Der Wuppertaler Villen und Wohnungen - Spurensuche am Rhein
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Horst Heidermann Der Wuppertaler Villen und Wohnungen – Spurensuche am Rhein Es gab und gibt viele Villen in Elberfeld leisten. Vielfach waren sie im Handbuch der und Barmen. Dort wohnten die Mitglieder der rheinischen Millionäre zu finden. Oberschicht, die vor allem aus Kaufleuten und Fabrikbesitzern bestand. Auf den grünen Ber- Die wirtschaftlich (noch) Aktiven wollten gen rings um das Tal entstanden neue Viertel dem nicht nachstehen und so entstanden reprä- mit repräsentativen Bauten.1 Elend und Epide- sentative Sommersitze, die nur einige Mona- mien, wirtschaftliche und politische Unruhen te des Jahres genutzt wurden, in die man mit erreichten sie nicht. Kind und Kegel, Möbeln und Personal an den Rhein zog. In manchen Fällen blieben nur Frau Dennoch gab es bei nicht wenigen Wup- und Kinder länger am Rhein, während das Fa- pertaler (Kölner, Duisburger) Millionären ei- milienoberhaupt dank der Eisenbahn im Wup- nen Zug zum Rhein. Das romantische Rhein- pertal nach dem Rechten sah. Der Übergang tal „rund um den Drachenfels“ (Brönner) von zwischen Sommer- und Dauerwohnsitz war Bonn bis zum Neuwieder Becken war das insofern fließend, als sich die Sommersitze Ziel. Unter den in Deutschland für den Vil- mit zunehmendem Alter der Besitzer in Dau- lenbau bevorzugten Landschaften war sie erwohnsitze verwandeln konnten, gelegent- „mit den weiteren Blickpunkten Rolandsbo- lich aber bei der folgenden Generation auch gen, den Inseln Grafenwerth und Nonnen- den umgekehrten Weg gingen. In vielen Fällen werth und der Godesburg wohl die begehr- spielte Geld offensichtlich keine Rolle. Adres- teste.“2 Die Region war durch die Einrichtung saten dieser „conspicuous consumption“ wa- der „Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Uni- ren nicht die Proletarier im Wuppertal, son- versität“, ihre gerühmten Universitätsklini- dern die Angehörigen der gleichen Kaste, die ken und die von England ausgehende Rhein- sich fast alle aus dem „Casino“ oder aus der romantik interessant geworden. Das Klima „Schützengesellschaft am Brill“ persönlich hatte aus der Sicht des Bergischen schon fast kannten. Der für diese Zweitwohnsitze getrie- südländische Züge (durchschnittlich 3-5 Grad bene Aufwand ging zum Teil weit über das wärmer). Robert Wichelhaus wird zitiert mit Maß selbst eines luxuriösen Lebensstils hin- dem Satz: „Alle Plätze, die sich mit der Kut- aus. Er war auch Ausdruck des Selbstbewusst- sche an einem Tag erreichen ließen, lockten seins, des Stolzes auf die eigene Leistung, die die mobilen Leute im Wuppertal zum Bau ei- Familie und ihre Geschichte. Die Kunstpflege nes Wohnsitzes am Rhein.“3 spielte eine Doppelrolle. Sie entsprang einer- seits originärem Interesse an Literatur, Musik Dass wirtschaftlich nicht mehr aktive Per- und bildender Kunst, erfüllte aber gleichzeitig sonen diesen „Versuchungen“ erlagen, kann eine gesellschaftliche Repräsentationsfunk- nicht verwundern. So finden wir denn auch tion. Die Freundschaft namhafter Künstler viele Rentner unter den Villen-Erbauern oder (Schumann, Mendelssohn-Bartholdy, Brahms, Bewohnern. Es handelte sich in den meisten Elli Ney, Rilke, Coleridge, Wordsworth, Hoet Fällen um Unternehmer oder Besitzer von Un- ger, Afinger, Roeber) schmückte wie ein Or- ternehmensanteilen, die sich aus der Firma zu- densstern. rückgezogen hatten oder diese Anteile geerbt hatten, ohne jemals selbst in dem Unterneh- Die Bedeutung der Gärten und Parks war men gearbeitet zu haben. Nur Vertreter der ho- mindestens der der Villen gleich. Leider sind hen Oberschicht konnten sich diesen Luxus in den meisten Fällen die Gartenarchitekten 1
und Gärtner nicht bekannt. Ausnahmen bil- Alle „Siedler“ waren evangelischer Kon- deten Weyermann und Caron, die den Düssel- fession. Manche engagierten sich in den jun- dorfer Hofgartendirektor Josef Clemens Wey- gen evangelischen Gemeinden. Alles in allem he heranzogen, sowie Karl von der Heydt, der war aber die strenge protestantische Sozial- den Remscheider Gartendirektor Walter Wol- kontrolle am Rhein weniger zu spüren. Rhein- ters und den Godesberger Gartenarchitek- luft machte freier. ten Carl Samuel Eduard Toepler beauftragte. Da jedoch in fast allen kleinen oder größeren Wir wollen uns hier nicht mit Definitionen Parks exotische Bäume und Pflanzen ein Muss einer „Villa“ aufhalten. Dazu ist viel geschrie- waren und zum Teil anspruchsvolle Gartenar- ben worden. Als Grobbeschreibung mag aus- chitektur gewünscht wurde, waren Fachleu- reichen, dass sie in der Regel frei steht (Aus- te erforderlich.4 Zum Personal gehörte häufig, nahmen Doppelvilla, Dreivillengruppe), von aber nicht immer, auch ein Gärtner. Neben- einem Park umgeben ist, von nur einer Familie gebäude werden verschieden bezeichnet wie bewohnt wird und alle Seiten des Gebäudes ar- Gärtnerhaus, Kutscherhaus oder Pförtner- chitektonisch durchgearbeitet sind. Mehr oder haus, oft gibt es auch ein Treibhaus bzw. Pal- weniger zahlreiche Dienerschaft ist die Re- menhaus und bei größeren Anwesen eine klei- gel. Nebengebäude gehören dazu. Das Wort ne Landwirtschaft. Villa deutete den „Traum vom Land“ an. Spä- ter sprach man in diesem Zusammenhang lie- ber von einem Landhaus, da nun auch kleinere mittelständliche Bauten als „Villen“ bezeich- net wurden.6 Eine „Stadtwohnung“ erfüllt nur einen Teil dieser Bedingungen. Stadtwohnungen sind in der Bonner Südstadt konzentriert. „Das ty- pische Südstadthaus wurde als bürgerliches Einfamilienhaus erbaut; die wenigen Mehr- familienhäuser bilden die Ausnahme. Die Re- präsentationsräume wie Ess- und Wohnzim- Stadtplan Bonn 1865, ganz rechts das Arndt- mer (häufig auch als Salon bezeichnet) waren Haus, dann Villa und Fabrik Guilllaume, es fol- in der Regel im Erdgeschoss angeordnet, wäh- gen Villa Sell, Villa Tuckermann, Schule und rend die Küche im Souterrain lag und meist Wohnhaus Kortegan, Villa Kyllmann/Dunck- mit dem darüber gelegenen Esszimmer durch lenberg und Villa Clason mit ihren Parks bis einen Speiseaufzug verbunden war; die erste zum Rhein, aus Sonntag 1994, S. 18 Etage enthielt die privaten Wohn- und Schlaf- räume. Toiletten und Badezimmer (soweit vor- Die vielfach unternommenen Reisen, dar- handen) befanden sich in den Zwischenge- unter mehrmonatige Weltreisen, hatten eben- schossen, weitere Schlafräume – häufig auch falls eine Doppelfunktion. Die dienten dem Mädchenkammern, denn ein bis zwei Dienst- eigenen Vergnügen und demonstrierten, was mädchen waren in bürgerlichen Haushalten man sich leisten konnte. Ausführliche Reise- üblich – im zweiten Obergeschoss. Diese Eta- berichte wurden an Freunde und Verwand- ge wurde infolge der in den 20er und 30er Jah- te verteilt.5 Dass dabei „soziales Kapital“ in ren zunehmenden wirtschaftlichen Schwierig- Form von Beziehungen und Prestige erworben keiten nicht selten zu einer eigenen Wohnung wurde, spielte eine Rolle. Dennoch sind die- umgestaltet.“7 Der Hausgarten ist kleiner, aber se Reisen von den reinen Geschäftsreisen klar oft parkähnlich gestaltet. Stadtwohnungen fin- abzugrenzen, die in der Regel ohne Begleitung den wir zunehmend gegen Ende des 19. Jahr- von Familienmitgliedern erfolgten. hunderts, als weniger betuchte Rentner, pen- 2
