Der Wuppertaler Villen und Wohnungen - Spurensuche am Rhein

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Horst Heidermann

Der Wuppertaler Villen und Wohnungen –
Spurensuche am Rhein

    Es gab und gibt viele Villen in Elberfeld    leisten. Vielfach waren sie im Handbuch der
und Barmen. Dort wohnten die Mitglieder der      rheinischen Millionäre zu finden.
Oberschicht, die vor allem aus Kaufleuten und
Fabrikbesitzern bestand. Auf den grünen Ber-         Die wirtschaftlich (noch) Aktiven wollten
gen rings um das Tal entstanden neue Viertel     dem nicht nachstehen und so entstanden reprä-
mit repräsentativen Bauten.1 Elend und Epide-    sentative Sommersitze, die nur einige Mona-
mien, wirtschaftliche und politische Unruhen     te des Jahres genutzt wurden, in die man mit
erreichten sie nicht.                            Kind und Kegel, Möbeln und Personal an den
                                                 Rhein zog. In manchen Fällen blieben nur Frau
    Dennoch gab es bei nicht wenigen Wup-        und Kinder länger am Rhein, während das Fa-
pertaler (Kölner, Duisburger) Millionären ei-    milienoberhaupt dank der Eisenbahn im Wup-
nen Zug zum Rhein. Das romantische Rhein-        pertal nach dem Rechten sah. Der Übergang
tal „rund um den Drachenfels“ (Brönner) von      zwischen Sommer- und Dauerwohnsitz war
Bonn bis zum Neuwieder Becken war das            insofern fließend, als sich die Sommersitze
Ziel. Unter den in Deutschland für den Vil-      mit zunehmendem Alter der Besitzer in Dau-
lenbau bevorzugten Landschaften war sie          erwohnsitze verwandeln konnten, gelegent-
„mit den weiteren Blickpunkten Rolandsbo-        lich aber bei der folgenden Generation auch
gen, den Inseln Grafenwerth und Nonnen-          den umgekehrten Weg gingen. In vielen Fällen
werth und der Godesburg wohl die begehr-         spielte Geld offensichtlich keine Rolle. Adres-
teste.“2 Die Region war durch die Einrichtung    saten dieser „conspicuous consumption“ wa-
der „Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Uni-         ren nicht die Proletarier im Wuppertal, son-
versität“, ihre ge­rühmten Universitätsklini-    dern die Angehörigen der gleichen Kaste, die
ken und die von England ausgehende Rhein-        sich fast alle aus dem „Casino“ oder aus der
romantik interessant geworden. Das Klima         „Schützengesellschaft am Brill“ persönlich
hatte aus der Sicht des Bergischen schon fast    kannten. Der für diese Zweitwohnsitze getrie-
südländische Züge (durchschnittlich 3-5 Grad     bene Aufwand ging zum Teil weit über das
wärmer). Robert Wichelhaus wird zitiert mit      Maß selbst eines luxuriösen Lebensstils hin-
dem Satz: „Alle Plätze, die sich mit der Kut-    aus. Er war auch Ausdruck des Selbstbewusst-
sche an einem Tag erreichen ließen, lockten      seins, des Stolzes auf die eigene Leistung, die
die mobilen Leute im Wuppertal zum Bau ei-       Familie und ihre Geschichte. Die Kunstpflege
nes Wohnsitzes am Rhein.“3                       spielte eine Doppelrolle. Sie entsprang einer-
                                                 seits originärem Interesse an Literatur, Musik
    Dass wirtschaftlich nicht mehr aktive Per-   und bildender Kunst, erfüllte aber gleichzeitig
sonen diesen „Versuchungen“ erlagen, kann        eine gesellschaftliche Repräsentationsfunk-
nicht verwundern. So finden wir denn auch        tion. Die Freundschaft namhafter Künstler
viele Rentner unter den Villen-Erbauern oder     (Schumann, Mendelssohn-Bartholdy, Brahms,
Bewohnern. Es handelte sich in den meisten       Elli Ney, Rilke, Coleridge, Wordsworth, Hoet­
Fällen um Unternehmer oder Besitzer von Un-      ger, Afinger, Roeber) schmückte wie ein Or-
ternehmensanteilen, die sich aus der Firma zu-   densstern.
rückgezogen hatten oder diese Anteile geerbt
hatten, ohne jemals selbst in dem Unterneh-         Die Bedeutung der Gärten und Parks war
men gearbeitet zu haben. Nur Vertreter der ho-   mindestens der der Villen gleich. Leider sind
hen Oberschicht konnten sich diesen Luxus        in den meisten Fällen die Gartenarchitekten

                                                                                              1
und Gärtner nicht bekannt. Ausnahmen bil-             Alle „Siedler“ waren evangelischer Kon-
deten Weyermann und Caron, die den Düssel-        fession. Manche engagierten sich in den jun-
dorfer Hofgartendirektor Josef Clemens Wey-       gen evangelischen Gemeinden. Alles in allem
he heranzogen, sowie Karl von der Heydt, der      war aber die strenge protestantische Sozial-
den Remscheider Gartendirektor Walter Wol-        kontrolle am Rhein weniger zu spüren. Rhein-
ters und den Godesberger Gartenarchitek-          luft machte freier.
ten Carl Samuel Eduard Toepler beauftragte.
Da jedoch in fast allen kleinen oder größeren         Wir wollen uns hier nicht mit Definitionen
Parks exotische Bäume und Pflanzen ein Muss       einer „Villa“ aufhalten. Dazu ist viel geschrie-
waren und zum Teil anspruchsvolle Gartenar-       ben worden. Als Grobbeschreibung mag aus-
chitektur gewünscht wurde, waren Fachleu-         reichen, dass sie in der Regel frei steht (Aus-
te erforderlich.4 Zum Personal gehörte häufig,    nahmen Doppelvilla, Dreivillengruppe), von
aber nicht immer, auch ein Gärtner. Neben-        einem Park umgeben ist, von nur einer Familie
gebäude werden verschieden bezeichnet wie         bewohnt wird und alle Seiten des Gebäudes ar-
Gärtnerhaus, Kutscherhaus oder Pförtner-          chitektonisch durchgearbeitet sind. Mehr oder
haus, oft gibt es auch ein Treibhaus bzw. Pal-    weniger zahlreiche Dienerschaft ist die Re-
menhaus und bei größeren Anwesen eine klei-       gel. Nebengebäude gehören dazu. Das Wort
ne Landwirtschaft.                                Villa deutete den „Traum vom Land“ an. Spä-
                                                  ter sprach man in diesem Zusammenhang lie-
                                                  ber von einem Landhaus, da nun auch kleinere
                                                  mittelständliche Bauten als „Villen“ bezeich-
                                                  net wurden.6

                                                      Eine „Stadtwohnung“ erfüllt nur einen Teil
                                                  dieser Bedingungen. Stadtwohnungen sind in
                                                  der Bonner Südstadt konzentriert. „Das ty-
                                                  pische Südstadthaus wurde als bürgerliches
                                                  Einfamilienhaus erbaut; die wenigen Mehr-
                                                  familienhäuser bilden die Ausnahme. Die Re-
                                                  präsentationsräume wie Ess- und Wohnzim-
Stadtplan Bonn 1865, ganz rechts das Arndt-       mer (häufig auch als Salon bezeichnet) waren
Haus, dann Villa und Fabrik Guilllaume, es fol-   in der Regel im Erdgeschoss angeordnet, wäh-
gen Villa Sell, Villa Tuckermann, Schule und      rend die Küche im Souterrain lag und meist
Wohnhaus Kortegan, Villa Kyllmann/Dunck-          mit dem darüber gelegenen Esszimmer durch
lenberg und Villa Clason mit ihren Parks bis      einen Speiseaufzug verbunden war; die erste
zum Rhein, aus Sonntag 1994, S. 18                Etage enthielt die privaten Wohn- und Schlaf-
                                                  räume. Toiletten und Badezimmer (soweit vor-
    Die vielfach unternommenen Reisen, dar-       handen) befanden sich in den Zwischenge-
unter mehrmonatige Weltreisen, hatten eben-       schossen, weitere Schlafräume – häufig auch
falls eine Doppelfunktion. Die dienten dem        Mädchenkammern, denn ein bis zwei Dienst-
eigenen Vergnügen und demonstrierten, was         mädchen waren in bürgerlichen Haushalten
man sich leisten konnte. Ausführliche Reise-      üblich – im zweiten Obergeschoss. Diese Eta-
berichte wurden an Freunde und Verwand-           ge wurde infolge der in den 20er und 30er Jah-
te verteilt.5 Dass dabei „soziales Kapital“ in    ren zunehmenden wirtschaftlichen Schwierig-
Form von Beziehungen und Prestige erworben        keiten nicht selten zu einer eigenen Wohnung
wurde, spielte eine Rolle. Dennoch sind die-      umgestaltet.“7 Der Hausgarten ist kleiner, aber
se Reisen von den reinen Geschäftsreisen klar     oft parkähnlich gestaltet. Stadtwohnungen fin-
abzugrenzen, die in der Regel ohne Begleitung     den wir zunehmend gegen Ende des 19. Jahr-
von Familienmitgliedern erfolgten.                hunderts, als weniger betuchte Rentner, pen-

