Der Bund kurz erklärt 2022 - Bundeskanzlei
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Vorwort «Gefährlich wird es Liebe Leserinnen und Leser dann, wenn nur Wir leben in unsicheren Zeiten. Die letzten Jahre haben gezeigt: Auch die Demokratie ist nicht selbstverständlich, noch wahr sein darf, selbst dort nicht, wo sie schon eine Weile besteht. Sie ist darauf angewiesen, dass die Bürgerinnen und Bürger was alle hören die freie Meinungsbildung achten und schützen, dass sie einfache Parolen hinterfragen und überprüfbare Fak- wollen.» ten ernst nehmen. Sie bedarf einer unabhängigen, umsichtigen Justiz sowie einer effizienten und zugäng- Walter Thurnherr, Bundeskanzler lichen Verwaltung. Und sie braucht Politikerinnen und Politiker, die längerfristige Interessen verfolgen und dafür immer wieder neue Mehrheiten schaffen. Gefährlich wird es dann, wenn nur noch wahr sein darf, was alle hören wollen. Die Demokratie stützt ab auf eine Reihe wichtiger Voraussetzungen. Es genügt, dass ein einziges wesentliches Element ins Rutschen gerät, um das ganze Gebäude ins Wanken zu bringen. Von Carl Spitteler stammt der Ausspruch, die Demokratie sei «eine periodische Aufregung darüber, ob der Franz oder der Fritz gewählt wird». Einmal abgesehen davon, dass auch eine Franziska gewählt werden könnte: Die Demokratie ist weit mehr als das. Und sie muss immer wieder neu errungen, vermittelt und verteidigt werden. «Der Bund kurz erklärt» leistet einen Beitrag dazu. Bundeskanzler Walter Thurnherr 3
Inhaltsverzeichnis Fakten Fundament Die Schweiz Direkte Demokratie 6 16 Geschichte der Schweiz • 10 Gewaltenteilung • 20 Föderalismus • 12 Abstimmungen • 22 • bkommen und A Wahlen • 24 Mitgliedschaften 14 • arteien im Bundesrat P und im Parlament 26 Zusatzangebote zur Broschüre «Der Bund kurz erklärt»: • App «CH info» für Smartphones und Tablets • Website www.ch-info.swiss • didaktische Unterlagen für Lehrerinnen und Lehrer • barrierefreie PDF für sehbehinderte Personen 4
Legislative Exekutive Judikative Das Parlament Die Regierung Die Gerichte Schweiz 28 46 72 •Aufgaben des Parlaments 32 Der Bundesrat • 50 Das Bundesgericht • 76 Demokratie •Organisation des Parlaments 34 Aufgaben des Bundesrats • 52 Das Bundesstrafgericht • 78 • esonderheiten B Die Bundesverwaltung • 54 Das Bundesverwaltungsgericht • 79 des Parlaments 40 Bundeskanzlei BK • 56 Das Bundespatentgericht • 80 •Weg zu einem neuen Gesetz 42 Parlament • idgenössisches E • rteile der eidgenössischen U •Parlamentsdienste 45 Departement für auswärtige Gerichte 81 Angelegenheiten EDA 58 • idgenössisches E Departement des Innern EDI 60 • idgenössisches Justiz- E Regierung und Polizeidepartement EJPD 62 • idgenössisches E Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS 64 Gerichte • idgenössisches E Finanzdepartement EFD 66 • idgenössisches E Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF 68 • idgenössisches E Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK 70 5
Die Schweiz Zwar gibt es in der Schweiz keine Grossstadt, in 85 % der Bevölkerung sind in der Stadt oder der der mehr als eine Million Menschen wohnen. Agglomeration zu Hause. Die Hälfte davon lebt in Trotzdem: Die Schweizer Bevölkerung ist mehr- einer der fünf grössten Ballungszentren: Zürich, heitlich städtisch. Genf, Basel, Bern oder Lausanne (im Bild: Zug).
Die Schweiz Die Schweiz ist ein kleines Land mit einer Bevölkerung von 8,7 Millionen Menschen. Sie besteht aus vier unterschiedlich grossen Sprachregionen. Sie ist ein Bundesstaat mit 26 Kantonen, die weitgehend eigenständig sind und aus zahlreichen Gemein- den bestehen. Die Mehrsprachigkeit und der Föderalismus haben ihre Wurzeln in der Vergangenheit und sind prägende Merk- male der Schweiz. Ihre Neutralität ist von allen Staaten der Welt anerkannt. Schweiz 26 Kantone SH BS Thurgau BL Aargau Zürich Jura AR SO AI St. Gallen Zug Luzern Neuen- Schwyz burg burg Glarus NW Bern OW Uri Graubünden Freiburg Waadt Tessin Genf Wallis AI Appenzell Innerrhoden NW Nidwalden AR Appenzell Ausserrhoden OW Obwalden BL Basel-Landschaft SH Schaffhausen www.statistik.ch BS Basel-Stadt SO Solothurn 8
8,7 Millionen Menschen Vier Landessprachen In der Schweiz leben 8,7 Millionen Menschen, ein Viertel Die Schweiz ist ein vielsprachiges Land. Die offiziellen davon ohne Schweizer Pass. Mehr als die Hälfte der Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch Ausländerinnen und Ausländer ist entweder in der Schweiz und Rätoromanisch. 62 % der Bevölkerung sprechen geboren oder lebt seit mindestens zehn Jahren hier. hauptsächlich (Schweizer-)Deutsch, 23 % Französisch, Die Mehrheit der ausländischen Bevölkerung kommt aus 8 % Italienisch und 0,5 % Rätoromanisch. 25 % der einem EU-Land. Den grössten Anteil machen Personen Bevölkerung haben (noch) eine andere Hauptsprache. aus Italien (15 % der Ausländer), Deutschland (14 %) und Viele geben zwei Sprachen als Hauptsprachen an: Sie Portugal (12 %) aus. sind zweisprachig. 62 % Deutsch 23 % Französisch Schweiz 0.5 % Rätoromanisch 8 % Italienisch 6 459 500 mit Schweizer Staatsbürgerschaft 2 210 800 ohne Schweizer Staatsbürgerschaft Christlich geprägt Hohe Lebenserwartung Die Schweiz ist ein christlich geprägtes Land: Zwei Drittel Die Menschen in der Schweiz werden immer älter und der Bevölkerung sind entweder katholisch oder refor- haben weniger Kinder als früher. Die durchschnittliche miert oder gehören einer anderen christlichen Gemein- Lebenserwartung ist eine der höchsten der Welt: Sie be schaft an. Die Religionsfreiheit ermöglicht es auch trägt 81 Jahre für Männer und 85 Jahre für Frauen. Die anderen Glaubensgemeinschaften, ihre Religion zu prak- Frauen haben im Schnitt 1,5 Kinder. Der Anteil der über tizieren. Seit Jahren nimmt der Anteil jener zu, die keiner 64-Jährigen in der Bevölkerung hat zugenommen, jener Konfession angehören – vor allem in den Städten. der unter 20-Jährigen und der 20- bis 64-Jährigen ist zu- rückgegangen. römisch-katholisch konfessionslos evangelisch-reformiert andere christliche 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Gemeinschaften islamische Unter 20-Jährige Gemeinschaften übrige/ 64-Jährige 20- bis 64-Jährige unbekannt 65-Jährige und ältere 9
