DIE BEITRAGS-VERWALTUNG IN DER SOZIALVERSICHERUNG AUS VERFASSUNGS-RECHTLICHER SICHT - JKU ...

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Eingereicht von
                                        Bianca Kornherr

                                        Angefertigt am

DIE BEITRAGS-     Institut für Multimediales
                  Öffentliches Recht
VERWALTUNG IN DER
SOZIALVERSICHERUNG
AUS VERFASSUNGS- Beurteilerin
RECHTLICHER SICHT Barbara Leitl-Staudinger
                                                    in            a   in
                  Univ-Prof. MMMag. Dr.

                                        März 2021

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

                                          JOHANNES KEPLER
                                          UNIVERSITÄT LINZ
                                          Altenberger Straße 69
                                          4040 Linz, Österreich
                                          jku.at
                                          DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbständig und
ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel
nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche
kenntlich gemacht habe.

Die   vorliegende   Diplomarbeit   ist   mit   dem   elektronisch   übermittelten
Textdokument identisch.

Mistelbach, im März 2021

Bianca Kornherr

Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Folgenden auf eine
geschlechtsneutrale Formulierung verzichtet. Es sind jedoch immer beide
Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung angesprochen.

                                                                              2/51
Inhaltsverzeichnis

I.         Abkürzungsverzeichnis ......................................................................... 5
II.        Problemstellung und Zielsetzung ......................................................... 9
III. Die Selbstverwaltung ........................................................................... 10
      A.     Allgemeines ............................................................................................................. 10
      B.     Die soziale Selbstverwaltung im Rahmen der Verfassung im Detail .......................... 11
           1. Die Weisungsfreiheit ............................................................................................ 12
           2.     Die finanzielle Autonomie ..................................................................................... 12
      C.        Gibt es überhaupt eine Bestandsgarantie für die gesetzliche Sozialversicherung?.... 13

IV. Die Reform – der Weg zu einer leistungsfähigen und bürgernahen
Sozialversicherung? ................................................................................... 14
V. Die Beitragsverwaltung in der Sozialversicherung ........................... 15
      A.        Einleitung................................................................................................................. 15
      B.        Die Beitragsprüfung in ihrer ursprünglichen Form ..................................................... 16

VI. Die Bestrebungen der Reform: der Weg von der GPLA zur PLAB .. 17
      A.        Umsetzung des Regierungsprogramms ................................................................... 17
      B.        Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren ........................................................... 18
      C.     Inhaltliche Beleuchtung ............................................................................................ 19
           1.  Konzipierung des PLAB ....................................................................................... 19
           2.  Aufgaben des PLAB............................................................................................. 20
             a) Sozialversicherungsprüfung ............................................................................. 20
             b) Lohnsteuerprüfung ........................................................................................... 21
             c) Kommunalsteuerprüfung .................................................................................. 21
           3. Zurechnung ......................................................................................................... 22
           4. Fachliches Aufsichts- und Weisungsrecht ............................................................ 22
      D.        Verfassungsrechtliche Grenzen ............................................................................... 22
           1.     Vorbemerkungen zur Gesetzesprüfung ................................................................ 22
           2.      Die Sozialversicherungsprüfung im Rahmen der Selbstverwaltung ....................... 23
           3.      Der Gleichheitssatz vs. Ungleichbehandlung bestimmter Träger........................... 25
           4.
           Das Sachlichkeitsgebot ........................................................................................ 26
           5.
           Das Effizienzgebot ............................................................................................... 27
      E. Gesetzesprüfung auf Verfassungswidrigkeit ............................................................. 29
        1. Die Mitglieder des Bundesrates ............................................................................ 29
        2. Ist das Entgegenhalten der Bedenken gelungen? ................................................. 32
        3. Was sagt nun der VfGH? ..................................................................................... 34
        4. Die faktische Effektivität aus verfassungsgerichtlicher Sicht ................................. 36
        5. Fazit .................................................................................................................... 37
           6.      Die Reparatur – das Comeback der GPLA? ......................................................... 38

VII. Das Konzept der Mehrfachversicherung ............................................ 40
      A.        Abschaffung der Mehrfachversicherung ................................................................... 40
           1.     Entfall der Antragstellung ..................................................................................... 41
           2.      Zuständigkeit ....................................................................................................... 41
           3.      Höhe .................................................................................................................... 42

                                                                                                                                          3/51
B.   Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Mehrfachversicherung ......................... 43
   C.   Schlussbemerkung zur Mehrfachversicherung ......................................................... 45

VIII. Conclusio .............................................................................................. 46
IX. Literaturverzeichnis ............................................................................. 49

                                                                                                             4/51
I.    Abkürzungsverzeichnis

Abs                      Absatz

ALV                      Arbeitslosenversicherung

AlVG                     Arbeitslosenversicherungsgesetz

Art                      Artikel

ASoK                     Fachzeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht

ASVG                     Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

AUVA                     Allgemeine Unfallversicherungsanstalt

AVG                      Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991

BAO                      Bundesabgabenordnung

BGBl                     Bundesgesetzblatt

BM                       Bundesminister, -in, -ium

BMF                      Bundesministerium für Finanzen

BVA                      Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter

BVAEB                    Versicherungsanstalt        öffentlich   Bediensteter,
                        Eisenbahnen und Bergbau

B-VG                     Bundes-Verfassungsgesetz

bzw                      beziehungsweise

DRdA                     Das Recht der Arbeit

EO                       Exekutionsordnung

ErläutRV                 Erläuterungen zur Regierungsvorlage

EStG                     Einkommensteuergesetz 1988

FA                       Finanzamt

f                        und der, die folgende

ff                       und der, die folgenden

                                                                            5/51
FinBeh    Finanzbehörde

FLAG      Familienlastenausgleichsgesetz 1967

G         Gesetz

GKK       Gebietskrankenkasse

GP        Gesetzgebungsperiode

GPLA      Gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben

GSVG      Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz

hA        herrschende Ansicht

hL        herrschende Lehre

Hrsg      Herausgeber

https     Hypertext Transfer Protocol Secure

idF       in der Fassung

iSd       im Sinne des/der

iVm       in Verbindung mit

KommStG   Kommunalsteuergesetz 1993

KV        Krankenversicherung

leg cit   legis citatae

LG        Landesgericht

lit       litera (Buchstabe)

LSE       London School of Economics

Mrd       Milliarde

n.F.      neue Fassung

ÖGK       Österreichische Gesundheitskasse

ÖZPR      Österreichische Zeitschrift für Pflegerecht

PLAB      Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge

                                                        6/51
PLABG   Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger
        Abgaben und Beiträge

PV      Pensionsversicherung

PVA     Pensionsversicherungsanstalt

Rsp     Rechtsprechung

Rz      Randziffer

S       Seite

SozSi   Soziale Sicherheit

SPÖ     Sozialdemokratische Partei Österreichs

StGG    Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der
        Staatsbürger

stRsp   ständige Rechtsprechung

SV      Sozialversicherung

SV-OG   Sozialversicherungs-Organisationsgesetz

SVA     Sozialversicherungsanstalt       der       gewerblichen
        Wirtschaft

SVB     Sozialversicherungsanstalt der Bauern

SVS     Sozialversicherung der Selbständigen

ua      und andere

VAEB    Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau

VfGH    Verfassungsgerichtshof

VfSlg   Verfassungssammlung

vgl     vergleiche

Z       Ziffer

ZAS     Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht

                                                            7/51
ZPFSG   Gesetz    über     die   Zusammenführung    der
        Prüfungsorganisationen der Finanzverwaltung und
        der Sozialversicherung

