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Keine chicken schicken Wie Hühnerfleisch aus Europa Kleinbauern in Westafrika ruiniert und eine starke Bürgerbewegung in Kamerun sich erfolgreich wehrt
Liebe Leserin, lieber Leser! D ies ist nun die dritte Auflage einer Broschüre, die den mutigen und erfolgreichen Widerstand der EED Partnerorganisation ACDIC gegen Fleischimporte beschreibt. Leider ist das Beispiel noch immer aktuell. Während in Kamerun die Geflügelhalter wieder ihre Hähnchen auf den Märkten verkaufen können, zerstören Fleischim- porte aus der EU, den USA und Brasilien weiterhin die Existenzen von Tausenden von Kleinbauern in anderen Ländern West- und Zentral- afrikas. Wir geben daher dem Beispiel der Geflügelhaltung in Ghana mehr Raum in dieser Auflage der Broschüre. Dort haben die Importe von bil- ligen gefrorenen Hähnchenteilen inzwischen fast die gesamte Geflügel- produktion zerstört. Der EED und seine Partnerorganisationen versu- chen weiterhin eine internationale Lösung durchzusetzen, die es Ent- wicklungsländern erlaubt, schnell und effektiv ihre lokale Agrarpro- duktion vor unfairen Dumpingimporten zu schützen. Die erfolgreiche Verbreitung dieser Broschüre, der DVD „Hühner- wahnsinn“ und des Buches „Das Globale Huhn“ haben dazu geführt, dass weder Politik, noch Fleischindustrie das Problem ignorieren können. Inzwischen verweigern afrikanische Regierungen die Unterschrift unter Handelsvereinbarungen mit der EU, solange ihre Kleinbauern nicht vor europäischen Dumpingprodukten geschützt sind. Das ist auch gut so. Wir hoffen, dass auch Sie diese Broschüre überzeugt sich zu enga- gieren, damit Entwicklungspolitik zur Bekämpfung von Armut und Hunger nicht vermeintlichen Handelsinteressen der EU geopfert wird. Sie können auch selbst durch nachhaltigen Konsum dazu beitragen, dass es zukünftig keine billigen Fleischreste mehr gibt, die zu Dum- pingpreisen auf den Märkten West- und Zentralafrikas gehandelt Keine chicken schicken werden und die Existenz der dortigen Produzentinnen gefährden. Wie Hühnerfleisch aus Europa Kleinbauern in Westafrika ruiniert und Mit großer Sorge beobachten wir, wie viele neue Mastanlagen und eine starke Bürgerbewegung in Kamerun Schlachthöfe in Deutschland gebaut werden, um noch mehr Fleisch sich erfolgreich wehrt zu exportieren. Wir unterstützen die Proteste vieler Bürgerinnen und Bürger gegen solche Großmastanlagen. Auch zum Schutz der Geflügel- Herausgeber: Evangelischer Entwicklungsdienst e.V. (EED ) halter in Afrika. Ulrich-von-Hassell-Straße 76, 53123 Bonn Telefon (02 28) 81 01- 0, Fax (02 28) 81 01-160 Mit freundlichen Grüßen, eed@eed.de, www.eed.de Association Citoyenne de Défense des Intérêts Collectifs (ACDIC) Francisco J. Marí BP 11955 Jaunde / Kamerun EED Projektreferent Agrarhandel Telefon (00237) 220 73 37 acdic@acdic.net, www.acdic.net Redaktion: Francisco Marí, Stig Tanzmann, Jule Rode Bildnachweis: ACDIC: Titel, Umschlagseite innen, S. 2, 4, 5, 7, 8; Barbara Bosman: Titel; Marcello Faraggi: S. 9, 14; Martin Lelle: S. 1; Francisco Marí: Titel, S. 10, 11, 16; Björn Oldsen: S. 1; Stig Tanzmann: S. 13 Gedruckt auf 100% Recyclingpapier 3. Ausgabe, September 2010
Wie Hühnerfleisch aus Europa Kleinbauern in Westafrika ruiniert 1 „Ihr wollt aufeinander acht haben, und Euch anreizen zur Liebe und zu guten Werken.“ D er Vater der Braut zitiert den Trauspruch Notabeln, staatliche, kirchliche und traditio- von Lisa und Lukas und hebt sein Glas. nelle Honoratioren. Dann kommen Männer, „Darauf und auf Euer Glück möchten wir Frauen und als letztes die Kinder. anstoßen.“ Die Gäste prosten dem Brautpaar Zwei Hochzeitsgesellschaften – eine auf der zu. Dann wird das Büfett eröffnet. Bunte Salat- nördlichen Erdhälfte, eine auf der südlichen platten, Hühnchenbrust im Zucchinimantel, Hälfte. Beide essen von denselben Hühnern. Variationen von Fisch und andere Köstlichkei- Die im Norden die Filetstücke, die im Süden ten. Eine Hochzeit in Deutschland. den Rest. Die Hühner werden zerlegt und die „Wir gehen Hähnchen essen“, begrüßen Teile dort verkauft, wo sie den höchsten Preis sich die Bewohner von Mbou im Westen Ka- erbringen. Zum Beispiel in Westafrika. Die Ver- meruns die ganze Woche. Ein Festmahl steht braucherinnen in Kamerun und anderswo haben an, die Hochzeit von Martin und Dorint. Der zugegriffen bei den EU-Importhühnern. Die Festtag. Familie und Freunde und das ganze sind billig und man kann sie in Teilen kaufen: Dorf sind gekommen. Das Paar