sionierte Beamte und Akademiker das Bild ter eines Kaufmannes aus Barmen-Gemar- bestimmten. In Godesberg wohnten die ent- ke, kam Ende 1806 nach Oberkassel und starb sprechenden Personengruppen im „Villenvier- 1835. Ihr Mann folgte 1837.11 Kinkel und sei- tel“. ne Familie waren 1831 nach Bonn gezogen. Das Pfarrhaus in Oberkassel, in dem die Fa- Die hier geschilderten Phänomene wa- milie Kinkel lebte und Gottfried Kinkel gebo- ren zwar im Kern auf das 19. Jahrhundert be- ren wurde, ist nicht erhalten. Die Bonner Woh- schränkt, ragten allerdings bei Alterssitzen nung ist mit „auf der Kaule, nahe der Mühle“ weit in das 20. hinein. nur annähernd zu lokalisieren. Jedenfalls alles andere als eine erste Adresse. BONN Oberkassel, Alt-Bonn, Vilich und Beuel Der Hauptwelle gingen einige Famili- en voraus. Sie hatten eigene Motive. Johann Gottfried Kinkel fand endlich eine Pfarrstel- le in Oberkassel. Die Fabrikanten Frowein und Aus’m Weerth wollten die Schutzzölle Napo- leons überspringen, die der bergischen Tex- tilindustrie schweren Schaden bereiteten. Die Fabriken wurden im französischen Bonn in säkularisierten Klöstern untergebracht. Die Wohnungen lagen ebenfalls in der Innenstadt. Dabei wurde, wie bei den Produktionsstätten, vorhandener Bestand übernommen. Die neuen Auf der Kaule, 1892, mit freundlicher Geneh- Fabriken waren für Bonn, das den bisherigen migung des Herausgebers nach Schlossma- Hauptarbeitgeber, den Hof, verloren hatte, von cher 2. Aufl. 2010, S. 85 erheblicher Bedeutung. Sie halfen, die Prob- lemjahre bis zur Einrichtung der Bonner Uni- versität 1818 zu überbrücken. 1819 wirbt der Alt-Bonn Zuckerbäcker Abraham Schröder in der Brü- dergasse für sein „Elberfelder Kaffeehaus“.8 Peter Friedrich und Jacob aus’m Weerth waren Brüder. Peter Friedrich (1779-1852) Oberkassel kaufte 1822 das Wohnhaus des Kommerzi- enrates Löltgen an der EckeVierecksplatz/ Johann Gottfried Kinkel und seine Hundsgasse (Vierecksplatz 867).12 1803 hatte Frauen Jacobina Carolina Ingenohl und Sy- er das weitläufige Areal des ehemaligen Kapu- billa Maria Beckmann waren anscheinend zinerklosters gemietet, 1806 gekauft13 und da- die Ersten. 1801 erhielt Johann Gottfried Kin- rin die Textilfirma „Werth & Peill“ eingerich- kel (1758-1837), der Vater des Dichters und tet (Spinnerei, Weberei, Färberei, Druckerei).14 Revolutionärs, den Ruf ins damals Bergische 1805 gehörten Weerth und sein Compag- Oberkassel, nachdem er zuvor 12 Jahre Di- non und Schwager15 Peter Conrad Peill (1776- rektor der Lateinschule in Elberfeld gewesen 1835) zu den Mitgliedern der Freimaurerloge war.9 Er war der einzige evangelische Pastor „Frères Courageux“. Als Weerth I war er Mit- im weiten Umkreis. Kollegen fand er nur in glied der „Lese- und Erholungsgesellschaft“. der evangelischen Exklave Oberwinter. Seine Er war mehrere Jahre Presbyter der Evange- erste Frau, Tochter des bekannten Elberfelder lischen Kirchengemeinde Bonn. Von seinem Zinngießers Ingenohl,10 wurde 1805 in Ober- Sohn Ernst aus’m Weerth (1829-1909) wur- kassel beerdigt. Kinkels zweite Frau, Toch- den 1910 Jugenderinnerungen veröffentlicht. 3
straße 408 angegeben, was wahrscheinlich die Adresse des Kapuzinerklosters war. 1818 wurde Jacob als Weerth II Mitglied der Lese,18 1819 war er für ein Jahr Presbyter der evange- lischen Gemeinde.19 Als er am 1. März 1844 im Alter von 57 (!) Jahren starb, wohnte er im- mer noch in der Kölnstraße. Pastor Wichel- haus hielt die Grabrede. Johann Karl Friedrich Frowein (1781- 1829)20 aus Unterbarmen richtete 1804 im ehe- maligen Franziskanerkloster zusammen mit Das Kapuzinerkloster 1897, nach Schlossma- Carl Reinhard Berg und dem Mechanikus Hei- cher 2007, S. 38 del21 die Baumwollspinnerei „Frowein, Berg & Co.“ ein. Das Kloster hatte er für 3.000 Taler Er schrieb: „Mein Vater kaufte für seine Pri- erworben. vatwohnung das anstoßende Haus an der Ecke des Vierecksplatzes und der Hundsgasse von Die Spinnerei war das bedeutendste Tex- Kammerrat Löllgen (recte Löltgen HH) und tilunternehmen Bonns. Es wurde 1817 einge- ließ es für damalige Zeit elegant einrichten. stellt, nachdem die französischen Schutzzöl- Der als Maler in der Geschichte der Düssel- le für das linksrheinische Gebiet weggefallen dorfer Akademie namhaft gebliebene Maler waren. Frowein lebte aber bis zu seinem Tod Pose schmückte einen Saal und zwei anstoßen- weiter in Bonn. Ab 1816 wohnte er am Vier- de Zimmer des erstes Stockwerkes in wahrhaft ecksplatz 825 in einem Haus, das vorher von künstlerischer Weise aus. Auf gelbem Grund Heidel bewohnt worden war.22 1817 wurde Fro- standen im Saal in getrennten Feldern auf Pos- wein Stadtrat in Bonn. 1820 wechselte er zum tamenten Vasen, gefüllt mit den buntesten, Haus An den Kapuzinern 876. Frowein starb und ich darf wohl sagen, entzückenden hohen 1829, seine Frau 1845 in Bonn. Die Samm- Blumensträußen. Die Felder des dritten Zim- lung Froweins von 116 Gemälden wurde 1841 mers waren in architektonischen Feldern ein- verkauft. Eine Enkelin war mit dem aus Nor- facher gehalten, weil in diesen die Porträts der wegen stammenden Düsseldorfer Kunstma- Großeltern und die von Kolbe gemalten Bilder ler Vincent Stoltenberg-Lerche verheiratet.23 meiner Eltern hingen,16 außerdem zwei herr- 1972 wurde in Bonn eine Straße nach Frowein liche Gemälde von David, welche die Brust- benannt. Das Franziskanerkloster stand nach bilder Moses und Jesus darstellten. Prächtige Stilllegung der Fabrik 14 Jahre leer. Es wur- französische Teppiche, Möbel von Palisander de dann von dem Ökonomen Franz Raeß zu mit eingelegten Metallen, hellgrün-seidene einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Vieh- Vorhänge mit gelben Seidenquasten, auf dem zucht, Brennerei und Badeanstalt umgestal- Ofen ein vergoldeter Amor, der schwebend mit tet.24 dem einen Fuß die Weltkugel berührte, gaben insgesamt ein einheitliches Bild der Einrich- Über den Teilhaber Reinhard Berg aus So- tungsweise des Empire.“17 Die Fabrik bestand lingen 25 verfügte man über beste Beziehungen bis 1852. nach Paris. Bergs Schwester war mit dem Mar- schall Napoleons Jean de Dieu Soult verheira- Jacob aus’m Weerth (1785-1844), der tet. Berg hat die ersten Schritte zur Errich- jüngere Bruder von Peter Friedrich, betrieb tung einer evangelischen Gemeinde in Bonn im Kapuzinerkloster in der Kölnstraße eine getan.26 Mit dem Bonner Oberbürgermeister Strumpfwirkerei. Er wohnte 1816 in der Bonn- stellte er die erste Liste der evangelischen Ein- gasse 328. Später wird als Anschrift Köln- wohner Bonns zusammen.27 Er war Mitglied 4
