Der Bund kurz erklärt 2022 - Bundeskanzlei
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Vorwort
«Gefährlich wird es Liebe Leserinnen und Leser
dann, wenn nur Wir leben in unsicheren Zeiten. Die letzten Jahre haben
gezeigt: Auch die Demokratie ist nicht selbstverständlich,
noch wahr sein darf, selbst dort nicht, wo sie schon eine Weile besteht. Sie
ist darauf angewiesen, dass die Bürgerinnen und Bürger
was alle hören die freie Meinungsbildung achten und schützen, dass
sie einfache Parolen hinterfragen und überprüfbare Fak-
wollen.» ten ernst nehmen. Sie bedarf einer unabhängigen,
umsichtigen Justiz sowie einer effizienten und zugäng-
Walter Thurnherr, Bundeskanzler
lichen Verwaltung. Und sie braucht Politikerinnen und
Politiker, die längerfristige Interessen verfolgen und dafür
immer wieder neue Mehrheiten schaffen.
Gefährlich wird es dann, wenn nur noch wahr sein darf,
was alle hören wollen. Die Demokratie stützt ab auf
eine Reihe wichtiger Voraussetzungen. Es genügt, dass
ein einziges wesentliches Element ins Rutschen gerät,
um das ganze Gebäude ins Wanken zu bringen.
Von Carl Spitteler stammt der Ausspruch, die Demokratie
sei «eine periodische Aufregung darüber, ob der Franz
oder der Fritz gewählt wird». Einmal abgesehen davon,
dass auch eine Franziska gewählt werden könnte:
Die Demokratie ist weit mehr als das. Und sie muss immer
wieder neu errungen, vermittelt und verteidigt werden.
«Der Bund kurz erklärt» leistet einen Beitrag dazu.
Bundeskanzler Walter Thurnherr
3Inhaltsverzeichnis
Fakten Fundament
Die Schweiz Direkte Demokratie
6 16
Geschichte der Schweiz
• 10 Gewaltenteilung
• 20
Föderalismus
• 12 Abstimmungen
• 22
• bkommen und
A Wahlen
• 24
Mitgliedschaften 14
• arteien im Bundesrat
P
und im Parlament 26
Zusatzangebote zur Broschüre «Der Bund kurz erklärt»:
• App «CH info» für Smartphones und Tablets
• Website www.ch-info.swiss
• didaktische Unterlagen für Lehrerinnen und Lehrer
• barrierefreie PDF für sehbehinderte Personen
4Legislative Exekutive Judikative
Das Parlament Die Regierung Die Gerichte
Schweiz
28 46 72
•Aufgaben des Parlaments 32 Der Bundesrat
• 50 Das Bundesgericht
• 76
Demokratie
•Organisation des Parlaments 34 Aufgaben des Bundesrats
• 52 Das Bundesstrafgericht
• 78
• esonderheiten
B Die Bundesverwaltung
• 54 Das Bundesverwaltungsgericht
• 79
des Parlaments 40
Bundeskanzlei BK
• 56 Das Bundespatentgericht
• 80
•Weg zu einem neuen Gesetz 42
Parlament
• idgenössisches
E • rteile der eidgenössischen
U
•Parlamentsdienste 45 Departement für auswärtige Gerichte 81
Angelegenheiten EDA 58
• idgenössisches
E
Departement des Innern EDI 60
• idgenössisches Justiz-
E
Regierung
und Polizeidepartement EJPD 62
• idgenössisches
E
Departement für Verteidigung,
Bevölkerungsschutz
und Sport VBS 64
Gerichte
• idgenössisches
E
Finanzdepartement EFD 66
• idgenössisches
E
Departement für Wirtschaft,
Bildung und Forschung WBF 68
• idgenössisches
E
Departement für Umwelt,
Verkehr, Energie und
Kommunikation UVEK 70
5Die Schweiz Zwar gibt es in der Schweiz keine Grossstadt, in 85 % der Bevölkerung sind in der Stadt oder der der mehr als eine Million Menschen wohnen. Agglomeration zu Hause. Die Hälfte davon lebt in Trotzdem: Die Schweizer Bevölkerung ist mehr- einer der fünf grössten Ballungszentren: Zürich, heitlich städtisch. Genf, Basel, Bern oder Lausanne (im Bild: Zug).
Die Schweiz
Die Schweiz ist ein kleines Land mit einer Bevölkerung von
8,7 Millionen Menschen. Sie besteht aus vier unterschiedlich
grossen Sprachregionen. Sie ist ein Bundesstaat mit 26 Kantonen,
die weitgehend eigenständig sind und aus zahlreichen Gemein-
den bestehen. Die Mehrsprachigkeit und der Föderalismus haben
ihre Wurzeln in der Vergangenheit und sind prägende Merk-
male der Schweiz. Ihre Neutralität ist von allen Staaten der Welt
anerkannt.
Schweiz
26 Kantone
SH
BS Thurgau
BL Aargau Zürich
Jura AR
SO AI
St. Gallen
Zug
Luzern
Neuen- Schwyz
burg
burg Glarus
NW
Bern
OW
Uri
Graubünden
Freiburg
Waadt
Tessin
Genf Wallis
AI Appenzell Innerrhoden NW Nidwalden
AR Appenzell Ausserrhoden OW Obwalden
BL Basel-Landschaft SH Schaffhausen
www.statistik.ch BS Basel-Stadt SO Solothurn
88,7 Millionen Menschen Vier Landessprachen
In der Schweiz leben 8,7 Millionen Menschen, ein Viertel Die Schweiz ist ein vielsprachiges Land. Die offiziellen
davon ohne Schweizer Pass. Mehr als die Hälfte der Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch
Ausländerinnen und Ausländer ist entweder in der Schweiz und Rätoromanisch. 62 % der Bevölkerung sprechen
geboren oder lebt seit mindestens zehn Jahren hier. hauptsächlich (Schweizer-)Deutsch, 23 % Französisch,
Die Mehrheit der ausländischen Bevölkerung kommt aus 8 % Italienisch und 0,5 % Rätoromanisch. 25 % der
einem EU-Land. Den grössten Anteil machen Personen Bevölkerung haben (noch) eine andere Hauptsprache.
aus Italien (15 % der Ausländer), Deutschland (14 %) und Viele geben zwei Sprachen als Hauptsprachen an: Sie
Portugal (12 %) aus. sind zweisprachig.
62 % Deutsch
23 % Französisch
Schweiz
0.5 % Rätoromanisch
8 % Italienisch
6 459 500 mit Schweizer Staatsbürgerschaft
2 210 800 ohne Schweizer Staatsbürgerschaft
Christlich geprägt Hohe Lebenserwartung
Die Schweiz ist ein christlich geprägtes Land: Zwei Drittel Die Menschen in der Schweiz werden immer älter und
der Bevölkerung sind entweder katholisch oder refor- haben weniger Kinder als früher. Die durchschnittliche
miert oder gehören einer anderen christlichen Gemein- Lebenserwartung ist eine der höchsten der Welt: Sie be
schaft an. Die Religionsfreiheit ermöglicht es auch trägt 81 Jahre für Männer und 85 Jahre für Frauen. Die
anderen Glaubensgemeinschaften, ihre Religion zu prak- Frauen haben im Schnitt 1,5 Kinder. Der Anteil der über
tizieren. Seit Jahren nimmt der Anteil jener zu, die keiner 64-Jährigen in der Bevölkerung hat zugenommen, jener
Konfession angehören – vor allem in den Städten. der unter 20-Jährigen und der 20- bis 64-Jährigen ist zu-
rückgegangen.
römisch-katholisch
konfessionslos
evangelisch-reformiert andere
christliche 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020
Gemeinschaften
islamische Unter 20-Jährige
Gemeinschaften übrige/ 64-Jährige
20- bis 64-Jährige
unbekannt 65-Jährige und ältere
9Geschichte der Schweiz
Die Schweiz entwickelte sich über Jahrhunderte aus einem Geflecht
Geschichte der Schweiz
verschiedener Bündnisse zu einem Staatenbund und weiter bis
zum heutigen Bundesstaat. Landesgrenzen und Neutralität wurden
1815 international festgelegt und anerkannt. Das politische System
geht auf die Bundesverfassung von 1848 zurück. Seither haben
die Kompetenzen des Bundes, die Volksrechte und die politische
Vielfalt zugenommen.
