Rettungsschirm für die Kranken häuser - Angemessen ausgestaltet für den großen Sturm? - Deutsche ...

 
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Rettungsschirm für die Kranken häuser - Angemessen ausgestaltet für den großen Sturm? - Deutsche ...
Politik/Corona-Pandemie

Dr. J. Holger Bunzemeier, Dr. med. Wolfgang Fiori, Prof. Dr. med. Norbert Roeder, Martin Heumann

Rettungsschirm für die Kranken­
häuser – Angemessen ausgestaltet für
den großen Sturm?
Relevante Regelungen des COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzes für die Krankenhaus­
finanzierung

Binnen weniger Tage hat die Bundesregierung mit dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz im Eilverfah-
ren ein Hilfspaket für die Krankenhäuser auf den Weg gebracht. Sind die Krankenhäuser damit gewappnet für
den erwarteten Anstieg der COVID-19-Patienten? Die Autoren geben einen detaillierten Überblick, was auf die
Kliniken zukommt.

Kaum jemand hatte erwartet, dass die erstmals Ende 2019 in        Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (CO-
der Volksrepublik China diagnostizierte neuartige Atemwegser-     VID-19-Krankenhausentlastungsgesetz) erhalten hatten. Die
krankung COVID-19, ausgelöst durch das Coronavirus SARS-          Reaktion darauf ließ an Eindeutigkeit nichts vermissen. Herr
CoV-2 zu einer Pandemie erwachsen würde, die heute die Welt       Dr. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesell-
in Atem hält. Während der größte Teil der Infizierten nur mit     schaft (DKG), wurde in einer Pressemitteilung der DKG wie
milden oder moderaten Erkältungssymptomen zu kämpfen hat          folgt zitiert: „der gesamte Entwurf ist eine Katastrophe für die
oder sogar symptomlos bleibt, kommt es bei einem kleineren        Krankenhäuser und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit
Teil zu schweren Lungenentzündungen bis hin zu Lungenver-         diesem Gesetzentwurf laufen wir Gefahr, dass in wenigen Mo-
sagen und Tod. Diese kritisch kranken Patienten bedürfen einer    naten Krankenhäuser in die Insolvenz gehen. Ich bin sicher,
stationären Versorgung, häufig mit maschineller Atmungsun-        dass die Menschen im Land keinerlei Verständnis für diese Art
terstützung auf einer Intensivstation. Erschreckende Berichte,    von Politik haben“. Auch wenn die Politik auf die Kritik reagier-
insbesondere aus unseren Nachbarländern Italien, Spanien und      te und Nachbesserungen an dem Rettungsschirm vorgenom-
Frankreich, zeigten die schwierige Versorgungssituation für die   men hat, weicht dieser weiterhin ganz grundsätzlich von dem
zunehmende Zahl von COVID-19-Patienten aufgrund eines             Vorschlag der Deutschen Krankenhausgesellschaft ab. Mit die-
Missverhältnisses zwischen den notwendigen und vorhan-            sem Beitrag sollen die Veränderungen für die Krankenhausfi-
denen Kapazitäten von Beatmungsplätzen auf Intensivstati-         nanzierung vorgestellt und die möglichen Auswirkungen auf
onen. Angesichts steigender Infektionszahlen auch in Deutsch-     die wirtschaftliche Situation für die Krankenhäuser diskutiert
land, forderten Bund und Länder deshalb am 12. März 2020 die      werden.
Krankenhäuser auf, durch Verschiebung oder Aussetzung plan-
barer Aufnahmen, Eingriffe und Operationen vorsorglich Bet-       Wesentliche Elemente des von der DKG vor­
tenkapazitäten für den befürchteten Anstieg von COVID-19-Pa-      geschlagenen Finanzierungskonzeptes
tienten freizuhalten. Darüber hinaus sollten die Krankenhäuser    Sowohl die DKG als auch der AOK-Bundesverband haben ge-
zusätzliche intensivmedizinische Behandlungskapazitäten           trennt voneinander konzeptionelle Überlegungen angestellt,
schaffen. Im Gegenzug versprach die Bundesregierung durch         wie in Zeiten der COVID-19-Krise die Krankenhausfinanzierung
gesetzliche Maßnahmen zügig sicherzustellen, dass die wirt-       konzipiert sein muss, um auf die Sachlage adäquat zu reagie-
schaftlichen Folgen für die Krankenhäuser ausgeglichen wer-       ren. Die Überlegungen beider Seiten mündeten in einem ge-
den und kein Krankenhaus durch die Auswirkungen der Coro-         meinsamen Vorschlag, der dem Bundesministerium für Ge-
na-Pandemie ins Defizit kommen solle. Zusätzlich wurde in         sundheit unterbreitet wurde. Hiernach sollte die Finanzierung
Aussicht gestellt, dass Krankenhäuser für jedes Intensivbett,     der Krankenhäuser, die in Folge der Freihaltung von Bettenka-
das zusätzlich provisorisch geschaffen und vorgehalten wird,      pazitäten der Krankenhäuser mit dramatischen Erlöseinbußen
einen Bonus erhalten sollen.                                      zu rechnen haben, ab April auf eine weitestgehend leistungsun-
Mit der gesetzgeberischen Umsetzung dieser Versprechen konn-      abhängige Vergütung mit einem Garantiebudget umgestellt
ten sich Fachkreise am Samstag den 21. März 2020, wenige          werden. Zur Wahrung der Liquidität sollten Krankenhäuser fixe
Tage vor Verabschiedung des Gesetzes, erstmals beschäftigen,      monatliche Abschlagszahlungen, finanziert aus dem Gesund-
nachdem sie Zugriff auf einen ersten Entwurf des Gesetzes zum     heitsfonds, erhalten. Zur Berechnung des monatlichen Ab-
Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der         schlagsbetrages sollte, etwas verkürzt dargestellt, das jeweilige

