitzende im Team mit Jochen Nagel und seit Die Tarif- und Besoldungsrunde 2021 wird uns 2017 mit einem „Cornonaverlängerungsjahr“ Vorsit- in den nächsten Wochen besonders herausfordern. zende im Team mit Maike Wiedwald. Es war mir eine Nicht nur, weil bei möglichen Streikversammlungen große Freude und Ehre, Landesvorsitzende der GEW und Straßenprotesten die pandemische Lage bedacht Hessen gewesen zu sein. Der GEW Hessen und ih- werden muss, sondern auch wegen der Terminierung: ren Mitgliedern wünsche ich das Allerbeste! Die GEW Der Streit um höhere Gehälter startet im Geltungs- kämpft beharrlich für gute Tarifabschlüsse und gute bereich des Tarifvertrags Hessen (TV-H) diesmal vor Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, für mehr der Tarifauseinandersetzung mit den anderen Bun- Bildungsgerechtigkeit, für eine Schule für alle, für desländern und liegt dadurch ungünstig zwischen den eine inklusive Beschulung, die diesen Namen auch Sommer- und Herbstferien. Ich bin mir aber sicher, verdient, und für eine vielfältige demokratische Ge- dass wir diese Herausforderung gemeinsam und so- sellschaft ohne Hass, Hetze und Ausgrenzung. Dafür lidarisch und mit einem guten Ergebnis bewältigen habe auch ich immer sehr gerne gekämpft. werden. Neben der Verbesserung bei den Einkommen In diesem Sinne: Tschüss, Kurs halten, immer lie- und den Arbeitsbedingungen der Landesbediensteten kut und herzliche GEWerkschaftliche Grüße wollen wir in diesem Jahr auch ein gute Lösung bei der tariflichen Eingruppierung der Lehrkräfte errei- chen. Weitere Informationen findet man in dieser HLZ auf den Seiten 6 und 7 und immer aktuell auf der Internetseite www.gew-hessen.de. Am 23. und 24. September findet die nächste Lan- desdelegiertenversammlung der GEW Hessen statt. Das wichtigste Entscheidungsgremium der GEW wird grundsätzliche bildungs- und beschäftigungspoli- tische Anträge debattieren und beschließen; auch werden die politischen Ämter neu gewählt. Die po- litische Leitlinie der GEW Hessen war und ist: Wir
SPOT(T)LIGHT zum Inhaltsverzeichnis HLZ 9–10/2021 4 Aus dem Kindergefängnis ... Der geniale Schriftsteller Friedrich Dür- Geister“ werden ja eher Journalisten „Lehrer jammern auf hohem Ni- renmatt ist gerade 100 geworden. Lei- und Politiker. „Ich bin kein Schulmeis- veau“, verrät mir eine junge Frau, die der hat der Mann das Pech, dass seine terlein mehr!“, höhnt ein früherer Kol- von der Krankenschwester zur Grund- Werke landesweit gern im Deutschun- lege, der dem Hamsterrad entronnen ist, schullehrerin umgestiegen ist. Ich terricht behandelt werden. Und natür- indem er Ohrensausen entwickelte. Er wundere mich, dass sie ihren Alltag lich so grottenschlecht, dass die ju- widmet sich jetzt gesellschaftlich weit- als Lehrerin so locker wegsteckt. Wun- gendlichen Opfer nie wieder etwas aus relevanteren Aufgaben. Er managt dere mich allerdings nicht mehr, als von Dürrenmatt hören, lesen oder se- ein paar unbekannte Musiker, was sei- ich höre, dass sie nur halbtags arbeitet, hen wollen. Erst ein prominenter Lite- nen Ohren komischerweise überhaupt meist doppelt gesteckt ist und nur ein- raturkritiker entreißt den großen Dür- nichts ausmacht. zelne Stunden eigenständig vorberei- renmatt im SPIEGEL dem Nebel, den ten und halten muss. Ich finde es nett unfähige Lehrer mit ihrer zähen Text- Mein kleiner Pressespiegel von ihren Kolleginnen, dass sie der jun- analyse über ihn gelegt haben. Tief be- In den Zeitungen häufen sich die Re- gen Frau beim Einstieg helfen. Ich bin friedigt merkt der Literaturkritiker an, portagen über Quereinsteiger im Leh- gespannt, was sie mir in fünf Jahren dass Schule in Dürrenmatts Augen ein rerberuf. Ohne all die Fachnahen und erzählt, wenn sie ganztags durch die „Kindergefängnis“ gewesen sei. Genau Fachfremden wäre die bundesdeutsche Schule wirbelt, auch mal in der 9. Stun- so isses. Und alles, was an Klischees Schule längst zusammengebrochen. de Unterricht hat und viele erfreuliche über Schule und Lehrer gebetsmühlen- Und es ist bestimmt kein Zuckerschle- Erfahrungen mit Vertretungsunterricht artig wiederholt wird, gilt irgendwann cken, sofort ganztags als Lehrer ein- gesammelt hat. als schiere Wahrheit. gesetzt zu werden und nebenbei sei- Ein Comedian, als Reporter getarnt, Eine Nachbarin wird gefragt, wie ne Ausbildung nachzuholen. Auch der befragt Passanten: „Überall fehlen Leh- es ihrer pubertierenden Tochter in der Reporter hält das für eine bewunderns- rer. Wollen Sie nicht als Quereinsteiger Schule geht. Die betretene Antwort: werte Leistung. Und er lobt den Quer- starten? Sie werden mit Handkuss ge- „Naja, was soll sein. Ein wacher Geist einsteiger, der durch „frische Ideen“ nommen!“ Alle Befragten reagieren mit kann sich in der Schule einfach nicht und seine eindrucksvolle Persönlichkeit geringer Begeisterung. Drei junge Män- wohlfühlen!“ Ja, es ist wirklich ein Di- überzeugt, während regulär ausgebilde- ner lachen sich kaputt: „Lehrer? Ich bin lemma, wenn all die hochbegabten Kin- te Lehrkörper sich nur mit starrer Rou- doch kein Opfer!