Schweiz
1847 – 1848 1848 1874, 1891 1914 – 1918
Sonderbundskrieg: Bundesverfassung: Ausbau Erster Weltkrieg,
Liberale gegen Demokratischer der Demokratie: Generalstreik:
Konservative Bundesstaat Initiative, Sozialistische Ideen
Referendum
Bei der Frage nach der Aus- Die Bundesverfassung ge- Armut und Arbeitslosigkeit
gestaltung des Bundes währt den meisten Bürgern – Die revidierte Bundesverfas- während des ersten Weltkriegs
kommt es zu einem Bürger- Männern – verschiedene sung überträgt dem Bund sowie die sozialistischen
krieg zwischen liberalen und Rechte und Freiheiten, u. a. mehr Aufgaben und weitet die Ideen der Russischen Revolu-
katholisch-konservativen das Stimm- und Wahlrecht. demokratischen Rechte auf tion gipfeln 1918 im landes-
Kantonen. Der Sonderbunds- Auf Bundesebene wird das Bundesebene aus. 1874 weiten Generalstreik.
krieg endet mit dem Sieg Zweikammersystem einge- wird das Referendum einge-
der liberalen Kräfte. führt, mit einem National- und führt, 1891 die Volksinitiative
einem Ständerat, welche den (➝ S. 22).
Bundesrat wählen. Einige
Bereiche werden zentralisiert.
Die Schweiz entwickelt sich
zum einheitlichen Rechts- und
Wirtschaftsraum.
10Geschichte der Schweiz
Schweiz
1291 1798 – 1802 1803 – 1814 1815
Alte Eidgenossen Helvetik: Mediation: Bundesvertrag:
schaft: Einheitsstaat unter Gelockerte Neutralität
Bündnispartner fremder Herrschaft Fremdherrschaft und Staatenbund
schaften
Nach dem Einmarsch franzö- Nach Bürgerkriegen zwischen Nach dem Sturz Napoleons
Wechselnde Bündnisse sischer Truppen wird die Föderalisten und Anhängern anerkennen die europäischen
zwischen Städten und Land- Eidgenossenschaft zur Hel der Helvetischen Republik gibt Grossmächte die Neutralität
schaften bezwecken die vetischen Republik umgestal- Napoleon der Schweiz eine der Schweiz und die heute
Sicherung der politischen tet: zu einem Einheitsstaat Mediationsverfassung. Sie gibt gültigen Landesgrenzen wer-
Ordnung gegen innen und der unter Pariser Kontrolle. den Kantonen eine gewisse den fixiert. Der Bundesvertrag
Unabhängigkeit gegen aus- Eigenständigkeit zurück und von 1815 fasst die verschie-
sen. 1291 schliessen Uri, legt die meisten Kantonsgren- denen eidgenössischen
Schwyz und Unterwalden das zen fest. Bündnisse zu einem einzigen
erste dokumentierte Bündnis Staatenbund zusammen.
ab. Im Lauf der Jahrhunderte
wächst die Eidgenossen-
schaft durch weitere Bündnis-
se und durch Gebietserobe-
rungen heran.
1919, 1929 1939 – 1945 1971 2000
Proporz: Zweiter Weltkrieg: Gleichberechtigung: Dritte Bundes
Weiter Richtung Einbindung Stimmrecht verfassung:
Konsensdemokratie der Linken für Frauen Bewahrung
und Offenheit
1919 wird der Nationalrat zum Vor dem Hintergrund des Im Februar 1971 nehmen die
ersten Mal im Proporzver Zweiten Weltkriegs rücken die Stimmbürger das eidgenös Die totalrevidierte Bundes
fahren gewählt, und im Bun- politischen Kräfte von links sische Stimm- und Wahlrecht verfassung regelt die Aufga-
desrat sitzen nun auch zwei bis rechts zusammen: 1943 für Frauen mit 66 % Ja- benteilung zwischen Bund
katholisch-konservative wählt das Parlament einen Stimmen an. Die meisten Kan- und Kantonen. Das Schweizer
Mitglieder (heute Die Mitte/ Sozialdemokraten in die tone und Gemeinden führen Volk stimmt den bilateralen
CVP). Ab 1929 ist auch Regierung, 1951 einen zwei- das Frauenstimmrecht nun Verträgen zwischen der
ein Mitglied der Bauern-, ten. Seit 1959 setzt sich auch auf kantonaler und kom- Schweiz und der Europäischen
Gewerbe- und Bürgerpartei der Bundesrat aus vier Partei- munaler Ebene ein. Union (EU) zu. Zwei Jahre
im Bundesrat vertreten (heute en zusammen («Zauberfor- später (2002) entscheidet es
SVP). mel», S. 51). sich für den Beitritt zur UNO
(➝ S. 14/15).
11Föderalismus
Die Schweiz ist ein föderalistischer Staat: Die Macht ist zwischen
Bund, Kantonen und Gemeinden aufgeteilt. Kantone und Gemeinden
haben grosse Spielräume, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Födera
lismus macht es möglich, dass die Schweiz als Einheit bestehen
Föderalismus
kann – trotz vier Sprachkulturen und unterschiedlicher regionaler
Eigenheiten.
Schweiz
1 26
Seit 1848 ist die Schweiz ein Bundesstaat, Der Bund besteht aus 26 Kantonen, auch
bezeichnet auch als «Eidgenossenschaft» «Stände» genannt.
oder als «Bund».
Bund Kantone
Die Bundesverfassung legt die Aufgaben des Bundes Jeder Kanton hat ein eigenes Parlament, eine eigene
fest. Dazu gehören u. a. die Beziehungen zum Ausland, Regierung, eigene Gerichte und eine eigene Verfassung.
die Landesverteidigung, das Nationalstrassennetz und Diese darf der Bundesverfassung nicht widersprechen.
die Kernenergie. National- und Ständerat bilden das Die Kantone setzen die Vorgaben des Bundes um, gestal-
eidgenössische Parlament, die Landesregierung besteht ten ihre Tätigkeit aber nach eigenen Bedürfnissen.
aus sieben Bundesräten, das Bundesgericht stellt die Grossen Gestaltungsspielraum haben sie z. B. im Schul-
nationale Rechtsprechung sicher. Zu seiner Finanzierung und Spitalwesen, im Bereich Kultur sowie bei der
erhebt der Bund u. a. die direkte Bundessteuer. Polizei. Jeder Kanton erhebt zu seiner Finanzierung
kantonale Steuern.
11 Prozent der Schweizerin- Die Einnahmen aus der direk- 4 Kantone sind offiziell mehr- In den Kantonen Appenzell
nen und Schweizer leben im ten Bundessteuer machen sprachig: Bern, Freiburg und Innerrhoden und Glarus
Ausland (Auslandschweizer). rund 34 Prozent der Einnah- Wallis haben 2 Amtssprachen, finden noch Landsgemein-
men des Bundes aus. Graubünden sogar 3. den statt.
12Jeder Kanton hat eine andere
Ausgangslage, um seine
Aufgaben zu erfüllen: Es gibt
Ein wichtiges Instrument für den Zusammenhalt grosse, kleine, städtische,
ländliche und bergige Kanto-
der Schweiz ist der Nationale Finanzausgleich. Er ne. Der Nationale Finanzaus-
entspricht dem Willen zur Solidarität: Die wirt- gleich soll die wirtschaftlichen
schaftlich starken Kantone und der Bund helfen Unterschiede zwischen den
den finanziell schwächeren Kantonen. Kantonen verkleinern.
Der Bund und 7 Kantone
zahlen in den Finanzausgleich
ein: ZG, SZ, NW, GE, BS,
ZH, OW.
