Entwicklungen im Jahr 2020 - Ambulantes Ethikkomitee Bochum e.V - Netzwerk Behandlung im Voraus Planen in Bochum
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Entwicklungen im Jahr 2020 Netzwerk Behandlung im Voraus Planen in Bochum Ambulantes Ethikkomitee Bochum e.V.
Entwicklungen im Jahr 2020 Netzwerk „Behandlung im Voraus Planen in Bochum“ Ambulantes Ethikkomitee Bochum e.V.
Inhalt 4 Das Netzwerk BVP in Bochum in Zeiten von Corona Dr. Birgitta Behringer M.A., Ambulantes Ethikkomitee Bochum e.V. 5 Das Netzwerk „Behandlung im Voraus Planen in Bochum“ Britta Anger, Sozialdezernentin der Stadt Bochum 6 BVP verdient größte Unterstützung Prof. Dr. Christoph Hanefeld, Geschäftsführung St. Anna-Stift und Seniorenstift Maria-Hilf 7 Unser Ziel: Die Verfügbarkeit von BVP als stiftungsweites Angebot Thomas Drathen, Augusta Kliniken Bochum Hattingen 8 BVP – Ein wichtiger Baustein im Ringen um Selbstbestimmung Ulf Kauer, Geschäftsleitung Lebenshilfe Bochum 9 BVP in den Wohneinrichtungen der Lebenshilfe Bochum Martina Zabel, Lebenshilfe Bochum 10 Erfahrungsberichte in 2020 aus Bochumer Einrichtungen Augusta Kliniken Bochum Hattingen, St. Anna-Stift, Jochen-Klepper-Haus und Buchen-Hof 12 Ambulantes Ethikkomitee Bochum e.V. – Die Steuerungsgruppe des Netzwerkes BVP in Bochum Kooperation mit dem Palliativnetz Bochum e.V. 14 Die Koordination im Ambulanten Ethikkomitee Bochum Eveline Futuwi, Barbara Jaskolla 15 Der Qualitätszirkel Ethik des Ambulanten Ethikkomitees Bochum Gesine Maurer 16 Ausbildung für das Netzwerk BVP in Bochum Gesprächsbegleiter, Botschafter und Begleitung durch BVP-Plenartreffen Rainer Meschenat, Leiter und Trainer für die Ausbildung von Gesprächsbegleitern 17 Bericht über die Ausbildung in 2020 Freia Brix Bögge, Trainerin für die Ausbildung von Gesprächsbegleitern 18 Von der Patientenverfügung zum Netzwerk „Behandlung im Voraus Planen in Bochum“ Dr. Birgitta Behringer M.A. 20 Prästationäre patientenzentrierte Vorausplanung für den Notfall Ein gemeinsames Vorgehen von Bochumer Ärztinnen und Ärzten 21 Förderpreis der Josef und Luise Kraft-Stiftung Dr. Birgitta Behringer M.A. und Ambulantes Ethikkomitee Bochum Eberhard Franken 22 Termine und Treffen im Jahr 2021 Netzwerk „Behandlung im Voraus Planen in Bochum“ 23 Impressum 3
Das Netzwerk „BVP in Bochum“ in Zeiten von Corona Dr. Birgitta Behringer M.A. Ambulantes Ethikkomitee Bochum e.V. Liebe Kooperationspartner, liebe Gesprächsbegleiter, liebe Förderer und Interessierte des Netzwerkes „Behandlung im Voraus Planen in Bochum“, kurz „BVP in Bochum“, 2020 ist ein besonderes Jahr. Covid 19 Im Netzwerk hat ein intensiver Austausch darüber zwingt uns, Abstand zu halten, damit stattgefunden, wie die Partner gemeinsam den Be- wir uns und vor allem andere schützen dürfnissen der Erkrankten besser gerecht werden. Foren vor einer schweren Infektion. Ein Netzwerktreffen ist dafür waren die Qualitätszirkel, Plenarsitzungen, der als Präsenzveranstaltung leider nicht möglich. Das 1. deutsche ACP-Kongress in Köln, der Betreuungsge- finden wir sehr schade. Gerade in diesem Jahr gab es richtstag sowie verschiedene Vortragsveranstaltungen so viele Fortschritte, über die wir berichten wollen. – in diesem Jahr meist Online-Konferenzen. Darum hat sich der Vorstand des Ambulanten Ethikko- mitees als Steuerungsgruppe des Netzwerks BVP in Im April wurde unter Beteiligung von sechs Fachge- Bochum entschlossen, in einer Netzwerkbroschüre zu sellschaften der Leitfaden zur ambulanten patienten- zeigen, welche Arbeit von allen geleistet wurde. zentrierten Vorausplanung für den Notfall veröffentlicht. Diesem Leitfaden schlossen sich Bochumer Ärzte und Engagierte Gesprächsbegleiter in den stationären Ein- Netzpartner in einem gemeinsamen Brief offiziell an. richtungen haben trotz Corona unermüdlich und unter Dieser Brief (s. S. 20) ist ein weiterer Schritt des gemein- erschwerten Bedingungen weitergearbeitet. Sie haben samen Bemühens in der Stadt um die bestmöglichen Vorausplanende dabei unterstützt, ihre physischen, Grundlagen zur Therapiezielbestimmung in akuten ge- psychischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse in sundheitlichen Krisen. Anbetracht von Gesundheit, Krankheit und Sterben zu dokumentieren. Um wirksame Handlungsanweisungen Ich danke den Vertretern der Stadt, den Vertretern der für zukünftige gesundheitliche Krisen zu erarbeiten. Wohlfahrtsverbände, den Einrichtungsleitenden, dem Damit Vorausplanende so behandelt werden können, Palliativnetz, den Hochschulen, den Trainern, den Ge- wie sie das wollen. Damit Handlungssicherheit möglich sprächsbegleitern, den Ärzten, den Pflegenden und wird – gerade in Krisenzeiten. Trotz Corona hat auch Betreuern herzlich für die intensive Zusammenarbeit. die Ausbildung weiterer Gesprächsbegleiter stattge- Ich freue mich sehr über die tollen Beiträge in dieser funden. Broschüre und wünsche allen viel Freude beim Lesen! Wir sind froh, mit Eveline Futuwi in diesem Jahr eine Im Namen meiner Vorstandskollegen im Ambulanten kompetente und engagierte Koordinatorin für das Ethikkomitee Netzwerk gefunden zu haben. Wir bedanken uns bei den Netzwerkpartnern für die gemeinsame Finanzierung Ihre der neuen Stelle! Birgitta Behringer Vorstandsvorsitzende des AEB e.V. 4
Das Netzwerk „Behandlung im Voraus Planen in Bochum“ Britta Anger Sozialdezernentin der Stadt Bochum Liebe Leserinnen, liebe Leser, das Bild einer älter werdenden Gesellschaft zeichnet Gerade in Zeiten großer Unsicherheit, sich deutschlandweit ab, so auch in Bochum: Fast ein die die gegenwärtige Pandemie mit Drittel der Bochumer Bevölkerung ist gegenwärtig sich bringt, steht unsere Gesellschaft über 60 Jahre und die Tendenz steigt. Langfristig vor großen Herausforderungen, die wir erfordert diese Entwicklung einen kulturellen Wandel nur gemeinsam bewältigen können. in der Versorgungsstruktur in Pflege und der medizini- Verlässliche Partner, die sich verantwortungsvoll mit schen Behandlung. Ein wichtiger Schritt ist die Verste- den Wünschen und Zielen der Patienten auseinander- tigung von Maßnahmen wie Behandlung im Voraus setzen sind unverzichtbar. Insbesondere Personen, die Planen (BVP), in denen Patienten in einem begleiteten einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf einer Gesprächsprozess ihre Vorstellungen über medizinisch- COVID-19-Erkrankung ausgesetzt sind, brauchen Un- pflegerische Abläufe, das Ausmaß, die Intensität, Mög- terstützung und gute Planung. Gesprächsprozesse zur lichkeiten und die Grenzen medizinischer Interventionen gesundheitlichen Vorausplanung können dies leisten. in der letzten Lebensphase entwickeln und mitteilen. Sie können darüber hinaus in Situationen, in denen Strukturelle Rahmenbedingungen sind unerlässlich, die Ressourcen für lebenserhaltende medizinischen um diesem Bedarf in der Praxis gerecht zu werden, Maßnahmen unter Umständen knapp, der Bedarf aber dieses Angebot allen Patienten zugänglich zu machen hoch ist, einer möglichen Unter- oder Überversorgung und erfolgreich zu implementieren. Das Netzwerk BVP im Ernstfall vorbeugen und eine gewisse Planungssi- in Bochum, aus Vertretern der Wohlfahrtsverbände, cherheit der verfügbaren Ressourcen möglich machen. Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, Hochschulen, des Hier war die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk BVP Betreuungsgerichts und der Seelsorge ist ein Beispiel sehr hilfreich. dafür, wie solche Strukturen geschaffen und umgesetzt werden. Das Netzwerk eröffnet die Möglichkeit, BVP als stadt- weites Projekt in Krankenhäusern und Pflegeheimen, Die Netzwerkpartner setzen sich für einen angemesse- der Wohnungslosenhilfe sowie in Stadtteilbüros in Bo- nen und selbstbestimmten Einsatz medizinischer Maß- chum anzubieten und setzt damit ein Zeichen für Bo- nahmen ein und bilden eine Wertegemeinschaft, die chum und die ganze Region. Die zunehmende Zahl in regelmäßigem transparenten Austausch steht. Auf der Einrichtungen, die BVP anbieten und der rege diese Weise können Qualifizierungsbedarfe ermittelt, Zulauf, den das Netzwerk erfährt, sind eindeutige gezielt Schulungen angeboten und eine standardisier- Zeichen für den Bedarf an einem kulturellen Wandel te Ausbildung der Gesprächsbegleiter sichergestellt in der medizinischen Versorgungsstruktur. Dieses Vor- werden. Eine standardisierte Gesprächsführung und haben, durch Vernetzung Planungssicherheit zu erhöhen, Dokumentation bringt wiederum Klarheit und Transpa- Standards zu setzen und verlässliche Strukturen zu renz für Vorausplanende und ihre Angehörigen sowie schaffen, die über die Stadtgrenzen hinausgehen, un- Handlungssicherheit unter Pflegedienstleistern, Einsatz- terstütze ich nachdrücklich. In diesem Sinne freue ich kräften, Sozialarbeitern und allen weiteren Beteiligten. mich über die wertvollen und interessanten Einblicke In diesem Sinne ist das Netzwerk BVP in Bochum ein in die Arbeit der Netzwerkpartner, die die vorliegende wesentlicher Baustein einer neuen medizinischen Ver- Broschüre bietet. sorgungskultur. Britta Anger Sozialdezernentin der Stadt Bochum 5
BVP verdient größte Unterstützung Prof. Dr. Christoph Hanefeld St. Anna-Stift und Seniorenstift Maria-Hilf BVP – drei Buchstaben mit viel Inhalt. Es geht um ein hohes Gut: das Selbstbestimmungsrecht von Menschen in besonderen Lebenslagen. Dies gilt besonders für unsere Altenheime. Das St. Anna-Stift und viele andere Akteure in Bochum haben die Bedeutung einer Behandlung, die im Voraus zu planen ist, sehr früh erkannt. Das ist alles andere als selbstverständlich und vor allem Das nicht regelmäßige Treffen mit Angehörigen und hochkomplex. Schließlich müssen Menschen dabei Freunden, die Enkelkinder nicht umarmen zu können gesundheitlich und emotional in die Zukunft schauen und der Mund-Nasen-Schutz erschweren für viele den und auf dieser Basis Entscheidungen von erheblicher Alltag. Diese Maßnahmen sind notwendig, aber für Tragweite für sich selbst treffen. Was möchte ich und alle, insbesondere für die ältere Generation, sehr be- was möchte ich nicht? lastend. Ich bin daher froh, dass wir dieses wertvolle Angebot „Behandlung im Voraus Planen“ dennoch und Am Ende eines solchen Prozesses steht häufig die gerade unter diesen erschwerten Bedingungen auf- Krankheit und Sterbebegleitung. Gerade hier sind rechterhalten konnten und können. Würde, Respekt und Gefühl gefragt. Ein christlicher Träger ist noch stärker als andere aufgefordert, sich Dabei in größeren Netzwerken zu arbeiten, ist besonders dieser Herausforderung zu stellen. Unsere älteren Mit- in medizinischen und ethischen Fragen wichtig. Wir menschen haben Anspruch darauf, dass man ihnen haben hier in Bochum auf mehreren Ebenen gute An- diese Chance zumindest eröffnet. Sie auch anzuneh- sätze, die sicherlich noch ausgebaut werden können men, ist dann der zweite Schritt. Auch unser Senioren- und sollten. Das hohe ehrenamtliche Engagement stift Maria-Hilf in Gerthe ist bei BVP mit im Boot. derjenigen, die BVP in Bochum auf den Weg gebracht haben und jetzt begleiten, ist aller Anerkennung wert. Die aktuelle Corona-Pandemie hat diesen Prozess nun BVP ist ein Projekt, das größte Unterstützung verdient. wahrlich nicht erleichtert. Insbesondere die Situation zu Beginn des Jahres mit der Diskussion über die knap- pen Ressourcen im Intensivbereich der Kliniken haben das Thema in besonderer Form in den Vordergrund gerückt. Die aktuell notwendigen Hygienemaßnah- men, die Besuchseinschränkungen in vielen Bereichen und das Distanzgebot führen zu einer Aggravierung der Problematik. 6
Unser Ziel: Die Verfügbarkeit von BVP als stiftungsweites Angebot Thomas Drathen Augusta Kliniken Bochum Hattingen Warum implementieren Sie das Projekt „Behandlung im Voraus Planen“ im Bereich der Augusta Stiftung? Den Kliniken der Evangelischen Stiftung Augusta ver- trauen sich jährlich mehr als 36.000 stationäre Patienten in einer gesundheitlichen Krise an. Diese möchten wir nicht nur medizinisch bestmöglich versorgen, sondern möchten auch ihre individuellen Wünsche und Bedürf- nisse an die Behandlung beachten und umsetzen. schaffen. Das Netzwerk BVP in Bochum sorgt mit seiner Eine große Unterstützung ist es dabei, die Einstellungen stadtweiten Vernetzung und Einbindung von Kranken- zu medizinischen Behandlungen zu kennen, in denen häusern, Senioren- und Behinderteneinrichtungen, der Patient nicht für sich selbst entscheiden kann. Eine dem ärztlichen Notdienst und vielen mehr für eine Patientenverfügung und ein informierter Vorsorgebe- Verbindlichkeit der Patientenverfügungen, sodass diese vollmächtigter können für Patienten, Angehörigen und auch im Notfall nach den Vorstellungen des Patienten das Behandlungsteam eine große Entlastung sein, und umgesetzt werden können. dafür Sorge tragen, dass wir die Patienten nach ihren ganz persönlichen Wünschen behandeln. Hat sich das Selbstverständnis in Ihrer Institution geändert im Hinblick auf die Therapieziel- Mit „Behandlung im Voraus Planen“ (BVP) bieten wir bestimmung? Patienten in unserem onkologischen Zentrum seit eini- Unser Ziel ist es, Patienten erfolgreich durch ihre ge- gen Jahren an, in Gesprächen mit eigens ausgebilde- sundheitliche Krise zu führen und gesundet