                                                    8/51
II. Problemstellung und Zielsetzung

Gegenstand dieser Diplomarbeit ist die kritische Beleuchtung der im öffentlichen
Diskurs umstrittenen Neuorganisation der österreichischen Sozialversicherung
durch das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz BGBl I 2018/100. Der Fokus
liegt auf der Beurteilung der Beitragsverwaltung aus verfassungsrechtlicher
Sicht.    Die Kernfrage lautet daher: „Wie verfassungskonform war die
Neuorganisation der österreichischen Sozialversicherung hinsichtlich der
Beitragsverwaltung tatsächlich?“

Als      Verwaltungsangestellte          in     der       Beitragsabteilung        eines
Krankenversicherungsträgers sind die wesentlichsten Änderungen aufgrund der
„Sozialversicherung – Neu“ hautnah mitzuerleben gewesen. Die praxisnahen
Erfahrungen werden in die Diplomarbeit ebenso miteinfließen und machen die
Diplomarbeit dadurch lebendig und spannend. Auch bei der täglichen Arbeit in
der Beitragsabteilung hat man die Spannungen rund um das Gesetz über die
Zusammenführung der Prüfungsorganisationen der Finanzverwaltung und der
Sozialversicherung BGBl I 2018/981 als Kernstück der Reform bemerkt. Wird die
Sozialversicherungsprüfung zukünftig durch die Finanzämter erfolgen? Wer ist
für die Einhebung und Verwaltung der Beiträge zuständig? Kommt es zur
Abschaffung der Mehrfachversicherung, wie im Regierungsprogramm der XXVI.
Gesetzgebungsperiode2 angekündigt?

Das SV-OG beinhaltet zudem die Reduzierung der Sozialversicherungsträger
von 21 auf nur mehr 5. Weiters ist der Hauptverband, der durch den Dachverband
ersetzt worden ist, nun Geschichte. Ebenso im Fokus steht die Änderung der
staatlichen Aufsicht.

Insgesamt     sind    14   Anträge     auf    Gesetzesprüfung      gegen     die    neue
Organisationsreform der Sozialversicherung beim Verfassungsgerichtshof
eingebracht worden. Im Mittelpunkt der Prüfung sind die Bestimmungen des
ASVG, des PLABG, des SV-OG und des ZPFSG gestanden. Von größter

1
  Das ZPFSG und das SV-OG wurden am 11.12. 2018 bzw. am darauffolgenden Tag im
Nationalrat beschlossen und schließlich am 22.12.2018 kundgemacht.
2
  Vgl Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017-2022, 114; abrufbar unter:
https://www.oeh.ac.at/sites/default/files/files/pages/regierungsprogramm_2017-2022.pdf
(zuletzt aufgerufen am: 03.12.2020).

                                                                                      9/51
Bedeutung sind daher selbstverständlich auch die 4 Erkenntnisse des VfGH vom
13.12.20193, auf die im Anschluss näher eingegangen wird.

Anfangs wird das „Fundament“ der Sozialversicherung – die soziale
Selbstverwaltung – näher erläutert, um anschließend den Fokus auf die
Beitragsverwaltung,     Beitragseinhebung          und    Beitragsprüfung     zu     legen.
Spannend bleibt nach wie vor auch die Diskussion rund um die Abschaffung der
Mehrfachversicherung          in     Österreich.        Die   Conclusio       wird      die
verfassungsrechtliche Sicht rund um die Beitragsverwaltung aufzeigen.

III. Die Selbstverwaltung

A. Allgemeines

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist die Selbstverwaltung eine Organisationsform
in der öffentlichen Verwaltung.4
Seit der B-VG Novelle im Jahre 2008 kennt das B-VG, BGBl I 2019/14, zwei Arten
der Selbstverwaltung. Es ist daher zu differenzieren zwischen:
    ❖ der    territorialen    Selbstverwaltung      –    Selbstverwaltung     durch     die
       Gemeinden gemäß Art 115 – 120 B-VG und
    ❖ der nicht territorialen Selbstverwaltung – „Sonstige Selbstverwaltung“
       gemäß Art 120a – 120c B-VG.
Der Verfassungsgesetzgeber hat daher mit der Novelle die nicht territoriale
Selbstverwaltung („Sonstige Selbstverwaltung“), zu der auch die soziale
Selbstverwaltung zählt, ausdrücklich verfassungsgesetzlich normiert.5
Die Verfassungsdogmatik geht nicht von einem einheitlichen Begriff der
„Selbstverwaltung“ aus. Es wird hingegen von einem „typologischen“ Begriff
ausgegangen,      wie   er    vor    allem   von    Korinek   entwickelt    wurde.     Die
„Selbstverwaltung“ wird daher von mehreren bedeutsamen Kriterien geprägt.
Liegen diese Wesensmerkmale vor, ist der einfache Gesetzgeber berechtigt, in
verfassungskonformer         Weise    Selbstverwaltungskörper      zu     errichten.   Die
folgenden Eigenschaften sind dabei vor allem für die soziale Selbstverwaltung

3
  Vgl VfGH 13.12.2019, G 78-81/2019; VfGH 13.12.2019, G 67-71/2019; VfGH 13.12.2019,
G 119-120/2019; VfGH 13.12.2019, G 211-213/2019.
4
  Vgl Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht (2016) Rz 317 ff; Cerny, Gedanken zur
sozialen Selbstverwaltung, DRdA 2018, 283.
5
  Vgl Cerny, DRdA 2018, 283.

                                                                                       10/51
von größter Bedeutung: die Weisungsfreiheit, die gesetzliche Zugehörigkeit, die
demokratische Legitimation, die Finanzautonomie, die Staatsaufsicht und die
Rechnungshofkontrolle.6

B. Die soziale Selbstverwaltung im Rahmen der Verfassung im Detail

Die Sozialversicherung in Österreich wird seit dem Ende des 19. Jahrhunderts
nach dem Konzept der Selbstverwaltung durchgeführt. Ausgenommen waren die
Jahre des 2. Weltkrieges, in denen die österreichische Sozialversicherung von
der      Reichsversicherungsordnung           bestimmt       wurde.7      Zwischen        der
Sozialversicherung und der normierten Selbstverwaltung besteht somit bereits
seit langer Zeit eine starke Verbindung wie bei „siamesischen Zwillingen“.8
Innerhalb der Gewaltenteilung ist die Sozialversicherung der Verwaltung
zuzuordnen.        Obwohl        bekannterweise        mit      der     Verwaltung        die
Weisungsgebundenheit in einem engen Zusammenhang steht, ist auch aus der
Systematik des B-VG das Regime der weisungsfreien Verwaltung zu erkennen.
Der VfGH betonte diese Sichtweise: „Eine gegenüber staatlichen Organen
weisungsgebunden             arbeitende     Sozialversicherung,         die     nicht     als
Selbstverwaltungskörper organisiert ist, wäre daher verfassungswidrig.“ 9
In Art 120a Abs 1 B-VG ist positivrechtlich verankert, dass es im Ermessen des
Gesetzgebers        liegt,    Selbstverwaltungskörper        zu    errichten.     Aus     der
verfassungsrechtlichen Bestimmung ergibt sich daher, dass gewisse Personen
zu Selbstverwaltungskörpern zusammengefasst werden können.10 Entschließt
sich nun der einfache Gesetzgeber zur Errichtung, so besteht ein gewisser
Spielraum        bezüglich        der      näheren        Ausgestaltung.         Bestimmte
verfassungsrechtliche Garantien sind jedoch dabei immer zu berücksichtigen:
      ❖ der Kompetenztatbestand gemäß Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG,
      ❖ das verfassungsrechtliche System der Selbstverwaltung gemäß Art 120a
         – 120c B-VG und

6
  Vgl Cerny, DRdA 2018, 283 (291 ff).
7
  Vgl Schächter, Zur Reform der Beitragsverwaltung der österreichischen Sozialversicherung -
Bemerkungen zum PLABG, JMG 2019, 87.
8
  Vgl Öhlinger, Die Bedeutung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, DRdA 2002,
191.
9
  VfSlg 17.023/2003.
10
   Vgl Rill/Stolzlechner in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Bundes-
verfassungsrecht, 25. Lfg (2020) Art 120a B-VG Rz 7.