Föderalismus
Die 19 restlichen Kantone
erhalten daraus Ausgleichs-
zahlungen.
Schweiz
2148 Geberkantone (7)
Nehmerkantone (19)
Die 26 Kantone sind in 2148 Gemeinden
gegliedert.
5.3 Mia. Fr. flossen 2020 in
den Finanzausgleich: 3.5 Mia.
vom Bund, 1.8 Mia. von den
Kantonen.
Beispiele Jura und Zug
Der ressourcenschwache Kan-
ton Jura erhält aus dem
Finanzausgleich 167 Mio. Fr.,
also 2297 Fr. pro Einwohner/in.
Der ressourcenstarke Kanton
Gemeinden Zug zahlt 330 Mio. Fr. in den
Jeder Kanton regelt die Aufgabenteilung zwischen sich Finanzausgleich ein, 2685 Fr.
pro Einwohner/in.
und seinen Gemeinden selbst. Zu den Aufgaben von
Gemeinden gehören z. B. die Ortsplanung, der Schul
betrieb, das Fürsorgewesen und die Feuerwehr. Grössere
Gemeinden und Städte haben Parlamente und Volks Details zum
abstimmungen. In kleineren Gemeinden entscheiden die Finanzausgleich
Bürgerinnen und Bürger an Gemeindeversammlungen
über politische Vorlagen. Jede Gemeinde zieht Gemeinde
steuern ein.
In der kleinsten Gemeinde Jedes Jahr gibt es wegen
(Kammersrohr, SO) leben Fusionen im Durchschnitt
32 Menschen, in der grössten rund 38 Gemeinden weniger.
rund 420 000 (Stadt Zürich).
Film Föderalismus
13Abkommen und Mitgliedschaften
Abkommen und Mitgliedschaften
Europa
Schweiz
Abkommen mit der Mitgliedschaften
Europäischen Union EU EFTA
Die Europäische Freihandelsassoziation fördert den
Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU, hat aber enge Be-
freien Handel zwischen ihren Mitgliedern Schweiz, Liech-
ziehungen zu ihr. Grundlage dafür sind über 100 Abkom-
tenstein, Island und Norwegen. Zusammen mit den
men, darunter die bilateralen Abkommen I und II:
EU-Ländern bilden die EFTA-Länder – ohne die Schweiz –
den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Eine Mit
Die Bilateralen I regeln vor allem wirtschaftliche Fragen.
gliedschaft beim EWR hatte das Schweizer Stimmvolk
Hauptziel ist ein erleichterter Marktzugang für beide Sei-
1992 abgelehnt.
ten (Waren, Dienstleistungen, Arbeitskräfte). Im Jahr 2000
hat das Schweizer Stimmvolk die Bilateralen I mit 67 % 4 Mitgliedstaaten
angenommen. Sie bestehen aus 7 Abkommen. Wird eines Sitz in Genf
dieser Abkommen von der Schweiz oder der EU gekün- 1960 gegründet, u. a. von der Schweiz
digt, treten die anderen 6 Abkommen automatisch aus-
ser Kraft («Guillotine-Klausel»). Europarat
Der Europarat widmet sich dem Schutz der Menschen-
Die Bilateralen II regeln weitere wirtschaftliche Fragen, rechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie. Sein
aber auch die Zusammenarbeit in den Bereichen Asyl, wichtigstes Abkommen ist die Europäische Menschen-
Sicherheit, Umwelt und Kultur. Sie umfassen 9 Abkom- rechtskonvention. Menschenrechtsverletzungen können
men, u. a. das Schengen-Dublin-Abkommen: Das beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in
Schweizer Stimmvolk hat es 2005 mit 55 % angenommen. Strassburg eingeklagt werden.
Schengen ermöglicht u. a. die grenzüberschreitende
Mobilität und eine Zusammenarbeit von Justiz und Polizei. 47 Mitgliedstaaten
Sitz in Strassburg
Dublin ermöglicht u. a. eine Koordination der Asyl-
1949 gegründet, die Schweiz ist seit 1963 Mitglied
verfahren.
27 Mitgliedstaaten
Sitz in Brüssel
Seit 1951 (damals EGKS, EWG)
Internationales Genf
42 internationale Organisatio- Neutralität
nen und 420 Nichtregierungs-
organisationen (NGO) haben
Die Schweiz ist ein neutraler Staat: Sie darf sich
ihren Sitz in Genf. Mehr als nicht an bewaffneten Konflikten beteiligen und
32 000 internationale Funktio- keine militärischen Bündnisse eingehen. Die Neu
näre arbeiten dort. Fast stän-
tralität der Schweiz ist weltweit anerkannt. Bei
dig finden internationale
Konferenzen und Treffen statt. Konflikten wird die Schweiz deshalb immer wieder
als Vermittlerin oder Schutzmacht eingesetzt.
14Die Schweiz ist ein neutraler Staat und weltweit vernetzt:
Mit der Europäischen Union EU ist sie verbunden durch bilaterale
Abkommen. Bei den Vereinten Nationen UNO und anderen
Abkommen und Mitgliedschaften
internationalen Organisationen ist sie Mitglied. In Genf treffen sich
Expertinnen und Politiker aus dem In- und Ausland zur inter
nationalen Zusammenarbeit.
Welt
Schweiz
Mitgliedschaften
Vereinte Nationen UNO WTO
Der UNO gehören 193 Staaten der Welt an. Sie setzt sich Die Welthandelsorganisation regelt und fördert die welt-
ein für Frieden und internationale Sicherheit, für die weiten Handelsbeziehungen. Ziel der WTO-Abkommen ist
weltweite Zusammenarbeit bei der Lösung internationaler ein funktionierender, transparenter und diskriminierungs-
Probleme und die Achtung der Menschenrechte. Die freier Handel. Die WTO-Mitglieder verpflichteten sich zur
Grundsätze der UNO sind festgehalten in der Charta der Einhaltung bestimmter Grundregeln bei der Ausgestal-
Vereinten Nationen. Die Schweiz ist seit 2002 Mitglied tung ihrer Handelsbeziehungen.
der UNO: In einer Volksabstimmung wurde der Beitritt mit
55 % angenommen. 164 Mitgliedstaaten
Sitz in Genf
1995 gegründet, u. a. von der Schweiz
193 Mitgliedstaaten
Hauptsitz in New York, europäische Sitze in Genf und Wien
1945 gegründet, die Schweiz ist seit 2002 Mitglied OECD
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
OSZE Entwicklung dient dem Austausch von Wissen in den
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit verschiedensten Bereichen. Ihr Ziel ist die Förderung von
in Europa ist mit ihren Teilnehmerstaaten in Nordamerika, Wohlstand, Lebensqualität und Chancengleichheit.
Europa und Asien die weltweit grösste regionale Sicher- Die OECD erarbeitet internationale Standards und veröf-
heitsorganisation. Als politisches Dialogforum behandelt fentlicht regelmässig internationale Statistiken und
sie ein breites Spektrum von Sicherheitsfragen, zur För Studien, u. a. die PISA-Studien.
derung des Friedens und zur Lösung von Konflikten. Sie
vermittelt zwischen Konfliktparteien und unterstützt die 38 Mitgliedstaaten
Sitz in Paris
Demokratisierung und Medienfreiheit.
1961 gegründet, u. a. von der Schweiz
57 Teilnehmerstaaten
Sitz in Wien
1975 gegründet, u. a. von der Schweiz
Partnerschaft
UNESCO
Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, NATO Partnerschaft für den Frieden
Wissenschaft und Kultur, auch tätig im Bereich Kommuni- Die Schweiz ist nicht Mitglied der NATO, arbeitet aber mit
kation, ist ein Forum für internationale Zusammenarbeit ihr zusammen im Rahmen der Partnerschaft für den
und die Entwicklung globaler Standards. Ihr Ziel ist es, die Frieden und des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrats.