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Vorjahresbudget bzw. des zuletzt vereinbarten Gesamtbetrages      lungen bei Rechnungskorrekturen sollen die Krankenhäuser
um den Veränderungswert erhöht werden und schließlich             zusätzlich entlastet werden. Die Liquidität der Krankenhäuser
durch 12 geteilt werden, um das Budget auf eine monatliche        soll durch eine auf fünf Tage verkürzte Zahlungsfrist zusätzlich
Basis herunterzubrechen. Ergänzend sollte den Krankenhäu-         gestärkt werden. Im Bedarfsfall sollen die Länder Vorsorge- und
sern, die während der Krise viele Patienten zu versorgen haben,   Rehabilitationseinrichtungen für die akutstationäre Behand-
die höheren Behandlungskosten von den Krankenkassen zu-           lung von Patientinnen und Patienten bestimmen können, so
sätzlich erstattet werden, wenn sie die monatlichen Abschlag-     dass Krankenhäuser bei hohem Patientenaufkommen entlastet
zahlung auf das Budget des Vorjahres überschreiten. Um die        werden könnten.
Funktionalität des Morbi-RSA sicherzustellen, sollten die er-     Zusätzlich zu den krankenhausspezifischen Regelungen wer-
brachten Behandlungsleistungen fortlaufend nach § 301 SGB V       den mit dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz auch
dokumentiert und die Leistungs- und Abrechnungsdaten an die       Entlastungen für weitere Leistungserbringer, wie zum Beispiel
zuständige Krankenkasse übermittelt werden.                       die Vertragsärzte oder Vorsorge- und Rehabilitationseinrich-
Zur Kompensation steigender Kosten für Schutzausrüstung           tungen geschaffen, worauf in diesem Beitrag aber nicht näher
sollten die Krankenhäuser darüber hinaus von April bis Dezem-     eingegangen werden soll.
ber 2020 eine Pauschale von 160 € pro behandelten Fall erhal-
ten. Für die Erweiterung der Intensivplätze mit Beatmung wur-     Pauschaler Ausgleich bei Erlösrückgängen
de eine Förderung von 85 000 € je nachgewiesenem Bett vorge-      Die erbrachten Leistungen zugelassener Krankenhäuser wer-
schlagen.                                                         den auch während der Corona-Krise mit Hilfe der bekannten
Neben den finanziellen Aspekten sollten alle nicht zwingend       Finanzierungsinstrumente, wie zum Beispiel DRGs, Zusatzent-
erforderlichen Regulierungsvorgaben für das laufende Jahr aus-    gelte und Pflegeerlös, mit den jeweiligen betroffenen einzelnen
zusetzt werde. Krankenhäuser sollten sich voll auf die Behand-    Kostenträgern abgerechnet. Für die Erlösausfälle in Folge des
lung sowie die Organisation der Behandlung von COVID-19-Pa­       Freihaltens von Betten durch Verschiebung oder Aussetzung
tienten konzentrieren können.                                     planbarer Aufnahmen, Eingriffe und Operationen wird eine
                                                                  pauschale, an der reduzierten täglichen Patientenzahl eines
Überblick über die wesentlichen Regelungen                        Krankenhauses orientierte Ausgleichszahlung eingeführt. Diese
des COVID-19-Krankenhausentlastungs­                              Regelung soll zunächst bis zum 30.9.2020 gelten und außer-
gesetzes                                                          budgetär gezahlt werden. Aus Sicht des Gesetzgebers dient die
Der Gesetzgeber hat mit dem COVID-19-Krankenhausentlas­           Gegenüberstellung der durchschnittlichen Patientenzahlen des
tungsgesetz die Vorschläge des DKG-Konzeptes nur teilweise        Jahres 2019 mit der aktuell geringeren Patientenzahl als Indika-
aufgegriffen und hält trotz großer Kritik der Krankenhäuser       tor dafür, dass einem Krankenhaus durch Verschiebung oder
auch für die Krisenzeit an der leistungsorientierten DRG-Vergü-   Aussetzung planbarer Aufnahmen, Eingriffe oder Operationen
tung der Krankenhäuser grundsätzlich fest. Diese wird nur in      Erlösausfälle entstanden sind.
Bezug auf Regelungen zum budgettechnischen Umgang mit             Für die Berechnung der Ausgleichszahlung wird für jedes Kran-
Mehr- und Minderleistungen angepasst. Zur Kompensation der        kenhaus zunächst die durchschnittliche Anzahl pro Tag voll-
Einnahmeausfälle durch Verschiebung oder Aussetzung plan-         oder teilstationär in Behandlung befindlichen Patienten des
barer Aufnahmen, Eingriffe oder Operationen wird eine bun-        Jahres 2019 als Referenzwert ermittelt. Für jeden Tag, begin-
deseinheitliche tagesbezogene Ausgleichszahlung von 560 €         nend ab dem 16.03.2020, wird diesem Referenzwert die Zahl
eingeführt. Die Ausgleichszahlung ist unabhängig von den tat-     der sich voll- oder teilstationär in Behandlung befindlichen Pa-
sächlichen Kosten bzw. Erlösen pro Behandlungstag im indivi-      tienten gegenübergestellt. Liegt die aktuelle Patientenzahl un-
duellen Krankenhaus. Darüber hinaus werden Krankenhäuser          terhalb des Referenzwertes, erhält das Krankenhaus eine Aus-
zeitlich begrenzt für krisenbedingte Mehrkosten, zum Beispiel     gleichszahlung. Dafür wird die Differenz der am jeweiligen Tag
für Schutzausrüstungen, einen fallbezogenen Zuschlag von          behandelten Patienten zum Referenzwert berechnet und diese
50 € erhalten. Ab 1. April wird der für die Pflegeerlösabrech-    mit 560 € multipliziert. Für Tage mit Patientenzahlen oberhalb
nung vorläufig festgelegte Pflegeentgeltwert um circa 38 € auf    des Referenzwertes erfolgt keine Ausgleichszahlung. Die Kran-
185 € erhöht und eine Meistbegünstigungsklausel für den spä-      kenhäuser melden wöchentlich und aufgeschlüsselt nach Wo-
teren Ausgleich des Pflegebudgets eingeführt. Für den Ausbau      chentagen den ermittelten Betrag an die für die Krankenhaus-
zusätzlicher intensivmedizinischer Beatmungsplatzkapazitäten      planung zuständige Landesbehörde (u Abbildung 1).
mit Genehmigung der für die Krankenhausplanung zuständi-          Die Landesbehörde ruft über das Bundesamt für Soziale Siche-
gen Landesbehörde wird eine Bonuszahlung von 50 000 €/Bett        rung aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds die jewei-
eingeführt, die aber hinter den Forderungen der DKG zurück-       ligen Beträge ab und überweist diese entsprechend des gemel-
bleibt. Allerdings sollen die Länder kurzfristig jeweils nach     deten Bedarfs an das jeweilige Krankenhaus. Der Gesundheits-
­eigenen Konzepten weitere erforderliche Investitionskosten fi-   fonds wird nur zur Vorfinanzierung der Kosten herangezogen.
 nanzieren. Durch Absenkung der Prüfquoten und Aussetzung         Im Nachgang soll ein Ausgleich für den Gesundheitsfonds über
 der mit dem MDK-Reformgesetz eingeführten Sanktionszah-          den Bundeshaushalt erfolgen.

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   Abbildung 1: Berechnung der Ausgleichszahlung nach § 21 Absatz 1–4 KHG