des ersten Bonner Presbyteriums. Zur Tau- ter Bemberg. Lausberg selbst war vermutlich fe des Sohnes Carl Moritz Gerhard Berg im Inhaber der Firma „Friedrich Lausberg, Carls Oktober 1818 durch den Professor der evan- Sohn“, Farbwaren und Hutstoff-Handlung im gelischen Theologie Sack erschienen als Zeu- Hofkamp gewesen. Er war seit Juni 1777 mit gen Ernst Moritz Arndt und Constanze aus’m Henriette Maria Katharina Hoecker verheira- Weerth. tet. Seine Frau ist noch in einer 1818 erstellten Liste der evangelischen Einwohner Bonn auf- geführt.31 1819 zahlte sie vierteljährlich 3 Ta- ler Kirchgeld an die evangelische Gemeinde, d. h. so viel wie Carl Berg und Stadtrat Fro- wein.32 1822 ist sie in der Liste der Evangeli- schen nicht mehr genannt. Vilich und Beuel Johann Wilhelm Windgassen (1779-1852) lebte als Obergeometer zunächst aus berufli- chen Gründen in Bonn. Er wurde in Barmen geboren und war seit 1805 mit Anna Schmitz aus der Gemarke verheiratet. Er wohnte mit Häuser am Vierecksplatz, rechts mit Durch- seiner Familie von 1825 bis etwa 1843 im alten fahrt Nr. 825, 1897/98, nach Schlossmacher Stiftgebäude von Vilich; denn er sollte für die 2007, S. 68 Samtgemeinde Vilich Uraufnahmen für ein Kataster durchführen. Friedrich Lausberg (1753-1817) aus El- Als er reiche Erzlagerstätten aufgefunden berfeld wohnte bereits 1814 als Rentner in hatte, entschloss er sich, den öffentlichen Dienst Bonn am Münsterplatz im Haus Nr. 117.28 Spä- zu quittieren und eine Eisenhütte im Siegtal zu ter wurde die vermutlich gemietete Wohnung errichten. Diese Experimente waren zunächst von Professor Ferdinand Delbrück übernom- wenig erfolgreich. Windgassen zog sich 1843 men. Nach dem Stadtplan von Hundeshagen aus dem Unternehmen zurück. Aus seinen Ver- müsste es sich bei dem Haus 117 um das späte- suchen im Siegtal ging aber das heute noch be- re Palais von Fürstenberg und die heutige Bon- stehende Warmwalzwerk in Troisdorf hervor. ner Hauptpost gehandelt haben. Windgassen lebte als Rentner in Beuel und wohnte bis zu seinem Tod im Mehlem’schen Im Dezember 1817 starb Lausberg in Bonn Haus.33 Das Barockhaus war 1785 durch die Fa- an einem Nervenfieber. Der Tod wurde von milie Mehlem errichtet worden. den Fabrikanten Carl Reinhard Berg, dem Kompagnon von Karl Friedrich Frowein, und Soweit die Vorläufer. Peter Wilhelm Cramer angemeldet. 29 Im April des Jahres war Lausberg noch als Ältes- Koblenzer Straße ter (Presbyter) der Evangelischen Kirchenge- Das Siedlungsgebiet der reichen Kauf- meinde bei der Taufe einer Tochter von Carl leute und Industriellen am Rhein begann in Reinhard Berg, anwesend. Die Taufe voll- Bonn. Vor allem südlich der Stadt an der Ko- zog der Pfarrer aus der evangelischen Enkla- blenzer Straße gab es bis zur Jahrhundertmit- ve Oberwinter.30 Lausbergs Eltern waren der te geeignete Grundstücke. Die erste Villa ent- Weingroßhändler Gerhard Wilhelm Lausberg stand 1819. Aber die Konkurrenz war groß. und dessen erste Frau Wilhelmina Catharina Auch Einheimische waren unter den Bauher- Bemberg, die älteste Schwester von Johann Pe- ren. Allerdings war der Anteil der evangeli- 5
schen (also in der Regel zugereisten) Hausbe- Augsburgischen Konfession verlangte, war sitzer sehr hoch.34 Die meisten Wohnhäuser dies für Wichelhaus der letzte Anlass, um sei- waren Dauerwohnungen.35 Es gab in Bezug ne Entlassung als Pfarrer zu bitten. Schon lan- auf Größe, kunstvolle Darstellung und park- ge hatte er sich vom Pietisten zu einer mehr artiges Umfeld der Bauten beträchtliche Un- freisinnigen Denkweise durchgerungen und terschiede. Zu den eher bescheidenen Villen an manchen Glaubenssätzen Anstoß genom- gehörte das Haus des ersten Bonner evange- men. Die Lehren von der Erbsünde, der Drei- lischen Pastors. einigkeit, der Doppelnatur Christi und der Prä- destination gehörten dazu. Den Schriften des Johannes Wichelhaus kaufte 1849 von Apostels Paulus und der Offenbarung Johan- der Witwe Augusti36 für 12.000 Taler ein Haus nis stand er kritisch gegenüber. Die Verfasser an der Rheinseite, Koblenzer Straße 4, (1870 der Bibel seien Menschen gewesen, ihrer Zeit Nr. 7),37 das ursprünglich von Gustav von verhaftet und nicht ohne Irrtum. Nach intensi- Recklinghausen als „Spekulations“-Objekt vem Bemühen gelang es dem Freunde Wichel- gebaut worden war. Das eher bescheidene Ge- haus’, Prof. Immanuel Nitsch, ihn zum Bleiben bäude im klassizistischen Stil konnte durchaus zu bewegen. Wichelhaus hat seine kritischen die Bezeichnung Villa für sich in Anspruch Ansichten nicht widerrufen, durfte aber trotz- nehmen; denn es war nur von Familie Wichel- dem sein Amt ausüben. Er war in der Gemein- haus bewohnt, rings von einem kleinen Park de sehr angesehen und ein beliebter Prediger. umgeben und vor allen Seiten architektonisch 1856 trat er in den Ruhestand. Er war seit 1818 gestaltet. Vor dem Hause floss der Godesber- mit Wilhelmina von der Heydt, einer Tochter ger Bach, was den Eindruck einer gewissen von Daniel Heinrich von der Heydt und Wil- Intimität vermittelte. Es lag neben dem Ho- helmina Kersten verheiratet. Das Ehepaar hat- tel Royal (dem heutigen Königshof) und war te fünf Kinder. von diesem durch einen Weg getrennt, der zur Villa Obernier führte. Der kleine Park war in- folge dessen nicht wie bei den benachbarten Villen bis zum Rhein durchgezogen. Das Ge- bäude war später im Besitz von Hubert und Ja- cob Eller. 1905 wurde es von Geheimrat Gus- tav Ebbinghaus gekauft und abgerissen.38 Johannes Wichelhaus (1794-1874), ältes- ter Sohn des Inhabers des Bankhauses „Jo- hannes Wichelhaus, P. Sohn“ in Elberfeld, war seit 1834 der erste hauptamtliche Pastor der kleinen evangelischen Gemeinde Bonn. Vor- Villa Wichelhaus 1887, der Godesberger Bach her war er reformierter Pfarrer in Mettmann ist zugeschüttet; aus Sonntag 1998, Bd. 1, S. 94 und Elberfeld gewesen. Die Bonner Gemein- de war uniert, was den streng reformierten Wichelhaus in schwere Gewissensprobleme Die große Villa Kyllmann-Duncklenberg, verwickelte, zumal er auch Militärpfarrer für Koblenzer Straße 40, (1870 Nr. 87, 1900 Nr. 97) die Bonner Garnison war. Er musste für die war ein Kontrastprogramm zu dem bescheide- überwiegend katholischen Soldaten den Got- nen Haus des Pastors. Sie wurde 1853 für Carl tesdienst nach der unierten Agenda abhalten. Gottlieb Kyllmann sen. im Stil des Klassizis- Als König Friedrich Wilhelm IV. in einer Ka- mus erbaut. Architekten waren für den Entwurf binettsorder vom 1. Februar 1846 von den Pre- Maximilian Nohl (1830-1863), für die Ausfüh- digern der unierten Gemeinden die volle An- rung Albert Dietrich, der wenige Jahre später erkennung der Bekenntnisse, also auch der auch die Villa Üllenberg plante. 6