2
sionierte Beamte und Akademiker das Bild         ter eines Kaufmannes aus Barmen-Gemar-
bestimmten. In Godesberg wohnten die ent-        ke, kam Ende 1806 nach Oberkassel und starb
sprechenden Personengruppen im „Villenvier-      1835. Ihr Mann folgte 1837.11 Kinkel und sei-
tel“.                                            ne Familie waren 1831 nach Bonn gezogen.
                                                 Das Pfarrhaus in Oberkassel, in dem die Fa-
   Die hier geschilderten Phänomene wa-          milie Kinkel lebte und Gottfried Kinkel gebo-
ren zwar im Kern auf das 19. Jahrhundert be-     ren wurde, ist nicht erhalten. Die Bonner Woh-
schränkt, ragten allerdings bei Alterssitzen     nung ist mit „auf der Kaule, nahe der Mühle“
weit in das 20. hinein.                          nur annähernd zu lokalisieren. Jedenfalls alles
                                                 andere als eine erste Adresse.
BONN

Oberkassel, Alt-Bonn, Vilich und Beuel
    Der Hauptwelle gingen einige Famili-
en voraus. Sie hatten eigene Motive. Johann
Gottfried Kinkel fand endlich eine Pfarrstel-
le in Oberkassel. Die Fabrikanten Frowein und
Aus’m Weerth wollten die Schutzzölle Napo-
leons überspringen, die der bergischen Tex-
tilindustrie schweren Schaden bereiteten. Die
Fabriken wurden im französischen Bonn in
säkularisierten Klöstern untergebracht. Die
Wohnungen lagen ebenfalls in der Innenstadt.
Dabei wurde, wie bei den Produktionsstätten,
vorhandener Bestand übernommen. Die neuen        Auf der Kaule, 1892, mit freundlicher Geneh-
Fabriken waren für Bonn, das den bisherigen      migung des Herausgebers nach Schlossma-
Hauptarbeitgeber, den Hof, verloren hatte, von   cher 2. Aufl. 2010, S. 85
erheblicher Bedeutung. Sie halfen, die Prob-
lemjahre bis zur Einrichtung der Bonner Uni-
versität 1818 zu überbrücken. 1819 wirbt der     Alt-Bonn
Zuckerbäcker Abraham Schröder in der Brü-
dergasse für sein „Elberfelder Kaffeehaus“.8          Peter Friedrich und Jacob aus’m Weerth
                                                 waren Brüder. Peter Friedrich (1779-1852)
Oberkassel                                       kaufte 1822 das Wohnhaus des Kommerzi-
                                                 enrates Löltgen an der EckeVierecksplatz/
    Johann Gottfried Kinkel und seine            Hundsgasse (Vierecksplatz 867).12 1803 hatte
Frauen Jacobina Carolina Ingenohl und Sy-        er das weitläufige Areal des ehemaligen Kapu-
billa Maria Beckmann waren anscheinend           zinerklosters gemietet, 1806 gekauft13 und da-
die Ersten. 1801 erhielt Johann Gottfried Kin-   rin die Textilfirma „Werth & Peill“ eingerich-
kel (1758-1837), der Vater des Dichters und      tet (Spinnerei, Weberei, Färberei, Druckerei).14
Revolutionärs, den Ruf ins damals Bergische           1805 gehörten Weerth und sein Compag-
Oberkassel, nachdem er zuvor 12 Jahre Di-        non und Schwager15 Peter Conrad Peill (1776-
rektor der Lateinschule in Elberfeld gewesen     1835) zu den Mitgliedern der Freimaurerloge
war.9 Er war der einzige evangelische Pastor     „Frères Courageux“. Als Weerth I war er Mit-
im weiten Umkreis. Kollegen fand er nur in       glied der „Lese- und Erholungsgesellschaft“.
der evangelischen Exklave Oberwinter. Seine      Er war mehrere Jahre Presbyter der Evange-
erste Frau, Tochter des bekannten Elberfelder    lischen Kirchengemeinde Bonn. Von seinem
Zinngießers Ingenohl,10 wurde 1805 in Ober-      Sohn Ernst aus’m Weerth (1829-1909) wur-
kassel beerdigt. Kinkels zweite Frau, Toch-      den 1910 Jugenderinnerungen veröffentlicht.

                                                                                               3
straße 408 angegeben, was wahrscheinlich
                                                   die Adresse des Kapuzinerklosters war. 1818
                                                   wurde Jacob als Weerth II Mitglied der Lese,18
                                                   1819 war er für ein Jahr Presbyter der evange-
                                                   lischen Gemeinde.19 Als er am 1. März 1844
                                                   im Alter von 57 (!) Jahren starb, wohnte er im-
                                                   mer noch in der Kölnstraße. Pastor Wichel-
                                                   haus hielt die Grabrede.

                                                       Johann Karl Friedrich Frowein (1781-
                                                   1829)20 aus Unterbarmen richtete 1804 im ehe-
                                                   maligen Franziskanerkloster zusammen mit
Das Kapuzinerkloster 1897, nach Schlossma-         Carl Reinhard Berg und dem Mechanikus Hei-
cher 2007, S. 38                                   del21 die Baumwollspinnerei „Frowein, Berg &
                                                   Co.“ ein. Das Kloster hatte er für 3.000 Taler
Er schrieb: „Mein Vater kaufte für seine Pri-      erworben.
vatwohnung das anstoßende Haus an der Ecke
des Vierecksplatzes und der Hundsgasse von             Die Spinnerei war das bedeutendste Tex-
Kammerrat Löllgen (recte Löltgen HH) und           tilunternehmen Bonns. Es wurde 1817 einge-
ließ es für damalige Zeit elegant einrichten.      stellt, nachdem die französischen Schutzzöl-
Der als Maler in der Geschichte der Düssel-        le für das linksrheinische Gebiet weggefallen
dorfer Akademie namhaft gebliebene Maler           waren. Frowein lebte aber bis zu seinem Tod
Pose schmückte einen Saal und zwei anstoßen-       weiter in Bonn. Ab 1816 wohnte er am Vier-
de Zimmer des erstes Stockwerkes in wahrhaft       ecksplatz 825 in einem Haus, das vorher von
künstlerischer Weise aus. Auf gelbem Grund         Heidel bewohnt worden war.22 1817 wurde Fro-
standen im Saal in getrennten Feldern auf Pos-     wein Stadtrat in Bonn. 1820 wechselte er zum
tamenten Vasen, gefüllt mit den buntesten,         Haus An den Kapuzinern 876. Frowein starb
und ich darf wohl sagen, entzückenden hohen        1829, seine Frau 1845 in Bonn. Die Samm-
Blumensträußen. Die Felder des dritten Zim-        lung Froweins von 116 Gemälden wurde 1841
mers waren in architektonischen Feldern ein-       verkauft. Eine Enkelin war mit dem aus Nor-
facher gehalten, weil in diesen die Porträts der   wegen stammenden Düsseldorfer Kunstma-
Großeltern und die von Kolbe gemalten Bilder       ler Vincent Stoltenberg-Lerche verheiratet.23
meiner Eltern hingen,16 außerdem zwei herr-        1972 wurde in Bonn eine Straße nach Frowein
liche Gemälde von David, welche die Brust-         benannt. Das Franziskanerkloster stand nach
bilder Moses und Jesus darstellten. Prächtige      Stilllegung der Fabrik 14 Jahre leer. Es wur-
französische Teppiche, Möbel von Palisander        de dann von dem Ökonomen Franz Raeß zu
mit eingelegten Metallen, hellgrün-seidene         einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Vieh-
Vorhänge mit gelben Seidenquasten, auf dem         zucht, Brennerei und Badeanstalt umgestal-
Ofen ein vergoldeter Amor, der schwebend mit       tet.24
dem einen Fuß die Weltkugel berührte, gaben
insgesamt ein einheitliches Bild der Einrich-          Über den Teilhaber Reinhard Berg aus So-
tungsweise des Empire.“17 Die Fabrik bestand       lingen 25 verfügte man über beste Beziehungen
bis 1852.                                          nach Paris. Bergs Schwester war mit dem Mar-
                                                   schall Napoleons Jean de Dieu Soult verheira-
   Jacob aus’m Weerth (1785-1844), der             tet. Berg hat die ersten Schritte zur Errich-
jüngere Bruder von Peter Friedrich, betrieb        tung einer evangelischen Gemeinde in Bonn
im Kapuzinerkloster in der Kölnstraße eine         getan.26 Mit dem Bonner Oberbürgermeister
Strumpfwirkerei. Er wohnte 1816 in der Bonn-       stellte er die erste Liste der evangelischen Ein-
gasse 328. Später wird als Anschrift Köln-         wohner Bonns zusammen.27 Er war Mitglied

4
des ersten Bonner Presbyteriums. Zur Tau-        ter Bemberg. Lausberg selbst war vermutlich
fe des Sohnes Carl Moritz Gerhard Berg im        Inhaber der Firma „Friedrich Lausberg, Carls
Oktober 1818 durch den Professor der evan-       Sohn“, Farbwaren und Hutstoff-Handlung im
gelischen Theologie Sack erschienen als Zeu-     Hofkamp gewesen. Er war seit Juni 1777 mit
gen Ernst Moritz Arndt und Constanze aus’m       Henriette Maria Katharina Hoecker verheira-
Weerth.                                          tet. Seine Frau ist noch in einer 1818 erstellten
                                                 Liste der evangelischen Einwohner Bonn auf-
                                                 geführt.31 1819 zahlte sie vierteljährlich 3 Ta-
                                                 ler Kirchgeld an die evangelische Gemeinde,
                                                 d. h. so viel wie Carl Berg und Stadtrat Fro-
                                                 wein.32 1822 ist sie in der Liste der Evangeli-
                                                 schen nicht mehr genannt.