zu entlassen. ten Gesprächsbegleitern eine aussagekräftige Patien- Häufig werden während des stationären Aufenthalts tenverfügung zu erstellen. Neben den Einstellungen zu folgenreiche gesundheitliche Themen besprochen, die Leben und Sterben werden Behandlungspräferenzen weit über den stationären Aufenthalt hinauswirken. in Situationen einer plötzlichen Entscheidungsunfä- Mit dem Angebot für „Behandlung im Voraus Planen“ higkeit, der Entscheidungsunfähigkeit unbestimmter schärft sich in unserer Stiftung zunehmend das Be- Dauer oder dauerhafter Entscheidungsunfähigkeit er- wusstsein für ein mögliches Vorgehen in einer zukünf- arbeitet. Unser Ziel ist die Verfügbarkeit als stiftungs- tigen erneuten gesundheitlichen Krise. weites Angebot. Wie bewerten Sie die Arbeit des Netzwerks BVP Wie bewerten Sie die gesundheitliche Voraus- in Bochum? planung im Sinne von BVP vor dem Hintergrund Das Netzwerk BVP in Bochum engagiert sich als ehren- der Corona-Pandemie? amtliche bürgerschaftliche Bewegung, sodass sich ins- Das neuartige Virus, das uns in den letzten Monaten in besondere vorerkrankte Menschen mit wichtigen Fra- unberechenbarer Form und Intensität begegnet ist gestellungen zur Behandlung auseinandersetzen und und schlussendlich zu einer übergreifenden Pandemie darin Sicherheit finden können. Zum anderen werden geführt hat, verdeutlicht die Wichtigkeit dieser Voraus- auch die Beschäftigten im Gesundheitswesen angeregt, planung. In einer gesundheitlich derart unsicheren sich mit Möglichkeiten der Vorausplanung zu beschäf- Zeit können schriftlich festgelegte Behandlungsvor- tigten und ggf. weitere Hilfsangebote zu erstellen. Wir stellungen helfen, mehr Sicherheit für den Ernstfall zu möchten diesen Prozess gerne weiter unterstützen. 7
BVP – Ein wichtiger Baustein im Ringen um Selbstbestimmung Ulf Kauer Lebenshilfe Bochum Bei der Lebenshilfe Bochum hat die Begleitung von Bewohnern sowie Kunden in der letzten Lebensphase eine lange Tradition. Es ist Verständnis und Haltung der Bochumer Lebenshilfe, das Angebot zur palliativen Betreuung in den Wohneinrichtungen zu ermög- lichen, um Selbstbestimmung und Teilhabe auch im Falle einer lebensverkürzenden Diagnose zu gewährleisten. Zur Gestaltung des Angebotes haben wir bereits vor langer Zeit entsprechende innerbetriebliche Strukturen geschaffen und die Mitarbeiter geschult und somit mit auf den Weg genommen. Die Zusammenarbeit mit dem Ambulanten Ethikkomi- dass sie sehr beeindruckt gewesen sei, nicht nur von tee Bochum war dabei immer ein wichtiger Baustein den Gesprächsbegleitern, sondern auch von den betei- und hat uns im Ringen um die Selbstbestimmung ligten pädagogischen Mitarbeitern. Sie habe stets das und den mutmaßlichen Willen der Bewohner unterstützt Gefühl gehabt, dass dieses sehr intensive Gespräch und entlastet. Konzeptionelle Aussagen zur Selbstbe- auch bei ihrem Sohn dazu geführt habe, den Willen stimmung auch am Lebensende und die Option einer zur letzten Lebensphase trotz fehlender Sprache erfasst palliativen Begleitung sind seit langer Zeit in dem zu haben. Sie ermutigte ihre Gesprächspartnerin, das Handbuch zum Qualitätsmanagement verankert. Angebot ebenfalls zu prüfen und anderen Angehörigen und gesetzlichen Betreuungen davon zu berichten. Vor diesem Hintergrund war es für die Lebenshilfe Bochum selbstverständlich, Gesprächsbegleiter durch Der Unterschied in der Arbeit des Netzwerkes BVP in das AEB ausbilden zu lassen und sich auch als aktiver Bochum zu anderen Gebietschaften ist aus meiner und gestaltender Partner für das Netzwerk BVP in Bo- Sicht, dass die Arbeit getragen wird von dem bürger- chum zu engagieren. schaftlichen Engagement vieler Akteure, sowohl auf der politischen als auch der gesellschaftspolitischen Bewohner erzählen mir seitdem häufiger von intensiven Ebene. Basiert ist die Arbeit auf dem Verständnis, das und besonderen Gesprächen, die für sie die Sicherheit Sterben in den eigenen vier Wänden auch dann zu er- bringen, dass sie selbst bestimmen, immer auch, wenn möglichen, wenn die Erfassung einer Willenserfassung sie sich nicht mehr selbst äußern können. zur letzten Lebensphase alters- oder behinderungs- bedingt kaum möglich erscheint. Eine für mich nachhaltige in Erinnerung gebliebene Begegnung ereignete sich im Frühling des Jahres auf Insofern ist dem Netzwerk BVP in Bochum ein großes dem Parkplatz am Westring. Dort berichtete eine An- Dankeschön für die Arbeit auszusprechen verbunden gehörige eines behinderten Menschen mit schweren mit dem Wunsch der Fortführung auf Implementierung autistischen Zügen und einem hohen Hilfebedarf einer von BVP in möglichst viele Lebensbereiche von Bochu- anderen Angehörigen über Gespräche mit den Bezugs- mer Bürgerinnen und Bürgern. personen in einer Wohnstätte der Lebenshilfe zur Er- mittlung einer Werteanamnese zur Dokumentation des mutmaßlichen Willens. Diese Angehörige erzählte, 8
BVP in den Wohneinrichtungen der Lebenshilfe Bochum Martina Zabel In den Wohneinrichtungen der Lebenshilfe Bochum ist über viele Jahre eine tragende hospizlich-palliative Kultur gewachsen. Dabei stand die Autonomie und Selbstbestimmung der Bewohner auch in der letzten Lebensphase für alle Mitarbeiter stets handlungsweisend im Vordergrund. Unter dem Leitziel „Selbstbestimmung ein Leben lang“ Seit Dezember 2018 hat sich eine interdisziplinäre wurde das Thema Patientenverfügung in der Bewohner- Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Pallia- schaft und bei den Mitarbeitern sehr präsent und führ- tivmedizin, aus der bestehenden Arbeitsgruppe „Men- te dazu, dass sich – anders als vorher – viele Bewohner schen mit intellektueller und komplexer Beeinträchti- gegenwärtig und frühzeitig mit Fragen zur gesund- gung“ zur Entwicklung von DiV-BVP für Einrichtungen heitlichen Vorsorgeplanung auseinandersetzen wollten: der Eingliederungshilfe in München gegründet, die „Wir wollen immer selber bestimmen!