Die Automobilität der Zukunft - Chancen für eine zukunftsweisende Forschungs- und Innovationspolitik - VDA
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2 STRATEGIEPAPIER FEBRUAR 2021 DIE AUTOMOBILITÄT DER ZUKUNFT Eine Roadmap für Forschung und Innovation bis 2030 Die Automobilität der Zukunft kommt aus Deutschland und Europa. Dieses Papier beschreibt den Wandel der Automobilität und zeigt auf, wo und wie vorwettbewerbliche Forschung Wie stellen wir sicher, dass und Innovation zukünftig gestaltet werden sollten. Das Ziel die Automobilität der Zukunft von öffentlicher Förderung sollte sein, die Transformation der Automobilität aktiv zu unterstützen, Nachhaltig- in Deutschland ihre Wurzeln keitsziele zu erreichen, Digitalisierung zu forcieren und behält, Nachhaltigkeitsziele Wertschöpfung am Standort Deutschland und in Europa zu sichern. erreicht und die Wertschöpfung sichert? Dieses Strategiepapier Diese Broschüre schlägt Leitlinien und Schwerpunkte für eine zukünftige Forschungs- und Innovationspolitik fasst die wichtigsten Punkte vor. Sie umfasst außerdem einen Themenkatalog für die einer themenübergreifenden und Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen. langfristigen Roadmap zusammen, Als gemeinsames Ziel wird die Einrichtung einer die gemeinsam von der deutschen nationalen Innovationspartnerschaft der deutschen Auto- mobil- und Zulieferindustrie mit Wissenschaft und Politik Automobil- und Zulieferindustrie mit entlang einer Roadmap empfohlen. der Wissenschaft erarbeitet wurde.
3 STRATEGIEPAPIER FEBRUAR 2021 DIE AUTOMOBILITÄT DER ZUKUNFT Die Automobilität ändert sich grundlegend Forschung und Innovation sind der Schlüssel zur Automobilität der Zukunft. Die Vorstellungen vom Fahrzeug, seinen Systemen und seiner Verwendung wandeln sich fundamental: Kunden Bei der Gestaltung der Automobilität haben individuelle Erwartungen, gesellschaftliche Ziele der Zukunft stehen die folgenden Ziele sollen erreicht werden. Gleichzeitig müssen Technologie- souveränität und Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. und Erwartungen im Zentrum: Ein Auto bleibt zwar auch künftig ein starker Ausdruck von Individualität, jedoch wird dessen individueller Besitz Antrieb und Fahrzeug: Energieeffizienz, Emissionsfreiheit, zunehmend um eine geteilte Mitnutzung ergänzt. Modularität, Ergonomie, Komfort Das Fahrzeug wird dabei emissionsfrei und hochauto- Energieträger und Speicher: Kapazität, Sicherheit, Zuver- matisiert sein und effektiv in die Netze für Energie, Daten lässigkeit, Robustheit, Altersbeständigkeit und Verkehr eingebettet werden. Neue private und berufliche Mobilitätszwecke gestalten die Automobilität neu, vor allem Automatisiertes und vernetztes Fahren: Autonomie, im Hinblick auf die Total-Cost-of-Ownership. Hard- und Ausfallsicherheit, Intelligenz, Integration Software und der Zugriff auf Daten in der Cloud verleihen dem Fahrzeug künftig zudem die nötige Intelligenz für den Produktion: Produktivität, Wandlungsfähigkeit, Kreislaufwirt- sicheren, effizienten und adaptiven Betrieb. Eine um- schaft, Standardisierung sichtigere Planung von Verkehr und Logistik in Stadt und Land wird individuelle Mobilitätsbedürfnisse mit kollektiven Werkstoffe und Materialien: Robustheit, Gewichtsein- Erwartungen der Bürger an die gerechte Nutzung von sparung, Ressourcenschonung, Kosteneffizienz Flächen und Ressourcen in Einklang bringen. Infrastruktur: Verfügbarkeit, Resilienz Das spiegelt sich in disruptiven Innovationen wider: von naheliegenden Entwicklungen wie Struktur- und Ge- Mobilität und Logistik: Interoperabilität, Intermodalität, wichtsoptimierung oder der Nutzung von Synergien von Flexibilität, Hygiene, Akzeptanz. Automatisierung und Elektrifizierung bis zu zukünftigen Liefer- und Schwarmrobotern für die urbane Logistik oder dem Übergang von 2D- zu 3D-Mobilität mit Liefer- und Taxidrohnen.