Geschichte der Schweiz Die Schweiz entwickelte sich über Jahrhunderte aus einem Geflecht Geschichte der Schweiz verschiedener Bündnisse zu einem Staatenbund und weiter bis zum heutigen Bundesstaat. Landesgrenzen und Neutralität wurden 1815 international festgelegt und anerkannt. Das politische System geht auf die Bundesverfassung von 1848 zurück. Seither haben die Kompetenzen des Bundes, die Volksrechte und die politische Vielfalt zugenommen. Schweiz 1847 – 1848 1848 1874, 1891 1914 – 1918 Sonderbundskrieg: Bundesverfassung: Ausbau Erster Weltkrieg, Liberale gegen Demokratischer der Demokratie: Generalstreik: Konservative Bundesstaat Initiative, Sozialistische Ideen Referendum Bei der Frage nach der Aus- Die Bundesverfassung ge- Armut und Arbeitslosigkeit gestaltung des Bundes währt den meisten Bürgern – Die revidierte Bundesverfas- während des ersten Weltkriegs kommt es zu einem Bürger- Männern – verschiedene sung überträgt dem Bund sowie die sozialistischen krieg zwischen liberalen und Rechte und Freiheiten, u. a. mehr Aufgaben und weitet die Ideen der Russischen Revolu- katholisch-konservativen das Stimm- und Wahlrecht. demokratischen Rechte auf tion gipfeln 1918 im landes- Kantonen. Der Sonderbunds- Auf Bundesebene wird das Bundesebene aus. 1874 weiten Generalstreik. krieg endet mit dem Sieg Zweikammersystem einge- wird das Referendum einge- der liberalen Kräfte. führt, mit einem National- und führt, 1891 die Volksinitiative einem Ständerat, welche den (➝ S. 22). Bundesrat wählen. Einige Bereiche werden zentralisiert. Die Schweiz entwickelt sich zum einheitlichen Rechts- und Wirtschaftsraum. 10
Geschichte der Schweiz Schweiz 1291 1798 – 1802 1803 – 1814 1815 Alte Eidgenossen Helvetik: Mediation: Bundesvertrag: schaft: Einheitsstaat unter Gelockerte Neutralität Bündnispartner fremder Herrschaft Fremdherrschaft und Staatenbund schaften Nach dem Einmarsch franzö- Nach Bürgerkriegen zwischen Nach dem Sturz Napoleons Wechselnde Bündnisse sischer Truppen wird die Föderalisten und Anhängern anerkennen die europäischen zwischen Städten und Land- Eidgenossenschaft zur Hel der Helvetischen Republik gibt Grossmächte die Neutralität schaften bezwecken die vetischen Republik umgestal- Napoleon der Schweiz eine der Schweiz und die heute Sicherung der politischen tet: zu einem Einheitsstaat Mediationsverfassung. Sie gibt gültigen Landesgrenzen wer- Ordnung gegen innen und der unter Pariser Kontrolle. den Kantonen eine gewisse den fixiert. Der Bundesvertrag Unabhängigkeit gegen aus- Eigenständigkeit zurück und von 1815 fasst die verschie- sen. 1291 schliessen Uri, legt die meisten Kantonsgren- denen eidgenössischen Schwyz und Unterwalden das zen fest. Bündnisse zu einem einzigen erste dokumentierte Bündnis Staatenbund zusammen. ab. Im Lauf der Jahrhunderte wächst die Eidgenossen- schaft durch weitere Bündnis- se und durch Gebietserobe- rungen heran. 1919, 1929 1939 – 1945 1971 2000 Proporz: Zweiter Weltkrieg: Gleichberechtigung: Dritte Bundes Weiter Richtung Einbindung Stimmrecht verfassung: Konsensdemokratie der Linken für Frauen Bewahrung und Offenheit 1919 wird der Nationalrat zum Vor dem Hintergrund des Im Februar 1971 nehmen die ersten Mal im Proporzver Zweiten Weltkriegs rücken die Stimmbürger das eidgenös Die totalrevidierte Bundes fahren gewählt, und im Bun- politischen Kräfte von links sische Stimm- und Wahlrecht verfassung regelt die Aufga- desrat sitzen nun auch zwei bis rechts zusammen: 1943 für Frauen mit 66 % Ja- benteilung zwischen Bund katholisch-konservative wählt das Parlament einen Stimmen an. Die meisten Kan- und Kantonen. Das Schweizer Mitglieder (heute Die Mitte/ Sozialdemokraten in die tone und Gemeinden führen Volk stimmt den bilateralen CVP). Ab 1929 ist auch Regierung, 1951 einen zwei- das Frauenstimmrecht nun Verträgen zwischen der ein Mitglied der Bauern-, ten. Seit 1959 setzt sich auch auf kantonaler und kom- Schweiz und der Europäischen Gewerbe- und Bürgerpartei der Bundesrat aus vier Partei- munaler Ebene ein. Union (EU) zu. Zwei Jahre im Bundesrat vertreten (heute en zusammen («Zauberfor- später (2002) entscheidet es SVP). mel», S. 51). sich für den Beitritt zur UNO (➝ S. 14/15). 11
Föderalismus Die Schweiz ist ein föderalistischer Staat: Die Macht ist zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden aufgeteilt. Kantone und Gemeinden haben grosse Spielräume, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Födera lismus macht es möglich, dass die Schweiz als Einheit bestehen Föderalismus kann – trotz vier Sprachkulturen und unterschiedlicher regionaler Eigenheiten. Schweiz 1 26 Seit 1848 ist die Schweiz ein Bundesstaat, Der Bund besteht aus 26 Kantonen, auch bezeichnet auch als «Eidgenossenschaft» «Stände» genannt. oder als «Bund». Bund Kantone Die Bundesverfassung legt die Aufgaben des Bundes Jeder Kanton hat ein eigenes Parlament, eine eigene fest. Dazu gehören u. a. die Beziehungen zum Ausland, Regierung, eigene Gerichte und eine eigene Verfassung. die Landesverteidigung, das Nationalstrassennetz und Diese darf der Bundesverfassung nicht widersprechen. die Kernenergie. National- und Ständerat bilden das Die Kantone setzen die Vorgaben des Bundes um, gestal- eidgenössische Parlament, die Landesregierung besteht ten ihre Tätigkeit aber nach eigenen Bedürfnissen. aus sieben Bundesräten, das Bundesgericht stellt die Grossen Gestaltungsspielraum haben sie z. B. im Schul- nationale Rechtsprechung sicher. Zu seiner Finanzierung und Spitalwesen, im Bereich Kultur sowie bei der erhebt der Bund u. a. die direkte Bundessteuer. Polizei. Jeder Kanton erhebt zu seiner Finanzierung kantonale Steuern. 11 Prozent der Schweizerin- Die Einnahmen aus der direk- 4 Kantone sind offiziell mehr- In den Kantonen Appenzell nen und Schweizer leben im ten Bundessteuer machen sprachig: Bern, Freiburg und Innerrhoden und Glarus Ausland (Auslandschweizer). rund 34 Prozent der Einnah- Wallis haben 2 Amtssprachen, finden noch Landsgemein- men des Bundes aus. Graubünden sogar 3. den statt. 12