“ (Na gut, sie haben der in den Schulen nur auf pädagogi- tine durchs Leben hangeln und natür- nicht „Opfer“, sondern „Hurensohn“ ge- sches Mittelmaß stoßen. Die „wachen lich nie einen Blick über den Tellerrand sagt.) Der Comedian schlägt Abwrack- werfen. Wie wir alle wissen, ergreift der prämien für altgediente Lehrer vor. Lehrer seinen Beruf, weil er entweder Bei all diesen kompetenten Ur- das wahre Leben scheut, viele Ferien teilen fällt anscheinend niemandem haben will, seinen Sadismus wahl- der irrsinnige Widerspruch dazu auf, weise Masochismus ausleben möch- dass Schule und Lehrerschaft alle ge- te oder im besten Fall ein Helfersyn- sellschaftlichen Probleme lösen sol- drom hat. Journalisten wissen auch, len. Wann immer eine journalistische dass Lehrer sich von bloßen Vorna- Fachkraft einen lustigen „Gedanken- men leiten lassen und sich genüss- bonbon“ hat, fordert sie die Einführung lich an allen Kevins, Chantalles, eines neuen Schulfachs, z.B. „Trauer“ Alis und Fatmas abarbeiten. Kinder oder „Klöppeln“. Die mittelmäßig be- mit solchen oder ähnlichen Vor- gabten, faulen und jammernden Leh- namen haben so gut wie keine rer sollen mal eben Antisemitismus be- Chance, in Harvard zu studieren. seitigen, gegen religiöse Intoleranz und Hätten die Eltern sie mal lieber Rassismus kämpfen, für sexuelle Viel- Charlotte und Paul-Wilhelm ge- falt und Gleichberechtigung eintreten, nannt! Eine weitere journalis- den Klassenraum streichen und Medi- tische Edelfeder beklagt, dass enkompetenz erwerben, um sie dann Kinder in der Schule nur still- vermitteln zu können. Wie soll das al- sitzen und zuhören dürfen. les gehen? Das wissen kritische Jour- Niemand bringt ihnen Dis- nalisten und abgehobene Schulpoliti- kutieren bei. Niemand be- ker genau: durch Fortbildungen. An spricht mit ihnen exis- Universitäten, in Schulbuchverlagen tenzielle Fragen. Die und Coaching-Zentren lauern nämlich Kinder würden in der die Spitzenkräfte der Republik (viel- Schule nur verunsi- fach heilfroh, nicht im Schuldienst zu chert. Wo und wann hat sein) darauf, ihr enormes Praxiswissen diese Frau hospitiert? In an dumpfbackige Lehrer weiterzugeben. einem Bergdorf um 1900? Gabriele Frydrych
5 HLZ 9–10/2021 zum Inhaltsverzeichnis MELDUNGEN 23./24. 9.: Landesdelegier- tenversammlung der GEW Am 23. und 24. September findet die 2020 verschobene ordentliche Lan- desdelegiertenversammlung (LDV) in Fulda statt. Pandemiebedingt fin- det sie mit der Möglichkeit zur digi- talen Zuschaltung und in verkürzter Form statt, so dass vor allem die sat- zungsmäßigen Vorgaben für die Wah- Foto: len zum geschäftsführenden Vorstand Junge GEW und zur Haushaltsführung erfüllt wer- Hessen den können. Die inhaltliche Debatte wird sich auf wenige Grundsatzanträ- ge beschränken und soll 2022 auf ei- Junge GEW Hessen wählt neues Sprecher:innenteam ner außerordentlichen LDV fortgesetzt werden. Im Vorsitzendenteam wird Die Mitgliederversammlung der Jun- mien als Möglichkeit des Einmischens es durch die Entscheidung von Birgit gen GEW Hessen am 3. Juli in Frank- und Mitmischens zu präsentieren“ Koch, nicht erneut als Landesvorsitzen- furt fand erstmals seit langem wieder in und so „vom Meckern ins Handeln“ de zu kandidieren (HLZ S.3), und den Präsenz statt. Berichte, Wahlen und in- zu kommen. In einer Zukunftswerk- Wechsel von Karola Stötzel in die Ge- haltliche Diskussionen wurde von den statt entwickelten die jungen Mitglieder schäftsführung zu Veränderungen kom- Dreharbeiten für einen Imagefilm der „Utopien für den Bildungsbereich und men. Bei Redaktionsschluss der HLZ Jungen GEW begleitet (siehe Foto). Die Ideen für die konkrete Arbeit der Jun- Mitte August lag für den Landesvor- Junge GEW will sich verstärkt in die gen GEW“, die in die Arbeit des neu- sitz die Tandem-Kandidatur von Mai- Debatten einmischen, zumal die GEW – en Sprecher:innenteams eingehen sol- ke Wiedwald und Thilo Hartmann vor. so die Wahrnehmung vieler Mitglieder len. Einstimmig gewählt wurden Anne Tony C. Schwarz bewirbt sich erneut als - in der öffentlichen Debatte während Wernet aus Darmstadt, David Redelber- stellvertretender Vorsitzender, Simone der Pandemie in Anbetracht der Größe ger aus Kassel und Madlen Krawatzek Claar kandidiert als zweite Stellvertre- und Bedeutung der GEW oft „unterre- aus Friedberg. terin. Für die weiteren Funktionen im präsentiert“ war. Die Junge GEW wolle • Kontakt zur Jungen GEW: Tobias Ce- geschäftsführenden Vorstand stehen die dazu beitragen, „eine Mitgliedschaft in pok, Referent der GEW Hessen für Jugend Zeichen auf Kontinuität, neue Kandida- der GEW und die Mitarbeit in den Gre- und Hochschule (tcepok@gew-hessen.de) tinnen und Kandidaten in den amtie- renden Teams sind unter anderen Jens Landesschülervertretung: Zeiler (Landesrechtsstelle), Nina Heidt- Bildungssprache Deutsch: Neues Vorsitzendenteam Sommer (Schule und Bildung), Andrea Maßnahmenpaket des HKM Meierl und Vera Weingardt (Hochschu- Nach dem abiturbedingten Ausschei- Das von Kultusminister Alexander Lorz le und Forschung) sowie Peter Zeichner den des Landesschulsprechers Dennis am 24. Juni vorgestellte Maßnahmen- und Dana Lüddemann (Mitbestimmung Eric Lipowski (Groß-Gerau) führte der paket zur Förderung der Bildungsspra- und gewerkschaftliche Bildungsarbeit). Landesschüler*innenrat am 13. Juni • Alle weitere Informationen und Wahl- che Deutsch weist aus Sicht der GEW 2021 in Gießen Nachwahlen für den ergebnisse: www.gew-hessen.de teilweise „in die falsche Richtung“, da Vorstand der LSV durch. Als gleichbe- einige Punkte den Spracherwerb eher rechtigtes Team wurden Jessica Jolene erschweren. Die Hauptprobleme, der DGB Hessen und Hand- Pilz (Hanau), Mika Schatz (Lahn-Dill- Lehrkräftemangel und die zu großen werkskammern im Gespräch Kreis) und Julian Moritz Damm (Main- Gruppen, blieben weiter ungelöst. Kinzig-Kreis) gewählt. Das Team möch- Susanne Hoeth, Vorsitzende der Michael Rudolph, Vorsitzender des te sich „auch abseits von Corona“ dafür Landesfachgruppe Grundschulen in der DGB-Bezirks Hessen-Thüringen, ver- einsetzen, dass alle Schülerinnen und GEW Hessen, attestierte dem Kultusmi- wies nach einem Gespräch mit der Schüler „vollumfänglich berücksich- nister „Desinteresse an pädagogischen Arbeitsgemeinschaft der Hessischen tigt“ werden und die