"Deutschland soll Wasserstoff-Weltmeister werden." - gwf-gas.de
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
INTERVIEW „Deutschland soll Wasserstoff-Weltmeister werden.“ Im Interview mit gwf Gas + Energie fordert Katherina Reiche Berlin und Brüssel auf, schneller für die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sorgen, um den Wasserstoff-Hochlauf anzuschie- ben. Gleichzeitig mahnt die Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG und Vorsitzende des Natio- nalen Wasserstoffrates, nicht zu vergessen, dass die Energiewende auch eine Gaswende sei, bei der dem bestehenden Gasnetz eine Schlüsselrolle für den Erhalt des Industriestandortes Deutschland zukomme. gwf: Frau Reiche, Sie sind Vorstandsvor- Reiche: Inhaltlich liegen beide Rollen nah sche Förderung und die zwei Milliarden sitzende der Westenergie und auch Vor- beieinander. In beiden Positionen arbeite für internationale Projekte sind beachtlich. sitzende des Nationalen Wasserstoffra- ich an der Zukunft der Energieversorgung Andere Nationen sind jedoch mit noch tes. Ist das nicht beim neuen Megathema Deutschlands. Die Praxiserfahrungen aus deutlich mehr Kraft und Engagement un- Wasserstoff derzeit eine fortwährende der täglichen Arbeit bei Westenergie hel- terwegs. Will sagen: Wir haben gute Vor- Zerreißprobe? fen sehr dabei, im Wasserstoffrat die Bun- aussetzungen, aber wir sind leider im Mo- Reiche: Nein, denn die Prioritäten sind ja desregierung beim Hochlauf der Wasser- ment noch zu sehr damit beschäftigt, uns klar: Zuallererst bin ich Vorstandsvorsit- stoffwirtschaft zu beraten. mühsam an die Spitze zu kämpfen. zende der Westenergie, damit selbstre- Wasserstoff ist neben der Digitalisie- dend verantwortlich für unser Unterneh- rung eines der zentralen Zukunftsthe- gwf: Der „Nationale Wasserstoffrat“ soll men und unsere Mitarbeiterinnen und men, die wir mit Entschiedenheit anpa- nun dafür sorgen, dass wir schneller vor- Mitarbeiter. An zweiter Stelle bin ich eh- cken. Wir haben einen breiten gesell- ankommen beim Thema Wasserstoff- renamtliche Vorsitzende des Nationalen schaftlichen Konsens darüber, dass Hochlauf. Ist er dazu überhaupt in der Wasserstoffrates. Wasserstoff eine entscheidende Rolle für Lage? unser Energiesystem einnehmen soll. Reiche: Die Bundesregierung hat im Som- gwf: Anders gefragt: Wie kommen Sie da- Und das parteiübergreifend, in allen Bun- mer vergangenen Jahres die Nationale mit klar, dass das Thema Wasserstoff der- desländern, in den Mitgliedstaaten der Wasserstoffstrategie beschlossen. Einer art auch Ihre Agenda als Westenergie- Europäischen Union und auch global der Bestandteile ist die Einrichtung des Chefin dominiert? über viele Industriezweige hinweg. Ich Wasserstoffrates. Das ist jetzt knapp ein kann mich nicht erinnern, dass wir schon dreiviertel Jahr her. Unsere wichtigste einmal eine solche energiepolitische Aufgabe ist, aus den 38 Einzelmaßnah- Konstellation hatten, wo es eine derarti- men der Nationalen Wasserstoffstrategie ge Aufbruchsstimmung, so viele gemein- eine Roadmap, einen Masterplan zu erar- same Initiativen und Anstrengungen und beiten, und zu empfehlen, wie die einzel- so viel positive Energie gab wie aktuell nen Maßnahmen bestmöglich umge- beim Thema Wasserstoff. setzt werden können. Wir sind ein