Unver gängliche Augen blicke - Jahresmagazin 2020 - Badisches Landesmuseum
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Jahresmagazin 2020 Inhalt 1 Editorial Sonderausstellungen 2020 4 Kaiser und Sultan – Nachbarn in Europas Mitte 1600–1700 8 Humanimal – Das Tier und Wir 12 Die Perser – Am Hof der Großkönige 16 Räuber Hotzenplotz – Mitmachausstellung Museum der Zukunft 20 Audienz im Schloss – Eine Zeitreise ins Barock 22 Archäologie in Baden – Expothek¹ 28 Creative Collections 2.0 Blick hinter die Kulissen 30 Das künftige Publikum im Blick – Dr. Elke Kollar im Gespräch 32 Verborgene Schätze – Bilder einer Polarexpedition Unsere Museen 34 Picasso & Co – Berühmte Künstler*innen und ihre Keramiken 35 Schwarzwald-Geschichten in Schloss Neuenbürg 36 Erinnerungen an Bruchsal – Animationsfilm und Förderverein des Deutschen Musikautomaten-Museums Social Media 38 Museen und Instagram – Liebe auf den zweiten Blick Gemeinsam stark 40 Die Freunde des Badischen Landesmuseums Auf einen Blick 42 Veranstaltungshighlights 44 Von Karlsruhe bis Salem 46 Service und Impressum Impression Schloss © Bruno Kelzer Titelmotiv sowie S. 2/3: Das „Blaue Zelt“ aus Krakau, osmanisch, 1. Hälfte 17. Jh., Krakau Schloss am Wawel © ARTIS – Uli Deck Alle weiteren Copyrightnachweise sind im Impressum aufgeführt.
Dauerhaft im Schloss Karlsruhe Archäologie in Baden Expothek¹ 7. Februar 2020 – 29. November 2020 Keramikmuseum Staufen Picasso & Co Berühmte Künstler*innen und ihre Keramiken 21. Februar 2020 – 14. Februar 2021 Volontär*innenausstellung im Schloss Karlsruhe Humanimal Das Tier und Wir 19. Oktober 2019 – 19. April 2020 Schloss Karlsruhe Kaiser und Sultan Nachbarn in Europas Mitte 1600–1700 10. Oktober 2020 – 11. April 2021 Schloss Karlsruhe Die Perser Am Hof der Großkönige 24. Oktober 2020 – 25. April 2021 Schloss Karlsruhe Räuber Hotzenplotz Mitmachausstellung für Kinder und ihre Familien
Liebe Leser*innen — Das Badische Landesmuseum sieht sich gro- ßen Aufgaben gegenüber: Es geht um umfang- reich zu planende Bau- und Sanierungsmaß- nahmen, die schrittweise Neueinrichtung der Schausammlungen und den entschlossenen Aufbruch in die digitale Welt. Organisatorisch und finanziell stellt uns dies vor neue Heraus- forderungen. Hierfür haben wir ein Gesamt- konzept entwickelt, das die strategische und inhaltliche Ausrichtung des Hauses für ein Museum der Zukunft beschreibt. Unser neu entwickeltes Museumskonzept „Museums besucher*innen werden zu Nutzer*innen“ Das Badische Landesmuseum versteht sich bezieht alle Arbeitsbereiche des Museums mit als Teil der internationalen Gemeinschaft zur ein und hat Auswirkungen auf alle organisato- digitalen Verbreitung des kulturellen Erbes und rischen und finanziellen Belange. möchte auch die jungen und künftigen Genera- tionen erreichen. Der digitale Zugang zu allen Sichtbar ist das Konzept in unserer Sammlungs Sammlungsobjekten und die Schaffung einer ausstellung Archäologie in Baden. Fortan erhal- digitalen Community rund um das Museum ten Sie einen ganzjährig gültigen Nutzerausweis mit den Besucher*innen ist dabei das Ziel. Mit als „Eintrittskarte“. Mit ihm können Sie die Ab- Projekten, die vom Ministerium für Wissen- teilungen des Hauses besuchen, Objekte von schaft, Forschung und Kunst Baden-Württem- zuhause digital einsehen und einige sogar in berg unterstützt werden, wie Creative Collec die Expothek zur Vorlage bestellen. Sich eine tions und museum x, lassen wir Bürger*innen 4.000 Jahre alte Dolchklinge persönlich vorlegen an diesen Prozessen teilhaben und öffnen das zu lassen und sogar anfassen zu können, ist ein Haus zum partizipativen Umgang mit den in der Museumslandschaft einzigartiges Erleb- Sammlungen und dem Museum als Ganzes. nis. In der Archäologie in Baden wird erprobt und evaluiert, wie nach einer Neueinrichtung Besuchen Sie uns im Jahr 2020 und überzeugen digitale Formate im Museum umgesetzt und Sie sich von unseren neu geschaffenen Forma- von den Nutzer*innen angenommen werden. ten. Dabei erleben Sie im Schloss auch unsere Die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Er- Sonderausstellungen. Die Große Landes gebnisse fließen in unsere künftigen Planungen ausstellung Kaiser und Sultan – Nachbarn in mit ein. Europas Mitte 1600–1700 läuft noch bis April. Im Oktober eröffnen wir dann gleich zwei Wie stellen wir uns das Museum der Zukunft Präsentationen: die Sonderausstellung über vor? Und wie vermitteln wir das kulturelle Die Perser – Am Hof der Großkönige und die Erbe? Diese Fragen führen unweigerlich auch Mitmachausstellung für Kinder und Familien zu den Themen Digitaler Wandel und Partizi Räuber Hotzenplotz. pation. Digitalisierung durchdringt alle Lebens- bereiche. Mittlerweile ist eine ganze Generat ion Begleiten Sie uns auf unserem Weg und seien herangewachsen, die sich als digital natives in Sie unser Gast! ihrer eigenen digitalen Welt eingerichtet haben – teilen, bewerten, mitgestalten, zusammen Prof. Dr. Eckart Köhne, Direktor arbeiten und individualisieren. Susanne Schulenburg, Kaufmännische Direktorin Editorial 1
Eisernes Wechselvisier zum Huszarischen Turnier vom Hofe Erzherzogs Ferdinands II. Prag, um 1557, Kunsthistorisches Museum Wien
Kaiser und Sultan Große Landesausstellung Zu seinem 100-jährigen Jubiläum widmet das Badische Landesmuseum der sogenannten Karlsruher Türkenbeute eine Sonderausstellung unter einer neuen, hochaktuellen Fragestellung. Dieser liegen die jüngsten Forschungsergebnisse zur Entangled History zugrunde, die von einer miteinander verflochtenen gemeinsamen Geschichte der Welt ausgeht. Schloss Karlsruhe Asien nach Europa. Neben Kriegern nutzten Kaufleute, Handwerker, Reisende, Gesandte sowie Flüchtlinge und Migranten die vorhande- 19. Oktober 2019 — nen Wege. Multikulturellen und vielsprachigen Menschen kam eine wichtige Aufgabe als Ver- mittler*innen zwischen den Kulturen zu. Damit 19. April 2020 schlägt die Ausstellung einen Bogen von der Ver- gangenheit zu den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen unserer globalen Gegenwart. — Der innovative Ansatz der Großen Landes- Zur Großen Landesausstellung in Karlsruhe ausstellung Kaiser und Sultan – Nachbarn in wurden zum ersten Mal Exponate der Karls Europas Mitte 1600–1700 eröffnet neue Perspek- ruher Türkenbeute mit einer Vielzahl an Leih tiven auf ein vermeintlich bekanntes Thema und gaben aus der Türckischen Cammer der Rüst zielt darauf, sich von einem eindimensionalen kammer der Staatlichen Kunstsammlungen