Jeder Kanton hat eine andere Ausgangslage, um seine Aufgaben zu erfüllen: Es gibt Ein wichtiges Instrument für den Zusammenhalt grosse, kleine, städtische, ländliche und bergige Kanto- der Schweiz ist der Nationale Finanzausgleich. Er ne. Der Nationale Finanzaus- entspricht dem Willen zur Solidarität: Die wirt- gleich soll die wirtschaftlichen schaftlich starken Kantone und der Bund helfen Unterschiede zwischen den den finanziell schwächeren Kantonen. Kantonen verkleinern. Der Bund und 7 Kantone zahlen in den Finanzausgleich ein: ZG, SZ, NW, GE, BS, ZH, OW. Föderalismus Die 19 restlichen Kantone erhalten daraus Ausgleichs- zahlungen. Schweiz 2148 Geberkantone (7) Nehmerkantone (19) Die 26 Kantone sind in 2148 Gemeinden gegliedert. 5.3 Mia. Fr. flossen 2020 in den Finanzausgleich: 3.5 Mia. vom Bund, 1.8 Mia. von den Kantonen. Beispiele Jura und Zug Der ressourcenschwache Kan- ton Jura erhält aus dem Finanzausgleich 167 Mio. Fr., also 2297 Fr. pro Einwohner/in. Der ressourcenstarke Kanton Gemeinden Zug zahlt 330 Mio. Fr. in den Jeder Kanton regelt die Aufgabenteilung zwischen sich Finanzausgleich ein, 2685 Fr. pro Einwohner/in. und seinen Gemeinden selbst. Zu den Aufgaben von Gemeinden gehören z. B. die Ortsplanung, der Schul betrieb, das Fürsorgewesen und die Feuerwehr. Grössere Gemeinden und Städte haben Parlamente und Volks Details zum abstimmungen. In kleineren Gemeinden entscheiden die Finanzausgleich Bürgerinnen und Bürger an Gemeindeversammlungen über politische Vorlagen. Jede Gemeinde zieht Gemeinde steuern ein. In der kleinsten Gemeinde Jedes Jahr gibt es wegen (Kammersrohr, SO) leben Fusionen im Durchschnitt 32 Menschen, in der grössten rund 38 Gemeinden weniger. rund 420 000 (Stadt Zürich). Film Föderalismus 13
Abkommen und Mitgliedschaften Abkommen und Mitgliedschaften Europa Schweiz Abkommen mit der Mitgliedschaften Europäischen Union EU EFTA Die Europäische Freihandelsassoziation fördert den Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU, hat aber enge Be- freien Handel zwischen ihren Mitgliedern Schweiz, Liech- ziehungen zu ihr. Grundlage dafür sind über 100 Abkom- tenstein, Island und Norwegen. Zusammen mit den men, darunter die bilateralen Abkommen I und II: EU-Ländern bilden die EFTA-Länder – ohne die Schweiz – den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Eine Mit Die Bilateralen I regeln vor allem wirtschaftliche Fragen. gliedschaft beim EWR hatte das Schweizer Stimmvolk Hauptziel ist ein erleichterter Marktzugang für beide Sei- 1992 abgelehnt. ten (Waren, Dienstleistungen, Arbeitskräfte). Im Jahr 2000 hat das Schweizer Stimmvolk die Bilateralen I mit 67 % 4 Mitgliedstaaten angenommen. Sie bestehen aus 7 Abkommen. Wird eines Sitz in Genf dieser Abkommen von der Schweiz oder der EU gekün- 1960 gegründet, u. a. von der Schweiz digt, treten die anderen 6 Abkommen automatisch aus- ser Kraft («Guillotine-Klausel»). Europarat Der Europarat widmet sich dem Schutz der Menschen- Die Bilateralen II regeln weitere wirtschaftliche Fragen, rechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie. Sein aber auch die Zusammenarbeit in den Bereichen Asyl, wichtigstes Abkommen ist die Europäische Menschen- Sicherheit, Umwelt und Kultur. Sie umfassen 9 Abkom- rechtskonvention. Menschenrechtsverletzungen können men, u. a. das Schengen-Dublin-Abkommen: Das beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Schweizer Stimmvolk hat es 2005 mit 55 % angenommen. Strassburg eingeklagt werden. Schengen ermöglicht u. a. die grenzüberschreitende Mobilität und eine Zusammenarbeit von Justiz und Polizei. 47 Mitgliedstaaten Sitz in Strassburg Dublin ermöglicht u. a. eine Koordination der Asyl- 1949 gegründet, die Schweiz ist seit 1963 Mitglied verfahren. 27 Mitgliedstaaten Sitz in Brüssel Seit 1951 (damals EGKS, EWG) Internationales Genf 42 internationale Organisatio- Neutralität nen und 420 Nichtregierungs- organisationen (NGO) haben Die Schweiz ist ein neutraler Staat: Sie darf sich ihren Sitz in Genf. Mehr als nicht an bewaffneten Konflikten beteiligen und 32 000 internationale Funktio- keine militärischen Bündnisse eingehen. Die Neu näre arbeiten dort. Fast stän- tralität der Schweiz ist weltweit anerkannt. Bei dig finden internationale Konferenzen und Treffen statt. Konflikten wird die Schweiz deshalb immer wieder als Vermittlerin oder Schutzmacht eingesetzt. 14
Die Schweiz ist ein neutraler Staat und weltweit vernetzt: Mit der Europäischen Union EU ist sie verbunden durch bilaterale Abkommen. Bei den Vereinten Nationen UNO und anderen Abkommen und Mitgliedschaften internationalen Organisationen ist sie Mitglied. In Genf treffen sich Expertinnen und Politiker aus dem In- und Ausland zur inter nationalen Zusammenarbeit. Welt Schweiz Mitgliedschaften Vereinte Nationen UNO WTO Der UNO gehören 193 Staaten der Welt an. Sie setzt sich Die Welthandelsorganisation regelt und fördert die welt- ein für Frieden und internationale Sicherheit, für die weiten Handelsbeziehungen. Ziel der WTO-Abkommen ist weltweite Zusammenarbeit bei der Lösung internationaler ein funktionierender, transparenter und diskriminierungs- Probleme und die Achtung der Menschenrechte. Die freier Handel. Die WTO-Mitglieder verpflichteten sich zur Grundsätze der UNO sind festgehalten in der Charta der Einhaltung bestimmter Grundregeln bei der Ausgestal- Vereinten Nationen. Die Schweiz ist seit 2002 Mitglied tung ihrer Handelsbeziehungen. der UNO: In einer Volksabstimmung wurde der Beitritt mit 55 % angenommen. 164 Mitgliedstaaten Sitz in Genf 1995 gegründet, u. a. von der Schweiz 193 Mitgliedstaaten Hauptsitz in New York, europäische Sitze in Genf und Wien 1945 gegründet, die Schweiz ist seit 2002 Mitglied OECD Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und OSZE Entwicklung dient dem Austausch von Wissen in den Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit verschiedensten Bereichen. Ihr Ziel ist die Förderung von in Europa ist mit ihren Teilnehmerstaaten in Nordamerika, Wohlstand, Lebensqualität und Chancengleichheit. Europa und Asien die weltweit grösste regionale Sicher- Die OECD erarbeitet internationale Standards und veröf- heitsorganisation. Als politisches Dialogforum behandelt fentlicht regelmässig internationale Statistiken und sie ein breites Spektrum von Sicherheitsfragen, zur För Studien, u. a. die PISA-Studien. derung des Friedens und zur Lösung von Konflikten. Sie vermittelt zwischen Konfliktparteien und unterstützt die 38 Mitgliedstaaten Sitz in Paris Demokratisierung und Medienfreiheit. 1961 gegründet, u. a. von der Schweiz 57 Teilnehmerstaaten Sitz in Wien 1975 gegründet, u. a. von der Schweiz Partnerschaft UNESCO Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, NATO Partnerschaft für den Frieden Wissenschaft und Kultur, auch tätig im Bereich Kommuni- Die Schweiz ist nicht Mitglied der NATO, arbeitet aber mit kation, ist ein Forum für internationale Zusammenarbeit ihr zusammen im Rahmen der Partnerschaft für den und die Entwicklung globaler Standards. Ihr Ziel ist es, die Frieden und des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrats. Solidarität der Menschen untereinander zu fördern und Die NATO ist ein politisches und militärisches Verteidi- damit zu Frieden, Sicherheit und nachhaltiger Entwicklung gungsbündnis von 30 europäischen und nordamerikani- beizutragen. schen Staaten. Gemeinsam mit Partnerländern setzt sie sich ein für Sicherheit und Frieden. 193 Mitgliedstaaten Sitz in Paris 30 Mitgliedstaaten 1945 gegründet, die Schweiz ist seit 1949 Mitglied Sitz in Brüssel 1949 gegründet 15