“ Somit kam der sich zweimal jährlich trifft. Diese Arbeitsgruppe ermög- Auftrag zur Beteiligung am Netzwerk „Behandlung im licht einen Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaft Voraus planen in Bochum“ von den Experten in eigener und Praxis zur Umsetzung von DiV-BVP in Einrichtungen Sache, den Bewohnern selbst, denen es wichtig war der Eingliederungshilfe. Besonders erfreulich und und ist, ihren Wünschen gemäß behandelt zu werden, hilfreich für die Praxis ist die rasante Entwicklung eines auch wenn sie diese nicht mehr äußern können. Im deutschlandweiten Netzwerkes für Gesprächsbegleiter Frühjahr 2017 begannen wir in Kooperation mit dem nach §132g SGB V in Einrichtungen der Behindertenhilfe. AEB als einzige Einrichtung der Eingliederungshilfe in Dieses Netzwerk wurde im März 2019 von zwei Prakti- Bochum die Weiterbildung „BVP“ mit der Qualifikation kerinnen gegründet und ist ausschließlich für aktive zur Gesprächsbegleitung. Seitdem entwickeln wir ge- und ausgebildete Gesprächsbegleiter in der Behinder- meinsam mit den Bewohnern visuelle Hilfsmittel und tenhilfe unabhängig von der Trägerschaft oder Aus- Methoden, um komplexe Inhalte zu Behandlungen am richtung der Weiterbildung zugänglich. Im Netzwerk Lebensende verständlich und damit Entscheidungen sind zur Zeit bundesweit aktive Gesprächsbegleiter und ihre Dokumentation möglich zu machen. Dazu sind aus 80 Einrichtungen der Behindertenhilfe aktiv und viel Zeit und Aufmerksamkeit, durchschnittlich 5 bis 8 nutzen das Netzwerk als Plattform zum praktischen Gespräche, sowie flexible Gesprächsvereinbarungen Austausch und gegenseitigen Beratung. mit einer größeren Bezugspersonengruppe notwendig. Dies zeigt, wie hoch der Bedarf an Vernetzung und Die Phase des Lockdowns während der Corona-Pande- Unterstützung gerade bei den Gesprächsbegleitern in mie konnte durch geschützte Gespräche im Außen- der Eingliederungshilfe ist. Die Lebenshilfe Bochum ist bereich und Telefonate mit Bewohnern, Bezugspersonen, deshalb auf zwei Ebenen vernetzt. Durch die Mitglied- gesetzlichen Betreuungen und Angehörigen gemeinsam schaft und Kooperation mit dem Ambulanten Ethik- kreativ gestaltet werden. Die Bereitschaft und Motivation komitee gibt es eine tragende Vernetzung auf regionaler die Gespräche gerade in dieser schwierigen Zeit zu Ebene in der Stadt Bochum und durch das Netzwerk nutzen, zeigte, dass die Akzeptanz des Angebotes und der Gesprächsbegleiter der Behindertenhilfe nach damit die interne Implementierung von BVP in der Le- §132g SGB V eine bundesweite Vernetzung auf fach- benshilfe Bochum auf einem guten Weg sind. Unsere spezifischer Ebene. Diese Vernetzung ist wichtig, um gewonnenen Erfahrungen machen deutlich, dass Men- gemeinsam die besonderen Bedarfe und Anforderun- schen mit geistigen Behinderungen zu den existentiell gen in der Behindertenhilfe den Kostenträgern gegen- wichtigen Fragen einer Patientenverfügung angemes- über transparent zu machen und so die notwendigen sene Rahmenbedingungen (Zeit, individuelle metho- Rahmenbedingungen für die Qualität der Gesprächs- dische Zugänge) und deshalb unbedingt Gesprächs- prozesse nach §132g SGB V für die Bewohner in den begleiter mit System- und Feldkompetenz benötigen. Einrichtungen der Eingliederungshilfe zu sichern. 9
Erfahrungsberichte in 2020 aus Bochumer Einrichtungen Augusta Kliniken Bochum Hattingen St. Anna-Stift Mechthild Schuhmann, Dorothee Henzler Johanna Beyer Gesprächsbegleiterinnen Gesprächsbegleiterin und Ethikberaterin Zu meinen Aufgaben im St. Anna-Stift gehören: – Der kontinuierliche Austausch mit dem Pflegeperso- nal bezüglich der neu erstellten Patientenverfügung bzw. Vertreterdokumentation oder die Nachforschung, welcher Bewohner eine PV oder VD brauchen könnte sowie ggf. die Aktualisierung der Dokumente bei Veränderung der Lebenseinstellung. – Die Kontaktaufnahme mit den Angehörigen und die Aufklärung der Angehörigen über das BVP-Projekt. – Terminvereinbarung mit Bewohnern und Angehörigen Die Aufgaben der Gesprächsbegleiter liegen in der oder Betreuern sowie regelmäßiger Austausch und Organisation, Durchführung und Dokumentation der Kontakt mit den Hausärzten, meistens schriftlich, nur Gespräche sowie der Einbeziehung der Angehörigen. in besonderen Situationen telefonisch. Zudem erfassen wir statistische Daten zu jedem Ge- – Die Aufklärung der Betreuer zum Thema BVP, die Vor- spräch. Wegen begrenzter Personalressourcen ist das bereitung der PV/VD, die Durchführung der Gespräche Angebot weiterhin auf Patienten mit onkologischen sowie Dokumentation, Statistiken und Evaluation. Erkrankungen begrenzt. Die Gesprächsbegleiter tref- – Die Hilfestellung für das Pflegepersonal bei ethischen fen sich einmal im Quartal mit Prof. Behringer zum Konflikten und ggf. die Antragstellung für ethische Austausch und zur Weiterentwicklung des Angebots. Fallgespräche. Wir haben z. B. einen Flyer entwickelt, den wir in die- sem Jahr an interessierte Patienten ausgeben können. Zu Beginn der Corona-Pandemie war es sehr schwierig, Außerdem arbeiten wir an der Vereinheitlichung der weiterhin Patientenverfügungen und Vertreterdoku- Dokumentation im Krankenhausinformationssystem mentationen zu erstellen, weil der Austausch mit An- und planen weitere Schulungen von Mitarbeitern. gehörigen und Betreuern nicht oder nur erschwert möglich gewesen ist. Telefonische Gespräche waren Durch Corona ist die Anzahl der Anfragen von Patienten, teilweise machbar aber nicht zufriedenstellend, da der die eine Patientenverfügung erstellen möchten, gestie- persönliche Kontakt und die Wahrnehmung fehlten. gen. Wir mussten uns sehr anstrengen, allen gerecht Teilweise fanden die Gespräche im Garten statt, damit zu werden. Aufgrund der Belastung des Personals im die Arbeit fortgeführt werden konnte. Nach wie vor Krankenhaus war es uns in diesem Jahr leider nicht sind die Mund-Nasen-Schutzmasken ein Hindernis bei möglich, weitere Mitarbeiter für die Ausbildung zum den Gesprächen, sie erschweren die Kommunikation Gesprächsbegleiter zu gewinnen. Dies ist aber zur Öff- mit schwerhörigen Bewohnern und das Ablesen der nung des Angebots für alle Patienten absolut notwen- Mimik ist nicht möglich. Es war ein sehr anstrengendes dig. Die meisten Gespräche konnten wir trotz erschwerter aber trotzdem erfolgreiches Jahr, denn ich konnte die Bedingungen zufriedenstellend für die Verfügenden Arbeit trotz schwieriger Umstände, der Kommunikati- und Angehörigen durchführen. Das Besuchsverbot er- onsprobleme und aufgrund des großen Engagements forderte dafür aber einen erhöhten organisatorischen der Einrichtungsleitung fortsetzen. Das allein zeigt, wie und zeitlichen Aufwand, z. B. um Termine zu planen wichtig das Thema ist und besonders jetzt in der Co- oder Unterschriften einzuholen. rona-Zeit im St. Anna-Stift weitergelebt wird. 10
