Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH
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Diagnostik im Dialog Ausgabe 47 • 08/ 2015 der Roche Diagnostics Deutschland GmbH Hospital Acquired Infections Therapie bei Perioperatives Elektronische Anwendertreffen Herzinsuffizienz Gerinnungsmonitoring Bestellabwicklung „Roche Laborsysteme 2015“ NT-proBNP ein Zielparameter Gute Gründe für eine Auch für kleinere Labore Praxisrelevante Antworten zur optimierten Steuerung? Zentralisierung interessant zum Mitnehmen
Editorial | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, Alexander Fleming im Zuge seiner Ent- deckung des Penicillins gewarnt. Schutz eigentlich unvorstellbar, dass sich im Zeitalter davor bietet nur die restriktive Antibiotika- der Hightech-Medizin eine einfache Blasen- Exposition der Bakterien. Deshalb beinhalten entzündung oder Wundinfektion zur lebens- alle nationalen und globalen Antibiotika- bedrohlichen Komplikation entwickelt. Leider Resistenzstrategien eine Verschärfung der handelt es sich nicht um ein apokalyptisches Verschreibungspflicht für Antibiotika und Szenario, sondern um eine reale Bedrohung. fordern deren streng kontrollierten Gebrauch. Wenn man jedoch den flächendeckenden Die Einschätzungen und Stellungnahmen aus Antibiotikaeinsatz allein in der Tierhaltung den medizinischen und politischen Fachkrei- betrachtet, scheint diese Chance oft schon sen sind düster. Die WHO hat in 114 Län- vergeben. Deshalb muss auch nach neuen dern Daten zur antimikrobiellen Resistenz antibiotischen Wirkstoffen geforscht werden. erhoben.1 Das Ergebnis: Resistenzen gegen Antibiotika inklusive Reserveantibiotika Seit Anfang dieses Jahres kooperiert Roche existieren weltweit. Auch zeigten sich gra- Dr. Thomas Schinecker mit zwei Partnern aus Japan (Meijak) und vierende strukturelle Defizite bei der Über- Geschäftsführer der Kanada (Fedora) bei der Entwicklung eines wachung dieses Phänomens. Experten warn- Roche Diagnostics Deutschland GmbH so genannten Beta-Lactamase-Hemmers ten auf der diesjährigen WHO-Jahrestagung (BLI), der die Verteidigungsstrategie häufiger vor einer „post-antibiotischen Ära“. Bundes- anderen Seite durch verantwortungsvol- resistenter Keime unterläuft. Resistente Bak- kanzlerin Merkel bewertete die Antibiotika- len Einsatz von Antibiotika die Entstehung terien bauen sog. Beta-Lactam-Antibiotika resistenzen dort gar als „von ausschlagge- neuer Resistenzen möglichst lange hinaus- (über 65 % der weltweiten Verkäufe) mittels bender Bedeutung für die Menschheit“. Vor zögern. Zum ersten Aspekt zählen Fachleute Beta-Lactamase ab. Phase-1-Ergebnisse zei- wenigen Wochen ist in Zusammenarbeit mit als wichtigste Maßnahme die gründliche gen, dass der BLI sowohl die Wirksamkeit EurSafety Health-net, einer Stiftung zur Prä- Händedesinfektion. Außerdem gehören das herkömmlicher Antibiotika bewahrt als auch vention von Krankenhausinfektionen und konsequente Screening auf resistente Keime selbst antibiotisch wirkt. Ein zweites Entwick- Antibiotikaresistenzen in Europa, das 650 und die Isolierung von Risikopatienten lungsprojekt in Phase 2 mit dem Schweizer Seiten dicke Buch „Das Ende der Antibio- dazu. In seinem Artikel ab Seite 4 beschreibt Partner Polyphor prüft ein biotechnologisch tika“ des Fachjournalisten Rinke van den Dr. Ehrenschwender, wie die PCR-basierte hergestelltes „Mimic“ eines bekannten anti- Brink erschienen.2 Darin bespricht er neben Diagnostik hierbei die Kultur medizinisch mikrobiellen pflanzlichen Peptids, das in Patientenschicksalen auch mit internationa- und ökonomisch sinnvoll ergänzen kann. nativer Form zu viele Nebenwirkungen her- len Experten Strategien zur Abwehr eines Eine wichtige Rolle spielt die Zeit bis zur vorruft. postantibiotischen Zeitalters. Verfügbarkeit des Ergebnisses. Daher profi- tieren Kliniker und Pflegepersonal in beson- Nach Meinung der Fachleute sind in Anbe- Das Bundesministerium für Gesundheit hat derem Maße von automatisierten PCR-Tests tracht der hochkomplexen Thematik weltweit im April und Mai 2015 zwei Gesetzesiniti- (z. B. auf dem System cobas® 4800) oder aber zu wenige Antibiotika in der Entwick- ativen verabschiedet: einen 10-Punkte-Plan einfachen POC-Lösungen (z. B. mit dem lung. Daher enthalten die vereinbarten Resis- zur Bekämpfung resistenter Erreger und die cobas® Liat Analyzer), wie auch Roche sie tenz-Strategien auch Pläne für Public-Pri- deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie 2020 anbietet bzw. entwickelt. Wichtig bei der öko- vate-Partnership-Modelle, um die immensen (Zusammenfassungen auf Seite 7 in die- nomischen Bewertung von Screening-Konzep- Entwicklungskosten für einen neuen pharma- sem Heft). Das allein reicht natürlich nicht. ten ist die Betrachtung des gesamten Patienten- zeutischen Wirkstoff besser zu bewältigen. Es Notwendig sind internationale Ansätze, wie managements (z. B. Isolations- und stationäre bleibt somit zu hoffen, dass sinnvolles und der ebenfalls im Mai beschlossene globale Aufenthaltsdauer, nachfolgender Ressourcen- konsequentes (Nach-) Justieren vieler einzel- Aktionsplan zu Antibiotika-Resistenzen der einsatz, Start der zielgerichteten Therapie) und ner Stellschrauben einen postantibiotischen WHO und ein entsprechendes Abkommen nicht die Fokussierung auf beispielsweise die Albtraum verhindern kann. beim G7-Gipfel in Elmau im Juni 2015.4 Kosten im Labor. Mit diesem Ansatz hat eine aktuelle Studie die Kosteneffektivität moderner 1) http://www.euro.who.int/de/health-topics/disease-preven- Wie lässt sich die Strategie gegen resistente PCR-Methoden aufgezeigt.4 tion/antimicrobial-resistance/antibiotic-resistance Erreger grob skizzieren? Auf der einen Seite 2) Rinke van den Brink; ISBN-10: 3738608079 3) www.bmg.bund.de/ministerium/meldungen/2015/ müssen wir im Krankenhaus die Ausbrei- Vor der Möglichkeit der Resistenzbil- abschluss-des-g7-gipfels in elmau tung resistenter Keime eindämmen, auf der dung gegen Antibiotika hatte 1928 bereits 4) Patel et al: Am L Clin Pathol (2015); 143: 652–658
Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 | Inhalt Medizin 4 Strategien im Umgang mit Hospital Acquired Infections 10 NT-proBNP-gestützte Therapie der Herzinsuffizienz 8–9 HPV-Primärscreening 14 Individualisierte Antikoagulationsdauer: Verbesserter Rezidivschutz Labororganisation 17 „Zentralisiertes“ periinterventionelles Gerinnungsmanagement Gesundheitspolitik 7 Behandlungsassoziierte Infektionen 10 – 13 und Antibiotika-Resistenzen NT-proBNP zur 8 HPV-Testung in der Gebärmutterhalskrebsvorsorge: Therapiesteuerung Meilenstein erreicht Produkte & Services 22 Bestellabwicklung: Sicher, schnell, zeitsparend – eben elektronisch 23 „Betriebsbereit im Laufe eines Vormittags“ 25 Marker der ovariellen Funktionsreserve: 22 – 24 Elecsys® AMH bewährt sich in der klinischen Routine Elektronische 27 Monitoring Immunsuppression: Bestellabwicklung Komplettes Testmenü 28 Elecsys® Anti-HCV II Test Elecsys® Syphilis Test 29 Neu im Portfolio für Blutbanken: Simultane Parvo B19- und HAV-Testung 31 Produktnews 32 – 34 32 Anwendertreffen: Anwendertreffen Brücke zwischen Theorie und Praxis "Roche Laborsysteme" Veranstaltungen & Kongresse 35 Ausgewählte Kongresse & Veranstaltungen September bis Dezember 2015 Impressum Herausgeber „Diagnostik im Dialog“ können Sie jederzeit über eine kurze Mitteilung per E-Mail abbestellen. Es fallen selbstverständlich keine weiteren als die für Sie üblichen Online-Gebühren an. Nutzen Roche Diagnostics Deutschland GmbH Sie dafür, ebenso wie für mögliche Rückfragen, gerne folgende E-Mail-Adresse: Geschäftsführer Dr. Thomas Schinecker mannheim.diagnostik-im-dialog@roche.com Sandhofer Straße 116 68305 Mannheim Die dargestellten Informationen geben die subjektive Einschätzung der Autoren wieder. Die Roche Diagnostics Deutschland GmbH übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit der darge stellten Informationen. Die Weitergabe der Daten in jedweder Form bedarf der schriftlichen V.i.S.d.P. (Chefredaktion) Zustimmung der Roche Diagnostics Deutschland GmbH. Ute Reimann, Kommunikation © 2015 Roche Diagnostics. Alle Rechte vorbehalten. COBAS, COBAS INTEGRA, CONSULAB, ELECSYS, MODULAR, MULTIPLATE sind Marken von Roche. Andere Marken sind Marken der jeweiligen Eigentümer. 3
Medizin | Hospital Acquired Infections | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 Strategien im Umgang mit Hospital Acquired Infections Dr. med. Dr. rer. nat. Martin Ehrenschwender, Institut für Klinische Mikrobiologie und Hygiene, Regensburg lationstage als auch nosokomial erworbene MRSA-Kolonisationen oder gar -Infektionen ökonomisch hochrelevant. Daher ist ein risi- koadaptiertes Screeningprogramm bei der Aufnahme empfehlenswert und in Deutsch- land bereits vielerorts implementiert. MRSA-Screeningprogramme konnten die Übertragungswahrscheinlichkeit deutlich reduzieren, bei den Infektionen wurde gar corbis/Drew Myers eine Verringerung um bis zu 75 % beobach- tet. Aus eigener Erfahrung hat sich eine fest in der Klinik-EDV integrierte Abfrage von MRSA-Risikofaktoren (z. B. chronische Pfle- gebedürftigkeit oder Zuverlegung aus Län- In (un)schöner Regelmäßigkeit landet das MRSA: Adäquates Screening dern mit hoher MRSA-Rate) bewährt, um Thema „Krankenhausinfektionen“, Englisch: Staphylococcus aureus (S. aureus) ist einer gleich bei der Aufnahme potenzielle MRSA- „Hospital Acquired Infections“ (HAIs), auf den der bedeutendsten Erreger von HAIs. Träger zu erfassen. Das Screening durch Titelseiten der Medien. Es laufen Anstrengun- Im Falle Methicillin-resistenter Stämme kulturelle Anzucht des Erregers ermöglicht gen auf breiter Front, um HAIs zu vermeiden (MRSA) ist der Umgang mit betroffenen eine phänotypische Resistenztestung und beziehungsweise den Umgang damit zu verbes- Patienten besonders kompliziert und res- ist relativ kostengünstig. Die zweifelsfreie sern – vorrangig im Sinne einer optimierten sourcenintensiv. Identifizierung als MRSA erfordert jedoch Patientenversorgung. Aber es lohnt auch der oftmals einen separaten Arbeitsschritt, da Blick auf andere Aspekte: HAIs beanspruchen Ein erster, bedeutsamer Schritt ist, MRSA- beispielsweise Staphylococcus sciuri auf chro- immense Ressourcen für Pflege, Therapie und Träger schnell und zuverlässig zu identifi- mogenen Medien einen MRSA vortäuschen krankenhaushygienische Maßnahmen. Die dar- zieren. Zum einen ist die Implementierung kann. Somit beträgt die „Time-to-result“ aus resultierenden Kosten sind immens. Präven- adäquater Hygienemaßnahmen für die Kli- mindestens 24 Stunden. tion und Beherrschung der Krankenhauskeime nikhygiene zeitkritisch, korreliert die Über- erfordern ein interdisziplinäres Management. tragungswahrscheinlichkeit doch mit der Die PCR-basierte Diagnostik bietet hier einen Ein wesentlicher Baustein ist die gut struktu- Liegedauer ohne Schutzmaßnahmen. Zum wichtigen Vorteil, denn deren Ergebnis liegt rierte und zeitgemäß aufgestellte Diagnostik. anderen beeinflusst der Trägerstatus mögli- in wenigen Stunden vor – im Idealfall noch Nachfolgend werden am Beispiel wichtiger cherweise die Substanzwahl des behandeln- vor Weiterverlegung der Patienten aus der Erreger von HAIs neue Aspekte aus der PCR- den Arztes bei einer antibiotischen Therapie Notaufnahme. Dies optimiert den nach- basierten Diagnostik und deren Verbesserungen im Rahmen eines Infektgeschehens. Und „last folgenden Ressourceneinsatz und rechtfer- für das Patientenmanagement vorgestellt. but not least“ sind sowohl (überzählige) Iso- tigt bei spezifischen Risikokollektiven die 4
Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 | Hospital Acquired Infections | Medizin Bei spezifischen Risiko- kollektiven (z. B. chroni- sche Pflegebedürftigkeit) optimiert die primäre PCR-basierte Erregerdi- agnostik den nachfolgen- fotolia/Photographee.eu den Ressourceneinsatz. höheren Analysekosten. Unserer Erfahrung Schwierigkeiten bereiten kann. Aufgrund der Clostridium difficile nach lohnt sich die PCR – auch ökonomisch in unserem Umfeld momentan sehr niedrigen Clostridium difficile (C. difficile) ist einer der – besonders bei Zuverlegungen aus ande- Prävalenz dieser MRSA-Klone halten wir dies wichtigsten Erreger nosokomial erworbener ren Krankenhäusern oder bei Patienten mit für keine nennenswerte diagnostische Limita- Durchfallerkrankungen. Hauptrisikofaktor vorausgegangenem MRSA-Nachweis. Die tion. Dies mag jedoch regional variieren und ist eine vorausgegangene antibiotische The- Bestätigung positiver MRSA-PCRs durch die sich dann anders darstellen. rapie, welche die mikrobielle Darmflora aus Kultur ist aber in jedem Falle empfehlenswert. dem Gleichgewicht gebracht hat. Die bloße S. aureus / MRSA: Blutstrominfektionen Anwesenheit von C. difficile im Darm ist Das eingesandte Probenmaterial, im Regelfall Bis zu 60 % der S. aureus Bakterämien sind per se nicht problematisch. Einige Stämme Abstriche aus Nasenvorhöfen und/oder Haut, HAIs. Die Therapie von S. aureus unter- allerdings produzieren Toxine, was die mit- enthält physiologischerweise eine polymikro- scheidet sich hinsichtlich Substanzwahl und unter gravierenden Symptome auslöst. Aus bielle Mischflora. Dies ist je nach eingesetzter Dauer von anderen Blutstrominfektionen. krankenhaushygienischer Sicht hat dieses molekulardiagnostischer Methode zu berück- Insofern ist die rasche und zuverlässige Bakterium die unangenehme Eigenschaft, sichtigen. Ein Beispiel: Der alleinige Nachweis Identifizierung des Keims Voraussetzung dass seine als Überdauerungsform gebil- des Methicillin-Resistenz-vermittelnden einer maximal effektiven Behandlung. deten Sporen herkömmliche