Der Textilunternehmer Gottlieb Kyllmann nerin bis zu ihrem Tod 1927 in der Koblenzer (1803-1878) aus Solingen-Wald war durch sei- Straße.40 Die in Elberfeld geborenen Töchter ne Geschäftsbeziehungen nach England schon Gretchen und Bertha starben in Bonn. Die Vil- früh zu erheblichem Wohlstand gekommen. la Kyllmann brannte beim Luftangriff 1944 Er war mit Henriette Preyer aus Viersen, aus und wurde 1948/49 abgerissen. Auf dem Tochter eines Textilkaufmannes, verheira- Gelände steht heute das Auswärtige Amt.41 tet. In Manchester war er Teilhaber der Fir- ma Aders, Preyer & Cie. gewesen. 1855 zog Die Villa Busch-Springmann, Koblen- er nach Bonn in seine neu erbaute Villa. Kyll zer Straße 47, (1870 Nr.125, 1900 Nr.129) wur- mann spielte im Musikleben Bonns39 und in de 1855 für Eduard Busch (1795-1880) erbaut. der Evangelischen Gemeinde eine große Rol- Sie „war ein zweigeschossiger Bau mit einem le. Zur Rettung wichtiger Teile des Beethoven- Kellergeschoss als Sockel und einem Mansar- nachlasses stellte er eine bedeutende Summe dengeschoss mit mehreren in Eichenholz aus- zur Verfügung. Mit Mendelssohn-Barthol- geführten Giebelausbauten und vorkragenden dy, Brahms und Clara Schumann war er be- Dächern. Sie war massiv aus Ziegeln errich- freundet. Sohn Walter heiratete eine Tochter tet, vollständig mit Haustein verblendet und des Bildhauers Bernhard Afinger, der auch mit Schiefer gedeckt. Zwei Türme schmück- das im Zweiten Weltkrieg vernichtete Grab- ten die Villa, ein größerer, der das Haus mit mal der Familie auf dem Alten Friedhof in einem Turmzimmer überragte und ein kleine- Bonn schuf. Es stellte Henriette Kyllmann, die rer in der Funktion des Turms für die durch Ehefrau Gottliebs, beim Lautenspiel dar. Die die Geschosse führende Nebentreppe.“42 Eine Vögel lauschen. Die Töchter heirateten Wup- Abbildung ist nicht überliefert. Der große Park pertaler Unternehmersöhne. Adelheid (1834- wurde später u. a. genutzt, um dort die Kaiser- 1900) und Helene (1842-1916) verbanden sich Friedrich-Straße anzulegen und das Gelände mit den Söhnen von Wilhelm Simons, dem In- zu parzellieren.43 haber der größten Seidenweberei in Elberfeld. Eduard Busch, geboren 1795 in Rem- Adelheid heiratete Walter, Helene Louis Si- scheid, war als Baumwoll-Kaufmann in Li- mons. Ida (1835-1927) heiratete 1858 Conrad verpool tätig gewesen. Er heiratete 1838 Julie Duncklenberg jun. (1833-1869). Duncklenberg Springmann aus Barmen. Sein Schwager Emil war Mitinhaber der Türkischrotfärberei „J. C. Springmann (1812-1887) trat als Kompagnon Duncklenberg“, einer der größten in Elberfeld. in das Geschäft ein. Emil Springmann heirate- Er starb 1869 in Elberfeld. Seine Urne wurde te die Tochter Maria des Bonner Pfarrers Wi- nach Bonn überführt. Seine Frau Ida Dunck- chelhaus. Das Ehepaar lebte in England und lenberg geborene Kyllmann wohnte als Rent- nannte sein Wohnhaus in West-Derby „Dra- chenfels“.44 Die Mutter der Springmanns war Anna Magdalena Wuppermann aus Barmen. So war Busch mit zwei der bedeutendsten Fa- milien der Wuppertaler Oberschicht verbun- den.45 Eduard Busch und seine Frau sind am 13. und 14. Mai 1880 in Bonn verstorben. Er war Mitglied der „Lese- und Erholungsgesell- schaft“ in Bonn46 und gehörte wie Johannes Wichelhaus dem ersten Kuratorium der Fried- rich-Wilhelm-Stiftung, einem evangelischen Kranken–, Alters- und Armenhaus an.47 Der Schraubenfabrikant Wilhelm Funcke aus Ha- gen war ein Neffe Buschs. Er übernahm es, die Straßenseite der Villa Kyllmann-Duncklen- Villa und das Grundstück zu verkaufen und berg, aus Sonntag 1998, Bd. 2, S. 141 fand in den Gebrüdern Zuntz sel. Wwe. Kauf- 7
leute, die das Areal übernahmen. Sie bauten im Besitz von Hauptmann a. D. Windhorst. die Kaiser-Friedrich-Straße und parzellierten Windhorst wurde nach 1933 vom Heeresamt das Gelände auf beiden Seiten. Die eigentliche Köln abgelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg Villa Busch wurde anscheinend von Rechtsan- kam das Anwesen an die Universität Bonn, die walt Biesenbach erworben und um 1901 abge- es zur Kinderklinik umbaute. rissen. Auf dem Grundstück wurden die Häu- ser Kaiser-Friedrich-Straße 3 und 5 gebaut.48 Bauherren einer Doppelvilla auf dem ehe- Im Frühjahr1890 hatte für kurze Zeit Guido maligen Gelände der Villa Busch, jetzt Kai- de Weerth von Vettelhoven mit seiner Fami- ser-Friedrich-Straße, waren der Rentner W. lie in der Villa gewohnt. So konnte er die Bau- Diedenhofen und der Rechtsanwalt Dr. Bie- arbeiten an dem neuen Schloss in Vettelhoven senbach. Der Architekt war Hermann Schmitt im Auge behalten und gleichzeitig landwirt- aus Bonn.53 Während Biesenbach sein Haus schaftlichen Studien in Bonn nachgehen.49 Nr. 5 bis 1910 selbst bezog, war das Haus Nr. 3 von Diedenhofen nicht zur Eigennutzung Die Villa Spies, Koblenzer Straße 45a, bestimmt. Es wurde 1904 von Julius Au- (1870 Nr. 119) wurde um 1860 für Friedrich gust von Frowein (1869-1931) erworben. Der Albert Spies (1812-1892) aus Elberfeld ge- Wert der Villa betrug bei einer Grundstücks- baut.50 Friedrich Albert Spies stammte aus ei- größe von 892 qm 125.000 Goldmark.54 Julius ner weitverzweigten Siegerländer Familie. August von Frowein war Fabrikant in Elber- Johann Wilhelm Spies (1778-1834, der Groß- feld und Weingutsbesitzer in Oppenheim am vater?) kam aus Dillenburg nach Elberfeld. Rhein. In Bonn fungierte er als Handelsrich- Friedrich Albert Spies war Inhaber des Sei- ter und war Mitglied der „Lese“.55 Seine El- denhauses A. G. Spies in Elberfeld und mit tern waren August (von) Frowein (1839-1912) Johanna Maria Alwine Dietze, Tochter des und Maria Lina Bemberg (1846-1909). Julius Elberfelder Garnhändlers Peter Theodor Diet- August von Frowein war mit Elisabeth (Lis- ze verheiratet.51 Spies hatte zehn Jahre in sy) Furmanns (1877-1967) aus Viersen verhei- New York gelebt. Er war Teilhaber der Fir- ratet.56 Mit seiner jungen Frau unternahm er, ma „Spies, Christ & Co.“ in New York. Der Sohn Alwin Georg führte das Seidenhaus A. G. Spies (1846-1902) in Elberfeld weiter und heiratete Paula Wolff (1850-1911), eine Toch- ter von Hermann Wilhelm Wolff und Emma Sophie Feldhoff. Friedrich Albert Spies war Mitglied der „Lese“.52 Er starb 1892 in Bonn. Die Villa wurde verkauft. 1898 ist sie bereits Villa Spies, aus Sonntag 1998, Bd. 2, S. 318 Villa von Frowein, 2010, Foto Heidermann 8