4 STRATEGIEPAPIER FEBRUAR 2021 DIE AUTOMOBILITÄT DER ZUKUNFT Die Bedarfe an Forschung und Innovation sind vielfältig Viele technische Lösungen sind noch nicht so ausgereift, wie es erscheinen mag: Weder kann ein fahrerloses Auto heute bereits so sicher durch das komplexe Umfeld einer Stadt steuern wie eines mit Fahrer, noch kann ein LKW über hunderte von Kilometern völlig emissionsfrei betrieben werden. Selbst Sharing- Fahrzeuge verfügen noch nicht über die adaptive Nutzerfreundlichkeit, die man von ihnen erwarten würde. Dies führt daher zu Forschungsbedarfen in den folgenden Handlungsfeldern. 1 Antrieb und Fahrzeug 2 Energieträger und Speichertechnik 3 Automatisiertes Fahren und Vernetzung 4 Produktion 5 Werkstoffe und Materialien 6 Infrastruktur 7 Mobilitäts- und Logistikkonzepte
5 STRATEGIEPAPIER FEBRUAR 2021 DIE AUTOMOBILITÄT DER ZUKUNFT 1 Nachhaltiger, effizienter und komfortabler 2 Verlässliche, effiziente und nachhaltige Systeme im Fokus Der Fokus auf eine stärkere Nachhaltigkeit der An der Speicherung und dem Transport von Energie Automobilität ändert Antrieb, Steuerung und Aufbau führt kein Weg vorbei, um die Automobilität verläss- des Fahrzeugs radikal. Bei konventionellen Ver- lich an erneuerbare Energiequellen anzubinden. Die brennungsmotoren erfordert dies die Anpassung Lösung muss dabei kosten- und energieeffizient, an alternative Kraftstoffe, die Hybridisierung von bauraum- und reichweitenoptimiert, emissionsfrei, Antrieben und die Minimierung von Schadstoff- sicher und langlebig sein. Das erfordert zusätzliche emissionen. Einen tiefgreifenden Systemwandel Forschung zur Optimierung vorhandener und die stellen die batterieelektrischen und Brennstoffzellen- Erschließung neuer, synthetischer Kraftstoffe für Antriebe dar. Diese erfordern weitere technologische konventionelle und alternative Antriebssysteme. Zu- Fortschritte, vor allem bei Energiespeicher dem muss die Entwicklung von Batterien mit neuen bzw.-wandler, sowie bei Gewicht, Bauraum und Zelltechnologien sowie von Druck- und kryogenen Effizienz von E-Maschine und Leistungselektronik. Speichern für Wasserstoff vorangetrieben werden. Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sind vor Der optimierten Well-to-Wheel-Energieeffizienz allem bei der Modularisierung von Komponenten, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. dem kosteneffizienten Leichtbau und den recycling- Synthetische Kraftstoffe müssen jetzt nachhaltig gerechten Konzepten vonnöten. Die Energieeffizienz weiterentwickelt und standardisiert werden. Druck- sollte erhöht werden, ohne dass der Komfort und Kryospeicher verlangen eine intensivere eingeschränkt wird. Dies verlangt nach integrierten Forschung in Material- und Prozessentwicklung Temperierungskonzepten und Anpassungen in der sowie Verbesserungen der Überwachungssensorik Systemarchitektur. Der Technologiewechsel ebnet im Tank. Der flächendeckende Einsatz von zudem neuen Konzeptideen zur Verbesserung von Batterien gelingt nur durch die Entwicklung von Zell- Package-Effizienz, Ergonomie und Skalierbarkeit technologien mit hoher Kapazität und Ladeleistung, den Weg und erlaubt den Schritt zur Entwicklung der Produktionstechnik für Packs und Module, von neuartigen Interieurs automatisierter und der Weiterentwicklung des Batteriemanagement- vernetzter Mobilitätslösungen. Modularisierung und systems und der zellintegrierten Sensorik, der State- Skalierbarkeit vereinfachen die Anpassung von of-X-Algorithmen und der Predictive Maintenance. Konzepten an spezielle Nutzungsszenarien, bei- Dazu kommen Konzepte für eine nachhaltige spielsweise im Ridesharing-Flotteneinsatz. Induktiv- Nutzung: gesamtsystemische