Konfrontationsgedanken zwischen der christ- Dresden zusammengeführt. Beide Samm- lichen und islamischen Welt zu verabschieden. lungen gelten als die größten osmanischen Im Fokus stehen die historischen wie kulturel- Museumsbestände Deutschlands. Erstmalig len Verflechtungen zwischen dem Heiligen in Karlsruhe zu sehen ist das sogenannte Blaue Römischen Reich Deutscher Nation einerseits Zelt aus Krakau – das mit über 28 qm Umfang und dem Osmanischen Reich andererseits. Im große Zelt ist ein Juwel osmanischer Textil- kriegerischen 17. Jahrhundert dienten die Ge- kunst und zählt zu den größten und beeindru- biete in Ostmittel- und Südosteuropa während ckendsten Zelten seiner Art. Zusammen mit der sog. Türkenkriege als Transit- und Grenz- weiteren hochkarätigen Exponaten u. a. aus räume zwischen den Großmächten. Wichtige Österreich, Polen, Ungarn, der Schweiz und Slo- Handelsrouten führten durch dieses Gebiet von wenien beleuchtet die Ausstellung eine Epoche, Sonderausstellung — Kaiser und Sultan 5
die trotz der kriegerischen Auseinandersetzungen in besonderem Maße für kulturelle Wechselbeziehungen und Biografien mit multiethnischer, multi- religiöser sowie multilingualer Prägung steht. Ausgewählte Objekte belegen einen künstlerischen Mischstil oder stehen für Phänomene der gegenseiti- gen kulturellen Durchdringung, so auch das Zepter von Karl Friedrich von Baden. Selbst Rüstungen und Waffen gehörten in dieser Zeit zu Prestige objekten, die in der kriegerischen Epoche des 17. Jahrhunderts als Trophäen, Gesandtschaftsgeschenke oder als Tributzahlungen den Weg an die Höfe fanden.Wer hätte gedacht, dass die großherzogliche Kroninsignie ursprüng- lich gar nicht aus Baden stammt? Ein Zepter für den Großherzog 1806 – zwei Jahre nachdem er von dem Weltenumkehrer Napoleon zum Großherzog ernannt worden war – erteilte Karl Friedrich von Baden den Auf- trag für neue Kroninsignien. Zepter, Krone und Zeremonienschwert sollten künftig von seiner neuen Stellung künden und deshalb mit den erlesensten Edelsteinen verziert werden. Durch die kurz zuvor erfolgte Säkularisation waren zahlreiche Goldschmiedearbeiten aus dem kirchlichen in den staat- lichen Besitz übergegangen. Karl Friedrich ordnete an, dass man die Steine des reich verzierten Kirchengerätes, darunter Messkelche und Monstranzen, „zur Fertigung seiner königlichen Crone und Scepter anwende“. Vor allem der Rastatter Hofkirchenschatz sollte als Materialfundus dienen. Auch für das Zepter griff man auf Bestehendes zurück. Erst bei genauerem Hinsehen verrät es seine Herkunft: Unter dem Diamantbesatz geben sich in Kartuschen eingebettete Arabesken zu erkennen, die tiefer Ausdruck Impression: Gemälde u. a. Türkische Tänzerin, Steiermark (?), spätes 17. Jh., Regionalmuseum Ptuj-Ormož
des islamischen Weltverständnisses sind. In vergoldetes Silber getrieben, verzieren sie den einfachen hölzernen Schaft. Die Punzierung belegt, dass es sich hierbei um eine ostmitteleuropäische Arbeit aus dem Jahr 1625 han- delt: Bartholomäus Igell, ein siebenbürgischer Goldschmied aus Kronstadt (heute Braşov, Rumänien), verewigte sich hier als Schöpfer. Das Zepter Karl Friedrichs gibt sich damit eindeutig als Buzogan bzw. siebenbürgischer Streitkolben zu erkennen. Im Osmanischen Reich galten Streitkolben als militärische Waffe. Im Ver- lauf des 16. Jahrhunderts wandelte sich der Streitkolben in Ostmitteleuropa zunehmend zu einem Standessymbol. Vor allem im damals dreigeteilten Ungarn und dem angrenzenden Polen-Litauen gehörte er zum Kennzeichen der militärischen wie gesellschaftlichen Elite, wie zahlreiche Fürsten portraits belegen. Möglicherweise gelangte der Karlsruher Streitkolben einst als Kriegsbeute in den Besitz der Markgrafen von Baden-Durlach. Er erfuhr indes im neu gekürten Großherzogtum Baden eine völlig neue Deutung und wurde zum Zischägge von Nikolaus IV. Zrínyi, Ban von Kroatien Zepter als Teil der badischen Kroninsignien umfunktioniert. Bis zur Um- ungarisch, 1562, Kunsthistorisches Museum Wien arbeitung des Buzogans in ein Zepter für den badischen Großherzog Karl Friedrich verging noch fast ein weiteres Jahrhundert. Der fälschlicherweise als Reichsapfel interpretierte Schlagkopf des Buzogans wurde dabei durch eine Krone ausgetauscht. Ungarn, das osmanische Zentralu ngarn und Das großherzogliche Zepter konnte Karl Friedrich leider nicht mehr selbst Siebenbürgen als relativ autonomem Vasallen in Augenschein nehmen. Es wurde in aller Eile erst nach dessen Tod am staat der Osmanen bildete die Region den frucht- 10. Juni 1811 innerhalb weniger Tage hergestellt. So konnte das reich aus- baren Nährboden für einen wechselseitigen staffierte Zeichen fürstlicher Regierungsgewalt ihm zumindest noch als kulturellen Austausch abseits der Kriege bis ins pompe funèbre, als standesgemäße Dekoration seiner Beisetzungsfeier- Badische hinein. Dass dieser Kulturtransfer die lichkeiten, dienen. Region Ostmittel- und Südosteuropa zu einer Brücke zwischen den Kulturen ausbildete, zeigt, Gemeinsam mit weiteren Exponaten in der Großen Landesausstellung zeigt wie kulturell vielfältig Europa tatsächlich schon das Zepter, wie gerade das ungarische Gebiet im 17. Jahrhundert zu einem lange ist. kulturellen Schmelztiegel der Kulturen wurde. Aufgeteilt in das Königliche Die Große Landesausstellung nimmt ihren Ausgang in den neuesten wissenschaftlichen Forschungen zu transkultureller Geschichte. Abb. links oben: Buzogan / Zepter Siebenbürgen (Kronstadt), 1625, Umarbeitung zum Zepter: Karlsruhe, 1811 Sie stellt die Austauschbeziehungen zwischen den Kulturen in den Mittelpunkt und betont Kriegskasse des Sari Süleyman Paşa, 2. Hälfte 17. Jh. Bayerisches Armeemuseum Ingolstadt den Mehrwert plurikultureller Gesellschaften für Europa. Mit einer Vielzahl an Beispielen deckt sie die engen Beziehungen zwischen den europäischen Höfen unter der Habsburger monarchie und ihre Berührungspunkte mit dem Osmanischen Reich auf. Im Unterschied zu thematisch vergleichbaren Ausstellungen der Vergangenheit werden zivilisatorische Neuerungen in den Mittelpunkt gestellt, die im Schatten von Machtpolitik und kriegerischen Auseinandersetzungen entstanden. Innova- tionen in Architektur, Kunst und Mode oder die Einführung neuer technischer Verfahren künden von einem wechselseitigen Austausch der Kulturen, dessen Grundstein nicht in der vermeintlichen östlichen Peripherie, sondern im Herzen Europas gelegt wurde. Sonderausstellung — Kaiser und Sultan 7