                                                                                          11/51
❖ das Sachlichkeitsgebot, das gemäß Art 7 B-VG und Art 2 StGG aus dem
        Gleichheitssatz abgeleitet wird.11
Wenn ein Selbstverwaltungskörper eingerichtet wird, kommt ihm die bedeutsame
Kompetenz zur Besorgung von öffentlichen Aufgaben zu. Die hoheitlich tätig
werdenden Organe der sozialen Selbstverwaltungskörper werden dabei als
„funktionale Verwaltungsbehörden“ iSd B-VG eingereiht.12 Festzuhalten ist somit,
dass die Sozialversicherungsträger „im überwiegenden Maße funktionell
staatliche Verwaltungsaufgaben besorgen“ müssen.13 Die einzelnen Träger sind
im Rahmen der Aufgabenerfüllung zur Erlassung von generellen sowie
individuellen Rechtsakten befugt.14 Es ist somit erkennbar, dass die autonome
Aufgabenerfüllung ein Wesensmerkmal der Sozialversicherungsträger bildet.

1. Die Weisungsfreiheit

Gemäß Art 120b Abs 1 B-VG kommt den Selbstverwaltungskörpern das Recht
zu, die Aufgaben eigenverantwortlich und weisungsfrei zu besorgen. Weiters
besteht die Befugnis, Satzungen im Rahmen der Gesetze zu erlassen. Diese
Weisungsfreiheit gilt für die Besorgung im eigenen Wirkungsbereich. Aus diesem
Prinzip folgt, dass Weisungen von staatlichen Behörden auf die Entscheidungen
der Sozialversicherungsträger ausgeschlossen sind. Die Ingerenz des Staates
ist auf das Aufsichtsrecht beschränkt.15

2. Die finanzielle Autonomie

Art 120c Abs 2 B-VG sieht eine sparsame und wirtschaftliche Aufgabenerfüllung
der Selbstverwaltungskörper durch Beiträge der Mitglieder oder durch sonstige
Mittel vor. Art 120c Abs 3 leg cit bezeichnet die Selbstverwaltungskörper
ausdrücklich als selbständige Wirtschaftskörper, die im Rahmen der Gesetze
Vermögen erwerben, besitzen und auch darüber verfügen dürfen. Den Trägern
der Selbstverwaltung kommt somit eine umfassende finanzielle Autonomie zu.
Die Verfassungsrechtslehre ist seit jeher davon ausgegangen, dass die
finanzielle       Selbständigkeit         zu       dem         Wesensmerkmal            von

11
   Vgl Aubauer/Rosenmayr-Khoshideh, Sozialversicherungs-Organisationsreform und Grenzen
der Staatsaufsicht, ZAS 2019, 52.
12
   Vgl Günther, Verfassung und Sozialversicherung (1994) 157 ff.
13
   Vgl Korinek/Leitl-Staudinger, Die Organisation der Sozialversicherung, in Tomandl (Hrsg),
System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, 36. Lfg (2020) 485 (499ff).
14
   Vgl Korinek/Leitl-Staudinger in Tomandl 495.
15
   Vgl Cerny, DRdA 2018, 283 (291 ff).

                                                                                         12/51
Selbstverwaltungseinrichtungen gehört.16 Über die zur Verfügung stehenden
Mittel besteht das Recht, ohne staatlichen Einfluss eigenständig und
selbstbestimmt entscheiden zu können.17 Es ist zwar zulässig, dass der Staat
den     Rahmen       vorgibt.     Jedoch      ist        zu    berücksichtigen,     dass    die
Selbstverwaltungsorgane innerhalb dieser Schranken autonom tätig werden.
Fraglich ist nun, was die verfassungsrechtlich garantierte Finanzautonomie bei
der sozialen Selbstverwaltung alles beinhaltet. Nach der Lehre obliegt auch die
Beitragshoheit der Sozialversicherung. Dies inkludiert die eigenständige
Beitragseinhebung,        die    Überprüfung        der       Beitragsgrundlagen     und    die
Beitragsverwendung. Eine gänzliche Übertragung der Beitragseinhebung und
Beitragsprüfung von den Trägern auf die staatliche Finanzverwaltung, wie im
Regierungsprogramm          niedergeschrieben,            scheint   auf   den     ersten   Blick
verfassungswidrig zu sein. Es würde dem Grundsatz der Finanzautonomie
widersprechen. Wie verfassungswidrig dieser Gedanke ist, wird sich noch
zeigen.18

C. Gibt es überhaupt eine Bestandsgarantie für die gesetzliche
   Sozialversicherung?

Bevor die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Beitragsreform näher
beleuchtet werden, stellt sich zunächst die Frage, ob denn überhaupt eine
„Bestandsgarantie“ für die Selbstverwaltung der Sozialversicherung besteht. Die
Frage der Bestands- oder Einrichtungsgarantie bezieht sich einerseits auf die
bestehenden Sozialversicherungsträger und andererseits auch auf das Bestehen
von sonstigen Einrichtungen, mit denen für bestimmte soziale Risiken im Zuge
eines Versicherungssystems vorgesorgt wird.

In Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG ist eine ausdrückliche Ermächtigung des Bundes zur
Gesetzgebung          und       Vollziehung         in        den   Angelegenheiten         des
Sozialversicherungswesens zu finden. Weder aus diesem Kompetenztatbestand

16
   Vgl Korinek, Wirtschaftliche Selbstverwaltung - Eine rechtswissenschaftliche Untersuchung
am Beispiel der österreichischen Rechtsordnung (1970) 14.
17
   Vgl Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung - verfassungsrechtliche Parameter
autonomer Verwaltung (2014) 183.
18
   Vgl Cerny, DRdA 2018, 283 (293 ff).