Bildungsqualität Fachdiskussionen und Misstrauen ge- Handwerkskammern auf die corona- in Hessen gesteigert wird. Für Jessi- genüber der Professionalität der Grund- bedingten Schwierigkeiten für Ausbil- ca Pilz haben die Rechte und die psy- schullehrkräfte“ (HLZ S. 31). dungsbetriebe und interessierte Schul- chische Gesundheit von Kindern und Stellungnahmen der GEW zu weiteren ak- abgänger und Schulabgängerinnen, bei Jugendlichen in der Pandemie „auf tuellen Themen findet man in dieser HLZ der Besetzung von Ausbildungsstellen dramatische Weise an Aktualität ge- auf den folgenden Seiten: zusammenzufinden. Rudolph und die wonnen“ und es bestehe „akuter Hand- • S. 15: Halbzeitbilanz der schwarz-grü- neu gewählte Handwerkskammerprä- lungsbedarf“. Julian Damm spricht von nen Landesregierung sidentin Susanne Haus forderten zu- einer „gesteigerten Partizipationsfreu- • S. 24 f.: Novellierung des Hessischen sätzliche „Praktikumsfenster“ zu Be- digkeit der Schülerinnen und Schüler“, Lehrerbildungsgesetzes ginn des neuen Schuljahres, um den die es jetzt aufrechtzuerhalten gelte, • S. 28 f.: Novellierung des Hessischen Schülerinnen und Schülern Einblick in „um die Probleme von der Basis her Hochschulgesetzes das praktische Berufsleben zu geben. aufzuarbeiten“. • S. 30: Förderprogramm „Löwenstark“
TARIF UND BESOLDUNG zum Inhaltsverzeichnis HLZ 9–10/2021 6 Tarif- und Besoldungsrunde 2021 Besondere Tarifverhandlungen unter besonderen Bedingungen Dass es eine besondere Herausforde- gen zum Tarifvertrag der Länder (TV- alle Ebenen des Eingruppierungserlas- rung darstellt, Tarifverhandlungen in L) statt, den alle anderen Bundesländer ses. Da muss sich etwas ändern. Zeiten von Corona zu bestreiten, haben gemeinsam für ihre Beschäftigten mit Aufgrund des Lehrkräftemangels die Verhandlungen zum Tarifvertrag den Gewerkschaften abschließen. Statt vergibt das Land Hessen wieder zu- für den öffentlichen Dienst (TVöD) für also für die hessischen Verhandlun- nehmend befristete Verträge. Diese Be- die Beschäftigten des Bundes und der gen mit dem Ergebnis bei der Tarifge- schäftigten werden aufgrund ihrer Qua- Kommunen im vergangenen Jahr ge- meinschaft deutscher Länder (TdL) eine lifikation oftmals in die Entgeltgruppe zeigt. Die Arbeit im Homeoffice, Kon- gewisse Orientierung zu haben, wer- 5 oder 6 eingruppiert – und das ohne taktbeschränkungen und Versamm- den wir in Hessen diesmal aller Wahr- Möglichkeit, sich weiter zu qualifizieren lungsauflagen haben Warnstreiks und scheinlichkeit nach zu einem Abschluss oder anderweitig in eine höhere Ent- Protestversammlungen erschwert. Ta- kommen, bevor die Verhandlungen in geltgruppe aufzusteigen. Sie arbeiten rifkommissionen können bis heute den anderen Länder richtig Fahrt auf- dabei wie voll ausgebildete Lehrkräfte – nicht in Präsenz tagen und die Ver- genommen haben werden. Der hessi- mit allen Aufgaben. Für diese Beschäf- handlungen mit den Arbeitgebern müs- sche Abschluss wird also seinerseits tigtengruppen müssen sich in einem sen digital stattfinden. Signalwirkung für alle anderen Bun- Tarifvertrag deutliche Verbesserungen desländer haben. wiederfinden. Auch für den sozialpä- Tarifverhandlungen in der Pandemie Die Arbeitskampfmaßnahmen und dagogischen Bereich muss eine tarif- Die Gewerkschaften sind neue und kre- mögliche Streikaktionen werden dies- vertraglich vereinbarte Entgeltordnung ative Wege gegangen, um den Kampf mal nicht zeitgleich oder in zeitlicher bessere Eingruppierungen festlegen. So für bessere Gehälter und Einkommen Nähe mit den Arbeitskämpfen der Kol- finden sich im Eingruppierungserlass zu führen. Dass Tarifverhandlungen leginnen und Kollegen in den anderen keine Regelungen für UBUS-Beschäf- auch unter diesen Bedingungen er- Ländern stattfinden. Für die mediale tigte. Das Land Hessen hat mit seiner folgreich geführt werden können, zei- Aufmerksamkeit für unsere Aktionen Ausschreibungspraxis, die UBUS-Stel- gen die Tarifverhandlungen bei ver- müssen wir selbst sorgen, denn von len für Sozialpädagoginnen und -päd- schiedenen freien Trägern und der in den Bildern und Berichten zum Gesche- agogen von EG 9 bis EG11 auszuschrei- allem achtbare Abschluss im Bereich hen in Rheinland-Pfalz oder Sachsen in ben, große Erwartungen geweckt, die des TVöD: Dort konnten im Novem- derselben Woche werden wir nicht pro- in der Praxis bitter enttäuscht wurden. ber 2020 in Potsdam für die Beschäf- fitieren können. Auch hier wollen wir, dass sich etwas tigten bei Bund und Kommunen bei ändert und Perspektiven für die Be- einer Laufzeit von 28 Monaten Lohn- Lehrkräfteentgeltordnung schäftigten geschaffen werden. steigerungen von 1,4 % (mindestens 50 Die Tarifrunde 2021, bei der es vor Euro) und 1,8 % ausgehandelt werden. allem um die Entgelttabellen gehen Beschäftigte an den Hochschulen Zusätzlich wurde eine steuerfreie Son- wird, steht in Hessen zudem im Kon- Der TV-H gilt auch für die Beschäftigen derzahlung von bis zu 600 Euro verein- text mit den Verhandlungen über eine an den hessischen Hochschulen. Aus- bart, von der besonders untere Einkom- Lehrkräfteentgeltordnung, über die die nahmen bilden die Goethe-Universität mensgruppen profitierten. Allerdings GEW Hessen seit Monaten mit dem Frankfurt und die TU Darmstadt, die mussten im Gegenzug sieben Nullmo- Land streitet und die als Bestandteil formal eigene Tarifverträge abschlie- nate hingenommen werden. der diesjährigen Tarifeinigung unter- ßen können. Für die Hochschulen fallen zeichnet werden soll. Eine solche ta- mögliche Warnstreiks Anfang Oktober Verhandlungsbeginn im September rifliche Regelung für die Eingruppie- wie bereits in den vergangenen Jahren Anfang September beginnen