Life-Cycle-Analysen, und Schnellladen beschleunigen zudem den Einsatz tragfähige Konzepte für Second Life und Recycling. von elektrischen PKW. Das verlangt vor allem nach zusätzlicher Künstliche Intelligenz und qualifizierte Daten Forschung zur Systemintegration im Fahrzeug, ermöglichen außerdem eine intelligente Steuerung der kontinuierlichem Zustandsüberwachung und von Funktionen und Services. So wird das Fahren der Ausfallerkennung sowie einer umfassenden zugleich komfortabler und effizienter. Software-Bau- Kosten-Nutzen-Analyse. steine können per Over-the-Air-Updates die Aktuali- Darüber hinaus braucht es geeignete Strategien tät der Systeme gewährleisten. Außerdem werden und Szenarien für die dezentrale, nachhaltige Bordnetze vereinfacht, Latenzzeiten verkürzt und so und energieeffiziente Herstellung von Wasserstoff die Zuverlässigkeit erhöht. und weiteren Energieträgern sowie politischer Rahmenbedingungen. Das gelingt langfristig mit einem gesamtsystemischen, sektorübergreifenden Energiemanagementsystem. So können Fahrzeuge in Netze der regionalen Energieversorgung aus er- neuerbaren Quellen flexibel und effektiv eingebettet werden. Hierzu gehört auch das CO2 -Capturing. Antrieb und Fahrzeug Energieträger und Speichertechnik
6 STRATEGIEPAPIER FEBRUAR 2021 DIE AUTOMOBILITÄT DER ZUKUNFT 3 Sicher automatisiert fahren 4 Grundlegend neue Arbeit Das automatisierte Fahren ist einer der großen Die Automatisierung und Elektrifizierung des Fahr- Zukunftstrends der Mobilität. Gemeinsam mit der zeugs und seine stärkere Einbettung in systemische Vernetzung erlaubt es eine bessere Nutzung der Infrastrukturen sowie Nachhaltigkeitsziele verändern individuellen Fahrzeit, mehr Verkehrssicherheit die Produktion grundlegend. Herstellungsprozesse und -effizienz und ein breiteres individuelles werden durch einfachere Antriebssysteme und Verkehrsangebot. Das vollständige Entbinden des generische Hardware, Over-the-Air-Updates und Fahrers von Verantwortung erfordert allerdings er- cloudbasierte Intelligenz bei der Steuerung deutlich hebliche Fortschritte in der Umfelderkennung und kostengünstiger. Gleichzeitig erfordern innovative der Entscheidungsfindung. Die dreidimensionale Werkstoffe und Fügeverfahren die Entwicklung und Abbildung mit hohem Kontrast und hoher Auf- Einführung neuer Methoden, wie des 3D-Drucks. lösung sowie die Datenfusion zur zuverlässigen So gewinnt die Mensch-Maschine-Zusammenarbeit Verkehrs- und Infrastrukturerkennung sind in der an Bedeutung, unterstützt durch Augmented und Sensorik entscheidend. Weitere Aspekte wie die Virtual Reality, komplexe Sensorik, Exoskelette und (Eigen-)Lokalisation und die zuverlässige Er- intuitive Kollaboration. Damit können Mitarbeiter kennung und Vorhersage von Verkehrssituationen sicherer, präziser und effizienter sowie orts- und sowie die Intentionen anderer Verkehrsteilnehmer zeitunabhängiger arbeiten. gewinnen an Bedeutung. Produktionslinien müssen außerdem nachhaltig, Bei der Systemarchitektur stehen die Entwicklung kreisläufig und energiesparend geplant, gesteuert ausfallsicherer, kompakter und upgradefähiger und betrieben werden, beispielsweise durch Nutzung Systeme sowie die Einbindung von künstlicher von integrierten Konstruktions- und Produktions- Intelligenz und Big Data über Cloud-Infra- methoden. Die nachhaltige Wertschöpfung gelingt strukturen im Vordergrund. Das automatisierte nur mit einer kreislaufwirtschaftsbasierten Produktion, und vernetzte Fahren gelingt nur durch die in der das Design der Produkte sowie der Prozesse Stärkung der Kommunikation und Kooperation die Minimierung, Wiederverwertung und Aufwertung mit der Infrastruktur sowie den Fahrzeugen