heiratet auf Schenkel, Flügel, Hälse und Füße. Einheimisches traditionelle Art. Eines der Rituale dabei – Geflügel gibt es bisher nur im Ganzen und die Mann und Frau geben sich gegenseitig Essen. meisten Konsumenten können es sich nur bei Links: Hühnchenbrust Wir sorgen füreinander, heißt das. Nach einem Festen und Feiern leisten. Huhn hat Renommee im Zucchinimantel und Gebet des Dorfpfarrers eröffnet der höchste in Westafrika. Wer den begehrten Leckerbissen bunte Salatplatte: traditionelle Repräsentant das Festmahl. Es gibt auf den Tisch bringt, steigert sein Ansehen, Hochzeit in Deutschland Huhn mit Yams-Püree in einer Palmölsoße selbst wenn es europäische Billigware ist. Rechts: Hühnerschenkel, dazu frittierte Kochbananen. Schenkel, Flügel, Für den Hühnerzüchter Fridolin Mvogo aus -flügel und -hälse mit Hälse schwimmen in der sämigen Soße. Alle Kamerun war das existenzbedrohend. „Durch Yams-Püree in Palmölsoße: greifen zu, streng nach dem Rang im Dorf. die Importhühner verkaufe ich nicht mehr so- Hochzeit in Kamerun Zuerst die Ehrengäste – der Dorfchef, die viel Tiere wie früher.“ Die massiven Exporte
2 Keine chicken schicken Tiefgefrorene Hühner- tiefgefrorener Hühnerteile aus Europa haben in Eine Bürgerbewegung entsteht teile aus Europa werden den letzten Jahren die einheimischen Märkte Diese Broschüre erzählt die Geschichte eines offen, wie hier in Jaunde/ in Westafrika ruiniert. Die Geflügelhalter Erfolges. Ende 2003 gründet sich in Kamerun Kamerun, auf Märkten können mit den niedrigen Preisen des Import- die Bürgerbewegung ACDIC: Association angeboten. geflügels nicht konkurrieren. Sie verkaufen Citoyenne de Défense des Intérêts Collectifs – Eine Gesundheitsgefahr nicht mehr kostendeckend, ihnen fehlt Geld Bürgervereinigung zur Verteidigung kollektiver für die Bevölkerung. für neue Küken und sie können ihre Kredite Interessen. Sie startet eine Kampagne gegen die nicht mehr zurückzahlen. Viele haben ihre „Hähnchen des Todes“ aus Europa, deckt die Existenzgrundlage verloren. Missstände beim Import und der Hygiene auf Nicht nur das. Die gefrorenen Hühnerteile und schafft es, Medien, Politiker, Verbrauche- aus Europa gefährden die Gesundheit der Be- rinnen und Bauern in Kamerun zu mobilisie- völkerung, denn in Ländern wie Kamerun kann ren. „Zum ersten Mal hat eine Kampagne in eine geschlossene Kühlkette oft nicht gewähr- Kamerun ein solch starkes Echo in der Bevölke- leistet werden. Das Fleisch ist längst aufgetaut rung gefunden,“ sagt Jacob Kotcho, Geschäfts- und ein idealer Nährboden für Bakterien, bis es führer von ACDIC. nach dem Löschen im Hafen an den Verkaufs- Die Aktionen ACDICs sind erfolgreich. Die ständen angekommen ist. Mehr als vier Fünftel Konsumenten in Kamerun boykottieren schnell der tiefgefrorenen Hühnerteile, die in Kamerun das tiefgefrorene Hühnerfleisch aus Europa. auf den Markt kamen, waren für den mensch- Die Regierung reagiert und beschränkt die Im- lichen Verzehr ungeeignet, so eine Untersuchung portmengen. Und die Bewegung der Zivilgesell- des Centre Pasteur aus Jaunde in 2004. schaft wächst weiter. „Der Export der gefrorenen Hühnerteile ist ein Angriff auf die Bauern, auf die Gesund- heit unserer Bevölkerung und auf unsere Volks- wirtschaft“, sagt Bernard Njonga, Präsident der Bürgervereinigung ACDIC.
Wie Hühnerfleisch aus Europa Kleinbauern in Westafrika ruiniert 3 Ein Markt wird überschwemmt D ie Ausfuhr von Geflügel aus der EU nach tiert, wie Recherchen von ACDIC ergaben. Es Afrika vervierfachte sich von etwa 35.000 fehlt im Land an Inspektoren und Kontrolle. Tonnen (1996) auf 150.000 Tonnen (2009). Kamerun importierte im Jahr 2004 mit 24.000 „Für den menschlichen Verzehr Tonnen das Zwanzigfache an Geflügel wie acht ungeeignet“ Jahre zuvor (978 Tonnen). Drei Viertel des tief- Erst waren es Gerüchte. Dann häuften sich die gekühlten Hähnchenfleisches kommt aus der Berichte von Hochzeits- oder Trauergemeinden, Europäischen Union (EU). bei denen Feierlichkeiten mit Fleischvergiftung Vor 1996 hatte sich Kamerun selbst mit endeten. Die tiefgefrorenen Geflügelteile aus Geflügel versorgt. Nur wenige Tonnen wurden Europa kamen ins Gerede. Trotzdem kauften importiert, hauptsächlich Enten, Gänse und die Verbraucherinnen und Verbraucher in Perlhühner für die Supermärkte in den Groß- Kamerun dieses Hühnerfleisch. städten Jaunde und Douala. Lokale Hühner werden traditionell lebendig Per Gesetz waren Geflügelimporte in Kame- vermarktet, das ist am hygienischsten. Für den