Der Zollstreit zwischen der EU und den USA - Ostfalia

Die Seite wird erstellt Malte Klemm
 
WEITER LESEN
Der Zollstreit zwischen der EU und den USA - Ostfalia
H A N D E L S K R I E G: EU U N D U S A

Der Zollstreit
­zwischen der EU
 und den USA
                                   V O N P R O F. D R . I U R . A C H I M R O G M A N N , L L M ( M U R D O C H )

                                   Im März 2018 führten die USA soge-                       Handels­ministerium) einen weiteren
                                   nannte „Strafzölle“ (punitive duties)                    Bericht, den US-Präsident Trump als
                                   auf bestimmte Waren aus Stahl und                        Grund­lage für Strafzölle auf Kraft-
                                   Aluminium ein, deren Anwendung                           fahrzeuge betrachtete und damit
                                   für Waren mit Ursprung in der EU zu-                     eine weitere Eskalationsstufe beim
                                   nächst ausgesetzt wurde. Nachdem                         Zollstreit einleitete. Da das Verfahren
                                   die Trump-Regierung diese Zölle trotz                    hinsichtlich der Automobile auf die
                                   aller Verhandlungen mit Vertretern                       gleiche Rechtsgrundlage gestützt ist
                                   der EU und ihrer Mitgliedsstaaten                        und „Strafzölle“ auf Autos sich auch
                                   zum 1. Juni 2018 auch auf EU-Produk-                     WTO-rechtlich am gleichen Maßstab
                                   te erhob, hat die EU ihrerseits zum                      messen lassen müssen, stehen die
                                   1. Juli 2018 „Strafzölle“ in Höhe von                    Einfuhrzölle auf Stahl- und Alumini-
                                   25 Prozent auf eine Reihe von Waren                      umprodukte nachfolgend im Vorder-
                                   mit Ursprung in den USA eingeführt.                      grund; das Verfahren dient quasi als
                                   Mitte Februar 2019 übermittelte                          Vorreiter für alle weiteren sicherheits-
                                   das Department of Commerce (US-                          bezogenen Maßnahmen der USA.

                                                                                                                    BELS-Report | 23
Der Zollstreit zwischen der EU und den USA - Ostfalia
AU S G A N G S P U N K T:                        die Umstände der globalen Über-          Section 232 des Trade Expansion Act
D I E M A SS N A H M E N D E R U S A             kapazitäten für die Aluminium- und       zu beeinträchtigen drohten. Er sprach
                                                 Stahlproduktion die innere Wirt-         daher die Empfehlung aus, dass der
Die Maßnahmen der USA müssen zu-                 schaft der USA schwächten und die        Präsident sofort tätig werde, „um das
nächst auf eine Ermächtigungsgrund-              Vereinigten Staaten fast vollständig     Einfuhrniveau der betreffenden Waren
lage nach nationalem Recht gestützt              auf ausländische Produzenten von         anzupassen“, somit die Einfuhren zu
werden können. Zudem sollten sie in              Primäraluminium angewiesen seien.        drosseln.
Einklang mit den WTO-rechtlichen                 Zudem bestehe die Gefahr, dass die
Verpflichtungen der USA stehen. Erst             USA vollständig von ausländischen        Zur Abwehr der Bedrohung der ame-
im Anschluss kann die Zulässigkeit               Produzenten hochreinen Aluminiums        rikanischen Sicherheit hat das De-
von Gegenmaßnahmen der EU beur-                  abhängig seien, die für wichtige mi-     partment of Commerce sodann drei
teilt werden.                                    litärische und kommerzielle Systeme      Möglichkeiten vorgeschlagen:
                                                 unerlässlich seien.                      1. Einfuhrzölle auf Einfuhren aus al-
                                                                                               len Ländern;
V E R E I N B A R K E I T M I T U S - R EC H T                                            2. Zölle nur auf Einfuhren aus
                                                                                              ­bestimmten Ländern;
Die US-Regierung stützt ihre Maß­                »Das Pentagon                            3. Globale Einfuhrquoten.
nahmen auf Section 232 des Trade                                                          Angesichts dieser Schlussfolgerung
Expansion Act of 1962. Im Januar                 warnte zudem vor                         empfahl der Handelsminister Maß-
2018 leitete der US-Secretary of                                                          nahmen zur Anpassung der Alumini-
Commerce dem Präsidenten der USA                 den ­negativen Aus­                      umeinfuhren, damit diese Einfuhren
Untersuchungsberichte über die                                                            die nationale Sicherheit nicht weiter
Auswirkungen von Aluminium- und                  wirkungen der                            beeinträchtigen. Zu diesen Empfeh-
Stahleinfuhren in die USA zu, nach-                                                       lungen gehörte ein globaler Zolltarif
dem Präsident Trump das Department               vorgeschlagenen                          von 7,7 Prozent auf Einfuhren von
of Commerce im April 2017 unter                                                           Aluminiumgegenständen und von 24
Berufung auf Section 232 angewiesen              ­Handelsmaßnahmen                        Prozent auf Stahlerzeugnisse, um die
hatte, Untersuchungen über die Aus-                                                       Einfuhren auf ein Niveau zu senken,
wirkungen von Stahl- und Aluminiu-               auf die wichtigsten                      das nach Einschätzung des Ministers
meinfuhren auf die nationale Sicher-                                                      heimischen Aluminiumproduzenten
heit vorzunehmen. Untersuchungen                 Verbündeten der                          die Möglichkeit geben würde, etwa 80
auf dieser Basis wurden zuletzt 2001                                                      Prozent der vorhandenen inländischen
durchgeführt; seit 1980 kam es aber              USA.«                                    Produktionskapazitäten zu nutzen.
nur in einem Fall (Embargo gegen                                                          Dadurch sollte eine langfristige wirt-
Rohöl mit Ursprung in Libyen im Jahr                                                      schaftliche Rentabilität durch erhöhte
1982) zur Einführung zusätzlicher Zöl-                                                    Produktion erreicht werden. Diese
le. Schon im Mai 2018 wurde ein wei-             Aufgrund dieser Risiken und der Ge-      Vorschläge standen in Einklang mit
teres Untersuchungsverfahren einge-              fahr, dass die heimische Aluminium-      Section 232 des Trade Expansion Act,
leitet, dieses Mal zu Auto­importen in           und Stahlindustrie die bestehenden       welche den US-Präsidenten ermäch-
die USA.                                         nationalen Sicherheitsanforderungen      tigt, die Mengen und Umstände von
                                                 nicht erfüllen oder nicht auf eine na-   Einfuhren einer Ware und ihrer Deriva-
Der US-Handelsminister kam im                    tionale Sicherheitsnotlage reagieren     te in die Vereinigten Staaten so anzu-
Rahmen des ersten Untersuchungs-                 könne, die eine starke Zunahme der       passen, dass die nationale Sicherheit
verfahrens zu dem Ergebnis, dass                 inländischen Produktion erfordere,       nicht gefährdet wird.
Aluminium- und Stahlerzeugnisse in               und unter Berücksichtigung der en-
solchen Mengen und unter solchen                 gen Beziehung des wirtschaftlichen       Das US-Verteidigungsministerium
Umständen in die Vereinigten Staa-               Wohlergehens der Nation und ihrer        sprach in einer Stellungnahme zwar
ten eingeführt würden, dass eine                 nationalen Sicherheit, gelangte der      ebenfalls von einer Bedrohung der
Gefährdung der nationalen Sicher-                Minister zu dem Schluss, dass die        nationalen Sicherheit durch unfaire
heit drohe. Der Minister stellte fest,           derzeitigen Mengen und Umstände          Handelspraktiken bei Stahl und Alu-
dass die gegenwärtigen Mengen an                 der Aluminium- und Stahlimporte die      minium. Es sah aber keine Gefahr für
Aluminium- und Stahlimporten und                 nationale Sicherheit im Sinne von        die Versorgungssicherheit für Zwe-