sehr aktives Beratungsgremium und werden gwf: Bevor wir ins Schwärmen kommen: auch konkret in laufende Gesetzge- Dem großen nationalen Konsens sind bungsverfahren eingebunden. Beispiels- aber bislang leider noch nicht allzu große weise zum Erneuerbare-Energie-Gesetz, Taten gefolgt. zur RED II oder auch zum Aufschlag des Reiche: Im globalen Maßstab ist die He- Bundeswirtschaftsministeriums und der rausforderung für uns als Industrienati- Bundesnetzagentur zur zukünftigen Re- on gewaltig. Viele Länder haben be- gulierung von Wasserstoffnetzen. Wir reits nationale Wasserstoffstrategi- wagen aber auch den Blick über den Tel- en ausgearbeitet oder lerrand und beschäftigen uns mit lang- Fotos: © Westenergie AG befinden sich schon mitten fristigen Fragestellungen. in der Umsetzung. Da ist Deutschland nicht in der gwf: Die da lauten? Pole-Position. Zugegeben, Reiche: Eine der zentralen Fragen lautet: die bereitgestellten sieben Wo kann Wasserstoff erzeugt werden? Milliarden Euro für inländi- Dazu gehört als erste Erkenntnis, dass wir 20 gwf Gas + Energie 4/2021
INTERVIEW die benötigten Mengen nicht allein in getroffen. Dieser vergleichsweise hohe hende Erdgas-Infrastruktur transportiert Deutschland werden erzeugen können. Takt ist erforderlich, um unsere gesetzten werden kann. Das gilt für die großen Momentan braucht die deutsche Indust- Ziele zu erreichen. Wir wollen der Bundes- Pipelines genauso wie für das regionale rie rund 1,5 Millionen Tonnen Wasserstoff. regierung noch vor der Bundestagswahl Verteilnetz. Dieser wird überwiegend aus fossilen konkrete Hinweise und Empfehlungen Brennstoffen gewonnen oder ist ein Ab- geben. Bislang läuft das auch schon sehr gwf: Ist denn das deutsche Gasnetz über- fallprodukt aus Raffinerieprozessen. Le- erfolgreich: Viele unserer Stellungnahmen haupt H2-ready? diglich sieben Prozent decken wir über und Initiativen haben Eingang in die aktu-Reiche: Grundsätzlich ja. Alles deutet dar- Elektrolyse ab. Wenn wir jetzt sagen wür- ellen Gesetzesvorhaben gefunden. auf hin, dass Gasnetze mit überschauba- den, wir ersetzen den deutschen Gasbe- rem Aufwand auf Wasserstoff umgestellt darf vollständig durch grünen Wasser- gwf: Nennen Sie uns ein Beispiel? werden können. Es werden lediglich klei- stoff, bräuchten wir rund 25 Millionen Reiche: Es war beispielsweise nicht aus- nere Anpassungen erforderlich sein. Die Tonnen oder 1.200 TWh pro Jahr. Das ist gemacht, dass wir eine EEG-Befreiung für Experten in unserem Unternehmen haben doppelt so viel wie unser derzeitiger Elektrolyseure bekommen. Es war ledig- mir eine einfache Formel mitgegeben: Al- Strombedarf insgesamt. lich die besondere Ausgleichsregelung les was unter der Erde liegt, ist weitgehend im Gespräch. Jetzt gibt es beides. Das ist wasserstofftauglich. Herausfordernder gwf: Derzeit gibt es viele unterschiedliche ein erster Meilenstein. Jetzt brauchen wir wird es bei allem über der Erde, wenn wir Studien und Szenarien zum Ausbau der noch die Verordnung für den Herkunfts- von Kompressoren sprechen, dem Druck- Erneuerbaren Energi- ausgleich, den Verdich- en. In vielen kommt tern. Da werden an ein- dabei elektrolysierter Wasserstoff - weil in „Wir werden signifikante Mengen an Wasserstoff zelnen Komponenten Anpassungen erforder- der Produktion zu importieren müssen.