Die aneurysmatische Subarachnoidalblutung: Epidemiologie, Ätiologie, Klinik und Komplikationen - Krause und ...
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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Die aneurysmatische Homepage: Subarachnoidalblutung: www.kup.at/ Epidemiologie, Ätiologie, Klinik JNeurolNeurochirPsychiatr und Komplikationen Online-Datenbank mit Autoren- Spendel MC und Stichwortsuche Journal für Neurologie Neurochirurgie und Psychiatrie 2008; 9 (2), 20-30 Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21 Preis : EUR 10,–
Aneurysmatische Subarachnoidalblutung Die aneurysmatische Subarachnoidalblutung: Epidemiologie, Ätiologie, Klinik und Komplikationen M. C. Spendel Kurzfassung: Die aneurysmatische Subarachnoi- die aktuelle Datenlage darzulegen, um auf deren understanding of the pathomechanisms of aneurys- dalblutung (SAB) repräsentiert ein schweres Krank- Basis unter Berücksichtigung ätiologischer und pa- mal vasculopathy and substantial improvement in heitsbild, das mit akuter Symptomatik, häufig thophysiologischer Aspekte Entscheidungen treffen the management of patients with aneurysmal sub- schwerem Verlauf und einer Vielzahl von Komplika- zu können. Nicht eingegangen wird auf Diagnostik, arachnoid haemorrhage, a significant percentage of tionen assoziiert ist und daher eine interdisziplinäre Therapie und periprozedurales Management. patients with SAH still experience serious sequelae Herausforderung darstellt. Obgleich Fortschritte in of neurological deficits. The clinical consequences of der präklinischen Versorgung, in der Diagnostik und SAH are such that emphasis should be placed on the in der Therapie zu einer Senkung der Mortalität und Abstract: Aneurysmal Subarachnoid Haemor- understanding of cerebral aneurysms as a group of Morbidität und zu einer Verbesserung der Prognose rhage. Subarachnoid haemorrhage (SAH) represents diseases and on the prevention of their rupture. In geführt haben, hat die Subarachnoidalblutung nichts a severe clinical condition, which is associated with the present paper the available data about the von ihrem Schrecken verloren und stellt nach many momentous primary and secondary complica- epidemiology, etiology, pathophysiology and compli- Yasargil unverändert eine „furchterregende und tions and often requires neurosurgical interventions cations are summarized. J Neurol Neurochir obskure Entität“ dar. Ziel der vorliegenden Arbeit ist, to avoid secondary brain damage. Despite increasing Psychiatr 2008; 9 (2): 20–30. Einleitung Tabelle 1: Mortalität und Morbidität der SAB im Spontanverlauf Die Schwere des Krankheitsbildes aneurysmatische Sub- Gesamtmortalität 51 % arachnoidalblutung und die Dramatik des Krankheitsverlaufs Mortalität vor Erreichen der Klinik 10–15 % werden durch die in Tabelle 1 aufgeführten Fakten verdeut- 30-Tages-Mortalität 30–60 % licht [1–3]. 1-Jahres-Mortalität 40 % 2-Jahres-Mortalität 50 % Hunt & Hess Grad I–III 36 % Epidemiologie Hunt & Hess Grad IV–V 66–95 % Mortalität der initialen Blutung 20 % 5–10 % aller Schlaganfälle werden durch eine Subarach- Mortalität der Rezidivblutung 70 % noidalblutung verursacht, die ihrerseits für 22–25 % aller Mortalität des Vasospasmus 25 % zerebrovaskulären Todesfälle verantwortlich ist [4]. Die jähr- Morbidität 25 % liche Inzidenz der aneurysmatischen Subarachnoidalblutung Verlust der ursprünglichen Lebensqualität 50–60 % beträgt in Europa und Nordamerika 7–10 Fälle auf 100.000 Personen [5–8], in Finnland und Japan sind die höchsten Raten mit 20–30 Fällen auf 100.000 Personen dokumentiert [5, 9, 10]. Am häufigsten tritt eine Subarachnoidalblutung in der 5. und 6. Lebensdekade auf (Abb. 1) [11]. Vor dem 40. Lebensjahr ist die SAB bei Männern häufiger, jenseits des 50. Lebensjahres bei Frauen im Verhältnis 1,5:1 (Tab. 2) [12]. Die Inzidenz nicht rupturierter intrakranieller Aneurysmen beträgt 3–4 % in prospektiv analysierten Autopsieserien und 2 % in zerebralen Angiographiestudien [13, 14]. Über die Prävalenz liegen aufgrund differenter methodischer Ansätze sehr unterschiedliche Angaben vor: Bei Rinkel zwi- Abbildung 1: Altersinzidenz anhand von 750 Patienten mit Subarachnoidalblutung (Neurochirurgie Klagenfurt, 1990–2004) schen 0,4 und 6,8 % [15], bei Stehbens 0,2–9 % [16] und bei Rosenorn 0,1–2,9 % [17]. Detaillierte Angaben von Präva- lenzwerten finden sich bei Rinkel in einem Review mehrerer Tabelle 2: Inzidenz: Alter und Relation männlich zu weiblich Autopsie- und Angiographiestudien (Tab. 3, 4) [15]. [12] Alter Ratio m:w 0–10 3:1 Aus der Neurochirurgischen Abteilung des LKH Klagenfurt 10–20 1,2:1 Korrespondenzadresse: OA Dr. med. Martin C. Spendel, Neurochirurgische Abtei- 40–50 0,9:1 lung, LKH Klagenfurt, A-9020 Klagenfurt, St.