                                                 Vilich und Beuel

                                                     Johann Wilhelm Windgassen (1779-1852)
                                                 lebte als Obergeometer zunächst aus berufli-
                                                 chen Gründen in Bonn. Er wurde in Barmen
                                                 geboren und war seit 1805 mit Anna Schmitz
                                                 aus der Gemarke verheiratet. Er wohnte mit
Häuser am Vierecksplatz, rechts mit Durch-       seiner Familie von 1825 bis etwa 1843 im alten
fahrt Nr. 825, 1897/98, nach Schlossmacher       Stiftgebäude von Vilich; denn er sollte für die
2007, S. 68                                      Samtgemeinde Vilich Uraufnahmen für ein
                                                 Kataster durchführen.

    Friedrich Lausberg (1753-1817) aus El-           Als er reiche Erzlagerstätten aufgefunden
berfeld wohnte bereits 1814 als Rentner in       hatte, entschloss er sich, den öffentlichen Dienst
Bonn am Münsterplatz im Haus Nr. 117.28 Spä-     zu quittieren und eine Eisenhütte im Siegtal zu
ter wurde die vermutlich gemietete Wohnung       errichten. Diese Experimente waren zunächst
von Professor Ferdinand Delbrück übernom-        wenig erfolgreich. Windgassen zog sich 1843
men. Nach dem Stadtplan von Hundeshagen          aus dem Unternehmen zurück. Aus seinen Ver-
müsste es sich bei dem Haus 117 um das späte-    suchen im Siegtal ging aber das heute noch be-
re Palais von Fürstenberg und die heutige Bon-   stehende Warmwalzwerk in Troisdorf hervor.
ner Hauptpost gehandelt haben.                   Windgassen lebte als Rentner in Beuel und
                                                 wohnte bis zu seinem Tod im Mehlem’schen
    Im Dezember 1817 starb Lausberg in Bonn      Haus.33 Das Barockhaus war 1785 durch die Fa-
an einem Nervenfieber. Der Tod wurde von         milie Mehlem errichtet worden.
den Fabrikanten Carl Reinhard Berg, dem
Kompagnon von Karl Friedrich Frowein, und        Soweit die Vorläufer.
Peter Wilhelm Cramer angemeldet. 29 Im
April des Jahres war Lausberg noch als Ältes-    Koblenzer Straße
ter (Presbyter) der Evangelischen Kirchenge-         Das Siedlungsgebiet der reichen Kauf-
meinde bei der Taufe einer Tochter von Carl      leute und Industriellen am Rhein begann in
Reinhard Berg, anwesend. Die Taufe voll-         Bonn. Vor allem südlich der Stadt an der Ko-
zog der Pfarrer aus der evangelischen Enkla-     blenzer Straße gab es bis zur Jahrhundertmit-
ve Oberwinter.30 Lausbergs Eltern waren der      te geeignete Grundstücke. Die erste Villa ent-
Weingroßhändler Gerhard Wilhelm Lausberg         stand 1819. Aber die Konkurrenz war groß.
und dessen erste Frau Wilhelmina Catharina       Auch Einheimische waren unter den Bauher-
Bemberg, die älteste Schwester von Johann Pe-    ren. Allerdings war der Anteil der evangeli-

                                                                                                 5
schen (also in der Regel zugereisten) Hausbe-    Augsburgischen Konfession verlangte, war
sitzer sehr hoch.34 Die meisten Wohnhäuser       dies für Wichelhaus der letzte Anlass, um sei-
waren Dauerwohnungen.35 Es gab in Bezug          ne Entlassung als Pfarrer zu bitten. Schon lan-
auf Größe, kunstvolle Darstellung und park-      ge hatte er sich vom Pietisten zu einer mehr
artiges Umfeld der Bauten beträchtliche Un-      freisinnigen Denkweise durchgerungen und
terschiede. Zu den eher bescheidenen Villen      an manchen Glaubenssätzen Anstoß genom-
gehörte das Haus des ersten Bonner evange-       men. Die Lehren von der Erbsünde, der Drei-
lischen Pastors.                                 einigkeit, der Doppelnatur Christi und der Prä-
                                                 destination gehörten dazu. Den Schriften des
    Johannes Wichelhaus kaufte 1849 von          Apostels Paulus und der Offenbarung Johan-
der Witwe Augusti36 für 12.000 Taler ein Haus    nis stand er kritisch gegenüber. Die Verfasser
an der Rheinseite, Koblenzer Straße 4, (1870     der Bibel seien Menschen gewesen, ihrer Zeit
Nr. 7),37 das ursprünglich von Gustav von        verhaftet und nicht ohne Irrtum. Nach intensi-
Recklinghausen als „Spekulations“-Objekt         vem Bemühen gelang es dem Freunde Wichel-
gebaut worden war. Das eher bescheidene Ge-      haus’, Prof. Immanuel Nitsch, ihn zum Bleiben
bäude im klassizistischen Stil konnte durchaus   zu bewegen. Wichelhaus hat seine kritischen
die Bezeichnung Villa für sich in Anspruch       Ansichten nicht widerrufen, durfte aber trotz-
nehmen; denn es war nur von Familie Wichel-      dem sein Amt ausüben. Er war in der Gemein-
haus bewohnt, rings von einem kleinen Park       de sehr angesehen und ein beliebter Prediger.
umgeben und vor allen Seiten architektonisch     1856 trat er in den Ruhestand. Er war seit 1818
gestaltet. Vor dem Hause floss der Godesber-     mit Wilhelmina von der Heydt, einer Tochter
ger Bach, was den Eindruck einer gewissen        von Daniel Heinrich von der Heydt und Wil-
Intimität vermittelte. Es lag neben dem Ho-      helmina Kersten verheiratet. Das Ehepaar hat-
tel Royal (dem heutigen Königshof) und war       te fünf Kinder.
von diesem durch einen Weg getrennt, der zur
Villa Obernier führte. Der kleine Park war in-
folge dessen nicht wie bei den benachbarten
Villen bis zum Rhein durchgezogen. Das Ge-
bäude war später im Besitz von Hubert und Ja-
cob Eller. 1905 wurde es von Geheimrat Gus-
tav Ebbinghaus gekauft und abgerissen.38

    Johannes Wichelhaus (1794-1874), ältes-
ter Sohn des Inhabers des Bankhauses „Jo-
hannes Wichelhaus, P. Sohn“ in Elberfeld, war
seit 1834 der erste hauptamtliche Pastor der
kleinen evangelischen Gemeinde Bonn. Vor-
                                                 Villa Wichelhaus 1887, der Godesberger Bach
her war er reformierter Pfarrer in Mettmann
                                                 ist zugeschüttet; aus Sonntag 1998, Bd. 1, S. 94
und Elberfeld gewesen. Die Bonner Gemein-
de war uniert, was den streng reformierten
Wichelhaus in schwere Gewissensprobleme             Die große Villa Kyllmann-Duncklenberg,
verwickelte, zumal er auch Militärpfarrer für    Koblenzer Straße 40, (1870 Nr. 87, 1900 Nr. 97)
die Bonner Garnison war. Er musste für die       war ein Kontrastprogramm zu dem bescheide-
überwiegend katholischen Soldaten den Got-       nen Haus des Pastors. Sie wurde 1853 für Carl
tesdienst nach der unierten Agenda abhalten.     Gottlieb Kyllmann sen. im Stil des Klassizis-
Als König Friedrich Wilhelm IV. in einer Ka-     mus erbaut. Architekten waren für den Entwurf
binettsorder vom 1. Februar 1846 von den Pre-    Maximilian Nohl (1830-1863), für die Ausfüh-
digern der unierten Gemeinden die volle An-      rung Albert Dietrich, der wenige Jahre später
erkennung der Bekenntnisse, also auch der        auch die Villa Üllenberg plante.