run immer beschränkt: 1996 auf 600 Tonnen, täglichen Konsum sind sie jedoch für viele 2004 auf 5.000 Tonnen pro Jahr. Das Ministeri- unerschwinglich. Das änderte sich mit den EU- um für Tierzucht genehmigt die Einfuhrmenge. Importen. Sie waren billig und wurden meist Trotzdem wurde die fünffache Menge impor- als Teile verkauft. Wellness, BSE und globales Marketing Ein ganzes Geflecht von Faktoren In Europa ändern sich in den neunzi- teile will niemand mehr. Diese Nach- führt zum rasant steigenden Export ger Jahren als Folge des BSE-Skandals frage führt zu einem hohen Preis, 5 - von EU-Hühnerfleisch nach West- und und anderer Krisen auf dem Fleisch- 9 Euro kostet das Kilo durchschnitt- Zentralafrika: die Handelspolitik, markt (Antibiotika und Dioxin in lich auf dem deutschen Markt. Alle internationale Handelsregeln, Lücken Futtermitteln) die Essgewohnheiten. anderen Teile des Huhns, Flügel, im Lebensmittelrecht und der Zoll- Die Verbraucherinnen und Verbrau- Unterkeule, Hals, Innereien, oder ge- klassifizierung der EU, der Lebensstil cher meiden Rindfleisch und essen frorene Keulen, können für 70 Cent und das Verhalten der Verbraucher, mehr Geflügel. Der Fleischkonsum das Kilo zum Export angeboten die Vermarktungsstrategien von insgesamt geht zurück, die Preise sin- werden: als Billigfleisch für Konsu- Unternehmen und vieles mehr. ken. In Zeitschriften finden sich seit menten in West- und Zentralafrika. Mitte der 90er Jahre vermehrt Rezep- Selbst afrikanische Kleinbauern mit Im Dezember 1995 wird Kamerun te mit Hähnchenbrust. Mit Aufkom- ihren geringen Gewinnerwartungen Mitglied der im gleichen Jahr ge- men der Wellness- und Fitnesswelle können damit nicht konkurrieren. gründeten Welthandelsorganisation ist mageres Filetfleisch mit wenig „Wir als Konsumenten kaufen die (WTO). Das Land tritt dem Agrar- Haut und Fett angesagt. Die Zuberei- teure Hühnerbrust und die frischen abkommen bei und muss die Import- tung des Essens soll zusätzlich Schlegel und bezahlen damit fast das zölle auf einen Höchstsatz von 90 schnell und einfach gehen. Die Mikro- ganze Huhn“, sagt Stig Tanzmann, Prozent binden. Für Geflügelfleisch welle ersetzt den Herd. 1993 wurden EED Agrarexperte. „Das Geschäft belässt Kamerun den Einfuhrzoll bei in Deutschland zu 70 % ganze Hühn- ist gemacht. Der Export der Reste ist 20 Prozent, begrenzt allerdings die chen in den Supermärkten verkauft. ein günstiges Zusatzgeschäft.“ Importmenge. Die niedrigen Zölle Heute ist es umgekehrt. 80 % des machen Kamerun und andere afri- Huhnes wird in Teilen verkauft, frisch, kanische Staaten für Exporteure in als Fertiggerichte oder für Fast Food Europa als Markt interessant. Ketten. Alle wollen Hühnchenbrust oder Schlegel – gefrorene Hähnchen-
4 Keine chicken schicken In Ländern ohne geschlossene Kühlkette ist Tiefkühlware ein Gesundheitsrisiko. Auf Märkten, wie hier in Kameruns Hauptstadt Jaunde wird an- und auf- getautes Hühnerfleisch zu Billigpreisen verkauft. Oft ist es mit Krankheits- erregern verseucht. Huhn zu essen, wird als sozialer Aufstieg Salmonellen zweithäufigsten Erregern ent- gewertet. Doch das Billigfleisch hat seinen Preis zündlicher Durchfallerkrankungen. – das Gesundheitsrisiko. Die Bürgerbewegung „Ein Desaster für die Gesundheit der ACDIC ließ im Frühjahr 2004 im Beisein eines Bevölkerung“, so das Fazit von ACDIC. Wirtschaftsprüfers an 28 Verkaufsständen in verschiedenen Orten Kameruns 200 Stichpro- Unterbrochene Kühlkette ben von gefrorenem Geflügelfleisch entneh- Tiefkühlkost ist in den Tropen und in armen men. Die Ergebnisse der Analysen des Centre Ländern eine Risikotechnologie. Nach dem Pasteur in Jaunde: 83,5 Prozent der untersuch- Löschen des gefrorenen Hühnerfleisches in ten Hähnchenteile waren für den menschlichen den Häfen Westafrikas lässt sich die Kühlkette Verzehr ungeeignet. Der Mikrobenbesatz lag nicht mehr kontrollieren. Große Teile der bis zu 180fach über den EU-Höchstwerten Ware werden auf offenen Pritschenwagen – für Geflügel. 15 Prozent der Stichproben ent- bei über 30 Grad und 90 Prozent Luftfeuchtig- hielten Salmonellen und etwa jede fünfte war keit – mehrere Stunden zu den Märkten im mit Campylobacter kontaminiert, den nach Inland transportiert. Oft wird dort das Geflügel an offenen Ständen ohne Kühlung verkauft. Auch in Geschäften mit Tiefkühltruhen sah es kaum besser aus, wie ACDIC herausfand. 15 Prozent der Tiefkühlgeräte in Kamerun waren verrostet, ein Viertel war geöffnet und das Kühlgut angetaut.