-Veiter-Straße 47; 60–70 1:3 E-Mail: martin.spendel@lkh-klu.at 20 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2) For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Aneurysmatische Subarachnoidalblutung Tabelle 3: Prävalenzwerte nach Rinkel [15], n/100 (95%-CI) Tabelle 5: Prävalenz in Korrelation zu Geschlecht und anato- mischer Lokalisation [16] 0,4 (0,4–0,5) retrospektive Autopsiestudien 3,6 (3,1–4,1) prospektive Autopsiestudien Weiblich rupturiert 40 % ACI 3,7 (3,0–4,1) retrospektive Angiographiestudien nicht rupturiert 66 % ACI 6,0 (5,3–6,8) prospektive Angiographiestudien Männlich rupturiert 40 % ACoA nicht rupturiert 34 % ACI ACI: Arteria carotis interna; ACoA: Arteria communicans anterior Tabelle 4: Altersprävalenz nach Rinkel [15], n/100 (95%-CI) < 20 0,01 (0–0,03) 20–39 1,3 (0,8–2,1) Tabelle 6: Prävalenz in Korrelation zu Geschlecht und anatomi- 40–59 1,8 (1,4–2,2) scher Lokalisation: Relation weiblich zu männlich [16] 60–80 2,3 (1,5–2,6) Lokalisation Ratio w:m > 80 2,1 (1,5–3,0) Erwachsene ohne Risikofaktoren 2,3 (1,7–3,1) A. ophthalmica 3,3:1 kavernöses Segment 2,4:1 ACoP 2,1:1 Die Prävalenz in Korrelation zu Geschlecht und anatomischer ACoA 1:1,4 Lokalisation zeigt ein deutliches Überwiegen der nicht rup- ACoP: Arteria communicans posterior; ACoA: Arteria communicans turierten Karotisaneurysmen beim weiblichen Geschlecht anterior (Tab. 5) und einen höheren Wert bei Aneurysmen der Arteria (A.) communicans anterior beim männlichen Geschlecht (Tab. 6) [16]. Netzwerk aus Kollagen und elastischen Fasern eingebettet sind und enthält damit jene Strukturen, die die mechanische Stabilität der Blutgefäßwand gewährleisten. Sind innerhalb Ätiologie dieser Wandschicht Areale mit geringerer mechanischer Fes- Häufigste Ursache einer Subarachnoidalblutung ist eine An- tigkeit oder Lücken zwischen dem Netzwerk aus Muskel- giopathie: Bei 80 % besteht das initiale Ereignis in der Ruptur zellen oder Bindegewebsfasern vorhanden, können Anteile eines Aneurysmas in den basalen Hirnarterien. Mit 40 % sind der Tunica intima sackförmig nach außen prolabieren, sodass Aneurysmen am häufigsten in der A. communicans anterior ein mit dem Gefäßlumen in Verbindung stehendes sackförmi- oder der A. cerebri anterior lokalisiert, gefolgt mit 30 % in der ges falsches Lumen entsteht. Dieser Vorgang kann im Rahmen A. carotis interna, 20 % in der A. cerebri media und 10 % in von angeborenen Bindegewebsstörungen wie dem Marfan- der A. basilaris und der A. vertebralis. In 5–6 % liegt eine Blu- Syndrom, dem Ehlers-Danlos-Syndrom, dem Pseudoxantho- tung aus einer arteriovenösen Malformation vor. Blutungen ma elasticum, der Neurofibromatose oder der fibromuskulä- anderer angiopathischer Genese sind Arteriosklerose, Hyper- ren Dysplasie auftreten. Meist findet sich bei den betroffenen tension, Embolie und Amyloid. In 15–20 % kann trotz inten- Patienten jedoch kein Hinweis auf eine derartige Erkrankung siver Diagnostik keine Blutungsquelle identifiziert werden, mit Synthesestörung oder Defekten des Bindegewebes. bei 65 % dieser Patienten liegt eine perimesenzephale Blu- Offensichtlich kommt es daher auch spontan zu Schädigungen tung vor [18]. Andere Ursachen von Subarachnoidalblutun- im Bereich der Tunica media der betroffenen Gefäße. gen sind Venenthrombosen (Gravidität, Trauma, Infektion, hämatologische Erkrankungen, Hämophilie, Morbus Hodgkin, Klinische und neuropathologische Studien zur Häufigkeit von Antikoagulation) und allergische Erkrankungen (anaphylak- asymptomatischen intrakraniellen Aneurysmen geben Hin- toide Purpura, hämorrhagische Nephritis, Shwartzman-Syn- weise darauf, dass 1–5 % der Bevölkerung Träger einer sol- drom). Die Häufigkeit mykotischer Aneurysmen wird mit chen Gefäßwandveränderung sind. Das Risiko einer Sub- 0,4–2,5 % angegeben, weitere Ursachen infektiöser Genese arachnoidalblutung scheint zunächst selbst für Träger eines sind bakterielle und tuberkulöse Meningitis sowie tropische asymptomatischen Aneurysmas gering zu sein. Da das Risiko und parasitäre Erkrankungen. Intoxikationen (Kokain, Epi- jedoch in höherem Alter größer ist als es der Gesamtinzidenz nephrin, Morphin, Alkohol) und Neoplasmen (Gliome, entspricht, steigt die Gefahr der Ruptur eines Aneurysmas mit Meningeome, Hämangioblastome) können ebenfalls zu einer zunehmendem Lebensalter an. Kausal ist die mit dem Alter Subarachnoidalblutung führen. Patienten mit Schädelhirn- steigende Inzidenz an arteriosklerotischen Erkrankungen in trauma zeigen in ca. 30 % subarachnoidales Blut in der initia- Betracht zu ziehen, die zu einer erhöhten Fragilität der Gefäß- len Computertomographie [19], Subarachnoidalblutungen bei wände führt und durch Begleiterkrankungen wie die arterielle Elektrounfall, Höhen- oder Taucherkrankheit werden mit Hypertonie getriggert werden kann. unter 1 % angegeben. Pathomechanismus Pathomorphologie von Aneurysmen Die bevorzugte Lokalisation von Aneurysmen an den Tei- Aneurysmen an Hirnbasisgefäßen weisen meist eine sakku- lungsstellen der Hirngefäße des Circulus arteriosus Willisii läre Architektur auf. Solche beerenförmigen Aneurysmen tre- und die daraus resultierende hämodynamische Belastung ten in der Regel durch Läsionen in der arteriellen Gefäßwand scheinen für die Größenprogredienz und das Rupturrisiko des auf. Die Tunica media setzt sich bei mittelgroßen Arterien Aneurysmas von entscheidender Bedeutung zu sein. An den überwiegend aus glatten Muskelzellen zusammen, die in ein Teilungsstellen kommt es durch den Druck des Blutstromes J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2) 21