Selbstverwaltungspartner regeln Nachweis­                         199 Betten, 440 € für Häuser mit bis zu 499 Betten und 540 €
verfahren                                                         für Häuser mit 500 oder mehr Betten vorgesehen waren, führten
Die Selbstverwaltungspartner auf der Bundesebene haben in-        die Änderungen am Gesetzentwurf zu einem einheitlichen Wert
nerhalb von 14 Tagen nach Verkündung des Gesetzes das Ver-        von 560 €. Ausgangsbasis für die Berechnung der Werte war
fahren zum Nachweis der Anzahl der täglich voll- oder teilsta-    der Kostennachweis der Krankenhäuser für das Jahr 2017. Die
tionär behandelten Patienten im Vergleich zum Referenzwert        Gesamtkosten der Krankenhäuser wurden um die Kosten des
zu regeln. Die Bundesschiedsstelle würde bei ausbleibender        Pflegedienstes, über gesonderte Budgets finanzierte Ausbil-
Vereinbarung innerhalb von weiteren zwei Wochen eine Festle-      dungskosten und verbrauchsbezogene Sachkosten (Medizini­
gung vornehmen. Im Gesetz wird nicht explizit festgelegt, wie     scher Sachbedarf und Lebensmittel) gemindert. Erhöhend be-
die Patientenzahl zu ermitteln ist. Bei vielen Notaufnahmen       rücksichtigt wurden die Kosten hingegen für nicht direkt beim
und möglicherweise in der Corona-Pandemie steigender Zahl         Krankenhaus beschäftigtes Personal. In die Kalkulation einbe-
früh verlegter oder verstorbener Fälle, wird es einen Unter-      zogen wurden auch Kosten von vor- und nachstationären Be-
schied machen, ob die Tagesfälle mit einbezogen werden oder       handlungen, Mittel für ärztliche und nichtärztliche Wahllei-
die Mitternachtsstatistik zugrunde gelegt wird. Durch Fallfüh-    stungen sowie für belegärztliche Leistungen. Diese Kosten wur-
rungsprozesse und Änderungen des Fallstatus in Folge von Ab-      den schließlich mit Annahmen zu den Kostensteigerungen für
rechnungsprüfungen, ergibt sich abhängig vom Messzeitpunkt        die Jahre 2018, 2019 und 2020 für das Anwendungsjahr 2020
eine unterschiedliche Belegung für ein Krankenhaus. Kranken-      normiert und durch die Summe der Belegungstage 2017 geteilt.
häuser sind deshalb gut beraten, vor den wöchentlichen Mel-       Auf den so errechneten Tageskostenwert wurde noch in Würdi-
dungen ihrer Patientenzahlen die Richtigkeit der Belegung zu      gung der besonderen Kostensituation durch die Pandemie ein
überprüfen. Fehlerhaft dokumentierte stationäre Belegungen,       Aufschlag in nicht näher bezeichneter Höhe berücksichtigt.
die erst nach der wöchentlichen Meldung korrigiert werden,
würden die Ausgleichszahlung je Patient und Tag um 560 € re-      Schützt die Ausgleichszahlung die Kranken­
duzieren.                                                         häuser vor Defiziten?
Für die Nachweisvereinbarung ist zu bedenken, dass aktuelle       Inwiefern die Ausgleichszahlungen erfolgreich Defizite von
Belegungsstatistiken für das Jahr 2019 lokal zu sehr unter-       Krankenhäusern abwenden können, die durch Verschiebung
schiedlichen Anteilen schon nachträgliche Fallkorrekturen be-     oder Aussetzung planbarer Aufnahmen, Eingriffe oder Operati-
rücksichtigen, die Einfluss auf die durchschnittliche Belegung    onen Erlöseinbußen aus den Fallpauschalen hinnehmen müs-
des Jahres nehmen. Wenn für 2020 die Belegung im Sinne der        sen, wird man wohl erst nach der Krise wissen. Denn letztlich
Liquiditätssicherung frühzeitig an die Landesbehörden gemel-      müssen für eine Bilanz die Erlöse aus den Fallpauschalen und
det werden, fehlen zu dem Zeitpunkt derartige Fallkorrekturen,    den Ausgleichszahlungen in Summe betrachtet und den tat-
die erst mit größerem zeitlichem Abstand zum Leistungsge-         sächlich entstandenen Kosten gegenübergestellt werden. Ab-
schehen umgesetzt werden können.                                  hängig von der weiteren Entwicklung der COVID-19-Patienten-
                                                                  zahlen, die dramatisch steigen könnten ggf. aber auch nur mo-
Wie wurde der Wert für die pauschale                              derat, wird sich die Gewichtung der Ausgleichszahlungen für
­Ausgleichszahlung ermittelt?                                     freistehende Betten und der DRG-Erlöse in die eine oder die
Während noch im ersten Entwurf des COVID-19-Krankenhaus-          andere Richtung verschieben. Steigen die Fallzahlen kurzfristig
entlastungsgesetzes von der Bettenzahl eines Krankenhauses        stark an, wird die Ausgleichszahlung aufgrund belegter Betten
differenzierte Ausgleichsbeträge zwischen 410 € für Häuser bis    in den Hintergrund treten und die DRG-Erlöse werden die Refi-

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nanzierung der Krankenhäuser bestimmen. Die Bewertungsre-           dauern im Vergleich zu den geplanten DRG-Erlöse durch die
lationen der für die COVID-19-Patienten zur Abrechnung kom-         Ausgleichzahlung eine nur unzureichende Refinanzierung er-
menden DRGs werden große Spannbreiten aufweisen. Patienten          fahren. Auf der anderen Seite werden beispielsweise viele Ta-
mit nicht beatmungspflichtiger Lungenentzündung dürften in          geskliniken niedrigere Vorhaltekosten aufweisen. Aus Sicht der
der Regel in vergleichsweise niedrig bewertete DRGs eingrup-        Autoren ist nicht nachvollziehbar, warum diese offensichtlichen
piert werden, während beatmete Fälle über hoch bewertete            Unterschiede in den Kosten- und Erlösstrukturen der Kranken-
Beatmungs-DRGs abgerechnet würden. Werden die eigentlich            häuser nicht berücksichtigt wurden und stattdessen eine bun-
geplanten Fälle eines Krankenhauses durch vor allem nicht-be-       deseinheitliche Ausgleichszahlung festgesetzt wurde.
atmete COVID-19-Patienten ersetzt, die im Vergleich zum üb-         Nach §21 Absatz 1 KHG sollen die Ausgleichszahlungen für
lichen Leistungsspektrum niedrigere Bewertungsrelationen auf-       zugelassene Krankenhäuser, inkl. psychiatrischer Einrich-
                                                                    ­
weisen und erzielt das Krankenhaus aufgrund einer Belegung          tungen, gelten, die zur Erhöhung der Bettenkapazitäten für die
oberhalb des Durchschnitts 2019 kaum Ausgleichszahlungen,           Versorgung von Patienten, die mit dem neuartigen Coronavirus
könnte sich die wirtschaftliche Situation des Krankenhauses         SARS-CoV-2 infiziert sind, planbare Aufnahmen, Operationen
krisenbedingt verschlechtern, sofern kompensatorisch nicht die      und Eingriffe verschieben oder aussetzen. Die aktuelle Bele-
Kosten entsprechend des Erlösrückganges reduziert werden            gungssituation der Krankenhäuser dürfte vorrangig auf das ak-
können. Ein Problem für viele Krankenhäuser könnte in diesem        tive Freihalten von Bettenkapazitäten der Krankenhäuser zu-
Zusammenhang auch darin bestehen, dass sie unter den derzei-        rückzuführen sein. Aber auch Absagen von stationären Be-
tigen Bedingungen oftmals nicht mehr die Möglichkeit haben,         handlungsterminen durch die Patienten, die ebenfalls den Auf-
hochbetagte Patienten in nachsorgende Einrichtungen (Alten-         forderungen der Bundesregierung folgen und Kontakte zu
heime, geriatrische Fachkrankenhäuser, etc.) weiter zu verle-       Mitmenschen reduzieren, werden die Belegungssituation in
gen. Dadurch verlängert sich die Verweildauer im Krankenhaus        den Krankenhäusern ebenso beeinflussen, wie die geringeren
unverhältnismäßig und ohne weitere Vergütung, weil die Aus-         Zuweisung aus dem vertragsärztlichen Bereich, der aktuell
gleichszahlung in Höhe von 560 € in diesem Fall nicht abge-         ebenfalls stark durch das Coronavirus gefordert ist. Aus Sicht
rechnet werden kann. Werden in einem Krankenhaus durch              der Autoren darf der gespannte Rettungsschirm daher nicht un-
COVID-19 überdurchschnittlich viele hoch bewertete Beat-            terscheiden, ob die geringere Belegung eines Krankenhauses
mungs-DRGs abgerechnet, ist nicht auszuschließen, dass sich         auf eigene Initiative oder auf Entscheidungen der Patienten
die wirtschaftliche Situation eines Krankenhauses hingegen          bzw. der Zuweise zurückzuführen sind, wenn Insolvenzen von
verbessert, ggf. auch deshalb, weil zusätzlich zu den hoch be-      Krankenhäusern abgewendet werden sollen. Ohnehin dürfte
werteten Beatmungs-DRGs auch noch Ausgleichszahlungen ab-           eine Differenzierung der Gründe für eine niedrigere Belegung
gerechnet werden können, wenn Betten auf Normalstationen            im Vergleich zum Durchschnitt des Vorjahres schwerfallen. Bei-
frei bleiben. Diese Beispiele machen deutlich, dass eine einiger-   spielsweise könnte die proaktive Absage eines stationären Be-
maßen verlässliche Prognose, wie sich die Neuregelungen auf         handlungstermins eines Patienten der Absage seitens des Kran-
die wirtschaftliche Situation eines Krankenhauses und die zu        kenhauses vorausgegangen sein. Nichtsdestotrotz sind Kran-
leistende Finanzierung durch den Bund und die Krankenkassen         kenhäuser gut beraten, ihre Vorgaben und Aktivitäten, sowie
auswirken werden, nur in Kenntnis der weiteren Entwicklung          die zugehörigen Kosten und Erlösausfälle bestmöglich zu doku-
des Fallzahlanstiegs von COVID-19-Patienten und deren Inan-         mentieren, um bei bislang nicht vorherzusehenden Ausle-
spruchnahme von Krankenhausleistungen erstellt werden               gungsfragen des Gesetzes mithilfe einer guten Datenbasis be-
könnte.                                                             rechtigte Ansprüche geltend machen zu können.
Die Orientierung bei der Berechnung der Höhe der bundesein-         Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wird bis zum
heitlichen Ausgleichszahlung an den durchschnittlichen Kosten       30. Juni 2020 die Auswirkungen u.a. der Regelung für die pau-
aller Krankenhäuser lässt allerdings die Aussage zu, dass die       schale Ausgleichszahlung überprüfen. Dafür soll ein Beirat von
Refinanzierung der Vorhaltekosten für freigehaltene Betten          Vertreterinnen und Vertretern aus Fachkreisen eingesetzt wer-
nicht allen Häusern gleichermaßen gerecht werden kann. Im           den. Mit einer Verordnungsermächtigung erhält das BMG die
Vergleich zu Krankenhäusern mit geringen Vorhaltekosten wer-        Möglichkeit, diese und ausgewählte andere Regelungen, um
den Krankenhäuser mit hohen Vorhaltekosten durch die bun-           jeweils bis zu 6 Monate zu verlängern und den Wert für die
deseinheitliche Ausgleichszahlung systematisch benachteiligt.       Ausgleichszahlung anzupassen, soweit weiterhin planbare Auf-
Hierzu dürften insbesondere Universitätskliniken, bestimmte         nahmen, Eingriffe oder Operationen nicht durchgeführt werden
andere Maximalversorger sowie Spezialversorger, wie Herzzen-        können.
tren gehören. Abhängig vom Leistungsspektrum könnten die
tagesbezogenen Vorhaltekosten dieser Häuser sogar deutlich          Fallbezogene Pauschale zur Kompensation
über der Ausgleichszahlung von 560 € liegen. Vereinzelt wer-        von Preis- und Mengensteigerungen bei
den auch kleinere und mittlere Häuser mit hohen Elektivpatien-      ­persönlichen Schutzausrüstungen
tenanteilen und/oder mit einem hohen Anteil an komplexen            Für jeden im Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 aufge-
Leistungen oder Häuser mit vergleichsweise niedrigen Verweil-       nommenen voll- oder teilstationären Patienten können zugelas-