Direkte Demokratie Wer volljährig ist, darf auch wählen und abstim- 1991 wurde das Stimmrechtsalter von 20 auf 18 men. Viele Gemeinden laden ihre 18-jährigen Jahre gesenkt: An einer Volksabstimmung Bürgerinnen und Bürger deshalb zu einer «Jung- war der entsprechende Verfassungsartikel mit bürgerfeier» oder «Volljährigkeitsfeier» ein. 73 % Ja-Stimmen angenommen worden. 16
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Direkte Demokratie In kaum einem anderen Land hat das Volk so viele Mitbestimmungs- rechte wie in der Schweiz. Drei- bis viermal pro Jahr finden Volksabstimmungen statt. Alle vier Jahre werden Parlamentswahlen durchgeführt. Die Gewaltenteilung sorgt dafür, dass sich die Macht nicht bei einer Person oder einer Partei konzentriert: Sie ist ein Grundprinzip der Demokratie. Demokratie Beteiligung an Abstimmungen und Wahlen Bei den eidgenössischen Abstimmungen geben jeweils etwa 46 % der Stimmberechtigten ihre Stimme ab. Je nach Thema der Abstimmungsvorlage ist die Stimm- beteiligung höher oder tiefer. Bei den Wahlen sieht es ähnlich aus: Knapp jede zweite Schweizerin und jeder zweite Schweizer nimmt an den eidgenössischen Wahlen teil. Abgabe des Stimm- und Wahlzettels Die Stimm- und Wahlberechtigten haben mehrere Mög- lichkeiten, um abzustimmen und zu wählen: • Brieflich: Stimm-/Wahlzettel im amtlichen Kuvert per Post schicken oder in den Briefkasten der Wohn- gemeinde werfen. • An der Urne: Die Stimm-/Wahlzettel können im Stimm-/Wahllokal der Wohngemeinde in die Urne gelegt werden. E-Voting Landsgemeinden Bund und Kantone sammeln In den Kantonen Glarus und seit mehr als 15 Jahren Erfah- Appenzell Innerrhoden ver- rungen mit E-Voting. Derzeit sammeln sich einmal pro Jahr wird E-Voting nicht angeboten. einige Tausend Stimmbe Für die nächste Versuchs rechtigte unter freiem Himmel phase werden die Grundlagen zur Landsgemeinde: Sie ent überarbeitet, damit ein sta scheiden über Wahlen und biler Betrieb mit vollständig Sachgeschäfte ihres Kantons. verifizierbaren Systemen Die Landsgemeinde ist eine etabliert werden kann. Urform der schweizerischen www.ch.ch/demokratie Demokratie. 18
Gewaltenteilung Stimm- und Wahlrecht Die Macht ist auf die drei Staatsgewalten Legislative Schweizerinnen und Schweizer, die mindestens 18-jährig (Parlament), Exekutive (Bundesrat) und Judikative sind, dürfen wählen und abstimmen. Und sie dürfen für (Gerichte) verteilt. ein politisches Amt kandidieren. Rund 5,5 Millionen Per- sonen sind stimm- und wahlberechtigt. e Ex iv ek at isl uti Leg ve Macht Judikative Demokratie Volksabstimmungen Parteienvielfalt Schweizerinnen und Schweizer sind Weltmeister im Die Parteienlandschaft der Schweiz besteht aus vielen Abstimmen: Über jede Verfassungsänderung wird abge- Parteien, von denen auf Bundesebene keine die Mehrheit stimmt. Mit Initiativen und Referenden können Stimm hat – weder im Parlament noch im Bundesrat. berechtige verlangen, dass über ein politisches Thema abgestimmt wird. FDP EVP GLP Grüne SP Die Mitte übrige SVP 19
Gewaltenteilung Das Schweizer Volk Gewaltenteilung Das Schweizer Volk wählt das Parlament (Legislative): die 200 Mitglieder des Natio- nalrats und die 46 Mitglieder des Ständerats. Demokratie Nationalrat = 10 000 Menschen Ständerat Legislative Das Parlament Gesetze beschliessen Das Parlament entscheidet über Gesetze und hat die Oberaufsicht über den Bundesrat und die Bundesverwal tung sowie über die eidgenössischen Gerichte und die Bundesanwaltschaft. Es besteht aus zwei Kammern: Der Nationalrat repräsentiert die Bevölkerung, der Ständerat vertritt die 26 Kantone. Die beiden Räte sind gleichberech tigt. Zusammen bilden sie die Vereinigte Bundesver sammlung (➝ S. 30ff.). 20
Gewaltenteilung verhindert die Konzentration von Macht bei einzel- nen Personen oder Institutionen. Sie ist ein Grundprinzip der Demokratie: Die Macht ist auf die drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und Judikative verteilt. Eine Person darf gleichzeitig nur einer der drei Staatsgewalten angehören. Gewaltenteilung Das Parlament wählt zudem den Bundesanwalt: Er leitet die Das Parlament wählt Das Parlament wählt Bundesanwaltschaft. Diese die Regierung (Exekutive): die Gerichte (Judikative): verfolgt Delikte im Zusammen- die sieben Mitglieder die Bundesgerichtspräsidentin hang mit Sprengstoff und des Bundesrats und sowie die Richterinnen und Spionage sowie Amtsdelikte die Bundeskanzlerin oder Richter der vier Gerichte auf von Bundesangestellten. den Bundeskanzler. Bundesebene. www.bundesanwaltschaft.ch Demokratie UVEK EJPD WBF EDA VBS EFD EDI Exekutive Judikative Die Regierung Die Gerichte Gesetze umsetzen Recht sprechen Der Bundesrat ist die Regierung der Schweiz: Er bereitet Es gibt vier eidgenössische Gerichte. Oberstes Gericht ist Gesetze vor und sorgt dafür, dass die Entscheide das Bundesgericht: Es prüft die Urteile der anderen des Parlaments umgesetzt werden. Er besteht aus sieben Gerichte und urteilt meistens in letzter Instanz, also end gleichberechtigten Mitgliedern; sie entscheiden gemein gültig. Das Bundesstrafgericht, das Bundesverwaltungs sam. Jede Bundesrätin und jeder Bundesrat steht einem gericht und das Bundespatentgericht sind die erst Departement vor. Zusammen mit der Bundeskanzlei instanzlichen Gerichte des Bundes. Die meisten ihrer bilden die sieben Departemente die Bundesverwaltung Entscheide können an das Bundesgericht weitergezogen (➝ S. 48ff.). werden (➝ 74ff.). 21