bevor sie sich in Bonn niederließen, 1902/03 weiten Park tätig. Alle waren evangelisch. gemeinsam mit Arthur [vom] Baum, einem Wilhelm Loeschigk starb am 3. Dezember Vetter von Elisabeth,57 eine Reise rund um den 1887 in Bonn. Er war Mitglied der „Lese“ ge- Globus.58 Lissy schrieb einen Reisebericht für wesen.62 Seine Frau zog zu ihrer mit Bernhard Freunde und Verwandte. Julius August von Freiherr von der Heydt verheirateten Tochter Frowein soll nach dem Jahrbuch der Millionä- Annie Louise (1849-1922) nach Bad Homburg, re in der Rheinprovinz ein Vermögen von 5-6 wo der Geheime Regierungsrat von der Heydt Millionen Mark und ein jährliches Einkom- (1840-1907) als Landrat tätig war.63 1890 wur- men von 280.000 Mark gehabt haben.59 de von den Erben Loeschigk die Villa an Prinz Adolf zu Schaumburg-Lippe vermietet und Auch das ehemalige Bundeskanzleramt, 1894 an ihn verkauft. Die Elberfelder Episode Koblenzer Straße 141,60 in Bonn hat eine Elber- war zu Ende, aus der Villa wurde durch erheb- felder Geschichte. Zunächst gehörte der größ- liche Erweiterungen das Palais Schaumburg. te Teil des Grundstückes der Familie Aus’m Die traurige Geschichte der preußischen Prin- Weerth und wurde 1857 von dem ersten Bau- zessin Viktoria zu Schaumburg-Lippe, die zu- herrn Aloys Knops, einem Tuchfabrikanten letzt im Hotel Villa Friede in Mehlem wohn- aus Aachen, von Ernst aus’m Weerth erwor- te und an Lungenentzündung starb, kann hier ben. Bevor das Wohnhaus auf dem nochmals nicht erzählt werden. erweiterten Besitz fertiggestellt war, ging das Anwesen 1860 in den Besitz des Kaufmannes und US-Staatsbürgers Wilhelm Loeschigk (1808-1887) über. Der neue Besitzer erweiterte das Haus und ließ im auf 10 ha. vergrößerten Park mehrere Nebengebäude errichten. Loeschigk hatte in New York ein Import- geschäft für Tuche, Samt und Seide betrieben. Er stammte aus Schwarza in Thüringen. In El- berfeld war er Lehrling in der Seidenweberei Burmann & Meckel gewesen. Zur Weiterbil- dung ging er nach Manchester und dann als Vertreter nach New York. Dort machte er sich bald selbstständig. Die europäische Repräsen- Villa Loeschigk, etwa 1880, aus Sonntag 1998, tanz seiner Firma war in der Hofaue in Elber- S. 218 feld. Dort befand sich auch das Geschäft von August Jacob Wesendonk. 1833 trat Otto We- sendonk auf Veranlassung seines Vaters in das Geschäft Loeschigks ein, das jetzt Loeschigk, Wesendonck & Co. hieß, und vertrat dessen Interessen in Europa.61 1847 heiratete Wilhelm Loeschigk Emmy Winkelmann aus Elberfeld und holte sie mit ihrer Schwester nach Ame- rika. Die Söhne Carl und William Otto und die Tochter Annie Louise wurden in Ameri- ka geboren. In Bonn kamen die Tochter Emmy Maria Elisabeth und der Sohn Robert hinzu. Neben der evangelischen Familie waren nicht Das Palais Schaumburg, historische Post- weniger als 10 Bedienstete, darunter ein Ober- karte, Foto Stadtarchiv und Stadthistorische gärtner und ein Gärtner, im Hause und in dem Bibliothek Bonn. 9
Als Kuriosität sei erwähnt, dass auch die Villa Hammerschmidt, der Bonner Sitz des Bundespräsidenten, einen weitläufigen Be- zug zum Wuppertal hat. Der erste Bauherr der Villa war Albrecht Troost aus Mülheim an der Ruhr, der aus dem in Elberfeld an- sässigen Geschlecht stammte und in der Vil- la von 1860 bis 1868 wohnte. Architekt war der Bonner Universitätsbauinspektor August Dieckhoff. Troosts Vorfahren hatten sich in Mülheim an der Ruhr niedergelassen und dort 1791 eine Spinnerei, Weberei und Stoffdrucke- rei gegründet.64 1868 wurde die Villa an Leo- pold Koenig verkauft, der sie nochmals erwei- tern und durch den Architekten Otto Penner umbauen ließ. In der Südstadt In der Südstadt wird die soziale Zusam- mensetzung der aus dem Wuppertal stammen- den Bewohner bunter. Auch hier gibt es Un- ternehmer und Kaufleute, aber wenige aus den „großen“ Familien. Pensionierte Beamte fin- Colmantstraße 4, 2010, Foto Heidermann den wir neben Privatgelehrten. Soweit sie in Bonn oder Bad Godesberg beerdigt wurden, habe ich Kurzlebensläufe in meinem Aufsatz „Unter Linden an dem Rhein“ in „Geschichte im Wuppertal“ 2008 mitgeteilt. Sie sollen hier nicht wiederholt werden. Heute ist es schwierig, definitiv zu klären, ob es sich bei den an der Landseite der Kob- lenzer Straße entstandenen Gebäuden, die zur Lessingstraße 36-42, Zustand 1970, aus Lan- deskonservator 1973, Nr. 41 Poppelsdorfer Allee 34, 2010, Foto Heidermann 10
Südstadt gerechnet wird, um Stadtvillen oder tens-Schaaffhausen, war Üllenbergs nördli- Stadthäuser65 in einer Reihenbebauung han- cher Nachbar. Üllenbergs südlicher Nachbar delte. Die Darstellung auf den Stadtplänen von war das Evangelische Knabenpensionat des 1865 und 1885 weist ab der Ecke Weberstraße Engländers William Wenborne (1835-1860),71 eine lockere Bebauung auf.66 Wir können hier später der altkatholische Bischof Joseph Hu- auch nicht alle noch vorhandenen Südstadt- bert Reinkens. Der Architekt der großzügi- Häuser, die von Wuppertalern bewohnt wur- gen, frei stehenden Villa war Albert Dietrich, den, abbilden. Es handelt sich in der Regel um Bonn, als Bauunternehmer fungierte der Zim- dreistöckige Dreiachsen- oder Vierachsenhäu- mermann Gottfried Weber. Der Entwurf sah ser. In seltenen Fällen haben sie eine Durch- ein fünffenstriges, zweieinhalbstöckiges Haus fahrt zum Hof. Die Dekoration ist entweder vor, das Üllenberg anscheinend mit seiner Fa- klassizistisch oder vom typischen Eklektizis- milie allein zu bewohnen gedachte.72 Im Hof mus der „Gründerzeit“ geprägt. sollten eine Wagenremise und ein Pferdestall errichtet werden. 1873 stellte Üllenberg den Das Haus Adolf von Griesheims (1820- Antrag, in seinem Garten ein Treibhaus zu 1894) lag an der Koblenzer Straße, heute Ade- bauen, was auch genehmigt wurde. Später war nauerallee 30. Der Rentner, ehemalige Ge- das Haus im Besitz des Schuhgroß- und Ein- schäftsführer und Miteigentümer der Firma zelhändlers Jean Duell. Als er 1924 im Hof „Ermen und Engels“ in Engelskirchen, be- eine Großgarage bauen und das Erdgeschoss wohnte ein Einfamilienhaus in Reihenbebau- an einen Autohändler vermieten wollte, gab ung. Es wurde während des Zweiten Weltkrie- es heftigen Protest der Anwohner. „Einer der ges zerstört. 1949 war das Trümmergrundstück schönsten Gärten Bonns soll der Anlage zum noch im Besitz der Erben von Griesheim.67 Opfer fallen“, hieß es in einem Schreiben an Später wurde dort ein Neubau errichtet. den Oberbürgermeister. 1935 war das Gebäu- de im Besitz des Gerlingkonzerns, der einen Der pensionierte Lehrer Dr. h. c. Johann Antrag auf Umbauten in der Raumaufteilung Friedrich Wilberg (1766-1846) bewohnte das stellte, da die Wohnungen in dem gegenwär- Reihenhaus Koblenzer Straße 46, heute Ade- tigen Zuschnitt nicht zu vermieten seien. Die nauerallee. Es handelte es sich um den mittle- Straßenfront wurde leicht verändert, der Ge- ren Bau einer Dreihäusergruppe Nr. 44, 46 und samtcharakter einer klassizistischen Großvil- 46a. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg la blieb aber erhalten. zerstört und durch einen Neubau ersetzt.68 Das Haus des wohlhabenden Rentners Carl Hecker (1795-1873)69 kam als Betei- Otto von Eynern (1844-1916)73 befand sich ligter am Elberfelder Aufstand und demzufol- an der Endenicher Allee 26, ab 1916/17 infolge ge auf Druck von August I von der Heydt un- Umnummerierung 42. Das vermietete Neben- freiwillig nach Bonn. Als Rentner wohnte er haus gehörte ebenfalls von Eynern. 