BELS-Report | 24
Der Zollstreit zwischen der EU und den USA - Ostfalia
cke der Verteidigung. Das Pentagon        Die Proclamations nahmen von vorn-         Auch wenn die Anwendung der
warnte zudem vor den negativen Aus-       herein die NAFTA-Partner Kanada und        US-Maßnahmen für Produkte mit Ur-
wirkungen der vorgeschlagenen Han-        Mexiko von den Abwehrmaßnahmen             sprung in der EU zunächst ausgesetzt
delsmaßnahmen auf die wichtigsten         aus. Zudem wird jedes Land, mit dem        wurde, schwebten sie wie ein Damok-
Verbündeten der USA.                      die USA eine Sicherheitsbeziehung          lesschwert über den betroffenen Her-
                                          (security relationship) unterhalten ein-   stellern in der EU. Die das WTO-Sys-
Section 604 des Trade Act von 1974        geladen, mit dem Präsidenten alterna-      tem ausmachende Planungssicherheit
räumt dem Präsidenten wiederum die        tive Wege zur Begegnung der Sicher-        war damit schon vor der eigentlichen
Kompetenz zur Aufnahme von Ein-           heitsgefährdung zu diskutieren. Der        Erhebung der Zölle zerstört. Die glei-
fuhrmaßnahmen, einschließlich der                                                    che Strategie verfolgten die USA in
Änderung, Aufrechterhaltung oder                                                     Bezug auf Autoimporte, wo sich schon
Auferlegung eines Zollsatzes oder                                                    seit Einleitung des Untersuchungs-
einer anderen Einfuhrbeschränkung,        »Selbst wenn die                           verfahrens Hoffen und Bangen immer
in den Harmonisierten Zolltarif der                                                  wieder ablösten und immer wieder
Vereinigten Staaten (HTSUS) ein. Eine     Trump-Regierung                            Verhandlungen zwischen EU, Automo-
positive Stellungnahme der amerika-                                                  bilindustrie und der Trump-Regierung
nischen International Trade Commis-       ­wenig Neigung zeigt,                      geführt wurden.
sion (ITC), wie sie für die Einführung
von Antidumping- oder Ausgleichszöl-      sich internationalen                       Seit dem 01.06.2018 werden die
len erforderlich wäre, ist im Verfahren                                              US-Strafzölle auch auf Produkte mit
nach Section 232 nicht vorgesehen.        Verpflichtungen                            Ursprung in den EU-Mitgliedsstaaten
                                                                                     erhoben. Maßgeblich ist das Ur-
Auf dieser Rechtsgrundlage folgte         unterzuordnen, ist                         sprungs- und nicht das Ausfuhrland,
Präsident Trump der Empfehlung des                                                   wobei die Ursprungsregeln von den
Department of Commerce und führte         der amerikanische                          USA festgelegt werden. Eine Befris-
mit den Proclamations 9704 (Alumini-                                                 tung der Maßnahme sieht die Entschei-
um) und 9705 (Stahl) vom 08.03.2018       ­Präsident von seinen                      dung des US-Präsidenten nicht vor.
zur Anpassung von Einfuhren ab dem
23.03.2018 unbefristete Schutzmaß-        Plänen abgerückt, die
nahmen in Form von Zollerhöhungen                                                    V E R E I N B A R K E I T M I T W T O - R EC H T
in Höhe von 25 beziehungsweise 10         USA aus der WTO
Prozent auf bestimmte Stahl- und                                                     Kennzeichnend für die US-Maßnah-
Aluminiumerzeugnisse ein. Diese Zölle     herauszuführen.«                           men ist, dass sie rechtlich nur an
sind zusätzlich zu etwaigen bereits                                                  Section 232 gemessen werden; ein
bestehenden Zollsätzen zu erheben                                                    Abgleich mit den Anforderungen des
und sollen der amerikanischen Stahl-                                                 WTO-Rechts hat – zumindest offi-
und Aluminiumindustrie helfen, still-     Präsident sei bereit, Maßnahmen ge-        ziell – nicht stattgefunden. Selbst
gelegte Anlagen wiederzubeleben,          gen diese Länder auszusetzen, sobald       wenn das US-Recht eine hinreichende
notwendige Fähigkeiten durch Einstel-     die Gefahr für die nationale Sicherheit    Rechtsgrundlage für die Einführung
lung neuer Stahlarbeiter zu erhalten      nicht mehr drohe und gegebenenfalls        von Schutzmaßnahmen bieten sollte,
und die Produktion aufrechtzuerhal-       die Zölle bei den verbleibenden Län-       müssen sich die zusätzlichen Zölle
ten oder zu erhöhen. Dadurch soll auf     dern anzupassen. Erst am 22.03.2018        auf Aluminium und Stahl auch am
Seiten der USA die Notwendigkeit,         – also einen Tag vor der Einführung        WTO-Recht messen lassen. Selbst
sich auf ausländische Produzenten         der zusätzlichen Zölle – wurde die         wenn die Trump-Regierung wenig Nei-
für Stahl und Aluminium verlassen zu      Anwendung für betroffene Waren mit         gung zeigt, sich internationalen Ver-
müssen, verringert werden und die         Ursprung in der EU und mehreren an-        pflichtungen unterzuordnen, ist der
US-Stahl- und Aluminiumindustrie in       deren WTO-Mitgliedern zunächst bis         amerikanische Präsident von seinen
die Lage versetzt werden, weiterhin       zum 01.05.2018 und im Falle der EU         zwischenzeitlich verlautbarten Plänen
die gesamten für kritische Industrien     erneut bis zum 01.06.2018 ausgesetzt.      abgerückt, die USA aus der WTO he-
und die nationale Verteidigung not-       Eine weitere Ausnahme für die EU           rauszuführen. Solange die USA aber
wendigen Mengen zu liefern.               lehnte die US-Regierung auch nach          Mitglied der WTO sind, müssen sie
                                          intensiven Verhandlungen ab.               sich mit ihren Maßnahmen im Rahmen