Jochen-Klepper-Haus Dirk Schulze-Steinen Leitung Sozialdienst, Gesprächsbegleiter, stellv. Einrichtungsleiter „Was willst Du jetzt von mir?“ – Das Wissen, was eine Mein Anliegen ist es, die Implementierung der BVP- Bewohnerin oder ein Bewohner möchte – oder eben Prozesse in den Einrichtungen der Diakonie Ruhr Pflege auch nicht – ist eine Grundlage für die personenorien- und Wohnen in Bochum zu unterstützen. Hierzu gehört tierte Pflege und Betreuung in der Altenhilfe. Das gilt auch die Schaffung der Grundlagen zur Abrechnung auch für die Situationen, in denen der Wille nicht mehr der Leistungen gem. §132g SGB V. Die Gesprächsbe- geäußert werden kann, sowohl für die Gestaltung des gleiter („BVP-Team Diakonie-Ruhr“) treffen sich zur Ab- Lebens als auch des Sterbens. Im Jochen-Klepper- stimmung nachvollziehbarer, niederschwelliger und Haus stirbt jedes Jahr ungefähr ein Drittel der Bewohner, einheitlicher Prozesse. Die Vernetzung außerhalb der das Sterben und der Tod sind Bestandteil des Lebens Diakonie war in diesem Jahr zudem wieder hilfreich in unserem Seniorenheim. Das Erleben der letzten Le- und notwendig – der Austausch über ethische Frage- bensphase gehört zum (Berufs-)Alltag unserer Mitarbei- stellungen kann uns Hinweise geben, was andere von ter, denen die vorausschauende Behandlungsplanung unserem Tun erwarten. Handlungssicherheit und Orientierung bietet. Buchen-Hof gehörigen und Mitarbeitern bekannt. Ich schule die Pflegenden im Umgang mit bestehenden Verfügungen Stefanie Goedecke und mache sie mit den Bestandteilen der Verfügung Pflegedienstleiterin und vertraut, um so sicherer nach dem Willen der Bewohner BVP-Botschafterin in Krisensituationen zu handeln. Wir setzen uns in mul- Der Buchen-Hof ist eine Ein- tiprofessionellen Fallgesprächen mit den Inhalten ein- richtung der stationären Alten- zelner Verfügungen auseinander, damit Zweifel, Vor- hilfe in Bochum. Im Jahr 2018 behalte und Verständnisfragen nicht erst in Krisen son- habe ich die Gesprächsbegleiter-Ausbildung für die ge- dern nach Möglichkeit vorab geklärt sind. sundheitliche Vorausplanung (Behandlung im Voraus Im vergangenen Jahr haben wir uns, nicht zuletzt auch Planen) des AEB e.V. besucht. Eine Verfügung nach den im Hinblick auf die Schwere einer Erkrankung bei einer Standards des BVP ist aussagekräftig, weil sie neben Infektion mit dem SARS-CoV-2, kontinuierlich mit den dem Willen des Verfügenden in gesundheitlichen Krisen Verfügungen auseinandergesetzt. Wir haben nach auch seine Aussagen zur Lebenseinstellung und per- Möglichkeiten gesucht, unter Einhaltung der Auflagen sönlichen Sicht auf das Leben und Sterben enthält. Sie durch die Schutzverordnungen und Erlasse des Minis- unterscheidet drei unterschiedliche Szenarien: teriums, Gespräche unserer Gesprächsbegleiter mit – Die Einwilligungsunfähigkeit in einer akuten gesund- den Bewohnern und deren Zugehörigen zu ermögli- heitlichen, oft lebensbedrohlichen Krise. chen. Das war zeitweise eine große Herausforderung. – Die fortbestehende Einwilligungsunfähigkeit unbe- Informationsveranstaltungen oder ähnliche Treffen in- stimmbarer Länge in einer gesundheitlichen Krise nerhalb der Einrichtung konnten wir ja nicht anbieten. bei Behandlung im Krankenhaus. Ich bin sehr froh, dass wir eine Gesprächsbegleiterin – Die dauerhafte Einwilligungsunfähigkeit. haben, die regelmäßig auf die Bewohnern zugeht und ihnen das Angebot der BVP macht oder auf Wunsch Patientenverfügungen gibt es bereits eine lange Zeit, bereits bestehende Verfügungen im Hinblick auf ihre aber selten geben sie den Wunsch und Willen des Ver- Aussagekraft überprüft. Gemeinsam haben wir erreicht, fügenden so wieder, das die Bevollmächtigten und/oder dass etliche Bewohner eine Verfügung für sich erstellt die Pflegenden eine Handlungssicherheit in gesund- haben, und es dadurch sehr viel wahrscheinlicher ist, heitlichen Krisen haben. Mit einer Verfügung nach den dass ihr Wille und Wunsch in einer gesundheitlichen BVP-Standards wollen wir erreichen, dass der Voraus- Krise bekannt und erkannt ist. Zugehörigen und uns planende nach seinem Willen behandelt wird, auch Pflegenden ist damit ein gutes Instrument an die Hand wenn er diesen nicht mehr selbst mitteilen kann. Als gegeben, im Sinne der Verfügenden zu handeln, und Botschafterin für BVP mache ich die Inhalte des BVP in gegenüber Dritten dafür einzutreten, wenn sie sich meiner Einrichtung unter den Bewohnern, ihren Zu- selbst nicht mehr äußern können. 11
Ambulantes Ethikkomitee Bochum e.V. – Die Steuerungsgruppe des Netz Es gehört zu den Zielen des Ambulanten Ethikkomi- tees Bochum, Menschen, Patienten, Behandlern, An- gehörigen und Betreuern Unterstützung zu geben, wenn ethische Fragen bei der Entscheidung für die individuell am besten geeignete Therapie auftreten. Das Ambulante Ethikkomitee Bochum hat zu diesem Zwecke zunächst neben der Öffentlichkeitsarbeit die Moderation von ethischen Fallgesprächen angeboten. Bochumer Bürger – sowohl Patienten, Angehörige und Betreuer – können beim Ethikkomitee anfragen, wenn sie sich wünschen, durch ein von ausgebildeten Ethik- beratern moderiertes Gespräch mit den wichtigsten Entscheidungsträgern in der aktuellen Frage, gute Ent- Gesine Maurer, Diplomsozialarbeiterin im scheidungskriterien für die beste Behandlung des Pa- Ruhestand, Supervisorin. „Neben meiner tienten zu gewinnen. Bei den Ethikgesprächen wurde Vorstandstätigkeit im AEB bin ich auch im deutlich, dass ethische Konflikte häufig auftraten, wenn Hospizverein Wattenscheid engagiert.“ Patienten in der gesundheitlichen Krise nicht entschei- dungsfähig waren. Das führte dann zu erheblichen Belastungen bei Angehörigen, Betreuern und Behand- lern. Darum wurde die gesundheitliche Vorausplanung neben der Moderation von ethischen Gesprächen ein weiteres wichtiges Anliegen. Beide Angebote gehören eng zusammen, da es insgesamt darum geht, Menschen zuzuhören, sie ganzheitlich zu betrachten und sie so zu unterstützen, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse im Zentrum der Therapiezielbestimmung stehen. Ethi- sche Fallgespräche können auch im Verlauf der ge- sundheitlichen Vorausplanung notwendig werden, vor allem wenn wir uns um aktuell nicht einwilligungsfä- hige Menschen bemühen. Markus Fischer, Alpha Apotheke im Centro, Alpha Apotheke Bochum, Civis Apotheke in der Drehscheibe: Kooperation mit dem Palliativnetz Bochum e.V. „Ich bin Apotheker – und das aus Leidenschaft, um Das Palliativnetz Bochum arbeitet seit vielen Jahren Menschen zu helfen. Ebenso bin ich Ethikberater sowie mit Engagement für den kulturellen Wandel in der Ge- Vorstandsmitglied des Palliativnetzes Bochum e.V und des sellschaft im Umgang mit dem Sterben und dem Tod. Verbandes der Cannabis versorgenden Apotheken e.V.“ Es stellt die Würde des Menschen in den Mittelpunkt der täglichen Arbeit seiner haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter. Aus diesem Leitgedanken wurde die Ausbil- dung einiger Ethikberater finanziert und der Weg zur Gründung des Ambulanten Ethikomitees begleitet, mit dem weiterhin eine enge Kooperation besteht. Die Ent- wicklung einer intensiven Ethikberatung bis hin zur Selbstbestimmung über moderne und individuelle Pa- tientenverfügungen ist nicht nur ein großer Gewinn für Bochum, sondern deutschlandweit ein Vorzeigemodell. 12