                                                                                            13/51
noch aus anderen verfassungsrechtlichen Normen, wie beispielsweise den
Grundrechten, lässt sich eine Bestandsgarantie ableiten.19

Der Verfassungsgesetzgeber hat zwar mit der B-VG Novelle im Jahr 2008 die
„sonstige“ Selbstverwaltung – somit auch die soziale Selbstverwaltung –
ausdrücklich in den Art 120a – 120c B-VG normiert. Jedoch kann aus diesen
Normen nach hA auch keine Bestands- oder Einrichtungsgarantie der
Selbstverwaltung in der gesetzlichen Sozialversicherung abgeleitet werden.20

Nichtsdestotrotz wird dem Gesetzgeber ein bestimmter Gestaltungsspielraum
gewährt.21 Diesem Gestaltungsrecht stehen aber auch Grenzen entgegen. Im
Mittelpunkt       dieser      Grenzen         steht          der    verfassungsrechtliche
Selbstverwaltungsbegriff. Diese Schranken für Änderungen ergeben sich zudem
auch    aus    dem    Sachlichkeitsgebot,      dem          Grundrechtsschutz    und   dem
Vertrauensschutz.          Zusammenfassend            ist     festzuhalten,     dass   die
Wesensmerkmale der Selbstverwaltung unberührt bleiben müssen, um
verfassungskonform zu handeln. Wird ein Merkmal hingegen nicht erfüllt, liegt
keine gesetzliche Selbstverwaltung vor. Es würde sich sodann um eine staatliche
Verwaltung oder um Privatautonomie handeln. Der Systemwechsel würde eine
verfassungsgesetzliche Änderung erforderlich machen.22

Will der Gesetzgeber Einrichtungen der sonstigen Selbstverwaltung ändern bzw.
komplett auflösen, ist das vom Art 7 B-VG abgeleitete Sachlichkeitsgebot zu
beachten. Es ist daher zulässig, Änderungen vorzunehmen, jedoch nur so weit,
als auch der Selbstverwaltungsbegriff noch erfüllt ist.23

IV. Die Reform – der Weg zu einer leistungsfähigen und bürgernahen
     Sozialversicherung?

Ausgehend vom Regierungsprogramm 2017-2022 ist eine der größten Reformen
der österreichischen Sozialversicherung ins Leben gerufen worden. Aufgrund

19
   Vgl Berka, Zur Reform der Beitragsverwaltung, in Berka/Müller/Schörghofer (Hrsg), Die
Neuorganisation der Sozialversicherung in Österreich – Verfassungsrechtliche Grundprobleme
(2019) 165.
20
   Vgl VfSlg 19.919/2014.
21
   Vgl dazu auch Öhlinger, DRdA 2002, 191ff.
22
   Vgl Cerny, DRdA 2018, 283 (290).
23
   Vgl Kepez, Verfassungsrechtliche Probleme der Sozialversicherungsreform, DRdA 2020,
211.

                                                                                       14/51
des Umfangs und der praktischen Bedeutung liegt der Fokus nun auf der
Neuorganisation der Beitragsverwaltung. Im Mittelpunkt der geplanten Änderung
steht die Schaffung einer einheitlichen Prüf- und Abgabenstelle für die Einhebung
aller   lohnabhängigen       Abgaben        unter   Beibehaltung    der   partizipativen
Selbstverwaltung. Geplant ist unter anderem auch die Abschaffung der
Mehrfachversicherungen.24 Diese Ziele sollten alle umgesetzt werden, um den
Versicherten eine bürgernahe, leistungsfähige und moderne Sozialversicherung
garantieren zu können. Die verfassungsrechtlich verankerte Selbstverwaltung
darf vor diesem Hintergrund dabei nicht ausgehebelt werden.

V. Die Beitragsverwaltung in der Sozialversicherung

A. Einleitung

Die Finanzierung der Sozialversicherung erfolgt zum größten Teil über
Dienstnehmerbeiträge         der    Versicherten     und   Dienstgeberbeiträge.      Zur
Beitragsverwaltung       zählen       die     Erfassung    der     Versicherten,      die
Beitragsvorschreibungen und die Einhebung der Beiträge. In Folge werden die
bezahlten Beiträge verbucht und auch kontrolliert. Nicht zu vergessen sind
zahlreiche Tätigkeiten, die auch von größter Bedeutung sind: das Meldewesen,
die treuhändige Verwaltung und Weiterleitung der Umlagen bzw. Abgaben und
die Informations- und Auskunftspflicht über die Dienstverhältnisse.25
Zur treuhänderischen Einhebung zählen etwa der Wohnbauförderungsbeitrag,
der      Beitrag       zur         Arbeitslosenversicherung,        der        Insolvenz-
Entgeltsicherungszuschlag und die Arbeiterkammerumlage. Die Gesamtsumme
dieser eingehobenen und an die bestimmten Sozialversicherungsträger bzw.
Institutionen abgeführten Beiträge in der Höhe von rund 40 Milliarden Euro (Jahr
2016) unterstreicht auch die Wichtigkeit der Beitragsabteilungen bei den
einzelnen Krankenversicherungsträgern.26 All diese Aufgaben zählen somit zu
der autonomen Tätigkeit in der gesetzlichen Sozialversicherung.
Die Beitragsschuldner haben die lohnabhängigen Beiträge grundsätzlich
selbständig an die zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen,
außer diese werden mit einem Bescheid vorgeschrieben. Werden diese Beiträge

24
   Vgl Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017-2022, 112 ff.
25
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 158.
26
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 159.

                                                                                     15/51
trotz erfolgter Mahnung gemäß §64 Abs 3 ASVG nicht zeitgerecht abgeführt, hat
der Krankenversicherungsträger einen Rückstandsausweis zu übermitteln, der in
Folge als Exekutionstitel iSd EO dient.27
Die abgeführten Beiträge bilden die Grundlage für die Bemessung der
Geldleistungen. Die Beitragsgrundlagen werden gemäß §31 Abs 4 Z 3 lit a ASVG
idF BGBl I 2017/125 zur Aufbewahrung und Verarbeitung zentral gespeichert.
Die       Versicherungsdaten      spielen     eine    immanente         Rolle   bei     der
Pensionsberechnung, bei den Ansprüchen nach dem AlVG, bei der Feststellung
der leistungszuständigen Krankenversicherungsträger, bei der Auskunft an
Justiz-     und   Verwaltungsbehörden         und     nicht   zuletzt    auch    bei    der
Beitragserstattung im Zuge der Mehrfachversicherung.28

B. Die Beitragsprüfung in ihrer ursprünglichen Form

Dienstgeber haben für ihre Dienstnehmer alle lohnabhängigen Beiträge und
Abgaben im Rahmen der Selbstbemessung zu berechnen und in Folge zu
entrichten.       Anschließend       folgt     eine      detaillierte     Prüfung       der
Versicherungsverhältnisse und aller Beiträge, die entrichtet wurden.29 Gesetzlich
vorgesehen ist die Sozialversicherungsprüfung somit primär, um die Einnahmen
der Sozialversicherung zu sichern. §41a ASVG idF BGBGl I 2017/125 normiert
insbesondere die Prüfung der Meldeverpflichtungen in den Versicherungs- und
Beitragsangelegenheiten und die Abrechnung von Beiträgen. Einen zentralen
Aufgabenbereich stellt außerdem die Prüfung der Beitragsgrundlagen zur
Gewährung des Krankengeldes, des Wochengeldes und des Arbeitslosengeldes
dar. Zur täglichen Aufgabe der Krankenversicherungsträger zählt außerdem
gemäß §41a Abs 1 Z 3 leg cit die Beratung hinsichtlich Melde-, Versicherungs-
und Beitragsangelegenheiten.30

Bis zur Umsetzung der GPLA erfolgte die Prüfung der Abgaben und Beiträge
separat von den Finanzbehörden und den Krankenversicherungsträgern. Seit
dem 01.01.2003 wurde mit dem 2. Abgabenänderungsgesetz 2002, BGBl I

27
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 158.
28
   https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/?contentid=10007.846129&portal=svportal
(zuletzt aufgerufen am: 06.11.2020).
29
   Vgl Stolzlechner, Zusammenführung der Prüfungsorganisationen von Finanzverwaltung und
Sozialversicherungsträgern, in Baumgartner (Hrsg), Öffentliches Recht Jahrbuch 2019 (2019)
83 f.
30
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 159.