                                                                                                                     BELS-Report | 25
Der Zollstreit zwischen der EU und den USA - Ostfalia
der WTO-rechtlichen Verpflichtungen       Artikel XXI GATT 1994 hat folgenden
bewegen und sich den Kontrollmecha-       Wortlaut (nicht amtliche Überset-
nismen der WTO unterwerfen, wollen        zung):
sie nicht ihrerseits erhebliche Gegen-
maßnahmen der anderen WTO-Mit-            Keine Bestimmung des vorliegenden
glieder in Kauf nehmen.                   Abkommens soll dahin ausgelegt wer-
                                          den (…)
In den langwierigen Verhandlungen         b) dass ein Vertragspartner daran
der Uruguay-Runde, die zur Gründung          gehindert wird, die Maßnahmen zu
der WTO im Jahr 1995 führte, sind die        treffen, die er zum Schutz seiner
USA Zollzugeständnisse eingegangen,          Sicherheit
die in der maßgeblichen Liste nieder-        (i) bei spaltbaren Stoffen oder sol-
gelegt sind. Nach Artikel II:1 Buchsta-            chen Stoffen, aus denen diese
be a) des Allgemeinen Zoll- und Han-               erzeugt werden;
delsabkommens (General Agreement             (ii) beim Handel mit Waffen, Mu-
on Tariffs and Trade (GATT)) gewährt               nition und Kriegsmaterial und
jedes WTO-Mitglied dem Handel der                  bei jedem Handel mit anderen
anderen WTO-Mitglieder eine nicht                  Waren, die unmittelbar oder
weniger günstige Behandlung als in                 mittelbar zur Versorgung der
dem betreffenden Teil der entspre-                 bewaffneten Streitkräfte be-
chenden Liste vorgesehen ist. Es dür-              stimmt sind;
fen also keine Zölle erhoben werden,         (iii) in Kriegszeiten oder im Falle
welche die in der Liste vorgesehenen               einer anderen ernsten inter­
Zollsätze übersteigen.                             nationalen Spannung;
                                             für erforderlich hält (…).
Allerdings gestattet es das WTO-
Recht, in bestimmten Fällen die ver-      Während Artikel XXI GATT 1994 keine
einbarten Zollsätze zu überschreiten.     Aussage darüber trifft, welche Maß-
Artikel II:2(a) GATT 1994 nennt hierzu    nahmen zum Schutz der Sicherheit
Antidumping- oder Ausgleichszölle         ergriffen werden können, werden die
gemäß Artikel VI GATT 1994. Aller-        Voraussetzungen durchaus deutlich
dings werfen die USA der EU weder         aufgeführt. In Betracht kommt bei         glieds abzustellen, was sich aus der
Dumping noch verbotene Subventi-          den betroffenen Produkten allenfalls      Formulierung „nach ihrer Auffassung“
onen für Stahl und Aluminium (bzw.        die Regelung in Buchstabe b) Ziffer ii)   ergebe. Daher ist bereits umstritten,
Automobile) vor. Sie stützen ihre         „Handel mit Waren, die unmittelbar        ob es sich um eine „self-judging“-
Strafzölle vielmehr ausschließlich auf    oder mittelbar zur Versorgung der be-     Norm handelt, deren Anwendung
Fragen der nationalen Sicherheit.         waffneten Streitkräfte bestimmt sind“.    der Überprüfung durch ein Panel
                                          Entscheidungen zur Auslegung dieser       entzogen ist. Ein GATT-Panel hat sich
Hier liegt die Brisanz des Falles,        Bestimmung durch das dafür zuständi-      im Fall US-­Nicaraguan Trade im Jahr
denn Artikel XXI des GATT 1994 er-        ge Streitbeilegungsgremium der WTO        1986 dahingehend geäußert, dass das
laubt den WTO-Mitgliedern durchaus        gibt es bislang nicht.                    Kontrollrecht eines Panels inhaltslos
Maßnahmen zum Schutz nationaler                                                     würde und nationale Maßnahmen
Sicherheitsinteressen. Diese Norm         In der Literatur wird die Auffassung      unter Berufung auf die Ausnahmere-
kann zur Rechtfertigung von Maß-          vertreten, dass die Anforderungen an      gelung exzessiv oder außerhalb der
nahmen herangezogen werden, die           die WTO-Konformität eher niedrig          in Artikel XXI GATT vorgesehenen
eigentlich gegen die Bestimmungen         anzusetzen sind. Statt einer strikten     Fälle ergriffen werden könnten. Dieser
des GATT 1994 verstoßen. Genau auf        Verhältnismäßigkeitsprüfung genü-         Panel-Bericht wurde seinerzeit jedoch
diese Norm berufen sich die USA um        ge die Eignung einer Maßnahme für         nicht angenommen. Es ist daher nach
die zusätzlichen Zölle auf Stahl und      die Zielerreichung. Zudem sei für die     wie vor unklar, ob Maßnahmen, die
Aluminium auch WTO-rechtlich zu           Beurteilung, was die wesentlichen         auf Artikel XXI GATT 1994 gestützt
rechtfertigen.                            Sicherheitsinteressen erfordern, auf      werden, überhaupt im Rahmen des
                                          die Einschätzung des jeweiligen Mit-      WTO-Streitbeilegungssystems ange-

BELS-Report | 26
Der Zollstreit zwischen der EU und den USA - Ostfalia
griffen werden können. Auch wenn                                   Selbst wenn man der Auffassung
der Beschwerdegegner unter Geltung                                 folgt, dass die Auslegung des Artikel
des WTO-Rechts die Einsetzung eines       »Wobei es sich bei       XXI(b) GATT 1994 durch ein WTO-­
Panels nicht verhindern kann, ist nicht                            Panel überprüft werden könne, muss
gewährleistet, dass sich ein solches      Einfuhrmaßnahmen         man der jeweiligen Regierung einen
Panel überhaupt mit hochpolitischen                                nicht unerheblichen Beurteilungs-
Fragen der nationalen Sicherheit be-      gegen Auto­­mobile       spielraum einräumen. Allerdings darf
fassen würde.                                                      die Ausnahme auch wieder nicht zu
                                          nur schwer erkennen      weit ausgelegt werden, da sie sonst
Im Falle des Kuba-Embargos der USA                                 als Generalklausel für die Rechtfer-
(unter dem sog. Helms-Burton Act) ha-     lässt, woraus sich       tigung protektionistischer Maßnah-
ben die USA 1996 die Auffassung ver-                               men eingesetzt werden könnte und
treten, dass der Handelsstreit Fragen     ein Sicherheits­risiko   Missbrauch vorgebeugt werden muss.
der Diplomatie und der nationalen                                  Im Fall US-Nicaraguan Trade stellte
Sicherheit betreffe und nicht handels-    für die USA ergeben      das Panel fest, dass das GATT seine
bezogene Maßnahmen. Er falle daher                                 grundlegenden Ziele nur erreichen
nicht in den Zuständigkeitsbereich der    könnte.«                 könne, wenn Vertragsparteien bei der
WTO. Es ist davon auszugehen, dass                                 Anwendung von Artikel XXI GATT ihre
die USA auch im aktuellen Streitver-                               Sicherheitsinteressen sorgfältig gegen
fahren eine ähnliche Argumentations-                               das Erfordernis stabiler Handelsbezie-
linie verfolgen.                                                   hungen abwägen. Eine überzeugende