Solidarität der Menschen untereinander zu fördern und Die NATO ist ein politisches und militärisches Verteidi-
damit zu Frieden, Sicherheit und nachhaltiger Entwicklung gungsbündnis von 30 europäischen und nordamerikani-
beizutragen. schen Staaten. Gemeinsam mit Partnerländern setzt
sie sich ein für Sicherheit und Frieden.
193 Mitgliedstaaten
Sitz in Paris 30 Mitgliedstaaten
1945 gegründet, die Schweiz ist seit 1949 Mitglied Sitz in Brüssel
1949 gegründet
15Direkte Demokratie
Wer volljährig ist, darf auch wählen und abstim- 1991 wurde das Stimmrechtsalter von 20 auf 18
men. Viele Gemeinden laden ihre 18-jährigen Jahre gesenkt: An einer Volksabstimmung
Bürgerinnen und Bürger deshalb zu einer «Jung- war der entsprechende Verfassungsartikel mit
bürgerfeier» oder «Volljährigkeitsfeier» ein. 73 % Ja-Stimmen angenommen worden.
1617
Direkte
Demokratie
In kaum einem anderen Land hat das Volk so viele Mitbestimmungs-
rechte wie in der Schweiz. Drei- bis viermal pro Jahr finden
Volksabstimmungen statt. Alle vier Jahre werden Parlamentswahlen
durchgeführt. Die Gewaltenteilung sorgt dafür, dass sich die
Macht nicht bei einer Person oder einer Partei konzentriert: Sie ist
ein Grundprinzip der Demokratie.
Demokratie
Beteiligung an Abstimmungen und Wahlen
Bei den eidgenössischen Abstimmungen geben jeweils
etwa 46 % der Stimmberechtigten ihre Stimme ab.
Je nach Thema der Abstimmungsvorlage ist die Stimm-
beteiligung höher oder tiefer. Bei den Wahlen sieht
es ähnlich aus: Knapp jede zweite Schweizerin und jeder
zweite Schweizer nimmt an den eidgenössischen
Wahlen teil.
Abgabe des Stimm- und Wahlzettels
Die Stimm- und Wahlberechtigten haben mehrere Mög-
lichkeiten, um abzustimmen und zu wählen:
• Brieflich: Stimm-/Wahlzettel im amtlichen Kuvert
per Post schicken oder in den Briefkasten der Wohn-
gemeinde werfen.
• An der Urne: Die Stimm-/Wahlzettel können im
Stimm-/Wahllokal der Wohngemeinde in die Urne
gelegt werden.
E-Voting Landsgemeinden
Bund und Kantone sammeln In den Kantonen Glarus und
seit mehr als 15 Jahren Erfah- Appenzell Innerrhoden ver-
rungen mit E-Voting. Derzeit sammeln sich einmal pro Jahr
wird E-Voting nicht angeboten. einige Tausend Stimmbe
Für die nächste Versuchs rechtigte unter freiem Himmel
phase werden die Grundlagen zur Landsgemeinde: Sie ent
überarbeitet, damit ein sta scheiden über Wahlen und
biler Betrieb mit vollständig Sachgeschäfte ihres Kantons.
verifizierbaren Systemen Die Landsgemeinde ist eine
etabliert werden kann. Urform der schweizerischen
www.ch.ch/demokratie Demokratie.
18Gewaltenteilung Stimm- und Wahlrecht
Die Macht ist auf die drei Staatsgewalten Legislative Schweizerinnen und Schweizer, die mindestens 18-jährig
(Parlament), Exekutive (Bundesrat) und Judikative sind, dürfen wählen und abstimmen. Und sie dürfen für
(Gerichte) verteilt. ein politisches Amt kandidieren. Rund 5,5 Millionen Per-
sonen sind stimm- und wahlberechtigt.
e
Ex
iv
ek
at
isl
uti
Leg
ve
Macht
Judikative
Demokratie
Volksabstimmungen Parteienvielfalt
Schweizerinnen und Schweizer sind Weltmeister im Die Parteienlandschaft der Schweiz besteht aus vielen
Abstimmen: Über jede Verfassungsänderung wird abge- Parteien, von denen auf Bundesebene keine die Mehrheit
stimmt. Mit Initiativen und Referenden können Stimm hat – weder im Parlament noch im Bundesrat.
berechtige verlangen, dass über ein politisches Thema
abgestimmt wird.
FDP EVP
GLP
Grüne SP
Die Mitte
übrige
SVP
19Gewaltenteilung
Das Schweizer Volk
Gewaltenteilung
Das Schweizer Volk
wählt das Parlament
(Legislative):
die 200 Mitglieder des Natio-
nalrats und die 46 Mitglieder
des Ständerats.
Demokratie
Nationalrat
= 10 000 Menschen
Ständerat
Legislative
Das Parlament
Gesetze beschliessen
Das Parlament entscheidet über Gesetze und hat die
Oberaufsicht über den Bundesrat und die Bundesverwal
tung sowie über die eidgenössischen Gerichte und die
Bundesanwaltschaft. Es besteht aus zwei Kammern: Der
Nationalrat repräsentiert die Bevölkerung, der Ständerat
vertritt die 26 Kantone. Die beiden Räte sind gleichberech
tigt. Zusammen bilden sie die Vereinigte Bundesver
sammlung (➝ S. 30ff.).
20Gewaltenteilung verhindert die Konzentration von Macht bei einzel-
nen Personen oder Institutionen. Sie ist ein Grundprinzip der
Demokratie: Die Macht ist auf die drei Staatsgewalten Legislative,
Exekutive und Judikative verteilt. Eine Person darf gleichzeitig
nur einer der drei Staatsgewalten angehören.
Gewaltenteilung
Das Parlament wählt zudem
den Bundesanwalt: Er leitet die
Das Parlament wählt Das Parlament wählt Bundesanwaltschaft. Diese
die Regierung (Exekutive): die Gerichte (Judikative): verfolgt Delikte im Zusammen-
die sieben Mitglieder die Bundesgerichtspräsidentin hang mit Sprengstoff und
des Bundesrats und sowie die Richterinnen und Spionage sowie Amtsdelikte
die Bundeskanzlerin oder Richter der vier Gerichte auf von Bundesangestellten.
den Bundeskanzler. Bundesebene. www.bundesanwaltschaft.ch
Demokratie
UVEK
EJPD
WBF
EDA
VBS
EFD
EDI
Exekutive Judikative
Die Regierung Die Gerichte
Gesetze umsetzen Recht sprechen
Der Bundesrat ist die Regierung der Schweiz: Er bereitet Es gibt vier eidgenössische Gerichte. Oberstes Gericht ist
Gesetze vor und sorgt dafür, dass die Entscheide das Bundesgericht: Es prüft die Urteile der anderen
des Parlaments umgesetzt werden. Er besteht aus sieben Gerichte und urteilt meistens in letzter Instanz, also end
gleichberechtigten Mitgliedern; sie entscheiden gemein gültig. Das Bundesstrafgericht, das Bundesverwaltungs
sam. Jede Bundesrätin und jeder Bundesrat steht einem gericht und das Bundespatentgericht sind die erst
Departement vor. Zusammen mit der Bundeskanzlei instanzlichen Gerichte des Bundes. Die meisten ihrer
bilden die sieben Departemente die Bundesverwaltung Entscheide können an das Bundesgericht weitergezogen
(➝ S. 48ff.). werden (➝ 74ff.).
21Abstimmungen
Bis zu viermal pro Jahr entscheiden die Stimmberechtigten über
politische Sachfragen. Abgestimmt wird über Volksinitiativen
und gewisse Beschlüsse des Parlaments. Meistens geht es dabei
um Verfassungs- oder Gesetzesänderungen.
Die Verfassung ändern Ein Gesetz stoppen
Abstimmungen
Über jede Änderung der Verfassung wird in der Schweiz Gegen Gesetze oder gewisse Staatsverträge, die das
abgestimmt (obligatorisches Referendum): Egal, ob die Parlament beschlossen hat, können die Stimmberechtig
Änderung vom Parlament beschlossen wurde oder von ten ein Referendum ergreifen (fakultatives Referen-
einer Volksinitiative gefordert wird. dum).