Humanimal Das Tier und Wir Sprechende Furbys, Spielzeuge der Millennial-Generation, 1998/99
Sie ist so alt wie unsere Geschichte selbst und geprägt von kontrastreichen Ambivalenzen: die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Egal, ob ‚bester Freund‘ oder ertragreiches Schlachtvieh, zugkräftiges Arbeitstier oder modisches Luxusgeschöpf – die Sicht des Menschen auf andere Lebe wesen ist von unterschiedlichen Interessen geleitet und erweist sich mal mehr und mal weniger ‚human‘. Die Volontär*innenausstellung Humanimal – Das Tier und Wir präsentiert an exemplarischen Highlight stationen zentrale Aspekte dieses wechselvollen Verhältnisses von der Antike bis zur Gegenwart. Unter Berücksichtigung neuester Forschungs- ergebnisse aus dem Bereich der Animal Studies werden dabei auch tier ethische Perspektiven eröffnet, die zum Nachdenken anregen. Sonderausstellung — Humanimal 9
— Die Frage nach den humanimalistischen Relationen rührt dabei an nichts Geringerem als dem menschlichen Eigen- und Weltverständnis selbst. Ist das Tier nur ein Mitgeschöpf des Menschen, ihm an emotionalen Fähigkeiten und Intelligenz unterlegen? Ist das Tier in mancherlei Hinsicht gar ein menschliches Ebenbild oder vielleicht sogar der bessere Mensch? Der Erkenntnis über den gemeinsamen evolutionären Ursprung mit dem Affen folgten bis heute weitreichende philosophische, politische und juris- tische Konsequenzen: Doch die Frage, welche Stellung dem Menschen im Tierreich tatsächlich zukommt, stellt uns noch immer vor ungelöste ethische Probleme. Die aus dem Verhältnis zu Tieren abgeleiteten Verhaltensnormen prägen schließlich den Alltag eines jeden Menschen und definieren so unter ande- rem Nahrungsgewohnheiten, Kleidungsstile und Lebensweisen. Vegetaris- mus oder Veganismus auf der einen sowie Fleischkonsum auf der anderen Seite avancieren zu modernen Glaubensbekenntnissen der westlich ge- prägten Konsumgesellschaft. Ähnlich verhält es sich mit der Einstellung zur Haustierhaltung: Sehen die einen Hund, Katze oder Maus als treue Wegbegleiter und Mitbewohner, die sich positiv auf die menschliche Ge- Tierhaut als Prestigeobjekt: Eine Handtasche aus Krokodil sundheit auswirken, so monieren die anderen Qualzuchten und unzulässi- leder der Firma Goldpfeil, um 1960 ge Vermenschlichung. Ist das Tragen von Pelz oder Leder für die einen ein prestigeträchtiger Ausdruck ihrer Persönlichkeit, so lehnen es die anderen in Zeiten synthetischer Alternativen kategorisch ab. Selbst die Wahl von Freizeitbeschäftigungen berührt Fragen der individuellen Mensch-Tier- Beziehung, wie nicht zuletzt Diskussionen um Jagdverbote oder den Ein- satz exotischer Tiere in Wanderzirkussen zeigen. Humanimal – Das Tier und Wir präsentiert 35 Exponate aus dem Samm- lungsbestand des Badischen Landesmuseums, die die Mensch-Tier- Beziehung material- und variantenreich illustrieren. Die Ausstellung belegt, dass die Beschäftigung des Menschen mit dem Tier nicht erst ein Phänomen jüngster Tier- und Klimaschutzbewegungen ist. Zu den High- lights der Ausstellung zählen unter anderem ein Wandteller mit der Dar- stellung einer Stierkampfszene von Pablo Picasso sowie ein Elfenbein- Prunkdolch aus der großherzoglich-badischen Waffenkammer. Ein Schaustück der badischen Großherzöge: Elfenbein-Prunkdolch mit Scheide, 2. Hälfte 19. Jh. Schloss Karlsruhe 21. Februar 2020 — Eine sog. Käfermenagerie zum Halten von Käfern, Anfang 20. Jh. 14. Februar 2021
Wer tiefer in die ‚haarige‘ Beziehung der Zwei- und Vierbeiner eintauchen möchte, kann dies in einem eigens für die Ausstellung konzipier- ten Podcast. Dank der Zusammenarbeit mit Querfunk – Freies Radio Karlsruhe bietet er monatlich wechselnde Hintergrundgeschichten zu den insgesamt vierzehn Schwerpunktthemen der kulturhistorischen Schau. Neue Perspek tiven auf die spannende und oft unbekannte Welt der heimischen Tiere ermöglicht darüber hinaus eine Ferienaktion, die gemeinsam mit dem Waldklassenzimmer e. V. angeboten wird. Wie schützenswert unser lokales – aber auch globales – tierisches Lebensumfeld ist, zeigt die Kooperation mit dem Zoologischen Stadt garten Karlsruhe. Zoodirektor Dr. Matthias Reinschmidt verdeutlicht in einem öffentlichen Vortrag über den Artenschutz die immense Bedeutung des Erhalts unserer biologischen Diversität für uns alle. Die Ausstellung Humanimal – Das Tier und Wir wird durch den wissenschaftlichen Nach- wuchs des Badischen Landesmuseums kuratiert. Beteiligt sind Volontär*innen aus den Bereichen Kulturvermittlung, Direktion, Öffentlichkeitsarbeit, Controlling, Projekt koordination und den Referaten Volkskunde, Antike Kulturen sowie Kunst- und Kulturge- schichte. Populäre Katzengottheit: die Maneki-neko, 2019 Sonderausstellung — Humanimal 11
Die Perser Am Hof der Großkönige Die persischen Großkönige herrsch- ten über ein Weltreich, das ein Gebiet vom Indus und den Wüsten Zentral asiens im Osten bis zum Bosporus im Westen und nach Ägypten im Süden umfasste. Die Ausstellung in Karls ruhe veranschaulicht die kulturelle Blütezeit des Perserreiches und seine Rolle als früher Global Player zwi- schen den Kulturen. Naqsch-e Rostam, Felsgräber der Großkönige aus der Achämeniden-Dynastie in der iranischen Provinz Fars Sonderausstellung — Die Perser 13
„Dareios, der große König, König der Könige, König der Länder, des Hystapes Sohn, ein Achämenide. Es kündet Dareios, der König: Dies (ist) das Reich, das ich innehabe von den Saken jenseits Sogdiens (Zentralasien) bis hin nach Nubien, vom Indus(land) bis nach Sardes (Lydien).“ — Inschrift des Dareios I. auf den Gründungstafeln aus Persepolis Armee und einer hoch entwickelten Infrastruk- tur, die bis in die entferntesten Provinzen reichte. Bemerkenswert ist die politische und religiöse Toleranz der Eroberer gegenüber den Besiegten: Unterworfene behielten ihr einhei- misches Recht und ihre regional spezifische Verwaltungsstruktur, die einer reichsübergrei- fenden Administration unterstellt war, bei. Dafür gewährten die Großkönige ihnen Schutz und wirtschaftliches Auskommen. So gelang es den Achämeniden, in relativ kurzer Zeit ein ethnisch und kulturell heterogenes Reich von enormen Ausmaßen zu begründen und über fast zwei Jahrhunderte aufrecht zu erhalten – bis zur Eroberung durch Alexander den Großen 330 v. Chr. Das kulturelle Spektrum des Vielvölkerstaates spiegelt sich in der Kunst wider. Monumentale Gewandapplikation in Form silbervergoldeter Löwenköpfe, Bauwerke und meisterhaft gearbeitetes Kunst- Perserreich, um 500–300 v. Chr. handwerk dienten der Verherrlichung und dem Ruhm der Herrscher. Dabei integrierte der achämenidische Stil erfolgreich Einflüsse aus — Im Zentrum der Ausstellung steht das Nachbar- und Vorgängerkulturen, nahm unter Herrscherhaus der Achämeniden: ihr Aufstieg, anderem assyrische und ägyptische Elemente ihr Machtanspruch und das Leben am könig auf. Mit kostbaren Leihgaben aus iranischen lichen Hof in Residenzstädten wie Persepolis, Museen zeichnet die große Sonderausstellung Pasargadae und Susa. Der Erfolg der persischen das Portrait einer faszinierenden Weltmacht Großkönige beruhte auf einer schlagkräftigen und ihrer Könige. Schloss Karlsruhe 10. Oktober 2020 — 11. April 2021