                                                                                         BELS-Report | 27
Sichtweise zur Reichweite des Kon­         DIE REAKTION DER EU                        mens über Schutzmaßnahmen (SMÜ)
trollrechts ist somit, dass eine Über-                                                ergriffen werden.
prüfung insoweit möglich sein muss,        Sicherlich auch wegen der unklaren
ob die vom jeweiligen WTO-Mitglied         Rechtslage bei der Anwendung von           Die Einführung von Schutzmaß-
gelieferte Erklärung plausibel ist oder    Artikel XXI GATT 1994 hat die EU           nahmen auf eine Ware durch ein
ob die getroffenen Maßnahmen einen         eine Verteidigungsstrategie entwi-         WTO-Mitglied ist nur zulässig, „wenn
offensichtlichen Missbrauch der Aus-       ckelt, bei der die Unwägbarkeiten          es gemäß den nachstehenden Bestim-
nahmeregelung darstellen.                  der Sicherheitsausnahme umschifft          mungen (des SMÜ) festgestellt hat,
                                           werden. Die EU vertritt nämlich die        dass diese Ware absolut oder im Ver-
Rein wirtschaftliche Gründe können         Auffassung, dass es sich bei den           gleich zu der inländischen Produktion
dabei nicht geltend gemacht werden,        Schutzmaßnahmen losgelöst von der          in derart erhöhten Mengen und unter
da allein „wesentliche Sicherheits-        Charakterisierung durch die USA um         derartigen Bedingungen in sein Gebiet
interessen“ eine Ausnahme von den          solche nach Artikel XIX GATT hande-        eingeführt wird, dass dem inländi-
Marktzugangsverpflichtungen er-            le. Sie fühlt sich hierzu berechtigt, da   schen Wirtschaftszweig, der gleich­
möglichen. Diese müssen hinreichend                                                   artige oder unmittelbar konkurrieren-
nachvollziehbar dargelegt werden.                                                     de Waren herstellt, ein ernsthafter
Waren, die nur mittelbar der Versor-                                                  Schaden zugefügt wird oder zugefügt
gung der Streitkräfte dienen, können       »Die EU leitete                            zu werden droht“ (Art. XIX GATT i.V.m.
nur dann unter die Ausnahmerege-                                                      Art. 2.1 SMÜ).
lung fallen, wenn sie eine gesteigerte     die erforderlichen
Bedeutung für die Versorgung der                                                      Die USA haben ihre Abwehrzölle aus
Streitkräfte haben, da sich sonst          Schritte ein, um den                       gutem Grund nicht auf Artikel XIX
wiederum eine Generalermächtigung                                                     GATT 1994 gestützt. Selbst im Unter-
für Handelsbeschränkungen ergeben          ihrer ­Meinung nach                        suchungsbericht des Department of
würde, durch welche die eingegange-                                                   Commerce zur Lage der Aluminium­
nen Liberalisierungszugeständnisse         WTO-widrigen                               industrie wird dargelegt, dass der
nahezu beliebig unterlaufen werden                                                    Anteil der Einfuhren am Verbrauch im
könnten. Selbst wenn eine Überprü-         Zöllen der USA                             Zeitraum von 2006 bis 2016 lediglich
fung der amerikanischen Maßnahmen                                                     von 51 auf 64 Prozent gestiegen ist.
im Rahmen des Streitbeilegungssys-         möglichst schnell mit                      Ein solcher Anstieg über einen Zeit-
tems der WTO möglich sein sollte, ist                                                 raum von zehn Jahren reflektiert aber
nicht ausgemacht, dass sie als Verstoß     WTO-konformen                              ganz gewöhnliche Entwicklungen im
gegen WTO-rechtliche Verpflichtun-                                                    Welthandel und keine unvorherge-
gen eingestuft würden, wobei es sich       Maßnahmen zu                               sehene Entwicklung, die dringende
bei Einfuhrmaßnahmen gegen Auto­­                                                     Schutzmaßnahmen rechtfertigen
mobile aber nur schwer erkennen            begegnen.«                                 könnte. Auch im Untersuchungsbericht
lässt, woraus sich ein Sicherheitsrisiko                                              zu den Stahleinfuhren fehlen Hinwei-
für die USA ergeben könnte. Bis zu                                                    se auf eine erhebliche Steigerung der
einer Entscheidung im Rahmen des                                                      Einfuhren im Sinne von Artikel XIX
WTO-Streitbeilegungssystems wird es        die USA ihre Zölle nicht bei der WTO       GATT 1994.
somit umstritten bleiben, ob Artikel       notifiziert haben und damit auch
XXI GATT 1994 als Rechtfertigung           keine offizielle Erklärung abgegeben       Bei Stahlprodukten ist das Import-
(„Keine Bestimmung des vorliegen-          haben, auf welcher WTO-rechtli-            volumen im Jahr 2017 verglichen zu
den Abkommens soll dahin ausgelegt         chen Grundlage die zusätzlichen            2011 um 44 Prozent gestiegen, wobei
werden …“) für einen Verstoß gegen         Zölle eingeführt wurden. Die EU            die Importe lediglich gut 30 Prozent
die sich aus dem GATT ergebenden           lässt sich bei ihrer Einordnung von        des nationalen Verbrauchs decken. Im
Kernverpflichtungen (insbes. zur           der ihrer Meinung nach wirklichen          Bericht ist dann auch nur davon die
Meistbegünstigung, der Inländer-           Natur der Maßnahmen und nicht der          Rede, dass die derzeitigen Mengen
gleichbehandlung und Einhaltung der        US-internen Kategorisierung lenken.        und Umstände von Stahleinfuhren
Zollzugeständnisse) dienen kann.           Schutzmaßnahmen nach Artikel XIX           die US-Wirtschaft schwächen und
                                           GATT dürfen nur im Einklang mit den        die nationale Sicherheit, wie sie in
                                           Vorschriften des WTO-Übereinkom-           Section 232 definiert ist, beeinträch-