die Ver- rung von Lehrkräften würde den zuletzt in die vorlesungsfreie Zeit. Bei den handlungen zur Einkommensentwick- 2008 substantiell geänderten Eingrup- drängendsten Problemen, der Befris- lung für die Beschäftigten im hessi- pierungserlass ersetzen und aus ge- tungspraxis und der Nichteinbezie- schen Landesdienst (TV-Hessen). Trotz werkschaftlicher Sicht dringend not- hung großer Beschäftigtengruppen in der im Sommer nur auf niedrigem Ni- wendige Korrekturen vornehmen. Und den Tarifvertrag, ist es schwer, in Tarif- veau ansteigenden Inzidenzwerte und drängenden Änderungsbedarf gibt es verhandlungen etwas zu bewegen. Das einer deutlich wachsenden Impfquote an etlichen Stellen! So erhalten nach haben in den letzten Tarifrunden die müssen wir davon ausgehen, dass die Eingruppierungserlass die angestellten zähen Auseinandersetzungen mit dem Bedingungen für die Tarifrunde 2021 Lehrkräfte mit zwei Staatsexamina an Land und mit den beiden unabhängi- pamdemiebedingt erneut nicht einfach Grundschulen immer noch eine Ent- gen Universitäten gezeigt. Schließlich sein werden. geltgruppe weniger als die verbeamte- sind an den Hochschulen fast 90 % der Erstmals seit dem Austritt Hessen ten. Eine strenge Zuordnung und Hi- wissenschaftlichen und 18 % der ad- aus dem Arbeitgeberverband der Län- erarchisierung nach Schulformen mit ministrativ-technischen Mitarbeiterin- der 2004 finden die Verhandlungen in einer durchgängig besseren Bezahlung nen und Mitarbeiter mit Zeitverträgen Hessen zeitlich vor den Verhandlun- für den gymnasialen Bereich durchzieht angestellt. Trotzdem ist es für die Be-
7 HLZ 9–10/2021 zum Inhaltsverzeichnis schäftigten wichtig, dass ihre Gewerk- schaften diese Probleme auch tarifpo- litisch immer wieder auf die Agenda heben und für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen eintreten. Die tarifrechtlich unabhängigen Universitäten in Frankfurt und Darm- stadt bleiben auch in diesem Jahr in die hessische Tarifrunde einbezogen. Die dort erzielten Abschlüsse weichen allenfalls marginal vom TV-Hessen ab. Die Chance, dort speziell auf den eige- nen Wissenschaftsbetrieb zugeschnitte- ne tarifrechtliche Lösungen zu finden, wurde in den vergangenen zehn Jah- ren vertan. Dies zu bewerten und da- raus möglicherweise Konsequenzen zu ziehen, ist die Aufgabe für die betrieb- lichen Tarifkommissionen. Was fordern die Gewerkschaften? Die bundesweite Forderungsdiskussi- on in den Gewerkschaften startete be- reits geraume Zeit vor den hessischen Sommerferien und wurde Ende August abgeschlossen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe der HLZ war abseh- bar, dass es in diesem Jahr keinen allzu umfänglichen Strauß an Forderungen und Wünschen zur Tarifrunde geben wird. Im Zentrum der Tarifauseinan- se im Prinzip richtige Vorgehensweise dings in vielen Schulamtsbezirken mit dersetzung mit den Bundesländern und würde durch den Versuch konterkariert, einem beweglichen Ferientag beginnt. mit Hessen stehen die Entgelttabellen. nach einem postpandemischen Kassen- Die möglicherweise die Tarifrunde in Es geht darum zu verhindern, den Ta- sturz im Herbst den Einbußen bei den Hessen besiegelnde Verhandlungsrunde rifbeschäftigten und den Beamtinnen Steuereinnahmen mit einer schwachen ist bereits für Mitte Oktober festgelegt. und Beamten im Landesdienst die Kos- Einkommensentwicklung für die Be- Erfahrungsgemäß kann es daher schon ten der wirtschaftlichen Krise aufzubür- schäftigten hinterher sparen zu wol- Anfang Oktober zu Arbeitskampfmaß- den. Der öffentliche Dienst hat während len. Ein unzureichendes Tarifergebnis nahmen kommen. der vergangenen eineinhalb Jahre seine würde nicht nur der gesamtwirtschaftli- Wenn wir ein gutes Tarifergebnis Leistungsfähigkeit in der Gesundheits- chen Nachfrage schaden, sondern auch aushandeln wollen, wenn wir eine voll- krise sehr deutlich unter Beweis gestellt. zeigen, dass die Landesregierung hin- ständige Übertragung des Tarifergeb- Auch in den Schulen und Hochschu- sichtlich der richtigen finanzpolitischen nisses auf die Beamtinnen und Beamten len haben die Beschäftigten mit hohem Strategie zur Krisenbekämpfung unent- und auf die Versorgungsempfängerin- persönlichem Engagement dazu beige- schlossen und ratlos ist. nen und Versorgungsempfänger wollen tragen, dass die staatliche Daseinsvor- und wenn wir eine spürbare Verbesse- sorge in qualitativ hochwertiger Weise Angestellte und Beamte gemeinsam rung unserer Arbeitsbedingungen errei- aufrechterhalten blieb. Die Landesbe- Eine erfolgreiche Tarifrunde ist ohne chen wollen, müssen wir bereits früh- diensteten verdienen daher Anerken- das solidarische Miteinander der in der zeitig aktiv werden und auch schon in nung für ihre Arbeit und ihren Einsatz. Gewerkschaft organisierten Beschäf- der Zeit der Friedenspflicht bis zum 30. Und die muss sich auch in der Einkom- tigten nicht zu bestehen. Es wird auf September mit deutlichen Statements in mensentwicklung niederschlagen. alle Beschäftigten im Schul- und Hoch- der Öffentlichkeit präsent sein. Ein gutes Ergebnis für Tarifbeschäf- schulbereich – angestellt oder verbeam- Es geht darum, deutlich zu machen, tigte, für Beamtinnen und Beamte so- tet – ankommen. Das Prinzip, dass die dass gute Bildung gute Arbeitsbedin- wie für Versorgungsempfängerinnen Besoldung dem Tarif folgt, wird auch gungen erfordert und umgekehrt. Da- und Versorgungsempfänger ergibt zu- nach diesem Tarifabschluss wieder um- her sind alle Beschäftigten, auch die dem ökonomisch Sinn. Das Land Hessen kämpft sein. Daher ist es zentral, dass verbeamteten Lehrkräfte, aufgerufen, hat ein umfängliches Sondervermögen verbeamtete Lehrkräfte die Aktionen die Tarifbeschäftigten zu unterstützen beschlossen, um die direkten Folgen der Tarifbeschäftigten schon jetzt ak- und sich an Aktionen während der Ver- der Pandemie bewältigen zu können, tiv unterstützen: Nur gemeinsam sind handlungen zu beteiligen! aber auch um finanzpolitische Impul- wir stark. Das Zeitfenster für große, Maike Wiedwald, Landesvorsitzende se zur Wiederbelebung der Konjunk- wirkmächtige Aktionen ist sehr eng. der GEW Hessen tur zu setzen, um damit wieder bessere Die Friedenspflicht endet in der letzten Thilo Hartmann, Referat Tarif, Besol- Steuereinnahmen zu generieren. Die- Woche vor den Herbstferien, die aller- dung und Beamtenrecht