Wie Hühnerfleisch aus Europa Kleinbauern in Westafrika ruiniert 5 „Die Hühner waren meine einzige Einnahmequelle“ V iele Hühnerställe in westafrikanischen Geflügel kostete 2,40 Euro pro Kilogramm. „Da Staaten stehen leer. So war es auch in kommt keiner gegen an“, so Züchter Atangana. Kamerun, weil viele Geflügelzüchter auf- Zwischen 1997 und 2005 ging die jährliche geben mussten. Die Familien wurden ruiniert, Produktion von Geflügelfleisch in Kamerun um so wie der ehemalige Angestellte im Staats- drei Viertel zurück. In Ghana haben 95% der dienst Michele Atangana. Er hatte auf die Hüh- Hühnerfarmen die Produktion aufgegeben oder nerzucht gesetzt und einen Kleinkredit aufge- auf die wirtschaftlich wesentlich riskantere, da nommen, um Hühnerfutter zu kaufen. „An- kostenintensivere Eierproduktion umgestellt. fangs hatte ich gute Erträge und konnte die Raten zurückzahlen.“ Doch dann verkaufte er Eine Katastrophe für die nationale die Hühner ohne Gewinn, konnte den Kredit Ökonomie nicht mehr tilgen und sich weder neue Küken ACDIC wählte eine Zufallsstichprobe von noch Futter leisten. 1999 kam der Zusammen- 100 Geflügelhaltern aus, die 1996 bei der Firma Die einheimische bruch. Hühnerzüchter Atangana musste seine AGROCAM in Bafoussam (im Westen Kame- Wirtschaft kann mit Geflügelhaltung aufgeben. runs) bis zu 500 Ein-Tagesküken gekauft hat- den Billigimporten Das Importhuhn aus Europa wurde mit Kilo- ten. Sechs Jahre später waren von den 100 nicht konkurrieren. preisen von 1,44 Euro angeboten, bestimmte Züchterinnen und Züchtern gerade noch acht Viele Hühnerzüchter Teile gab es schon für 40 Cent. Die einheimi- übrig geblieben. Nicht nur die Produzenten müssen ihre Betriebe schen Erzeugerinnen und Erzeuger konnten verloren ihre Arbeit. Der Produktionsrückgang aufgeben. damit nicht konkurrieren. Günstiges lokales zerstörte die Existenzen der Bäuerinnen und Bauern, die Futtermittel erzeugen. Verloren gin- gen auch Arbeitsplätze an den Schlachtständen auf den Märkten, wo die Käuferinnen die lebenden Hühner schlachten, rupfen und aus- nehmen lassen. Wirtschaftlich stand mit den Importen für Kamerun viel auf dem Spiel. Für die Produktion einer Tonne Hühnerfleisch sind fünf Arbeitsplätze nötig. Bei einer Import- menge von 24.000 Tonnen Hühnerfleisch, wie im Jahr 2004, gingen so 120.000 Arbeitsplätze verloren. Der Import des Tiefkühlgeflügels aus Europa bedrohte die Selbstversorgung Kame- runs. Der Bedarf an Hühnerfleisch wird auf etwa 35.000 Tonnen geschätzt. Einheimische Produzenten deckten 2002 noch rund 60 Pro- zent des Bedarfs, 2003 waren es wegen der hohen Importe nur noch 37 Prozent.
6 Keine chicken schicken Erfolgreicher Widerstand D ie Beratungsorganisation für Landwirte SAILD (Service d’Appui aux Initiatives Locales de Développement) schaltet sich 2003 in die Problematik ein. SAILD, eine Part- nerorganisation des EED, berät und unterstützt seit 1988 in Kamerun kleinbäuerliche Gruppen. Schnell ist damals klar: Es wird eine politische Auseinandersetzung um die Billigimporte geben. Die Bäuerinnen und Bauern sind schlecht orga- nisiert und können diese nicht alleine führen. Eine unabhängige Organisation ist nötig, die alle Betroffenen unter einem Dach vereint, poli- tische Lobbyarbeit macht und Überzeugungsar- beit bei der Bevölkerung leistet. „Wir haben ACDIC gegründet, um ein Mittel zur Mobilisie- rung zu haben“, sagt Jacob Kotcho, Geschäfts- führer von ACDIC. „Wir wollten einen Impuls zur Änderung der Politik geben und den Ent- wicklungsweg Kameruns mitbestimmen.“ Gefrorene Hühner: Todesgefahr! In 10.000facher Ende 2003 beginnt der Aufbau von ACDIC, Auflage wird die Broschüre von ACDIC verteilt. der „Association Citoyenne de Défense des Intérêts Collectifs“. Schnell entsteht landesweit Zudem organisiert ACDIC Workshops und eine unabhängige, parteiübergreifende Organi- informiert Geflügelzüchterinnen, Konsumen- sation mit eigenen demokratischen Strukturen, ten, Händler, Importeure, politische Entschei- die offen für alle Bevölkerungsschichten ist. der und Medien über die negativen Folgen der ACDIC versteht sich als Anwältin der Bevöl- Hühnerimporte. Mit den Schlagzeilen wie kerung bei Verhandlungen mit der Regierung „Importhähnchen verursachen Krankheiten“ – und will alle Betroffenen einbeziehen. „Der massive Import von Hähnchen tötet unsere Geflügelzucht“ – „Importierte gefrorene „Hähnchen des Todes“ – Hähnchen verarmen ... und töten“, schafft es Die Kampagne von ACDIC die ACDIC-Kampagne auf die Titelseiten ACDIC recherchiert die Ursachen und Konse- der kamerunischen Zeitungen. Mehr als 100 quenzen der Hühnerfleischimporte aus Europa Artikel erscheinen, Radio und staatliches und veröffentlicht die Ergebnisse im März 2004 Fernsehen berichten. Und ACDIC nutzt den in einer Broschüre: „Tiefgefrorene Hähnchen. Präsidentenwahlkampf in Kamerun. Überall, wo Lebensgefahr!“ Die Situation ändert sich am die Kandidaten auf dem Lande auftreten, wer- schnellsten, wenn wir Verbraucherinnen und den sie zu den Hühnerfleischimporten befragt. Verbraucher überzeugen, so die Einschätzung Die politischen Forderungen von ACDIC von ACDIC. In 10.000facher Auflage wird die finden Gehör, auch innerhalb der Regierungs- Broschüre „Hähnchen des Todes“ verteilt, vor partei. Im Dezember 2004 kommen – bis dahin allem auf den Märkten in den Städten. ACDIC- einmalig in der Geschichte Kameruns – 120 der Aktivisten und Produzenten diskutieren mit 180 Parlamentarier zu einem Treffen, das ACDIC den Menschen, klären über die Gefahren durch organisiert hatte. Der Minister für Landwirt- die Tiefkühlhähnchen auf. Die Mund-zu-Mund- schaft und Tierzucht empfängt Vertreter von Propaganda wirkt. Die Markthändler, die ACDIC. Die Hühnerkampagne verändert das aus den Dörfern kommen, verbreiten die Ge- Verhältnis zwischen Zivilgesellschaft und poli- schichte schnell auf dem Land. tischen Entscheidungsträgern.