                                                                                        16/51
2002/132 die GPLA als Vereinheitlichungsmaßnahme eingeführt. Diese
gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben beinhaltet nicht nur die
Lohnsteuerprüfung,         sondern          auch     die    Sozialversicherungs-       und
Kommunalsteuerprüfung. Die Rechtsgrundlagen sind primär in der BAO
angesiedelt. Außerdem finden sich in den Materiengesetzen, wie im ASVG, EStG
und im KommStG, nähere Bestimmungen zur Prüfung.31 Die Prüfung fällt in die
Zuständigkeit      der    Krankenversicherungsträger           gemeinsam        mit     der
Finanzverwaltung. In der Regel führt jedoch aus Effizienzgründen jeweils nur ein
Organ, das als Prüfungsorgan der zuständigen Behörde tätig wird, diese
gemeinsame Überprüfung durch.32 Das Handeln der Organe wird somit dem zur
Einhebung       berechtigten        Organ     bzw.    Rechtsträger    zugeordnet.      Die
Prüfungsorgane des Finanzamtes werden beispielsweise als funktionelle Organe
der Krankenversicherungsträger für die Beitragsprüfung tätig. Die Ergebnisse der
Prüfung werden mittels Prüfungsbericht dokumentiert und weitergeleitet – sie
entfalten jedoch keine bindende Wirkung. Durch die GPLA wird somit eine
wechselseitige funktionelle Prüfung durch die Bundesabgabenverwaltung und
Krankenversicherungsträger bewirkt.33

VI. Die Bestrebungen der Reform: der Weg von der GPLA zur PLAB

A. Umsetzung des Regierungsprogramms

Das Regierungsprogramm für die Legislaturperiode 2017 bis 2022 konkretisierte
in zwei für die Beitragsprüfung wesentlichen Schritten die geplanten Änderungen.
Schritt 1 beinhaltet die Zusammenfassung der Prüfer der Finanzämter und
Gebietskrankenkassen in einer eigens begründeten Prüfbehörde. Im 2. Schritt
soll   die   Einhebung      aller    lohnabhängigen        Abgaben    ebenso     bei    der
Finanzverwaltung erfolgen. Die „neue Finanzverwaltung“ sollte die Beiträge nach
Einhebung an die jeweiligen Träger verteilen.34 Um das Reformprogramm
umzusetzen, hat das BMF am 14.09.2018 einen Gesetzesentwurf über die
Zusammenführung der Prüfungsorganisationen der Finanzverwaltung und der
Sozialversicherung (ZPFSG) als Ministerialentwurf erlassen. Inhalt dieses

31
   Vgl Feik in Mosler/Müller/Pfeil (Hrsg), Der SV-Komm § 41a ASVG Rz 2 (Stand 01.12.2020,
rdb.at).
32
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 159.
33
   Vgl Stolzlechner in Baumgartner 83 f.
34
   Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017-2022, 129.

                                                                                        17/51
Entwurfes ist ein eigenes Bundesgesetz über die Prüfung lohnabhängiger
Abgaben und Beiträge (PLABG).35 Fraglich ist nun, ob diese Änderung dem
verfassungsrechtlich gewährleisteten Sachlichkeitsgebot entspricht.

B. Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren

Von praktisch nicht unwesentlicher Bedeutung sind nun die zahlreichen
Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren zum SV-OG und zum ZPFSG. Es
langten jedoch nicht nur positive Stellungnahmen ein, sondern auch kritische
Rückmeldungen zur geplanten Reform. Nicht nur Versicherungsvertreter,
sondern auch die einzelnen Sozialversicherungsträger oder Gewerkschaften
brachten die verfassungsrechtlichen Bedenken ein.36 Am meisten Betroffenheit
zeigte      der    „ehemalige“      Hauptverband     –   nunmehr   Dachverband.        Der
Hauptverband          der    österreichischen     Sozialversicherungsträger   teilte   als
„Drehscheibe“ aller Träger die Bedenken einerseits an das Bundesministerium
für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz und andererseits an
das Bundesministerium für Finanzen und an das Präsidium des Nationalrates am
15.10.2018 schriftlich mit.37 Im Fokus der Kritik stand auch die Übertragung der
Sozialversicherungsprüfung an den neuen Prüfdienst beim BMF gemäß §1 ff
PLABG idF des ZPFSG und §41a ASVG idF des ZPFSG. Die geplante Änderung
würde zu mehr Bürokratie und weniger Einnahmen führen. Bereits der
Gesetzgeber hat die Aufgabenerfüllung der Sozialversicherung, zu der auch die
Beitragsverwaltung zählt, als Aufgabe der Selbstverwaltung vorgesehen. Es
könne daher der Sozialversicherung nicht die wesentlichste Aufgabe entzogen
werden, ohne die verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltung zu
hinterfragen. Um das bestmögliche Leistungsrecht anbieten zu können, ist eine
effektive Beitragsverwaltung von größter Bedeutung. §120b Abs 1 B-VG umfasse
auch die Beitragseinhebung und die anschließende Kontrolle.38 Durch die
geplante Änderung der Beitragsprüfung komme es daher zu einer Verletzung des

35
     Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 160.
36
   Parlament, Gesetz über die Zusammenführung der Prüfungsorganisationen der
Finanzverwaltung und der Sozialversicherung – ZPFSG,
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/ME/ME_00077/index.shtml#tab-Stellungnahmen
(zuletzt aufgerufen am: 09.11.2020).
37
   Vgl Stellungnahme zu ME vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungs-
träger, 6/SN-75/ME XXVI. GP, 1.
38
   Vgl Stellungnahme zu ME vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungs-
träger, 6/SN-75/ME XXVI. GP, 43.

                                                                                       18/51
verfassungsrechtlich vorgesehenen Selbstverwaltungsprinzips, einhergehend
mit einem Eingriff in die gesetzlich definierte Finanzautonomie gemäß Art 120a
– 120c B-VG.39
Aus dem verfassungsrechtlichen Effizienzprinzip ergibt sich weiters die
Einschränkung des Gesetzgebers, keine Maßnahmen einzuführen, die diesem
Wirtschaftlichkeitsprinzip von Beginn an widersprechen.40 Letztlich ist der
Gesetzgeber in einer gewissen Weise beweisbelastet, dass die Maßnahmen zu
einer    tatsächlichen     Effizienzsteigerung      führen.     Die    Prognose         des
Hauptverbandes zeige somit, dass dem Gesetzgeber dieser Beweis nicht
gelingen werde und somit widerspreche das ZPFSG dem verfassungsrechtlichen
Effizienzprinzip.41

C. Inhaltliche Beleuchtung

1. Konzipierung des PLAB

§1 PLABG idF des ZPFSG sah die Errichtung eines Prüfdienstes für
lohnabhängige Abgaben und Beiträge vor. Bezugnehmend auf den örtlichen
Wirkungsbereich des einzurichtenden Prüfdienstes kann festgehalten werden,
dass sich dieser auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt. Schon aus der
Interpretation des Gesetzeswortlautes („einzurichten“) ergibt sich der Umstand,
dass keine neue Behörde bzw. Dienststelle per se eingerichtet wird. Zudem ist
kein besonderer Verwaltungsakt für die Errichtung vorgesehen, sodass sich
daraus ableiten lässt, dass eine bloß innerorganisatorische Organisationseinheit
im BMF einzurichten ist. Das PLABG idF des ZPFSG spricht zudem von einem
Prüfdienst, woraus sich ergibt, dass diesem keine eigenen hoheitlichen Aufgaben
zukommen,      sondern     dieser    bloß    als   Hilfsorgan    dienen     sollte.     Aus
organisatorischer Sicht folgt die Aufsichts- und Weisungsbefugnis des BMF
gemäß Art 77 Abs 3 B-VG.42

39
   Vgl Stellungnahme zu ME vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungs-
träger, 6/SN-75/ME XXVI. GP, 7.
40
   Vgl Stellungnahme zu ME vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungs-
träger, 6/SN-75/ME XXVI. GP, 45.
41
   Vgl Stellungnahme zu ME vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungs-
träger, 6/SN-75/ME XXVI. GP, 46.
42
   Vgl Stolzlechner in Baumgartner 86 ff.