Desinfekti- mecA-Gens aus einem Hautabstrich kann onsmaßnahmen überstehen und somit die einerseits die physiologische Besiedlung mit Bei positivem MRSA-Trägerstatus und Gefahr der Verbreitung gegeben ist. Daher sog. Koagulase-negativen Staphylokokken mikroskopischem Nachweis Gram-posi- unterstützt die schnelle und zuverlässige bedeuten, welche zwar mehrheitlich Methi- tiver Kokken in der Blutkultur können Diagnostik Toxin-bildender C. difficile- cillin-resistent, aber als Standortflora apatho- PCR-Tests die therapierelevante Frage, ob Stämme geeignete Hygienemaßnahmen. gen sind. Andererseits kann dieses Ergebnis eine S. aureus- oder MRSA-Sepsis vorliegt, auch für eine MRSA-Besiedlung sprechen. schnell klären (Bestätigung oder Ausschluss). Der Verdacht auf C. difficile-assoziierte Für die valide Befundinterpretation ist Auch unabhängig vom MRSA-Trägerstatus Diarrhoe (CDAD) begründet sich zumeist somit die Zuordnung des Resistenzgens zum ergänzt die PCR das klassische Verfahren auf die Anamnese hinsichtlich vorangegan- Erreger entscheidend. Kommerzielle PCR- bei der Diagnostik nosokomial erworbener gener Antibiotikaeinnahme und das kli- basierte MRSA-Tests verzichten oftmals auf Blutstrominfektionen. Aus unserer Sicht ist nische Bild. Geformter Stuhl schließt eine den direkten Nachweis von mecA und kon- die molekulare S. aureus-/ MRSA-Diagnos- CDAD im Vorfeld aus, eine Diagnostik zentrieren sich auf die S. aureus-spezifische tik bei Blutkulturen mit kurzer „Time-to- bezüglich C. difficile ist hier nicht zielfüh- Integrationsstelle der mecA enthaltenden positivity“ und mikroskopisch nachgewie- rend. Bislang war für die Labordiagnostik SCCmec-Kassette (Staphylococcal Cassette senen Gram-positiven Kokken sinnvoll, weil einer CDAD folgender zweistufiger Ablauf Chromosome). Die analytische Sensitivität die Therapie frühzeitiger optimiert werden üblich: Bei Nachweis von C. difficile in der und Spezifität dieser Methoden sind im All- kann. Dagegen bringt ein breit angelegter Stuhlprobe (zumeist ein spezifisches Enzym) gemeinen zufriedenstellend, wenngleich die PCR-basierter Erregernachweis im Rahmen erfolgte im nächsten Schritt mittels immu- Detektion „exotischer“ SCCmec-Kassetten der Sepsisdiagnostik keine Vorteile gegen- nologischer Tests der Toxinnachweis direkt (wie z. B. die mecC-tragende SCCmec Typ XI) über der Blutkultur.1 aus der Probe bzw. nach kultureller Anzucht. 5
Medizin | Hospital Acquired Infections | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 Fazit Molekulare Testmethoden haben sich in den C. difficile – häufiger Erreger letzten Jahren zu einer sinnvollen Ergänzung nosokomialer Durchfall- für die Diagnostik von HAIs entwickelt und erkrankungen – kann herkömm- dazu beigetragen, das Management dieser Infektionen zu optimieren. Mit Bedacht liche Desinfektionsmaßnahmen eingesetzt kann gerade bei zeitkritischen überstehen. Die schnelle fotolia/underdogstudios Fragestellungen die Patientenversorgung Diagnostik unterstützt geeignete profitieren. Hygienemaßnahmen. Literatur 1 Warhurst G et al.: Intensive Care Med (2015); 41(1): 86–93. doi: 10.1007/s00134-014-3551-x 2 Surawicz CM et al: Am J Gastroenterol (2013); 108:478– Molekulare Verfahren beschleunigen auch und vanB kann somit falsch-positive VRE- 498. doi:10.1038/ajg.2013.4 3 Behnke M et al.: Dtsch. Ärzteblatt Int. (2013); 110(38): diesen Prozess – beispielsweise ein PCR- Befunde generieren. 627–633. doi: 10.3238/arztebl.2013.0627 basierter Toxinnachweis als zweite Stufe. Dieser ist den immunologischen Methoden Multiresistente Gram-negative Erreger darüber hinaus hinsichtlich Sensitivität und Die ansteigende Rate an Antibiotikaresis- Spezifität überlegen (eigene Erfahrungen, 2). tenzen im Bereich Gram-negativer Keime Bei entsprechender klinischer Symptomatik, ist besorgniserregend. Gefürchtet sind vor Anamnese und Risikofaktoren wurde auch allem Stämme, welche durch Carbapene- die alleinige PCR-Testung als Option für den masen in der Lage sind, die breit wirksame Korrespondenzadresse Nachweis einer CDAD diskutiert. Gruppe der Carbapenem-Antibiotika zu inaktivieren. Die dann erheblich einge- Vancomycin-resistente Enterokokken schränkten Therapieoptionen sind nur Lange Zeit wurden Enterokokken als Aus- eine Folge, darüber hinaus ist der Nach- löser von HAIs unterschätzt. Mit Zunahme weis von Carbapenemase-bildenden Isola- der Infektionsraten jedoch zeigte sich das ten auch für die Klinikhygiene von großer pathogene Potenzial dieser Erreger. Mitt- Bedeutung; Verbreitung und Übertragung lerweise sind sie die dritthäufigste nachge- müssen unbedingt vermieden werden. Die wiesene Spezies nosokomialer Infektionen.3 Abklärung einer potenziellen Carbapenem- Dr. med. Dr. rer. nat. Martin Ehrenschwender Das steigende Aufkommen Vancomycin- Resistenz ist daher sehr dringlich. Arbeitsgruppenleiter resistenter Enterokokken (VRE), vor allem Institut für Klinische Mikrobiologie Enterococcus faecalis und Enterococcus fae- Insbesondere bei zeitkritischen Befunden, und Hygiene Universitätsklinikum Regensburg cium, stellt viele Gesundheitseinrichtungen wie Verdacht auf Carbapenem-resistente Franz-Josef-Strauß-Allee 11 derzeit vor große Herausforderungen – Gram-negative Bakterien in der Blutkultur, 93053 Regensburg entsprechende Screeningprogramme sind ergänzt die PCR die klassische Resistenz- martin.ehrenschwender@ukr.de daher ein wichtiges Thema. testung sinnvoll. Neben selbstentwickelten Formaten sind auch vorkonfektionierte Auch hier kann molekulare Diagnostik Tests verfügbar, doch Vorsicht: Carbapen- einen kulturbasierter Ansatz sinnvoll ergän- emasen kommen in nahezu unüberschau- Laut einer Information des Bundesmi- nisteriums für Gesundheit vom 5. Juni zen. Bei verdächtigen Kolonien in der Kultur barer Vielfalt vor! Zwar erfassen kommer- 2014 erkranken in Deutschland jähr- erfolgt mittels PCR die Bestätigung über den zielle PCR-basierte Assays die häufigsten, lich 400 000 bis 600 000 Menschen an Nachweis des vanA- oder vanB-Gens, welche jedoch nicht alle vorkommenden Typen. nosokomialen Infektionen und 10 000 für die Vancomycin-Resistenz kodieren. Die Ein negatives Ergebnis in der molekularen bis 15 000 Patienten sterben daran.1 Die alternative, phänotypische Testung der Van- Testung schließt somit eine Carbapenem- deutsche Gesellschaft für Krankenhaus- comycin-Empfindlichkeit nimmt mehr Zeit Resistenz nicht zwangsläufig aus. Bewährt hygiene schätzt deutlich höhere Zahlen: in Anspruch. Umgekehrt sollte das moleku- hat sich aus unserer Sicht die Testung auf jährlich 900 000 Infektionen und min- lare VRE Screening immer durch ein Kul- das Vorliegen der Typen KPC, NDM, VIM, destens 30 000 Todesfälle.2 turverfahren flankiert werden. Insbesondere OXA-48 und IMP-1. Zur Bestätigung (und vanB kommt nicht nur bei Enterokokken, Qualitätssicherung) ist auch der Versand an 1 www.bmg.bund.de/themen/praevention/kranken- hausinfektionen/fragen-und-antworten.html sondern auch bei Anaerobiern der Darm- das Nationale Referenzzentrum für Gram- 2 http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/58148/Zahl- flora vor. Eine ausschließlich molekulare negative Erreger in Bochum unbedingt der-Krankenhausinfektionen-hoeher-als-vermutet Testung auf das Vorhandensein von vanA empfehlenswert. 6
Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 | Behandlungsassoziierte Infektionen und Antibiotika-Resistenzen | Gesundheitspolitik Behandlungsassoziierte Infektionen und Antibiotika-Resistenzen fotolia/Giso Bammel 10-Punkte-Plan als Gegenoffensive Nachdem verschiedene gesundheitspolitische jeweiligen hausinternen Hygienestandards mazeutischer Industrie soll Hindernisse Maßnahmen der vergangenen Jahre den sollen Bestandteil der Qualitätsberichte von bei der Forschung und Entwicklung neuar- erhofften Erfolg schuldig blieben, veröffent- Krankenhäusern sein. tiger antibiotischer Präparate identifizieren lichte das Bundesministerium für Gesund- und überwinden helfen. heit Ende März 2015 eine neue Initiative 4) Schärfere Meldepflichten: Gefährliche zur Bekämpfung der medizinisch und öko- resistente Erreger müssen künftig bereits 9) Deutsche Gesundheitspolitik zur nomisch gravierenden Herausforderungen beim ersten Nachweis gemeldet werden. globalen Bekämpfung von Antibiotika- durch resistente Keime in Krankenhäusern.1 Dadurch gewinnen Gesundheitsämter Resistenzen nutzen: Die WHO erarbeitete Der 10-Punkte-Plan soll die nationalen und wertvolle Zeit zum Handeln und das RKI einen globalen Aktionsplan, in den Erfah- internationalen Anstrengungen verstärken epidemiologische Daten für zielgenauere rungen aus der Deutschen-Antibiotika- und dem brisanten Dauerthema endlich Bekämpfungsmaßnahmen. Resistenzstrategie wesentlich eingeflos- zur notwendigen Priorisierung verhelfen. sen sind. In den kommenden fünf Jahren Am 13. Mai 2015 hat das Bundeskabinett 5) Verpflichtende Fortbildungen: Medi- unterstützt Deutschland Partnerländer bei die „Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie zinisches Personal im ambulanten und der Entwicklung und Umsetzung nati- (DART) 2020, beschlossen.2 Sie soll die bereits stationären Bereich soll verpflichtende onaler Bekämpfungsstrategien. Am 18. 2008 begonnenen Anstrengungen intensivie- Hygienefortbildungen erhalten, da Wis- Mai rief Bundeskanzlerin Angela Merkel ren und darüber hinaus wichtige Anregungen sensdefizite bei Diagnostik, rationaler bei der WHO-Jahrestagung zum Kampf für internationale Strategien liefern. Antibiotika-Therapie und Infektionsver- gegen den Antibiotika-Missbrauch auf. Sie meidung wesentliche Ursachen der stei- nannte das Thema „von ausschlaggebender 1) Ausbreitung multiresistenter Erreger genden Resistenzraten sind. Bedeutung für die Menschheit. Die WHO verhindern: Alle Krankenhäuser müssen selbst warnte vor einer „postantibioti- konsequent Risikopatienten bei Aufnahme 6) Versorgungsforschung verbessern: Bei schen Ära“, in der bisher gut behandelbare, auf multiresistente Keime untersuchen und den Bundesministerien für Gesundheit und „harmlose“ Krankheiten wieder tödlich bis zum Ausschluss einer Besiedlung iso- für Bildung & Forschung soll eine gemein- verlaufen könnten. lieren. Entsprechende Screenings vor plan- same „Task Force Antibiotikaforschung“ baren Krankenhausaufenthalten werden eingerichtet werden, um versorgungsnahe 10) Kooperation innerhalb der G7: derzeit modellhaft geprüft und könnten Forschungsvorhaben zu den Themen noso- Im Rahmen seiner G7-Präsidentschaft zukünftig ebenfalls verbindlich werden. komiale Infektionen und Antibiotikaresis- betrachtet Deutschland das Thema „Anti- tenz über die nächsten drei Jahre zu fördern. biotika-Resistenz“ als einen seiner Schwer- 2) Hygienestandards weiter ausbauen: punkte, um die Entwicklung neuer Anti- Bis 2016 bereitgestellte Fördermittel von 7) „One-health“-Gedanken stärken: Der biotika, diagnostischer Testmethoden und 365 Millionen Euro unterstützen Kranken- „One-Health“–Gedanke berücksichtigt die alternativer Behandlungen in der Gemein- häuser bei der Neueinstellung und Wei- engen Verflechtungen und Wechselwir- schaft voran zu bringen. terbildung von qualifiziertem Personal für kungen von Landwirtschaft, Veterinär- und die Krankenhaushygiene. Die Einhaltung Humanmedizin im Bereich resistenter Erre- des Hygieneförderungsprogramms soll als ger. Mit der Aktualisierung der nationalen wesentliches Qualitätskriterium auch bei Resistenzstrategie (DART 2020), wird die Quellen der Landeskrankenhausplanung berück- Zusammenarbeit dieser Bereiche gestärkt 1 http://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministe- sichtigt werden. und strenger überwacht. rium/meldungen/2015/10-punkte-plan-zu-antibiotika- resistenzen.html 2 http://www.bmg.bund.de/presse/pressemitteilungen/ 3) Bessere Informationen zur Hygiene- 8) Pharmadialog: Der Dialog zwischen pressemitteilungen-2015-02/bundeskabinett-beschlies- qualität: Laientauglich formulierte Texte zu Bundesregierung, Wissenschaft und phar- st-dart-2020.html 7
Gesundheitspolitik | HPV-Testung in der Gebärmutterhalskrebsvorsorge | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 HPV-Testung in der Gebärmutterhalskrebsvorsorge Meilenstein erreicht fotolia/Subbotina Anna Es kommt Bewegung in die Gebärmutterhals- abgestimmten Inhalte sollen umfassend der Optionen oder ein Wechsel vor krebsvorsorge: Der Gemeinsame Bundesaus- informieren über Ablauf des Screeningintervalls ist nicht schuss (G-BA) bereitet die Einführung eines O Organisation und Ablauf des Screenings möglich. organisierten Früherkennungsprogramms vor. O Nutzen/Risiken alternativer Screening- O Übergangsphase bis zu einer endgültigen Per Beschluss vom 19. März 2015 wird das methoden (s. u.) inklusive Entschei- Regelung von mindestens sechs Jahren Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit dungshilfen (begonnenes 2. Screeningintervall). Die im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Erstel- O datenschutzrechtliche Aspekte. bis dahin erhobenen Daten sind Basis lung eines Einladungsschreibens und einer der endgültigen Entscheidung, welche Versicherteninformation beauftragt.1 In die- Die Eckpunkte Screeningmethode den größten Erfolg sem Kontext hat der G-BA auch Stellung zum Zusammen mit seinem Auftrag hat der verspricht. HPV-Primärscreening bezogen: „Perspekti- G-BA zur Orientierung des IQWiG auch O Frauen im Alter von 20–30 Jahren haben visch wird ein organisiertes Früherkennungs- die folgenden Eckpunkte zum geplanten in der Übergangsphase unverändert programm mit einer HPV-Untersuchung alle Früherkennungsprogramm veröffentlicht: Anspruch auf eine jährliche zytologi- fünf Jahre bei Wegfall der zytologischen Scree- O Die (jährliche) klinische Untersuchung sche Untersuchung. Eventuell werden ninguntersuchungen ermöglicht.