Der neue Verfassungsartikel tritt nur in Kraft, wenn die Kommt ein Referendum zustande, wird über das betref
Mehrheit der Stimmenden (Volksmehr) und der Kantone fende Gesetz bzw. über den Vertrag abgestimmt. Das
Demokratie
(Ständemehr) dafür ist (doppeltes Mehr). Gesetz oder der Staatsvertrag ist angenommen, wenn die
Auch über den Beitritt der Schweiz zu einer Organisation Mehrheit der Stimmenden Ja dazu sagt (einfaches
für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemein Mehr).
schaften (z. B. UNO, EU) findet «obligatorisch» eine
Volksabstimmung statt. Nur bei einem doppelten Mehr Abstimmungstermine 2022 Informationen
von Volk und Ständen tritt die Schweiz bei. 2022 sind folgende Sonntage • Abstimmungserläute
für Abstimmungen reserviert: rungen, die den Stimm
berechtigten nach
An eidgenössischen Abstimmungen teilnehmen dürfen 13. Februar, 15. Mai, Hause geschickt werden
Schweizerinnen und Schweizer, die mindestens 18 Jahre 25. September • App «VoteInfo»
und 27. November • www.admin.ch
alt sind: Sie sind stimmberechtigt.
• www.ch.ch/demokratie
• Erklärvideos
Instrumente der direkten Demokratie
Volksinitiative Fakultatives Referendum
Stimmbürgerinnen und Stimmbürger können eine Volks Stimmberechtigte können mit einem Referendum ver
initiative unterzeichnen oder selber lancieren und damit langen, dass über bestimmte Entscheide des Parlaments
eine Änderung der Verfassung verlangen. 100 000 gültige abgestimmt wird (z. B. über ein neues Gesetz). Damit
Unterschriften braucht es, damit eine Volksinitiative das Referendum zustande kommt, sind 50 000 gültige
zustande kommt. Diese müssen innerhalb von 18 Monaten Unterschriften nötig. Innerhalb von 100 Tagen müssen
gesammelt werden. diese gesammelt werden. Eine Abstimmung findet auch
statt, wenn acht Kantone diese verlangen (sog. Kan
Volksinitiativen gibt es auf Am 31.12.2021 waren 10 Initia- tonsreferendum).
Bundesebene seit 1891. tiven im Sammelstadium,
226 kamen seither zur Ab- 8 beim Bundesrat oder Parla-
1874 wurde das fakultative Am 31.12.2021 lief für 38
stimmung, 24 wurden ange- ment hängig und 2 waren
Referendum eingeführt. Bundesgesetze und
nommen. abstimmungsreif.
203 kamen seither zustande, -beschlüsse die Referen-
84 Vorlagen wurden damit dumsfrist. Gegen 5 Vorlagen
vom Volk gestoppt. wurden Unterschriften
gesammelt.
YouTube – App «VoteInfo»: Informationen
Videos zu den zu eidgenössischen und
Abstimmungsvorlagen kantonalen Abstimmungen
22Politisch mitbestimmende Personen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung
Abstimmungen
2021
7. März
8 700 000 Volksinitiative «Ja zum Verhül-
lungsverbot»
Ja 51,2 %
wohnen in der Schweiz Bundesgesetz über elektro
nische Identifizierungsdienste
(E-ID-Gesetz)
Nein 64,4 %
5 500 000 Wirtschaftspartnerschafts
abkommen mit Indonesien
Ja 51,7 %
sind stimmberechtigt (sind mind.18-jährig und haben den Schweizer Pass)
13. Juni
Volksinitiative «Für sauberes
Trinkwasser und gesunde
Abstimmungen
Nahrung»
2 2500
500000
000 Nein 60,7 %
Volksinitiative «Für eine
Schweiz ohne synthetische
nehmen durchschnittlich an Abstimmungen teil (rund 46 % der Stimmberechtigten) Pestizide»
Nein 60,6 %
Bundesgesetz über die
Demokratie
gesetzlichen Grundlagen für
100 000 Verordnungen des Bundes-
rats zur Covid-19-Epidemie
(Covid-19-Gesetz)
Ja 60,2 %
lösen mit einer Initiative eine Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung aus
Bundesgesetz über die Ver-
minderung von Treibhausgas-
emissionen (CO 2-Gesetz)
50 000 Nein 51,6 %
Bundesgesetz über polizei-
liche Massnahmen zur
Bekämpfung von Terrorismus
lösen mit einem Referendum eine Volksabstimmung über ein neues Gesetz aus
Ja 56,6 %
26. September
Volksinitiative «Löhne entlas-
ten, Kapital gerecht besteu-
ern» (99 %-Initiative)
Nein 64,9 %
Wirkung von Initiativen und Referenden
Änderung Schweizerisches
Auch wenn die meisten Initiativen nicht angenommen und Zivilgesetzbuch (Ehe für alle)
nur die wenigsten Gesetze durch ein Referendum ge Ja 64,1 %
stoppt werden: Sie haben trotzdem eine grosse Wirkung:
28. November
• Sie führen zu öffentlichen Diskussionen über ein be Volksinitiative «Für eine starke
stimmtes Thema. Pflege»
Ja 61 %
• Sie beeinflussen die Gesetzgebung – die Anliegen Volksinitiative «Bestimmung
referendumsfähiger Gruppen werden beim Erarbeiten der Bundesrichterinnen
neuer Gesetze berücksichtigt (➝ S. 42/43). und Bundesrichter im Los
verfahren» (Justiz-Initiative)
Nein 68,1 %
• Manchmal machen Bundesrat und Parlament zu einer
Initiative einen Gegenvorschlag, der das Anliegen der Änderung des Bundesgeset-
Initiative aufgreift. zes über die gesetzlichen
Grundlagen für Verordnungen
des Bundesrats zur Covid-
19-Epidemie
(Covid-19-Gesetz)
Ja 62 %
23Wahlen
Alle vier Jahre finden Wahlen ins eidgenössische Parlament statt.
Die Wahlberechtigten können jene 246 Parlamentarierinnen und
Parlamentarier wählen, die ihre Ansichten am besten vertreten. Zur
Auswahl stehen jeweils zahlreiche Kandidatinnen und Kandidaten
von ganz unterschiedlichen Parteien.
Nationalratswahlen Ständeratswahlen
Nationalratswahlen sind eidgenössische Wahlen. Die Bei den Ständeratswahlen gilt das kantonale Recht:
Wahlen
Regeln des Bundesgesetzes über die politischen Rechte Jeder Kanton bestimmt selber über die Wahlberechtigung,
gelten in allen Kantonen. den Termin der Wahlen, das Wahlverfahren und die Re
geln zum Ausfüllen der Wahlzettel. Folgendes ist in allen
Aktives und passives Wahlrecht 26 Kantonen gleich: Ständeratswahlen finden alle vier
Wahlberechtigt sind Schweizerinnen und Schweizer, Jahre statt und man muss mindestens 18 Jahre alt sein und
Demokratie
die mindestens 18-jährig sind: Sie können einerseits die das Schweizer Bürgerrecht haben, um für den Ständerat
Mitglieder des Nationalrats wählen (aktives Wahlrecht) zu kandidieren.
und andererseits selbst für den Nationalrat kandidieren
(passives Wahlrecht). Mehrheitswahlen
Ständeratswahlen sind in fast allen Kantonen Mehrheits
Verhältniswahlen wahlen (Majorz): Gewählt ist, wer am meisten Stimmen
Nationalratswahlen sind in den meisten Kantonen Ver erhält.
hältniswahlen (Proporz): Die Sitze werden im Verhältnis zu
den erzielten Stimmen auf die Parteien (Listen) verteilt. • Absolutes Mehr: Gewählt ist, wer mindestens die
Hälfte aller Stimmen plus eine Stimme erhält.