Aneurysmatische Subarachnoidalblutung Tabelle 7: Grading nach Fisher [21] arterien aus [22]. Gestützt wird diese Theorie durch das fami- liär gehäufte Vorkommen intrakranieller arterieller Aneurys- Grad Blutansammlung im CT Risiko für men im Rahmen hereditärer Erkrankungen des Bindegewebes (< 5 Tage nach SAB) Vasospasmus (connective tissue disease), wie zum Beispiel das Ehlers- 1 kein subarachnoidales Blut gering Danlos-Syndrom Typ IV [23], die Neurofibromatose I oder 2 diffus oder vertikal mit Schichtdicke < 1 mm gering das Marfan-Syndrom [24, 25] und durch das gehäufte Auftre- 3 lokal und/oder vertikal mit Schichtdicke > 1 mm hoch ten im Rahmen anderer genetischer Syndrome, wie z. B. bei 4 intrazerebral oder intraventrikulär mit diffuser der autosomal dominanten polyzystischen Nierenerkrankung oder fehlender SAB gering [26], der fibromuskulären Dysplasie [27] und des Pseudoxan- throma elasticum [28]. Für die hereditäre Theorie spricht auch zur Prolabierung von Anteilen der Intima durch Schwachstel- das gehäufte Auftreten von Aneurysmen bei Patienten mit len in der Tunica media und damit zur Ausbildung eines sak- spontanen arteriellen Dissektionen [29–31]. kulären Aneurysmas. In experimentellen Studien [20] konnte gezeigt werden, dass es bei Vorliegen von Gefäßanomalien im Die Degenerationstheorie geht davon aus, dass auf dem Boden Circulus Willisii, insbesondere bei Gefäßhypoplasien und degenerativer Veränderungen der Arterienwand erworbene -aplasien in Verbindung mit einer Hypertonie als Initiations- Läsionen zur Entstehung eines Aneurysmas führen. Diese de- mechanismus zu einer chronisch segmentalen Hyperperfusion generativen Veränderungen können durch eine lokale Belas- an den betreffenden Stellen kommt. Diese Konstellation führt tung der Gefäßwand bei hämodynamischem Stress, wie er in sekundär zu einer Schädigung der Tunica intima und der Folge lange bestehender Hypertension auftritt, bedingt sein. Elastica interna und hämodynamisch durch Druckstagnation Dafür spricht eine positive Korrelation von arterieller Hyper- und Vibration zu Turbulenzen an den Gefäßdiversionen. tonie und Aneurysmen [3, 32–35] und das gehäufte Auftreten Dieser hämodynamische Mechanismus begünstigt schließlich von Mikroaneurysmen bei lange bestehender Hypertonie. die Entwicklung von sakkulären Aneurysmen. Pathogenetisch wird auch eine Kombination einer hereditär Sakkuläre Hirngefäßaneurysmen zeigen eine Wachstumsten- bedingten Wandschwäche mit degenerativen Veränderungen denz, die mit einer Destabilisierung der Aneurysmawand ein- diskutiert [22]. Auffallend ist jedenfalls, dass Aufbaustörun- hergeht. Ursache für diese Destabilisierung ist die mit zuneh- gen der Gefäßwand am häufigsten an Gabelungen oder an mendem Aneurysmadurchmesser größer werdende Wand- jenen Stellen vorkommen, wo während des Embryonallebens spannung. Der intramural wirksame Blutdruck bewirkt, dass noch zusätzliche Gefäße entsprossen. Untersuchungen haben sowohl die Wandstrukturen gesunder Blutgefäße als auch je- gezeigt, dass intrakranielle Aneurysmen mit persistierenden ner mit pathologischen Gefäßveränderungen ständigen Deh- embryonalen Kopfarterien, z. B. einer persistierenden Trige- nungskräften ausgesetzt werden (Tab. 7). Diesen Dehnungs- minus- oder Hypoglossusarterie, assoziiert sein können [36, kräften wirkt bei gesunden Arterien die elastische Rückstell- 37]. kraft der Bindegewebselemente in der Tunica media entgegen. Die Wand des sakkulären Aneurysmas wird durch die Deh- nungskräfte zunehmend plastisch verformt, das Aneurysma- Familiäre Aneurysmaerkrankung volumen nimmt zu und die Aneurysmawand wird rarefiziert. In 6–9 % aller aneurysmatischen Subarachnoidalblutungen Durch die Volumenzunahme erhöhen sich nach den Gesetzen besteht ein Cluster für eine positive Familienanamnese, bei der Mechanik wiederum die Dehnungskräfte, die auf die Angehörigen erster Ordnung – bevorzugt bei Geschwistern – Aneurysmawand wirken und der Wandspannung entsprechen. eine familiäre Häufung bis 20 % [31], der Anteil der Ver- Den Zusammenhang zwischen der Volumenzunahme und wandten mit asymptomatischen Aneurysmen beträgt 4–28 %. der daraus resultierenden Wandspannung beschreibt das Aus Studien lassen sich spezifische Merkmale definieren, die Laplace’sche Gesetz: mit dem Vorliegen einer familiären Aneurysmaerkrankung (FIA) assoziiert sind: Niedriges Lebensalter bei Subarachnoi- Th = Pt × ri / h (N/m2) dalblutung, Lokalisation der Aneurysmen (ACI, MCA, nicht (Th = über die Gefäßwanddicke integrierte Wandspannung; Pt = trans- jedoch ACoA), weibliches Geschlecht und Multiziplität der muraler Druck; ri = Innenradius des Gefäßlumens; h = Wanddicke des Gefäßes) Aneurysmen. In klinischen Studien zur familiären Aneurys- maerkrankung wurden spezifische Charakteristika identifi- ziert: Aneurysmen im Rahmen der familiären Aneurysma- Daraus folgt, dass der Zusammenhang zwischen Wandspan- erkrankung sind größer als sporadische Aneurysmen (11 mm nung und Aneurysmavolumen linear ist: Bei zunehmendem vs. 8 mm), und die Multiplizität ist mit 26 % vs. 10 % erhöht Aneurysmadurchmesser vergrößern sich in gleichem Maße [38]. wie der Aneurysmaradius auch die Dehnungskräfte, die auf die Aneurysmawand wirken. Dieser Vorgang schreitet so lange voran, bis die Wandspannung die Reißfestigkeit der Multiplizität von Aneurysmen Aneurysmawand an deren vulnerabelster Stelle überschreitet Für die Multiplizität von Aneurysmen wird eine Inzidenz von und es zur Aneurysmaruptur kommt. 15–31 % angegeben (Tab. 8), wobei das weibliche Geschlecht mit 60–81 % überwiegt. Das Geschlechtsverhältnis weiblich Entstehungstheorien zu männlich beträgt 5:1, bei mehr als 3 Aneurysmen jedoch Die hereditäre Theorie geht von angeborenen Defekten der 11:1. Die häufigste Assoziation besteht zwischen Karotis- und Tunica media an den Verzweigungsstellen der basalen Hirn- Mediaaneurysmen [39]. 22 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2)