Abstimmungen Bis zu viermal pro Jahr entscheiden die Stimmberechtigten über politische Sachfragen. Abgestimmt wird über Volksinitiativen und gewisse Beschlüsse des Parlaments. Meistens geht es dabei um Verfassungs- oder Gesetzesänderungen. Die Verfassung ändern Ein Gesetz stoppen Abstimmungen Über jede Änderung der Verfassung wird in der Schweiz Gegen Gesetze oder gewisse Staatsverträge, die das abgestimmt (obligatorisches Referendum): Egal, ob die Parlament beschlossen hat, können die Stimmberechtig Änderung vom Parlament beschlossen wurde oder von ten ein Referendum ergreifen (fakultatives Referen- einer Volksinitiative gefordert wird. dum). Der neue Verfassungsartikel tritt nur in Kraft, wenn die Kommt ein Referendum zustande, wird über das betref Mehrheit der Stimmenden (Volksmehr) und der Kantone fende Gesetz bzw. über den Vertrag abgestimmt. Das Demokratie (Ständemehr) dafür ist (doppeltes Mehr). Gesetz oder der Staatsvertrag ist angenommen, wenn die Auch über den Beitritt der Schweiz zu einer Organisation Mehrheit der Stimmenden Ja dazu sagt (einfaches für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemein Mehr). schaften (z. B. UNO, EU) findet «obligatorisch» eine Volksabstimmung statt. Nur bei einem doppelten Mehr Abstimmungstermine 2022 Informationen von Volk und Ständen tritt die Schweiz bei. 2022 sind folgende Sonntage • Abstimmungserläute für Abstimmungen reserviert: rungen, die den Stimm berechtigten nach An eidgenössischen Abstimmungen teilnehmen dürfen 13. Februar, 15. Mai, Hause geschickt werden Schweizerinnen und Schweizer, die mindestens 18 Jahre 25. September • App «VoteInfo» und 27. November • www.admin.ch alt sind: Sie sind stimmberechtigt. • www.ch.ch/demokratie • Erklärvideos Instrumente der direkten Demokratie Volksinitiative Fakultatives Referendum Stimmbürgerinnen und Stimmbürger können eine Volks Stimmberechtigte können mit einem Referendum ver initiative unterzeichnen oder selber lancieren und damit langen, dass über bestimmte Entscheide des Parlaments eine Änderung der Verfassung verlangen. 100 000 gültige abgestimmt wird (z. B. über ein neues Gesetz). Damit Unterschriften braucht es, damit eine Volksinitiative das Referendum zustande kommt, sind 50 000 gültige zustande kommt. Diese müssen innerhalb von 18 Monaten Unterschriften nötig. Innerhalb von 100 Tagen müssen gesammelt werden. diese gesammelt werden. Eine Abstimmung findet auch statt, wenn acht Kantone diese verlangen (sog. Kan Volksinitiativen gibt es auf Am 31.12.2021 waren 10 Initia- tonsreferendum). Bundesebene seit 1891. tiven im Sammelstadium, 226 kamen seither zur Ab- 8 beim Bundesrat oder Parla- 1874 wurde das fakultative Am 31.12.2021 lief für 38 stimmung, 24 wurden ange- ment hängig und 2 waren Referendum eingeführt. Bundesgesetze und nommen. abstimmungsreif. 203 kamen seither zustande, -beschlüsse die Referen- 84 Vorlagen wurden damit dumsfrist. Gegen 5 Vorlagen vom Volk gestoppt. wurden Unterschriften gesammelt. YouTube – App «VoteInfo»: Informationen Videos zu den zu eidgenössischen und Abstimmungsvorlagen kantonalen Abstimmungen 22
Politisch mitbestimmende Personen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung Abstimmungen 2021 7. März 8 700 000 Volksinitiative «Ja zum Verhül- lungsverbot» Ja 51,2 % wohnen in der Schweiz Bundesgesetz über elektro nische Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz) Nein 64,4 % 5 500 000 Wirtschaftspartnerschafts abkommen mit Indonesien Ja 51,7 % sind stimmberechtigt (sind mind.18-jährig und haben den Schweizer Pass) 13. Juni Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Abstimmungen Nahrung» 2 2500 500000 000 Nein 60,7 % Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische nehmen durchschnittlich an Abstimmungen teil (rund 46 % der Stimmberechtigten) Pestizide» Nein 60,6 % Bundesgesetz über die Demokratie gesetzlichen Grundlagen für 100 000 Verordnungen des Bundes- rats zur Covid-19-Epidemie (Covid-19-Gesetz) Ja 60,2 % lösen mit einer Initiative eine Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung aus Bundesgesetz über die Ver- minderung von Treibhausgas- emissionen (CO 2-Gesetz) 50 000 Nein 51,6 % Bundesgesetz über polizei- liche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus lösen mit einem Referendum eine Volksabstimmung über ein neues Gesetz aus Ja 56,6 % 26. September Volksinitiative «Löhne entlas- ten, Kapital gerecht besteu- ern» (99 %-Initiative) Nein 64,9 % Wirkung von Initiativen und Referenden Änderung Schweizerisches Auch wenn die meisten Initiativen nicht angenommen und Zivilgesetzbuch (Ehe für alle) nur die wenigsten Gesetze durch ein Referendum ge Ja 64,1 % stoppt werden: Sie haben trotzdem eine grosse Wirkung: 28. November • Sie führen zu öffentlichen Diskussionen über ein be Volksinitiative «Für eine starke stimmtes Thema. Pflege» Ja 61 % • Sie beeinflussen die Gesetzgebung – die Anliegen Volksinitiative «Bestimmung referendumsfähiger Gruppen werden beim Erarbeiten der Bundesrichterinnen neuer Gesetze berücksichtigt (➝ S. 42/43). und Bundesrichter im Los verfahren» (Justiz-Initiative) Nein 68,1 % • Manchmal machen Bundesrat und Parlament zu einer Initiative einen Gegenvorschlag, der das Anliegen der Änderung des Bundesgeset- Initiative aufgreift. zes über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrats zur Covid- 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz) Ja 62 % 23
Wahlen Alle vier Jahre finden Wahlen ins eidgenössische Parlament statt. Die Wahlberechtigten können jene 246 Parlamentarierinnen und Parlamentarier wählen, die ihre Ansichten am besten vertreten. Zur Auswahl stehen jeweils zahlreiche Kandidatinnen und Kandidaten von ganz unterschiedlichen Parteien. Nationalratswahlen Ständeratswahlen Nationalratswahlen sind eidgenössische Wahlen. Die Bei den Ständeratswahlen gilt das kantonale Recht: Wahlen Regeln des Bundesgesetzes über die politischen Rechte Jeder Kanton bestimmt selber über die Wahlberechtigung, gelten in allen Kantonen. den Termin der Wahlen, das Wahlverfahren und die Re geln zum Ausfüllen der Wahlzettel. Folgendes ist in allen Aktives und passives Wahlrecht 26 Kantonen gleich: Ständeratswahlen finden alle vier Wahlberechtigt sind Schweizerinnen und Schweizer, Jahre statt und man muss mindestens 18 Jahre alt sein und Demokratie die mindestens 18-jährig sind: Sie können einerseits die das Schweizer Bürgerrecht haben, um für den Ständerat Mitglieder des Nationalrats wählen (aktives Wahlrecht) zu kandidieren. und andererseits selbst für den Nationalrat kandidieren (passives Wahlrecht). Mehrheitswahlen Ständeratswahlen sind in fast allen Kantonen Mehrheits Verhältniswahlen wahlen (Majorz): Gewählt ist, wer am meisten Stimmen Nationalratswahlen sind in den meisten Kantonen Ver erhält. hältniswahlen (Proporz): Die Sitze werden im Verhältnis zu den erzielten Stimmen auf die Parteien (Listen) verteilt. • Absolutes Mehr: Gewählt ist, wer mindestens die Hälfte aller Stimmen plus eine Stimme erhält. Wahlanleitung Wie man die amtlichen Wahlzettel in Kantonen mit • Relatives Mehr: Gewählt ist, wer die höchste Stimmen mehr als einem Nationalratssitz korrekt ausfüllt und abgibt, zahl im Vergleich mit den anderen Kandidatinnen und erklärt die Wahlanleitung, welche