Wahlanleitung
Wie man die amtlichen Wahlzettel in Kantonen mit • Relatives Mehr: Gewählt ist, wer die höchste Stimmen
mehr als einem Nationalratssitz korrekt ausfüllt und abgibt, zahl im Vergleich mit den anderen Kandidatinnen und
erklärt die Wahlanleitung, welche jeweils an die Stimm- Kandidaten erhält.
berechtigten verschickt wird und online zur Verfügung
steht. Beispiele für kantonale Unterschiede
Im Kanton Glarus können bei den Ständeratswahlen
Termine schon 16- und 17-jährige Schweizerinnen und Schweizer
Die letzten eidgenössischen mitbestimmen. Über 65-Jährige dürfen nicht Mitglieder
Wahlen fanden am 20. Ok
tober 2019 statt. Die nächsten
des Ständerats sein. In Appenzell Innerrhoden wählen die
Wahlen für den Nationalrat Stimmberechtigen ihr Ständeratsmitglied an einer Ver
und (in den meisten Kantonen) sammlung unter freiem Himmel («Landsgemeinde»), jeweils
für den Ständerat werden
im April vor den Nationalratswahlen. In den Kantonen
durchgeführt am
22. Oktober 2023 Jura und Neuenburg wird das Proporzverfahren, in den
anderen Kantonen das Majorzverfahren angewandt.
Auslandschweizerinnen und -schweizer sind nicht in allen
Kantonen stimmberechtigt.
www.ch.ch – www.ch.ch –
Stimm- und Wahl- YouTube – Wahlanleitung Abstimmungen
recht Wie wählen? Nationalratswahlen und Wahlen
24Parteien von links bis rechts
Bei den Wahlen ins eidgenössische Parlament stehen
jeweils mehrere und unterschiedliche Parteien zur Auswahl.
Sie unterscheiden sich voneinander durch ihre Auffas
sungen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft.
Linke Parteien (SP, Grüne) befürworten einen ausgebau
ten Sozialstaat, Parteien rechts der Mitte (FDP, SVP) setzen
vor allem auf eine liberale Wirtschaftspolitik und auf die
Wahlen sind entscheidend
Verantwortung jedes Einzelnen. Neben der Links-rechts-
Auch in der Schweiz werden die meisten Sach-
Frage gibt es die Umweltfrage, die Frage der Öffnung
fragen durch das Parlament oder die Regierung
der Schweiz gegenüber Europa und internationalen Orga
entschieden. Zwischen den Wahlen 2015 und 2019
nisationen und die Frage der liberalen Werte (z. B. gleich
konnten die Stimmberechtigten über 33 Vorlagen
geschlechtliche Partnerschaft). Mitteparteien (Die Mitte,
abstimmen. In derselben Zeit hat das Parlament
vorher CVP) arbeiten je nach Thema mit linken oder mit
464 Erlasse verabschiedet, u. a. 134 Bundesgesetze
rechten Parteien zusammen.
und 94 Bundesbeschlüsse. Ausserdem wählte es
die Regierung, die Mitglieder der eidgenössischen
Parteien tragen zur politischen Meinungsbildung bei, stel
Gerichte sowie den Bundesanwalt.
len Kandidierende für öffentliche Ämter und ergreifen
Wahlen
Initiativen oder Referenden. Bei Abstimmungen geben
sie Empfehlungen ab zu den Abstimmungsvorlagen.
Was heisst «links»? Was heisst «rechts»?
• Ein starker Sozialstaat, der • Freiheit und Selbstverant-
die sozialen Unterschiede wortung, Staat greift nur zur
Demokratie
ausgleicht Not ein
• Interessen der Arbeit • Interessen der Arbeitgeber
nehmerinnen und Arbeit- im Vordergrund
nehmer im Vordergrund • Freies Unternehmertum,
• Preiskontrollen, Service ökonomische Anreize
public • Starke Landesverteidigung
• Mehr Friedenspolitik,
weniger Armee
Parteistärken (Wähleranteile Nationalratswahlen 2019)
32 %
28 %
24 %
20 %
16 %
12 %
8%
4%
0%
1991 1995 1999 2003 2007 2011 2015 2019
FDP kleine Mitteparteien kleine linke und kleine Rechtsparteien
CVP (LDU, EVP, CSP) grün-alternative Parteien (Lega, MCR, EDU usw.)
(PdA, EàG usw.)
SP GLP
SVP BDP Grüne übrige
25Parteien im Bundesrat
und im Parlament
Parteien im Bundesrat und im Parlament
Die Parteienlandschaft der Schweiz besteht aus vielen Parteien, von
denen auf Bundesebene keine die Mehrheit hat. In der Legislatur
2019 – 2023 setzt sich der Nationalrat aus über 10 Parteien zusammen.
5 davon sind auch im Ständerat vertreten, 4 im Bundesrat.
Bei den Nationalratswahlen 2019 konnten die beiden Im Parlament haben sich
die gleichgesinnten Parteien
ökologischen Parteien am meisten zulegen: Die Grünen
zu Fraktionen zusammen
gewannen 17 Sitze dazu, die Grünliberalen 9 Sitze. geschlossen (➝ S. 36).
Grosse Verliererin war die SVP: Sie verlor 12 Sitze, bleibt
aber in der Volkskammer die stärkste Partei. Auch die
anderen Bundesratsparteien büssten Sitze ein: Die SP und
die FDP verloren je 4 Sitze, die CVP musste 2 Sitze ab
Demokratie
geben.
SVP – SP – FDP – Die Mitte**
Schweizerische Sozialdemokratische FDP.Die Liberalen
Volkspartei Partei
Parteipräsident Co-Präsidium Parteipräsident Parteipräsident
Marco Chiesa Mattea Meyer Thierry Burkart Gerhard Pfister
Cédric Wermuth
Wähleranteil * 25,6 % Wähleranteil * 16,8 % Wähleranteil * 15,1 % Wähleranteil * 13,8 %**
Bundesrat 2 Bundesrat 2 Bundesrat 2 Bundesrat 1
Nationalrat 53 Nationalrat 39 Nationalrat 29 Nationalrat 28**
Ständerat 6 Ständerat 9 Ständerat 12 Ständerat 13
www.svp.ch www.sp.ch www.fdp.ch www.die-mitte.ch
* Wähleranteil bei den Nationalratswahlen 2019 («Parteistärke» ➝ S. 25)
26Grüne – GLP – EVP – EDU – Eidgenössisch-
Grüne Partei der Grünliberale Partei Evangelische Demokratische Union
Schweiz Schweiz Volkspartei
Parteien im Bundesrat und im Parlament
Parteipräsident Parteipräsident Parteipräsidentin Parteipräsident
Balthasar Glättli Jürg Grossen Lilian Studer Daniel Frischknecht
Wähleranteil * 13,2 % Wähleranteil * 7,8 % Wähleranteil * 2,1 % Wähleranteil * 1,0 %
Bundesrat 0 Bundesrat 0 Bundesrat 0 Bundesrat 0
Nationalrat 28 Nationalrat 16 Nationalrat 3 Nationalrat 1
Ständerat 5 Ständerat 0 Ständerat 0 Ständerat 0
Demokratie
www.gruene.ch www.gruenliberale.ch www.evppev.ch www.edu-schweiz.ch
I
LE
G
ES
A
DEI TICIN
LdT – PdA – EàG –
Lega dei Ticinesi Partei der Arbeit Ensemble à Gauche
** Seit der Fusion der CVP mit der
BDP heisst die Partei «Die Mitte»
(ab 1.1.2021).
Parteipräsident/in Parteipräsident Parteipräsident
vakant Gavriel Pinson Pierre Vanek Die beiden Parteien erzielten
bei den Nationalratswahlen 2019
folgende Resultate:
Wähleranteile
Wähleranteil * 0,8 % Wähleranteil * 0,8 % Wähleranteil * 0,3 % CVP 11,4 %
BDP 2,4 %
Nationalratssitze
CVP 25
BDP 3
Bundesrat 0 Bundesrat 0 Bundesrat 0
Nationalrat 1 Nationalrat 1 Nationalrat 1
Ständerat 0 Ständerat 0 Ständerat 0
www.lega-dei-ticinesi.ch www.pda.ch www.eag-ge.ch
Ein Mitglied des Ständerats gehört keiner Partei an. Deshalb ergibt die Summe beim Ständerat 45 statt 46 Mitglieder.