Relief, achämenidisch, um 500 v. Chr. Die Ausstellung entsteht in Kooperation zwischen dem Badischen Landesmuseum und dem Nationalmuseum in Teheran. Sonderausstellung — Die Perser 15
Räuber Hotzenplotz Mitmachausstellung für Kinder und Familien Großmutters Kaffeemühle ist weg! — Unerhört! Räuber Hotzenplotz hat Großmutters heißgeliebte Kaffeemüh- le gestohlen! Sofort gehen Kasperl und sein Freund Seppel auf Verfolgungs- jagd. Doch bald geraten sie in einen gemeinen Hinterhalt und Kasperl wird an den bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann verkauft … Mithilfe der verzauberten Fee Amaryllis gelingt es Kasperl, den Zauberer zu besiegen. Räuber Hotzenplotz wird gefangen genommen und die über- glückliche Großmutter erhält ihre Kaffeemühle zurück. Am Ende gibt es für alle Pflaumenkuchen mit Schlagsahne, obwohl doch gar kein Sonntag ist. Schloss Karlsruhe 24. Oktober 2020 — 25. April 2021
„Ich habe die Überzeugung gewonnen, dass Kinder das beste und klügste Publikum sind, das man sich als Geschichten erzähler nur wünschen kann. Kinder sind strenge, unbe stechliche Kritiker.“ — Otfried Preußler Mitten im Abenteuer In der Ausstellung Räuber Hotzenplotz tauchen Kinder in Otfried Preußlers Kinderbuchklassi- ker ein. Auf den Fersen des beliebten Schurken unterstützen sie Wachtmeister Dimpfelmoser und erleben die Abenteuer von Kasperl und Seppel hautnah. Sie können an vielen Mitmach stationen aktiv sein, spielen und entdecken. Es gilt, eine Goldkiste zusammenzupuzzeln, Sandspuren zu folgen und eine eigene Höhle zu bauen, einen magischen Spiegel auszupro- bieren, kreativ mit Wörtern zu spielen oder selbst Theater zu machen. Dabei bewegen sich die Kinder in liebevoll eingerichteten Räumen: Sie besuchen Großmutters Küche und streu- nen durch den Wald. Auf ihrem Weg durch die Geschichte machen sie auch einen Abstecher in die Höhle des Räubers Hotzenplotz und in das Studierzimmer des Zauberers Petrosilius Zwa- ckelmann. Richtig aufregend wird es dann in der Küche des Zauberers und im Unkenkeller … Der Autor Otfried Preußler Eigentlich hatte Otfried Preußler gar nicht vor, gleich drei Geschichten um den Räuber Hotzenplotz zu schreiben – doch das Drängen und Bitten der Kinder nach dem ersten Buch 1962 ließen ihm keine andere Wahl. Da bereu- te er es schnell, dass er den bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann bereits im ersten Band hatte sterben lassen. Inzwischen ist Räuber Hotzenplotz in 38 Sprachen übersetzt und weltweit bekannt. Die Illustrationen von F. J. Tripp, die 2012 von Mathias Weber koloriert wurden, trugen viel zum Erfolg des Kinderbuches bei und bilden den Ausgangspunkt der Ausstellungs gestaltung. Sonderausstellung — Räuber Hotzenplotz 17
Auch für Eltern und Großeltern Generationen von Kindern wuchsen mit dem berühmten Räuber Hotzen plotz auf. Wer die Geschichten als Kind mühsam Buchstabe für Buchstabe entziffert hat, liest diese Abenteuer heute seinen Kindern oder Enkelkindern vor. Hörspiele, Verfilmungen und Theaterstücke zeugen seit Jahrzehnten vom anhaltenden Interesse am ausgebufften Räuber. Ein eigener kleiner Museumsraum in der Ausstellung widmet sich dem Autor Otfried Preußler und fragt danach, wie seine einfachen und doch raffinierten Geschichten entstanden sind – und welchen Anteil daran die Kinder selbst haben. Produziert von In Kooperation mit dem Thienemann-Esslinger Verlag Für die Hotzenplotz-Ausstellung erhielten die Ausstellunggestalter Bernotat & Co den German Design Award 2020 in der Kategorie Fair & Exhibition.
Kapiteltitel — Titel 19
Audienz im Schloss Ein Traum, so alt wie die Menschheit: einmal in vergangene Epochen reisen. Im Badischen Landes- museum ist das mit Virtual Reality (VR) möglich. Die Besucher*innen sind zur Audienz im Schloss geladen und erleben am Originalschauplatz mit einer VR-Brille den Marmorsaal im Wandel der Zeit. — 76 Jahre nach der Zerstörung des Karlsruher Schlosses erstrahlt der historische Marmorsaal wie ehedem. Ein rund sechsminütiger 360°- Film, der auf vier VR-Brillen zu sehen ist, zeigt den einstigen Ball- und Audienzsaal in drei prägenden Phasen seiner Geschichte. Im Barock feiern hier die badischen Markg rafen Bis in die 60er-Jahre wird das Schloss wieder im Glanz von Kronleuchtern, Gold und Marmor aufgebaut und erneut als Sitz des Badischen feudale Feste. In diesem Rahmen empfängt die Landesmuseums eingerichtet. Während man bekannte Opernsängerin, Kabarettistin und die barocke Fassade originalgetreu rekonstru- Entertainerin Annette Postel in der Rolle eines iert, weichen im Innern die ursprünglichen der legendären Tulpenmädchen die Besu- barocken Zimmerfluchten einer modernen cher*innen. Die Gespielin des Markgrafen Karl Raumaufteilung. Der im Mittelbau angesiedelte Wilhelm plaudert dabei manche Anekdote über Marmorsaal wird zum schicken und licht- das Schloss und seine Bewohner*innen aus. durchfluteten Aufenthaltsort für die Besu- cher*innen im Museum. Auch in die jüngere Vergangenheit tauchen die Zeitreisenden ein: Im Zweiten Weltkrieg blei- Audienz im Schloss ist eine Arbeit des renom- ben vom Karlsruher Schloss und seinen mierten Darmstädter Studios Faber Courtial, repräsentativen Räumen nur noch die Grund- das sich auf die virtuelle Animation geschicht- mauern stehen. Ein Luftangriff vom 27. Septem- licher Ereignisse und berühmter Bauwerke ber 1944 hatte das Schloss und den Marmorsaal spezialisiert hat. Für den VR-Film wurden als ausgebrannte Ruine und Mahnmal des historische Fotografien nach Angaben aus Krieges zurückgelassen. zeitgenössischen Berichten und Inventarlisten koloriert und anschließend in ein dreidimen sionales Umgebungsmodell übertragen. So konnte ein authentisches Bild des einstigen Marmorsaals virtuell rekonstruiert werden – als Festsaal, als Ruine und als modernes Museum.