SCHWERPUNKTTHEMA: PRIVATISIERUNG zum Inhaltsverzeichnis HLZ 9–10/2021 8 Schulreinigung in Hessen Mangelhafte Hygiene und prekäre Beschäftigung des Personals Ob in Berlin, Krefeld, Lüdenscheid, Pinneberg, Witten oder vie- chenleistung verringert wird. Die Arbeit wird dadurch mas- len anderen Orten: Die unzureichende Schulreinigung war in siv verdichtet, der Zeitdruck für die Reinigungskräfte nimmt den vergangenen Jahren immer wieder Thema in den lokalen zu und letztlich leidet so die Qualität der Leistung. Verbreitet und zum Teil auch in den überregionalen Medien. Wesentlicher sind zudem Vergütungen nach gereinigten Objekten, Räumen Grund dafür ist die Privatisierung von Reinigungsleistungen oder Flächen, für deren Reinigung zu wenig Zeit einkalku- durch die Kommunen. Anstatt die entsprechenden Dienstleis- liert wird (sogenannte „Objektlöhne“). Dies führt unter Um- tungen durch öffentlich Beschäftigte erbringen zu lassen, wer- ständen dazu, dass sogar der Mindestlohn unterlaufen wird, den damit meist private Reinigungsunternehmen beauftragt. was einen Gesetzesverstoß darstellt. Die Gebäudereinigung ist mit gut 680.000 Beschäftigten (2019) das beschäftigungsstärkste Handwerk in Deutschland. Qualitätsmängel in Folge von Privatisierungen Seit den 1970er Jahren ist hier ein großer Beschäftigungszu- wachs erfolgt, und zwar wesentlich aufgrund der wachsen- Mit dem Ausbruch der Corona-Krise ist die hygienische Situ- den Auslagerung der Reinigung und der Vergabe an private ation in den Schulen auch in Hessen in den Mittelpunkt der Dienstleistungsunternehmen durch öffentliche Einrichtungen medialen Aufmerksamkeit gerückt. Die meisten Schulträger und Kommunen. haben darauf reagiert – so etwa mit Desinfektionsmittel, zu- Diese Privatisierungen haben – was die Motive angeht – sätzlichem Geld für Reparaturen der Sanitäranlagen und Prä- zwei Seiten. Durch die öffentliche Hand wurde und wird die senz-Reinigungskräften für Schultoiletten. Dies hat in der Re- Privatisierung der Gebäudereinigung damit begründet, dass gel zu spürbaren Verbesserungen geführt. private Unternehmen wirtschaftlicher arbeiten würden, wes- Das Problem von unsauberen Schulen ist allerdings schon wegen die Reinigung der Schulgebäude unter dem Strich kos- vor Ausbruch der Corona-Pandemie in der öffentlichen Be- tengünstiger sei. Und das Reinigungshandwerk hat ein Inte- richterstattung präsent gewesen. Dieses Problem verlangt resse daran, öffentliche Aufgaben zu übernehmen, weil es langfristig angelegte Lösungen. So wurde in den vergan- sich hiervon Gewinne verspricht, zumal die öffentliche Hand genen Jahren immer wieder darüber berichtet, dass Kinder verlässliche und kaum risikobehaftete Einnahmen garantiert. aufgrund von Hygienemängeln den Gang auf die Schultoi- Tatsächlich treten nach der Privatisierung meist erhebli- lette scheuen. Bauliche und hygienische Unzulänglichkeiten che Qualitätsmängel bei der Reinigung auf, und außerdem gehen hier häufig Hand in Hand. Dabei sind verdreckte und verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen und die Bezah- stinkende Schultoiletten nur die Spitze des Eisbergs, denn lung. Dies hängt im Wesentlichen mit der sehr hohen Wett- Klagen über eine unzureichende Reinigung waren und sind bewerbsintensität in der Reinigungsbranche zusammen. Der auch mit Blick auf Klassen- und Lehrerzimmer oder Sport- Wettbewerb erfolgt vor allem über die Personalkosten, die hallen zu hören. Wie groß das Problem ist, zeigt eine bun- bei über 70 Prozent liegen. Die überwiegende Mehrheit der desweite und repräsentative Umfrage im Auftrag der GEW Arbeitskräfte arbeitet trotz allgemeinverbindlicher Mindest- aus dem vergangenen Jahr, die auch Ergebnisse für die ein- löhne im Niedriglohnsektor. zelnen Bundesländer enthält. Gut 70 Prozent der Befragten in Im Wettbewerb um Aufträge versuchen Unternehmen der Hessen teilten die Einschätzung, dass die hygienische Grund- Reinigungsbranche in der Regel mit dem niedrigsten Preis er- ausstattung an Schulen vor der Corona-Pandemie durch die folgreich zu sein. Über die sogenannte Flächenleistungsver- Politik vernachlässigt wurde. Und 80 Prozent sind der Auf- dichtung werden die Angebotspreise gesenkt. Die kalkulierte fassung, dass die hessischen Schulen auch über die Pande- Arbeitszeit wird verkürzt, indem der Preis bezüglich der Flä- mie hinaus stärker auf die hygienischen Grundvoraussetzun- gen achten sollten. Auch für Hessen gilt, dass die Qualität der Schulreini- gung mit der Frage zusammenhängt, ob Privatfirmen be- Laura Preusker, auftragt werden oder ob kommunal Beschäftigte diese Ar- Grundschule beit übernehmen. Die meisten Schulträger greifen auf private Firmen zurück, aber es gibt Ausnahmen wie den Schwalm- in Frankfurt: Eder-Kreis oder den Landkreis Kassel, die auf eine Privati- sierung verzichten. Ein besonders negatives Beispiel für die Folgen der Pri- „Nach der Razzia vatisierung der Schulreinigung ist die Stadt Frankfurt. Hier fiel die Reinigung taucht das Problem dreckiger Schulen immer wieder in der Presse auf. So meldete sich im April des vergangenen Jahres bei uns für rund 14 der Personalrat der Paul-Hindemith-Schule zu Wort: Hand- tücher, Seife und Toilettenpapier fehlten in den Sanitäran- Tage fast ganz aus.“ lagen, Lehrkräfte müssten ihr eigenes Klopapier mitbringen, ein Schüler habe sich wegen einer toten Maus in der Toilet- te übergeben müssen – und generell würden die verdreckten