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sene Krankenhäuser einen Zuschlag von 50 € erheben. Mit dem       erneut vereinbart werden. Auch wenn der Gesetzgeber die
Zuschlag soll eine Kompensation für Preis- und Mengensteige-      Aussetzung des FDA mit möglichen Mehrleis­tungen durch die
rungen infolge der COVID-19-Pandemie erfolgen, insbesondere       Corona-Pandemie begründet, sieht der Gesetzestext die Aus-
bei persönlichen Schutzausrüstungen. Es muss sich zeigen, wie     setzung des Fixkostendegressionsabschlags für die gesamte
weit die Krankenhäuser mit dem nun festgelegten Betrag, der       Vereinbarung des Erlösbudgets 2020 vor. Damit wäre die Aus-
zudem nur 12 Wochen zur Abrechnung kommen soll, zurecht           setzung nicht ausschließlich auf Leistungssteigerungen im
kommen werden. Schon jetzt wird deutlich, dass es gerade          Jahr 2020 zu beziehen, sondern würde auch die Neuvereinba-
bei der Schutzausrüstung zu einer Preisexplosion wegen des        rung der sonst weitergeltenden Fixkostendegres­sionsabschläge
großen Mangels kommt. Krankenhäuser berichten von aktuell         aus den Vorjahren mit umfassen.
10–20-fach höheren Preisen als vor der Krise. Auch für diesen     Angesichts der großen Ungewissheit darüber, wie die COVID-
Zuschlag kann das BMG mit seiner Verordnungsermächtigung          19-Pandemie das Leistungsgeschehen in den Krankenhäusern
sowohl die Dauer, als auch die Höhe, im weiteren Verlauf der      im weiteren Verlauf des Jahres beeinflussen wird, ist derzeit
Krise anpassen. Wir empfehlen, dass Krankenhäuser die Ko-         nicht abzusehen, ob Krankenhäuser überhaupt Leistungsstei-
stenentwicklung und den Mehrverbrauch von Schutzausrü-            gerungen in diesem Jahr erzielen werden. Die weiter oben be-
stungen und andere außerordentliche Kosten, die auf die           schriebenen Ausgleichszahlungen von 560 € pro Tag für nicht
­COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind, nachvollziehbar do-       belegte Betten gehen nicht in den Gesamtbetrag ein. Auch er-
 kumentieren. Nur so kann bei möglichen zukünftigen Ände-         hebliche Leistungsrückgänge sind daher sehr gut vorstellbar. In
 rungen der gesetzlichen Regelungen, die ggf. auch die Forde-     diesem Fall stellt sich die Frage, wie Leistungszuwächse 2021
 rung eines Kostennachweises mit sich bringen könnten, eine       im Sinne der FDA-Regelungen zu bewerten sein werden. Der
 ausreichend belastbare Datenbasis vorliegen.                     Gesetzgeber weist in seiner Gesetzesbegründung ausdrücklich
                                                                  darauf hin, dass für die Budgetverhandlungen des Jahres 2021
Umgang mit Mehr- und Minderleistungen im                          zu berücksichtigen sei, dass das Jahr 2020 ein Ausnahmejahr
Rahmen der Budgetvereinbarung 2020 und in                         ist und keine repräsentative Ausgangsgrundlage für zukünftige
Folgejahren                                                       Budgetverhandlungen bildet. Damit wird deutlich, dass der Ge-
Mit dem Krankenhausstrukturgesetz wurde der Fixkosten-            setzgeber die besondere Problematik für die Leistungsmengen-
degressionsabschlag (FDA) eingeführt, der auf zusätzlich ver-     vereinbarung 2021 bereits voraussieht. Umso erstaunlicher ist
einbarte Leistungen anzuwenden ist. Bestimmte Leistungen          es, dass er die vorhersehbare schwierige Verhandlungssituation
wurden vom FDA allerdings ausgenommen, wie zum Beispiel           nicht durch gesetzgeberische Vorgaben auflöst. Sich aus Kran-
Leistungen mit einem Sachkostenanteil von mehr als zwei           kenhaussicht wohlmöglich ausschließlich bei zu vereinba-
Dritteln, Transplantationen oder Polytraumata. Mit dem            renden Leistungssteigerungen für 2021 auf den neuen, unspe­
COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz werden nun auch
­                                                                 zifischen FDA-Ausnahmetatbestand beziehen zu können, der
Leistungssteigerungen vom FDA befreit, die auf die Behand-        unzumutbare Härten von den Krankenhäusern abwenden soll,
lung von Patienten mit einer SARS-CoV-2 -Infektion oder mit       dürfte bei vielen Krankenhausvertretern ein Gefühl der Verun-
Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion zurückzuführen sind.       sicherung auslösen. Es wäre wünschenswert, dass der Gesetz-
Krankenhäuser sollten bei der Kodierung auf die vollständige      geber zeitnah hierzu eine gesetzliche Regelung verabschiedet,
Erfassung der für diese beiden Tatbestände geschaffenen ICD-      mit der für die Krankenhäuser Sicherheit geschaffen wird, dass
Kodes U07.1! und U07.2! achten, damit der Nachweis auch           sie 2021 nicht durch FDA-belegte Leistungsveränderungen im
datentechnisch erfolgen kann. Zusätzlich eingeführt wird          Vergleich zum Krisenjahr belastet werden. In einem Live-Chat
auch die Möglichkeit, bestimmte Leistungssteigerungen zur         von Bibliomed-Manager am 26. März 2020 deutete Bundesge-
Vermeidung unzumutbarer Härten vom FDA auszunehmen.               sundheitsminister Jens Spahn an, dass durchaus im weiteren
Allerdings zeigt die Erfahrung aus vielen Budgetverhand-          Verlauf des Jahres Regelungen zum Umgang mit Leistungsmen-
lungen, dass insbesondere die Frage, was eine unzumutbare         genvereinbarungen nach dem Krisenjahr gesetzlich vorgegeben
Härte darstellt, äußerst selten von den Vertragspartnern          werden könnten. Nach ersten Überlegungen könnte als Grund-
gleichartig beantwortet wird. Dass diese Regelung also in der     lage für eine Leistungsmengenvereinbarung 2021 Bezug auf das
Praxis erfolgreich zu Gunsten der Krankenhausseite geltend        Leistungsgeschehen 2019 genommen werden, denn 2020 könne
gemacht werden kann, muss bezweifelt werden. Auch der             nicht als Ausgangsbasis dienen.
Nutzen der Ausnahmeregelung der Leis­      tungssteigerung im     Eine weitere Änderung betrifft die Regelungen zu den Mehr-
Zusammenhang mit COVID-19-Infek­tionen und Verdachtsfäl-          und Mindererlösausgleichen bei Abweichung der Ist-Erlöse von
len bleibt abzuwarten. Für 2020 hat der Gesetzgeber nämlich       den vereinbarten Erlösen. Für außergewöhnliche Leistungsent-
den FDA grundsätzlich ausgesetzt. Leis­      tungssteigerungen    wicklungen in Folge von Epidemien können die Vertragspartner
über die Vereinbarung des Jahres 2019 h ­ inaus sind demnach      auf der Ortsebene nun sachgerechte Erlösausgleiche, auch nach
vollständig FDA-frei. Nach § 4 Absatz 2a Satz 5 und § 11 Abs. 2   Ablauf des Vereinbarungszeitraums, vereinbaren. Dass dies
KHEntgG gelten die Fixkostendegres­sionsabschläge aus Vor-        vom Gesetzgeber als Kann- und nicht zumindest als Soll-Rege-
jahren nicht automatisch, sondern nur dann fort, wenn sie         lung formuliert wurde, schafft für die Krankenhäuser allerdings