Wie Hühnerfleisch aus Europa Kleinbauern in Westafrika ruiniert 7 Es zeigt sich aber, dass eine Einfuhrbeschrän- ACDIC – die unabhängige Bürgerbewegung kung oder höhere Einfuhrzölle nicht ausreichen. Der Druck auf die Regierung nimmt weiter zu Ende 2003 gründet sich in Kame- Die Themen: und im Frühjahr 2005 werden alle Importge- run eine unabhängige Bürgerbe- Bürgerliche Rechte, gleiche nehmigungen zurückgezogen. Ein Überwa- wegung, die Association Citoyenne Lebensverhältnisse, kollektive chungsgremium von Produzenten, Regierung de Défense des Intérêts Collectifs, Interessen, Gerechtigkeit. und Bürgerbewegung wird am Hafen von kurz: ACDIC. Sie ist überparteilich Douala installiert, das illegale Einfuhren ver- und weder an Konfessionen noch Im Frühjahr 2010 hat ACDIC hindern soll. Auf den Märkten verschwinden an Volksgruppen gebunden. mehr als 10.000 Mitglieder. die gefrorenen Hähnchenteile. Nach Aussagen Das Ziel ist, den Interessen der Auch viele kleinere Nichtregie- des kamerunischen Ministeriums für Tierzucht Bevölkerung mehr Nachdruck zu rungsorganisationen haben können die einheimischen Bauern in relativ verleihen und sie stärker an öf- sich ACDIC angeschlossen. kurzer Zeit zwischen 60 und 75 Prozent des fentlichen Belangen zu beteiligen. Die Bewegung nimmt die geschätzten Jahresbedarfs von 35.000 Tonnen „Souveraineté Alimentaire“, Die Mittel: Geflügelfleisch decken. die Selbstversorgung mit Erst: Recherchen, Studien und Grundnahrungsmitteln, ins 2006 wird zu Weihnachten Hühnerfleisch Gutachten. Blickfeld ihrer Kampagne. wieder knapp und die Preise steigen. Das Tier- Dann: informieren, sensibilisieren, Seit 2005 wird ACDIC vom zuchtministerium stimmt dem Import von erklären, schulen und begleiten. EED gefördert. 5.000 Tonnen zu. In Kamerun ist die Empö- Schließlich: Lobbyarbeit und rung groß. Aber nun sind die Geflügelzüchter Anwaltschaft auf der Basis von nicht mehr wehrlos, mit Hilfe von ACDIC Lösungsvorschlägen. haben sie einen eigenen Verband gegründet. Zusammen mobilisieren sie zu einer Groß- demonstration – der ersten von Kleinbauern Die Kampagne wirkt und -bäuerinnen in der Geschichte des Landes. „Was ist das für Fleisch?“, wurde bald jeder ge- Über 10.000 Menschen versammeln sich im fragt, der in Kamerun Hühnerfleisch anbot. Januar 2006, um gegen die Aufhebung des Im- Gastgeber wagen es nicht, ihren Gästen tiefge- portverbotes zu demonstrieren. Aber die Polizei frorenes Fleisch zu servieren. Jedes Kind kennt verbietet den Marsch zur Regierung. Auf der inzwischen die Gefahr der Tiefkühlkost. Die Kundgebung sind auch Bauernführer aus ande- Konsumentinnen in Kamerun reagieren schnell ren afrikanischen Ländern und José Bové, der und kaufen keine tiefgefrorenen Geflügelteile weltberühmte Bauernfunktionär und heutige mehr. Kurz vor den letzten Präsidentschafts- Europaabgeordnete aus Frankreich. Das macht wahlen beginnt die Regierung auf die Proteste Eindruck auf die Regierung. Der Ministerprä- zu reagieren. Sie verspricht, nun endlich die sident empfängt eine Delegation von ACDIC Importe strikt zu überwachen und die Einhal- und Geflügelzüchtern, entschuldigt sich für tung des gesetzlichen Einfuhrkontingents zu das Demonstrationsverbot und hebt die neuer- garantieren. Von den einheimischen Geflügel- lichen Importgenehmigungen auf. züchtern verlangt die Regierung, die Produk- tion schnell zu steigern. Zum Weihnachtsfest, der Hochsaison für Geflügelfleisch, soll der Be- darf gedeckt sein. Doch so schnell lässt sich ein ruinierter Wirtschaftszweig nicht wieder bele- ben. Vielen Kleinbäuerinnen und -bauern fehlt das Kapital, um Küken und Futter zu kaufen. Sie bekommen keine neuen Kredite, weil sie verschuldet sind und ihre früheren Kleinkredite nicht zurückzahlen konnten. Menschen können Politik beeinflussen. Die Hühner- kampagne von ACDIC hat die Zivilgesellschaft in Kamerun gestärkt. Demonstration von Geflügel- haltern gegen Billigimporte, Jaunde, 2006
8 Keine chicken schicken Geflügelfleischimporte in Kamerun von 1996 bis 2009 Zusammengestellt vom EED, mit Zahlen von Eurostat, UNComtrade, FAOSTAT 25.000 Handelsmenge Gesamtimporte in Tonnen Importe aus der EU 20.000 15.000 10.000 5.000 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Anders als früher hält das 2005 durchgesetzte Importverbot. Eine wachsame Bevölkerung meldet illegale Einfuhren, die sofort von der Polizei verbrannt werden. Die restlichen Einfuhrmengen sind teueres Geflügel für Edelsupermärkte. Dieser Erfolg hält bis heute an – mehr noch: für Schritt erfüllen die Produzentinnen und Wenn heute irgendwo im Lande geschmuggelte Produzenten die Nachfrage nach Geflügelfleisch Billighühnerteile aus Europa angeboten wer- in Kamerun. den, alarmieren die Verbraucher die Gendar- Nach wie vor ist es nicht leicht, da in den merie. Diese fragt in Douala bei einer Zollkom- Importjahren die Produktion von Eintages- mission, in der auch ACDIC mitarbeitet, an küken und Futter zurückging. Hauptproblem und die gesamte Ware wird verbrannt. So ist es für die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, 2008 wurde eine Demo vor kurzem am Touristen- und Badeort Kribi vor allem für Frauen, ist der Mangel an Inves- gegen Korruption bei geschehen. Diese früher undenkbare Zusam- titionskapital. Die meisten von ihnen haben den Maissubventionen menarbeit zwischen Staat und Zivilgesellschaft Schulden aus der Zeit der Importe und bekom- gewaltsam von der zeigt, wie sehr „das Huhn“ auch die Demo- men keine neuen Kredite, um Küken zu kaufen. Polizei aufgelöst. Zehn kratie in Kamerun verändert hat. Das zweite Problem ist die hohe Nachfrage ACDIC Mitarbeiter, nach Mais. Er ist für die Menschen nicht nur wie hier Bernard Njonga Unterstützungsgelder verschwinden Hauptnahrungsgrundlage, sondern auch wurden verletzt und Auch heute im Frühjahr 2010 ist das Import- Hauptfuttermittel für die Geflügelmast. Dies verhaftet. verbot noch in Kraft und notwendig. Schritt führt zu einer hohen Nachfrage und hat einen hohen Maispreis zur Folge. Um dies zu ändern, beschließt die Regierung 2007 mit Unterstützung europäischer Entwick- lungshilfe den Maisanbau zu fördern. Sub- ventionen für Geräte, Silos und Saatgut, also für Betriebsmittel, sollen ihnen helfen die Erträge zu steigern. In der Folge sollen die Futterkosten für die Geflügelproduzenten sin- ken und damit Geflügelfleisch billiger werden. ACDIC deckt aber, alarmiert durch Mais- bauern, auf, dass diese Fördergelder bei den Landwirten nicht ankommen, sondern im Landwirtschaftsministerium oder bei den Gouverneuren der Provinzen und korrupten Genossenschaftsleitern versickern.