6
Der Textilunternehmer Gottlieb Kyllmann      nerin bis zu ihrem Tod 1927 in der Koblenzer
(1803-1878) aus Solingen-Wald war durch sei-     Straße.40 Die in Elberfeld geborenen Töchter
ne Geschäftsbeziehungen nach England schon       Gretchen und Bertha starben in Bonn. Die Vil-
früh zu erheblichem Wohlstand gekommen.          la Kyllmann brannte beim Luftangriff 1944
Er war mit Henriette Preyer aus Viersen,         aus und wurde 1948/49 abgerissen. Auf dem
Tochter eines Textilkaufmannes, verheira-        Gelände steht heute das Auswärtige Amt.41
tet. In Manchester war er Teilhaber der Fir-
ma Aders, Preyer & Cie. gewesen. 1855 zog            Die Villa Busch-Springmann, Koblen-
er nach Bonn in seine neu erbaute Villa. Kyll­   zer Straße 47, (1870 Nr.125, 1900 Nr.129) wur-
mann spielte im Musikleben Bonns39 und in        de 1855 für Eduard Busch (1795-1880) erbaut.
der Evangelischen Gemeinde eine große Rol-       Sie „war ein zweigeschossiger Bau mit einem
le. Zur Rettung wichtiger Teile des Beethoven-   Kellergeschoss als Sockel und einem Mansar-
nachlasses stellte er eine bedeutende Summe      dengeschoss mit mehreren in Eichenholz aus-
zur Verfügung. Mit Mendelssohn-Barthol-          geführten Giebelausbauten und vorkragenden
dy, Brahms und Clara Schumann war er be-         Dächern. Sie war massiv aus Ziegeln errich-
freundet. Sohn Walter heiratete eine Tochter     tet, vollständig mit Haustein verblendet und
des Bildhauers Bernhard Afinger, der auch        mit Schiefer gedeckt. Zwei Türme schmück-
das im Zweiten Weltkrieg vernichtete Grab-       ten die Villa, ein größerer, der das Haus mit
mal der Familie auf dem Alten Friedhof in        einem Turmzimmer überragte und ein kleine-
Bonn schuf. Es stellte Henriette Kyllmann, die   rer in der Funktion des Turms für die durch
Ehefrau Gottliebs, beim Lautenspiel dar. Die     die Geschosse führende Nebentreppe.“42 Eine
Vögel lauschen. Die Töchter heirateten Wup-      Abbildung ist nicht überliefert. Der große Park
pertaler Unternehmersöhne. Adelheid (1834-       wurde später u. a. genutzt, um dort die Kaiser-
1900) und Helene (1842-1916) verbanden sich      Friedrich-Straße anzulegen und das Gelände
mit den Söhnen von Wilhelm Simons, dem In-       zu parzellieren.43
haber der größten Seidenweberei in Elberfeld.        Eduard Busch, geboren 1795 in Rem-
Adelheid heiratete Walter, Helene Louis Si-      scheid, war als Baumwoll-Kaufmann in Li-
mons. Ida (1835-1927) heiratete 1858 Conrad      verpool tätig gewesen. Er heiratete 1838 Julie
Duncklenberg jun. (1833-1869). Duncklenberg      Springmann aus Barmen. Sein Schwager Emil
war Mitinhaber der Türkischrotfärberei „J. C.    Springmann (1812-1887) trat als Kompagnon
Duncklenberg“, einer der größten in Elberfeld.   in das Geschäft ein. Emil Springmann heirate-
Er starb 1869 in Elberfeld. Seine Urne wurde     te die Tochter Maria des Bonner Pfarrers Wi-
nach Bonn überführt. Seine Frau Ida Dunck-       chelhaus. Das Ehepaar lebte in England und
lenberg geborene Kyllmann wohnte als Rent-       nannte sein Wohnhaus in West-Derby „Dra-
                                                 chenfels“.44 Die Mutter der Springmanns war
                                                 Anna Magdalena Wuppermann aus Barmen.
                                                 So war Busch mit zwei der bedeutendsten Fa-
                                                 milien der Wuppertaler Oberschicht verbun-
                                                 den.45 Eduard Busch und seine Frau sind am
                                                 13. und 14. Mai 1880 in Bonn verstorben. Er
                                                 war Mitglied der „Lese- und Erholungsgesell-
                                                 schaft“ in Bonn46 und gehörte wie Johannes
                                                 Wichelhaus dem ersten Kuratorium der Fried-
                                                 rich-Wilhelm-Stiftung, einem evangelischen
                                                 Kranken–, Alters- und Armenhaus an.47 Der
                                                 Schraubenfabrikant Wilhelm Funcke aus Ha-
                                                 gen war ein Neffe Buschs. Er übernahm es, die
Straßenseite der Villa Kyllmann-Duncklen-        Villa und das Grundstück zu verkaufen und
berg, aus Sonntag 1998, Bd. 2, S. 141            fand in den Gebrüdern Zuntz sel. Wwe. Kauf-

                                                                                              7
leute, die das Areal übernahmen. Sie bauten       im Besitz von Hauptmann a. D. Windhorst.
die Kaiser-Friedrich-Straße und parzellierten     Windhorst wurde nach 1933 vom Heeresamt
das Gelände auf beiden Seiten. Die eigentliche    Köln abgelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg
Villa Busch wurde anscheinend von Rechtsan-       kam das Anwesen an die Universität Bonn, die
walt Biesenbach erworben und um 1901 abge-        es zur Kinderklinik umbaute.
rissen. Auf dem Grundstück wurden die Häu-
ser Kaiser-Friedrich-Straße 3 und 5 gebaut.48         Bauherren einer Doppelvilla auf dem ehe-
Im Frühjahr1890 hatte für kurze Zeit Guido        maligen Gelände der Villa Busch, jetzt Kai-
de Weerth von Vettelhoven mit seiner Fami-        ser-Friedrich-Straße, waren der Rentner W.
lie in der Villa gewohnt. So konnte er die Bau-   Diedenhofen und der Rechtsanwalt Dr. Bie-
arbeiten an dem neuen Schloss in Vettelhoven      senbach. Der Architekt war Hermann Schmitt
im Auge behalten und gleichzeitig landwirt-       aus Bonn.53 Während Biesenbach sein Haus
schaftlichen Studien in Bonn nachgehen.49         Nr. 5 bis 1910 selbst bezog, war das Haus Nr.
                                                  3 von Diedenhofen nicht zur Eigennutzung
    Die Villa Spies, Koblenzer Straße 45a,        bestimmt. Es wurde 1904 von Julius Au-
(1870 Nr. 119) wurde um 1860 für Friedrich        gust von Frowein (1869-1931) erworben. Der
Albert Spies (1812-1892) aus Elberfeld ge-        Wert der Villa betrug bei einer Grundstücks-
baut.50 Friedrich Albert Spies stammte aus ei-    größe von 892 qm 125.000 Goldmark.54 Julius
ner weitverzweigten Siegerländer Familie.         August von Frowein war Fabrikant in Elber-
Johann Wilhelm Spies (1778-1834, der Groß-        feld und Weingutsbesitzer in Oppenheim am
vater?) kam aus Dillenburg nach Elberfeld.        Rhein. In Bonn fungierte er als Handelsrich-
Friedrich Albert Spies war Inhaber des Sei-       ter und war Mitglied der „Lese“.55 Seine El-
denhauses A. G. Spies in Elberfeld und mit        tern waren August (von) Frowein (1839-1912)
Johanna Maria Alwine Dietze, Tochter des          und Maria Lina Bemberg (1846-1909). Julius
Elberfelder Garnhändlers Peter Theodor Diet-      August von Frowein war mit Elisabeth (Lis-
ze verheiratet.51 Spies hatte zehn Jahre in       sy) Furmanns (1877-1967) aus Viersen verhei-
New York gelebt. Er war Teilhaber der Fir-        ratet.56 Mit seiner jungen Frau unternahm er,
ma „Spies, Christ & Co.“ in New York. Der
Sohn Alwin Georg führte das Seidenhaus A.
G. Spies (1846-1902) in Elberfeld weiter und
heiratete Paula Wolff (1850-1911), eine Toch-
ter von Hermann Wilhelm Wolff und Emma
Sophie Feldhoff. Friedrich Albert Spies war
Mitglied der „Lese“.52 Er starb 1892 in Bonn.
Die Villa wurde verkauft. 1898 ist sie bereits

Villa Spies, aus Sonntag 1998, Bd. 2, S. 318      Villa von Frowein, 2010, Foto Heidermann