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Politik/Corona-Pandemie

keinerlei Sicherheit, sind sie in diesem Punkt doch am Ende auf    Ermittlung des Pflegebudgets, die im Vorfeld der COVID-19-Kri-
eine Einigkeit mit den Kostenträgern angewiesen.                   se begonnen wurden, damit nicht umsonst waren.
                                                                   Inwiefern die Krankenhäuser am Ende des Jahres von der
Anhebung des vorläufigen Pflegeentgeltwertes                       Meistbegünstigungsklausel profitieren werden, hängt im We-
und Einführung einer Meistbegünstigungs­                           sentlichen von zwei Faktoren ab. Zum einen bestimmen weiter-
klausel für den Ausgleich des Pflegeerlöses/                       hin die Ist-Kosten für die Pflege am Bett jedes einzelnen Kran-
Pflegebudgets                                                      kenhauses die Höhe des Pflegebudgets. Sofern diese Kosten
Mit dem 2018 verabschiedeten Pflegepersonalstärkungsgesetz         ohnehin einen Pflegeentgeltwert von 185 € oder mehr begrün-
wurde vorgegeben, dass ab 2020 Krankenhäuser die Kosten für        det hätten, profitiert ein Krankenhaus nicht von der Regelung.
Pflegepersonal in der unmittelbaren Patientenversorgung auf        Zum anderen wird aber auch die weitere Belegung eines Kran-
bettenführenden Stationen („Pflege am Bett“) über ein Pflege-      kenhauses darüber bestimmen, wie hoch seine Pflegeerlöse
budget vollständig erstattet bekommen sollen. Da die tatsäch-      ausfallen. Werden die frei zu haltenden Bettenkapazitäten nicht
lichen Kosten für die Pflege erst nach Ablauf des Geschäfts-       durch COVID-19-Patienten in Anspruch genommen und gleich-
jahres bekannt sind, erhalten Krankenhäuser ab 2020 zunächst       zeitig längerfristig an der Maßgabe festgehalten, die Betten wei-
DRG- und tagesbezogene Abschlagszahlungen auf ihr Pflege-          terhin für den Bedarfsfall frei zu halten, wird der Pflege-Case-
budget. Dafür wurde eine Pflegeerlösabrechnung eingeführt,         mix des Krankenhauses sinken. Trotz des vergleichsweise ho-
die neben der Abrechnung der aG-DRGs erfolgt. Um eine Dop-         hen Pflegeentgeltwertes könnten dann am Jahresende die ver-
pelvergütung für die Pflege am Bett zu verhindern, mussten die     einnahmten Pflegeerlöse (Produkt aus Pflege-Casemix und
Bewertungsrelationen der G-DRGs um den Anteil für die Pflege       Pflegeentgeltwert) unterhalb der nachgewiesenen Pflegekosten
abgesenkt werden. Aus den Pflegekosten wurden DRG-spezi-           liegen, so dass erst über den Ausgleich frühestens 2021 das
fische Pflegebewertungsrelationen pro Belegungstag berechnet,      Krankenhaus seine Ist-Kosten erstattet bekommen würde. Li-
die für die Berechnung des Abschlags auf das Pflegebudget be-      quiditätsprobleme wären in dieser Situation zu erwarten.
rücksichtigt werden. Während die „Rumpf-DRGs“ weiterhin als
fallbezogene Pauschale zur Refinanzierung der Kosten außer         Verkürztes Zahlungsziel für Krankenhaus­
für „Pflege am Bett“ abgerechnet werden, erfolgt die Abrech-       rechnungen
nung des Abschlags auf das Pflegebudget mithilfe der im Fall-      Die von den Krankenhäusern 2020 erbrachten und in Rechnung
pauschalenkatalog ausgewiesenen Pflegebewertungsrelationen         gestellten Leistungen sind im Sinne der Liquiditätssicherung
tagesbezogen. Die DRG-spezifische Pflegebewertungsrelation         von den Krankenkassen innerhalb von fünf Tagen nach Rech-
wird dafür mit dem Pflegeentgeltwert und anschließend mit der      nungseingang auszuzahlen. Allerdings ist diese Regelung aus
Verweildauer des jeweiligen Falls multipliziert. Der Pflegeent-    Sicht der Autoren nicht mit einer echten Liquiditätsspritze zu
geltwert soll sich aus dem eigentlich prospektiv zu verhandeln-    verwechseln, auf die Krankenhäuser jetzt zu Beginn der Krise
den Pflegebudget und dem Pflege-Casemix ableiten. Weicht am        häufig angewiesen sein dürften. Neben den reduzierten Be-
Ende des Jahres der Pflegeerlös von den für das Jahr tatsächlich   handlungen und entsprechenden Umsatzeinbußen werden die
angefallenen und nachgewiesenen Pflegekosten ab, so erfolgt        Krankenhäuser mit deutlichen Mehrkosten zum Beispiel für
ein vollständiger Ausgleich des Pflegeerlöses/Pflegebudgets auf    mehr und teurere Schutzausrüstung, Abteilungsverlagerungen,
das Niveau der nachgewiesenen Ist-Kosten (100%-Ausgleich).         ausgelagerte Notaufnahmen etc. belastet.
Bis zur Vereinbarung eines Pflegebudgets war bislang von den
Krankenhäusern ein vom Gesetzgeber vorgegebener vorläufiger        Bonus für zusätzlich geschaffene intensiv­
Pflegeentgeltwert von 146,55 € abzurechnen. Mit dem COVID-         medizinische Beatmungsplätze
19-Krankenhausentlastungsgesetz wurde dieser vorläufige Ent-       Zugelassene Krankenhäuser sollen für die bis zum 30. Septem-
geltwert seit 01.04.2020 auf 185 € angehoben. Zusätzlich wird      ber 2020 geschaffenen zusätzlichen intensivmedizinische Be-
für den Ausgleich des Pflegebudgets eine Meistbegünstigungs-       handlungskapazitäten mit maschineller Beatmungsmöglichkeit
klausel eingeführt. Demnach verbleibt der vereinnahmte Erlös       einen Bonus in Höhe von 50 000 € aus der Liquiditätsreserve
beim Krankenhaus, wenn die nachgewiesenen Kosten für die           des Gesundheitsfonds erhalten. Der Bonusbetrag bleibt damit
„Pflege am Bett“ niedriger sind als die Summe der Pflegeerlöse.    hinter dem geforderten Betrag der DKG und Deutschen Interdis-
Wenn hingegen die Kosten für Pflege am Bett über den verein-       ziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)
nahmten Pflegeerlösen liegen, wird die Differenz zugunsten des     in Höhe von 85 000 € zurück. Allerdings sollen die Länder
Krankenhauses ausgeglichen. Zu beachten ist, dass diese Rege-      kurzfristig jeweils nach eigenen Konzepten weitere erforder-
lung auf das Budgetjahr 2020 begrenzt ist.                         liche Investitionskosten finanzieren. Voraussetzung für den Er-
Aus diesen Regelungen wird deutlich, dass die Vereinbarung         halt des Bonus ist, dass die für die Krankenhausplanung zu-
eines Pflegebudgets für das Budgetjahr 2020 weiterhin erfolgen     ständige Landesbehörde eine Genehmigung für die zusätzlich
muss. Angesichts der damit verbundenen Fragestellungen und         zu schaffenden Kapazitäten erteilt. Krankenhäuser, die zügig
zeitraubenden Aufgaben mag es nur ein schwacher Trost für die      auf den Wunsch des Gesetzgebers reagiert hatten und bereits
Krankenhäuser sein, dass die vorbereitenden Maßnahmen zur          ohne Genehmigung der Landesbehörde Beatmungsplätze ge-