werkes BVP in Bochum Dr. Birgitta Behringer M.A., Hausärztin, Palliativärztin, Medizinethikerin, Vorstandsmitglied im Palliativnetz Bochum. „Die Arbeit im ,Netzwerk BVP-Bochum’ ist eine große Bereicherung für mich und hilft mir, den Blick für meine Patienten zu schärfen. Ich lebe und arbeite gerne in Bochum.“ Rainer Meschenat: „Ich bin 64 Jahre und pensionierter evangelischer Pfarrer. Im Ambulanten Ethikkomitee Bochum e.V. bin ich zuständig für die Ausbildung der Gesprächsbegleiter. Neben meiner Vorstandstätigkeit im AEB bin ich außerdem stellvertretender Vorsitzender Martina Zabel: „Ich bin Wohnstättenleiterin bei der der Lebenshilfe Bochum.“ Lebenshilfe Bochum, Diplompädagogin und Supervisorin DGSv. Im Ambulanten Ethikkomitee Bochum bin ich zuständig für den Bereich der Eingliederungshilfe, insbesondere für den Personenkreis der Menschen mit geistigen Behinderungen und Lernschwierigkeiten.“ Prof. Dr. Dirk Behringer, Augusta Kliniken Bochum Hattingen, Hämatologie, Onkologie & Palliativmedizin: „Als Arzt möchte ich die Wünsche und Bedürfnisse unserer Patienten genau kennen, um diese als wesent- liche Grundlage für die Behandlung einzubeziehen.“ 13
Die Koordination im Ambulanten Ethikkomitee Bochum Eveline Futuwi Seit dem 1. Juli 2020 bin ich Koordinatorin im Ambu- Die Ausbildung zur Gesprächsbegleiterin zeigt mir, lanten Ethikkomitee Bochum. In den letzten Monaten welch sinnvolle und herausfordernde Tätigkeiten hinter habe ich mich mit den Vereinsstrukturen, dem Quali- den Gesprächsbegleitungen und damit verbundenen tätsmanagement und dem Kennenlernen des Netz- Prozessen liegen. Hoch qualifizierte Trainer leisten hier werkes beschäftigt. Parallel dazu absolviere ich die hervorragende Arbeit, ich bin beeindruckt von den Ausbildung zur BVP-Gesprächsbegleiterin und nehme aktiven Gesprächsbegleitenden, die sich sehr engagiert an einem Koordinatoren-Workshop teil. einbringen und das Netzwerk leben lassen. Zusammen mit allen Akteuren schaffen wir Großartiges, um das Zu meinen Hauptaufgaben gehört die Unterstützung BVP-Netzwerk wachsen zu lassen und die Autonomie von Dr. Birgitta Behringer bei den geschäftsführenden der Bürger in Bochum zu stärken und den Willen des Tätigkeiten, wie der Vorbereitung und Protokollierung Patienten ins Zentrum seiner Behandlungskriterien zu der Vorstandsitzungen, dem Qualitätszirkel Ethik und rücken. den BVP-Plenartreffen, der Beantragung von Fördermit- teln, den Sekretariatsaufgaben des AEB und zukünftig auch der Finanz- und Budgetplanung. Regelmäßig nehme ich an den offenen Onlineforen der DiV BVP teil. In den letzten Monaten habe ich einen tiefen Ein- blick in die Bereiche des AEB und dem BVP Netzwerk erhalten. Ich bin dankbar, eine so interessante und he- rausfordernde Stelle besetzen zu dürfen. Meinen Tä- tigkeiten gehe ich mit großer Begeisterung nach. Die Zusammenarbeit mit den engagierten und heraus- ragenden Akteuren im gesamten Netzwerk bereitet Barbara Jaskolla mir viel Freude. Einen besonderen Dank möchte ich Mein Name ist Barbara Jaskolla. Ich bin Mitarbeiterin Frau Dr. Birgitta Behringer aussprechen, die mich als in der Praxis von Dr. Birgitta Behringer. Ich unterstütze großartige Mentorin unterstützt, sowie den weiteren ehrenamtlich das Ambulante Ethikkomitee Bochum. Vorstandsmitgliedern, die mir zur Seite stehen und in Mein Aufgabengebiet umfasst die Planung und Or- meiner Einarbeitung helfen. Ein großes Dankeschön ganisation ethischer Fallgespräche. Dazu gehört die auch den vielen Förderern des AEB, die die Einrichtung Kontaktaufnahme mit den Ethikberatern zwecks Termi- der Koordinationsstelle ermöglicht haben. nierung sowie die Zusammenstellung von ärztlichen Befunden. Darüber hinaus unterstütze ich Frau Dr. Beh- ringer bei der Kontaktaufnahme z. B. mit dem Pflege- Ambulantes personal, Angehörigen und mitbehandelnden Ärzten. Ethikkomitee Ich vertrete Frau Futuwi in ihrer Abwesenheit. Bochum e.V. 14
Der Qualitätszirkel Ethik des Ambulanten Ethikkomitees Bochum Gesine Maurer Die Idee für einen „Qualitätszirkel Ethik“ entstand 2014 im Qualitätszirkel des Palliativnetzes Bochum. Zu dieser Zeit gab es intensive Auseinandersetzungen mit der ethischen Rechtfertigung von Therapiezieländerungen. Es wurde offensichtlich, dass neben der Beschäftigung mit den ethischen und recht- lichen Grundlagen der Therapiezielbestimmung Kenntnisse einer geordneten Gesprächsführung mit allen Beteiligten notwendig sind. Das Palliativnetz Bochum finanzierte eine Inhouse Mitglieder des Qualitätszirkels beteiligen sich an der Schulung „Ethikberater im Gesundheitswesen“ für 25 Öffentlichkeitsarbeit, um die Arbeit des Ambulanten Mitglieder des Palliativnetzes. Die Standards dieser Aus- Ethikkomitees in Bochum bekannt zu machen. Sie be- bildung entsprechen den Empfehlungen der Akademie setzen Info-Stände oder lassen sich von Vereinen und für Ethik in der Medizin (AEM). Seit 2015 bieten aus- Verbänden zu Vorträgen einladen. gebildete Ethikberater die Moderation von ethischen Fallgesprächen an, welche Patienten, Behandlerteams Das Projekt „Behandlung im Voraus planen“ und die und Familien unterstützen, wenn ethische Bedenken ethische Fallberatung gehören eng zusammen, haben bei der Behandlung auftreten. Die medizinethischen sie doch einen Grundsatz gemeinsam: Es gilt, die Kriterien von Beauchamps und Childress, nämlich die Würde und Autonomie der Menschen zu stärken, die Selbstbestimmung des Patienten zu stärken, ihm Gutes existenziell auf Fürsorge angewiesen sind. Der Quali- zu tun, ihm nicht zu schaden und Gerechtigkeit zu tätszirkel Ethik bietet Interessierten einen Raum, sich wahren, geben die Orientierung vor. Im Februar 2016 kollegial auszutauschen, voneinander zu lernen und gründeten die Mitglieder des „Qualitätszirkels Ethik“ Handlungssicherheit zu gewinnen. Die Treffen finden einen eigenen Verein. Damit beginnt die Geschichte am ersten Dienstag im Monat von 18.15 bis 19.45 Uhr des Ambulanten Ethikkomitees Bochum e.V. (AEB). Das statt, zur Zeit überwiegend als Videokonferenzen. Inte- Angebot der Ethikberatung sollte nicht nur für Palliativ- ressierte können sich in den E-Mail-Verteiler aufnehmen patienten gelten, da bei der medizinischen Behandlung und einladen lassen: koordination@ae-bochum.de vielfältige ethische Fragen auftreten können. Themen des Qualitätszirkels Ethik in 