BELS-Report | 28
tigen könnten. Von einer drohenden       Dazu hat sie folgende Schritte bei der          ihrerseits Gegenmaßnahmen anwen-
Schädigung der Stahlindustrie ist        WTO unternommen:                                den, sofern dieses WTO-Gremium
dagegen keine Rede. Zudem muss           » Einreichung eines Antrags auf                 dagegen keine Einwände erhebt (Art.
ein WTO-Mitglied, das Maßnahmen             Konsultationen mit den USA über              8 Abs. 2 SMÜ). Entsprechend kündigte
nach Artikel XIX GATT einführt, die         Handelskompensationen,                       die Kommission mit der Durchfüh-
davon betroffenen WTO-Mitglieder         » umgehende Notifizierung von zu-               rungsverordnung (EU) 2018/724 an,
umgehend entschädigen. Eine solche          sätzlichen Zöllen auf US-Waren,              den Rat für den Handel mit Waren bei
Verpflichtung besteht bei Maßnahmen      » Einleitung eines Streitbeilegungs-            der WTO spätestens zum 18.05.2018
nach Artikel XXI GATT nicht. Hier hät-      verfahrens.                                  davon in Kenntnis zu setzen, dass
te die EU erst im Streitbeilegungsver-   Diese Schritte sollen nachfolgend er-           die EU sich das Recht vorbehalte,
fahren obsiegen müssen und den USA       läutert werden.                                 mit Wirkung ab dem 20.06.2018 die
die Verpflichtung auferlegt werden                                                       Anwendung der im Rahmen der WTO
müssen, ihre Regelung in Einklang mit                                                    getroffenen Zollzugeständnisse für
WTO-Recht zu bringen.                    A N T R AG AU F KO N S U LTAT I O N E N B E I   die im Anhang I der DurchführungsVO
                                         DER W TO                                        festgelegten Waren mit Ursprung in
Bis zu einer möglichen Einführung                                                        den USA auszusetzen und zusätzliche
von Gegenmaßnahmen wären so Jahre        Schon am 16.04.2018 beantragte die              Zölle in Höhe von 25 Prozent einzu-
vergangen. Insoweit hat die EU die       EU bei der WTO Konsultationen mit               führen.
Maßnahme der USA auch deshalb in         den USA nach Artikel 12.3 SMÜ, die
eine Schutzmaßnahme nach Artikel         eigentlich schon vor Einführung der             Die erforderliche Notifikation nach
XIX umklassifiziert, um sofortige Ge-    US-Maßnahmen hätten durchgeführt                Artikel 12 Absatz 5 SMÜ wurde dem
genmaßnahmen einführen zu können.        werden müssen. In ihrem Antrag rügte            WTO-Rat für den Handel mit Waren
Nach Artikel 8.3 SMÜ ist jedoch die      die EU auch, dass die USA dem zu-               dann auch am 18.05.2018 übermittelt,
Aussetzung von Zugeständnissen in        ständigen Ausschuss für Schutzmaß-              indem mitgeteilt wurde, dass die EU
den ersten drei Jahren unzulässig,       nahmen nicht wie in Artikel 12.1(c)             die Anwendung der im Rahmen der
sofern die Schutzmaßnahme als Re-        SMÜ vorgesehen die Annahme des                  WTO getroffenen Zugeständnisse
aktion auf den absoluten Anstieg der     Beschlusses über die Anwendung der              bei den Einfuhrzöllen für zahlreiche
Einfuhren getroffen wurde und im         Schutzmaßnahmen notifiziert hatten.             Waren mit Ursprung in den USA mit
Einklang mit dem SMÜ steht. Die EU       Ergreift ein WTO-Mitglied Schutz-               Wirkung ab 20.06.2018 auszusetzen
geht offenbar davon aus, dass die Vor-   maßnahmen nach Artikel XIX GATT                 gedenkt. Diese Aussetzung erfolge bis
aussetzungen für diese Einschränkung     1994, können die davon betroffenen              zu einem Umfang, der dem Betrag, der
nicht gegeben sind.                      Mitglieder ihrerseits Handelskonzes-            sich aus der Anwendung der Zölle der
                                         sionen suspendieren. Dazu muss den              USA auf die Einfuhren von Stahl- und
Auch wenn sich die USA immer mehr        betroffenen Mitgliedern ausreichend             Aluminiumerzeugnissen aus der EU
aus multilateralen Regelwerken zu-       Gelegenheit zu vorausgehenden Kon-              ergibt, entspreche.
rückziehen: Solange sie Mitglied in      sultationen über angemessene Kom-
der WTO sind, sind sie an die mit der    pensationen gegeben werden.                     Der Rat für den Handel mit Waren
Mitgliedschaft verknüpften Verpflich-                                                    hat innerhalb von 30 Tagen keine
tungen gebunden. Die Reaktion der                                                        Einwände gegen die von der EU in
EU auf die zusätzlichen Zölle der USA    E I N F Ü H RU N G VO N                         Aussicht gestellte Aussetzung von Zu-
auf Aluminium- und Stahlprodukte         ­G EG E N M A SS­N A H M E N I N FO R M         geständnissen erhoben. Das bedeutet
ließ nicht lange auf sich warten. Die    VO N Z U S AT Z­ZÖ L L E N                      allerdings nicht zwangsläufig, dass die
EU leitete die erforderlichen Schrit-                                                    EU-Maßnahmen auch mit den Rege-
te ein, um den ihrer Meinung nach        Wenn ein WTO-Mitglied Schutzmaß-                lungen des WTO-Rechts in Einklang
WTO-widrigen Zöllen der USA mög-         nahmen nach Artikel XIX GATT 1994               stehen. Zwar hatten einige WTO-Mit-
lichst schnell mit WTO-konformen         einführt, können die davon betrof-              glieder bereits in der maßgeblichen
Maßnahmen zu begegnen.                   fenen Exportnationen spätestens                 Sitzung vom 23.03.2018 Bedenken
                                         90 Tage nach der Anwendung der                  gegen die US-Zölle auf Stahl und Alu-
                                         Schutzmaßnahmen und frühestens                  minium gegenüber dem Rat geäußert.
                                         30 Tage nach Eingang einer entspre-             Die USA verwiesen aber auf ihre be-
                                         chenden schriftlichen Mitteilung beim           rechtigten Sicherheitsinteressen.
                                         WTO-Rat für den Handel mit Waren