“ lich sein. teuer - gar nicht vor. Wenn es uns aber Wie und in welchen gelingt, unser beste- Etappen kann denn dann ein Wasser- nachweis. Wir müssen wissen, wie grüner hendes Gasnetz technisch anzupassen, stoff-Hochlauf überhaupt stattfinden? Strom definiert wird. Ohne Herkunfts- wird der Transport von Wasserstoff hoch- Reiche: Es gibt eine ganze Reihe von Stu- nachweise wird das nicht funktionieren. effizient und kostengünstig. Wir könnten dien mit einer Fülle variabler Determinan- dann das bereits existierende Gasnetz ten wie zum Beispiel heutiger oder prog- gwf: Wie stehen die Chancen dafür? von 511 000 Kilometer Länge für Wasser- nostizierter CO2-Preis, Kosten für Strom Reiche: Es wurde jetzt zunächst einmal stoff nutzen. Wir müssten kaum neue aus erneuerbaren Energien mit oder ohne die grundsätzliche Entscheidung gefällt, Leitungen verlegen. Das spart Kosten EEG-Umlage, aber auch Elektrolyseur-Kos- dass die Elektrolyse plus die nachgelager- und Streit. Eine Debatte wie beim Ausbau ten. Dies führt dann im Ergebnis zu teils ten Prozesse von der EEG-Umlage entlas- der Stromautobahnen bliebe uns erspart. sehr unterschiedlichen Aussagen zum tet werden. Was sehr wichtig ist, denn die Die Umstellung von Gas auf Wasser- Wasserstoff-Hochlauf. Weil das so ist, ha- Elektrolyse endet ja nicht zwischen Ka- stoff ist vor allem ein Koordinationsauf- ben wir als Nationaler Wasserstoffrat eine thode und Anode. Die Umsetzung dieses wand. Das ist wie eine Partnerbörse: Wir Studie bei der Fraunhofer-Gesellschaft in wichtigen Punktes zeigt, dass sich unsere müssen Erzeuger und Nutzer zusammen- Auftrag gegeben. Sie soll die unterschied- Anstrengungen lohnen. bringen. Wir müssen herausfinden, wo es lichen Analysen zusammenfügen und die Bedarf für reinen Wasserstoff gibt. Hier jeweils zugrunde gelegten Annahmen gwf: Sie sagen, dass wir hierzulande nicht muss das Netz als erstes umgestellt wer- vereinheitlichen, um endlich belastbare genügend grünen Wasserstoff werden den. In anderen Regionen kann man mit Aussagen zum Wasserstoff-Hochlauf tref- produzieren können. In Ihrer Keynote bei Beimischungen arbeiten. fen zu können. Wir brauchen diese Meta- der von der Bundesregierung initiierten Erhebung, um eine Abschätzung zu er- Wasserstoffvollversammlung haben Sie gwf: Gibt es bei Westenergie einen Mas- halten, was wir wirklich zu erwarten ha- angedeutet, dass über Nordstream 2 Was- terplan zur H2-readyness? ben. Diese Studie wrid uns in der serstoff aus Russland transportiert wer- Reiche: Den gibt es. Heute sind zehn Pro- kommenden März-Sitzung des Nationa- den könnte. Was hat es damit auf sich? zent Wasserstoff-Beimischung erlaubt. len Wasserstoffrates vorliegen. Reiche: Wir werden signifikante Mengen Tests zeigen: Wir könnten auch bereits 20 an Wasserstoff importieren müssen. Dies bis 30 Prozent beimischen, ohne dass wir gwf: Der Wasserstoffrat tagt demnach wird entweder per Pipeline oder per etwas anpassen müssten. Heizungsbauer monatlich? Schiff erfolgen. Nordstream ist lediglich sagen uns, dass moderne Anlagen mit Reiche: Ja, seit dem Start haben wir uns ein prägnantes Beispiel dafür, dass zu- einer Beimischung von 20 bis30 Prozent monatlich in mehrstündigen Sitzungen künftig Wasserstoff auch über die beste- sicher betrieben werden können. gwf Gas + Energie 4/2021 21