2020 Mit dem Qualitätszirkel Ethik des AEB wurde ein Raum – Gesprächsbegleitung in der Corona-Pandemie geschaffen, in dem vertrauensvoll, ausführlich und – Menschenleben versus Menschenwürde: grundlegend Konflikte und Unsicherheiten angespro- Diskussion um die Grundrechte in der Corona-Zeit chen werden können, die bei der Behandlung schwerst- – Pflegeethische Reflexion der Maßnahmen zur kranker Menschen auftreten. Die Treffen leben vom Eindämmung von COVID-19 Engagement der Teilnehmenden, von ihren Fragen – Über die besondere Verantwortung des rechtlichen und den eingebrachten Fallgeschichten. Die Gespräche Patientenvertreters in gesundheitlichen Krisen ergänzen die Ausbildung in klinischer Ethikberatung – Die Entwicklung der ambulanten Ethikberatung und führen sie weiter. Auf Wunsch der Gruppe gibt es in Bochum im Vergleich mit außerklinischer Ethik- Themenabende mit Gastreferenten oder Experten aus beratung an anderen Standorten in Deutschland den eigenen Reihen mit Kurzreferaten zu medizinethi- – Triadische Gespräche in der Gesundheitsversorgung, schen und rechtlichen Fragen sowie zu medizinischen Patient – Gesetzliche Betreuung – Arzt, und pflegerischen Themen oder zu Methoden gelin- Herausforderung und Chance gender Kommunikation. – Der zweite Lockdown: Menschenrechte und Beschränkungen in stationären und ambulanten Einrichtungen. Diskussion des Ampelschemas. 15
Ausbildung für das Netzwerk BVP in Bochum Rainer Meschenat Leiter der Gruppe „Ausbildung“ im Netzwerk BVP, Trainer für die Ausbildung von Gesprächsbegleitern Für das Netzwerk Behandlung im Voraus Planen in Bochum bietet das Ambulante Ethikkomitee Bochum unterschiedliche Aus- und Weiterbildungen an. Gesprächsbegleiter Die Ausbildung zur Gesprächsbegleiterin oder zum Eingliederungshilfe. Sie erhalten hier einen Einblick in Gesprächsbegleiter gliedert sich in zwei Teile. Im ersten die Komplexität der Vorsorgegespräche und lernen Teil gibt es eine intensive theoretische und praktische die genutzten Dokumente ansatzweise kennen. Dies Ausbildung in drei Blöcken mit insgesamt 7,5 Tagen. ermöglicht ihnen später in ihren Einrichtungen die Die Inhalte stimmen überein mit den Anforderungen nötigen Strukturen zu schaffen, um die Vorsorge- der „Vereinbarung nach §132g Abs. 3 SGB V über Inhalte gespräche und Dokumente in den Einrichtungen er- und Anforderungen der gesundheitlichen Versorgungs- folgreich zu implementieren. planung für die letzte Lebensphase vom 13.12.2017“. Wir haben bisher vier Weiterbildungen erfolgreich Die angehenden Gesprächsbegleiter erlernen u. a. den durchgeführt und dabei fast fünfzig Gesprächsbegleiter Umgang mit den Verfügungen zur gesundheitlichen ausgebildet, wovon ein großer Teil in Bochum tätig ist. Vorausplanung der „Deutschsprachigen interprofessio- Die fünfte Weiterbildung für zwölf Gesprächsbegleiter nellen Vereinigung Behandlung im Voraus Planen“ (DiV- und vier Botschafter beginnt im Sommer 2021, die BVP) und Techniken zur Gesprächsbegleitung. Dies ge- Anmeldephase läuft. schieht u.a. durch angeleitete und begleitete Gespräche mit Schauspielpatienten und Vorausplanende in Ein- Begleitung durch BVP-Plenartreffen richtungen der Alten- und Eingliederungshilfe. Nach der abgeschlossenen Weiterbildung werden die Nach erfolgreichem Abschluss dieses ersten Teiles be- Gesprächsbegleiter weiter durch das AEB begleitet. Es gleiten die Gesprächsbegleiter selbstständig sieben lädt fünfmal im Jahr zu Regionaltreffen ein (90 Minuten Vorausplanende in den jeweiligen Einrichtungen und in der Mittagszeit), bei denen die Gesprächsbegleiter besprechen die Dokumente mit den Trainern des AEB. – sich untereinander austauschen, Hierfür haben sie ein Jahr Zeit und schließen dadurch – mit den Trainern schwierige Gesprächssituationen Teil 2 zur Weiterbildung zur Beraterin/zum Berater nach und auftretende Fragen besprechen können, §132g SGB V ab. Gemäß der Vereinbarung können die – Informationen zu Weiterentwicklungen der Vorsorgegespräche bereits nach dem ersten Teil mit Dokumente zur Vorausplanung bekommen und den Krankenkassen abgerechnet werden. Im AEB ar- – Begleitung bei der Implementierung in den beiten vier Trainer in der Ausbildung, bei Bedarf unter- jeweiligen Einrichtungen u.a. durch die Koordinatorin stützen uns weitere aus dem überregionalen Netzwerk des AEB erhalten. der DiV-BVP. Diese regionale Vernetzung der Gesprächsbegleiter, die Botschafter meist in den Einrichtungen allein oder zu zweit tätig Das AEB bietet weiter die Ausbildung zur Botschafterin sind, ist unbedingt nötig, um sicherzustellen, dass die bzw. zum Botschafter zur gesundheitlichen Voraus- aktuellen Dokumente genutzt und Gesprächsbeglei- planung für die letzte Lebensphase an. Zielgruppe für tungen auch weiter mit einer hohen Qualität durchge- diese Weiterbildung sind Personen in Leitungsverant- führt werden. An dieser Stelle danken wir allen Arbeit- wortung innerhalb von Einrichtungen der Alten- und gebern für die Freistellung der Gesprächsbegleiter. 16
Bericht über die Ausbildung in 2020 Freia Brix-Bögge Trainerin für die Ausbildung von Gesprächsbegleitern Ein für uns alle herausforderndes Jahr neigt sich dem Ende. Das gilt auch für mich, in meiner Eigenschaft als Gesprächsbegleiter-Trainerin für Patientenverfügungen im Rahmen von „Behandlung im Voraus Planen“ (BVP). Mein Aufgabengebiet erstreckt sich auf die Beteiligung der Durchführung und Moderation der Ausbildung neuer Gesprächsbegleiter, sowie deren Begleitung Informationsveranstaltungen in den Seniorenheimen, während der gesamten Ausbildungszeit. Vorträge in Seniorenbüros oder anderen Einrichtungen und Netzwerktreffen. Ziel ist es, durch die didaktische und methodische Er- arbeitung der Elemente der Gesprächsbegleitung, die Die Herausforderungen in diesem Jahr waren dergestalt, Teilnehmer zu befähigen, die Autonomie der Voraus- dass wir aufgrund der Corona-Pandemie, den Beginn planenden zu stärken und deren Möglichkeiten, Gren- unserer Ausbildung zweimal verschoben haben, neue zen und Risiken zu ermitteln. Neben dem theoretischen Räumlichkeiten erforderlich wurden und das Konzept Input wird der Praxis viel Raum und Zeit gewidmet. neu zu überdenken war. Kreative Lösungen waren so- Als Trainerin coache ich sowohl interaktive Rollenspiele wohl gefragt in der Umsetzung der geforderten Anzahl mit Schauspielern, als auch die Patientenverfügungen, der zu erstellenden Patientenverfügungen, da die an- die während der Ausbildungszeit entstehen und führe gehenden Gesprächsbegleiter diese nur unter er- Supervisionen durch. Selbstverständlich stehe ich schwerten Bedingungen durchführen konnten, als immer als Ansprechpartnerin zur Verfügung. auch bei der Frage, wie ein regelmäßiger Austausch mit allen stattfinden kann. Wie viele andere haben Darüber hinaus ist der stetige Kontakt mit allen, auch auch wir Trainerinnen und Trainer in diesem Bereich ausgebildeten Gesprächsbegleitern, erforderlich, um die digitale Welt erobert und mithilfe von Videokon- dem Qualitätsstandard der BVP gerecht zu bleiben; ferenzen während des gesamten Jahres diesen Aus- das geschieht z. B. durch monatliche Treffen. Darüber tausch ermöglicht. Nach all dem Beschriebenen war hinaus bin ich auch als Botschafterin an der regionalen es für mich als Trainerin ein anspruchsvolles, erfolgrei- Implementierung beteiligt; dazu gehören unter anderem ches und kohärentes Jahr 2020. 17