                                                                                        19/51
2. Aufgaben des PLAB

Gemäß §3 PLABG idF des ZPFSG sollte der Prüfdienst neben der Prüfung
lohnabhängiger Beiträge und Abgaben iSd §4 leg cit auch die allgemeinen
Aufsichts- und Erhebungsmaßnahmen gemäß §42 und §43 ASVG übernehmen.
Ein beim BMF eingerichteter Prüfungsbeirat sollte gemäß §7 PLABG idF des
ZPFSG damit betraut werden, die Grundsätze zur Erstellung der Prüfungspläne
und Aufsichts- und Erhebungsmaßnahmen auszuarbeiten.43

§4 PLABG idF des ZPFSG weist nun folgende Aufgaben dem Prüfdienst zu:

     ❖ Sozialversicherungsprüfungen (§41a ASVG),
     ❖ Lohnsteuerprüfungen (§86 EStG 1988) und
     ❖ Kommunalsteuerprüfungen (§14 KommStG).

Die Konkretisierung findet in den Materiengesetzen jeweils idF des ZPFSG statt.

a) Sozialversicherungsprüfung
Zur näheren inhaltlichen Ausgestaltung der Sozialversicherungsprüfung ist auf
die obigen Ausführungen zu verweisen. Die Prüfung ist gemäß §41a Abs 1 ASVG
idF des ZPFSG dem PLAB als Prüforgan vorbehalten. Die ÖGK verliert somit
ihre autonome Berechtigung zur Durchführung.44

Zu beachten bleibt hingegen, dass grundsätzlich nur das örtlich zuständige
Finanzamt den Auftrag zur Prüfung erteilen sollte, die ÖGK jedoch jederzeit
gemäß §11 PLABG idF des ZPFSG zur Anforderung einer Beitragsprüfung
ermächtigt ist. Der errichtete Prüfdienst hat gemäß §12 Abs 1 leg cit die ÖGK vor
und nach der Prüfung zu verständigen. Eine rechtliche Bindung des
Prüfungsergebnisses seitens ÖGK sei nicht vorgesehen. Wenn eine Abweichung
getroffen werden sollte, dann würde eine Mitteilungspflicht an den Prüfdienst
erforderlich werden. Die Angestellten der ÖGK sollten ab sofort nicht mehr befugt
sein, eigene Überprüfungen zu veranlassen.45 Bisher waren nur die
Krankenversicherungsträger zur Erteilung des Prüfungsauftrages ermächtigt. 46
Im Ministerialentwurf des PLABG wurde hingegen bestimmt, dass die Behörden

43
   Vgl Lachmayer, Die Sozialversicherungsprüfung als eigener Wirkungsbereich der ÖGK – Zu
den Grenzen der Übertragung der Betragsverwaltung in der sozialen Selbstverwaltung,
ZAS 2020, 65 (66).
44
   Vgl Stolzlechner in Baumgartner 89 ff.
45
   Vgl Lachmayer, ZAS 2020, 65 (66).
46
   Vgl Feik in Mosler/Müller/Pfeil Rz 3.

                                                                                       20/51
von dem Ergebnis des Prüfdienstes „nur abweichen können, wenn ein
begründeter Anlass gegeben ist, ihre Richtigkeit in Zweifel zu ziehen“.47 Dies
wurde in Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit aufgrund der Unklarheit,
Unbestimmtheit und des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung zu Recht
eliminiert.

Zunächst muss festgehalten werden, dass sich diese Regelungen nur auf die
ÖGK     beziehen.     Die    SVS     und    BVAEB   nehmen   nach   wie   vor   die
Sozialversicherungsprüfungen im eigenen Wirkungsbereich nach dem B-KUVG
und GSVG/BSVG vor.48 Fraglich ist, ob dies dem Gleichheitssatz entspricht. Die
nähere Beleuchtung findet unten statt.

Abschließend hat die ÖGK gemäß §21 PLABG idF des ZPFSG dem BMF für ihre
Prüftätigkeit ein Entgelt zu leisten.49

b) Lohnsteuerprüfung
§86 Abs 1 EStG 1988 idF des ZPFSG regelt die alleinige Zuständigkeit des
Finanzamtes der Betriebsstätte. Der Auftrag zur Überprüfung der Steuern ist
daher vom Finanzamt zu erteilen gemäß §10 Abs 2 PLABG idF des ZPFSG.

Zweck dieser Lohnsteuerprüfung ist die Überprüfung der korrekten Einhebung
und Entrichtung der Lohnsteuer sowie Abzugssteuer gemäß §99 EStG. Die
Erhebung des DG-Beitrages gemäß §41 FLAG spielt ebenso eine Rolle. Die
Prüfung sollte künftig nur von den Prüfungsorganen des PLAB durchgeführt
werden. Wie bereits bei der Sozialversicherungsprüfung erwähnt, ist auch in casu
keine Bindung an das Ergebnis der Prüfung vorgesehen. Im Falle von etwaigen
Abweichungen muss dies dem PLAB mitgeteilt werden gemäß §10 Abs 3 PLABG
idF des ZPFSG.50

c) Kommunalsteuerprüfung
Die Ausführungen zur Lohnsteuer- und Sozialversicherungsprüfung gelten
sinngemäß auch für die Kommunalsteuerprüfung gemäß §14 Abs 1 KommStG

47
   ME ZPFSG, 77/ME 26. GP.
48
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 162.
49
   Vgl VfGH 13.12.2019, G78-87/2019 Rz 244.
50
   Vgl Stolzlechner in Baumgartner 90ff.

                                                                                21/51
1993 idF des ZPFSG. Das zuständige Finanzamt darf diese Prüfung nicht
durchführen, stattdessen sollen Organwalter des PLAB herangezogen werden.51

3. Zurechnung

Weiters wurde in §6 PLABG idF des ZPFSG festgelegt, dass bei der Prüfung eine
Zurechnung des Organs des Prüfdienstes an die ÖGK und daher auch die
funktionelle Einbeziehung der Sozialversicherungsträger erfolgen sollte. Dies gilt
auch für die Lohnsteuerprüfung – die Prüforgane des PLAB werden dabei
funktionell       als   Organe    des      FA    tätig.   Bei    der   Durchführung      der
Kommunalsteuerprüfung            wird      das   Organ     des    PLAB     funktionell   als
Gemeindeorgan zuständig.52

4. Fachliches Aufsichts- und Weisungsrecht

Es stellt sich auch die Frage, ob den Organen der ÖGK hinsichtlich der Personen
des Prüfdienstes ein fachliches Aufsichts- und Weisungsrecht zukommt. Dies ist
weder        im    PLABG     gesetzlich      ausdrücklich       normiert   noch    in    den
parlamentarischen Materien vorgesehen. Im Ergebnis besteht diese Kompetenz
daher nicht.53

D. Verfassungsrechtliche Grenzen

Fraglich ist nun, ob die geplanten Änderungen zur Sozialversicherungsprüfung
im SV-OG, ZPFSG und PLABG verfassungsrechtlich auch zulässig sind.
Entsprechen die Bestimmungen dem Sachlichkeitsgebot? Wird durch die
„Sozialversicherungsprüfung Neu“ in die Grundsätze der Selbstverwaltung
gemäß Art 120a bis 120c B-VG eingegriffen? Dies wird nun im Folgenden näher
erläutert.