1918/19 in der Koblenzer Straße 102c, heute Adenauer- waren beide im Besitz der Erben v. Eynern. allee 56. Das Reihenhaus lag an der Einmün- 1920 wurden die Häuser an das Rote Kreuz dung der Weberstraße in die Koblenzer Straße. verkauft, das dort Mutterhäuser einrichtete. Ernst Moritz Arndt wohnte gegenüber. Die Der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg folgten Häuser wurden 1944 zerstört und später durch 1950 moderne Wohnungsbauten. Noch heute Neubauten ersetzt. hat die Straße mit Alleebäumen und den sehr tiefen Vorgärten ihren besonderen Charme. Der Rentner Robert Üllenberg (1817- 1896)70 ließ 1858/59 ein Haus an der Koblen- Dr. Julius Plücker (1801-1868), Professor zer Straße 90, heute Adenauerallee 90, bauen. an der Universität Bonn, wohnte im Haus Pop- Der Bonner Universitätsprofessor Friedrich pelsdorfer Allee 35 mit weiteren vier Parteien Heimsoeth, Schwiegersohn von Sibylle Mer- zur Miete. Das Haus an der Ecke zum Bonner 11
Talweg war 1865 gebaut worden. Es handelte fing.76 Es war im Zweiten Weltkrieg zerstört sich um ein großes dreigeschossiges Vierfens- worden und wurde durch einen Neubau er- terhaus im klassizistischen Stil. Hausbesit- setzt. Der Sohn, der Privatgelehrte Dr. Ernst zer waren Louis Hofmann, später seine Er- Wülfing (1863-1913), besaß das Haus Lessing- ben. Frau Plücker verzog nach dem Tode ihres straße 40.77 Die Häuser an der Lessingstraße Mannes zur Poppelsdorfer Allee 78.74 Das alte waren 1897 von Carl Koch für den Rentner F. Haus ist nicht mehr vorhanden. An seine Stelle W. Bachem als „Spekulationshäuser“ erbaut sind Bürohäuser getreten. Die Julius-Plücker- worden und sind heute noch erhalten.78 Straße erinnert in Bonn an den Universitäts- professor aus Elberfeld. Das Haus von Johann Friedrich Hec- tor Philippi (1802-1880), Landgerichtspräsi- Der Rentner und ehemalige Inhaber der dent a. D., lag an der Reuterstraße (Nr. 14).79 Färberei „A. Schlösser & Sohn“ Anton Schlös- Bei dem heute vom Verkehr umtosten Gebäu- ser (1797-1885) besaß ein prächtiges Haus im de, damals in ruhiger Gegend, handelt es sich klassizistischen Stil an der Poppelsdorfer Al- um eines der in der Bonner Südstadt häufigen lee (Nr. 34). Eine Durchfahrt für Kutschen und Dreiachsenhäuser klassizistischen Zuschnitts. Lastwagen in den Hof zeichnet das heute noch vorhandene Haus vor anderen aus. Carl Ferdinand vom Baur (1819-1913), Rentner und einfacher Millionär, Mitinhaber Auch das Haus des Rentners und ehema- einer Bandfabrik in Ronsdorf,80 bewohnte zu- ligen Kaufmannes aus Barmen Gustav vom nächst das Haus Colmantstraße 4,81 später das Baur (1812-1880) befand sich an der Pop- größere – wahrscheinlich in seinem Auftrag pelsdorfer Allee (Nr. 82). Architekt war Al- erbaute – Haus Nr. 12. 1914 stand dieses Haus bert Dietrich. Das Haus im Stil der Neorenais- leer.82 Es ist heute nicht mehr vorhanden. Haus sance wurde 1932 abgerissen. Heute befindet Nr. 4, eine Doppelhaushälfte, besteht noch sich auf dem Grundstück ein Neubau mit Eta- heute. Es ist ein klassizistisches Dreifenster- genwohnungen.75 haus mit Mitteltür. Dr. Gustav Bernhard Wolff (1863-1911), Landgerichtsrat a. D, lebte im Hause Helm- holtzstraße, heute An der Elisabethkirche 4. Es handelt sich um ein zweiachsiges Haus mit Veranda und Erker im Stil der Gründerzeit. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Dr. h. c. Carl Emil Lischke, (1813-1886). Oberbürgermeister a. D. Lischke bewohnte ein nobles vierachsiges Reihenhaus mit Bal- kon Colmantstraße 31.83 Das Haus war später im Besitz der Witwe des Bonner Oberbürger- meisters Doetsch.84 Es ist noch heute vorhan- Entwurfszeichnung von Albert Dietrich, Foto den. Stadt archiv und Stadthistorische Bibliothek Brunn Friedrich Plümacher (1819-1905) lebte als Rentner in der Schumannstraße 67. Der Super- Der Rentner Ernst Wülfing (1820-1900) intendent a. D. hatte. die Wohnung in einem wohnte Quantiusstraße 11. Das Haus, das von dreifenstrigen zweistöckigen Reihenhaus der der Witwe Wülfing noch 1910 bewohnt wurde, Bonner Südstadt nicht als Eigentum erwor- war auch 1950 noch im Besitz der Erben Wül- ben, sondern gemietet. Es waren wohl die Er- 12
innerungen an seine Studienzeit und die Nähe 1888 verstarb. Der Sohn aus erster Ehe, Fried- zur theologischen Fakultät und zu den Univer- rich Albert Lange, blieb als Philosoph und So- sitätskliniken, die den über achtzigjährigen zialist in Erinnerung. Pfarrer und Superintendenten veranlassten, etwa 1895 nach Bonn zu ziehen. Plümacher Die frei auf einem Berg stehende Rosen- starb in Bonn, wurde aber in Neviges begra- burg in Bonn Kessenich wurde 1831 im Auf- ben. trag von Professor Georg August Goldfuß erbaut. Der Architekt war Carl Alexander Hei- Das Reihenhaus des Rentners und ehema- deloff.89 Der akademische Zeichenlehrer der ligen Inhabers einer Türkischrot-Färberei Dr. Universität Bonn Christian Hohe präsentierte Robert Neuhoff (1843-1910) Baumschulallee den Neubau in einer Lithografie als Teil eines 3285 wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, die Burgendreiecks, bestehend aus Rosenburg, Reste wurden aus Sicherheitsgründen abgeris- Godesburg und Drachenfels.90 Ein weitge- sen.86 Heute steht dort ein modernes Bürohaus. hender Umbau erfolgte 1870/71 durch Gustav Schlieper jun. (1837-1899).91 Für den aus Sonnborn stammenden Profes- sor der Theologie und Oberkonsistorialrat Jo- Gustav Schlieper jun. war Teilhaber der hann Peter Lange (1802-1884) war wichtig, bedeutenden Stoffdruckerei Schlieper & Sohn dass er die Universität zu Fuß erreichen konnte. in Elberfeld. Er war verheiratet mit Helene Er wohnte in dem ihm gehörenden Haus Me- Baum, Tochter von Peter Rudolf Baum, der ckenheimer Straße 64, jetzt Thomas-Mann- ebenfalls Teilhaber der Firma war. 1860 wur- Straße 64. Nach seinem Tod und dem Umzug de er Mitglied der „Schützengesellschaft am seiner Frau nach Düsseldorf wurde das Haus Brill“. 1895 musste er sich wegen seiner ange- von Rechtsanwalt Levy erworben, ihm folgte griffenen Gesundheit aus Geschäft und Poli- 1910 Rechtsanwalt Ernst Hermanns. Schließ- tik zurückziehen. Er lebte im Sommer in Bonn lich war 1938 die Firma „Keramag“ (Kerami- und im Winter an der Riviera. Dort starb er sche Werke AG) Besitzerin des Hauses. Sie 1899. ließ die Fassade dem benachbarten „Keramag- Haus“ anpassen. Das Haus wurde 1970 abge- Nach dem frühen Tod von Gustav Schlie- rissen. Heute befindet sich dort die Betriebs- per heiratete Helene Baum in 2. Ehe Ernst leitstelle der Stadtwerke Bonn. Roeber, den aus Elberfeld stammenden Direk- Auf Peter Langes bemerkenswerten Le- tor der Düsseldorfer Kunstakademie. Sie starb benslauf und sein umfangreiches theologi- am 2. August 1912, Roeber starb 1915 in Düs- sches Lebenswerk kann hier nicht einge- gangen werden. Die Allgemeine Deutsche Bibliografie gibt eine gute Einführung.87 Lan- ge war in erster Ehe mit der Pastorentochter Amalie Garenfeld und in zweiter Ehe mit Ma- ria Anna Colsman verheiratet.88 Als Pastor in Langenberg war er mit dem Vater des Malers Gustav Adolf Köttgen befreundet und veröf- fentlichte 1839 eine Sammlung der Gedichte dieses erfolgreichen Unternehmers. Dass die kurze Zeit seines Wirkens in Langenberg für ihn sehr wichtig war, mag die Tatsache bezeu- gen, dass er nach dem Tod seiner ersten Frau 1861 mit einer Langenbergerin eine zweite Ehe einging. Nach dem Tod ihres Mannes zog Maria Anna Colsman nach Düsseldorf, wo sie Die Rosenburg, 2010, Foto Heidermann 13