                                                                                                               BELS-Report | 29
Zudem bestehe die Möglichkeit, Aus-       satzsteuer auch auf den Zollbetrag
nahmen von den Handelsmaßnahmen           erhoben wird, addiert sich die Erhö-
zu beantragen, die schon für Länder,      hung der Abgabenbelastung bei der
mit denen die USA eine besondere          Einfuhr in Deutschland auf Waren, die
„security relationship“ unterhielten,     dem Regelsteuersatz unterliegen, auf
umgesetzt seien. Da auch im Rat für       fast 30 Prozent. Die Gegenmaßnah-
den Handel mit Waren im Konsens-          men bleiben so lange in Kraft, wie die
verfahren entschieden wurde, unter-       US-Maßnahmen gelten.
blieb auch in diesem Fall eine formale
Abstimmung, sodass kein Beschluss         Zusätzlich wurde durch die Kommis-
gefasst wurde.                            sion am 26.03.2018 eine Schutzmaß-
                                          nahmenuntersuchung auf Basis von
Nachdem die zusätzlichen Zölle ur-        Artikel XIX GATT 1994 beziehungs-
sprünglich zum 01.07.2018 eingeführt      weise des SMÜ eingeleitet, um das
werden sollten, veröffentlichte die       Erfordernis von Schutzmaßnahmen
Kommission am 21.06.2018 die Durch-       gegen die Störungen des EU-Marktes,
führungsverordnung (EU) 2018/886,         die durch die Umlenkung von Stah-
mit der die Zölle bereits ab dem          lerzeugnissen weg vom US-Markt
22.06.2018 erhoben werden. Die Liste      verursacht werden, zu untersuchen.
der betroffenen Waren ist identisch       Die EU behielt sich vor, solche Schutz-
mit der Liste in der vorherigen DVO       maßnahmen noch im Sommer 2018
(EU) 2018/724, die so auch der WTO        einzuführen, was wiederum zu Un-
am 18.05.2018 übermittelt wurde. Bei-     wägbarkeiten im internationalen Han-
de DVOen wurden auf Grundlage der         del führte.
Verordnung (EU) Nr. 654/2014 erlas-
sen, welche Regeln und Verfahren zur      Tatsächlich führte die EU am
Aussetzung oder Rücknahme von Han-        19.07.2018 vorübergehende Schutz-
delszugeständnissen festlegt. Sie wur-    maßnahmen auf Stahleinfuhren ein.
de wiederum auf Basis von Artikel 207     Sie waren allerdings nicht gezielt
AEUV (Gemeinsame Handelspolitik) in       gegen Stahleinfuhren aus den USA
Kraft gesetzt. Bei allen betroffenen
Waren (Ausnahme: Spielkarten) hat die
EU die gegenüber der WTO notifizierte
Höhe ausgeschöpft.                        »Tatsächlich ­führte die
Über 180 verschiedene Waren (Un-          EU ­vorübergehende
terposition KN) mit Ursprung in den
USA wurden mit einem Zusatzzoll           Schutzmaßnahmen
von 25 Prozent belegt. Betroffen sind
davon nicht nur die in den Medien         auf Stahleinfuhren
genannten Waren wie Whiskey, Jeans,
Motorräder und Erdnussbutter. Es          ein. Sie richteten sich
handelt sich um Produkte aus Regio-
nen der USA, in denen mehrheitlich        nicht gezielt gegen die
für Präsident Trump gestimmt wurde.
Die Liste der Waren ist in Anhang I der   USA, sondern gegen
DVO (EU) 2018/724 veröffentlicht.
                                          Stahlprodukte, die aus
Die zum 22.06.2018 eingeführten
„Vergeltungszölle“ der EU werden          ­China stammen.«
zusätzlich zum normalen Drittlands-
zollsatz erhoben. Da die Einfuhrum-

BELS-Report | 30
gerichtet, sondern eher gegen Stahl-         dem Antrag macht sie einen Verstoß
produkte, die aus China stammen und          der USA insbesondere gegen die nach-
wegen der Zusatzzölle nicht mehr in          folgenden WTO-Regelungen geltend:
den USA vermarktet werden konn-              » Artikel I:1 des GATT 1994. Hier
ten. Diese Maßnahmen wurden per                  sieht die EU einen Verstoß gegen
DurchführungsVO (EU) 2019/159 zum                die Verpflichtung zur Meistbe-
02.02.2019 von endgültigen Schutz-               günstigung, da die USA nicht alle
maßnahmen abgelöst, die bis zum                  Zollvorteile automatisch auch auf
30.06.2021 anwendbar sind. Sie wur-              die EU angewandt hat. Auch nach
den in Form von länderspezifischen               dem 01.06.2018 blieben nämlich
Zollkontingenten mit Schutzzöllen in             einzelne Länder (Australien) von
Höhe von 25 Prozent auf diejenigen               den Abwehrmaßnahmen der USA
Einfuhren, welche die Kontingente                verschont.
überschreiten, eingeführt. Die Einfuhr-      » Artikel II:1(a) und (b) des GATT
restriktionen wurden WTO-rechtlich               1994. Durch die Handelsmaßnah-
auf Artikel XIX GATT und das SMÜ                 men würde der Handel mit der EU
gestützt. Auch wenn der Grundsatz                eine weniger günstige Behandlung
der Handelsliberalisierung bereits               erfahren, als im maßgeblichen Teil
im primären EU-Recht verankert ist,              der Zugeständnisliste der USA vor-
führten die Zusatzzölle der USA zur              gesehen sei, da die Zollsätze durch
Marktabschottung im Stahlbereich.                zusätzlich eingeführte Zölle die in
Untersuchungen hatten gezeigt, dass              der Liste vorgesehenen Zollsätze
die Einfuhren bestimmter Stahler-                übersteigen.
zeugnisse im Vergleich zu 2013 um bis        » Artikel X:3(a) des GATT 1994. Mit
zu 426 Prozent angestiegen sind.                 ihren Maßnahmen verstoßen die
                                                 USA gegen ihre Verpflichtung, alle
Bei Aluminium wurde bereits mit                  ihre Gesetze, sonstigen Vorschrif-
DurchführungsVO (EU) 2018/640 eine               ten und Entscheidungen in Bezug
vorherige Überwachung für Alumini­               auf die Maßnahme einheitlich, un-
umerzeugnisse eingeführt, um vorbe-              parteiisch und gerecht anzuwen-
reitet zu sein, falls in diesem Bereich          den.
Maßnahmen erforderlich sein sollten.         » Artikel XI:1 des GATT 1994. Die
Hierin kann eine Vorstufe zu Schutz-             USA haben durch Einfuhrquoten
maßnahmen, die die EU gegebenen-                 zudem andere Beschränkungen
falls auf Basis von Artikel XIX GATT             als die allein zulässigen Zölle, Ab-
1994 auch für Aluminiumerzeugnisse               gaben oder sonstige Belastungen
einführen könnte, gesehen werden.                eingeführt.
                                             » Artikel XIX:1(a) des GATT 1994.
                                                 Die USA haben ihre Maßnahmen
E I N L E I T U N G E I N E S S T R E I T­       eingeführt, ohne dass die strengen
B E I L EG U N G S V E R FA H R E N S            Voraussetzungen dieses GATT-Ar-
                                                 tikels erfüllt sind. Schutzmaßnah-
Direkt nach Einführung der amerika-              men sind nach dieser Vorschrift
nischen Maßnahmen auch gegen Pro-                nur zulässig, wenn die maßgeb-
dukte mit Ursprung in der EU hat die             lichen Waren in derart erhöhten
Union am 01.06.2018 Konsultationen               Mengen und unter derartigen
mit den USA nach Artikel 4 der Verein-           Bedingungen eingeführt werden,
barung über Streitbeilegung (Dispute             dass dadurch den inländischen Er-
Settlement Understanding (DSU)) be-              zeugern gleichartiger oder unmit-
antragt und damit offiziell ein Streit-          telbar konkurrierender Waren in
beilegungsverfahren gegen die USA                den USA ein ernsthafter Schaden
eingeleitet (Verfahrensnr.: DS548). In           als Folge von unvorhergesehenen