8
bevor sie sich in Bonn niederließen, 1902/03      weiten Park tätig. Alle waren evangelisch.
gemeinsam mit Arthur [vom] Baum, einem            Wilhelm Loeschigk starb am 3. Dezember
Vetter von Elisabeth,57 eine Reise rund um den    1887 in Bonn. Er war Mitglied der „Lese“ ge-
Globus.58 Lissy schrieb einen Reisebericht für    wesen.62 Seine Frau zog zu ihrer mit Bernhard
Freunde und Verwandte. Julius August von          Freiherr von der Heydt verheirateten Tochter
Frowein soll nach dem Jahrbuch der Millionä-      Annie Louise (1849-1922) nach Bad Homburg,
re in der Rheinprovinz ein Vermögen von 5-6       wo der Geheime Regierungsrat von der Heydt
Millionen Mark und ein jährliches Einkom-         (1840-1907) als Landrat tätig war.63 1890 wur-
men von 280.000 Mark gehabt haben.59              de von den Erben Loeschigk die Villa an Prinz
                                                  Adolf zu Schaumburg-Lippe vermietet und
    Auch das ehemalige Bundeskanzleramt,          1894 an ihn verkauft. Die Elberfelder Episode
Koblenzer Straße 141,60 in Bonn hat eine Elber-   war zu Ende, aus der Villa wurde durch erheb-
felder Geschichte. Zunächst gehörte der größ-     liche Erweiterungen das Palais Schaumburg.
te Teil des Grundstückes der Familie Aus’m        Die traurige Geschichte der preußischen Prin-
Weerth und wurde 1857 von dem ersten Bau-         zessin Viktoria zu Schaumburg-Lippe, die zu-
herrn Aloys Knops, einem Tuchfabrikanten          letzt im Hotel Villa Friede in Mehlem wohn-
aus Aachen, von Ernst aus’m Weerth erwor-         te und an Lungenentzündung starb, kann hier
ben. Bevor das Wohnhaus auf dem nochmals          nicht erzählt werden.
erweiterten Besitz fertiggestellt war, ging das
Anwesen 1860 in den Besitz des Kaufmannes
und US-Staatsbürgers Wilhelm Loeschigk
(1808-1887) über. Der neue Besitzer erweiterte
das Haus und ließ im auf 10 ha. vergrößerten
Park mehrere Nebengebäude errichten.

    Loeschigk hatte in New York ein Import-
geschäft für Tuche, Samt und Seide betrieben.
Er stammte aus Schwarza in Thüringen. In El-
berfeld war er Lehrling in der Seidenweberei
Burmann & Meckel gewesen. Zur Weiterbil-
dung ging er nach Manchester und dann als
Vertreter nach New York. Dort machte er sich
bald selbstständig. Die europäische Repräsen-     Villa Loeschigk, etwa 1880, aus Sonntag 1998,
tanz seiner Firma war in der Hofaue in Elber-     S. 218
feld. Dort befand sich auch das Geschäft von
August Jacob Wesendonk. 1833 trat Otto We-
sendonk auf Veranlassung seines Vaters in das
Geschäft Loeschigks ein, das jetzt Loeschigk,
Wesendonck & Co. hieß, und vertrat dessen
Interessen in Europa.61 1847 heiratete Wilhelm
Loeschigk Emmy Winkelmann aus Elberfeld
und holte sie mit ihrer Schwester nach Ame-
rika. Die Söhne Carl und William Otto und
die Tochter Annie Louise wurden in Ameri-
ka geboren. In Bonn kamen die Tochter Emmy
Maria Elisabeth und der Sohn Robert hinzu.
Neben der evangelischen Familie waren nicht       Das Palais Schaumburg, historische Post-
weniger als 10 Bedienstete, darunter ein Ober-    karte, Foto Stadtarchiv und Stadthistorische
gärtner und ein Gärtner, im Hause und in dem      Bibliothek Bonn.

                                                                                              9
Als Kuriosität sei erwähnt, dass auch die
Villa Hammerschmidt, der Bonner Sitz des
Bundespräsidenten, einen weitläufigen Be-
zug zum Wuppertal hat. Der erste Bauherr
der Villa war Albrecht Troost aus Mülheim
an der Ruhr, der aus dem in Elberfeld an-
sässigen Geschlecht stammte und in der Vil-
la von 1860 bis 1868 wohnte. Architekt war
der Bonner Universitätsbauinspektor August
Dieckhoff. Troosts Vorfahren hatten sich in
Mülheim an der Ruhr niedergelassen und dort
1791 eine Spinnerei, Weberei und Stoffdrucke-
rei gegründet.64 1868 wurde die Villa an Leo-
pold Koenig verkauft, der sie nochmals erwei-
tern und durch den Architekten Otto Penner
umbauen ließ.

In der Südstadt
    In der Südstadt wird die soziale Zusam-
mensetzung der aus dem Wuppertal stammen-
den Bewohner bunter. Auch hier gibt es Un-
ternehmer und Kaufleute, aber wenige aus den
„großen“ Familien. Pensionierte Beamte fin-
                                                  Colmantstraße 4, 2010, Foto Heidermann
den wir neben Privatgelehrten. Soweit sie in
Bonn oder Bad Godesberg beerdigt wurden,
habe ich Kurzlebensläufe in meinem Aufsatz
„Unter Linden an dem Rhein“ in „Geschichte
im Wuppertal“ 2008 mitgeteilt. Sie sollen hier
nicht wiederholt werden.

   Heute ist es schwierig, definitiv zu klären,
ob es sich bei den an der Landseite der Kob-
lenzer Straße entstandenen Gebäuden, die zur

Lessingstraße 36-42, Zustand 1970, aus Lan-
deskonservator 1973, Nr. 41                       Poppelsdorfer Allee 34, 2010, Foto Heidermann

10
Südstadt gerechnet wird, um Stadtvillen oder     tens-Schaaffhausen, war Üllenbergs nördli-
Stadthäuser65 in einer Reihenbebauung han-       cher Nachbar. Üllenbergs südlicher Nachbar
delte. Die Darstellung auf den Stadtplänen von   war das Evangelische Knabenpensionat des
1865 und 1885 weist ab der Ecke Weberstraße      Engländers William Wenborne (1835-1860),71
eine lockere Bebauung auf.66 Wir können hier     später der altkatholische Bischof Joseph Hu-
auch nicht alle noch vorhandenen Südstadt-       bert Reinkens. Der Architekt der großzügi-
Häuser, die von Wuppertalern bewohnt wur-        gen, frei stehenden Villa war Albert Dietrich,
den, abbilden. Es handelt sich in der Regel um   Bonn, als Bauunternehmer fungierte der Zim-
dreistöckige Dreiachsen- oder Vierachsenhäu-     mermann Gottfried Weber. Der Entwurf sah
ser. In seltenen Fällen haben sie eine Durch-    ein fünffenstriges, zweieinhalbstöckiges Haus
fahrt zum Hof. Die Dekoration ist entweder       vor, das Üllenberg anscheinend mit seiner Fa-
klassizistisch oder vom typischen Eklektizis-    milie allein zu bewohnen gedachte.72 Im Hof
mus der „Gründerzeit“ geprägt.                   sollten eine Wagenremise und ein Pferdestall
                                                 errichtet werden. 1873 stellte Üllenberg den
   Das Haus Adolf von Griesheims (1820-          Antrag, in seinem Garten ein Treibhaus zu
1894) lag an der Koblenzer Straße, heute Ade-    bauen, was auch genehmigt wurde. Später war
nauerallee 30. Der Rentner, ehemalige Ge-        das Haus im Besitz des Schuhgroß- und Ein-
schäftsführer und Miteigentümer der Firma        zelhändlers Jean Duell. Als er 1924 im Hof
„Ermen und Engels“ in Engelskirchen, be-         eine Großgarage bauen und das Erdgeschoss
wohnte ein Einfamilienhaus in Reihenbebau-       an einen Autohändler vermieten wollte, gab
ung. Es wurde während des Zweiten Weltkrie-      es heftigen Protest der Anwohner. „Einer der
ges zerstört. 1949 war das Trümmergrundstück     schönsten Gärten Bonns soll der Anlage zum
noch im Besitz der Erben von Griesheim.67        Opfer fallen“, hieß es in einem Schreiben an
Später wurde dort ein Neubau errichtet.          den Oberbürgermeister. 1935 war das Gebäu-
                                                 de im Besitz des Gerlingkonzerns, der einen
    Der pensionierte Lehrer Dr. h. c. Johann     Antrag auf Umbauten in der Raumaufteilung
Friedrich Wilberg (1766-1846) bewohnte das       stellte, da die Wohnungen in dem gegenwär-
Reihenhaus Koblenzer Straße 46, heute Ade-       tigen Zuschnitt nicht zu vermieten seien. Die
nauerallee. Es handelte es sich um den mittle-   Straßenfront wurde leicht verändert, der Ge-
ren Bau einer Dreihäusergruppe Nr. 44, 46 und    samtcharakter einer klassizistischen Großvil-
46a. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg         la blieb aber erhalten.
zerstört und durch einen Neubau ersetzt.68
                                                     Das Haus des wohlhabenden Rentners
    Carl Hecker (1795-1873)69 kam als Betei-     Otto von Eynern (1844-1916)73 befand sich
ligter am Elberfelder Aufstand und demzufol-     an der Endenicher Allee 26, ab 1916/17 infolge
ge auf Druck von August I von der Heydt un-      Umnummerierung 42. Das vermietete Neben-
freiwillig nach Bonn. Als Rentner wohnte er      haus gehörte ebenfalls von Eynern. 1918/19
in der Koblenzer Straße 102c, heute Adenauer-    waren beide im Besitz der Erben v. Eynern.
allee 56. Das Reihenhaus lag an der Einmün-      1920 wurden die Häuser an das Rote Kreuz
dung der Weberstraße in die Koblenzer Straße.    verkauft, das dort Mutterhäuser einrichtete.
Ernst Moritz Arndt wohnte gegenüber. Die         Der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg folgten
Häuser wurden 1944 zerstört und später durch     1950 moderne Wohnungsbauten. Noch heute
Neubauten ersetzt.                               hat die Straße mit Alleebäumen und den sehr
                                                 tiefen Vorgärten ihren besonderen Charme.
    Der Rentner Robert Üllenberg (1817-
1896)70 ließ 1858/59 ein Haus an der Koblen-        Dr. Julius Plücker (1801-1868), Professor
zer Straße 90, heute Adenauerallee 90, bauen.    an der Universität Bonn, wohnte im Haus Pop-
Der Bonner Universitätsprofessor Friedrich       pelsdorfer Allee 35 mit weiteren vier Parteien
Heimsoeth, Schwiegersohn von Sibylle Mer-        zur Miete. Das Haus an der Ecke zum Bonner