jeweils an die Stimm- Kandidaten erhält. berechtigten verschickt wird und online zur Verfügung steht. Beispiele für kantonale Unterschiede Im Kanton Glarus können bei den Ständeratswahlen Termine schon 16- und 17-jährige Schweizerinnen und Schweizer Die letzten eidgenössischen mitbestimmen. Über 65-Jährige dürfen nicht Mitglieder Wahlen fanden am 20. Ok tober 2019 statt. Die nächsten des Ständerats sein. In Appenzell Innerrhoden wählen die Wahlen für den Nationalrat Stimmberechtigen ihr Ständeratsmitglied an einer Ver und (in den meisten Kantonen) sammlung unter freiem Himmel («Landsgemeinde»), jeweils für den Ständerat werden im April vor den Nationalratswahlen. In den Kantonen durchgeführt am 22. Oktober 2023 Jura und Neuenburg wird das Proporzverfahren, in den anderen Kantonen das Majorzverfahren angewandt. Auslandschweizerinnen und -schweizer sind nicht in allen Kantonen stimmberechtigt. www.ch.ch – www.ch.ch – Stimm- und Wahl- YouTube – Wahlanleitung Abstimmungen recht Wie wählen? Nationalratswahlen und Wahlen 24
Parteien von links bis rechts Bei den Wahlen ins eidgenössische Parlament stehen jeweils mehrere und unterschiedliche Parteien zur Auswahl. Sie unterscheiden sich voneinander durch ihre Auffas sungen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft. Linke Parteien (SP, Grüne) befürworten einen ausgebau ten Sozialstaat, Parteien rechts der Mitte (FDP, SVP) setzen vor allem auf eine liberale Wirtschaftspolitik und auf die Wahlen sind entscheidend Verantwortung jedes Einzelnen. Neben der Links-rechts- Auch in der Schweiz werden die meisten Sach- Frage gibt es die Umweltfrage, die Frage der Öffnung fragen durch das Parlament oder die Regierung der Schweiz gegenüber Europa und internationalen Orga entschieden. Zwischen den Wahlen 2015 und 2019 nisationen und die Frage der liberalen Werte (z. B. gleich konnten die Stimmberechtigten über 33 Vorlagen geschlechtliche Partnerschaft). Mitteparteien (Die Mitte, abstimmen. In derselben Zeit hat das Parlament vorher CVP) arbeiten je nach Thema mit linken oder mit 464 Erlasse verabschiedet, u. a. 134 Bundesgesetze rechten Parteien zusammen. und 94 Bundesbeschlüsse. Ausserdem wählte es die Regierung, die Mitglieder der eidgenössischen Parteien tragen zur politischen Meinungsbildung bei, stel Gerichte sowie den Bundesanwalt. len Kandidierende für öffentliche Ämter und ergreifen Wahlen Initiativen oder Referenden. Bei Abstimmungen geben sie Empfehlungen ab zu den Abstimmungsvorlagen. Was heisst «links»? Was heisst «rechts»? • Ein starker Sozialstaat, der • Freiheit und Selbstverant- die sozialen Unterschiede wortung, Staat greift nur zur Demokratie ausgleicht Not ein • Interessen der Arbeit • Interessen der Arbeitgeber nehmerinnen und Arbeit- im Vordergrund nehmer im Vordergrund • Freies Unternehmertum, • Preiskontrollen, Service ökonomische Anreize public • Starke Landesverteidigung • Mehr Friedenspolitik, weniger Armee Parteistärken (Wähleranteile Nationalratswahlen 2019) 32 % 28 % 24 % 20 % 16 % 12 % 8% 4% 0% 1991 1995 1999 2003 2007 2011 2015 2019 FDP kleine Mitteparteien kleine linke und kleine Rechtsparteien CVP (LDU, EVP, CSP) grün-alternative Parteien (Lega, MCR, EDU usw.) (PdA, EàG usw.) SP GLP SVP BDP Grüne übrige 25
Parteien im Bundesrat und im Parlament Parteien im Bundesrat und im Parlament Die Parteienlandschaft der Schweiz besteht aus vielen Parteien, von denen auf Bundesebene keine die Mehrheit hat. In der Legislatur 2019 – 2023 setzt sich der Nationalrat aus über 10 Parteien zusammen. 5 davon sind auch im Ständerat vertreten, 4 im Bundesrat. Bei den Nationalratswahlen 2019 konnten die beiden Im Parlament haben sich die gleichgesinnten Parteien ökologischen Parteien am meisten zulegen: Die Grünen zu Fraktionen zusammen gewannen 17 Sitze dazu, die Grünliberalen 9 Sitze. geschlossen (➝ S. 36). Grosse Verliererin war die SVP: Sie verlor 12 Sitze, bleibt aber in der Volkskammer die stärkste Partei. Auch die anderen Bundesratsparteien büssten Sitze ein: Die SP und die FDP verloren je 4 Sitze, die CVP musste 2 Sitze ab Demokratie geben. SVP – SP – FDP – Die Mitte** Schweizerische Sozialdemokratische FDP.Die Liberalen Volkspartei Partei Parteipräsident Co-Präsidium Parteipräsident Parteipräsident Marco Chiesa Mattea Meyer Thierry Burkart Gerhard Pfister Cédric Wermuth Wähleranteil * 25,6 % Wähleranteil * 16,8 % Wähleranteil * 15,1 % Wähleranteil * 13,8 %** Bundesrat 2 Bundesrat 2 Bundesrat 2 Bundesrat 1 Nationalrat 53 Nationalrat 39 Nationalrat 29 Nationalrat 28** Ständerat 6 Ständerat 9 Ständerat 12 Ständerat 13 www.svp.ch www.sp.ch www.fdp.ch www.die-mitte.ch * Wähleranteil bei den Nationalratswahlen 2019 («Parteistärke» ➝ S. 25) 26
Grüne – GLP – EVP – EDU – Eidgenössisch- Grüne Partei der Grünliberale Partei Evangelische Demokratische Union Schweiz Schweiz Volkspartei Parteien im Bundesrat und im Parlament Parteipräsident Parteipräsident Parteipräsidentin Parteipräsident Balthasar Glättli Jürg Grossen Lilian Studer Daniel Frischknecht Wähleranteil * 13,2 % Wähleranteil * 7,8 % Wähleranteil * 2,1 % Wähleranteil * 1,0 % Bundesrat 0 Bundesrat 0 Bundesrat 0 Bundesrat 0 Nationalrat 28 Nationalrat 16 Nationalrat 3 Nationalrat 1 Ständerat 5 Ständerat 0 Ständerat 0 Ständerat 0 Demokratie www.gruene.ch www.gruenliberale.ch www.evppev.ch www.edu-schweiz.ch I LE G ES A DEI TICIN LdT – PdA – EàG – Lega dei Ticinesi Partei der Arbeit Ensemble à Gauche ** Seit der Fusion der CVP mit der BDP heisst die Partei «Die Mitte» (ab 1.1.2021). Parteipräsident/in Parteipräsident Parteipräsident vakant Gavriel Pinson Pierre Vanek Die beiden Parteien erzielten bei den Nationalratswahlen 2019 folgende Resultate: Wähleranteile Wähleranteil * 0,8 % Wähleranteil * 0,8 % Wähleranteil * 0,3 % CVP 11,4 % BDP 2,4 % Nationalratssitze CVP 25 BDP 3 Bundesrat 0 Bundesrat 0 Bundesrat 0 Nationalrat 1 Nationalrat 1 Nationalrat 1 Ständerat 0 Ständerat 0 Ständerat 0 www.lega-dei-ticinesi.ch www.pda.ch www.eag-ge.ch Ein Mitglied des Ständerats gehört keiner Partei an. Deshalb ergibt die Summe beim Ständerat 45 statt 46 Mitglieder. 27
Legislative Das Parlament Nach engagierter Debatte überreichten sie ihre 1200 Frauen aus der ganzen Schweiz hatten sich Forderungen dem Parlament und dem Bundes- darum beworben, an der Frauensession 2021 rat. Die Frauensession fand anlässlich der teilzunehmen. 246 durften am 29. und 30. Oktober Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts im Nationalratssaal Platz nehmen. vor 50 Jahren statt.