Aneurysmatische Subarachnoidalblutung Tabelle 8: Inzidenz für Multiplizität [16] Tabelle 10: Klassifikation der Aneurysmen nach deren Größe [47] Autopsieserien 25–31 % Klinische Serien 15–24 % < 3 mm mikro 2 Aneurysmen 75 % 4–6 mm klein 3 Aneurysmen 15 % 7–10 mm mittel > 3 Aneurysmen 10 % 11–24 mm groß > 25 mm Giant Tabelle 9: Lokalisation von Aneurysmen Vordere Zirkulation 86,5 % Tabelle 11: Durchschnittlicher Durchmesser von Aneurysmen Hintere Zirkulation 10 % [48] ACoA 30 % Rupturierte Aneurysmen < 5 mm 13 % BA-Bifurkation 7% > 25 mm 2–3 % ACI/ACoP 25 % PICA/VA 3% Nicht rupturierte Aneurysmen MCA 20 % symptomatisch 3–10 mm 70 % Sonstige (SCA, AICA) 3,5 % > 25 mm 13 % ACI 7,5 % asymptomatisch < 10 mm 94 % Pericallosa/Callosomarginalis 4% intrakraniellen Aneurysmen sind sakkulär [46]. Unter Be- Lokalisation von Aneurysmen rücksichtigung der Größe unterscheidet man 5 Arten (Tab. 10). Aneurysmen treten mit 86,5 % bevorzugt im Bereich der vor- Der durchschnittliche Durchmesser von Aneurysmen wurde deren Zirkulation auf (Tab. 9). von Kassell [48] für rupturierte Aneurysmen mit 8,2 ± 3,9 mm erhoben (Tab. 11). Prädiktoren für das Rupturrisiko Lokalisation: Aneurysmen der A. communicans anterior, der Pathogenetisch können am strukturellen Aufbau eines An- A. pericallosa, der A. carotis interna und der A. basilaris eurysmas alle Gefäßwandschichten oder nur Teile davon be- scheinen ein erhöhtes Risiko für eine Ruptur aufzuweisen [40, teiligt sein, oder das Aneurysma weist keine eigenen Gefäß- 41]. Diese Prädilektionsstellen sind aus anatomischer Sicht wandschichten auf. Aus formalpathogenetischer Sicht werden nicht ausreichend zu erklären, sodass hier embryogenetische drei Aneurysmatypen unterschieden [49]: Faktoren anzunehmen sind. 1. Das Aneurysma verum ist durch eine Schwäche der gesam- ten Gefäßwand mit Aussackung aller drei Gefäßwand- Aneurysmaarchitektur: Unregelmäßig konfigurierte oder schichten charakterisiert und entsteht durch eine kongeni- multilobuläre Aneurysmen haben ein signifikant höheres tale oder akquirierte Fehlbildung der Tunica media, durch Rupturrisiko als symmetrische unilobuläre [42]. eine Arteriosklerose oder eine Entzündung. Dieser Aneu- rysmatyp entsteht in der Regel an Gefäßgabelungen, insbe- Größenzunahme: Eine Größenprogredienz stellt einen signifi- sondere in Kombination mit Normvarianten der Gefäßver- kanten Risikofaktor für eine Aneurysmaruptur dar [1]. sorgung und daraus resultierenden, besonderen hämodyna- mischen Verhältnissen. Ein typisches Beispiel dafür ist das Multiplizität von Aneurysmen: das Blutungsrisiko steigt auf einseitig angelegte hypoplastische A1-Segment [22, 37, 6,8 %. 49]. 2. Das Aneurysma spurium ist durch eine Dissektion der Weitere Risikofaktoren sind arterielle Hypertonie, Nikotin- Gefäßwand charakterisiert und entsteht durch traumatisch konsum, Hypercholesterinämie, Drogen und möglicherweise bedingte Scherkräfte. Typische Lokalisationen sind die Kontrazeptiva. Nikotinkonsum kann das Wachstum von An- Aorta und der extrakranielle Verlauf der Karotiden, intra- eurysmen triggern [43], Hypertonie und übermäßiger Alko- kraniell von Bedeutung ist dieser Aneurysmatyp nach holkonsum beeinflussen wahrscheinlich die Rupturrate [44, iatrogen bedingter Gefäßverletzung. 45], nicht jedoch das Aneurysmawachstum. 3. Das Aneurysma dissecans entsteht durch einen traumatisch bedingten Einriss der Intima und findet sich gehäuft im vertebrobasilären Stromgebiet [50]. Klassifikation von Aneurysmen Der überwiegende Teil der intrakraniellen Aneurysmen sind Aus pathomorphologischer Sicht werden zwei Arten intrakra- Aneurysma vera [3, 32, 46, 51], allen Aneurysmatypen ge- nieller Aneurysmen unterschieden: (1) das sakkuläre oder meinsam ist das Risiko einer Ruptur [32, 52, 53]. beerenförmige Aneurysma, das eine lokale ballonförmige Aussackung des Gefäßes darstellt und wiederum in arterio- Pathophysiologie sklerotisch, traumatisch, infektiös (mykotisch) und neoplas- tisch eingeteilt werden kann und (2) das fusiforme oder spin- Wenn bei der Ruptur eines Aneurysmas Blut in den Subarach- delförmige Aneurysma, das durch eine kurzstreckige Dilata- noidalraum austritt, kommt es innerhalb von Sekunden reflek- tion des gesamten Gefäßes gekennzeichnet ist. 95–98 % aller torisch zu einem Anstieg des intrakraniellen Hirndruckes. Der J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2) 23
Aneurysmatische Subarachnoidalblutung intrakranielle Druck übersteigt den systolischen Blutdruck und führt zu einem Sistieren der Blutung. Diese provisorische Abdichtung wird in weiterer Folge durch Anlagerung von Thrombozyten und später Fibrin an der Perforationsstelle ver- stärkt. In der Regel normalisiert sich der intrakranielle Hirn- druck innerhalb von 24 Stunden. Klinische Symptomatik Das Kardinalsymptom der Subarachnoidalblutung ist der akute, schlagartig einsetzende und in dieser Intensität bisher unbekannte „Vernichtungskopfschmerz“. Je nach Intensität und Lokalisation der Blutung können diese Kopfschmerzen Abbildung 2: Initialsymptome anhand von 750 Patienten mit Subarachnoidalblutung von Übelkeit, Erbrechen, Nackensteifigkeit und einer Be- (Neurochirurgie Klagenfurt, 1990–2004) wusstseinseintrübung bis zum Koma begleitet sein, in 25 % treten subhyaloidale Glaskörperblutungen auf. Fokale neuro- logische Defizite in der Initialphase oder epileptische Anfälle sprechen für ein zusätzliches intrazerebrales Hämatom. Diese typischen Symptome, vor allem der