und von Stoffströmen erlaubt. weiteren Verkehrsteilnehmern. Dazu kommt der Planungs- und Produktionsprozesse müssen so interoperable Datenaustausch und die Umsetzung weiterentwickelt werden, dass sie vor Ort in der eines zentralisierten daten- und KI-basierten Nähe des Kunden umgesetzt werden können. Verkehrsmanagements. So wird die dynamische Der auf breite Individualisierung ausgerichtete Unterstützung hochautomatisierter Fahrfunktionen automatisierte Entwurf, die Entwicklung und in komplexen Operational-Design-Domains möglich. der Betrieb digitaler Zwillinge von Produktions- Dies erfordert auch Weiterentwicklungen im Zu- linien und Wertschöpfungsketten benötigen sammenspiel von Fahrzeug und Mensch: Fahrer- und erheblichen zusätzlichen Forschungsbedarf. Ein Innenraumzustandserkennung, Ergonomie und In- weiterer Schwerpunkt liegt auf sich intelligent sasseninformation, Mensch-Maschine-Interaktion und optimierenden Produktionsabläufen, beruhend auf bidirektionale, intelligente Außenkommunikation sind der Wandelbarkeit der Anlagen für eine fehlerfreie, hier zentrale Themen. Die Entwicklung virtueller Test- individuelle Massenproduktion. verfahren, virtueller und realer Testumgebungen sowie Die Vernetzung von Anlagen, Gebäuden und Stand- die Erstellung realistischer Verkehrsmodelle sind orten ermöglicht es, Prozesse bedarfsorientiert, für eine sichere Integration in das Verkehrssystem reaktionsschnell und flexibel für die Industrie 4.0 zu entscheidend. Zudem braucht es standardisierte gestalten. Gesicherte Plattformen und Ownership- Testspezifikationen und vorgelagerte, standardisierte Konzepte ermöglichen dabei einen sicheren Daten- Risikoanalysen. Neben Forschungsbedarfen spielen austausch. Die Digitalisierung ermöglicht auch in der rechtliche und regulatorische Aspekte im Verkehr Produktion neue Geschäftsmodelle, wie das Sharing und beim Datenschutz sowie die gesellschaftliche von Produktionsmitteln, die es zu erproben gilt. Akzeptanz eine zentrale Rolle. Automatisiertes Fahren Produktion und Vernetzung
7 STRATEGIEPAPIER FEBRUAR 2021 DIE AUTOMOBILITÄT DER ZUKUNFT 5 Neue Werkstoffe und Materialien 6 Rückgrat für die Mobilität von morgen Die Erforschung neuer Materialien und Werkstoffe Die Einbettung des Fahrzeugs in die Netze für ist ein Grundstein neuer Technologien. Besonders Energie, Daten und Verkehr erhöht den Planungs- nachhaltige, leistungsfähige und kostengünstige und Innovationsbedarf erheblich. Die nötige Materialen und Werkstoffe sind für Struktur- und Ladeinfrastruktur muss ausgebaut werden, um Funktionsbauteile von essenzieller Bedeutung. So eine hohe Nutzerakzeptanz und die Marktdurch- braucht es robuste und gesundheitsverträgliche dringung von Fahrzeugen mit alternativen Antriebs- Materialien für die Karosserie, Antrieb und Fahr- systemen sicherzustellen. So müssen Stadt- und werk, beispielsweise durch die Weiterentwicklung Raumplanung noch stärker integriert werden, um von Hochleistungsstrukturwerkstoffen und Hoch- Flächenverbrauch und Nutzerbedarfe abzuwägen. Entropie-Legierungen. Besondere Herausforderungen für die technische Zudem müssen neue Kunststoffe, alternative Forschung und Innovation ergeben sich beim faserbasierte Komposite sowie biologische und Schnellladen im stationären Bereich sowie beim nachhaltige Materialien erprobt werden. So mobilen und automatisierten Laden. kommen Polymerwerkstoffe in Reifen zum Die flexible und effektive Einbettung des Automobils Einsatz, die sich eventuell einmal selbst heilen in die Stromnetze stellt dabei eine Herausforderung können. Besondere Forschungsfragen ergeben und eine Chance dar. Es braucht dazu geeignete sich bei Funktionswerkstoffen für