„Der Wunsch, etwas vom ehemaligen barocken Schloss sehen zu können, wurde schon oft an uns herangetragen. Wir sind sehr stolz, den Besucher*innen des Badischen Landesmuseums mit der virtuellen Zeitreise nunmehr ein weiteres Highlight im Schloss Karlsruhe präsentieren zu können.“ — Prof. Dr. Eckart Köhne, Direktor des Badischen Landesmuseums Gefördert durch die Freunde des Badischen Landesmuseums e. V. und eine Spende der BBBank aus Mitteln des Gewinnsparvereins e. V. Museum der Zukunft — Audienz im Schloss 21
Das Museum der Zukunft
Die neu eingerichtete Sammlungsausstellung Archäologie in Baden – Expothek¹ folgt einem revolu- tionären Konzept: In der Expothek, dem Herzstück der Ausstellung, können Nutzer*innen ihr kulturelles Erbe im wahrsten Sinne des Wortes mit den Händen greifen. Sich Jahrtausende alte Objekte persönlich vorlegen zu lassen oder als 3D-Scan für die Zukunft zu sichern, sorgt für ein einzigartiges und unmittel- bares Museumserlebnis. Schlüssel zu allem ist der Nutzerausweis: Mit ihm werden Besucher*innen zu Museumsnutzer*innen. Kapiteltitel — Titel 23
Erlebnis Expothek: Eine Nutzerin hält ein über 3.000 Jahre altes Schwert aus der Bronzezeit in den Händen. Die Authentizität von alten, seltenen, kostbaren oder ungewöhnlichen Exponaten persönlich zu erleben, ist das eine. Das andere geht noch ein Stück weiter: Nutzer*innen helfen mit, ihr ausgewähltes Objekt digital zu dokumentieren. Magische Momente Zusammen mit dem Explainer geht es in der Expothek zur 3D-Scan-Station. Die Axtklinge — Die Finger, die in blauen Handschuhen stecken, berühren die steinerne aus dem Rhein bei Maxau hat Wolny zentral Axtklinge. Sie lässt sich drehen, wenden und ganz genau betrachten. Es ist platziert, bevor der Roboterarm live in Aktion ein magischer Moment. Der bearbeitete Stein stammt aus der Zeit um 4.000 tritt. In genau definierten Bewegungen führt er v. Chr. und wurde im Rheinbett bei Maxau entdeckt. Heute ist die Axtklinge die Kamera immer wieder rund ums Objekt her- eines von rund 1.500 Objekten in der Ausstellung Archäologie in Baden. Auf um. Nach und nach entsteht ein hochaufgelöster dem ExpoDesk präsentiert sie Dr. Alexander Wolny und ermöglicht auf diese dreidimensionaler Scan. Am Ende steht der Weise Archäologie zum Anfassen. Wolny ist Leitender Explainer und hat eine 3D-Scan zusammen mit Informationen, etwa für ein Museum völlig neue Aufgabe. Zusammen mit vier Kolleg*innen steht dem Fundort und der Datierung, sowie Links zu er den Nutzer*innen mit Rat und Tat zur Seite und legt ihnen die bestellten verwandten Exponaten allen zur Verfügung: in Objekte vor. Das Besondere an der Arbeit ist für ihn die emotionale Nähe zu der Ausstellung Archäologie in Baden ebenso wie den Exponaten. Die Nutzer*innen müssen lediglich das Objekt einige Tage über das Internet im Digitalen Katalog – für viele vor ihrem Besuch online bestellen und sich mit ihrem Ausweis identifizieren. magische Momente im Museum und zuhause.
Digitale und analoge Erlebniswelten – Hell erleuchtet ist die sich anschließende Expo thek, die an ein Forschungslabor erinnert und ein Rundgang Wirkungsort der Explainer*innen ist. Mit Expo- Beim Eintritt in die neue Sammlungsausstellung Archäologie in Baden – Phones lassen sich die hier präsentierten Objek- Expothek1 werden die Besucher*innen an der Welcome Wall zunächst per- te auch selbstständig erkunden. Die ExpoPhones sönlich begrüßt. Über eine Baden-Karte auf dem Boden führt der Rund- sind so etwas wie eine digitale Lupe. Wer das gang in abgedunkelter, mystischer Atmosphäre vorbei an 13 Highlight- Display auf die Vitrinen richtet, die beide Seiten Vitrinen. So erfolgt Schritt für Schritt eine zeitliche und räumliche Veror- des rund 300 Quadratmeter großen Raumes tung der Objekte. Dicht aneinandergereihte schmale Holzleisten an den säumen, erhält über Augmented Reality Infor- Wänden machen auf einen Blick deutlich, um welch riesigen Zeitraum es mationen zu den Objekten. So erfährt man etwa für den Menschen geht: von rund 650.000 v. Chr. bis heute. Die Informatio- den Fundort und die einstige Funktion. Zudem nen werden in deutscher und in englischer Sprache angeboten. Und Kinder bieten insgesamt 14 Arbeitsplätze an Medien nimmt Roboter Expi.1 mit auf eine Zeitreise, in der Wissen unterhaltsam tischen in der Ausstellung Recherche-Tools, und spielerisch vermittelt wird. Quizspiele oder digitale Puzzles. Ein vorbei fließender Strom von Objekten führt Nutzer*in- nen diese virtuell vor Augen und erzählt multi- medial aufbereitete Geschichten über sie. Kinder und Schüler*innen können sich auf die Suche nach Werkzeugen begeben, mit denen man Kleidung herstellte. Ältere Besucher*innen, die als Hobbyforscher*innen unterwegs sind, bewaffnen sich virtuell mit Schwert, Dolch, Lanzen- und Pfeilspitzen. Wer schon tiefer in die Geschichte eingetaucht ist, geht im Expert*innenmodus daran, keltische Schmuck- stücke aus der Hallstatt- und Latènezeit auf- zuspüren. Und wer will, kann auch nach virtu- ellen Tierchen suchen, die sich zwischen den Exponaten in den Vitrinen verstecken. Museum der Zukunft — Archäologie in Baden 25
Moderne Werkzeuge ermöglichen den Nut- zer*innen im Badischen Landesmuseum diese intensive Auseinandersetzung mit Geschichte Mit dem Nutzerausweis: Objekte scannen und altersgerechte und Geschichten. Geöffnet werden kann der Informationen abrufen Werkzeugkasten durch den neuen Nutzeraus- weis, der die Distanz zwischen Museumsma- cher*innen und bisherigen Besucher*innen aufhebt. Er ermöglicht den Zugang zu individu- Einfach Nutzer*in werden ell zugeschnittenen Informationen und bietet auch die Möglichkeit zur persönlichen Zusam- Das Eintauchen in die Geschichte beginnt an der Kasse im Badischen Lan- menstellung von Lieblingsobjekten. desmuseum. Hier gibt es den neuen Nutzerausweis, der zum ständigen Be- gleiter durch die Ausstellung Archäologie in Baden wird. Zunächst werden Im dritten Raum der Ausstellung, dem Expo- Daten wie Sprache und Postleitzahl des Wohnortes ins Profil eingegeben. Lab, sorgen zum Abschluss VR-Brillen dafür, So erhält man persönlich zugeschnittene Informationen beim Rundgang dass alle Nutzer*innen selbst in die Geschichte in deutscher, englischer bzw. kindgerechter Fassung. Für alle, die sich na- eintauchen können. In drei Varianten lässt sich mentlich registrieren, wird der neue Nutzerausweis zur Jahreskarte für alle Alltag lange vor unserer Zeit im 360-Grad-Blick Sammlungsausstellungen des Badischen Landesmuseums. Wie geschildert erleben: als Krieger, als Handwerker*innen und ist es dann auch möglich, sich Originalobjekte zu bestellen und von den Ex- in einem typischen Langhaus. plainer*innen vorlegen zu lassen. Registrierung: www.landesmuseum.de