INTERVIEW Denn wenn ein Element fehlt, funktio- niert die ganze Kette nicht. Als erstes er- fordert dies, sich auf die Erzeugung zu fokussieren: sowohl auf den Hochlauf im eigenen Land, aber auch auf Importe. Zwingend erforderlich ist darüber hin- aus, dass die Bundesregierung noch vor der Bundestagswahl die Netzregulierung so ausgestaltet, dass konkrete Investitio- nen in Wasserstoffnetze getätigt werden können. Zu guter Letzt müssen Förderregime für die Umstellung von fossilen Energie- trägern auf Wasserstoff etabliert werden, damit die Stahlindustrie in Anlagen für die Produktion von grünem Stahl inves- tiert und wir die ersten Wasserstoff-Lkw auf unseren Straßen sehen. gwf: Muss nicht auch auf Abnehmerseite, speziell auf Seiten der Industrie, regulie- rend eingegriffen werden? Reiche: Ja, es wird eine ganze Menge Re- Es gilt nun, in den kommenden zehn gwf: Wie stellen Sie sich den Übergang geln brauchen. Teile davon sind das EEG, bis zwanzig Jahren Erfahrungen zu sam- vor? die RED II und der Regulierungsrahmen meln und die Infrastruktur sukzessive an- Reiche: Wir schauen einfach ganz prag- für Infrastrukturen. Die Stahlbranche sagt zupassen. Im Wärmemarkt haben wir 60 matisch, was wir an verschiedenen Stel- zurecht, dass die klimaneutrale Produkti- Prozent des Primärenergieverbrauchs len für eine Komplettumstellung von Erd- on momentan doppelt so teuer ist und und damit einen gigantischen CO2-Fuß- gas auf Wasserstoff benötigen. Bei unse- man sich so im Weltmarkt nicht behaup- abdruck. Deswegen muss die Logik jetzt rem Pilotprojekt in Holzwickede bei ten kann. Ich persönlich glaube nicht an sein: Wie kommen wir bei vertretbaren Dortmund bauen wir neben eine beste- Klimazölle wie den Carbon Border Adjust- volkswirtschaftlichen Kosten zu einer hende Gasleitung einen Zwilling, damit ment Mechanism. Aus meiner Sicht ist es möglichst hohen Reduktion von CO2, um die am Projekt beteiligten Unternehmen das falsche Instrument und auch interna- schlussendlich dann an der rein grünen abgesichert sind. Die bestehende Lei- tional nicht durchsetzbar. Gleichwohl Lösung zu arbeiten. Wovor ich warne, ist tung werden wir mit reinem Wasserstoff brauchen wir einen Ausgleich für die bereits jetzt Hürden aufzubauen, die die- befüllen. Sie ist gleichsam die Hose, die Mehrkosten, hier könnten es Carbon se Phase der Umstellung gar nicht erst man trägt. Durch die Extraleitung be- Contracts for Difference sein. möglich machen. kommen die Unternehmen einen Gürtel und Hosenträger, damit nichts verrut- gwf: Was muss noch regulierend getan gwf: Sie meinen eine einseitige Förderung schen kann. Dadurch ist die Energiever- werden, um Wasserstoff auf die Beine zu eines reinen Wasserstoffnetzes? sorgung doppelt abgesichert, falls Teile helfen? Reiche: Ich sage nur, wir brauchen einen der Leitungen den Wasserstoff doch Reiche: Von der Bundesregierung brau- Übergang, keine Revolution. Warum den nicht vertragen. So können wir an einer chen wir jetzt relativ schnell die Auktionie- Ast absägen, auf dem wir sitzen? Wir ha- Bestandsleitung durchtesten, was alles rung der fünf GW Elektrolyseurkapazität, ben eine Infrastruktur, die wir nutzen kön- benötigt wird, um auf reinen Wasserstoff die in der Nationalen Wasserstoffstrategie nen und aus