Wie Hühnerfleisch aus Europa Kleinbauern in Westafrika ruiniert 9 Abermals ging ACDIC 2008 mit den Ergeb- korruptionskommission der Regierung die Er- nissen einer Studie an die Öffentlichkeit. Kom- gebnisse aus der ACDIC Studie. 47 Beschul- plett, mit Name und Betrag, konnte man zum digte werden der Veruntreuung angeklagt, dar- ersten Mal in Kamerun schwarz auf weiß nach- unter hohe Beamte des Landwirtschaftsminis- lesen, was alle schon lange wussten: Einzelne be- teriums. ACDIC hat sich mutigerweise 2010 reichern sich schamlos an staatlichen Mitteln. entschlossen im Prozess als Nebenkläger auf- Dies im Detail zu lesen, war bisher einmalig in zutreten, damit die Akten nicht verschwinden einem der korruptesten Länder der Welt. und die Prozesse wirklich stattfinden. ACDIC wird bei der Veröffentlichung des Im Frühjahr 2010, als die neuen Subventio- Skandals massiv bedroht und behindert. Eine nen endlich, dank ACDIC, bei den Maisbäue- Demonstration am 50igsten Jahrestag der UN- rinnen und -bauern ankommen, zeigen sich Menschenrechtserklärung wird 2008 brutal die positiven Folgen. Schon im Dezember 2009 aufgelöst und der ACDIC Vorsitzende Bernard war der Preis für Geflügel nicht mehr so hoch Njonga und weitere Mitstreiterinnen und wie sonst zu Weihnachten. Die Nachfrage kann Mitstreiter werden verhaftet. Nach weltweiten nun endlich von den Produzentinnen und Protesten wird Bernard Njonga zwar freigelas- Produzenten zu fairen Preisen gedeckt werden. sen. Als Gast auf dem evangelischen Kirchentag Jetzt wollen Investoren aus den Reihen der 2009 in Bremen jedoch erfährt er von seiner Mitglieder des Verbandes der Geflügelbauern Verurteilung zu 3 Monaten Gefängnis mit drei- (IPAVIC, Inter-Profession Avicole du Cameroon) jähriger Bewährung – wegen Durchführung eine alte Idee realisieren. IPAVIC verhandelt mit einer nicht erlaubten Demonstration. Dies ist der Regierung über den Aufbau von kleinen eine langfristige Drohung gegen ACDIC, sich in Schlachthäusern und einer geeigneten Kühl- Zukunft ruhiger zu verhalten, denn sonst droht kette, damit auch den ärmeren Familien in den Bernard Njonga die Bewährung zu verlieren. Städten wieder billige Geflügelteile angeboten Doch auch bei diesem Skandal um die nicht werden können. Diesmal jedoch aus eigener gezahlten Subventionen an die Maisbauern ist lokaler Produktion. Viele mittlere Geflügel- ACDIC letztendlich erfolgreich. Im August zuchtbetriebe um die Großstädte wollen sich an 2009 bestätigt eine von ACDIC begleitete Anti- dieser neuen Schlacht- und Kühlkette beteiligen. Fridolin Mvogo, Kleinbauer und Hühnerhalter aus Nkomdamba „Schon seit 30 Jahren halten Im Jahre 2000 stellte ich aber Wir bildeten zu zehnt eine wir Hühner auf unserem Ge- fest, dass die Nachfrage nach kleine Genossenschaft, die höft. Doch erst 1995 haben meinen Masthähnchen und nun 10.000 Masthühner im uns Berater von SAILD gehol- der erzielte Preis zurückging. Jahr produziert. fen, eine richtige Geflügel- Zu diesem Zeitpunkt hörte ich zucht als Zusatzeinnahme das erste Mal von den Import- Ich schaue sehr zuversichtlich aufzubauen. 500 Küken und hühnerteilen. Bekam ich sonst in die Zukunft und von meinen einen neuen Stall konnte ich immer fast 6 Euro für ein 13 Kindern möchten einige mit einem Mikrokredit aus der 2,5 kg Huhn, war es nun nur die Hühnerhaltung erlernen, Entwicklungshilfe finanzieren. noch die Hälfte. sie fortführen oder selber Ich konnte von jedem Umlauf Küken kaufen. Hoffentlich mit 500 Küken zweimal im 2004 schloss ich mich dann hält die Regierung wenigstens Fridolin Mvogo, Klein- Jahr einen kleinen Gewinn ACDIC an und die Aktionen diesen Markt noch lange für bauer und Hühnerhalter einstreichen und den Kredit führten 2006 zu einem Stopp uns geschützt und öffnet aus Nkomdamba nach und nach abbezahlen. des Imports von billigen nicht, wie bei anderen Agrar- Nun hatten wir immer ein Fleischteilen. Ich wagte mich produkten (Reis, Tomaten, wenig Bargeld, wenn die nun daran, 800 Küken in vier Zwiebeln, Milch, Schweine- Kinder krank waren oder das Umläufen, also 3.200 Hühner fleisch), europäischer Billig- Schulgeld bezahlt werden pro Jahr, zu mästen. Die konkurrenz unsere Märkte. musste, aber auch für Klei- Nachfrage stieg ständig und Dabei könnten wir das alles dung und für ein paar Lebens- auch andere Bäuerinnen und auch selbst produzieren und mittel, die wir selbst nicht an- Bauern in unserer Gegend so die Armut auf dem Lande bauen. folgten meinem Beispiel. verringern.“