Legislative Das Parlament Das Parlament beschliesst Gesetze und wählt die Mitglieder der Regierung und der eidgenössischen Gerichte. Es entscheidet über den Staatshaushalt und übt die Oberaufsicht über die Bundes verwaltung aus. Das Parlament wird vom Volk gewählt. Es besteht aus zwei Kammern: dem Nationalrat und dem Ständerat. Der Nationalrat vertritt die Bevölkerung der Schweiz, der Ständerat repräsentiert die 26 Kantone. Beide Räte sind gleichberechtigt und haben die gleichen Aufgaben. Zusammen bilden sie die Vereinigte Bundesversammlung. www.parlament.ch Legislative Parlament Der Ort der Schweizer Politik Das Schweizer Parlament tagt in Bern im Parlaments gebäude. Dieses wurde von 1894 bis 1902 nach den Plänen des Architekten Hans Wilhelm Auer erbaut und am 1. April 1902 von der Vereinigten Bundesversammlung feierlich eingeweiht. Der Architekt verfolgte das Ziel, ein nationales Baudenk mal zu schaffen. Die verwendeten Materialien stammen zu 95 Prozent aus der Schweiz, 173 Schweizer Firmen erhielten Aufträge und 38 Schweizer Kunstschaffende durften sich mit ihren Werken im Parlamentsgebäude verewigen. Selbstverständlich berücksichtigte Auer bei der Vergabe der Aufträge auch alle Kantone. Das ganze Gebäude soll daran erinnern, dass die Schweiz eine Willensnation ist, zu der sich verschiedene Kulturen, verschiedene Sprachgebiete und verschiedene geografi YouTube – sche Gegenden aus eigenem Willen zusammengefunden Erklär mir das Parlament haben, um eine politische, nationale Einheit zu bilden. 30
Mitglieder im National- Stärke der Fraktionen und Ständerat im Parlament Mitte-Fraktion GLP FDP-Liberale 31 SP SVP Grüne 200 Nationalrätinnen und Nationalräte Nationalrat Mitte-Fraktion FDP-Liberale SP 13 SVP Grüne 46 Ständerätinnen und Ständeräte Ständerat Legislative Altersverteilung in der Frauen und Männer Parlament Schweizer Bevölkerung und im Parlament im Parlament 1972 1988 2004 2022 70+ 60 – 69 50 – 59 40 – 49 30 – 39 18 – 29 SR NR SR NR SR NR SR NR Frauen Männer 31
Aufgaben des Parlaments Das Parlament ist zuständig für die Gesetzgebung, die Festlegung des Budgets, die Wahl der Mitglieder der obersten Bundesbehörden sowie für die Oberaufsicht über den Bundesrat, die Bundesver waltung und die eidgenössischen Gerichte. Aufgaben des Parlaments Gesetzgebung Wahl von Bundesbehörden Das Parlament erlässt rechtsetzende Bestimmungen in Für Wahlen treten National- und Ständerat zur Vereinigten Form von Bundesgesetzen oder Verordnungen. Änderun Bundesversammlung zusammen. Diese wählt die gen der Bundesverfassung muss es Volk und Ständen Regierung, besetzt die eidgenössischen Gerichte und zur Abstimmung vorlegen. bestimmt im Kriegsfall einen General oder eine Generalin. In der Wintersession bestellt sie jeweils für ein Jahr Parlament Die Bundesverfassung Verordnungen das Bundespräsidium: Ein Mitglied des Bundesrats wird bildet die rechtliche Grundord ergänzen die Gesetze. Die Bundespräsident oder -präsidentin, ein zweites Vize. nung der Schweizerischen meisten Verordnungen werden Eidgenossenschaft. Was in der vom Bundesrat und den Die Vereinigte Bundesversammlung wählt auch den Stabs- Verfassung steht, entschei Departementen erlassen. Sie chef des Bundesrats, den Bundeskanzler und den den das Volk und die Kantone. entstehen ohne Mitwirkung Bundesanwalt oder die Bundesanwältin. Das Parlament kann Ände des Parlaments. Bei wichtigen rungen der Bundesverfassung Verordnungen kann die zu ausarbeiten, muss sie aber ständige parlamentarische Bundesratswahlen 2019 Volk und Ständen zur Abstim Kommission verlangen, ihr den Bei den letzten Bundesratswahlen im Dezember 2019 hat mung unterbreiten (➝ obliga Entwurf zur Konsultation zu das Parlament – als Vereinigte Bundesversammlung – alle torisches Referendum, S. 22). unt erbreiten. Verordnungen Mitglieder des Bundesrats wiedergewählt. Weil die Mit einer Volksinitiative kann unterstehen nicht dem Refe das Volk eine Änderung der rendum. Grünen bei den Parlamentswahlen im Oktober 2019 erst Verfassung verlangen (➝ S. 22). mals eine Wählerstärke von über 10 % erreicht hatten, stellten sie eine eigene Kandidatin auf: Die Grünen traten Bundesgesetze konkretisieren die Verfas gegen die FDP an. FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter sung. Sie werden vom Parla und FDP-Bundesrat Ignazio Cassis konnten ihren Bundes ment erlassen, unterstehen ratssitz aber verteidigen und wurden mit absolutem aber dem fakultativen Referen Mehr gewählt. Der neue Bundesrat blieb also ganz der dum (➝ S. 22): Verlangen 50 000 Stimmberechtigte oder alte (➝ S. 50). acht Kantone eine Abstim mung, wird das Gesetz dem Volk vorgelegt. Das Gesetz tritt nur in Kraft, wenn es von der Mehrheit der Abstim menden angenommen wurde. 32
In der 50. Legislatur (2015 – 2019) hat das Parlament 464 Erlasse verabschiedet: Der Fachbegriff für das Schweizer Parlament ist «Bundesversammlung». So steht z. B. in 134 Bundesgesetze Artikel 148 der Bundesverfassung: «Die Bundes versammlung übt unter Vorbehalt der Rechte von Volk und Ständen die oberste Gewalt im Bund aus.» 94 Bundesbeschlüsse Aufgaben des Parlaments Budgetkontrolle 226 einfache und Oberaufsicht Bundesbeschlüsse Die Hoheit über die Bundesfinanzen liegt beim Parlament: Es legt den Voranschlag für das nächste Jahr fest, nimmt Kenntnis vom Finanzplan des Bundesrats und nimmt die Staatsrechnung des Vorjahres ab. Über das Budget Parlament entscheidet das Parlament in der Wintersession. Das Ge schäft geht in schnellem Wechsel von einer Kammer zur anderen. Können National- und Ständerat sich bei einer Position nicht einigen, so gilt der tiefere Betrag. Die Oberaufsicht wird durch die Finanz- und durch die Ge schäftsprüfungskommissionen sowie deren Delegationen wahrgenommen. Sie überprüfen die Arbeit von Bundes rat, Bundesverwaltung und Bundesgerichten. Einnahmen und Ausgaben des Bundes ➝ S. 48/49 10 Verordnungen Rechtsetzende Bestimmun gen werden in Form von Bundesgesetzen und Verord nungen erlassen. Die übrigen Erlasse sind «Bundesbeschlüsse». Nur gegen die wenigsten Bun desgesetze wird das Refe rendum ergriffen. Einfache Bundesbeschlüsse und Verord nungen können nicht mit YouTube – Die Aufgaben einem Referendum gestoppt der Bundesversammlung werden. 33