                                                                                            11
Talweg war 1865 gebaut worden. Es handelte       fing.76 Es war im Zweiten Weltkrieg zerstört
sich um ein großes dreigeschossiges Vierfens-    worden und wurde durch einen Neubau er-
terhaus im klassizistischen Stil. Hausbesit-     setzt. Der Sohn, der Privatgelehrte Dr. Ernst
zer waren Louis Hofmann, später seine Er-        Wülfing (1863-1913), besaß das Haus Lessing-
ben. Frau Plücker verzog nach dem Tode ihres     straße 40.77 Die Häuser an der Lessingstraße
Mannes zur Poppelsdorfer Allee 78.74 Das alte    waren 1897 von Carl Koch für den Rentner F.
Haus ist nicht mehr vorhanden. An seine Stelle   W. Bachem als „Spekulationshäuser“ erbaut
sind Bürohäuser getreten. Die Julius-Plücker-    worden und sind heute noch erhalten.78
Straße erinnert in Bonn an den Universitäts-
professor aus Elberfeld.                             Das Haus von Johann Friedrich Hec-
                                                 tor Philippi (1802-1880), Landgerichtspräsi-
    Der Rentner und ehemalige Inhaber der        dent a. D., lag an der Reuterstraße (Nr. 14).79
Färberei „A. Schlösser & Sohn“ Anton Schlös-     Bei dem heute vom Verkehr umtosten Gebäu-
ser (1797-1885) besaß ein prächtiges Haus im     de, damals in ruhiger Gegend, handelt es sich
klassizistischen Stil an der Poppelsdorfer Al-   um eines der in der Bonner Südstadt häufigen
lee (Nr. 34). Eine Durchfahrt für Kutschen und   Dreiachsenhäuser klassizistischen Zuschnitts.
Lastwagen in den Hof zeichnet das heute noch
vorhandene Haus vor anderen aus.                     Carl Ferdinand vom Baur (1819-1913),
                                                 Rentner und einfacher Millionär, Mitinhaber
    Auch das Haus des Rentners und ehema-        einer Bandfabrik in Ronsdorf,80 bewohnte zu-
ligen Kaufmannes aus Barmen Gustav vom           nächst das Haus Colmantstraße 4,81 später das
Baur (1812-1880) befand sich an der Pop-         größere – wahrscheinlich in seinem Auftrag
pelsdorfer Allee (Nr. 82). Architekt war Al-     erbaute – Haus Nr. 12. 1914 stand dieses Haus
bert Dietrich. Das Haus im Stil der Neorenais-   leer.82 Es ist heute nicht mehr vorhanden. Haus
sance wurde 1932 abgerissen. Heute befindet      Nr. 4, eine Doppelhaushälfte, besteht noch
sich auf dem Grundstück ein Neubau mit Eta-      heute. Es ist ein klassizistisches Dreifenster-
genwohnungen.75                                  haus mit Mitteltür.

                                                     Dr. Gustav Bernhard Wolff (1863-1911),
                                                 Landgerichtsrat a. D, lebte im Hause Helm-
                                                 holtzstraße, heute An der Elisabethkirche 4.
                                                 Es handelt sich um ein zweiachsiges Haus mit
                                                 Veranda und Erker im Stil der Gründerzeit.
                                                 Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.

                                                    Dr. h. c. Carl Emil Lischke, (1813-1886).
                                                 Oberbürgermeister a. D. Lischke bewohnte
                                                 ein nobles vierachsiges Reihenhaus mit Bal-
                                                 kon Colmantstraße 31.83 Das Haus war später
                                                 im Besitz der Witwe des Bonner Oberbürger-
                                                 meisters Doetsch.84 Es ist noch heute vorhan-
Entwurfszeichnung von Albert Dietrich, Foto      den.
Stadt­
     archiv und Stadthistorische Bibliothek
Brunn                                                Friedrich Plümacher (1819-1905) lebte als
                                                 Rentner in der Schumannstraße 67. Der Super-
    Der Rentner Ernst Wülfing (1820-1900)        intendent a. D. hatte. die Wohnung in einem
wohnte Quantiusstraße 11. Das Haus, das von      dreifenstrigen zweistöckigen Reihenhaus der
der Witwe Wülfing noch 1910 bewohnt wurde,       Bonner Südstadt nicht als Eigentum erwor-
war auch 1950 noch im Besitz der Erben Wül-      ben, sondern gemietet. Es waren wohl die Er-

12
innerungen an seine Studienzeit und die Nähe       1888 verstarb. Der Sohn aus erster Ehe, Fried-
zur theologischen Fakultät und zu den Univer-      rich Albert Lange, blieb als Philosoph und So-
sitätskliniken, die den über achtzigjährigen       zialist in Erinnerung.
Pfarrer und Superintendenten veranlassten,
etwa 1895 nach Bonn zu ziehen. Plümacher               Die frei auf einem Berg stehende Rosen-
starb in Bonn, wurde aber in Neviges begra-        burg in Bonn Kessenich wurde 1831 im Auf-
ben.                                               trag von Professor Georg August Goldfuß
                                                   erbaut. Der Architekt war Carl Alexander Hei-
    Das Reihenhaus des Rentners und ehema-         deloff.89 Der akademische Zeichenlehrer der
ligen Inhabers einer Türkischrot-Färberei Dr.      Universität Bonn Christian Hohe präsentierte
Robert Neuhoff (1843-1910) Baumschulallee          den Neubau in einer Lithografie als Teil eines
3285 wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, die      Burgendreiecks, bestehend aus Rosenburg,
Reste wurden aus Sicherheitsgründen abgeris-       Godesburg und Drachenfels.90 Ein weitge-
sen.86 Heute steht dort ein modernes Bürohaus.     hender Umbau erfolgte 1870/71 durch Gustav
                                                   Schlieper jun. (1837-1899).91
    Für den aus Sonnborn stammenden Profes-
sor der Theologie und Oberkonsistorialrat Jo-          Gustav Schlieper jun. war Teilhaber der
hann Peter Lange (1802-1884) war wichtig,          bedeutenden Stoffdruckerei Schlieper & Sohn
dass er die Universität zu Fuß erreichen konnte.   in Elberfeld. Er war verheiratet mit Helene
Er wohnte in dem ihm gehörenden Haus Me-           Baum, Tochter von Peter Rudolf Baum, der
ckenheimer Straße 64, jetzt Thomas-Mann-           ebenfalls Teilhaber der Firma war. 1860 wur-
Straße 64. Nach seinem Tod und dem Umzug           de er Mitglied der „Schützengesellschaft am
seiner Frau nach Düsseldorf wurde das Haus         Brill“. 1895 musste er sich wegen seiner ange-
von Rechtsanwalt Levy erworben, ihm folgte         griffenen Gesundheit aus Geschäft und Poli-
1910 Rechtsanwalt Ernst Hermanns. Schließ-         tik zurückziehen. Er lebte im Sommer in Bonn
lich war 1938 die Firma „Keramag“ (Kerami-         und im Winter an der Riviera. Dort starb er
sche Werke AG) Besitzerin des Hauses. Sie          1899.
ließ die Fassade dem benachbarten „Keramag-
Haus“ anpassen. Das Haus wurde 1970 abge-              Nach dem frühen Tod von Gustav Schlie-
rissen. Heute befindet sich dort die Betriebs-     per heiratete Helene Baum in 2. Ehe Ernst
leitstelle der Stadtwerke Bonn.                    Roeber, den aus Elberfeld stammenden Direk-
    Auf Peter Langes bemerkenswerten Le-           tor der Düsseldorfer Kunstakademie. Sie starb
benslauf und sein umfangreiches theologi-          am 2. August 1912, Roeber starb 1915 in Düs-
sches Lebenswerk kann hier nicht einge-
gangen werden. Die Allgemeine Deutsche
Bibliografie gibt eine gute Einführung.87 Lan-
ge war in erster Ehe mit der Pastorentochter
Amalie Garenfeld und in zweiter Ehe mit Ma-
ria Anna Colsman verheiratet.88 Als Pastor in
Langenberg war er mit dem Vater des Malers
Gustav Adolf Köttgen befreundet und veröf-
fentlichte 1839 eine Sammlung der Gedichte
dieses erfolgreichen Unternehmers. Dass die
kurze Zeit seines Wirkens in Langenberg für
ihn sehr wichtig war, mag die Tatsache bezeu-
gen, dass er nach dem Tod seiner ersten Frau
1861 mit einer Langenbergerin eine zweite
Ehe einging. Nach dem Tod ihres Mannes zog
Maria Anna Colsman nach Düsseldorf, wo sie         Die Rosenburg, 2010, Foto Heidermann