seldorf. Danach stand die Villa leer. 1919/20 hatte aber nicht das nötige Geld. Als dann das wurde sie an das Apostolat des Priester- und so genannte „Erbhofgesetz“ erlassen wur- Ordensberufs verkauft und wurde Priesteraus- de, gab es zusätzliche Schwierigkeiten. Otto bildungsstätte. Ab 1936 Deutsche Wehrmacht. Boeddinghaus war ledig. Als Erbe kamen nur Von 1950 bis 1973 Sitz des Bundesjustizmi- seine Schwester Ruth und deren Töchter infra- nisteriums. Danach bis 2006 vom Bundesver- ge. Nun war aber in diesen Stamm vor 1800 teidigungsministerium genutzt. Heute Eigen- auch jüdisches Blut geflossen. In einem sol- tumswohnungen.92 chen Fall schloss das Gesetz die Vererbung aus. Boeddinghaus verpachtete das Gut an die Das seit Mitte der 1845er Jahre bestehen- Familie Werhahn. Der Knoten löste sich, als de Gut Melb (Bonn-Poppelsdorf, Melbweg 41 die Stadt 1936 ein passendes Gelände für die und 4) wurde 1899 von dem Elberfelder Otto neuen Universitätskliniken suchte (auf dem Boeddinghaus jun. (1872-1940) erworben. Venusberg standen bekanntlich Flakkasernen). 93 Er war der Sohn von Otto Boeddinghaus 1939 kam der Kauf zustande. Otto Boedding- sen. (1845-1874), verheiratet mit Selma Baum haus starb am 7. März 1940 im Kreise seiner (1850-1924), Teilhaber an der Firma Wilhelm Elberfelder Familie. Boeddinghaus & Co. in Elberfeld. Der Junior bezeichnet als seinen Beruf Landwirt und trat, Die neuen Unikliniken wurden nicht ge- aus welchen Gründen auch immer, nicht in die baut. Die Landwirtschaft war bis 1944 an Wer- Firma ein. hahn verpachtet. Nach Kriegsende wurde das Herrenhaus von der Universität genutzt. Heute Von vor 1852 datiert die Backsteinbrücke ist darin das „Institut für landwirtschaftliche über das romantische Melbtal, die 1852 von Zoologie und Bienenkunde“ untergekommen. Wilhelm Schirmer gemalt wurde. Der landwirtschaftliche Bereich ist teils ver- pachtet, teils vom Botanischen Garten Bonn Das Gut hatte eine Größe von 285 Morgen, als Versuchs- und Demonstrationsgelände ge- darunter zwölf Morgen Wald und fünf Morgen nutzt. Der Gelände in Bereich von Ippendorf Park. Der Kaufpreis betrug 350.000.- Mark. wurde für Siedlungsbauten freigegeben. Hinzu kamen 250.000.- Mark Instandset- zungs- und Erweiterungsinvestitionen. Dazu gehörte auch ein sechseckiges Geflügelhaus in chinesischem Stil, das leider nicht mehr er- halten ist. Schließlich wurden noch 30 Morgen für 45.000.- Mark hinzugekauft. Zum Gutsge- lände gehörte der größte und schönste Teil des romantischen Melbtals. Das Guthaus, 1881 durch den damaligen Besitzer, den aus Soest stammenden Rentner Wilhelm Gabriel, wesentlich umgestaltet, hat Herrenhaus von Gut Melb, 1881 umgebaut, bis heute erhaltene kunstvolle Fliesenböden, aus Berzheim 2001, S. 51 ein hölzernes Treppenhaus und einen „krö- nenden“ Turm. 35 Zimmer wurden gezählt.94 GODESBERG Nach Versuchen in der Milch- und später in der Fleischwirtschaft kam Boeddinghaus An Johann Abraham Troost (1762-1840), zu der Erkenntnis, dass das Gut wirtschaftlich den Gründer der Firma Abraham Troost & nicht zu führen sei und bemühte sich um ei- Söhne in Elberfeld und Manchester, erinnert nen Verkauf. Die Stadt Bonn war interessiert, eine Grabstele auf dem Godesberger Burg- 14
friedhof. Sein Haus soll in der Nähe des Hau- der nach Hermann J. Mahlberg möglicherwei- ses von Dr. Franz Joseph Schwann I (Schwann se von Maximilian Friedrich Weyhe entworfen I)95 am Grünen Weg, heute Rheinallee 1, ge- wurde.102 Carl Aders war ein Sohn von Johann legen haben. Näheres ist nicht bekannt.96 Ein Caspar Aders (1719-1798). Der in Elberfeld be- Porträt von Heinrich Christoph Kolbe, das als kanntere Johann Jacob Aders war sein Bru- verschollen galt, befindet sich im Besitz von der. Carl war Mitinhaber des Bankhauses Nachfahren. Jamesen & Aders in London. Die Gemälde sammlung war reich an bedeutenden Werken Der Sohn aus erster Ehe Eduard Abraham und galt als kulturelle Attraktion Godesbergs. Troost (1791-1869) lebte ebenfalls in Godes- So schrieb Johanna Schopenhauer 1828. Sie berg. 1854 wird er als Godesberger Mitglied musste aber hinzufügen, dass die „altnieder- der evangelischen Gemeinde Bonn erwähnt.97 rheinischen Stücke“, die sie noch vor Kurzem Er war Gründungsmitglied der evangelischen in der Sommervilla habe bewundern können, Gemeinde Godesbergs und deren großzügiger in den Hauptwohnsitz von Aders nach London Förderer. 1865 spendete er 1.000.- Taler.98 In überführt worden seien. Die wichtigsten Wer- erster Ehe war er mit Maria Elisabeth van der ke dieser Sammlung befinden sich heute in der Beek, in zweiter Ehe mit Sophie Wittenstein National Gallery in London, im Louvre und (1811-1898) verheiratet. Eduard Troost starb im Metropolitan Museum in New York. Aders 1869 in Elberfeld. war seit 1829 mit der Malerin Eliza Smith ver- heiratet. Sie wohnte im Sommer in Godes- Die erste Frau des Enkels von Johann Ab- berg. Aders organisierte auch die berühmte ro- raham, Robert Troost (1816-1874), Maria mantische Rheinreise der englischen Dichter Woeste starb 1861 in Godesberg,99 wo sie sich Coleridge und Wordsworth, mit denen er be- vermutlich aus gesundheitlichen Gründen auf- freundet war. Zweimal machten sie bei ihm in hielt. Schon damals lebte die Familie von Ro- Godesberg Station. Anfang der 1830er Jahre bert Troost in Manchester. Maria Woeste war hatte Aders mit geschäftlichem Misserfolg zu eine Tochter von Karl Woeste und Johanna kämpfen. 1835 musste er die Redoute verkau- Frederika Boeddinghaus. Karl Woeste war fen. Die Gemäldesammlung und seine beacht- durch seine Heirat zum Teilhaber der Firma liche Bibliothek wurden versteigert. Der letzte „J. H. Funcke Eydam Boeddinghaus & Co.“ geworden. Auch den heute in Godesberg le- benden entfernten Verwandten ist es nicht ge- lungen, die Wohnstätten der Familien Troost in Godesberg ausfindig zu machen. In Godesberg begegnet uns 1811 der Elber- felder Kaufmann und Bankier Daniel Hein- rich von der Heydt (1767-1831) als Käufer der Redoute und des Komödienhauses. Wie- weit er sie angesichts wirtschaftlicher Schwie- rigkeiten in den folgenden Jahren wirklich als Sommerhaus nutzen konnte, ist fraglich. 1823 verkaufte er sie jedenfalls an den Elberfelder Kaufmann Peter Carl Theodor Aders (1780- 1846), der in London zu Vermögen gekom- men war100 und in der Redoute seine Gemälde sammlung ausstellte.101 Aders ließ auf dem Die Redoute in Godesberg nach einem Stich hinter der Redoute terrassenförmig aufsteigen- von L. Janscha und Joh. Ziegler, Fünfzig ma- den Gelände einen Landschaftspark anlegen, lerische Ansichten des Rheinstroms, 1798 15