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Politik/Corona-Pandemie

schaffen haben, müssen nun darauf hoffen, dass sie die Geneh-      der entsteht hingegen durch die Fallprüfungen nicht, wobei ein
migung von ihrer Landesbehörde noch erteilt bekommen.              Krankenhauswettbewerb in Zeiten der COVID-19-Pandemie oh-
                                                                   nehin fragwürdig erscheint. Werden alle Krankenkassen bei je-
Einzelfallprüfungen der Krankenkassen                              dem einzelnen Krankenhaus versuchen, mittels der fünftpro-
Der Gesetzgeber will die Krankenhäuser auch in Bezug auf die       zentigen Prüfquote das Maximum an Retaxierung zu erzielen,
Fallprüfungen der Krankenkassen durch die Medizinischen            resultiert im Endeffekt nur ein bürokratieverursachender Wett-
Dienste entlasten. Dazu wurde beschlossen, die maximal zu-         bewerb der EDV-gestützten Fallselektionssysteme der Kranken-
lässige Prüfquote für das Jahr 2020 von 12,5 auf 5 Prozent zu      kassen zur Fallauswahl. Allerdings kann ein Notgesetz wie das
senken. Die Reduktion der Prüfquote soll bereits für das erste     COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz auch nicht die Pro-
Quartal 2020 gelten. Der Gesetzesbegründung kann entnom-           bleme lösen, die im Rahmen des MDK-Reformgesetz erst gar
men werden, dass alle Schlussrechnungen, die 2020 gestellt         nicht angegangen wurden.
wurden, umfasst sein sollen. Demnach dürften auch nur 5 Pro-       Entlastend für die Krankenhäuser könnte der zu erwartende
zent der Fälle aus 2019, für die erst 2020 die Rechnung gestellt   Rückgang von Fehlbelegungsprüfungen, also Prüfungen bereits
wurde, geprüft werden. Krankenkassen, die bereits mehr Prü-        erbrachter Leistungen, sein. Fallprüfungen zur sachlich-rechne-
fungen eingeleitet haben, sollen die Prüfaufträge stornieren.      risch korrekten Abrechnung gehen deutlich häufiger zugunsten
Die Krankenhäuser werden dies zu überprüfen haben. Die Re-         des Krankenhauses aus als die Fehlbelegungsprüfungen. Auch
duktion der Prüfquote zusammen mit dem in vielen Kranken-          können Fragen zu korrekten Kodierung und Abrechnung besser
häusern aufgetretenen Fallzahlrückgang führen zu einer deut-       bilateral zwischen Medizinischen Dienst/Krankenkasse und
lichen Abnahme der absoluten Anzahl von Prüfungen. Es ist          Medizincontrolling bearbeitet werden, während Fragen zur me-
davon auszugehen, dass in Zeiten, in denen viele elektive Auf-     dizinischen Indikation meist die Hinzuziehung der Expertise
nahmen abgesagt werden und Kapazitäten freigehalten wer-           der knappen ärztlichen Ressource erfordert. Allerdings ist nicht
den müssen, die bislang quantitativ im Vordergrund stehenden       auszuschließen, dass Krankenkassen ihre limitierten Prüfungen
Prüfungen auf primäre und sekundäre Fehlbelegung, abneh-           nun auf Fälle mit sehr hohem Retaxierungspotenzial konzen-
men werden. Auch für die GKV müsste es damit akzeptabel            trieren. Hier stehen leider insbesondere die intensivmedizinisch
sein, das Prüfvolumen herunterzufahren, da deutlich weniger        behandelten Fälle im Fokus. Es stellt sich die Frage, ob in der
potenzielle Fehlbelegungen zu prüfen sein werden. Wird ein         Zeit der Corona-Pandemie alle geforderten qualitätsbezogenen
leeres Bett aus Steuermitteln finanziert, reduzieren sich die      (aber nicht wirklich kostenrelevanten) Mindestmerkmale er-
Anreize zur Fehlbelegung und ebenso die Notwendigkeit der          füllt werden können. Zum Beispiel kann kritisch hinterfragt
Prüfung.                                                           werden, ob bei intensivmedizinisch betreuten COVID-19-Pa­
Auch finanziell werden die Krankenhäuser durch diese Ände-         tienten zwingend eine tägliche Physiotherapie erfolgen muss,
rungen entlastet. Zum einen sicherlich bereits durch den abso-     auch wenn dies bei unlimitierten Ressourcen sinnvoll wäre. In
luten Rückgang der Anzahl der Prüfungen, zum anderen auch          anderen europäischen Ländern könnten bereits die Vorgaben
durch die ebenfalls beschlossene Aussetzung der Aufschlags-        der OPS-Komplexkodes zur fachlichen Qualifikation der Ärzte
zahlungen („Strafzahlungen“) bei negativen Gutachten der me-       und insbesondere der Pflegenden als Folge der hohen Patien-
dizinischen Dienste. Die Aussetzung der Aufschlagszahlungen        tenzahlen nicht mehr eingehalten werden. Während der G-BA
gilt sogar bis Ende 2021. Die Sinnhaftigkeit von Strafzahlungen    schon mit einer Anpassung seiner Qualitätssicherungsricht­
für überwiegend erbrachte Leistungen war zu Recht sehr um-         linien reagiert hat, bleiben die OPS-Mindestkriterien unverän-
stritten. Jetzt dürfte genug Zeit bestehen, über Alternativen      dert. Hinzu kommt, dass es gerade in Zeiten gehäufter Covid-
nachzudenken.                                                      19-Patienten auf Intensivstationen wegen der extremen Perso-
Dennoch bleibt das Gesetz hinter den Forderungen der Kran-         nalbelastung zu einer lückenhaften Dokumentation der ohne-
kenhäuser zurück, die sich teilweise eine komplette Ausset-        hin sehr fehleranfälligen Dokumentation der Mindestkriterien
zung der Fallprüfungen erhofft haben, um ihre Ressourcen voll      der Komplexbehandlungen kommen kann. Auch bei mini-
auf die Bewältigung der Krisensituation konzentrieren zu kön-      malsten Dokumentationslücken wurde in der Vergangenheit
nen. Ein gänzlicher Verzicht auf Prüfungen kann aber derzeit       häufig die Berücksichtigung der intensivmedizinischen Be-
keine sinnvollen Anreize setzen, selbst wenn die meisten Kran-     handlung bei der Gruppierung vom Medizinischen Dienst und
kenhäuser momentan mit anderem als einer optimalen Fallab-         den Krankenkassen verweigert. Die überbleibenden Einzelfall-
rechnung beschäftigt sein dürften. Das Grundproblem ist die        prüfungen könnten also schwerpunktmäßig gerade die (er-
Fehlkonzeption der Einzelfallprüfungen als weit im Vorder-         brachten) Leistungen betreffen, die derzeit von Fallprüfungen
grund stehendes Wettbewerbsinstrument der Krankenkassen            verschont bleiben sollten. Hinzu kommt, dass Prüfungen der
untereinander. Die einzelnen Krankenkassen sind daher ge-          intensivmedizinischen Komplexbehandlung deutlich aufwän-
zwungen, ihre fünfprozentige Prüfquote in allen Krankenhäu-        diger sind als andere Fallprüfungen.
sern weiterhin voll auszureizen, selbst wenn sie Verständnis für   Als großes Problem könnte sich auch noch die verfehlte gesetz-
die Überforderungen der Krankenhäuser haben. Eine regulie-         liche Regelung erweisen, nach der die Krankenkassen bei einem
rende Funktion im Wettbewerb der Krankenhäuser untereinan-         „begründeten Verdacht einer systematisch überhöhten Abrech-