                                                                    BELS-Report | 31
Entwicklungen und Auswirkungen       »   Artikel 4.1 SMÜ verpflichtet die       »  Artikel 9 SMÜ verpflichtet die
    der von den USA durch das GATT           WTO-Mitglieder ordnungsgemäß              WTO-Mitglieder weiterhin, Schutz-
    eingegangenen Verpflichtungen            festzustellen, dass ein „ernsthafter      maßnahmen nicht auf eine Ware
    zugefügt wird oder zu werden             Schaden“ oder „drohender ernst-           mit Ursprung in einem Entwick-
    droht.                                   hafter Schaden“ im Sinne der dort         lungsland-Mitglied anzuwenden,
»   Artikel XIX:2 des GATT 1994. Diese       niedergelegten Definition für ei-         solange dessen Anteil an den
    Norm verpflichtet ein WTO-Mit-           nen inländischen Wirtschaftszweig         Einfuhren der fraglichen Ware im
    glied, das eine Schutzmaßnahme           vorliegt.                                 Einfuhrland 3 Prozent nicht über-
    nach Artikel XIX:1 einführen will,   »   Artikel 4.2 SMÜ. Diese Norm               steigt und zusammen nicht mehr
    den davon betroffenen WTO-Mit-           verlangt, dass die zuständigen            als 9 Prozent der gesamten Einfuh-
    gliedern die Gelegenheit zu geben,       Behörden bei der Untersuchung             ren der fraglichen Ware auf solche
    mit ihm Konsultationen über die          alle relevanten objektiven und            Länder entfallen. Die USA würden
    beabsichtigte Maßnahme zu füh-           quantifizierbaren Faktoren, die           ihre Schutzmaßnahmen aber auf
    ren. Dieser Verpflichtung sind die       die Lage des maßgeblichen Wirt-           Entwicklungsland-Mitglieder an-
    USA jedoch nicht nachgekommen.           schaftszweiges beeinflussen, zu           wenden, ohne dass die Ausnahme
»   Artikel 2.1 des WTO-Übereinkom-          beurteilen haben. Maßnahmen               greife.
    mens zu Schutzmaßnahmen (SMÜ).           dürfen erst dann getroffen wer-         » Artikel 11.1(a) SMÜ. Diese Bestim-
    Danach darf ein Mitglied eine            den, wenn diese Untersuchung auf          mung verbietet den WTO-Mit-
    Schutzmaßnahme nur anwenden,             der Grundlage objektiver Beweise          gliedern, Notstandsmaßnahmen
    wenn es nach dem in diesem Über-         ergibt, dass ein ursächlicher Zu-         bei der Einfuhr bestimmter Waren
    einkommen geregelten Verfahren           sammenhang zwischen dem An-               gemäß Artikel XIX GATT 1994 nur
    festgestellt hat, dass die betref-       stieg der Einfuhren der fraglichen        dann zu ergreifen, wenn solche
    fende Ware absolut oder im Ver-          Waren und dem ernsthaften Scha-           Maßnahmen im Einklang mit die-
    gleich zu der inländischen Produk-       den beziehungsweise drohenden             sem GATT-Artikel stehen, der ge-
    tion in derart erhöhten Mengen           ernsthaften Schaden besteht. Eine         mäß den Bestimmungen des SMÜ
    und unter derartigen Bedingungen         entsprechende Einschätzung hät-           angewendet wird. Aus den vor-
    eingeführt wird, dass dadurch den        ten die USA jedoch unterlassen            stehenden Rügen ergibt sich aber
    inländischen Erzeugern gleicharti-   »   Artikel 5.1 SMÜ, da ein Mitglied          aus Sicht der EU, dass die USA in
    ger oder unmittelbar konkurrieren-       Schutzmaßnahmen nur in dem                vielfältiger Hinsicht gegen dieses
    der Waren in den USA ein ernst-          Maße anwenden darf, wie dies zur          Verbot verstoßen hätten.
    hafter Schaden zugefügt wird oder        Verhinderung oder Beseitigung ei-      » Artikel 12.1, 12.2 und 12.3 SMÜ,
    zu werden droht.                         nes ernsthaften Schadens oder zur         da die USA es unterlassen hätten,
»   Artikel 2.2 SMÜ. Danach dürfen           Erleichterung der Anpassung erfor-        jegliche Notifikations- und Konsul-
    Schutzmaßnahmen auf eine einge-          derlich ist. Die USA würden jedoch        tationsverpflichtung nach diesen
    führte Ware nur ungeachtet ihrer         Schutzmaßnahmen anwenden, die             Bestimmungen zu erfüllen.
    Herkunft angewendet werden. Die          darüber hinaus gingen.                 » Schließlich wiederum Artikel I:1,
    USA haben ihre Maßnahmen aber        »   Artikel 7 SMÜ. Danach dürfen              II:1(a) und (b), X:3(a) und XI:1 des
    nur gegen bestimmte Länder ein-          Schutzmaßnahmen nur so lange              GATT 1994, als Konsequenz von
    geführt.                                 angewendet werden, wie dies zur           den zuvor aufgeführten Verstößen
»   Artikel 3.1 SMÜ. Danach darf ein         Verhinderung oder Beseitigung             gegen Artikel XIX GATT und das
    Mitglied eine Schutzmaßnahme             eines ernsthaften Schadens oder           SMÜ.
    nur aufgrund einer Untersuchung          zur Erleichterung der Anpassung
    anwenden, die seine zuständigen          erforderlich ist. Die Geltungsdauer
    Behörden nach zuvor festgelegten         darf dabei grundsätzlich vier Jahre
    Verfahren und ordnungsgemäßer            nicht übersteigen. Zudem besteht
    Veröffentlichung eines Berichts,         die Verpflichtung, die Maßnah-
    der die Feststellungen und ihre          me während ihrer Geltungsdauer
    mit Gründen versehenen Schluss-          schrittweise in regelmäßigen
    folgerungen zu allen relevanten          Abständen zu liberalisieren. Diese
    Sach- und Rechtsfragen enthalten         Vorgaben seien von den USA nicht
    muss, durchgeführt haben.                beachtet worden.