27Legislative Das Parlament Nach engagierter Debatte überreichten sie ihre 1200 Frauen aus der ganzen Schweiz hatten sich Forderungen dem Parlament und dem Bundes- darum beworben, an der Frauensession 2021 rat. Die Frauensession fand anlässlich der teilzunehmen. 246 durften am 29. und 30. Oktober Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts im Nationalratssaal Platz nehmen. vor 50 Jahren statt.
Legislative
Das Parlament
Das Parlament beschliesst Gesetze und wählt die Mitglieder der
Regierung und der eidgenössischen Gerichte. Es entscheidet
über den Staatshaushalt und übt die Oberaufsicht über die Bundes
verwaltung aus. Das Parlament wird vom Volk gewählt. Es besteht
aus zwei Kammern: dem Nationalrat und dem Ständerat. Der
Nationalrat vertritt die Bevölkerung der Schweiz, der Ständerat
repräsentiert die 26 Kantone. Beide Räte sind gleichberechtigt und
haben die gleichen Aufgaben. Zusammen bilden sie die Vereinigte
Bundesversammlung.
www.parlament.ch
Legislative
Parlament
Der Ort der Schweizer Politik
Das Schweizer Parlament tagt in Bern im Parlaments
gebäude. Dieses wurde von 1894 bis 1902 nach den
Plänen des Architekten Hans Wilhelm Auer erbaut und am
1. April 1902 von der Vereinigten Bundesversammlung
feierlich eingeweiht.
Der Architekt verfolgte das Ziel, ein nationales Baudenk
mal zu schaffen. Die verwendeten Materialien stammen zu
95 Prozent aus der Schweiz, 173 Schweizer Firmen
erhielten Aufträge und 38 Schweizer Kunstschaffende
durften sich mit ihren Werken im Parlamentsgebäude
verewigen. Selbstverständlich berücksichtigte Auer bei
der Vergabe der Aufträge auch alle Kantone.
Das ganze Gebäude soll daran erinnern, dass die Schweiz
eine Willensnation ist, zu der sich verschiedene Kulturen,
verschiedene Sprachgebiete und verschiedene geografi
YouTube – sche Gegenden aus eigenem Willen zusammengefunden
Erklär mir das Parlament haben, um eine politische, nationale Einheit zu bilden.
30Mitglieder im National- Stärke der Fraktionen
und Ständerat im Parlament
Mitte-Fraktion
GLP
FDP-Liberale
31
SP
SVP
Grüne
200 Nationalrätinnen und Nationalräte Nationalrat
Mitte-Fraktion
FDP-Liberale
SP 13
SVP
Grüne
46 Ständerätinnen und Ständeräte Ständerat
Legislative
Altersverteilung in der Frauen und Männer
Parlament
Schweizer Bevölkerung und im Parlament
im Parlament
1972 1988 2004 2022
70+
60 – 69
50 – 59
40 – 49
30 – 39
18 – 29
SR NR SR NR SR NR SR NR
Frauen Männer
31Aufgaben des Parlaments
Das Parlament ist zuständig für die Gesetzgebung, die Festlegung
des Budgets, die Wahl der Mitglieder der obersten Bundesbehörden
sowie für die Oberaufsicht über den Bundesrat, die Bundesver
waltung und die eidgenössischen Gerichte.
Aufgaben des Parlaments
Gesetzgebung Wahl von Bundesbehörden
Das Parlament erlässt rechtsetzende Bestimmungen in Für Wahlen treten National- und Ständerat zur Vereinigten
Form von Bundesgesetzen oder Verordnungen. Änderun Bundesversammlung zusammen. Diese wählt die
gen der Bundesverfassung muss es Volk und Ständen Regierung, besetzt die eidgenössischen Gerichte und
zur Abstimmung vorlegen. bestimmt im Kriegsfall einen General oder eine Generalin.
In der Wintersession bestellt sie jeweils für ein Jahr
Parlament
Die Bundesverfassung Verordnungen das Bundespräsidium: Ein Mitglied des Bundesrats wird
bildet die rechtliche Grundord ergänzen die Gesetze. Die Bundespräsident oder -präsidentin, ein zweites Vize.
nung der Schweizerischen meisten Verordnungen werden
Eidgenossenschaft. Was in der vom Bundesrat und den
Die Vereinigte Bundesversammlung wählt auch den Stabs-
Verfassung steht, entschei Departementen erlassen. Sie chef des Bundesrats, den Bundeskanzler und den
den das Volk und die Kantone. entstehen ohne Mitwirkung Bundesanwalt oder die Bundesanwältin.
Das Parlament kann Ände des Parlaments. Bei wichtigen
rungen der Bundesverfassung Verordnungen kann die zu
ausarbeiten, muss sie aber ständige parlamentarische Bundesratswahlen 2019
Volk und Ständen zur Abstim Kommission verlangen, ihr den Bei den letzten Bundesratswahlen im Dezember 2019 hat
mung unterbreiten (➝ obliga Entwurf zur Konsultation zu das Parlament – als Vereinigte Bundesversammlung – alle
torisches Referendum, S. 22). unt erbreiten. Verordnungen
Mitglieder des Bundesrats wiedergewählt. Weil die
Mit einer Volksinitiative kann unterstehen nicht dem Refe
das Volk eine Änderung der rendum. Grünen bei den Parlamentswahlen im Oktober 2019 erst
Verfassung verlangen (➝ S. 22). mals eine Wählerstärke von über 10 % erreicht hatten,
stellten sie eine eigene Kandidatin auf: Die Grünen traten
Bundesgesetze
konkretisieren die Verfas
gegen die FDP an. FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter
sung. Sie werden vom Parla und FDP-Bundesrat Ignazio Cassis konnten ihren Bundes
ment erlassen, unterstehen ratssitz aber verteidigen und wurden mit absolutem
aber dem fakultativen Referen Mehr gewählt. Der neue Bundesrat blieb also ganz der
dum (➝ S. 22): Verlangen
50 000 Stimmberechtigte oder
alte (➝ S. 50).
acht Kantone eine Abstim
mung, wird das Gesetz dem
Volk vorgelegt. Das Gesetz
tritt nur in Kraft, wenn es von
der Mehrheit der Abstim
menden angenommen wurde.
32In der 50. Legislatur
(2015 – 2019) hat das Parlament
464 Erlasse verabschiedet:
Der Fachbegriff für das Schweizer Parlament
ist «Bundesversammlung». So steht z. B. in 134 Bundesgesetze
Artikel 148 der Bundesverfassung: «Die Bundes
versammlung übt unter Vorbehalt der Rechte
von Volk und Ständen die oberste Gewalt
im Bund aus.»
94 Bundesbeschlüsse
Aufgaben des Parlaments
Budgetkontrolle 226 einfache
und Oberaufsicht Bundesbeschlüsse
Die Hoheit über die Bundesfinanzen liegt beim Parlament:
Es legt den Voranschlag für das nächste Jahr fest, nimmt
Kenntnis vom Finanzplan des Bundesrats und nimmt die
Staatsrechnung des Vorjahres ab. Über das Budget
Parlament
entscheidet das Parlament in der Wintersession. Das Ge
schäft geht in schnellem Wechsel von einer Kammer
zur anderen. Können National- und Ständerat sich bei einer
Position nicht einigen, so gilt der tiefere Betrag. Die
Oberaufsicht wird durch die Finanz- und durch die Ge
schäftsprüfungskommissionen sowie deren Delegationen
wahrgenommen. Sie überprüfen die Arbeit von Bundes
rat, Bundesverwaltung und Bundesgerichten.
Einnahmen und Ausgaben des Bundes ➝ S. 48/49
10 Verordnungen
Rechtsetzende Bestimmun
gen werden in Form von
Bundesgesetzen und Verord
nungen erlassen.