9 HLZ 9–10/2021 zum Inhaltsverzeichnis SCHWERPUNKTTHEMA Sanitäranlagen von den meisten Schülerinnen und Schülern sowieso gemieden. Ende April dieses Jahres geriet die Schulreinigung der Sigrid Krause, Stadt Frankfurt dann wieder in die Schlagzeilen. Im Rahmen Gesamtschule einer Großrazzia im Rhein-Main-Gebiet hatten Zoll und Steu- erfahndung Ende April einen Schwarzarbeitsring zerschla- im Vogelsbergkreis: gen. Involviert in diesen Ring war die Firma APEG Gebäu- de-Service GmbH, deren Geschäftsbetrieb infolge der Razzia zum Erliegen kam. Die Firma hatte ausschließlich Aufträge der Stadt Frankfurt erfüllt, dabei wurden mehr als 50 und „Durch kommunales damit rund ein Drittel der Schulen im Frankfurter Stadtge- Personal gereinigte biet gereinigt. Zwar nicht an allen, aber doch an einigen die- ser Schulen kam es zu Problemen mit der Schulreinigung. Schulen stehen An der Münzenberger Schule, an der Laura Preusker, mit Sebastian Guttman Vorsitzende des GEW-Bezirksverbands klar besser da.“ Frankfurt, arbeitet, fiel die Reinigung für rund 14 Tage fast vollkommen aus: „Nur unsere Corona-Präsenzreinigungskraft war noch da. Die Toiletten haben so sehr gestunken, dass die Kinder nicht mehr aufs Klo gehen wollten. So etwas ist in Anbetracht von Covid-19 Katja Groh, eigentlich kaum zu glauben. Ich frage mich, ob meine Schule Grundschule nicht eigentlich aufgrund hygienischer Mängel hätte geschlos- sen werden müssen.“ im Landkreis Kassel: Frankfurt, Kassel, Vogelsbergkreis und anderswo Das in Frankfurt zuständige Dezernat für Bauen und Im- „Wir schreiben mobilien, das derzeit noch vom CDU-Kreisvorsitzenden Jan Schneider geleitet wird, hat die Öffentlichkeit über diesen regelmäßig ein Sachverhalt nicht aufgeklärt. Erst Recherchen und eine ent- sprechende Pressemitteilung der GEW Hessen haben diesen Dankeschön an die Skandal, der jetzt auch die Stadtverordnetenversammlung Reinigungskräfte.“ beschäftigt, öffentlich gemacht. Der Vogelsbergkreis ist Träger von 38 Schulen. Die Schul- reinigung erfolgt hier zum Teil durch private Firmen und zum reinigung privatisiert hat. Der hygienische Zustand der Schu- Teil durch direkt beim Kreis beschäftigte Personen. Sigrid len dort ist in der Regel miserabel.“ Krause hat viele Jahre an der Gesamtschule in Mücke unter- Auch nach dem Verzicht auf die Privatisierung läuft für Kat- richtet und kann als langjähriges Kreisvorstandsmitglied die ja Groh längst nicht alles optimal: Situation in ihrem Landkreis gut einschätzen: „Die Vorgaben für das beim Kreis beschäftigte Reinigungsperso- „Es ist ganz klar so, dass durch kommunales Personal gereinigte nal sind nach meiner Auffassung viel zu streng. Den Reinigungs- Schulen besser dastehen. Das ist auch der Schulverwaltung und kräften fehlt bei den bestehenden Vorgaben natürlich auch die den politisch Verantwortlichen bekannt. Die private Reinigung Zeit für eine gründliche Reinigung. Und wenn eine Reinigungs- ist zum Teil katastrophal. An meiner früheren Schule war das kraft ausfällt, dann bleibt es dreckig. Oder die anderen Reini- nach der Privatisierung der Reinigungsleistungen auch so, der gungskräfte an der Schule müssen im gleichen Zeitrahmen die Wechsel von kommunal zu privat hat die hygienischen Zustän- Räume ‚mitübernehmen‘. Entsprechend weniger Zeit bleibt für de deutlich verschlechtert. Es ist zu anhaltenden Protesten ge- alles. Was dann liegenbleibt, muss ich übernehmen. Das ist kei- kommen. Der Kreis hatte schließlich ein Einsehen, so dass seit ne Lösung! Der Landkreis muss Personalreserven für Krank- August des vergangenen Jahres wieder kreiseigenes Personal an heitsfälle und andere Ausfälle vorhalten. Ich bin mir für solche der Gesamtschule Mücke arbeitet.“ Arbeiten grundsätzlich nicht zu schade. Aber das gehört ein- Der Landkreis Kassel reinigt alle seine Schulen mit eigenen fach nicht zu meinen Aufgaben. Ich werde dafür bezahlt, Kin- und nach dem TVöD bezahlten Arbeitskräften. Allerdings der zu unterrichten!“ stand der Landkreis zwischenzeitlich unter Druck, dies zu Für die Kinder sei es auch aus erzieherischen Gründen sinn- ändern: Der Hessische Rechnungshof hatte dem Kreis emp- voll, „ihre“ Reinigungskraft zu kennen: fohlen, seine Schulreinigung zu privatisieren, da dies güns- „Dann steht hinter dem produzierten Dreck eine konkrete Per- tiger sei. Der politische Druck war so groß, dass ein Pilotpro- son, die das Ganze nachher beseitigen muss. Das hebt die Hemm- jekt durchgeführt wurde, über das die Vorsitzende der GEW schwelle für destruktives ‚Einsauen‘, z.B. auf den Toiletten. im Landkreis Kassel Katja Groh, die an einer Grundschule Ich schreibe mit meinen Schülerinnen und Schülern regelmä- im Landkreis unterrichtet, berichtet: ßig Dankeschön-Karten und Grüße an die Reinigungskraft, da- „Die Qualität der Schulreinigung im Rahmen des Pilotprojekts mit klar ist, dass der Dreck, den wir hinterlassen, nicht auto- war allerdings so schlecht, dass der Landkreis zum Glück von matisch verschwindet, sondern eine Person dahinter steht. Das der Idee der Privatisierung Abstand genommen hat. Wäre unser geht nur, wenn die Reinigung in kommunaler Hand bleibt! Und Schulträger der Empfehlung des Hessischen Rechnungshofs ge- es ist auch klar, dass eine gewissenhaft gepflegte Schule ihren folgt, dann hätten wir hier jetzt die gleichen Probleme wie in der Immobilienwert länger erhalten kann!“ Stadt Kassel, die als eigenständiger Schulträger ja seine Schul- Kai Eicker-Wolf