“ zur Früherkennung von Krebserkran- daraufhin und unter Berücksichtigung kungen des Genitales und der Brust internationaler Empfehlungen auch für Mit der Initiative zum Zervixkarzinom- bleibt erhalten. die Altersgruppe 20–30 Jahre Screening- Screening soll allen GKV-versicherten O Versicherte im Alter von 20–60 Jahren intervall und -methode angepasst. Frauen ein praktikables und qualitätsge- werden alle fünf Jahre durch die Kran- O Der G-BA entwickelt für die beschrie- sichertes innovatives Versorgungskonzept kenkassen über das Screening infor- benen Screeningstrategien ein Konzept zur Verfügung stehen, das auch zukünftige miert. zum Monitoring und zur datengestütz- Entwicklungen in Folge der Einführung der O Frauen ab dem Alter von 30 Jahren ten Qualitätssicherung. HPV-Impfung berücksichtigt. haben zunächst die freie Wahl zwischen Primärtest HPV mit Zytologie-Triage Bekenntnis zum HPV-Primärscreening Die im beauftragten Einladungsschreiben oder dem klassischen jährlichen Pap- Die vorgegebenen Eckpunkte ermöglichen und der Informationsschrift aufeinander basierten Screening. Die Kombination perspektivisch ein organisiertes Früherken- 8
Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 04/2015 | HPV-Testung in der Gebärmutterhalskrebsvorsorge | Gesundheitspolitik Der G-BA bewertet ein HPV- Primärscreening auf Basis der verfügbaren Evidenz aus zahlreichen Studien und fotolia/Tatiana Shepeleva aufgrund internationaler Empfehlungen als sinnvoll. fotolia/edin nungsprogramm mit einer HPV-Untersu- Der G-BA schreibt weiterhin in seiner Gynäkologie und Geburtshilfe) und die zur- chung alle fünf Jahre bei Wegfall der zyto- Begründung, dass die Vorteile von HPV- zeit in der Überarbeitung befindlichen Sup- logischen Screeninguntersuchungen. Assays ein längeres Screeningintervall ver- plements der europäischen Leitlinien eine tretbar machen könnten. Voraussetzung große Rolle spielen werden. In einem 2014 aktualisierten IQWiG-Bericht dafür aber sei eine umfassende Qualitätssi- zur Nutzenbewertung von Studien mit HPV- cherung und Evaluation der Testmethoden. Quelle Tests hatten die Autoren bereits über Hin- Die durch ein HPV-Screening oft befürch- 1 https://www.g-ba.de/downloads/ weise berichtet, wonach die Verwendung sol- tete hohe Anzahl von Abklärungsuntersu- 39-261-2224/2015-03-19_IQWiG-Beauftra- cher Assays im Primärscreening die Inzidenz chungen ließe sich durch die Kombination gung_Einladung-Info-Zervixkarzinom-Sc.pdf von Zervixkarzinomen weiter senken kann. mit einer Zytologietriage zuverlässig mini- Eine Empfehlung zum HPV-Screening oder mieren. zum Co-Screening HPV + Zytologie wurde dort allerdings nicht ausgesprochen. Den- Bis April 2016 hat der G-BA Zeit, die Details noch berücksichtigt der G-BA die Strategie zu Inhalten und zur Prozesssteuerung des des HPV-Primärscreenings und begründete Screenings unter Berücksichtigung der dies mit folgenden drei Kernargumenten: gesetzlichen Vorgaben des Krebsfrüher- O Verfügbare Evidenz und internationale kennungs- und -registergesetzes (KFRG) in Empfehlungen einer Richtlinie zu regeln. Die jetzt vorlie- O Entsprechende Ergebnisse zusätzlicher genden Ausführungen enthalten noch keine Studien Details zur Abklärung auffälliger HPV- O Ein HPV-Test ist gegenüber der Zytolo- Screeningbefunde und zu Anforderungen gie nicht nur einfacher durchzuführen, an HPV-Tests. Dies wird spätestens in der Dr. Aribert Stief Director Medical und er liefert auch zuverlässigere Ergebnisse, Früherkennungs-Richtlinie zu finden sein, Scientific Affairs da er objektiver misst, über eine bessere bei deren Gestaltung vermutlich die kurz 0621 759-3046 Sensitivität und einen hohen negativen vor der Veröffentlichung stehenden S3-Leit- aribert.stief @roche.com prädiktiven Wert verfügt. linien der DGGG (Deutsche Gesellschaft für 9
Medizin | NT-proBNP-gestützte Therapie der Herzinsuffizienz | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 NT-proBNP-gestützte Therapie der Herzinsuffizienz PD Dr. med. Fabian Knebel, Med. Klinik m. S. Kardiologie und Angiologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin Die Therapiemöglich- keiten der chronischen Herzinsuffizienz haben sich in den letzten Jah- ren deutlich verbessert. Häufig aber erreichen die Patienten nicht die Ziel-Dosierungen. fotolia/Robert Kneschke Die chronische Herzinsuffizienz ist eine der das hormonell inaktive NT-proBNP. Dieses dass in der initialen Phase der Einstellung häufigsten kardialen Erkrankungen. Sie führt stabile Peptid lässt sich sicher und schnell auf einen Betablocker NT-proBNP Spiegel zu einem Verlust an Lebensqualität und ist quantitativ bestimmen. ansteigen können. mit einer deutlich erhöhten Sterblichkeit ver- bunden. In den letzten Jahren haben sich die Der kardiale Biomarker NT-proBNP ist in Aktuelle Studienlage Therapiemöglichkeiten der chronischen Herz- den aktuellen Leitlinien der ESC (European Während NT-proBNP für die Diagnosestel- insuffizienz durch Betablocker, Inhibitoren Society of Cardiology) zur Diagnose der lung fest etabliert ist, gibt es für die Thera- des Renin-Angiotensin-Systems und Device- Herzinsuffizienz neben Klinik, EKG und piesteuerung noch keine Empfehlungen oder Therapie* deutlich verbessert. Häufig aber Echokardiografie fest etabliert.1 Eine beson- Angaben in den Leitlinien. Zur Beurteilung erreichen die Patienten nicht die Ziel-Dosie- dere Stärke der natriuretischen Peptide (NP) des klinischen Stellenwerts müssen folgende rungen der Medikation. Noch fehlt ein etablier- ist ihr hoher negativ-prädiktiver Wert, d. h. Gesichtspunkte diskutiert und beantwortet ter objektiver Zielparameter zur optimierten ein Ergebnis im Normalbereich schließt das werden: Therapiesteuerung. Könnte der Verlauf von Vorliegen einer Herzinsuffizienz mit hoher O Welcher Zielwert für NT-proBNP ist NT-proBNP ein solcher Marker sein? Aktuelle Wahrscheinlichkeit aus. anzustreben? Studiendaten belegen, dass sowohl stationäre O Wie aggressiv sollte die initiale Therapie als auch ambulante Patienten von seriellen Die leitliniengerechte Therapie, bestehend sein? NT-proBNP-Bestimmungen profitieren. aus Diuretika, Betablockern, ACE-Hemmern O Zeigen fallende NT-proBNP-Werte (oder AT-1-Blockern), Mineral-Kortikoid- zuverlässig an, dass es dem Patienten Herzmuskelzellen setzen bei erhöhter Wand- Rezeptor-Antagonisten (MRA) oder Ivabra- besser geht? spannung, aber auch bei Ischämie oder din führt langfristig zu einer Abnahme der O B edeutet ein Abfall des NT-proBNP Hypertrophie vermehrt das natriuretische natriuretischen Peptide. Dies gilt auch für auch weniger Endpunkte (Hospitalisie- Peptid (BNP) frei. Das N-terminale Spalt- die Device-Therapie mit kardialer Resyn- rung, Tod) im Verlauf? produkt des Vorläuferproteins (proBNP) ist chronisation.2 Allerdings ist zu beachten, O Wie oft sollte gemessen werden? 10
Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 | NT-proBNP-gestützte Therapie der Herzinsuffizienz | Medizin Die aktuelle Datenlage macht Hoffnung, dass bei > 70 Jahre). Der Beobachtungszeitraum wurden in der Subgruppe der jüngeren NT-proBNP-Bestimmungen herzinsuffizien- betrug 18 Monate. In der „NT-proBNP- Patienten (< 65 Jahre) die kardiovaskulä- ten Patienten zu einer optimierten Therapie Gruppe“ war das Ziel, den Marker unter ren Endpunkte seltener erreicht. verhelfen könnten. Für hospitalisierte Patien- den altersabhängigen Grenzwert zu senken, ten mit schwerer Herzinsuffizienz zeigten sich d. h. auf < 400 pg/ml bei Patienten unter 75 In der PROTECT Studie6 an 151 ambu- repetitive Bestimmungen von NT-proBNP Jahre bzw. auf < 800 pg/ml bei noch höhe- lanten Patienten (mittleres Alter 63 Jahre) während des Krankenhausaufenthaltes als rem Lebensalter. Die Ergebnisse lesen sich mit systolischer Herzinsuffizienz sollte in prognostisch relevant: Patienten, bei denen wie folgt: der Interventionsgruppe NT-proBNP auf NT-proBNP innerhalb dieser Zeit auf über O Die Biomarker-gesteuerte Therapie einen recht tiefen Zielwert von < 1000 pg/ 30 % des Ausgangswertes stieg, hatten eine führte nicht zu vermehrten Nebenwir- ml titriert werden. Der Marker wurde hier deutlich schlechtere Prognose.3 kungen. alle drei Monate bestimmt und dieses Vor- O Die NT-proBNP-Gruppe erreichte gehen mit der standardmäßig ausschließlich In die NorthStar-Studie4 wurden 407 ambu- höhere Dosierungen bei der Herzinsuffi- klinisch orientierten Einstellung der Herzin- lante Patienten mit systolischer Herzinsuffi- zienzmedikation. suffizienzmedikation verglichen. zienz (mittleres Alter 73 Jahre, NT-proBNP O Der sekundäre Endpunkt (Überleben O Die aggressive Eindosierung der > 1000 pg/ml) eingeschlossen und 2,5 Jahre ohne Wiedereinweisungen ins Kran- Medikation mit dem Ziel, den NT- beobachtet. Die Therapiesteuerung erfolgte kenhaus) war signifikant besser in der proBNP-Spiegel zu senken, war sicher, in der einen Subgruppe ohne (Standardvor- NT-proBNP-gesteuerten Gruppe. unerwünschte Hypotonien oder gehen), in der anderen mit Kenntnis der NT- O In der gesamten NT-proBNP-Gruppe Niereninsuffizienzen traten nicht proBNP-Werte. Das Biomarker-Monitoring zeigte sich keine signifikante Abnahme häufiger auf. hatte zwar keinen Vorteil in Bezug auf den der Ereignisse, aber auch keine Zunahme O Unter NT-proBNP-Steuerung waren primären Endpunkt (Tod oder kardiovas- wegen intensiverer Therapie. Allerdings die Lebensqualität und die myokardiale kuläre Hospitalisierung). Aber eine interes- sante Erkenntnis deckte die Studie auf: Bei Patienten mit einen Anstieg des NT-proBNP von > 30 % im Verlauf (immerhin ein Vier- 1.0 tel der Patienten!) war der Verlauf (Hospi- talisierungen, Lebensqualität) signifikant 0.8 Ereignisfreies Überleben schlechter. Daraus könnte sich ableiten, dass insbesondere diese Patienten engmaschiger kontrolliert und gegebenenfalls noch inten- 0.6 siver therapiert werden sollten. Log rank P =.03 Die TIME-CHF* Studie 5 untersuchte in 0.4 zwei Vergleichsgruppen die Fragestellung, NT-proBNP (N=75) ob eine intensivierte Biomarker-gesteuerte Standardvorgehen (N=76) 0.2 und eventuell aggressivere Therapie gerade bei älteren, oft multimorbiden Patien- ten zu unerwünschten Nebenwirkungen 0.0 führt. Das Kollektiv bildeten 495 Patienten 0 73 146 219 292 365 > 60 Jahre mit chronischer Herzinsuffizienz Tage ab Studienaufnahme und einer Ejektionsfraktion (EF) < 45 % im Abb. 1: Ereignisfreies Überleben von ambulanten Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz Stadium NYHA* > II sowie erhöhtem NT- über ein Jahr. In der Gruppe mit NT-proBNP-gesteuertem Therapiemonitoring waren kardiovaskuläre pro BNP (> 400 pg/ml bzw. > 800 pg/ml signifikant reduziert (mod. aus 6) 11
Medizin | NT-proBNP-gestützte Therapie der Herzinsuffizienz | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 Chronisch herzin- suffiziente Patienten haben eine schlechte Prognose und sollten engmaschig vom Arzt gesehen werden. fotolia/Peter Maszlen Funktion signifikant besser und die tieren wahrscheinlich von einer NP-gesteu- fotolia/giorgiomtb cher Kostenfaktor. Demgegenüber belegte kardiovaskulären Ereignisse signifikant erte Therapie. Die Gesamtmortalität sinkt.7,8 die Studie von Moertl,9 dass die Berück- reduziert (Abb. 1). sichtigung von NT-proBNP lang fristig Ist der Einsatz natriuretischer Peptide durch Reduktion von Hospitalisierungen Zum Therapiemonitoring mittels natriureti- kosteneffizient? Für das Therapiemonito- die Gesamtkosten beim Management der scher Peptide (NP) liegen auch zwei Meta- ring von Patienten mit Herzinsuffizienz ist Herzinsuffizienz senken kann. analysen vor. Die Haupterkenntnis daraus die Bestimmung der NP gegenüber dem lautet: Jüngere Patienten (< 75 Jahre) profi- Standardvorgehen zunächst ein zusätzli- Fallbeispiel Der 57-jährige Patient (Abb. 2) wurde mit kardialer Dekompensation auf unserer Inten- sivstation aufgenommen. Ursache ist eine nicht-ischämische Herzinsuffizienz auf dem Boden einer Tachy-Kardiomyopathie. Das 12000 NT-proBNP war bei > 10 000 pg/ml. Unter intensivmedizinischer Rekompensation kam NT-proBNP (ng/l) 10000 es zu einer schnellen Halbierung des Wertes 8000 (auf < 4000 pg/ml). Es begann eine orale 6000 Herzinsuffizienz-Medikation, wobei die 4000 Maximaldosen von ACE-Hemmer, Betablo- cker und MRA erreicht werden konnten. Dies 2000 reduzierte den NT-proBNP-Spiegel weiter auf 0 ca. 1000 pg/ml. Der Patient verbesserte sich Feb. Nov. Juli Sept. klinisch deutlich, hat dann aber leider seine 2013 2013 2014 2014 orale Herzinsuffizienzmedikation abgesetzt. Er stellte sich erneut kardial dekompensiert Abb. 2: NT-proBNP-Verlauf unter adäquater bzw. inadäquater Herzinsuffizienztherapie bei in der Notaufnahme vor, NT-proBNP lag einem 57-jährigen Patienten (Quelle: Knebel) wieder bei > 4000 pg/ml. Nach Wiederbeginn Februar 2013: Kardiale Dekompensation, NYHA IV (Intensivstation), Beginn der Rekompensation, bei der Medikation erreichte der Marker inner- Entlassung NYHA I-II halb weniger Wochen den Ausgangswert (ca. November 2013: Patient stabil, NYHA I, ausdosierte Herzinsuffizienztherapie, NT-proBNP < 1000 Juli 2014: Patient hat selbstständig die Medikation beendet, NYHA III, NT-proBNP > 4000 1000 pg/ml). Der Patient ist aktuell weitge- September 2014: Patient nach Wiederbeginn der medikamentösen Therapie stabil und NYHA I, NT- hend beschwerdefrei und kann seinem Beruf proBNP wieder unter 1000 voll nachgehen. 12
Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 | NT-proBNP-gestützte Therapie der Herzinsuffizienz | Medizin Gesteigerte körper- liche Aktivität lässt sich anhand eines günstigen NT-proBNP-Verlaufs dokumentieren. fotolia/Robert Kneschke Dieses Beispiel unterstreicht den Nutzen von O Ein sinnvoller Zielwert von NT-proBNP Literatur 1 McMurray JJ et al: European journal of heart failure NT-proBNP sowohl beim Monitoring unter könnte < 1000 pg/ml sein. (2012) Aug; 14(8): 803–869. PubMed PMID: 22828712 2 Fruhwald FM et al: European heart journal (2007) Jul; intensivmedizinischer Rekompensation O In der mehrmonatigen Einstellungsphase 28(13): 1592–1597. PubMed PMID: 17298973 3 Bettencourt P et al: Circulation (2004) Oct 12; 110(15): als auch unter oraler, maßgeschneiderter scheinen Intervalle von drei Monaten 2168–2174. PubMed PMID: 15451800 Herzinsuffizienzmedikation. Dieser Patient für Visiten und NT-proBNP-Messungen 4 Schou M et al: European journal of heart failure (2013) Jul; 15(7): 818–827. PubMed PMID: 23507787 möchte nun bei seinen Visiten stets seinen sinnvoll. Das optimale Intervall für NT- 5 Sanders-van Wijk S et al: European journal of heart fai- lure (2013) Aug; 15(8): 910–918. PubMed PMID: 23666681 NT-proBNP-Wert erfahren. Unser Therapie- proBNP-Bestimmungen ist allerdings 6 Januzzi JL et al: Journal of the American College of Car- diology (2011) Oct 25; 58(18): 1881–1889. PubMed PMID: ziel ist ein Wert von unter 1000 pg/ml. noch nicht final definiert. Hier fehlen 22018299 weitere Studien. 7 Troughton RW et al: European heart journal (2014) Jun14; 35(23): 1559–1567. PubMed PMID: 24603309. Pubmed Zusammenfassung Central PMCID: 4057643. 8 Balion C et al: Heart failure reviews (2014) Aug; 19(4): Bisherige Studien und unsere eigenen In unserem Haus ist die Bestimmung 553–564. PubMed PMID: 25074674. 9 Moertl D et al: International journal of technology assess- Erfahrungen erlauben zur NP-gesteuerten von NT-proBNP zur Diagnostik und zur ment in health care (2013) Jan; 29(1): 3–11. PubMed Herzinsuffizienztherapie derzeit folgende Abschätzung der Prognose bei Patienten PMID: 23257208. Ableitungen: mit Verdacht auf Herzinsuffizienz eine feste O Patienten mit chronischer Herzinsuffizi- Größe. Dies umfasst auch Patienten von enz haben eine schlechte Prognose und nicht-kardiologischen Abteilungen. Patien- sollten intensiv und engmaschig vom ten, die wir in unserer Ambulanz weiterbe- Korrespondenzadresse Arzt gesehen werden. treuen, sowie diejenigen, die sich erneut mit O Ein Rückgang des NT-proBNP-Wertes kardialer Dekompensation bei uns vorstel- unter Therapie ist grundsätzlich günstig. len, erhalten ebenso eine Bestimmung ihres O Intensivierung der Medikation und gestei- NT-proBNP-Wertes. gerte körperlichen Tätigkeit lassen sich anhand eines günstigen (d. h. fallenden) NT-proBNP-Verlaufs dokumentieren. evice-Therapien: Implantierbarer Kardio- *- D O Ansteigende Werte (z. B. durch unzurei- verter Defibrillator (ICD) und Kardiale chende Therapie oder Progression der Resynchronisationstherapie (CRT) bzw. PD Dr. med. Fabian Knebel biventrikuläre Schrittmachertherapie. Grunderkrankung) weisen auf Hoch- Oberarzt - T IME-CHF Studie: Trial of Intensified Medizinische Klinik m. S. Kardiologie Risiko-Patienten mit schlechter Prog- (BNP-guided) versus standard (symptom- und Angiologie nose hin. guided) Medical therapy in Elderly patients Charité – Universitätsmedizin Berlin with Congestive Heart Failure. O Bei jüngeren Patienten (< 75 Jahre) Campus Mitte YHA-Klassifikation: Klassifikation der - N 10098 Berlin scheint eine NP-gesteuerte Therapie die Herzinsuffizienz durch die New York Heart fabian.knebel@charite.de Gesamtmortalität zu verringern. Association 13
Medizin | Individualisierte Antikoagulationsdauer | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 Individualisierte Antikoagulationsdauer Verbesserter Rezidivschutz Bieten standardisierte Empfehlungen zur Anti- koagulationsdauer nach erster venöser Thrombo- embolie den bestmögli- chen Rezidivschutz? fotolia/Кирилл Рыжов Wie lange sollen Patienten nach einer ersten Nach den derzeitigen Leitlinien-Empfehlun- Thrombose – RVT). Darüber hinaus existie- idiopathischen venösen Thromboembolie gen werden insbesondere jüngere Patienten ren eine Reihe weiterer, zum Teil kontrovers antikoaguliert werden? Die nicht unerheb- nach einer ersten venösen Thromboembolie diskutierter Einflussfaktoren, die in ihrer lichen Rezidivraten lassen Diskussionen (VTE) in der Regel drei Monate antikoagu- Kombination schließlich ein individuelles darüber aufkommen, ob weitgehend stan- liert, sofern keine dauerhaften thrombophi- Rezidivrisiko generieren. Daher macht es dardisierte Empfehlungen zur Antikoagula- len Risikofaktoren bzw. prothrombotischen Sinn, nach Ablauf einer initialen Antikoagu- tionsdauer all diesen Patienten den bestmög- Stimuli (z. B. aktives Krebsleiden) vorliegen. lation die Patienten objektiv hinsichtlich die- lichen Schutz bieten oder ob die zusätzliche Die adäquate Gerinnungshemmung mit her- ses spezifischen Risikos einem Monitoring Evaluierung des individuellen Risikos nicht kömmlichen Vitamin-K-Antagonisten oder zu unterziehen und die Medikationsdauer dazu beitragen könnte, die derzeitige Situa- den neuen direkten oralen Antikoagulanzien danach auszurichten. tion zu optimieren. Die Fragestellung einer erreicht in Studien einen 90 %-igen Schutz individuellen Risikobewertung hat eine ita- vor Rezidiven – allerdings nur, solange diese Frühere Untersuchungen haben Hinweise lienische Arbeitsgruppe in einer prospektiven Präparate regelmäßig eingenommen wer- dafür geliefert, dass „D-Dimer“ als Abbau- multizentrischen Managementstudie aufge- den. Unabhängig von der Dauer der initialen produkt eines stabilen Fibringerinnsels und griffen.1 Als Risikomarker diente der Para- Behandlung kann sich nach dem Absetzen somit indirekter Marker einer Gerinnungs- meter „D-Dimer“. Die publizierten Ergebnisse der Medikation erneut eine Gerinnungsak- aktivierung nicht nur das Vorliegen einer sind ermutigend: Nach dem Absetzen einer tivierung entwickeln. Die kumulierte Rezi- VTE ausschließen kann, sondern auch das oralen Antikoagulation erfassen sensitive divrate innerhalb von zehn Jahren beträgt Risiko eines VTE-Rezidivs abzuschätzen quantitative D-Dimer-Tests eine erneut auf- 20–50 %. hilft.2 In diesem Kontext wurden D-Dimer- tretende Gerinnungsaktivierung und können Ergebnisse in Studien als Bestandteil klini- so Patienten mit höherem und niedrigem Das Rezidivrisiko ist anerkanntermaßen scher Scores genutzt. Rezidivrisiko differenzieren. Die klinische besonders ausgeprägt nach einer ersten Ableitung daraus hieße, die Antikoagulati- „unstimulierten“ (idiopathischen) VTE Studiendesign onsdauer nach den individuellen D-Dimer- und/oder einer nicht vollständig aufgelösten Die hier vorgestellte italienische DULCIS- Konzentrationen auszurichten. initialen Thrombose (sog. residuale venöse Studie (D-dimer and Ultrasonography in 14
Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 | Individualisierte Antikoagulationsdauer | Medizin Studienfazit: Patienten mit alters- und geschlechtsspezifi- schen „normalen“ D-Dimer- Werten nach erster VTE können die Antikoagulation nach drei Monaten sicher beenden. fotolia/Diego Cervo Combination Italian Study) bearbeitete Stellen festgestelltes VTE-Rezidiv bzw. Tod O Wenn und solange der D-Dimer-Wert folgende Fragestellung: Kann eine einfache durch VTE. Die Patienten wurden über unterhalb des festgelegten Cut-off-Werts Prozedur mit serieller D-Dimer-Messung maximal zwei Jahre nachverfolgt. liegt: Antikoagulation aussetzen und zu diejenigen Patienten identifizieren, deren den definierten Zeitpunkten Messung Rezidivrisiko ausreichend niedrig ist (≤ 5 % Zum Einsatz kamen insgesamt fünf ver- wiederholen lassen. pro Jahr), um die Antikoagulation nach drei schiedene quantitative D-Dimer-Tests (pro O Sobald der D-Dimer-Wert zu einem Monaten mit hoher Sicherheit auszusetzen? Zentrum der jeweilige Routinetest), deren Messzeitpunkt wieder oberhalb des Cut- Sensitivität zum sicheren Ausschluss einer off-Werts liegt: Antikoagulation sofort Es handelte sich um eine prospektive, mul- VTE in Studien belegt war. Für die aktuelle wieder in gewohnter Weise aufnehmen. tizentrische (18 Zentren) Kohortenstudie Fragestellung zum Rezidivrisiko waren für O B eim Auftreten eventueller VTE-Symp- an nicht-stationären Patienten (Männer jeden Test vorab aus geeigneten tiefgefrore- tome bzw. bei Blutungen sofort im Zent- und Frauen ≥ 18 Jahre, außer Schwangere nen Proben alters- und geschlechtsspezifische rum melden. und Frauen kurz nach der Entbindung) Cut-off-Werte nach definierten Sensitivitäts- O Nach Abschluss der D-Dimer-Bestim- mit einer ersten isolierten proximalen tie- und Spezifitätskriterien ermittelt worden. mungen weitere zwei Jahre alle drei bis fen Beinvenenthrombose und/oder Lunge- sechs Monate vorstellen. nembolie. Die initiale VTE war entweder Kollektiv und Patientenmanagement idiopathisch oder mit einem als schwach Final ausgewertet wurden 1010 Patienten definierten transienten Risikofaktor ver- (davon 560 Männer), die sowohl alle Auf- Zeitpunkt Zeitraum nach Absetzen der bunden (z. B. kleine Operation, geringes nahmekriterien als auch die Verfolgbarkeit Antikoagulation Trauma, eingeschränkte Mobilität). Zum über zwei Jahre erfüllten. 771 Teilnehmer T0 unmittelbar vor Absetzen der Studieneintritt waren alle Patienten über (63 %) hatten eine erste idiopathische VTE, Antikoagulation mindestens drei beziehungsweise zwölf bei 239 (23,7 %) war das initiale Ereignis mit T15 15–18 Tage Monate (bei bekannter RVT) adäquat oral leichten Risikofaktoren verbunden. antikoaguliert und zeigten mit etablierten T30 25–35 Tage Verfahren keine Anzeichen einer akuten Alle eingeschlossenen Patienten erhielten T60 55–65 Tage Thrombose/Lungenembolie. kurz vor dem Absetzen ihrer Antikoagula- tion und danach zu festgelegten Zeitpunkten T90 85–95 Tage Primärer Endpunkt war ein über definierte eine D-Dimer-Bestimmung (Tab. 1) und fol- Tab. 1: Zeitpunkte der seriellen D-Dimer- Kriterien und durch studienunabhängige gende Instruktionen: Bestimmungen 15
Medizin | Individualisierte Antikoagulationsdauer | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 47 • 08/2015 Ergebnisse / Outcomes O Der Instruktion, bei erstmalig positivem Zeitpunkt Anteil O Die zum Rezidivausschluss definierten D-Dimer-Ergebnis die Antikoagulation (bezogen auf gesamte Kohorte) geschlechts- und altersabhängigen Cut- sofort wieder aufzunehmen (Subkollek- T0 4,7 % off-Werte unterschieden sich bei allen tiv IIb), haben sich eher jüngere Patien- Tests von den Herstellerangaben für den ten (< 70 Jahre) widersetzt. T15 20,8 % VTE-Ausschluss. O Die Rezidiv-Patienten der Subgruppe I T30 13,1 % O Die Verteilung der D-Dimer-Werte, der waren signifikant älter (> 70 Jahre) als daraus gezogenen Konsequenzen für die der Gruppendurchschnitt (p=0,0008) T60 6,6 % Antikoagulation sowie die gefundenen O Geschlechtsspezifische Unterschiede in T90 3,6 % Rezidivraten zeigt Abb. 1. den Rezidivraten traten in keinem Sub- O Die Gruppe, bei der ein D-Dimer-Wert im kollektiv auf. Tab. 2: Erstmaliges Auftreten von D-Dimer- Werten oberhalb der definierten Cut-off- Verlauf wieder oberhalb des (altersspezifi- O Die Rezidive im Subkollektiv IIa ereigne- Werte nach Stopp der Antikoagulation (T0). schen) Cut-off-Werts lag (Subkollektiv II), ten sich hauptsächlich im Kontext einer T15-T90: Tage nach Antikoagulationsende war signifikant älter als die mit konstant Antikoagulationsunterbrechung. negativem Wert (Subkollektiv I). Außer- O Im Subkollektiv IIa traten 14 größere geschlechtsspezifischen Cut-off-Wer- dem waren hier hochsignifikant mehr Blutungen (1 x fatal) auf (3,8 %). ten kann nach einer ersten VTE (idio- idiopathische Erstereignisse vertreten. pathisch oder bedingt durch leichtes O Die zeitliche Verteilung erstmals posi- Fazit für die Praxis passageres Risiko) die Patienten mit tiver D-Dimer-Werte nach Stopp der O Die serielle D-Dimer-Bestimmung niedrigem Rezidivrisiko identifizieren. Antikoagulation zeigt Tab 2. mit sensitiven Tests sowie alters- und Sie können nach der akuten Phase (drei Monate) die Antikoagulation sicher beenden. Darunter fielen in der vorliegenden Studie über 50 % aller Patienten. Gesamtkollektiv 1010 Patienten O Umgekehrt identifiziert das Monito- ring mit D-Dimer auch diejenigen mit höherem Rezidivrisiko. Patienten, die ihre antikoagulatorische Therapie trotz Subgruppe I positivem D-Dimer-Wert nicht wieder Subgruppe II D-Dimer T0–T90 D-Dimer wurde zwischen aufnahmen, erlitten dreimal häufiger konstant negativ > keine Antikoagulation ab T0 T0–T90 erstmals positiv Rezidive. n=482 (47,7 %) n=528 (53,3 %) O Differenzierte Cut-off-Werte beseitigen die bisher gefundenen geschlechts- und altersabhängigen Unterschiede bei den Subgruppe IIa Subgruppe IIb Rezidivraten und erhöhen die Patien- Rezidive Wiederaufnahme der Keine Wiederaufnahme der tensicherheit: Einerseits konnten signi- n=25 Antikoagulation nach Antikoagulation nach 4,7 % bezogen auf fikant mehr über 70-Jährige die Antiko- erstem positivem D-Dimer positivem D-Dimer Subgruppe I n=373 n=109 agulation stoppen, andererseits wurden mehr Junge (besonders Männer) als Risiko erkannt. Wichtig ist, die Kliniker Rezidive Rezidive im richtigen Umgang mit unterschiedli- n=4 n=15 1,1 % bezogen auf 13,8 % bezogen auf chen Cut-off-Werten zu schulen. Subgruppe IIa Subgruppe IIb Literatur 1 Palareti G et al.: Blood (2014); 124:196–203 Abb. 1: Rezidivhäufigkeit nach erster VTE in Abhängigkeit vom D-Dimer-Ergebnis und der 2 Palareti G: informahealthcare (2014); doi: 10.1586/17474086.2015.975791 daraus abgeleiteten Therapiestrategie (mod. aus 1) 16
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