                                                                                             13
seldorf. Danach stand die Villa leer. 1919/20     hatte aber nicht das nötige Geld. Als dann das
wurde sie an das Apostolat des Priester- und      so genannte „Erbhofgesetz“ erlassen wur-
Ordensberufs verkauft und wurde Priesteraus-      de, gab es zusätzliche Schwierigkeiten. Otto
bildungsstätte. Ab 1936 Deutsche Wehrmacht.       Boedding­haus war ledig. Als Erbe kamen nur
Von 1950 bis 1973 Sitz des Bundesjustizmi-        seine Schwester Ruth und deren Töchter infra-
nisteriums. Danach bis 2006 vom Bundesver-        ge. Nun war aber in diesen Stamm vor 1800
teidigungsministerium genutzt. Heute Eigen-       auch jüdisches Blut geflossen. In einem sol-
tumswohnungen.92                                  chen Fall schloss das Gesetz die Vererbung
                                                  aus. Boedding­haus verpachtete das Gut an die
    Das seit Mitte der 1845er Jahre bestehen-     Familie Werhahn. Der Knoten löste sich, als
de Gut Melb (Bonn-Poppelsdorf, Melbweg 41         die Stadt 1936 ein passendes Gelände für die
und 4) wurde 1899 von dem Elberfelder Otto        neuen Universitätskliniken suchte (auf dem
Boeddinghaus jun. (1872-1940) erworben.           Venusberg standen bekanntlich Flakkasernen).
93
   Er war der Sohn von Otto Boeddinghaus          1939 kam der Kauf zustande. Otto Boedding-
sen. (1845-1874), verheiratet mit Selma Baum      haus starb am 7. März 1940 im Kreise seiner
(1850-1924), Teilhaber an der Firma Wilhelm       Elberfelder Familie.
Boeddinghaus & Co. in Elberfeld. Der Junior
bezeichnet als seinen Beruf Landwirt und trat,        Die neuen Unikliniken wurden nicht ge-
aus welchen Gründen auch immer, nicht in die      baut. Die Landwirtschaft war bis 1944 an Wer-
Firma ein.                                        hahn verpachtet. Nach Kriegsende wurde das
                                                  Herrenhaus von der Universität genutzt. Heute
   Von vor 1852 datiert die Backsteinbrücke       ist darin das „Institut für landwirtschaftliche
über das romantische Melbtal, die 1852 von        Zoologie und Bienenkunde“ untergekommen.
Wilhelm Schirmer gemalt wurde.                    Der landwirtschaftliche Bereich ist teils ver-
                                                  pachtet, teils vom Botanischen Garten Bonn
    Das Gut hatte eine Größe von 285 Morgen,      als Versuchs- und Demonstrationsgelände ge-
darunter zwölf Morgen Wald und fünf Morgen        nutzt. Der Gelände in Bereich von Ippendorf
Park. Der Kaufpreis betrug 350.000.- Mark.        wurde für Siedlungsbauten freigegeben.
Hinzu kamen 250.000.- Mark Instandset-
zungs- und Erweiterungsinvestitionen. Dazu
gehörte auch ein sechseckiges Geflügelhaus
in chinesischem Stil, das leider nicht mehr er-
halten ist. Schließlich wurden noch 30 Morgen
für 45.000.- Mark hinzugekauft. Zum Gutsge-
lände gehörte der größte und schönste Teil des
romantischen Melbtals.

    Das Guthaus, 1881 durch den damaligen
Besitzer, den aus Soest stammenden Rentner
Wilhelm Gabriel, wesentlich umgestaltet, hat      Herrenhaus von Gut Melb, 1881 umgebaut,
bis heute erhaltene kunstvolle Fliesenböden,      aus Berzheim 2001, S. 51
ein hölzernes Treppenhaus und einen „krö-
nenden“ Turm. 35 Zimmer wurden gezählt.94
                                                  GODESBERG
   Nach Versuchen in der Milch- und später
in der Fleischwirtschaft kam Boeddinghaus            An Johann Abraham Troost (1762-1840),
zu der Erkenntnis, dass das Gut wirtschaftlich    den Gründer der Firma Abraham Troost &
nicht zu führen sei und bemühte sich um ei-       Söhne in Elberfeld und Manchester, erinnert
nen Verkauf. Die Stadt Bonn war interessiert,     eine Grabstele auf dem Godesberger Burg-

14
friedhof. Sein Haus soll in der Nähe des Hau-     der nach Hermann J. Mahlberg möglicherwei-
ses von Dr. Franz Joseph Schwann I (Schwann       se von Maximilian Friedrich Weyhe entworfen
I)95 am Grünen Weg, heute Rheinallee 1, ge-       wurde.102 Carl Aders war ein Sohn von Johann
legen haben. Näheres ist nicht bekannt.96 Ein     Caspar Aders (1719-1798). Der in Elberfeld be-
Porträt von Heinrich Christoph Kolbe, das als     kanntere Johann Jacob Aders war sein Bru-
verschollen galt, befindet sich im Besitz von     der. Carl war Mitinhaber des Bankhauses
Nachfahren.                                       Jamesen & Aders in London. Die Gemälde­
                                                  sammlung war reich an bedeutenden Werken
    Der Sohn aus erster Ehe Eduard Abraham        und galt als kulturelle Attraktion Godesbergs.
Troost (1791-1869) lebte ebenfalls in Godes-      So schrieb Johanna Schopenhauer 1828. Sie
berg. 1854 wird er als Godesberger Mitglied       musste aber hinzufügen, dass die „altnieder-
der evangelischen Gemeinde Bonn erwähnt.97        rheinischen Stücke“, die sie noch vor Kurzem
Er war Gründungsmitglied der evangelischen        in der Sommervilla habe bewundern können,
Gemeinde Godesbergs und deren großzügiger         in den Hauptwohnsitz von Aders nach London
Förderer. 1865 spendete er 1.000.- Taler.98 In    überführt worden seien. Die wichtigsten Wer-
erster Ehe war er mit Maria Elisabeth van der     ke dieser Sammlung befinden sich heute in der
Beek, in zweiter Ehe mit Sophie Wittenstein       National Gallery in London, im Louvre und
(1811-1898) verheiratet. Eduard Troost starb      im Metropolitan Museum in New York. Aders
1869 in Elberfeld.                                war seit 1829 mit der Malerin Eliza Smith ver-
                                                  heiratet. Sie wohnte im Sommer in Godes-
    Die erste Frau des Enkels von Johann Ab-      berg. Aders organisierte auch die berühmte ro-
raham, Robert Troost (1816-1874), Maria           mantische Rheinreise der englischen Dichter
Woeste starb 1861 in Godesberg,99 wo sie sich     Coleridge und Wordsworth, mit denen er be-
vermutlich aus gesundheitlichen Gründen auf-      freundet war. Zweimal machten sie bei ihm in
hielt. Schon damals lebte die Familie von Ro-     Godesberg Station. Anfang der 1830er Jahre
bert Troost in Manchester. Maria Woeste war       hatte Aders mit geschäftlichem Misserfolg zu
eine Tochter von Karl Woeste und Johanna          kämpfen. 1835 musste er die Redoute verkau-
Frederika Boeddinghaus. Karl Woeste war           fen. Die Gemäldesammlung und seine beacht-
durch seine Heirat zum Teilhaber der Firma        liche Bibliothek wurden versteigert. Der letzte
„J. H. Funcke Eydam Boeddinghaus & Co.“
geworden. Auch den heute in Godesberg le-
benden entfernten Verwandten ist es nicht ge-
lungen, die Wohnstätten der Familien Troost
in Godesberg ausfindig zu machen.