SCHWERPUNKTTHEMA zum Inhaltsverzeichnis HLZ 9–10/2021 10 Privatisierung ist ungesund Die Essensversorgung in Schulen und Kitas Mitte Juli veröffentlichte der Paritätische Wohlfahrtsver- die Preisgestaltung muss stimmen. Nach der Bewertung al- band eine Studie, nach der die Armutsquote unter Min- ler Kriterien wird dann eine Liste mit einer Reihenfolge er- derjährigen erheblich gestiegen ist (1). Auch in Hessen gilt stellt. Der Betrieb, der die Kriterien am besten erfüllt, erhält inzwischen jedes 5. Kind als arm. Den Zuwachs der Armuts- den Zuschlag. quote bei Kindern und Jugendlichen in Hessen von 15,3 % Die erläuterten Vergabeverfahren sind immer wieder in im Jahr 2010 auf 21,9 % im Jahr 2019 bezeichnet die Stu- der Kritik. So verursachte die Vergabe des Mittagessens an die als „dramatisch“. Mit einem Zuwachs von 6,6 Prozent- den Großcaterer Sodexo schon vor rund fünfzehn Jahren punkten liegt Hessen an der Spitze aller Bundesländer. Das in Frankfurt größere Aufregung. Damals schloss die Stadt (möglichst) kostenlose Mittagessen an den Schulen wird da- Frankfurt im Zusammenhang mit der Privatisierung der städ- her immer wichtiger. Für viele Kinder und Jugendliche wird tischen Küchenbetriebe einen Zehnjahresvertrag mit dem das über das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) finanzierte Großcaterer Sodexo ab, der städtische Kitas beliefern sollte. Mittagessen in den Schulen zu einem zentralen Bestandteil der täglichen Ernährung. IGS Nordend: Eine Schule kämpft um ihre Mensa Verändert hat sich aber auch die Situation in den Fami- lien: Es wird weniger gekocht, es kommen immer mehr Fer- Wie schwierig dieses Vergabeverfahren sich heute noch dar- tiggerichte auf den Tisch, und die Kinder wissen oft nicht stellt, zeigt das Beispiel der IGS Nordend in Frankfurt. 2018 mehr, wo das Essen herkommt. Kenntnisse über die Herkunft hatte sich Sodexo um das Catering an der IGS Nordend be- und Produktion der einzelnen Nahrungsmittel, über Arbeits- worben und bei der Ausschreibung durch die Stadt Frank- schritte bei der Herstellung der einzelnen Speisen oder über furt als Schulträger den Zuschlag erhalten. Das brachte die die Arbeitsbedingungen, unter denen die Lebensmittel und gesamte Schulgemeinde auf die Barrikaden, die ihren bis- Speisen hergestellt werden, lassen zu wünschen übrig. herigen Caterer, einen kleinen regionalen Betrieb, behalten Hier hat die Schule nicht nur eine wichtige Aufgabe bei wollte (HLZ 9/2018). Ein Ergebnis des Protestes der Schüle- der Vermittlung von Kenntnissen, sondern auch bei der Ge- rinnen und Schüler und der Eltern an der IGS Nordend war, währleistung eines gesunden Mittagessens. Damit Schülerin- dass die Stadt Frankfurt gemeinsam mit dem örtlichen Er- nen und Schüler das Mittagessen in einer Schule aber auch nährungsrat, Eltern, Schulvertretungen und zuständigen Äm- annehmen, bedarf es eines guten Schulklimas. Das ist aber tern eine Diskussion über neue Vergabekriterien für das Mit- wiederum abhängig von guten Rahmenbedingungen und tagessen in städtischen Schulen initiierte. guten Arbeitsbedingungen der Kolleginnen und Kollegen in Im November 2020 betonte die Frankfurter Bildungs- den Schulküchen und bei den Caterern. dezernentin Sylvia Weber (SPD) im Rahmen eines digitalen Wird das Essen nicht direkt durch den Schulträger bereit- Vernetzungsworkshops der bundesweiten Initiative BioBitte gestellt, dann sind diese verpflichtet, zur Vergabe des Mit- – Mehr Bio in öffentlichen Küchen, dass die erarbeiteten Kri- tagessens ein Ausschreibungsverfahren durchzuführen, das terien dazu beitragen sollen, dass sich bei Ausschreibungen in Abstimmung mit der jeweiligen Schulgemeinde erfolgt. auch für die „kleineren, flexibel agierenden Cateringunter- Die angebotenen Speisen müssen eine gesunde, ausgewo- nehmen aus der Region die Chance bietet, sich passgenau zu gene und altersgerechte Ernährung gewährleisten, und auch den Anforderungen von Schulen und Eltern zu bewerben.“ Doch auch die veränderten Ausschreibungskriterien führ- Die Vernetzungsstelle Schul- ten bei der erneuten Ausschreibung nach drei Jahren an der verpflegung bei der Hessischen IGS Nordend nicht dazu, dass ein lokales, kleines Catering- Lehrkräfteakademie bietet Un- unternehmen die Ausschreibung gewonnen hätte. Der Auf- terstützung bei der Umsetzung trag ging an den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Damit ge- der Qualitätsstandards der DGE wann zum zweiten Mal hintereinander ein Großcaterer die für die Schulverpflegung und Ausschreibung an der IGS Nordend für den Betrieb der Men- ist die zentrale Anlaufstelle bei sa, sehr zum Ärger der Schulgemeinde. Fragen rund um die Schulver- Der organisatorische Aufwand, der Zeitaufwand bei der pflegung. Informationsmaterial, Essensausgabe und die Kosten für Schutzausrüstungen und einen regelmäßigen Newsletter und Hinweise auf Fachtagungen Tests sind bei allen Caterern während der Corona-Zeit gra- und Austauschforen in Hessen vierend gestiegen. Gleichzeitig nehmen viel weniger Kinder findet man auf der Internetseite das Mittagsangebot wahr. Auch in hessischen Schulen war der Vernetzungsstelle: die Herstellung und Ausgabe eines warmen Mittagessens teil- • Tel. 069-38989-367 weise untersagt. So wurde zum Beispiel an den Frankfurter • E-Mail: Vernetzungsstelle. Schulen von den Caterern bis zu den Sommerferien 2020 nur Schulverpflegung.LA@kultus. ein Lunchpaket oder ein Imbiss ausgegeben. hessen.de Eine Befragung des Verbandes deutscher Schul- und Ki- • Internet: http://vernetzungs- tacaterer bei den Mitgliedsunternehmen ergab, dass im Mai stelle-schulverpflegung.hessen.de 2021 die Betriebe im Durchschnitt nur etwa die Hälfte ih-