BELS-Report | 32
Z W E I T E S T U FE VO N M A SS N A H M E N   FA Z I T U N D AU S B L I C K            Zu einer weiteren Eskalation im trans­
                                                                                        atlantischen Zollstreit kann zudem
In Anhang II der DVO (EU) 2018/886             Die EU spielt im derzeitigen Handels-    der Dauerstreit um Subventionen für
sind weitere 158 Waren erfasst, die            konflikt mit den USA mit dem Feuer:      die Flugzeugbauer Airbus und Boeing
ab 01.06.2021 oder gegebenen-                  Zunächst ist nicht auszuschließen,       führen. Die WTO hatte hierzu fest-
falls schon früher, und zwar ab dem            dass die Sicherheitsausnahme des         gestellt, dass beide Unternehmen
5. Tag nach der Feststellung der               Artikel XXI GATT 1994 zumindest bei      steuerliche Verschonungssubven-
Unvereinbarkeit der US-Schutzmaß-              den zusätzlichen Zöllen auf Alumini-     tionen in Milliardenhöhe erhalten
nahmen mit den WTO-Regeln durch                um- und Stahlprodukte nicht doch zu      haben, die nicht in Einklang mit
das WTO-Streitbeilegungsgremium                Gunsten der USA greift. Die „Umflag-     WTO-Bestimmungen standen. Auf
weiteren zusätzlichen Zöllen in un-            gung“ der US-Zölle als Schutzmaß-        beiden Seiten des Atlantiks wurden
terschiedlicher Höhe (10, 25, 35 und           nahme nach Artikel XIX GATT 1994 ist     die Subventionen in der Folgezeit
sogar 50 Prozent) unterworfen wer-             daher alles andere als unproblema-       heruntergefahren aber nicht so weit,
den können, soweit die USA ihre Maß-           tisch. Die USA können sich nun ihrer-    dass sie nun WTO-rechtlich nicht
nahmen nicht bis dahin aufgehoben              seits auf den Standpunkt stellen, dass   mehr zu beanstanden wären. Diese
haben. Kommt es zu keiner Beilegung            die Gegenmaßnahmen der EU nicht          Situation ermöglicht es beiden Seiten,
der Streitigkeit mit den USA, sind die         mit WTO-Recht in Einklang stehen         wiederum im Rahmen der Streitbeile-
erheblichen zusätzlichen Zölle auto-           und Vergeltungszölle beschließen, die    gungsverfahren die Genehmigung zur
matisch anwendbar.                             aber nur dann sofort eingeführt wer-     Einführung von Vergeltungszöllen bei
                                               den können, wenn die Maßnahmen           der WTO zu beantragen. Beide Seiten
Die USA haben gegen diese Maßnah-              der EU als Schutzmaßnahme nach Ar-       haben bereits umfangreiche Listen mit
men der EU ihrerseits Beschwerde bei           tikel XIX GATT 1994 einzustufen ist.     den Produkten erstellt, die mit Vergel-
der WTO eingelegt und am 16.07.2018                                                     tungszöllen – auf Seiten der USA in
Konsultationen beantragt (Verfah-              Es dürfte Jahre dauern, bis unter dem    Höhe von bis zu 11 Milliarden Dollar
ren DS559). Die Beschwerde ist der             Dach der WTO Klärung herbeigeführt       und auf Seiten der EU in eher noch
förmliche Schritt zur Einleitung eines         wird, welche der Maßnahmen nun           größerem Volumen – belegt werden
Streitbeilegungsverfahrens. Sie tragen         WTO-konform waren. Den Schaden           sollen. Die Zeche müssten am Ende
darin vor, dass die zusätzlichen Zölle         haben bis dahin die am Handel Betei-     insbesondere die Verbraucher in der
auf US-Produkte gegen Artikel I:1 des          ligten, die Verbraucher und auch die     EU und den USA bezahlen.
GATT 1994 (Meistbegünstigung) und              Arbeitnehmer, da die globale Konjunk-
Artikel II:1 (a) und (b) des GATT 1994         tur bereits erste Bremsspuren zeigt,     Es bleibt zu hoffen, dass die bisher
(Übersteigen der zulässigen Zoll­höhe          die durch weiteren Protektionismus       eher halbherzigen Anstrengungen,
lt. Zugeständnisliste) verstießen.             nur verstärkt werden.                    ein Abkommen über den Abbau der
Diese Einschätzung ist zutreffend;                                                      transatlantischen Zölle auszuhandeln,
es stellt sich allerdings die Frage, ob        Unterdessen steht die Drohung des        mehr Schwung erhalten. Sollen aber
diese Verstöße gegen das GATT nicht            US-Präsidenten, Zusatzzölle von bis      nicht automatisch auch alle anderen
wiederum – wie von der EU geltend              zu 25 Prozent auf Fahrzeuge aus der      WTO-Mitgliedsstaaten über die Meist-
gemacht – WTO-rechtlich gerechtfer-            EU zu erheben, weiterhin im Raum.        begünstigung (Artikel I:1 GATT) von
tigt sind. Gleichlautende Beschwerden          US-Präsident Trump hat bis Mai 2019      den Zollsenkungen profitieren, müss-
bei der WTO haben die USA auch ge-             die Möglichkeit, solche Zölle einzu-     ten die EU und die USA sich auf ein
gen Russland, China, Kanada, Mexiko            führen. Die Kommission kündigte be-      umfassendes Freihandelsabkommen
und die Türkei auf den Weg gebracht.           reits eine „rasche und angemessene“      einigen. Ein solches wurde jedoch in
Das ist insoweit bemerkenswert, als            Reaktion auf die Kraftfahrzeug-Zölle     Form des TTIP durch US-Präsident
die USA seit Jahren die Neubesetzung           an, wenn Präsident Trump diese ein-      Trump als eine seiner ersten Amts-
von Posten im WTO-Berufungsgremi-              führen sollte. Allerdings erschließt     handlungen auf Eis gelegt. Hier be-
um blockieren und in Kürze eine Be-            sich nicht ohne Weiteres, worin bei      steht also wenig Hoffnung auf einen
schlussfähigkeit des Streitbeilegungs-         dem Export von Kraftfahrzeugen           schnellen Durchbruch. Es steht zu be-
gremiums fehlen könnte.                        in die USA die Gefährdung für die        fürchten, dass die EU nach dem Brexit
                                               dortige nationale Sicherheit liegen      auch den transatlantischen Zollstreit
                                               soll. Der entsprechende Bericht des      als Hängepartie bewältigen muss.
                                               US-Handelsministeriums wurde bis-
                                               lang nicht veröffentlicht.

                                                                                                              BELS-Report | 33
Sie können auch lesen