perakute Kopfschmerz, werden jedoch nur von 50 % der Patienten mit Subarachnoi- dalblutung angegeben; die anderen 50 % beschreiben eine zunehmende Kopfschmerzintensität über Minuten. Umge- kehrt bestätigt sich nur bei 10 % der Patienten mit schlagartig einsetzenden Kopfschmerzen eine Subarachnoidalblutung. Bei 10–30 % der Patienten tritt als initiale Symptomatik eine Abbildung 3: Entwicklungsdauer der Symptome bis zur maximalen Ausprägung, n = 750 (Neurochirurgie Klagenfurt, 1990–2004) mildere Form des akuten Kopfschmerzes auf, die differential- diagnostisch als Migräne, akutes Zervikalsyndrom, hyper- tensive Krise oder Meningitis fehlinterpretiert werden kann. Tabelle 12: Grading nach Botterell [55] Diese als „warning headache“ beschriebene Symptomatik Grad 1 Bewußtseinsklar mit oder ohne Nachweis einer kann bis zu 3 Wochen vor dem eigentlichen Blutungsereignis Subarachnoidalblutung auftreten und bereits eine Subarachnoidalblutung darstellen Grad 2 Somnolent ohne neurologisches Defizit [54–57]. Obgleich Untersuchungen vorliegen, die gegen diese Grad 3 Somnolent mit mäßigem neurologischen Defizit und Kausalität sprechen [21], müssen schon bei geringstem Ver- Verdacht auf intrazerebrale Blutung dacht auf eine Subarachnoidalblutung unverzüglich diagnos- Grad 4 Schweres neurologisches Defizit und Bewußtseinsein- trübung infolge intrazerebraler Blutung, oder ältere tische Maßnahmen eingeleitet werden. Patienten mit weniger schwerem neurologischen Defizit, aber bekannter zerebrovasculärer Erkrankung In einer eigenen Untersuchung anhand von 750 konsekutiv Grad 5 Moribund, Dezerebrationsstadium aufgenommenen Patienten mit Subarachnoidalblutung gaben 61 % als Initialsymptom Kopfschmerzen und 38 % als Zweit- – Untersucherunabhängigkeit, symptom Übelkeit und Erbrechen an (Abb. 2). – größtmögliche Korrelation zwischen Gradierung und Behandlungsergebnis, Die Entwicklungsdauer der Symptome bis zur maximalen – signifikante Differenzierung angrenzender Grade, Ausprägung lag bei 67,8 % der Patienten unter einer Stunde, – Anwendbarkeit auf frühere Daten. bei 10,4 % jedoch über 24 Stunden (Abb. 3). Die erste systematische chirurgische Gradeinteilung der Subarachnoidalblutung wurde von Botterell 1956 publiziert Grading der Subarachnoidalblutung (Tab. 12) [59]. Diese aus 5 Graden bestehende Einteilung Zur Einteilung der Subarachnoidalblutung existieren unge- stellte den Grundpfeiler für viele nachfolgende Skalen dar. fähr 40 verschiedene Skalen. Ziel der unterschiedlichen Klas- sifikationen ist es, entweder den momentanen klinischen Zu- 1968 veröffentlichten Hunt und Hess eine Skala, die zur Ein- stand des Patienten zu beurteilen (klinische Gradeinteilung) schätzung des operativen Risikos bei einer Subarachnoidal- oder eine Prognose hinsichtlich des operativen Risikos zur er- blutung konzipiert wurde (Tab. 13) [60]. stellen (chirurgische Gradeinteilung). In den meisten Fällen wird aber der Schwerpunkt der jeweiligen Skala nicht klar 1988 entwickelte das Komitee der World Federation of Neu- definiert, sodass klinische und chirurgische Aspekte ver- rological Surgeons (WFNS), welchem auch Hunt angehörte, mischt werden. Die einzelnen Gradings variieren in ihrer eine eigene Skala, die sich als neuer Standard in der Beurtei- Komplexität in den klinischen Parametern, in der Repro- lung von Patienten mit Subarachnoidalblutung etablieren duzierbarkeit und ihrer prognostischen Aussagekraft. Tagaki sollte. Das Komitee gelangte zur Überzeugung, dass zur Ein- [58] schlug daher folgende Bedingungen für eine „ideale“ teilung der Subarachnoidalblutung (1) nur 5 Grade benutzt Graduierungsskala für die Subarachnoidalblutung vor: werden sollten, (2) ein nicht rupturiertes Aneurysma mit dem – einfache Anwendbarkeit vor allem in der Akutphase, Grad 0 zu klassifizieren sei, (3) die Glasgow Coma Sale die 24 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2)
Aneurysmatische Subarachnoidalblutung Tabelle 13: Grading nach Hunt und Hess [61] Grad I asymptomatisch Grad II mäßige bis schwere Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, keine neurologischen Defizite außer Hirnnervenlähmung Grad III somnolent, geringes fokales Defizit Grad IV soporös, mäßige bis schwere fokale Defizite (äquivalent GCS 7–12) Grad V komatös, Mittelhirnsymptome, Dezerebrationsstadium (äquivalent GCS 3–6) GCS: Glasgow Coma Scale Tabelle 14: Grading der World Federation of Neurological Surgeons Abbildung 4: Grad GCS fokales Defizit: äquivalent zu SAB mit akutem Sub- Aphasie, Hemiparese Hunt und Hess duralhämatom rechts 1 15 nein I und II 2 13–14 nein III (II) 3 13–14 ja III 4 7–12 ja/nein IV (III) 5 3–6 ja/nein V GCS: Glasgow Coma Scale Basis der WFNS-Skala bilden sollte und dass sich (4) die Gra- de II und III der WFNS-Skala nur im Fehlen oder Vorhanden- sein eines fokalen Defizits unterscheiden sollten (Tab. 14). Obgleich dem präziser definierten WFNS-Grading gegenüber dem Hunt-und-Hess-Grading der Vorzug gegeben werden sollte, wird die Beurteilung von sedierten Patienten in keiner Abbildung 5: der genannten Skalen ausreichend berücksichtigt. SAB mit intraventrikulä- rem Hämatom 1980 legte Fisher [21] ein Konzept vor, um die Prognose des Patienten aufgrund eines bildgebenden Verfahrens – der zere- Hämatome, akute Subduralhämatome (Abb. 4) und intraven- bralen Computertomographie – einschätzen zu können. Ziel trikuläre Hämatome (Abb. 5) stellen durch die intrakranielle dieses radiologisch orientierten Fisher-Gradings ist es, eine Drucksteigerung Notfallsituationen dar und bedürfen unver- Relation zwischen Menge und Verteilung des Subarachnoi- züglich neurochirurgischer Intervention. Abhängig vom klini- dalblutes in der zerebralen Computertomographie mit dem schen Verlauf ist im Einzelfall zu entscheiden, welche Diag- Risiko eines zerebralen Vasospasmus als wesentliche Kompli- nostik vor der Notfalloperation erforderlich ist [62–66]. kation der Subarachnoidalblutung herzustellen (Tab. 7). 