den Antrieb Speicher und einheitliche Schnittstellen sowie und die Steuerung z.B. hinsichtlich des Ersatzes widerstandsfähige und smarte Energienetze. von seltenen Erden durch andere, strukturierte Nur so kann bei bidirektionaler Funktionalität Magnetmaterialien in der E-Maschine oder bezüg- die Zwischenspeicherung von fluktuierenden lich der Ausstattung von Gläsern mit sensorischen Energieeinträgen aus erneuerbaren Energiequellen Fähigkeiten. Bei funktionalen Werkstoffen für das ermöglicht werden. Dazu stellt sich die Frage von Interieur liegen Herausforderungen zum Beispiel bei Verknüpfung von Rekuperation und Verbrauch. Das der Herstellung von wandelbaren Oberflächen für gelingt mit einer Provider-Infrastruktur, die Energie- den Nutzer, aber auch im Einsatz für Komfort- und flüsse im Netz intelligent verteilt. Zudem erhöhen Signalisierungsfunktionen. Hygienischen oder sich Reservierungssysteme und Plug-and-Charge- selbst reinigenden Oberflächen in Sharing-Fahr- Lösungen die Nutzerfreundlichkeit. zeugen kommt aktuell eine große Bedeutung zu. Außerdem müssen Methan und Wasserstoff bereit- Forschung und Innovation helfen bei der Wiederver- gestellt und eine verlässliche Infrastruktur geschaffen wertbarkeit, dem Ersatz von kritischen Materialien, werden. Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit sind die der Sicherstellung von Qualität und der Gesund- abzuwägenden Faktoren. Eventuell hilft dabei die heitsverträglichkeit von Materialien. Nutzung von Gastransportnetzen und die lokale Angesichts neuer Nutzerbedürfnisse sowie der Not- Kraftstoffsynthese in der Nähe des Abgabepunktes. wendigkeit des Wandels hin zu Nachhaltigkeit und Daten und Kommunikation spielen in der Infrastruktur Umweltverträglichkeit von Fahrzeugen und deren eine zentrale Rolle, vor allem hinsichtlich des ver- Produktion bilden Forschung und Innovation im Be- netzten Fahrens und neuer Mobilitätsservices. Das reich der Materialien und Werkstoffe einen wichtigen verlangt nach dem Ausbau von C-ITS, 5G und einer und geeigneten Hebel, diese Ziele zu erreichen. zentralisierten, KI-basierten Datenverarbeitungsinfra- Auch im Hinblick auf die Industrie 5.0 kommt neuen struktur. Datenerhebung, -standardisierung und -fusion Werkstoffen und Materialien eine Schlüsselrolle zu. müssen global behandelt werden. Dabei sind recht- liche Fragestellungen von Dateneigentum und -schutz zu klären. Werkstoffe und Materialien Infrastruktur
8 STRATEGIEPAPIER FEBRUAR 2021 DIE AUTOMOBILITÄT DER ZUKUNFT 7 Mobilität und Logistik neu denken Die Mobilitätsnachfrage wird mittelfristig steigen. Dies wird öffentliche Räume überbeanspruchen und zur Zunahme von Lärm und Schadstoffen führen. Städtische Mobilität gelingt, wenn Mobilitäts- und Transportkonzepte ganz neu entworfen werden. Dazu gehört, Menschen in den Städten mehr Zugang zu öffentlichem Raum für andere Nutzungen als Parken und Fahren zu gewähren. Dies stellt neue Herausforderungen für das Fahr- zeug dar. Kernfragen sind: Welche Rolle kann Car- und Ride-Sharing spielen, insbesondere gemeinsam mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Ist es besser, den Menschen zum Ziel, wie Dienstleistungen und Freizeitgestaltung, oder das Ziel zum Menschen zu bringen? Dies kann durch neue Methoden der Stadtplanung und mit Big Data analysiert werden. Das verlangt auch nach Forschung und Entwicklung von Fahrzeugtechnologien für Sharing oder die letzte Meile und für die Entwicklung von Fahrzeugen mit flexibler Nutzung durch die Kombination auto- matisierter, vernetzter und robotischer Funktionen in wechselbaren, modularen und universellen Aufbauten. Diese könnten für Co-Working, Einzel- handel oder medizinische