Die übrigen Erlasse sind
«Bundesbeschlüsse».
Nur gegen die wenigsten Bun
desgesetze wird das Refe
rendum ergriffen. Einfache
Bundesbeschlüsse und Verord
nungen können nicht mit
YouTube – Die Aufgaben einem Referendum gestoppt
der Bundesversammlung werden.
33Organisation des Parlaments
Das Schweizer Parlament besteht aus zwei Kammern: dem National-
rat und dem Ständerat. Der Nationalrat vertritt die Bevölkerung
der Schweiz. Der Ständerat repräsentiert die 26 Kantone. Die zwei
Räte sind einander gleichgestellt: Alle Geschäfte werden sowohl
vom Nationalrat als auch vom Ständerat behandelt. Ihre Beschlüsse
müssen übereinstimmen, damit sie in Kraft treten.
Organisation des Parlaments
Grosse Kammer: Nationalrat Kleine Kammer: Ständerat
Der Nationalrat vertritt die Bevölkerung der Schweiz. Er Der Ständerat hat 46 Mitglieder und vertritt die Kantone,
hat 200 Sitze. Je grösser ein Kanton bevölkerungsmässig auch «Stände» genannt. Zwanzig Kantone haben zwei
ist, desto mehr Sitze stehen ihm zu. Jeder Kanton hat Sitze, sechs Kantone je einen Sitz. Nur einen Sitz haben
Anspruch auf mindestens einen Sitz. Im Schnitt vertritt je jene sechs Kantone, die die Bundesverfassung bis
des Nationalratsmitglied rund 42 000 Einwohnerinnen 1999 als «Halbkantone» bezeichnete: Ob- und Nidwalden,
Parlament
und Einwohner. Der Nationalrat wird auch als «grosse Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden,
Kammer» oder als «Volkskammer» bezeichnet. Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Im Ständerat ist die
Bevölkerungsstärke eines Kantons nicht von Belang.
Nationalratspräsidentin 2022 Der einwohnermässig kleine Kanton Uri hat ebenso zwei
Der Nationalrat wird jedes Jahr von einem anderen Rats- Sitze wie der grosse Kanton Zürich. Dieses System
mitglied präsidiert. Nationalratspräsidentin 2022 ist schafft ein Gegengewicht zur Stimmkraft, die die bevölke
Irène Kälin (Grüne). Sie plant und leitet die Verhandlungen rungsreichen Kantone im Nationalrat haben. Der Stän
des Nationalrats, führt das Ratsbüro und vertritt den derat wird oft auch «kleine Kammer» oder «Kantonskam
Nationalrat nach aussen. mer» genannt.
Proporzwahlen Ständeratspräsident 2022
Nationalratswahlen finden alle vier Jahre statt, in den meis Der Ständerat wird jedes Jahr von einem anderen Rats
ten Kantonen nach dem Verhältniswahlrecht (Proporz). mitglied präsidiert. Ständeratspräsident 2022 ist Thomas
Proporzwahl bedeutet: Die Sitze eines Kantons werden Hefti (FDP.Die Liberalen). Er plant und leitet die Ver
entsprechend der Stimmenstärke auf die verschiedenen handlungen des Rats, führt das Ratsbüro und vertritt
Parteien verteilt. Auf diese Weise sind in der Volkskammer den Rat nach aussen.
auch kleinere politische Kräfte vertreten.
Majorzwahlen
Ständeratswahlen finden alle vier Jahre statt, in den
Termin Nationalratswahlen meisten Kantonen zeitgleich mit den Nationalratswahlen.
Die nächsten Wahlen finden Ständeratswahlen sind fast überall Majorzwahlen:
statt am 22. Oktober 2023.
Gewählt ist, wer am meisten Stimmen erhält. Die Kantone
entscheiden selbst, wann und wie sie ihre Vertretung
in den Ständerat bestimmen.
Termin Ständeratswahlen
Die nächsten Wahlen
YouTube – werden durchgeführt im
Die wichtigsten Organe April oder Oktober 2023.
der Bundesversammlung
34Nationalratspräsidentin
2022
Irène Kälin, Aargau
Grüne Partei der Schweiz
Warum sind Sie in die Politik eingestiegen?
Ich war immer ein politischer Mensch. Vor allem Ungerech-
tigkeiten bewegen mich seit jeher sehr. Dass ich in die
Politik eingestiegen bin, hat aber auch mit Zufall zu tun. Ich
war sicherlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Schliess-
lich ist man als Politikerin oder Politiker auch immer
abhängig von der eigenen Partei und der Frage, wie beliebt
diese bei den Wählerinnen und Wählern ist.
Welchen Schwerpunkt setzen Sie in Ihrem Präsidial
jahr?
Mein Schwerpunkt ist die Vereinbarkeit. Einerseits bezogen
Organisation des Parlaments
auf die klassische Vereinbarkeit zwischen Beruf, Familie
und Politik, die vom Parlament noch stärker gefördert wer-
den sollte. Daneben möchte ich mich auch für die Verein
barkeit verschiedener Meinungen im Parlament einsetzen.
Gerade in Krisenzeiten sind wir verpflichtet, uns zu Kom-
promissen zusammenzuraufen und der Bevölkerung
Vereinigte Bundesversammlung Lösungen zu präsentieren, die von dieser auch mitgetragen
werden.
Bei bestimmten Geschäften treten Nationalrat und Stände
rat als «Vereinigte Bundesversammlung» zusammen.
Die Vereinigte Bundesversammlung wählt die Mitglieder
der Regierung und der Bundesgerichte, den Bundes
kanzler und den Bundesanwalt. Ausserdem tritt sie zusam
Parlament
men, um Erklärungen des Bundesrats entgegenzu
nehmen und über Zuständigkeitskonflikte zu entscheiden.
Ständeratspräsident
2022
Thomas Hefti, Glarus
Sessionen
FDP.Die Liberalen
Im Frühling, Sommer, Herbst und Winter finden Sessionen
statt, die je drei Wochen dauern: In dieser Zeit treten Warum sind Sie in die Politik eingestiegen?
National- und Ständerat zusammen, um Geschäfte zu dis Das ist grösstenteils Familienerbe. Schon meine Urgrossväter
kutieren und zu beschliessen. Die beiden Kammern waren politisch sehr interessiert und engagiert. Auch die
tagen getrennt, aber unter demselben Dach: im Parla weiblichen Familienmitglieder haben jeweils am Familien-
mentsg ebäude in Bern. Zwischen den Sessionen finden tisch eifrig mitdiskutiert. Neben meinem familiären Umfeld
Büro-, Fraktions- und Kommissionssitzungen statt. hat mich die Landsgemeinde im Kanton Glarus stark
beeinflusst. Schon als junger Knabe war ich mitten im
Geschehen und sehr fasziniert davon.
Sessions-Termine 2022 Wahl Präsident/in des Natio
Frühlingssession: nalrats und des Ständerats:
28. Februar – 18. März 28. November Wie bringen Sie Beruf und Politik unter einen Hut?
Sommersession: Das war nicht immer ganz einfach. Ich bin Anwalt und Notar
30. Mai – 17. Juni Wahl Bundespräsident/in und habe eine eigene Praxis. Als ich in die Politik eingestie-
Herbstsession: und Vizepräsident/in
des Bundesrats:
gen bin, habe ich erkannt, dass ich einen Mittelweg zwi-
12. – 30. September
Wintersession: 7. Dezember schen politischer und beruflicher Tätigkeit finden muss. Da
28. November – 16. Dezember ich selbstständig bin, habe ich meine Mandate reduziert
Die Sitzungen sind öffentlich. und meiner Frau Arbeiten in der Kanzlei übergeben.
Sondersession (bei Bedarf): Die Debatten werden auf
9. – 13. Mai der Webseite des Parlaments
live übertragen und nach
rund einer Stunde als Wort
protokoll mit Video im
Amtlichen Bulletin publiziert:
www.parlament.ch
35Sie können auch lesen