20–25 % der Patienten mit einer aneurysmatischen Subarach- noidalblutung entwickeln innerhalb der ersten Stunden oder Komplikationen innerhalb weniger Tage nach der Blutung einen Hydrocepha- lus, in 30 % persistiert der Hydrocephalus und erfordert dann Die Komplikationen der Subarachnoidalblutung lassen sich in einen permanenten Shunt [67–70]. Risikofaktoren für einen 3 Gruppen einteilen: Die primären Komplikationen bestehen Hydrocephalus sind die Blutmenge intraventrikulär (Abb. 5) in der Entwicklung eines intrazerebralen Hämatoms, eines oder in den basalen Zisternen, ein höheres Lebensalter, Aneu- akuten Subduralhämatoms oder eines akuten Verschlusshydro- rysmen des hinteren Kreislaufs und eine initial schlechte Be- cephalus. Sekundäre Komplikationen sind die Rezidivblu- wusstseinslage (Hunt und Hess Grading IV und V) [4, 33, 71, tung, die Entwicklung des zerebralen Vasospasmus und der 72]. Ob die Liquorableitung durch den erhöhten transmuralen chronische Hydrocephalus malresorptivus. Intensivmedizini- Druck zu einer signifikant häufigeren Rezidivblutung führt, sche Komplikationen tragen neben dem zerebralen Vasospas- wird in verschiedenen Studien kontroversiell beurteilt [3, 20, mus entscheidend zu Morbidität und Letalität nach aneurys- 48, 72]. matischer Subarachnoidalblutung bei und nehmen damit einen zentralen Stellenwert für die Prognose dieser Patienten ein. Sekundäre Komplikationen Primäre Komplikationen Rezidivblutung Aneurysmarupturen führen in 20 % zu intrazerebralen Häma- Hauptrisiko bei einem nicht versorgten Aneurysma ist die mit tomen, 70 % davon sind bei Ruptur eines Mediaaneurysmas hoher Wahrscheinlichkeit eintretende Rezidivblutung, die mit im Temporallappen lokalisiert. Raumfordernde intrazerebrale einer Mortalität von über 70 % einhergeht. Die Inzidenz einer J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2) 25
Aneurysmatische Subarachnoidalblutung Rezidivblutung ist mit 4 % innerhalb der ersten 24 Stunden gebende Diagnostik mittels CT und MR-Angiographie sowie am höchsten und liegt in den ersten 7 Tagen bei 7 %. Kumula- durch die transkranielle Dopplersonographie, die Messung tiv beträgt das Nachblutungsrisiko 15 % nach 2 Wochen, der zerebralen Oxygenierung und durch die Mikrodialyse 25 % nach 4 Wochen und 50 % in den ersten 6 Monaten. monitorisiert werden. Bei der transkraniellen Dopplersono- Danach sinkt das Risiko auf 2–3 % pro Jahr bei unversorgten graphie sind nicht die absoluten Werte der Blutflussgeschwin- Aneurysmen und 5 % pro Jahr bei inkomplett versorgten An- digkeiten, sondern der individuelle Vergleich im Längsschnitt eurysmen [73]. Patienten mit Rezidivblutung weisen einen entscheidend. Mittlere Flussgeschwindigkeiten < 120 cm/s schwereren klinischen Grad und eine höhere Inzidenz für oder > 200 cm/s sind zuverlässig zum Ausschluss bzw. Nach- intrazerebrale, intraventrikuläre oder subdurale Hämatome weis von Vasospasmen, müssen aber in der Relation zu den auf. Die zweite Ruptur ist mit einer Letalität von 50–80 % ver- extrakraniellen Flussgeschwindigkeiten in der A. carotis in- bunden und führt zu einer signifikanten Verschlechterung des terna und dem Alter des Patienten gewertet werden. Die Be- Langzeitergebnisses [48, 74–81]. Die Rezidivblutung kann deutung der dopplersonographischen Befunde ist nicht voll- nur durch eine möglichst frühzeitige Ausschaltung des Aneu- ständig klar. So kann ein neurologisches Defizit ohne nach- rysmas wirksam verhindert werden. 6 % der Patienten, die auf weisbare Spasmen auftreten, umgekehrt können hohe Fluss- eine Frühintervention warten, entwickeln eine Rezidivblu- geschwindigkeiten in der Dopplersonographie ohne klinische tung. Eine Intervention innerhalb der ersten 72 Stunden wird Zeichen einhergehen. als Frühintervention definiert, zwischen dem 4. und 10. Tag als Intermediärintervention und ab dem 11. Tag als Spätinter- In der Prophylaxe und Therapie des Vasospasmus sind ver- vention. Eine Aneurysma-Frühintervention führt allerdings schiedene neuroprotektive Substanzen untersucht worden. nicht zu einer Verbesserung des klinischen Outcomes. Die erfolgreichste Substanz aus dieser Gruppe stellt der Kalziumkanalblocker Nimodipin dar, der in zahlreichen, auch Vasospasmus prospektiven Studien als effizient nachgewiesen werden Der Vasospasmus – synonym auch verzögertes neurologi- konnte; allerdings ist der statistische Effekt auf das Outcome sches Defizitsyndrom (delayed ischemic neurological deficit nur für oral verabreichtes Nimodipin bewiesen [93]. Nimodi- syndrome [DINDS]) – der basalen Hirnarterien tritt angio- pin senkt signifikant das Risiko für Symptome durch Vaso- graphisch in 40–60 % und klinisch manifest in 20–30 % nach spasmus, sekundäre Hirninfarkte, Pflegebedürftigkeit und Subarachnoidalblutung auf und kann unbehandelt bei 25 % Tod. Neben der Verwendung der Kalziumkanalblocker ist der Patienten zu einem Infarkt oder Tod durch ein verzögertes die