1. Vorbemerkungen zur Gesetzesprüfung

Wie oben bereits erwähnt, wurde die Verabschiedung des SV-OG und des
ZPFSG, vor allem das in dessen Art 1 normierte PLABG, seit Beginn kritisiert und
nach der Verabschiedung dem VfGH zur Prüfung auf Verfassungswidrigkeit
vorgelegt. Insgesamt hatten die Höchstrichter über 14 Anträge zu entscheiden.

51
   Vgl Stolzlechner in Baumgartner 90ff.
52
   Vgl Lachmayer, ZAS 2020, 65 (66).
53
   Vgl Stolzlechner in Baumgartner 96.

                                                                                         22/51
Diese        Anträge      wurden            insbesondere        von      den     Gebiets-      und
Betriebskrankenkassen, der Bundesratsfraktion der SPÖ, den Arbeiterkammern,
dem LG Linz als Arbeits- und Sozialgericht und dem Österreichischen
Seniorenrat zur Entscheidung vorgelegt.54 Der VfGH entschied in insgesamt 4
Erkenntnissen          über      die        Sozialversicherungsreform.         Die    wesentliche
Entscheidung wurde bereits am 13.12.2019 vorab öffentlich, mündlich
verkündigt. Die schriftliche Ausfertigung der in Summe über 600 Seiten erfolgte
dabei kurz vor Jahresende 2019.55

2. Die Sozialversicherungsprüfung im Rahmen der Selbstverwaltung

Zu      hinterfragen      ist,         ob     die     eigenmächtige        Durchführung        von
Sozialversicherungsprüfungen überhaupt in den eigenen Wirkungsbereich der
Sozialversicherungsträger fällt. Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, da sie
umstritten ist. Selbst der VfGH traf keine explizierte Entscheidung, jedoch ist die
Antwort aus seiner jüngsten Entscheidung vom 13.12.2019 in der Gesamtform
ableitbar.     Im      Fokus      steht       das     Prinzip   der      Finanzautonomie       der
Sozialversicherungsträger.56 Bereits die Verfassungsrechtslehre zählt seit jeher
die   finanzielle      Unabhängigkeit           und    die   Besorgung      dieser     finanziellen
Angelegenheiten zu den Kernaufgaben der (sozialen) Selbstverwaltung.57 Das
Verfassungsrecht gemäß Art 120c Abs 2 B-VG sieht für die Selbstverwaltung
eine sparsame und wirtschaftliche Erfüllung aller Aufgaben durch die Beiträge
der Mitglieder vor. Art 120c Abs 3 leg cit definiert die Selbstverwaltungskörper
ausdrücklich        als       selbständige          Wirtschaftskörper,     die       selbst   zum
Vermögenserwerb bzw. Besitz berechtigt sind.58 Schon aus der Verfassung
ergibt sich die selbständige Finanzierung durch die Beiträge ihrer Mitglieder.
Nichtsdestotrotz darf die eingeräumte „Macht“ des einfachen Gesetzgebers nicht
außer Acht gelassen werden. Viele Angelegenheiten zur Beitragsverwaltung und
Beitragsentrichtung, wie die Beitragssätze oder Säumnisfolgen, wurden bereits
einfachgesetzlich normiert. Die Aufgaben zur selbständigen Regelung durch die

54
   Vgl Pfeil, Verfassungswidrigkeiten der Reformen der Sozialhilfe bzw der Organisation der
Sozialversicherung (Teil II) – SV-OG und PLABG, ÖZPR 2020, 29.
55
   VfGH 13.12.2019, G 78-81/2019; VfGH 13.12.2019, G 67-71/2019; VfGH 13.12.2019, G 119-
120/2019; VfGH 13.12.2019, G 211-213/2019.
56
   Vgl Lachmayer, ZAS 2020, 65 (67).
57
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 167.
58
   Vgl Lachmayer, ZAS 2020, 65 (67).

                                                                                               23/51
Satzungen oder Richtlinien sind daher stark begrenzt. Zunächst kann daher
festgehalten werden, dass keine vollständig eigenständige Gebarung der
Selbstverwaltungskörper          vorherrschend        ist.59   Diese       Begrenzung   der
Finanzautonomie ergibt sich ohnehin auch durch die Weisungen des BM gemäß
§444 ASVG hinsichtlich der Rechnungsführung.60

Fraglich ist, ob es nicht einen funktionellen Zusammenhang zwischen der
Finanzgebarung und den Selbstverwaltungsaufgaben gemäß Art 120c Abs 2 B-
VG gibt. Neben den Aufgaben im übertragenen Wirkungsbereich haben die
Sozialversicherungsträger zentrale Aufgaben auch im eigenen Wirkungsbereich
zu entrichten.61 Diese Selbstverwaltungsaufgaben sind gemäß Art 120b Abs 1 B-
VG „im Rahmen der Gesetze frei von Weisungen“ eigenverantwortlich zu
erfüllen. In concreto hat der Gesetzgeber diese Grundprinzipien somit zu
berücksichtigen und zu respektieren. Wie oben bereits angedeutet, stehen somit
die Erledigung der Selbstverwaltungsaufgaben und die Finanzierung in einem
unzweifelhaften Zusammenhang, aus dem sich nun auch die autonome
Zuständigkeit über die Finanzgebarung ergibt. Unter Berücksichtigung dieser
gesetzlichen Aufgabenübertragung an die Selbstverwaltungskörper lässt sich
nun tatsächlich eine Finanzautonomie für die Sozialversicherungsträger ableiten.
Diese finanzielle Selbständigkeit darf daher durch den Gesetzgeber nicht
eingeschränkt      werden,      um     auch       weiterhin    die   verfassungsgesetzlich
vorgesehene eigenverantwortliche Aufgabenerledigung zu gewährleisten.62

Der VfGH führte ausdrücklich bereits in seiner Entscheidung im Jahr 2003 die
Aufgabe der sozialen Selbstverwaltung an, zu der die „autonome Organisation
der    Vollziehung       der    gesetzlich        geregelten    Unfall-,     Kranken-   und
Pensionsversicherung von der Beitragseinhebung bis zur Leistungserbringung“
zählt.63 Daraus lässt sich auch die Finanzgebarung im Rahmen der sozialen
Selbstverwaltung ableiten, zumal der VfGH die Beitragseinhebung explizit
erwähnte. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass prinzipiell
die nähere Gestaltung der Finanzgebarung der Sozialversicherungsträger dem
einfachen Gesetzgeber obliegt. Zu dieser Aufgabe zählt grundsätzlich auch die

59
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 169.
60
   Vgl Korinek/Leitl-Staudinger in Tomandl 529.
61
   Vgl Korinek/Leitl-Staudinger in Tomandl 516.
62
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 170.
63
   Vgl VfSlg 17.023/2003.