„Der Laborcharakter und dass man die Objekte in die Hand nehmen kann, ermöglicht ein völlig neues Museumserlebnis. Das Digitale spricht besonders Jugendliche an.“ — Matej Pavlicek, 16 Jahre, Rheinstetten „Ich bin ein totaler Fan von Virtual Reality und freue mich, dass es dieses Angebot in der Ausstellung gibt.“ — Gudrun Springer, 68 Jahre, Karlsruhe Museumskonzept – Digitaler Katalog Der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg Winfried Kretsch- werden intuitiv erschließbar und tragen da- mann übernahm die Schirmherrschaft für die Ausstellung Archäologie in mit zur Öffnung des Museums bei. Durch die Baden. Sie ist Pilotprojekt für das neue Museumskonzept, das vom Badi- digitale Vermittlungsform von Inhalten kann schen Landesmuseum im Vorfeld einer Generalsanierung des Karlsruher das Angebot stetig erweitert, an aktuelle For- Schlosses für seine künftigen Sammlungsausstellungen entwickelt wur- schungsstände angepasst sowie nach eigenen de. „Es ist unsere Interpretation des modernen digitalen und analogen individuellen Interessen und Bedürfnissen Museums mit einer besonderen Emotionalität“, erläutert Direktor Prof. genutzt werden. Die Erfahrungen aus dem Dr. Eckart Köhne das neue Konzept. Es ermöglicht Besucher*innen, ihr Pilotprojekt werden in die künftige Umsetzung eigenes kulturelles Erbe zu nutzen. Dies alles wäre nicht denkbar ohne des Museumskonzepts einfließen – somit ist den neuen Digitalen Katalog des Badischen Landesmuseums, der mit die neue Ausstellung der Start für das Museum Eröffnung der Ausstellung 2019 online ging und nun beständig erweitert der Zukunft. wird. Hierzu wurden Objekte digital fotografiert, in 3D gescannt, allge- mein verständlich beschrieben und verschlagwortet. Sukzessive sollen Michael Dostal alle Objekte des Museums für alle zugänglich werden. Die Sammlungen VielPfalz Museum der Zukunft — Archäologie in Baden 27
Creative Collections 2.0 Die Museumswelt ist im Wandel. Sie stellt sich einer Kultur der Digitalität, die fortwährend neue Möglichkeiten und damit auch Erwartungshaltungen schafft: Nutzer*innen von Museen vernetzen sich in den sozialen Medien, generieren im Netz ihre eigenen Inhalte und haben mit Suchmaschinen jeder- zeit Zugriff auf für sie relevante Informationen. Im Projekt Creative Collections setzt das Badische Landesmuseum daher gemeinsam mit den Nutzer*innen des Museums auf neue digitale Konzepte und hat für den kreativen Austausch einen offenen Ort geschaffen: das museum x. Das museum x ist Teil Creative Collections des Projekts Creative Collections, das vom Bereits seit 2018 führt das Badische Landes- museum mit dem Projekt Creative Collections Ministerium für Wissenschaft, Forschun einen Dialog mit seinen Nutzer*innen. Zu- g nächst wurde ein Bürger*innenbeirat ins Leben und Kunst seit Mär z 2019 im Programm „Digital gerufen. 50 Bürger*innen haben sich mehrfach getroffen und mit Methoden des Design Thin- e king eigene Ideen und Konzepte entwickelt: Wege ins Museum II“ zu digitalen Citizen-Science-Projekten ebenso wie zu Anwendungen im Museum und im In- geförder t wird. ternet. Bei einem offenen MuseumCamp haben dann 90 Teilnehmer*innen ihre Themen zur Diskussion gestellt und rund 30 Sessions selbst moderiert. Deutlich wurden hier Ideen für eine zukünftige Museumsarbeit formuliert, von der Personalisierung des Museumserlebnisses Das museum x als offener Raum bis hin zu spielerischen Ansätzen wie digita- len Schatzsuchen. Nun gilt es in der zweiten Ein zentraler Baustein der Creative Collections ist das 2019 neu eingerich- Projektphase, Formate und Ideen gemeinsam tete museum x. Gerade im Dialog über digitale Konzepte braucht es einen mit den Bürger*innen weiterzuentwickeln und physischen Raum, um sich zu treffen und auszutauschen. Das x ist pro- umzusetzen. grammatisch gemeint: Es geht nicht um vorgegebene Antworten, sondern um die gemeinsame Frage, wie die Zukunft des Museums aussehen soll und was es mit dem x auf sich hat. Daher ist das museum x bewusst als of- fener Raum konzipiert und kostenfrei zugänglich, um niemanden von der Nutzung auszuschließen und allen die Möglichkeit zur Mitgestaltung zu bieten. Für das museum x wurde gezielt ein Ort ausgewählt, der das Badi- sche Landesmuseum mit der Stadt und ihren Bürger*innen verbindet:
WAS IST EIN T ? DIGITAL CATALYS ative das Museum beim Markt. Damit schließt das museum x an die schon län- Für das Projekt Cre zwei ger laufende Debatte über sogenannte Dritte Orte an, die zwischen Wohn- Collections arbeiten ie betreuen Digital Catalysts. S ort und Arbeitsplatz neue Räume zum zwanglosen Austausch schaffen. taler die Umsetzung digi Der Bezug zum Museum bleibt dabei stets gewahrt, da auch im museum x Objekte gezeigt werden und im ersten Stock die Sammlung Angewandte n den Kunst seit 1900 frei zugänglich ist. Konzeptideen, stelle x sicher Betrieb des museum ber*innen Veranstaltungen und Events geben Impulse zur Diskussion und setzten und sind Impulsge useum. für Digitales im M dabei quartalsweise verschiedene Schwerpunkte. Die spezifischen An forderungen von Games im Museum werden erfragt und bei Vorträgen, Workshops und einem Hackathon in alle Richtungen ausgelotet. Auch die Künstliche Intelligenz (KI) ist ein wichtiges Thema: Deep-Learning- Systeme und komplexe Mustererkennungen bestimmen längst den alltäg- lichen Umgang mit Suchmaschinen und Online-Services und haben die Erwartungen der Nutzer*innen verändert. Gerade für Museen bieten sich museum x konkret damit völlig neue Möglichkeiten, die Nutzer*innen in der Auseinander setzung mit musealen Objekten zu unterstützen und ihnen weitere Mög- Alle Interessierten sind lichkeiten zu bieten, das Museum mitzugestalten. In diesem Kontext herzlich eingeladen, das beschäftigt sich das Badische Landesmuseum auch mit der sogenannten Citizen Science. Die vor allem in naturwissenschaftlichen Einrichtungen museum x für die Arbeit an etablierten Konzepte sollen für kulturhistorische Museen weiterentwickelt Ideen, eigene Veranstaltungen und nach möglichen digitalen Strategien befragt werden. Der Dialog zwi- oder Treffen mit Freunden schen dem Museum und den Bürger*innen wird weitergeführt – es bleibt zu nutzen. Zur Verfügung spannend! stehen freies WLAN, der Info- Roboter Xaver, Arbeitsplätze und ein Kaffeeautomat. Museum der Zukunft — Creative Collections 2.0 29
Das künftige Publikum im Blick Seit März 2019 hat die Abteilung Kommunikation mit Dr. Elke Kollar eine neue Leiterin. Sie ist in der Museumsszene keine Un- bekannte und als Vorsitzende des Bundesverbandes Museums pädagogik weit vernetzt. Die studierte Germanistin (Schwer- punkt Literaturvermittlung) und promovierte Europäische Ethno login war lange selbstständig tätig. Nach achteinhalb Jahren als Referentin für Kulturvermittlung bei der Klassik Stiftung Weimar — Frau Kollar, wie passen PR und Marketing sowie Kulturvermittlung in wechselte sie nun an das Badi- einer Abteilung zusammen? sche Landesmuseum. Hier sind Die Methoden und Formate der Bereiche mögen sich vielleicht unterschei- den – für mich jedoch sind ihre Ziele und Ausrichtungen eng miteinander in der Abteilung Kommunikation verflochten. Wir arbeiten alle daran, das interessierte Publikum anzuspre- die beiden Referate Kulturver- chen, an das Haus zu binden und zugleich das Museum für ein neues Pub- likum attraktiv zu machen. mittlung und Öffentlichkeits arbeit zusammengefasst. Welche Zielstellungen verbergen sich konkret dahinter? Letztlich geht es bei unserer Arbeit doch darum, das kulturelle Erbe, das uns allen gehört, möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Wenn mehr Menschen das Museum als Ort begreifen, wo man einfach mal hin- gehen kann – ob kurz in der Mittagpause, am Nachmittag nach der Schule oder eben am Wochenende mit der ganzen Familie, samt Turmaufstieg – dann haben wir viel erreicht. Und der Besuch – auch der mehrfache Besuch – soll sich lohnen!