besonders in den angelsächsischen Ländern konsequent ischämisches Defizit führen [82]. Der Vasospasmus beginnt durchgeführte sogenannte Triple-H-Therapie, also die hyper- typischerweise zwischen dem 3. und 5. Tag, ist voll ausge- tensive hypervolämische Hämodilution, akzeptiert. Die prägt zwischen dem 5. und 14. Tag und bildet sich in der Regel Triple-H-Therapie ist erst im Rahmen der Aneurysma-Früh- allmählich innerhalb von 2–4 Wochen zurück. Neben dem intervention möglich geworden und minimiert das Auftreten Schweregrad der Blutung können eine Hypovolämie, Hypo- ischämischer Defizite [82, 94–98]. natriämie und Hypotonie Vasospasmen begünstigen. Chronischer Hydrocephalus Die Pathogenese des zerebralen Vasospasmus ist komplex. Die Inzidenz eines chronischen Hydrocephalus nach Sub- Diskutiert werden verschiedene Modelle und Triggerfaktoren, arachnoidalblutung liegt zwischen 20 und 30 % [99–101] und unter anderem freies Hämoglobin im Subarachnoidalraum, ist häufig Grund für eine späte Verschlechterung oder fehlen- blutungsinduzierte, durch Zytokin vermittelte Entzündungs- de klinische Besserung. In einer Metaanalyse zur Behandlung reaktionen, ein gestörter Stickstoffmonoxid-Stoffwechsel, intraventrikulärer und intrazerebraler Blutungen nach Sub- Veränderungen der Aktivität der Proteinkinase C, die Bildung arachnoidalblutung wurde gezeigt, dass eine temporäre oder freier Radikale, die Freisetzung von Prostaglandinen und die permanente Liquorableitung das Outcome verbessert [101, Degradation von Filament-assoziierten Proteinen [83–85]. 102]. Pathomechanisch führen vasoaktive Substanzen des in den Epileptische Anfälle Subarachnoidalraum ausgetretenen Blutes sowie Mediatoren 25 % der Patienten erleiden unmittelbar nach der Blutung im intravasalen Blutplasma selbst zu einer Kontraktion der einen epileptischen Anfall, anschließend sinkt die peri- und Ringmuskulatur mit hämodynamisch relevanter Stenosierung postinterventionelle Anfallshäufigkeit unter antikonvulsiver des Gefäßlumens. Pathomorphologisch manifestiert sich Therapie auf 4 %. Aber auch bei nur temporärer oder ohne diese Vasopathie in der Frühphase durch Makrophagen in der antikonvulsive Prophylaxe bleibt das Risiko eines zerebralen Adventitia, Makrophagenimmigration und Nekrosen in der Anfalls bei 3–9 % [94, 103–106]. Die Häufigkeit einer Spät- glatten Gefäßmuskulatur sowie durch Fragmentation der epilepsie nach aneurysmatischer Subarachnoidalblutung liegt angrenzenden Lamina elastica interna, darüber hinaus kommt bei 7–12 % [107]. Als Risikofaktor für das Auftreten eines es zu einer Intimaschwellung. Als Folge des reduzierten Ge- epileptischen Anfalles werden die Blutmenge in den Zister- fäßdurchmessers kommt es nach dem Hagen Poiseuille’schen nen [105, 108], Aneurysmen der A. cerebri media, intrazere- Gesetz zu einer Erhöhung der Geschwindigkeit des Blutflus- brale Hämatome, kortikale Läsionen [109], Vasospasmen, ses und ab einer kritischen Grenze zur Ischämie [3, 21, 46, 86– neurologische Defizite [110], Subduralhämatome, ischämi- 92]. sche Läsionen und perioperative Komplikationen [111] ge- wertet. Die derzeitige Datenlage zeigt keinen Benefit für die Beginn und Verlauf des Vasospasmus können invasiv durch prophylaktische Gabe von Antikonvulsiva, ausgenommen bei die Katheterangiographie und nicht-invasiv durch die bild- bekannter Anfallsanamnese [112, 113]. 26 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2)
Aneurysmatische Subarachnoidalblutung Intensivmedizinische Komplikationen seinslage im Tagesverlauf fluktuierend sein kann und daher der Zeitpunkt der Beurteilung von Bedeutung ist und dass Trotz Fortschritten der Intensivmedizin sind medizinische der Bewusstseinszustand durch einen epileptischen Anfall, Komplikationen für mehr als 20 % der Gesamtletalität bei einen begleitenden Hydrocephalus oder eine assoziierte einer Subarachnoidalblutung verantwortlich. Hierzu tragen raumfordernde intrazerebrale Blutung beeinträchtigt sein vor allem das Lungenödem, die Pneumonie, das Acute Respi- kann. ratory Distress Syndrome (ARDS), das systemische inflam- 2. Das Ausmaß der Subarachnoidalblutung anhand der matorische Response-Syndrom (SIRS), Sepsis, Organversa- Fisher-Skala korreliert in verschiedenen Studien mit dem gen, schwere ZNS-Infektionen und Störungen des Gastro- Outcome. intestinaltraktes bei. 25 % der Patienten mit aneurysmatischer 3. Der Vasospasmus zeigt in einigen Studien eine statistische Subarachnoidalblutung haben im Verlauf der Erkrankung als Signifikanz für das „final outcome“, andere Studien dage- Ausdruck eines zerebralen Salzverlustsyndroms eine Hypo- gen bestätigen die Korrelation nicht in diesem Ausmaß. natriämie [114]. 4. Das Lebensalter ist ein unabhängiger Prädiktor für das Outcome nach Subarachnoidalblutung, allerdings ist der Prognostisch signifikante Parameter sind Patienten im Stadi- Einfluss des Lebensalters vor allem jenseits des 70. Le- um IV und V nach Hunt und Hess bzw. WFNS sowie die Men- bensjahres signifikant erkenntlich [116]. ge des Blutes im Subarachnoidalraum. Aber auch die Inzidenz intensivmedizinischer Komplikationen ist mit dem Einsatz Als ungünstige prognostische Zeichen zu bewerten sind der Triple-H-Therapie assoziiert. 