    In Godesberg begegnet uns 1811 der Elber-
felder Kaufmann und Bankier Daniel Hein-
rich von der Heydt (1767-1831) als Käufer
der Redoute und des Komödienhauses. Wie-
weit er sie angesichts wirtschaftlicher Schwie-
rigkeiten in den folgenden Jahren wirklich als
Sommerhaus nutzen konnte, ist fraglich. 1823
verkaufte er sie jedenfalls an den Elberfelder
Kaufmann Peter Carl Theodor Aders (1780-
1846), der in London zu Vermögen gekom-
men war100 und in der Redoute seine Gemälde­
sammlung ausstellte.101 Aders ließ auf dem        Die Redoute in Godesberg nach einem Stich
hinter der Redoute terrassenförmig aufsteigen-    von L. Janscha und Joh. Ziegler, Fünfzig ma-
den Gelände einen Landschaftspark anlegen,        lerische Ansichten des Rheinstroms, 1798

                                                                                             15
Verkauf fand 1839 statt.103 Aders starb verarmt   Wülfing, Gerda-Dorothea de Weerth gebo-
in Florenz. Die Redoute kam in den Besitz der     rene Von der Heydt (1894-1995).107 1996 wur-
Bonner Bankiers Cahen, von denen sie 1853         de das Haus nach dem Tode von Gerda-Do-
an die Kölner Bankiersfrau Elise Deichmann        rothea de Weerth an die Stadt Bonn verkauft.
ging, die das Anwesen für Tochter Amalie und      Eine „Von der Heydt-Straße“ erinnert an die
Schwiegersohn Viktor Wendelstadt erwarb.          für Bad Godesberg wichtige Familie.

    Die älteste Stadtvilla in Godesberg ist das
heutige „Haus an der Redoute“, das Kurfürst-
liche Komödienhaus, Bad Godesberg, Kur-
fürstenallee 1a. Das kleine Theater wurde
1790-92/93 von Kurfürst und Erzbischof Maxi­
milian Franz von Österreich erbaut, Architekt
war wahrscheinlich Michael (III) Leydel aus
Bonn.104 Das kurfürstliche Komödienhaus lag
unmittelbar neben der Godesberger Redou-
te und war mit ihr durch einen überdeckten
Gang verbunden. Das Haus erfüllte alle Krite-
rien einer Villa mit Nebengebäuden (Remise)
und weitem Park.
                                                  Das „Haus an der Redoute“, 2010, Foto B. Zöl-
    1811 hatte der Elberfelder Bankier Daniel     ler-Heidermann
von der Heydt die Redoute samt Theater er-
worben. Als er die Redoute 1823 verkaufte,            Im Hause Kaiserstraße 4, heute Am Kur-
behielt er das Komödienhaus. Um 1847 kam          park 4, wohnte Friederike Kübner (1802-1875),
es in den Besitz des Elberfelder Kaufmanns        die Witwe von Carl Seyd (1792-1857) aus des-
Johann Caspar Gottfried Wever-Kersten             sen zweiter Ehe. Das Haus stand in soge-
(1780-1858),105 der 1858 in seinem Sommersitz     nannten Ersten Villenviertel Godesbergs und
in Godesberg verstarb, aber in Elberfeld beer-    Nachbarn waren Rautenstrauch, Mevissen
digt wurde. Wever war mit Johanna Kersten         und Gebrüder Joest aus Köln. Auf der ande-
verheiratet und ein Schwager von Daniel von       ren Seite der Straße lagen die großen Gärten,
der Heydt.                                        die heute einen Teil des Godesberger Kurparks
                                                  bilden. Das Haus Am Kurpark 4 steht unter
    Das Haus wurde 1861 von Carl von der          Denkmalschutz.
Heydt erworben. Carl von der Heydt (1806-
1881) war Teilhaber der Bank „Von der Heydt,          Carl Friedrich Heinrich Andreas Seyd war
Kersten & Söhne“. Er war mit Julie Simons,        Inhaber einer „Handlung für englische, fran-
Tochter von Winand Simons, verheiratet. Carl      zösische und Schweizer Manufakturwaren“ in
von der Heydt starb am 1. Dezember 1881 in        Elberfeld. 1846 wurde er Mitglied der „Schüt-
Godesberg. Karl von der Heydt, sein En-           zengesellschaft am Brill“. Nach dem Tod von
kel, nutzte das Haus, besonders nach seiner       Carl Seyd 1857 übernahm Ludwig von Lilien-
Heirat mit Elisabeth Wülfing 1883, bis 1893.      thal (1828-1893), der seit 1852 mit Carl Seyds
Nach Vollendung der Villa auf dem Wachhol-        Tochter Friederike Henriette (1832-1884) ver-
der wohnten der Kaufmann Kaspar Schmidt           heiratet war, das Unternehmen. Er war bereits
und seine Frau Adele Emma Barker im Hau-          1847 in die Firma eingetreten. Unter seiner
se. Ab 1922 lebte Elisabeth von der Heydt         Leitung wurde die Handlung zu einem mo-
(1864-1961) mit ihren beiden Töchtern wieder      dernen Warenhaus am Wall Ecke Schlössers-
im Komödienhaus.106 Zuletzt wohnte dort die       gasse ausgebaut. Der Bruder von Carl Seyd,
Tochter von Karl von der Heydt und Elisabeth      Friedrich Seyd, war Inhaber der Firma Fried-

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rich Seyd & Söhne. Er war mit Julie Cords ver-      kannt geblieben und lesenswert. Wilhelm Lan-
heiratet. Carl und Friedrich waren Söhne des        gewiesche war Presbyter und Diakon in der
Pastors Johann Caspar Seyd in Barop.108 Schon       Godesberger evangelischen Gemeinde.
1856 zeichnete Carl Seyd eine Spendenliste,
die in Godesberg die Besoldung eines evan-             Sein Sohn Adolf (1838-1918) kam mit Frau
gelischen Pfarrverwesers ermöglichen soll-          und vier Kindern im Dezember 1873 aus El-
te.109 1864 spendete seine Witwe 500 Taler für      berfeld nach Godesberg und eröffnete in der
Schulzwecke der Evangelischen Gemeinde,110          Burgstraße 39a, eine Buchhandlung. 1878 be-
1865 weitere 1.000 Taler zu Bau des Pfarrhau-       gann er mit der Veröffentlichung der „Godes-
ses. Das Haus wurde vermutlich nach ihrem           berger Zeitung“. Die Zeitung wurde in Bar-
Tod am 11. Dezember 1875 von Ludwig von             men gedruckt. Adolf Langewiesche war mit
Lilienthal, ihrem Schwiegersohn, geerbt. 1880       Wilhelmine Zumwinkel (gestorben 1909, 71
spendete er für den Neubau der Godesberger          Jahre alt) verheiratet und starb 1918 als Wit-
Evangelischen Kirche den Altar. In der Spen-        wer im Alter von 79 Jahren in Godesberg.115
derliste wird er als „Freiherr von Lilienthal,
Elberfeld-Godesberg“ bezeichnet.111 Die Vil-
la war 1917 im Eigentum der Rentnerin Wwe.
Paul Stein geborene Mevissen.112 Heute ist sie
Sitz der Intendanz des Schauspielhauses.

                                                    Anzeige von 1874, aus Langewiesche 1874

                                                        Der Enkel Wilhelms, Adolf Wilhelm
                                                    (1869-1929), war in Godesberg als Immobi-
                                                    lienhändler tätig. Seine Frau betrieb bis 1911
                                                    eine Pension in der Rüngsdorfer Straße 9.
                                                    Adolf Langewiesche war viele Jahre aktives
Am Kurpark 4, 2010, Foto Heidermann                 Vorstandsmitglied des Wassersportvereins
                                                    Godesberg.
    Wilhelm Langewiesche (1807-1884) ist
im Wuppertal als Buchhändler in Barmen (bis             Der genaue Standort des Hauses von Dr.
1872) und Herausgeber des Buches „Elberfeld         h. c. Friedrich Fabri an der Bad Godesber-
und Barmen. Beschreibung und Geschichte             ger Hauptstraße,116 heute Koblenzer Straße,
dieser Doppelstadt des Wuppertals“ von 1863         lässt sich nicht mehr feststellen. Fabri hatte
bekannt. Er war 1872 mit Frau und zwei Töch-        das Haus 1884 aus Anlass seiner Übersiedlung
tern nach Godesberg gekommen. Sein Wohn-            nach Godesberg gebaut. Es war später im Be-
haus lag in Plittersdorf, vermutlich am Blum-       sitz des Kaufmanns Rautenstrauch aus Köln.
richsweg (heute Anfang der Beethovenallee),         Die Häuser an der Hauptstraße waren über-
ist aber heute nicht näher zu lokalisieren.113 Er   wiegend zweistöckige Wohnhäuser im klassi-
war mit Luise Bredt aus Schwelm verheiratet,        zistischen Stil.
die 1883 starb. Wilhelm Langewiesche folgte
1884.114 In Bad Godesberg ist sein Werk „Go-           Friedrich Gotthardt Karl Ernst Fabri (1824-
desberg und seine Umgebung“ bis heute be-           1891) wurde 1857 Missionsdirektor der „Rhei-

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