ren und ihre Ergebnisse dann in persönlichen kreativen Produkten präsen- tieren können. Zum anderen denken wir auch darüber nach, welche spiele- rischen Ansätze für unsere Besucher*innen interessant sind. Und all diese Fragestellungen spiegeln sich natürlich auch in unserem Online-Marketing bzw. der Online-Kommunikation wider. Welche Anliegen verfolgen Sie mit Ihrer Arbeit? Mich interessieren seit langer Zeit die Schnittfelder von politischer, histo- rischer und kultureller Bildung: Welche Rolle und welche Relevanz hat das Wie sieht ein ganz normaler Tagesablauf bei Museum heute? Wie kann das Museum zu einem offenen Begegnungsort – Ihnen aus? auch im Sinne einer weit verstandenen Inklusion – werden? Meiner Ansicht Interessanterweise gibt es den normalen Tag nach sind dafür neben der Haltung des Hauses auch die Signale wichtig, eigentlich gar nicht – in den Ausstellungen mit denen es diese nach außen transportiert. Deshalb war es mir zum Bei- selbst bin ich viel zu wenig. Dafür verbringe ich spiel auch ein besonderes Anliegen, gemeinsam mit der Direktion die gen- viel Zeit in Gesprächen und Teamsitzungen. dergerechte Sprache am Badischen Landesmuseum weiterzuentwickeln. Dort schmieden wir Ideen, hinterfragen unsere eigene Arbeit – machen also immer wieder mal Wie schätzen sie die Rolle der Kulturvermittlung insgesamt ein? einen kleinen ‚Kassensturz‘ – und kümmern Mit der Neuausrichtung der Museumsarbeit unter dem Schlagwort Besu- uns um das tägliche Geschäft inklusive aller cher*innen-Orientierung seit den 90er-Jahren hat sich die Kulturvermitt- administrativen Dinge. Es heißt also, viel orga- lung zu einem integrativen Bestandteil der Museumsarbeit entwickelt. Sie nisieren, koordinieren und experimentieren! reicht heute weit über die personale Vermittlung hinaus und ist aktiv in die Konzeption und Realisierung von Ausstellungen eingebunden. Mit Partizi- Warum haben Sie sich für das Badische Landes- pation, Digitalität und Outreach sind nur einige der Schlagworte genannt, museum als neuen Wirkungsort entschieden? die uns künftig noch stärker beschäftigen werden. Ich halte es für wichtig, in Bewegung zu blei- ben, für mich selbst ebenso wie für die Instituti- Gretchenfrage: Museumspädagogik oder Kulturvermittlung? on Museum. Und das Badische Landesmuseum Das Badische Landesmuseum hat schon vor einigen Jahren das Referat hat den Mut, neue Wege zu gehen. Um nur zwei Museumspädagogik in Kulturvermittlung umbenannt, was ich persönlich Beispiele zu nennen: Es verbindet mit seinem für richtig halte. Denn damit wird deutlich, dass die Bildungs- und Vermitt- neuen Museumskonzept in der Ausstellung lungsarbeit sich eben nicht nur an Kinder richtet, sondern den Ansätzen Archäologie in Baden den digitalen Raum und eines lebenslangen Lernens folgt. Doch auch den Begriff Kulturvermittlung das hautnahe Erleben originaler Objekte. Und halte ich nicht für unproblematisch: Er impliziert eine eindimensionale mit dem museum x als offenem Raum ermög- Kommunikation in nur eine Richtung. Kritisch betrachtet muss hier gefragt licht es eine Beteiligung von Bürger*innen nicht werden, wer eigentlich wem welche Kultur vermitteln will oder soll. nur, sondern fordert sie regelrecht ein. Und zu guter Letzt: Welches ist Ihr persönliches Highlight-Exponat im Was bedeutet dies für die Ausrichtung Ihrer Museum? eigenen Arbeit? Wenn ich mich an meine Zeit in Griechenland erinnern will, schlendere Die Neuausrichtung eines Hauses hat Konse- ich gerne durch die Antikenabteilung, inhaltlich fasziniert mich Schloss- quenzen für alle Museumsbereiche. So wird es und Hofkultur in all ihrer Ambivalenz. Eines meiner Highlights ist aber in unserer Bildungsarbeit zum Beispiel künftig in der Tat der Gartenzwerg in der Ausstellung WeltKultur / GlobalCulture, verstärkt darum gehen, wie wir mit Schüler*in- der als vermeintlich typisch deutsche Figur seinen Migrationscharakter nen in Projekten das Digitale nutzen können, offenbart und mir über seine phrygische Mütze auch einen neuen Blick auf damit sie nach eigenen Interessen recherchie- Jakobinert raditionen und das Kasperle eröffnet hat. Blick hinter die Kulissen — Das künftige Publikum im Blick 31
Prunkkassette: im Innern Fotos der Arktisexpedition von 1872 Verborgene Schätze Bilder einer Polarexpedition — Das Depot eines Museums ist für die Mitar- des Badischen Landesmuseums gelangte. Wäh- beiter*innen Schatzkammer und Forschungs rend der Auktion konnte in großem Umfang stätte zugleich. Hier werden Objekte für kulturelles Erbe des Landes und des bis 1918 unterschiedliche Anfragen herausgesucht, regierenden Hauses Baden gesichert werden. Transporte vorbereitet, Neuzugänge inventari- siert, Objekte auf ihren Erhaltungszustand ge- Im Innern der Kassette machte Brigitte Heck prüft und erforscht. Gerade in Zeiten, in denen einen unerwarteten Fund: ein Stereoskop samt sich ein Museum neu organisiert, werden dort dazugehörigen 45 Stereobildkartons. Durch bislang nicht beachtete Sammlungsgüter in den das optische Gerät konnten die Bilder dreidi- Blick genommen. Durch Nachrecherchen kom- mensional betrachtet und z.B. Entfernungen men immer wieder großartige Geschichten und auf den Abbildungen realitätsnah eingeschätzt wahre Schätze ans Licht. Brigitte Heck, Leiterin werden. Doch unter dem Stereoskop kamen des Referats Volkskunde, stieß bei ihren jüngs- weitere 50 Fototafeln – zum Teil mit ausführli- ten Depottätigkeiten auf ein solches Objekt: chen Beschriftungen – zu einer Polarexpedition eine Prunkk assette, die durch die spektakuläre im Jahr 1872 zum Vorschein: Vom 20. Juni bis Sotheby's-Auktion des Jahres 1995 in den Besitz 9. November war das norwegische Segelschiff