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Politik/Corona-Pandemie

nung“ nicht mehr an die Einhaltung der Prüfquote gebunden         der zu dokumentierenden Daten während der Pandemie zu-
sind (§ 275c Absatz 2 Satz 6 SGB V). Die Interpretation des       nächst bis Ende des Jahres nicht immer möglich sein“ wird.
unbestimmten Rechtsbegriffs erfolgt durch die Krankenkassen       Den aus dieser Situation resultierenden Schwierigkeiten soll bei
selbst, ohne dass außergerichtlich einem Missbrauch entgegen-     der Erfüllung der Qualitätsanforderungen Rechnung getragen
gewirkt werden kann (es besteht lediglich eine Anzeigepflicht     wird. Dies soll insbesondere die Durchführung von Qualitäts-
ohne weitere Konsequenzen). Im Hinblick auf die Sozialrecht-      kontrollen und die Anwendung von Sanktionen betreffen. Be-
sprechung der vergangenen Jahre ist auch nicht damit zu rech-     troffen sind u. a. die
nen, dass die Gerichte die Latte für einen begründeten Verdacht   – Qualitätssicherungsrichtlinien (QFR-RL, MHI-RL, QBAA-RL,
einer systematisch überhöhten Abrechnung allzu hoch ansetzen         KiHe-RL, KiOn-RL)
werden. Krankenhäuser werden sich daher nicht endgültig auf       – Richtlinie über Maßnahmen der Qualitätssicherung in Kran-
eine Reduktion der Prüfquote auf 5 Prozent verlassen können.         kenhäusern (QSKH-RL)
Abzuwarten bleibt auch, ob die Krankenkassen mengenmäßig          – Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden
ihre direkten Prüfungen der „Daten“ nach § 301 SGB V (Stich-         Qualitätssicherung (DeQS-RL)
wort: „Kurzbericht“) ebenfalls reduzieren oder im Gegenzug        – Richtlinie zur Personalausstattung Psychiatrie und Psycho-
sogar ausweiten werden. Das Bundessozialgericht hat in seinen        somatik (PPP-RL)
Urteilen hier wiederholt den Krankenhäusern weitgehende           – Richtlinie zur Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur
Auskunftspflichten auferlegt. Die Erstellung von aussagefä-          (QSFFx-RL)
higen Kurzberichten und „Falldialoge“ können erhebliche Res-      – Richtlinie zu planungsrelevanten Qualitätsindikatoren (Plan-
sourcen binden.                                                      QI-RL)
Eine weitere Reduktion des Prüfaufwands wäre noch durch die       – Mindestmengenregelungen (Mm-R)
Aussetzung der vielen Fristen und sanktionsbewehrten Oblie-       – Regelungen zum Qualitätsbericht der Krankenhäuser (Qb-R)
genheitsverletzungen aus der Prüfverfahrensvereinbarung           – MDK-Qualitätskontroll-Richtlinie (MDK-QK-RL),
(PrüfvV) möglich. Hier wären in erster Linie die Selbstverwal-    – die externe und die Datenvalidierung, die MDK-Qualitäts-
tungspartner gefordert, beispielsweise über eine weitere Über-       kontroll-Richtlinie, Regelungen zum Qualitätsbericht der
gangsvereinbarung eine Entschlackung herbeizuführen. Das             Krankenhäuser
Monitoren und Einhalten von engen Fristen bindet derzeit viele    Es wurden Ausnahmen von Anforderungen an die Qualitäts­
Ressourcen, die wahrscheinlich auch durch COVID-19 bedingte       sicherung beschlossen. Unter anderem geht es um Änderungen
Mitarbeiterausfälle weiter eingeschränkt werden.                  der Regelungen zur Datenvalidierung, zum Strukturierten Dia-
Fraglich ist auch, ob die weiteren Gesetzesinitiativen des MDK-   log und zum Stellungnahmeverfahren. Zudem wurden Doku-
Reformgesetzes unter den derzeitigen Bedingungen fristgerecht     mentations- und Nachweispflichten ausgesetzt. Die Ände-
umgesetzt werden können. Vermutlich werden noch weitere           rungen sollen mit Datum vom 27. März 2020 in Kraft treten.
gesetzgeberische Nachbesserungen notwendig werden.                Das ursprünglich für Mitte des Jahres 2020 vorgesehene Inkraft-
                                                                  treten der Richtlinie zur Versorgung der hüftgelenknahen Fe-
Struktur- und Qualitätsprüfungen durch den                        murfraktur (QSFFx-RL) wird auf den 1. Januar 2021 verscho-
Medizinischen Dienst (MD)                                         ben.
Auch die Regelungen zu den Strukturprüfungen von OPS-             Die Änderungen wirken sich sowohl auf die Validierung der
Kodes, die ursprünglich in diesem Jahr mit Wirkung für 2021       Daten aus 2019, als auch auf die Erfassungsqualität der Daten
erfolgen sollten, werden durch das COVID-19-Krankenhausent-       2020 aus. Nach dem Beschluss des G-BA sollen die Auswir-
lastungsgesetz zeitlich verschoben. Die die Strukturprüfungen     kungen nicht zum Nachteil der Krankenhäuser gereichen. Für
regelnde Richtlinie des MD Bund (Erstfassung noch durch den       Folgeproblematiken sollen zeitnah Lösungen vereinbart wer-
MDS) soll nun erst bis zum 28. Februar 2021 erlassen werden       den.
müssen. Eine unbeanstandete Strukturprüfung stellt somit erst
ab 2022 die Voraussetzung für die Abrechnung und Vereinba-        Einbindung von Vorsorge- und Rehabili­
rung der jeweiligen Leistungen dar. Allerdings geht damit ver-    tationseinrichtungen in die akutstationäre
mutlich einher, dass bis zu einer tatsächlichen stattgefundenen   ­Behandlung
Strukturprüfung, Krankenkassen die Strukturmerkmale weiter-       Für den Fall, dass die Behandlungskapazitäten der Kranken-
hin im Rahmen der Einzelfallprüfungen prüfen wollen. Finden       häuser bei einem Anstieg der COVID-19-Patienten nicht ausrei-
Krankenkassen in Einzelfallprüfungen Hinweise auf eine Nicht-     chen, sollen geeignete Vorsorge- und Rehabilitationseinrich-
erfüllung von Strukturbedingungen, könnten sie dies unter Um-     tungen, zunächst begrenzt für Aufnahmen bis zum 30. Septem-
ständen als „begründeten Verdacht einer systematisch überhöh-     ber 2020, an der akutstationären Versorgung betei­ligt werden.
ten Abrechnung“ werten.                                           Voraussetzung ist, dass die Einrichtung über einen Versor-
Mit Beschluss vom 27.03.2020 hat der G-BA erklärt, dass durch     gungsvertrag mit den Krankenkassen nach § 111 Absatz 2 SGB V
die COVID-19-Pandemie „eine vollständige Erfüllung der Quali-     oder über entsprechende Verträge mit der gesetzlichen Renten-
tätsanforderungen des G-BA einschließlich der Vollzähligkeit      oder Unfallversicherung verfügt bzw. von der gesetzlichen Ren-