                                                                                        24/51
Beitragsverwaltung. Zu beachten ist jedoch, dass der Gesetzgeber die
Autonomie der Finanzierung bei Wahrnehmung der Selbstverwaltungsaufgaben
akzeptieren muss. Diese Aufgaben, zu denen eben die Beitragseinhebungen und
Beitragsprüfungen        zählen,   müssen       durch    die     Sozialversicherungsträger
selbständig und eigenverantwortlich besorgt werden. Wenn nun Bestimmungen
des    einfachen      Gesetzgebers       erlassen    werden,         die      diese   Autonomie
beeinträchtigen, liegt ein klarer Verstoß der verfassungsrechtlich garantierten
Grundsätze der Art 120a ff B-VG vor. Diese Normen sind daher unzulässig.64

3. Der Gleichheitssatz vs. Ungleichbehandlung bestimmter Träger

§4 Abs 2 PLABG idF des Ministerialentwurfs sah noch eine ausdrückliche
Ausnahme des Prüfdienstes vor, falls ein anderer Krankenversicherungsträger
für die Beitragseinhebung zuständig ist als die ÖGK. Diese explizite Bestimmung
ist im PLABG nicht mehr niedergeschrieben. Die geplante Änderung des §41a
ASVG idF des ZPFSG und das PLABG idF des ZPFSG beziehen sich jedoch
dennoch hinsichtlich der Sozialversicherungsprüfung gemäß §41a leg cit nur auf
die ÖGK. Die anderen Träger bleiben dabei unberührt – SVS und BVAEB sollen
die Beitragsprüfungen nach wie vor im eigenen Wirkungsbereich gemäß den
Bestimmungen        im    GSVG/BSVG/B-KUVG              wie    gehabt         durchführen.    Die
Streichung der ausdrücklichen Ausnahme führte somit zu keiner geänderten
Rechtslage.65      Betrachtet      man      diesen      Aspekt,       fällt     sogleich     eine
Ungleichbehandlung auf, die gleichheitsrechtliche Probleme mit sich bringt.
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die österreichische
Sozialversicherung seit jeher eine berufsständische Gliederung erfährt. Dies
macht sich durch einen unterschiedlichen Versichertenkreis bemerkbar.
Dennoch         hat       die       Beitragsprüfung            für         jeden      einzelnen
Krankenversicherungsträger dieselbe Bedeutung. Nach der Ordnungssystem-
Judikatur hat der einfache Gesetzgeber einen gewissen Gestaltungsspielraum
bei seinen Entscheidungen. Sollte es zu einer ungleichen Behandlung kommen,
müsse dies auch einer Rechtfertigung unterliegen.66 Der VfGH stellte bereits
bezugnehmend auf die soziale Selbstverwaltung fest, dass die Versicherten

64
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 171.
65
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 191.
66
   Vgl VfSlg 15.859/2000.

                                                                                              25/51
keine gemeinsame Risikogemeinschaft darstellen.67 Grundsätzlich müssen nach
der Rsp nur Unterschiede innerhalb der einheitlichen Risikogemeinschaft
sachlich gerechtfertigt sein. Genau diese Einheitlichkeit der Versicherten liegt in
Österreich nicht vor.68 Somit liegt es innerhalb des Gestaltungsspielraums des
Gesetzgebers und die Differenzierung ist verfassungskonform. Anders sieht es
hingegen Berka. Er geht davon aus, dass sich für die Ungleichbehandlung der
verschiedenen Krankenversicherungsträger (ÖGK, SVS und BVAEB) keine
sachliche Rechtfertigung finden lässt. Obwohl der Versichertenkreis differiert, ist
die Beitragsverwaltung für alle Krankenversicherungsträger von erheblicher
Bedeutung.        Die       Ungleichbehandlung            widerspricht       somit      dem
verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gemäß Art 7 B-VG.69

Unter Abwägung dieser beiden Ansichten überzeugt die Ansicht des VfGH
aufgrund der Schlüssigkeit. Bereits aus dem historischen Blickwinkel in
Verbindung mit der praktischen Erfahrung ergeben sich enorme Unterschiede
hinsichtlich des Versichertenkreises. Eine Vereinheitlichung wäre praktisch
undenkbar. Es lässt sich daher keine Verletzung des verfassungsrechtlichen
Gleichheitsgrundsatzes erkennen.

4. Das Sachlichkeitsgebot

Der Gesetzgeber hat auch das allgemeine Sachlichkeitsgebot, das aus dem
Gleichheitssatz abgeleitet wird, bei der Gesetzgebung zu beachten. In concreto
bedeutet dies, dass der Gesetzgeber bei Änderung der Rechtslage sowohl
objektive als auch sachliche Gründe nennen muss. Für die Errichtung eines
Selbstverwaltungskörpers         bedarf     es    daher     ebenso       einer   sachlichen
Rechtfertigung.70 Allgemein gesagt muss nach der Rspr des VfGH jede
Gesetzesänderung auch schlüssig, nachvollziehbar und sachlich begründet
werden.71

Auch für die Wahrnehmung der Aufgaben im Zuge der Beitragsverwaltung ist das
verfassungsrechtliche Sachlichkeitsgebot von erheblicher Bedeutung. Da in

67
   Vgl VfSlg 10.451/1985.
68
   Vgl VfSlg 13.829/1994.
69
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 192.
70
   Vgl zum Sachlichkeitsgebot als Inhalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes zB
Berka in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 25. Lfg
(2020) Art 7 B-VG Rz 7 und Rz 49 ff.
71
   Vgl VfSlg 8215/1977.

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§120b Abs 1 B-VG die selbständige Besorgung der Aufgaben vorgesehen ist, ist
der Gesetzgeber nicht befugt, Normen zu erlassen, die diese autonome
Aufgabenerfüllung erschweren. Fraglich ist nun, ob die konkrete geplante
Änderung (§41a ASVG iVm PLABG) diesem Sachlichkeitsgebot entspricht.
Berka betont die Unsachlichkeit und daher den Verstoß gegen den
Gleichheitssatz, wenn die selbstverantwortliche Aufgabenerfüllung unmöglich
gemacht werden würde. Bei der zu analysierenden Gesetzesänderung trifft
dieses Faktum zu, da die ÖGK zukünftig nicht mehr eigenständig ermächtigt
werden soll, Beitragsprüfungen durchzuführen. Nach Berka liegt somit in casu
ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsprinzip vor.72

Anzumerken       ist,   dass    diese     Überlegungen       nur    gelten,    solange   die
Sozialversicherung auf dem Konzept der sozialen Selbstverwaltung beruht.
Sollte es zu einer grundsätzlichen Systemänderung kommen, bei der die
Sozialversicherung im Rahmen einer unmittelbaren Staatsverwaltung tätig
werden soll, beurteilt sich die Sachlichkeit klarerweise nach einem anderen
Maßstab.73

5. Das Effizienzgebot

Die Aufgaben der Selbstverwaltungskörper sind gemäß Art 120c Abs 2 B-VG in
einer sparsamen und wirtschaftlichen Art und Weise zu erfüllen. Aus dieser
Gesetzesbestimmung            ergibt    sich    bereits   das        verfassungsrechtliche
Effizienzprinzip. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die öffentliche Verwaltung bei
ihrer Tätigkeit die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit immer im
Vordergrund halten muss. Dies folgt ausdrücklich aus der Bestimmung des Art
126b Abs 5 B-VG.74

Für die Einnahmensicherung in der Sozialversicherung und die Effizienz dieses
Systems spielt die Sozialversicherungsprüfung eine wesentliche Rolle. Nicht nur
das      gleichheitsrechtliche         Sachlichkeitsgebot,         sondern      auch     das
verfassungsrechtliche Effizienzprinzip gilt es daher zu berücksichtigen. Im
Zusammenhang            mit     den      Beitragsangelegenheiten             innerhalb   der
Sozialversicherungsträger bedeutet dies, dass die Beitragseinhebung, die

72
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 171.
73
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 172.
74
   Vgl Berka in Berka/Müller/Schörghofer 172.

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