Isbjörn von Tromsø nach Spitzbergen und zur fahren entwickelt. Damit konnte er die Mannschaft, das Leben an Bord und russischen Inselgruppe Nowaja Semlja unter- die Landtouren einfangen. Er dokumentierte Natur und wilde Tiere, Sied- wegs. Neben der Besatzung gehörten sechs lungen und Wetterlagen sowie Vertreter*innen der indigenen Bevölkerung: Expeditionsteilnehmer der Forschungsreise Sami und Nenzen. Die Aufnahmen sind unschätzbare Zeitdokumente einer an. Darunter waren u. a. der österreichische Arktisexpedition, stehen für die Innovationen in der Expeditionsfotografie Konteradmiral Max Freiherr von Sterneck, der und sind darüber hinaus mehr als selten: Neben der Karlsruher Kassette ist den Expeditionsbericht veröffentlichte, und der bislang nur eine weitere Kassette in der Österreichischen Nationalbiblio- Geologieprofessor Hans Höfer, der naturkund- thek Wien bekannt, die diese Expedition dokumentiert. liche Proben sammelte. Graf Johann Nepomuk Wilczek (1837–1922), ein österreichischer Kunst- So weit entfernt uns die Arktisexpedition auch scheint, so gelangte doch mäzen und Naturforscher, finanzierte und lei- Nowaja Semlja kürzlich wieder in die Schlagzeilen. Seit 2019 tummeln sich tete die Arktisexpedition; er hat die Prachtkas- durch den Klimawandel verdrängte Eisbären auf der Inselgruppe und plün- sette wohl im Jahr 1877 dem Großherzoglichen dern die Müllcontainer der Siedlungen. Haus Baden überreicht. Stereobildbetrachter und Bilddokumente stammen aus einer Zeit, in der die Eroberung der Welt vermeintlich abgeschlossen war. Keine Region schien mehr unentdeckt und unkartiert – abgesehen von den Polen der Erde. Sie wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Zielen von Abenteuer- und Forschungsreisen. Die Kassette dokumentiert diese Frühzeit der Arktisforschung und bildet zugleich ein bedeu- tendes Zeugnis der Expeditionsfotografie. Für die extremen klimatischen Bedingungen muss- ten neue Techniken gefunden werden. Eigens für die Expedition von 1872 hatte der Fotopio- nier und Wiener Hoffotograf Wilhelm Burger (1844–1920) ein zusammenklappbares, mit Seehundfell bespanntes Dunkelkammerzelt Das Stereoskop befand sich in der Prunkkassette. und ein Tannin-Kollodium-Trockenplattenver- Mit ihm entstand ein Eindruck von räumlicher Tiefe. Blick hinter die Kulissen — Verborgene Schätze 33
Picasso & Co Berühmte Künstler*innen und ihre Keramiken Der Begriff Künstlerkeramik bezeichnet keramische Kunstwerke, die nicht von Keramiker*in- nen, sondern von bildenden bzw. freien Künstler*innen wie Pablo Picasso oder Cindy Sherman entworfen wurden. Die Künstlerkeramik gehört also zur bildenden Kunst. Sie ist essentieller Bestandteil der stilistischen Entwicklung einer Epoche und reicht weit über die Gebrauchs keramik hinaus – in ihr manifestiert sich die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Gedankengut der Zeit. Keramikmuseum Staufen 7. Februar 2020 — 29. November 2020 Wer wiederum eine klassische Malerei- oder Architekturausbildung durchlaufen hatte, bezog die Keramik nur selten als künstlerisches Herrin der Töpfe, Elvira Bach, 1998 Medium in das eigene Œuvre ein. Erst als Jugendstilkünstler*innen das Kunsthandwerk gleichberechtigt neben der bildenden Kunst, also neben der Malerei und der Architektur, — Die Künstlerkeramik entstand immer dann, wenn bildende Künstler*in- positionierten, änderte sich die Situation. Max nen abseits ihrer gewohnten Arbeitsweise einen Exkurs in den Bereich Laeuger verlagerte sogar seinen künstlerischen Keramik unternahmen. Dies blieb meistens auf eine temporäre Episode Schwerpunkt auf die Keramik. Die künstleri- ihres künstlerischen Schaffens oder auf einzelne Werke beschränkt. Nur schen Wege, das Medium Keramik für sich zu bei wenigen freien Künstler*innen führte die Auseinandersetzung mit der entdecken, waren sehr unterschiedlich. Bei Keramik zu einer Entwurfstätigkeit für keramische Serienprodukte. Die Picasso gab zum Beispiel ein Besuch des Töpfer- ersten Keramiken, die wir heute als Künstlerkeramik bezeichnen, entstan- marktes im mondänen Seebad Vallauris den den Ende des 19. Jahrhunderts. Anstoß. Kandinsky und Malewitsch wurden aufgefordert, avantgardistische Keramiken im Die Geschichte der europäischen Keramik war bis dahin vor allem eine Rahmen der ästhetischen Revolution Sowjet Geschichte der Manufakturen mit vielen namenlosen Keramiker*innen. russlands zu kreieren.
Schwarzwald- Geschichten Ausstellungen in Schloss Neuenbürg Aus der Zeit gefallen? Trachtenfrauen in Portraits Fotografien von Eric Schütt 1. März — 21. Juni 2020 Gerhard Sonns (1939–2016) Objekte / Grafik / Schmuck Retrospektive 8. März — 5. April 2020 Echt / Glanz / Stücke – Vom Wert des scheinbar Wertlosen 24. Mai — 22. November 2020 Luise Mellert, fotografiert von Eric Schütt, Welschensteinach, Schwarzwald, 2017 ihrer Umgebung. Mit vom Leben gezeichneten Gesichtern sind sie Zeug*innen einer längst — Bereits der Blick auf ausgedehnte Wälder, die das Zweigmuseum Schloss vergangenen Zeit. An einer Morphingstation Neuenbürg auf dem Schlossberg umgeben, lässt die Herzen der Besucher*in- können kleine, aber auch große Besucher*in- nen höherschlagen. Nicht anders ergeht es auch jenen, die im Museum das nen am Ende spielerisch einen Blick in die Märchen Das Kalte Herz von Wilhelm Hauff in seiner einzigartigen medialen Zukunft wagen: Wie wird sich wohl das eigene Inszenierung erleben. „Seit 20 Jahren unverändert gut! Mein Herz ist nun Gesicht verändern? ganz warm“, lautet denn auch eine der jüngsten Stimmen der Besucher*innen (1.9.2019), die einmal mehr die Aktualität der dramatischen Erzählung über Den Herausforderungen einer sich verändern- den Schwarzwälder Köhler Peter Munk und seine Gier nach Macht und Reich- den Welt heißt es sich heutzutage mehr denn je tum verdeutlicht. zu stellen. Die Ausstellung Echt | Glanz | Stücke – Vom Wert des scheinbar Wertlosen möchte den Aus der Zeit gefallen ist das dramaturgisch in besonderer Weise, rustikal aktuellen Diskurs um das Thema Upcycling auf- inszenierte Märchen also bis heute nicht. Aus der Zeit gefallen? – Trach greifen. Für Überraschung sorgen hierbei immer tenfrauen in Portraits lautet denn auch die erste Ausstellung 2020, mit der wieder originelle Ideen, die aus einem wach- Schloss Neuenbürg am 1. März in die neue Saison startet. Gezeigt werden senden Umweltbewusstsein der Bevölkerung – entgegen dem Folkloretrend – keine im Studio inszenierten Hochglanz- entstanden sind. Produkte aus der Region des portraits von Menschen, die sich in farbenfrohen Trachten ablichten las- Schwarzwaldes bilden den Fokus und werden sen. Die rund 30 Arbeiten des Karlsruher Fotografen Eric Schütt erlauben ergänzt durch überregionale Positionen aus den vielmehr einen leisen und ungeschminkten Blick auf Trachtenfrauen in Bereichen Design und Kunst. Unsere Museen — Staufen & Neuenbürg 35
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