Von der Patientenverfügung zum Netzwerk „Behandlung im Voraus Planen in Bochum“ Dr. Birgitta Behringer M.A. Die rechtliche Grundlage für die gesundheitliche Themen der Gesprächsbegleitung Vorausplanung ist das dritte Gesetz zur Änderung Gesprächsbegleiter sollten mit Vorausplanenden über des Betreuungsrechts („Patientenverfügungsgesetz“) persönliche Wertvorstellungen und über konkrete me- vom 29. Juli 2009. Der BGH hat in einigen Beschlüssen dizinische Krisensituationen sprechen. weitere Anforderungen an eine Patientenverfügung präzisiert. Vorausplanende können für zukünftige Grundlegende Fragen: gesundheitliche Krisen festlegen, wie sie behandelt Wie gerne lebe ich? werden möchten. Wie wichtig ist es, noch lange weiter zu leben? Welche Gedanken habe ich, wenn ich an mein Somit besteht die Legitimation für die Durchführung eigenes Sterben denke? einer medizinischen Therapie weiterhin auf den Säulen Darf Medizin mein Leben in einer Krise verlängern? der ärztlichen Indikation und der Einwilligung des Pa- Welche Sorgen und Ängste habe ich, wenn ich an tienten. Patienten können ärztlich indizierte Behand- medizinische Behandlung denke? lungen ablehnen. Sie können nicht Therapien einfordern, Was darf auf keinen Fall geschehen? die nach der Nutzen/Schaden-Abwägung medizinisch Welche religiösen und spirituellen Überzeugungen nicht sinnvoll sind. habe ich? Behandlung im Voraus Planen ist ein standardisier- Gesprächsbegleiter können mit einfacher Sprache die ter Prozess, der Vorausplanende bei ihrer Willens- verschiedenen gesundheitlichen Krisen verständlich ermittlung unterstützt. machen. Hilfreich sind persönliche Erfahrungen der Vorausplanenden, aber auch Bilder und Hilfsmittel. Be- Die gesundheitliche Vorausplanung kann in einer Pa- sprochen werden medizinische Prozeduren und mög- tientenverfügung schriftlich dokumentiert werden. Es liche gesundheitliche Einschränkungen. gibt in Deutschland über 200 Patientenverfügungs- muster. Es gibt keine Qualitätsstandards für Patienten- Zu den typischen gesundheitlichen Krisensitua- verfügungen. Es existieren nur wenige Verfügungen tionen gehören der akute Notfall, die stationäre in leichter Sprache. Eine Beratung etwa durch einen Behandlung zum Beispiel auf der Intensivstation Arzt ist vielerorts empfohlen, aber nicht vorgeschrieben. und die dauerhafte Entscheidungsunfähigkeit. Angehörige werden häufig nicht in die Überlegungen der Vorsorgeplanenden mit einbezogen. Vorsorgepla- Körperliche und geistige Einschränkungen haben ver- nende sind zumeist medizinische Laien. Sie sollen Ent- schiedene Gesichter. Die Haltung von Menschen für scheidungen treffen für zukünftige medizinische Krisen, diese Lebenssituationen ist unterschiedlich. Zu den die sie sich ohne Unterstützung nicht immer gut vor- grundlegenden Überlegungen gehören die Fragen: stellen können. Wie gerne lebe ich auch mit Einschränkungen und wie viel Kraft habe ich für die konkrete medizinische Hilfreich für Vorausplanende ist die Unterstützung Behandlung? durch einen professionellen Gesprächsbegleiter. 18
Einbeziehung von Angehörigen, rechtlichen Betreuern und Behandlern Wenn Menschen wichtige Entscheidungen treffen, tauschen sie sich häufig im sozialen Umfeld aus. Dieser wichtige Prozess sollte unterstützt werden. Vor allem rechtliche Betreuer und Behandler sollten über die Pa- tientenverfügung Bescheid wissen. Das regionale gesundheitliche Netzwerk §132g SGB V und das Netzwerk Patienten sollten im regionalen gesundheitlichen Netz- „Behandlung im Voraus Planen in Bochum“ werk sicher aufgehoben sein. Sie sollten sich darauf Der §132g SGB V ermöglicht es Einrichtungen der sta- verlassen, dass sie so behandelt werden, wie sie das tionären Pflege und Einrichtungen der Eingliederungs- wollen. Es gehört zur Haltung aller an der gesundheit- hilfe für Menschen mit geistigen Behinderungen, ihren lichen Behandlung des Patienten Beteiligten, den Willen Bewohnern ausgebildete Gesprächsbegleiter zur Ver- des Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu fügung zu stellen. Diese unterstützen die Bewohner gehören die Aufklärung, das Zuhören und die Beschäf- bei Gesprächen über Behandlungswünsche in zukünf- tigung mit den Fragen und Bedürfnissen, die für den tigen gesundheitlichen Krisen und verschriftlichen die Patienten wichtig sind. Ergebnisse auf Wunsch in einer Patientenverfügung. Die interprofessionelle Zusammenarbeit und die Das AEB wurde vom Netzwerk „Behandlung im Nutzung der Ressourcen der verschiedenen Berufs- Voraus Planen in Bochum“ als Steuerungsgruppe gruppen im Netzwerk führen zu einer ganzheit- beauftragt, die Implementierung der gesundheit- lichen Patientenversorgung, Handlungssicherheit lichen Vorausplanung im Raum Bochum gemein- und Entlastung aller Beteiligten. sam zu entwickeln. Aufgrund der hohen Qualität von Ausbildung und Dokumentation dienen die Standards von „Behandlung im Voraus Planen“ (BVP) als Grundlage. Die dazu gehörige Fachgesellschaft nennt sich „Deutsche inter- professionelle Vereinigung Behandlung im Voraus Planen“ (DiV-BVP). Zu den Standards gehören die Aus- bildung von Gesprächsbegleitern, die Nutzung einheit- licher Vorsorgedokumente und die Vernetzung in der Region. Ziel ist es, weitere Einrichtungen zu gewinnen, die BVP-Gesprächsbegleiter zur gesundheitlichen Vo- rausplanung ausbilden. Auch Institutionen, die derzeit andere Standards der Gesprächsbegleitung nutzen, sollten an der Netzwerk- arbeit beteiligt werden. Personengruppen außerhalb von stationären Einrichtungen der Pflege und Einglie- derungshilfe sollten Unterstützung durch BVP-Ge- sprächsbegleiter bei ihrer gesundheitlichen Vorauspla- nung erhalten. Das AEB arbeitet daran, BVP-Gesprächs- begleitungen zukünftig für alle Bürger zugänglich zu machen. 19
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