11 HLZ 9–10/2021 zum Inhaltsverzeichnis PRIVATISIERUNG res Vor-Corona-Umsatzes erreicht hatten. Vor allem kleine Schul- und Kitacaterer werden nach Einschätzung des Ver- bands diese Situation nicht überstehen. Fast alle Betriebe wünschen sich prinzipiell flexiblere Konzepte für die Mit- tagessensversorgung an Schulen und eine Digitalisierung der Prozesse von Bestellung und Bezahlung. Mehr als ein Drit- tel der befragten Betriebe meinte, dass künftig auch „To-Go- Erziehung & Wissenschaft 09/2020 Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW Angebote“ einen höheren Stellenwert einnehmen werden. Die letzten Monaten haben gezeigt, wie wichtig gute Rah- Gesunde Ernährung menbedingungen auch für die Mittagessenversorgung sind. in Kita, Schule Eine qualitativ hochwertige Schulverpflegung ist sicherlich und Hochschule nicht nur eine Frage des Preises. Eine gute Verpflegung muss nicht nur Lebensmittelauswahl, Speisenplanung und -herstel- lung berücksichtigen, sondern auch schulische Rahmenbe- dingungen und besondere Hygieneaspekte. Hierfür benötigt man ausreichendes, gut ausgebildetes und geschultes Perso- nal in den Schulmensen, das selbstverständlich auch tarif- lich bezahlt werden muss. Unter den Bedingungen der Corona-Pandemie empfiehlt auch das Land Hessen in seinen Hygieneplänen, „gegebenen- falls mehr Personal einzusetzen, um das Eindecken der Ti- sche mit Besteck, das Stoßlüften in den Pausen und die re- gelmäßige Reinigung der Oberflächen zu gewährleisten“. Das ist richtig, aber dann muss auch die Verantwortung für die Finanzierung dieser Anforderungen übernommen werden. em ie Dies ist leider nicht erfolgt. nd -Pa na ro oro na In vielen Betrieben war Kurzarbeit bestimmend. Einige Co ur e/ c s z .d Caterer haben das Kurzarbeitergeld aufgestockt, andere nicht. Info gew lle w. Frauen sind besonders betroffen, denn in den Betrieben, die tue Ak ww das Schulmittagessen sicherstellen, arbeiten viele Frauen, häufig auf Basis eines Minijobs. Schließen die Caterer die Gesunde Ernährung war vor einem Jahr das Titelthema der E&W, Kantinen, fällt ihre Einnahmequelle weg, Kurzarbeitergeld der Bundeszeitschrift der GEW. Alle Artikel kann man noch einmal wird für sie nicht gezahlt. Einige Schulträger haben hier zu- auf der Homepage der GEW nachlesen: https://www.gew.de/ak- mindest unterstützend eingegriffen. tuelles/detailseite/neuigkeiten/gesunde-ernaehrung-in-kita-schule- und-hochschule/ Beschäftigte nach Tarif bezahlen Sie können gezielt steuern, was in ihren Räumen stattfinden Es gibt durchaus Vorteile für Beschäftigte bei größeren Trä- soll und was nicht. Das betrifft auch die Gestaltung des Mit- gern. Größere Betriebe schließen oft einen eigenen Tarif- tagessens und die Vergabe an Caterer. Sinnvoll wäre es, dass vertrag mit der zuständigen Gewerkschaft Nahrung Genuss die Schulträger die Kinder und Jugendlichen entweder selbst Gaststätten (NGG), der auch die Altersvorsorge tarifvertrag- versorgen, indem sie das Essen zum Beispiel in einer Stadt- lich regelt. Bei vielen kleinen Trägern, die in Schulen für die küche kochen lassen, oder an den einzelnen Schulen Pro- Essensversorgung zuständig sind, gibt es solche tariflichen duktionsküchen einrichten, die die Schülerinnen und Schü- Vereinbarungen nicht. Oft fehlen auch betriebliche Interes- ler vor Ort versorgen. Pädagogische Fragestellungen ließen senvertretungsstrukturen – zum Nachteil der Beschäftigten. sich so vor Ort viel leichter entwickeln. Auch Projekte wie Im Ergebnis wird dann gerade einmal der Mindestlohn be- „Schüler:innen kochen für Schüler:innen“ ließen sich umset- zahlt und nicht der deutlich höhere Tariflohn. zen, Praktika wären auch in der eigenen Schulküche möglich. Uns als GEW muss es aber auch darum gehen, kleine Ein- Eine kommunale Mittagessensversorgung bietet Vorteile für heiten, die in das schulische Leben einbezogen sind, zu unter- alle: Die Beschäftigten wären Beschäftigte im öffentlichen stützen. Es geht dabei um den direkten Kontakt der Schüle- Dienst mit tarifvertraglichen Regelungen und betrieblicher rinnen, Schüler, Eltern und Lehrkräfte mit den Beschäftigten Interessensvertretung, die Arbeitsbedingungen würden sich aus der Cafeteria, um die gemeinsame Gestaltung der Schul- verbessern und damit auch die Situation und das Klima in entwicklung und des Schulprogramms. Bei großen Caterern den Cafeterien selbst. kommen wichtige Fragestellungen für die Schulentwick- Für Frankfurt deutet sich eine entsprechende Entwicklung lung oft zu kurz. an: Im Frühjahr 2021 äußerte Bildungsdezernentin Sylvia Eine Rekommunalisierung der Essensversorgung von Bil- Weber, dass die Stadt Frankfurt die Essensversorgung selbst dungseinrichtungen ist aus Sicht der GEW deshalb der rich- übernehmen wolle, etwa durch eine Schulküche, die sich als tige Weg. Ein Zwischenschritt dorthin wäre es, die Tarifbin- kommunaler Eigenbetrieb organisieren ließe. Frankfurt könn- dung der Caterer – auch bei kleineren Caterern – als Kriterium te und sollte damit zum Vorbild auch für andere Schulträ- bei der Auswahl zu berücksichtigen. Damit wären sicherlich ger in Hessen werden. längst nicht alle angeschnittenen Probleme gelöst, aber es Maike Wiedwald wäre ein erster Schritt. Das Land Hessen und auch die Schul- (1) https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Publi- träger haben einen staatlichen Bildungsauftrag zu erfüllen. kationen/doc/expertise-kinderarmut-2021.pdf
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