Verkauf fand 1839 statt.103 Aders starb verarmt Wülfing, Gerda-Dorothea de Weerth gebo- in Florenz. Die Redoute kam in den Besitz der rene Von der Heydt (1894-1995).107 1996 wur- Bonner Bankiers Cahen, von denen sie 1853 de das Haus nach dem Tode von Gerda-Do- an die Kölner Bankiersfrau Elise Deichmann rothea de Weerth an die Stadt Bonn verkauft. ging, die das Anwesen für Tochter Amalie und Eine „Von der Heydt-Straße“ erinnert an die Schwiegersohn Viktor Wendelstadt erwarb. für Bad Godesberg wichtige Familie. Die älteste Stadtvilla in Godesberg ist das heutige „Haus an der Redoute“, das Kurfürst- liche Komödienhaus, Bad Godesberg, Kur- fürstenallee 1a. Das kleine Theater wurde 1790-92/93 von Kurfürst und Erzbischof Maxi milian Franz von Österreich erbaut, Architekt war wahrscheinlich Michael (III) Leydel aus Bonn.104 Das kurfürstliche Komödienhaus lag unmittelbar neben der Godesberger Redou- te und war mit ihr durch einen überdeckten Gang verbunden. Das Haus erfüllte alle Krite- rien einer Villa mit Nebengebäuden (Remise) und weitem Park. Das „Haus an der Redoute“, 2010, Foto B. Zöl- 1811 hatte der Elberfelder Bankier Daniel ler-Heidermann von der Heydt die Redoute samt Theater er- worben. Als er die Redoute 1823 verkaufte, Im Hause Kaiserstraße 4, heute Am Kur- behielt er das Komödienhaus. Um 1847 kam park 4, wohnte Friederike Kübner (1802-1875), es in den Besitz des Elberfelder Kaufmanns die Witwe von Carl Seyd (1792-1857) aus des- Johann Caspar Gottfried Wever-Kersten sen zweiter Ehe. Das Haus stand in soge- (1780-1858),105 der 1858 in seinem Sommersitz nannten Ersten Villenviertel Godesbergs und in Godesberg verstarb, aber in Elberfeld beer- Nachbarn waren Rautenstrauch, Mevissen digt wurde. Wever war mit Johanna Kersten und Gebrüder Joest aus Köln. Auf der ande- verheiratet und ein Schwager von Daniel von ren Seite der Straße lagen die großen Gärten, der Heydt. die heute einen Teil des Godesberger Kurparks bilden. Das Haus Am Kurpark 4 steht unter Das Haus wurde 1861 von Carl von der Denkmalschutz. Heydt erworben. Carl von der Heydt (1806- 1881) war Teilhaber der Bank „Von der Heydt, Carl Friedrich Heinrich Andreas Seyd war Kersten & Söhne“. Er war mit Julie Simons, Inhaber einer „Handlung für englische, fran- Tochter von Winand Simons, verheiratet. Carl zösische und Schweizer Manufakturwaren“ in von der Heydt starb am 1. Dezember 1881 in Elberfeld. 1846 wurde er Mitglied der „Schüt- Godesberg. Karl von der Heydt, sein En- zengesellschaft am Brill“. Nach dem Tod von kel, nutzte das Haus, besonders nach seiner Carl Seyd 1857 übernahm Ludwig von Lilien- Heirat mit Elisabeth Wülfing 1883, bis 1893. thal (1828-1893), der seit 1852 mit Carl Seyds Nach Vollendung der Villa auf dem Wachhol- Tochter Friederike Henriette (1832-1884) ver- der wohnten der Kaufmann Kaspar Schmidt heiratet war, das Unternehmen. Er war bereits und seine Frau Adele Emma Barker im Hau- 1847 in die Firma eingetreten. Unter seiner se. Ab 1922 lebte Elisabeth von der Heydt Leitung wurde die Handlung zu einem mo- (1864-1961) mit ihren beiden Töchtern wieder dernen Warenhaus am Wall Ecke Schlössers- im Komödienhaus.106 Zuletzt wohnte dort die gasse ausgebaut. Der Bruder von Carl Seyd, Tochter von Karl von der Heydt und Elisabeth Friedrich Seyd, war Inhaber der Firma Fried- 16
rich Seyd & Söhne. Er war mit Julie Cords ver- kannt geblieben und lesenswert. Wilhelm Lan- heiratet. Carl und Friedrich waren Söhne des gewiesche war Presbyter und Diakon in der Pastors Johann Caspar Seyd in Barop.108 Schon Godesberger evangelischen Gemeinde. 1856 zeichnete Carl Seyd eine Spendenliste, die in Godesberg die Besoldung eines evan- Sein Sohn Adolf (1838-1918) kam mit Frau gelischen Pfarrverwesers ermöglichen soll- und vier Kindern im Dezember 1873 aus El- te.109 1864 spendete seine Witwe 500 Taler für berfeld nach Godesberg und eröffnete in der Schulzwecke der Evangelischen Gemeinde,110 Burgstraße 39a, eine Buchhandlung. 1878 be- 1865 weitere 1.000 Taler zu Bau des Pfarrhau- gann er mit der Veröffentlichung der „Godes- ses. Das Haus wurde vermutlich nach ihrem berger Zeitung“. Die Zeitung wurde in Bar- Tod am 11. Dezember 1875 von Ludwig von men gedruckt. Adolf Langewiesche war mit Lilienthal, ihrem Schwiegersohn, geerbt. 1880 Wilhelmine Zumwinkel (gestorben 1909, 71 spendete er für den Neubau der Godesberger Jahre alt) verheiratet und starb 1918 als Wit- Evangelischen Kirche den Altar. In der Spen- wer im Alter von 79 Jahren in Godesberg.115 derliste wird er als „Freiherr von Lilienthal, Elberfeld-Godesberg“ bezeichnet.111 Die Vil- la war 1917 im Eigentum der Rentnerin Wwe. Paul Stein geborene Mevissen.112 Heute ist sie Sitz der Intendanz des Schauspielhauses. Anzeige von 1874, aus Langewiesche 1874 Der Enkel Wilhelms, Adolf Wilhelm (1869-1929), war in Godesberg als Immobi- lienhändler tätig. Seine Frau betrieb bis 1911 eine Pension in der Rüngsdorfer Straße 9. Adolf Langewiesche war viele Jahre aktives Am Kurpark 4, 2010, Foto Heidermann Vorstandsmitglied des Wassersportvereins Godesberg. Wilhelm Langewiesche (1807-1884) ist im Wuppertal als Buchhändler in Barmen (bis Der genaue Standort des Hauses von Dr. 1872) und Herausgeber des Buches „Elberfeld h. c. Friedrich Fabri an der Bad Godesber- und Barmen. Beschreibung und Geschichte ger Hauptstraße,116 heute Koblenzer Straße, dieser Doppelstadt des Wuppertals“ von 1863 lässt sich nicht mehr feststellen. Fabri hatte bekannt. Er war 1872 mit Frau und zwei Töch- das Haus 1884 aus Anlass seiner Übersiedlung tern nach Godesberg gekommen. Sein Wohn- nach Godesberg gebaut. Es war später im Be- haus lag in Plittersdorf, vermutlich am Blum- sitz des Kaufmanns Rautenstrauch aus Köln. richsweg (heute Anfang der Beethovenallee), Die Häuser an der Hauptstraße waren über- ist aber heute nicht näher zu lokalisieren.113 Er wiegend zweistöckige Wohnhäuser im klassi- war mit Luise Bredt aus Schwelm verheiratet, zistischen Stil. die 1883 starb. Wilhelm Langewiesche folgte 1884.114 In Bad Godesberg ist sein Werk „Go- Friedrich Gotthardt Karl Ernst Fabri (1824- desberg und seine Umgebung“ bis heute be- 1891) wurde 1857 Missionsdirektor der „Rhei- 17
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