20–30 % der Patienten ent- darüberhinaus eine vorbestehende arterielle Hypertonie, eine wickeln unter der Triple-H-Therapie mindestens eine inten- Hyperglykämie und epileptische Anfälle. sivmedizinische Komplikation, meist ein Lungenödem, kardi- ale Arrhythmien, in 5 % sogar lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmien [114]. Nicht signifikante Faktoren für die Ent- Perspektive wicklung schwerer intensivmedizinischer Komplikationen Die aneurysmatische Subarachnoidalblutung ist eine schwere sind hingegen Alter und Geschlecht. zerebrovaskuläre Erkrankung, die hinsichtlich ihrer primären und sekundären Komplikationen als Systemerkrankung zu Prognose betrachten ist. Die Entstehung eines intrakraniellen Aneurys- mas ist nach heutigem Erkenntnisstand ein multifaktorieller Die Gesamtmortalität der Subarachnoidalblutung beträgt um Prozess, der trotz intensiver Forschung noch viele Fragen die 50 %, 30 % aller überlebenden Patienten haben ein neuro- offen lässt. Ätiologisch gesichert ist, dass über 90 % der logisches Defizit. 60–70 % aller Patienten, bei denen das rup- aneurysmatischen Gefäßveränderungen an Diversionen von turierte Aneurysma erfolgreich versorgt werden konnte, errei- Arterien lokalisiert sind und dass sich auf dieser Basis durch chen nicht die gleiche Lebensqualität wie vor der Subarach- erhöhten hämodynamischen Stress Aneurysmen entwickeln noidalblutung. Das „final outcome“ nach Subarachnoidalblu- können. Nachgewiesen ist auch, dass bestimmte hereditäre tungen wird 3, 6 oder 12 Monate nach der initialen Subarach- Erkrankungen des Bindegewebes mit einem gehäuften Auf- noidalblutung meist anhand der Glasgow Outcome Scale treten von Aneurysmen assoziiert sind. Ein isolierter geneti- [115] (Tab. 15) evaluiert. scher Defekt als Ursache der Aneurysmaerkrankung ist bisher nicht bewiesen, die derzeitige Studienlage spricht für eine Die Glasgow Outcome Scale enthält fünf Grade, wobei in der genetische Heterogenität. In Zukunft wird eine intensive ursprünglichen Version Grad I den Tod des Patienten und Grundlagenforschung auf molekulargenetischer Ebene, die Grad V eine gute Erholung wiedergibt. In der Literatur wird auch die Embryogenese mit einbezieht, zu einem besseren die Gradeinteilung jedoch häufig in umgekehrter Nummerie- Verständnis für die Entstehung von zerebralen Aneurysmen rung benutzt, sodass Grad I einer guten Erholung und Grad V führen. Diese Perspektive gibt Hoffnung für die Entschei- dem Tod entspricht. dungsfindung vor allem für die Behandlung inzidentieller Aneurysmen. Prädiktoren für das Outcome Hinsichtlich der Komplikationen ist die Entstehung des Vaso- 1. Der neurologische Zustand bei präklinischer oder klini- spasmus weitgehend ungeklärt. Intensive Grundlagenfor- scher Erstbeurteilung (Grading nach Hunt und Hess oder schung auf biochemischer Ebene gibt auch hier Anlass zur WFNS) ist der mit Abstand wichtigste Prädiktor des Out- Hoffnung, diese gefürchtete Komplikation wirksamer als comes. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Bewusst- bisher behandeln zu können und damit die Gesamtprognose der aneurysmatischen Subarachnoidalblutung zu verbessern. Tabelle 15: Glasgow Outcome Scale Relevanz für die Praxis Score Klinische Beschreibung 1. 5–10 % aller Schlaganfälle werden durch eine Sub- 1 Tod arachnoidalblutung verursacht, davon 80 % durch Rup- 2 Vegetatives Stadium tur eines zerebralen Aneurysmas. 3 Schwere Behinderung 2. Eine familiäre Häufung bei Angehörigen erster Ordnung 4 Leichte Behinderung – bevorzugt bei Geschwistern – besteht bei bis zu 20 %. 5 Gute Erholung J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2008; 9 (2) 27
Aneurysmatische Subarachnoidalblutung 3. Risikofaktoren für eine Aneurysmaruptur sind arterielle Kuivaniemi H, Tromp G. Familial intracranial formation and rupture in 20767 elderly pa- aneurysms. Lancet 1997; 349: 380–4. tients: hypertension and other risk factors. Hypertonie, Nikotinkonsum, Hypercholesterinämie, Dro- 31. Schievink WI, Mokri B, Michels VV, J Neurosurg 1995; 83: 812–9. gen und möglicherweise Kontrazeptiva. Piepgras DG. Familial association of intracra- 52. Jane JA, Kassel NF, Torner JC, Winn HR. nial aneurysms and cervical artery dissec- The natural history of aneurysms and arterio- 4. Das Kardinalsymptom der Subarachnoidalblutung, der tions. Stroke 1991; 22: 1426–30. venous malformations. J Neurosurg 1985; 62: perakute Kopfschmerz, wird nur von 50 % der Patienten 32. Sacco RL, Wolf PA, Bharucha NE, Meeks 321–3. angegeben. SL, Kannel WB, Charette LJ, McNamara PM, 53. Yasargil GM, Fox JL. The microsurgical Palmer EP, D’Agostino R. Subarachnoid and approach to intracranial aneurysms. Surg 5. Bei 10–30 % der Patienten tritt als initiale Symptomatik intracerebral hemorrhage: natural history, Neurol 1975; 3: 7–14. eine mildere Form des akuten Kopfschmerzes auf, die prognosis, and precursive factors in the 54. Hijdra A, Braakman R, van Gijn J, Framingham Study. Neurology 1984; 34: 847– differentialdiagnostisch als Migräne, akutes Zervikal- 53. Vermeulen M, van Crevel H. Aneurysmal subarachnoid hemorrhage. Complications syndrom, hypertensive Krise oder Meningitis fehlinter- 33. Sethi H, Moore A, Dervin J, Clifton A, and outcome in a hospital population. pretiert werden kann. MacSweeney JE. Hydrocephalus: comparison Stroke 1987; 18: 1061–7. of clipping and embolization in aneurysm 55. Jakobsson KE, Saveland H, Hillman J, treatment. J Neurosurg 2000; 92: 991–4. Edner G, Zygmunt S, Brandt L, Pellettieri L. 34. ter Berg HW, Dippel DW, Limburg M, Warning leak and management outcome in Schievink WI, van Gijn J. 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