volkswirtschaftlichen Grün- umzustellen. angekündigt ist. Wir brauchen außerdem den auch nutzen müssen. Es geht ja nicht eine Grün-Gas-Quote, zum Beispiel für die nur um die Assets von privatwirtschaftli- gwf: Was erwarten Sie als Vorsitzende des Nutzung von grünen Gasen im Wärme- chen Unternehmen wie der Westenergie, Nationalen Wasserstoffrates von der Poli- markt oder im Verkehrssektor. Im Ver- es geht auch um die Anlagenwerte eini- tik? kehrssektor bin ich für eine Gleichbe- ger tausend Kommunen mit eigenen Reiche: Die Politik muss eine sehr kom- handlung von Wasserstoff und Elektrizität. Gasnetzen. Diese stehen jetzt vor der Fra- plexe Gesetzgebung in Gang setzen. Da- Der Nationale Wasserstoffrat hat vor- ge, was ihr Gasnetz wert ist und was sie bei wird es die Kunst sein, die gesamte geschlagen, in der RED II statt einer Vier- damit künftig machen können. Wertschöpfungskette zu betrachten. fach-Anrechnung von Strom und einem 22 gwf Gas + Energie 4/2021
INTERVIEW quasi Negieren von Wasserstoff eine stand hingegen kann ich Wärmepumpen um jeden Cent Preisvorteil kämpfen müs- Zweifach-Anrechnung von Wasserstoff nur schwer einbauen, da dafür eine Isolie- sen. und Strom gleichermaßen zu schaffen rung der Gebäude notwendig ist, die in und damit für ein Level-Playing-Field zu der Regel nicht wirtschaftlich und oft gwf: Was muss in Brüssel geschehen, um sorgen. Im Endeffekt haben wir es ge- auch einfach nicht zu finanzieren ist. Hier Wasserstoff zu einem gesamteuropäi- schafft, von einer Vierfach- auf eine Drei- bietet sich Wasserstoff auch als eine ge- schen Thema zu machen? fach-Anrechnung von Strom und zu ei- sellschaftlich soziale Lösung an, wenn es Reiche: Wichtig ist, einen Wasserstoff- ner Zweifach-Anrechnung von Wasser- eine ausgewogene und realistische Re- Backbone in Form eines Gasleitungs- stoff zu kommen. Das ist wichtig, denn gulierung im Wärmemarkt gibt. Backbone europäisch zu planen. Wichtig wir müssen hier möglichst holistisch den- ist auch, dass wir einen Energie-Binnen- ken, ansonsten ist der Hochlauf der Was- gwf: Der Wohnungsmarkt ist ja aber nur markt haben, den wir dafür nutzen kön- serstoffwirtschaft nicht zu erreichen. Eine ein Teil des Wärmemarktes. nen. Unser Ziel muss sein, Wasserstoff als in diesem Sinne vernünftige Gesetzge- Reiche: Ja, Wärmepumpe hin oder her: Es handelbares Gut an den Rohstoffbörsen bung vorausgesetzt, werden wir von Mit- wird gerne vergessen, dass an unser Gas- anzubieten. Da sind beispielsweise die te der 2020er Jahre bis 2030 einen Hoch- netz auch Industriekunden angebunden Niederländer uns schon voraus. Umso lauf sehen. Von jetzt auf gleich kann es sind, die Prozesswärme brauchen. Und mehr müssen wir von vielen nationalen nicht gelingen. Prozesswärme kommt in der Diskussion Regelungen hin zu einem einheitlichen bislang zu kurz. 40 Prozent des Gases, das europäischen Ansatz kommen. Über gwf: In welchen Bereichen wird Wasser- durch unser Verteilnetz fließt, ist soge- Nacht wird das nicht gelingen, aber am stoff zuerst Fuß fassen? nanntes Prozessgas. Von diesen Prozess- Ende werden die Einsicht und die schlich- Reiche: Als erstes definitiv in den Grund- gaskunden können 70 Prozent nicht auf te Notwendigkeit gewinnen. stoffindustrien, der chemischen Industrie, Strom umstellen. Das sind