Versorgung im ländlichen Raum oder im kombinierten Personen- und Güter- verkehr zur Anwendung kommen. Schwarm- und Platooning-Anwendungen können die Effizienz des Verkehrsflusses steigern und spezielle oder universell gestaltete Fahrzeuglösungen versprechen Menschen mit besonderen Bedürfnissen mehr individuelle Mobilität. Verkehrsmittel müssen sich zudem vernetzen, beispielsweise durch intermodale Verkehrshubs, de- zentrale Stationen, plattformbasierte Planungstools und ein standardisiertes Verkehrsmanagement. Weitere Bedarfe ergeben sich bei der Identifizierung von Transfermöglichkeiten automobiler Fahr- zeugtechnik bei Automatisierung, Vernetzung und Elektrifizierung. Beispiele hierfür sind die vertikale Mobilität von intelligenten Diensten für die Wartung von Anlagen der Feuer- und Katastrophenschutz und perspektivisch der Transport von Gütern und Personen oder für Röhrenfahrzeuge, die zur Waren- lieferung genutzt werden. Mobilitäts- und Logistikkonzepte
9 STRATEGIEPAPIER FEBRUAR 2021 DIE AUTOMOBILITÄT DER ZUKUNFT Themenkatalog für die Förderpolitik All dies zeigt: Die Automobilität wandelt sich von autarken Technologien hin zu integrierten und ganzheitlichen Systemlösungen. Nur wenn diese aktiv mitgestaltet werden, können Nachhaltigkeitsziele erreicht, die Wettbewerbsfähigkeit gesichert, ge- sellschaftliche Akzeptanz und Nutzerbedarfe individueller und kollektiver Art miteinander in Einklang gebracht werden. Dies gelingt am besten durch die strategische Förderung von systemischer Forschung und Innovation durch die öffentliche Hand in der Gesamtheit der oben genannten Handlungsfelder, sowohl national als auch auf der europäischen Ebene. Einen umfassenden Überblick der Forschungs- und Förderungsbedarfe in den Handlungsfeldern wird die Roadmap der FAT geben. Exemplarisch seien folgende Themen, die sich im Erarbeitungsprozess der Roadmap als vordringlich heraus- kristallisiert haben, für die Umsetzung in Fördermaßnahmen empfohlen: 01 Optimale Gestaltung neuer Fahrzeuge 02 Nachhaltige Anpassung des Produkts 03 Umweltfreundliches Design neuer hinsichtlich Effizienz, Sicherheit und Automobil an den Wandel von Märkten Fahrzeuge durch bewusste Auswahl Kapazität, u.a. durch modulare und und Umwelt durch integrierte Methoden und Weiterentwicklung von innovativen skalierbare Hard- und Software-Techno- der Konstruktion, Herstellung und Werkstoffen und funktionalen logien und Komponenten für jeden Verwertung sowie Minimierung von Materialien für den Fahrzeugbau spezifischen Einsatzzweck Ressourceneinsatz und Abfallentstehung 04 Umfassende Schaffung multi- und 05 Dezentrale Bereitstellung von 06 Flexible und effektive Einbettung intermodaler sowie inklusiver automatisierbaren Dienstleistungen des Fahrzeugs in Netze der regionalen Verkehrsangebote, auch über die auch außerhalb der Ballungsräume Energieversorgung aus erneuerbaren Optimierung von Fahrzeugen und (z.B. in Medizin und Pflege) durch die Quellen mittels neuer Speicher, Schnitt- digitalen Plattformen für den Flottenein- Verschmelzung von Fahr-, Robotik- stellen und Steuerungen satz im Ridesharing und für die Mobilität und Servicefunktionen der letzten Meile 07 Erhebliche Steigerung der Well-to- 08 Informierte Teilhabe von 09 Sichere Realisierung hochauto- Wheel-Energieeffizienz bei der An- Bürger:innen und kommunalen matisierter Fahrfunktionen in wendung von Wasserstoff mithilfe der Entscheidungsträger:innen an der komplexen Operational-Design- Weiterentwicklung aller Komponenten Gestaltung von Innovationen und multi- Domains, z.B. mit dynamischer der Erzeugung, des Transports und modalen Hubs in der urbanen Mobilität, Unterstützung durch ein der Speicherung