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Politik/Corona-Pandemie

tenversicherung selbst betrieben wird und vom Land für die            und damit auch die Finanzierung über die DRGs, Zusatzentgel-
akutstationäre Versorgung bestimmt wird. Auch hier kann das           te und Pflegeentgelte in den Häusern sehr unterschiedlich be-
BMG per Verordnung eine Verlängerung der Maßnahme veran-              einflussen. Der pauschale Ausgleich von 560 € für jeden ent-
lassen.                                                               gangenen Belegungstag wird den unterschiedlichen Strukturen
Soweit eine Einrichtung die stationäre Behandlung von Pa­             der Krankenhäuser ebenso wenig gerecht, wie den unterschied-
tienten durchführt, gilt sie als zugelassenes Krankenhaus. Als        lichen Auswirkungen auf den verbleibenden finanzierungsrele-
Grundlage für die Vergütung der erbrachten vollstationären            vanten Casemix als Resultante aus verbleibender Fallzahl und
Leistungen sollen die Vertragsparteien auf Bundesebene Pau-           verbleibender Fallschwere. Die Behandlung eines COVID-19-Pa-
schalentgelte vereinbaren, wobei in der Gesetzesbegründung            tienten, der nicht beatmet wird, dürfte in einer deutlich gerin-
festgestellt wird, dass dafür eine Orientierung an den Fallpau-       geren DRG-Bewertungsrelation resultieren, als die Behandlung
schalen sachgerecht sei.                                              eines Durchschnittsfalls in einem durchschnittlichen Kranken-
                                                                      haus. Damit müssen Krankenhäuser auch bei nicht stark rück-
Perspektiven für die jährlichen Neukalku­                             läufigen Patientenzahlen wegen einer relevanten Anzahl von
lationen des Fallpauschalensystems                                    behandelten Corona-Patienten Erlöseinbußen hinnehmen. In
Obwohl die DKG in ihrem Konzept für den Rettungsschirm                welcher Größenordnung dieser Sachverhalt zum Tragen kommt,
auch Vorschläge zum Umgang mit der jährlichen Neukalkula­             wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Auch
tion des G-DRG-Systems unterbreitet hat, bleiben diese Rege-          die Frage, in welchem Umfang mit der nun gesetzlich beschlos-
lungen durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz                senen Finanzierung den saisonalen Schwankungen Rechnung
unberührt. Während die Kalkulation des G-DRG-Systems 2021             getragen wird, ist kritisch zu beleuchten. Häufig ist in Kranken-
auf den Daten des „normalen Jahres“ 2019 aufsetzt, wird die           häusern ein mehrwöchiges ferienbedingtes „Sommerloch“ zu
Kalkulation des G-DRG-Systems 2022 bei unveränderter Metho-           beobachten. Wenn die Erwartungen bezüglich der deutlich stei-
dik auf Grundlage des Datenjahres 2020 erfolgen. Die Daten            genden Zahlen von COVID-19-Patienten eintreffen, wird es in
dieses Jahres dürften bedingt durch die Auswirkungen der              diesem Jahr kein Sommerloch geben. Die Krankenhäuser wer-
­COVID-19-Pandemie keine adäquate Grundlage für die Kalkula-          den dann auch nicht die Freihaltepauschale zur Abrechnung
 tion des G-DRG-Systems bieten. Hierzu wird der Gesetzgeber           bringen, sondern mit einem für die Urlaubszeit großem (Ur-
 zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aktiv werden müssen          laubssperre) Personaleinsatz die COVID-19-Patienten behan-
 und Vorgaben zum Umgang mit der Neukalkulation des                   deln. Hierfür rechnen sie jedoch bezogen auf ihren CMI wohl-
 G-DRG-Systems 2022 machen müssen. Inwiefern sich Kranken-            möglich häufig unterdurchschnittliche DRG-Erlöse ab, soweit
 häuser auch in Krisenzeiten dazu in der Lage sehen, aktuell die      diese Patienten nicht beatmet wurden.
 Kalkulationsdaten für das Datenjahr 2019 aufzubereiten und           Inwieweit entfallende Wahlleistungserlöse und sonstige Erlöse
 zeitnah Rückmeldungen des Institut für das Entgeltsystem             (KV-Ermächtigungen, Ambulanzen, Hochschulambulanzen,
 (InEK) im Rahmen der Plausibilitätskontrollen zu geben, wird         vor- und nachstationäre Versorgung, Ambulantes Operieren,
 zu beobachten sein. Gelingt es nicht, eine hinreichend reprä-        Cafeteria, Parkraumerlöse etc.) durch die Freihaltepauschale
 sentative Stichprobe von Krankenhäusern mit Daten von hin-           kompensiert werden, muss aktuell offenbleiben. Gerade der
 reichender Qualität zusammenzustellen, wird man auch über            Anteil der stationären Wahlleistungspatienten ist stark different
 den Umgang mit der Neukalkulation des G-DRG-Systems 2021             nach Krankenhäusern und auch nach Regionen. Alle diese Er-
 zu diskutieren haben. Aus Sicht des gerade auslaufenden DRG-         löse tragen in relevantem Umfang zur Sicherung der Wirt-
 Anpassungsverfahrens wäre es wünschenswert, dass auch für            schaftlichkeit des Krankenhauses bei.
 2021 eine Neukalkulation erfolgt, mit der die angezeigten An-        Der Vorschlag der DKG hätte stärker auf die Refinanzierung der
 passungsbedarfe des Systems durch das InEK geprüft und ggf.          aktuellen Vorhaltekosten abgestellt und wäre hinsichtlich sei-
 umgesetzt werden können.                                             ner Gesamtauswirkungen für Kostenträger und für die Kran-
                                                                      kenhäuser wesentlich besser abschätzbar gewesen. Natürlich
Fazit                                                                 birgt auch dieser Vorschlag Umsetzungsprobleme, wie zum Bei-
Der vom Gesetzgeber aufgespannte Rettungsschirm für die               spiel die sachgerechte Verteilung der Budgets auf die unter-
Krankenhäuser weicht in zentralen Elementen deutlich von den          schiedlichen Kostenträger. Auch beim DKG-Vorschlag war die
Vorschlägen der DKG ab. Dem Vernehmen nach hat der Gesetz-            Finanzierung von Wahlleistungserlösen sowie Erlösen aus am-
geber mit seiner Form des Schutzschirms angestrebt, die Kran-         bulanten Leistungen und aus Nebenbetrieben (Cafeteria, Par-
kenhausfinanzierung auch 2020 grundsätzlich im bisherigen             kraum etc.) nicht berücksichtigt und auch hierbei hätte die Lei-
System weiterzuführen. Dabei ist eventuell nicht ausreichend          stungsdokumentation fortgeführt werden müssen
berücksichtigt worden, dass zwei wesentliche Systemparameter          Es wird sich nun zeigen müssen, ob die Krankenhäuser durch
sich voraussichtlich quantitativ dramatisch verändern werden:         die Aufrechterhaltung der leistungsorientierten Vergütung ne-
Dies ist einerseits die Anzahl der Fälle und andererseits der Fall-   ben einer bundeseinheitlichen Ausgleichszahlung ausreichend
mix. Beide Parameter werden sich wahrscheinlich in den Häu-           in Schutz genommen werden. Es bleibt zu hoffen, dass am
sern sehr unterschiedlich im Vergleich zum Vorjahr entwickeln         Ende nicht ein Teil der Krankenhäuser im Regen stehen gelas-

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