Organisation des Parlaments Das Schweizer Parlament besteht aus zwei Kammern: dem National- rat und dem Ständerat. Der Nationalrat vertritt die Bevölkerung der Schweiz. Der Ständerat repräsentiert die 26 Kantone. Die zwei Räte sind einander gleichgestellt: Alle Geschäfte werden sowohl vom Nationalrat als auch vom Ständerat behandelt. Ihre Beschlüsse müssen übereinstimmen, damit sie in Kraft treten. Organisation des Parlaments Grosse Kammer: Nationalrat Kleine Kammer: Ständerat Der Nationalrat vertritt die Bevölkerung der Schweiz. Er Der Ständerat hat 46 Mitglieder und vertritt die Kantone, hat 200 Sitze. Je grösser ein Kanton bevölkerungsmässig auch «Stände» genannt. Zwanzig Kantone haben zwei ist, desto mehr Sitze stehen ihm zu. Jeder Kanton hat Sitze, sechs Kantone je einen Sitz. Nur einen Sitz haben Anspruch auf mindestens einen Sitz. Im Schnitt vertritt je jene sechs Kantone, die die Bundesverfassung bis des Nationalratsmitglied rund 42 000 Einwohnerinnen 1999 als «Halbkantone» bezeichnete: Ob- und Nidwalden, Parlament und Einwohner. Der Nationalrat wird auch als «grosse Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden, Kammer» oder als «Volkskammer» bezeichnet. Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Im Ständerat ist die Bevölkerungsstärke eines Kantons nicht von Belang. Nationalratspräsidentin 2022 Der einwohnermässig kleine Kanton Uri hat ebenso zwei Der Nationalrat wird jedes Jahr von einem anderen Rats- Sitze wie der grosse Kanton Zürich. Dieses System mitglied präsidiert. Nationalratspräsidentin 2022 ist schafft ein Gegengewicht zur Stimmkraft, die die bevölke Irène Kälin (Grüne). Sie plant und leitet die Verhandlungen rungsreichen Kantone im Nationalrat haben. Der Stän des Nationalrats, führt das Ratsbüro und vertritt den derat wird oft auch «kleine Kammer» oder «Kantonskam Nationalrat nach aussen. mer» genannt. Proporzwahlen Ständeratspräsident 2022 Nationalratswahlen finden alle vier Jahre statt, in den meis Der Ständerat wird jedes Jahr von einem anderen Rats ten Kantonen nach dem Verhältniswahlrecht (Proporz). mitglied präsidiert. Ständeratspräsident 2022 ist Thomas Proporzwahl bedeutet: Die Sitze eines Kantons werden Hefti (FDP.Die Liberalen). Er plant und leitet die Ver entsprechend der Stimmenstärke auf die verschiedenen handlungen des Rats, führt das Ratsbüro und vertritt Parteien verteilt. Auf diese Weise sind in der Volkskammer den Rat nach aussen. auch kleinere politische Kräfte vertreten. Majorzwahlen Ständeratswahlen finden alle vier Jahre statt, in den Termin Nationalratswahlen meisten Kantonen zeitgleich mit den Nationalratswahlen. Die nächsten Wahlen finden Ständeratswahlen sind fast überall Majorzwahlen: statt am 22. Oktober 2023. Gewählt ist, wer am meisten Stimmen erhält. Die Kantone entscheiden selbst, wann und wie sie ihre Vertretung in den Ständerat bestimmen. Termin Ständeratswahlen Die nächsten Wahlen YouTube – werden durchgeführt im Die wichtigsten Organe April oder Oktober 2023. der Bundesversammlung 34
Nationalratspräsidentin 2022 Irène Kälin, Aargau Grüne Partei der Schweiz Warum sind Sie in die Politik eingestiegen? Ich war immer ein politischer Mensch. Vor allem Ungerech- tigkeiten bewegen mich seit jeher sehr. Dass ich in die Politik eingestiegen bin, hat aber auch mit Zufall zu tun. Ich war sicherlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Schliess- lich ist man als Politikerin oder Politiker auch immer abhängig von der eigenen Partei und der Frage, wie beliebt diese bei den Wählerinnen und Wählern ist. Welchen Schwerpunkt setzen Sie in Ihrem Präsidial jahr? Mein Schwerpunkt ist die Vereinbarkeit. Einerseits bezogen Organisation des Parlaments auf die klassische Vereinbarkeit zwischen Beruf, Familie und Politik, die vom Parlament noch stärker gefördert wer- den sollte. Daneben möchte ich mich auch für die Verein barkeit verschiedener Meinungen im Parlament einsetzen. Gerade in Krisenzeiten sind wir verpflichtet, uns zu Kom- promissen zusammenzuraufen und der Bevölkerung Vereinigte Bundesversammlung Lösungen zu präsentieren, die von dieser auch mitgetragen werden. Bei bestimmten Geschäften treten Nationalrat und Stände rat als «Vereinigte Bundesversammlung» zusammen. Die Vereinigte Bundesversammlung wählt die Mitglieder der Regierung und der Bundesgerichte, den Bundes kanzler und den Bundesanwalt. Ausserdem tritt sie zusam Parlament men, um Erklärungen des Bundesrats entgegenzu nehmen und über Zuständigkeitskonflikte zu entscheiden. Ständeratspräsident 2022 Thomas Hefti, Glarus Sessionen FDP.Die Liberalen Im Frühling, Sommer, Herbst und Winter finden Sessionen statt, die je drei Wochen dauern: In dieser Zeit treten Warum sind Sie in die Politik eingestiegen? National- und Ständerat zusammen, um Geschäfte zu dis Das ist grösstenteils Familienerbe. Schon meine Urgrossväter kutieren und zu beschliessen. Die beiden Kammern waren politisch sehr interessiert und engagiert. Auch die tagen getrennt, aber unter demselben Dach: im Parla weiblichen Familienmitglieder haben jeweils am Familien- mentsg ebäude in Bern. Zwischen den Sessionen finden tisch eifrig mitdiskutiert. Neben meinem familiären Umfeld Büro-, Fraktions- und Kommissionssitzungen statt. hat mich die Landsgemeinde im Kanton Glarus stark beeinflusst. Schon als junger Knabe war ich mitten im Geschehen und sehr fasziniert davon. Sessions-Termine 2022 Wahl Präsident/in des Natio Frühlingssession: nalrats und des Ständerats: 28. Februar – 18. März 28. November Wie bringen Sie Beruf und Politik unter einen Hut? Sommersession: Das war nicht immer ganz einfach. Ich bin Anwalt und Notar 30. Mai – 17. Juni Wahl Bundespräsident/in und habe eine eigene Praxis. Als ich in die Politik eingestie- Herbstsession: und Vizepräsident/in des Bundesrats: gen bin, habe ich erkannt, dass ich einen Mittelweg zwi- 12. – 30. September Wintersession: 7. Dezember schen politischer und beruflicher Tätigkeit finden muss. Da 28. November – 16. Dezember ich selbstständig bin, habe ich meine Mandate reduziert Die Sitzungen sind öffentlich. und meiner Frau Arbeiten in der Kanzlei übergeben. Sondersession (bei Bedarf): Die Debatten werden auf 9. – 13. Mai der Webseite des Parlaments live übertragen und nach rund einer Stunde als Wort protokoll mit Video im Amtlichen Bulletin publiziert: www.parlament.ch 35
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