allein in unse- der Stahlindustrie und bei den Raffineri- rem Netzgebiet fast 1.000 Unternehmen. gwf: Wird Deutschland für Europa die en. Überall dort, wo es Prozesse gibt, die Meine dringende Empfehlung an die Wasserstoff-Lokomotive sein? sich nicht elektrifizieren lassen. Dort wird Bundesregierung ist deshalb, die Prozess- Reiche: Die gute Nachricht ist, dass wir im es als erstes einen Hochlauf geben, bei wärme nicht zu unterschätzen. Sie ist für Bereich Forschung und Entwicklung füh- dem auch Effekte in unserer Klimabilanz einen Großteil des deutschen Mittelstan-rend sind. Elektrolyseure, Membrantech- zu sehen sein werden. Allein nologien, Schlüsselferti- aus dem Stahlsektor kom- gung, da sind wir vorne mit men sechs Prozent der deutschen CO2-Emissionen. „Prozesswärme kommt in der Diskussion dabei. Der Rückschritt baut sich jetzt langsam auf, weil Beim Thema Mobilität bislang zu kurz.“ wir in einem sehr komple- sehe ich mittelfristig den xen regulatorischen Ge- Hochlauf bei Schwerlast- flecht stecken. Der politi- und Fernverkehr. Hier werden wir Wasser- des lebensnotwendig. Nicht allen scheint sche Wille ist da, aber die regulatorischen stofflösungen sehen und wenig bis gar heute schon klar zu sein, um was es bei Rahmenbedingungen, die wir für lang- keine Batterielösungen. Auch im ÖPNV der Nutzung von Wasserstoff geht. fristige Investitionsentscheidungen brau- wird Wasserstoff eine Rolle spielen, aller- chen, sind noch nicht gegeben. Das dings nicht überall. Im bergigen Wupper- gwf: Und um was geht es in Wahrheit? bremst uns. Technologisch sind wir her- tal etwa wird es schwierig, mit Elektro- Reiche: Es geht um die Frage, ob wir In- vorragend aufgestellt. Wir haben einen bussen unterwegs zu sein, hier sind Was- dustrieland bleiben wollen. Wenn wir die international konkurrenzfähigen industri- serstoffbusse eine Lösung. Im flachen Wertschöpfungstiefe bei uns erhalten ellen Mittelstand, darunter viele Welt- Berlin hingegen funktionieren Elektro- wollen, dann muss eine schrittweise marktführer. Daher kam in den vergange- busse durchaus. Transformation und keine Revolution in nen Jahren auch unser Erfolg. Dieser Er- unserem Energiesystem erfolgen. Des- folg steht jetzt auf dem Spiel, wenn wir gwf: Verbleibt zuletzt noch der Hochlauf wegen halten meine Kolleginnen und nicht zügig die notwendigen energiepo- im Wärmemarkt… Kollegen im Nationalen Wasserstoffrat litischen Rahmenbedingungen schaffen Reiche: Viele meiner Kollegen, ich einge- und ich es für wichtig, jene Branchen zu- und die Energiewende auch zu einer Gas- schlossen, sehen den Wärmemarkt als erst in den Blick zu nehmen, die das größ- wende machen. Dann kann Deutschland Abnehmer von Wasserstoff. Hier ist leider te Potenzial für CO2-Einsparungen und die Wasserstoff-Lokomotive für Europa ein fast schon heftiger, teils ideologiebe- für eine schnelle Etablierung der Wasser- werden oder sogar mehr. Das Ziel der hafteter Streit entbrannt. Natürlich gibt es stoffwirtschaft haben. Hier müssen wir Nationalen Wasserstoffstrategie ist die Wärmepumpen, die definitiv Sinn vor allem jene Branchen unterstützen, schließlich, dass Deutschland Wasser- machen bei Neubauten. Im Altbaube- die sich im Weltmarkt behaupten und stoff-Weltmeister wird. gwf Gas + Energie 4/2021 23
Sie können auch lesen