u.a. unterstützt von datenbasierten, zentralisiertes daten- und KI- simulierenden und interaktiven basiertes Verkehrsmanagement Methoden der Verkehrsplanung 10 Transfer von Innovationen der 11 Vorausschauendes Management 12Zuverlässige Bewertung der Aus- Automobiltechnik in Verkehrsmittel für der steigenden Komplexität von Fahr- wirkungen der Automobilität auf neue Nutzungsmöglichkeiten, bei- zeugen durch neue, vor allem virtuelle Umwelt, Klima und Energieverbrauch spielsweise durch Ausschöpfung von Methoden in der Entwicklung, in der durch gesamtsystemische Ökobilanzen Synergien der Elektrifizierung, Erprobung und im Betrieb und Lebenszyklusanalysen Automatisierung und Vernetzung
10 STRATEGIEPAPIER FEBRUAR 2021 DIE AUTOMOBILITÄT DER ZUKUNFT Eine Innovations- partnerschaft gestaltet gemeinsam die Programme Die Transformation der Automobilität verlangt agiles und integriertes innovationspolitisches Handeln. Die einzelnen Eine detaillierte Forschungs- Entwicklungen folgen unterschiedlichen Innovationszyklen und Innovationsroadmap der oder hängen direkt voneinander ab. Außerdem braucht es zusätzliche Innovationsschritte, von der Beschaffung der deutschen Automobilindustrie wird Werkstoffe und Materialien über die Zulassung von neuen im Frühjahr 2021 veröffentlicht. Fahrzeugen bis hin zur Anpassung von Wertschöpfungs- strukturen. Häufig ist zudem der Aufbau von geeigneten Sie konkretisiert die Forschungs- Infrastrukturen erforderlich, der langfristig geplant und mit und Innovationsbedarfe aus dem nötigen Budget hinterlegt sein muss. Dies benötigt auch eine verstärkte Digitalisierung, Vernetzung und Sicht der Industrie und sollte der Automatisierung des Automobils, um einen herstellerüber- Ausgangspunkt für eine nationale greifenden Austausch von Daten und eine einheitliche Cyber-Security zu schaffen. Die Bedarfe und Wünsche der Innovationspartnerschaft sein. Nutzer müssen von vornherein berücksichtigt werden. Hier setzt die Roadmap an. Die Roadmap legt zugleich die Grundlage für die Einrichtung einer nationalen Innovationspartnerschaft zur Transformation der Automobilität und ihrer Schlüsseltechnologien. Diese Innovationspartnerschaft soll auf Basis der Roadmap, die in Abständen aktualisiert wird, die Programme gemeinsam gestalten. So kann mittels einer übergreifenden Abstimmung zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eine fundierte, strategisch geplante und anpassungsfähige Förderung von Forschung und Innovation erfolgen, die die Interessen von Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen berücksichtigt. Die Ziele, Inhalte und Budgets der Forschungs- und Innovationsförderung werden dabei anhand der Roadmap im direkten Dialog zwischen den Beteiligten aufeinander abgestimmt. Damit wird die koordinierte Zusammenarbeit von Unternehmen, Wissenschaft und Politik entlang der Wertschöpfungsketten und in Ökosystemen gefestigt. Dies stellt eine Klammer für Testfelder, Reallabore und Sandboxes dar und erhöht deren Wirkung, insbesondere auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Auf europäischer Ebene können damit Initiativen für neue Aus- schreibungen sowie Missionen des Horizon Europe oder weitere Important Projects of Common European Interest (IPCEI) ergriffen werden. Ansprechpartner zum Thema: Dr.-Ing. Joachim Damasky Prof. Dr.-Ing. Claudia Langowsky Geschäftsführer Verband der Automobilindustrie (VDA) Geschäftsführerin Forschungsvereinigung Automobiltechnik (FAT) Behrenstraße 35, 10117 Berlin Behrenstraße 35, 10117 Berlin Tel. +49 30 897842-105 Mobil +49 177 667 22 40 Mail joachim.damasky@vda.de Mail claudia.langowsky@vda.de
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