10 Keine chicken schicken Gefrorene Hähnchenbeine erobern Afrika E ntlang der gesamten west- und zentralafri- Die Nichtumsetzung der Zollerhöhung wurde kanischen Küste wird das gefrorene Geflü- zu einer der Bedingungen für die Kreditvergabe gelfleisch aus Europa angelandet. Zunächst gemacht. Auch die EU unterstützte diese schleichend und fast unbemerkt taucht dieses Position. „gefrorene Hähnchen“ seit Mitte der 90er Jah- Letztendlich wurde die Zollerhöhung von der ren auf den Märkten in Afrika auf. Mangel an Regierung nicht umgesetzt, in einer neuen Ab- Hähnchen herrscht eigentlich in keinem der stimmung im Parlament wurde sie sogar wie- Länder und fast überall wird das Federvieh nur der gekippt. Der Geflügelverband von Ghana lebend angeboten. In manchen Ländern verlau- klagte gegen die eigene Regierung, und 2005 fen die Steigerungen seit dem Jahre 2000 konti- befand eine mutige Richterin, dass die Regie- nuierlich, z.B. im Senegal und der Elfenbein- rung verfassungswidrig gehandelt habe. Brisant küste. In anderen, wie Liberia, nimmt der Im- aus deutscher Sicht ist, dass der ehemalige port plötzlich zu. Dort erhöhten sich die Im- Bundespräsident Horst Köhler damals noch porte schon 1996 um 400 Prozent. Präsident des IWF war. Er hatte die Entschei- Am schlimmsten ist Ghana dran. Nicht ein- dung, die zum Zusammenbruch der ghanai- mal die Vogelgrippe 2006 hat den Import redu- schen Geflügelproduktion und Verletzung der ziert. Seit 2001 sind die Importe um 800 Pro- Verfassung führte, mit zu verantworten. Un- zent auf 90.000 Tonnen im Jahr 2009 gestiegen. angenehm ist, dass Ghana heute als Musterland Wie in Kamerun gab es massive Proteste der für Demokratie und Beispiel für eine funktio- Hühnerteile werden auf Zivilgesellschaft. Bauern und Verbraucherinnen nierende „gute Regierungsführung“ bei den dem Kaneshi Markt in schlossen sich zusammen und erwirkten 2003 Gebern von Entwicklungshilfe präsentiert wird. Accra unter Glas ge- einen Parlamentsbeschluss für eine Zollerhö- Im Frühjahr 2010 existiert eine Geflügel- schützt, aber nicht ge- hung. Doch Ghana erfuhr, was es bedeutet, von mast in Ghana praktisch nicht mehr. Kofi kühlt. Hitze und Luft- Geldern des IWF und der Weltbank abhängig Henaku, der stellvertretende Vorsitzende des feuchtigkeit verderben zu sein. Denn zur gleichen Zeit verhandelte Geflügelverbandes, beschreibt die Situation so: die gefrorenen Fleisch- Ghana über einen neuen Kredit von beiden „Wenn man die Geflügelfarmer besucht, ist es stücke dennoch schnell. Institutionen über 258 Millionen US Dollar. offensichtlich, dass dort Depression herrscht. Sie haben Geld in ihr Geschäft gesteckt, aber keine Chance auf einen Überschuss, den sie dann wieder investieren könnten. Da herrscht nur Frustration.“ Aber nicht nur die Produzen- ten selbst sind betroffen. Ben Q. Quaye, ein Futtermittelhändler, der schon 35 Arbeiter ent- lassen musste, sagt, „Wenn wir weiter Europas Produkte kaufen, haben wir hier bald eine riesige Arbeitslosigkeit.“ Der Verband der ghanaischen Geflügelzüchter hatte große Hoffungen in die neue Regierung, die 2009 ihre Arbeit aufnahm, gesetzt. Doch wieder einmal wurde der Verband enttäuscht. In der Opposition hatte die neue Regierung noch versprochen etwas gegen die Nahrungsim- porte zu tun. Doch nun argumentiert die neue Regierung mit der Ausrede der alten Regierung, dass die arme Bevölkerung in Accra von den billigen Nahrungsimporten profitieren würde. Eine neue Preisuntersuchung zeigt aber, dass die
Wie Hühnerfleisch aus Europa Kleinbauern in Westafrika ruiniert 11 Geflügelfleischimporte in Ghana von 1996 bis 2009 Zusammengestellt vom EED, mit Zahlen von Eurostat, UNComtrade, FAOSTAT 90.000 Handelsmenge in Tonnen Gesamtimporte 80.000 Importe aus der EU 70.000 60.000 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 1.000 Prozent mehr Geflügelteile als 1996 wurden 2009 in Ghana eingeführt! Nicht nur aus der EU. Die USA sind der größte Exporteur nach Ghana. Importeure infolge der Nahrungskrise 2008 die Liberia und Sierra Leone. Da in beiden Ländern Preise für die Hühnerreste massiv erhöht haben. nach den Bürgerkriegen keine Chance besteht, Einen Grund dafür gibt es nicht, denn die Reste Investoren für eine eigene Produktion zu ge- gibt es 2009 immer noch billig für 0,70 €/kg, winnen, kosten selbst Hühnerkrallen auf den egal ob aus den USA, Brasilien oder besonders dortigen Märkten 2,70 € das Kilogramm. Sie billig für 0,56 € aus den Niederlanden. wurden für 0,40 € eingeführt, wie ein libane- Doch jetzt, wo es keine einheimische Kon- sischer Importeur in Monrovia offen zugibt. kurrenz mehr gibt, kostet das Kilo auf dem Hauptmarkt Kaneshi in Accra mit 2,50 € plötz- Importverbote schützen lich soviel wie früher das einheimische Ge- Geflügelproduzenten flügel. Die Importeure erzielen einen riesigen Anders verfährt Nigeria. Der frühere Präsident Profit, den vermeintlichen Vorteil „billigen“ und Geflügelbauer Olusegun Obasanjo hatte Importgeflügels für die arme Bevölkerung gibt sich schnell der Klagen seiner ehemaligen Kol- es nicht mehr. Ähnlich ist die Situation in legen aus dem Geflügelverband angenommen Germain Adobaya, Geflügelzüchter und Ausbilder in Ave, Togo „Mon Espoir – meine Hoffnung – heißt meine Hühnerfarm, 3 Stunden entfernt von Lomé. Ich habe nach sehr guten Erfahrungen mit meiner Hühnermast mit Unterstützung einer EED Partnerorganisation eine Ausbildungs- farm für junge Hühnermäster aufgebaut. Die Ställe und die Schlafräume sind fast fertig. Wer will aber nun noch was von Hähnchen- mast wissen? Erst gebt ihr uns Entwicklungs- hilfe, um uns selbst aus der Armut zu be- Germain Adobaya, freien, und dann überschüttet ihr unsere Geflügelzüchter Märkte mit euren Fleischresten. und Ausbilder in der Wir haben uns mit anderen Bauern zu einer Region Ave, Togo Kooperative zusammengetan und verkaufen auch sie kaufen inzwischen zunehmend Im- unsere hochwertigen, langsam gemästeten portware und drücken die Preise. Um meine Tiere an Restaurants und wohlhabende Hühner überhaupt abzusetzen, muss ich Kunden. Bisher waren wenigstens die bereit, jetzt unter den Produktionskosten verkaufen. für besseres Fleisch besser zu zahlen. Doch Der sichere Weg in unseren Bankrott.“
12 Keine chicken schicken und den Import von Tiefkühlgeflügel verboten. chenfleischimporte werden von Benin nach Sein Kommentar: „Sollen die EU oder die USA Nigeria durchgereicht. Durch den Schmuggel doch deswegen das nigerianische Öl mit Import- wird das Importverbot Nigerias untergraben strafzöllen belegen.“ Das Importverbot zahlt und der Markt, vor allem in Lagos, gefährdet. sich für Nigeria aus, denn um den Binnen- Neben Nigeria und Kamerun haben inzwi- markt mit 110 Millionen Konsumentinnen schen auch der Senegal und die Elfenbeinküste und Konsumenten, zu erobern, investieren Importrestriktionen für Geflügel verhängt. So nigerianische Mäster heute in holländische wandern die gefrorenen Hähnchenteile weiter Stalltechnik. südlich die afrikanische Küste entlang. Die Ge- Aber auch Nigeria wird von den Importen samtmenge der Hähnchenexporte nach Afrika bedroht. Der Fall ist sogar besonders dreist. hat sich daher nicht verringert. Jetzt werden vor Das kleine Benin importiert mit seinen sechs allem die Märkte der Demokratischen Republik Millionen Einwohnern soviel Hühnchenbeine, Kongo und Angolas mit dem überschüssigen dass die „Beninois“ damit selbst mehr Hühn- Billigfleisch überflutet. Angola importiert heute chen pro Kopf verbrauchen könnten als die 100.000 Tonnen Dumping-Tiefkühlfleisch. In Deutschen – und 500 Prozent mehr als ihre beiden Ländern war die Geflügelproduktion Nachbarn. Aber weit gefehlt. Die Hähnchen durch die Bürgerkriege völlig am Boden. Heute lösten Autos als beliebtestes Schmuggelgut ins verhindern die Billigimporte einen Wiederauf- Nachbarland Nigeria ab. 90 Prozent der Hähn- bau der Produktion. Geflügelfleischexporte nach Westafrika (1996 – 2009) Zusammengestellt vom EED, mit Zahlen von Eurostat,UNComtrade, FAOSTAT Senegal Senegal Togo Elfen bein- küste Ghana Liberia Kamerun Liberia Togo Benin Elfenbeinküste D. R. Kongo D. R. Kongo Benin Entwicklung der Ein- fuhren von Geflügel- teilen (1996-2009) in Angola ausgesuchten Ländern Westafrikas. Angola
Wie Hühnerfleisch aus Europa Kleinbauern in Westafrika ruiniert 13 Interview mit Kenneth Quartey, Ghana Kenneth Quartey, Vorsitzender der Ghana National Poultry Farmers Associa- tion (Verband der Geflügelfarmer Ghana) und seit 25 Jahren Geflügelzüchter. Das Interview führte Francisco Marí vom EED 2008 in Hannover auf der „World Poultry Show“, der weltgrößten Geflügelmesse. Der EED unterstütz- te mit einem Stand die Teilnahme von afrikanischen Geflügelzüchterinnen und Geflügelzüchtern an der Messe, um auf die Bedrohung ihrer Existenz durch europäische Geflügelexporteure aufmerksam zu machen. Beschreiben Sie bitte kurz die Situa- Welche Rahmenbedingungen muss tion der Geflügelproduktion in Ghana. die Regierung in Ghana berücksichti- Im Moment ist die Situation nicht sehr gen, bevor sie der Geflügelindustrie gut. Hauptsächlich leidet die Geflügel- eine neue Entwicklungsperspektive produktion in Ghana unter den Import- eröffnen könnte? fluten. Diese haben den Geflügelsek- Theoretisch könnte Ghana den Zoll tor so schwer geschädigt, dass der An- für Geflügelfleisch von 20 Prozent auf teil der einheimischen Produktion am 90 Prozent erhöhen, das erlauben die Markt von 85 Prozent auf 5 Prozent Regeln der WTO. Aber wir haben 2003 zurück gegangen ist. Noch vor 15 Jah- erlebt, was passiert, wenn man es tat- ren war der ganze Bedarf Ghanas mit sächlich macht (siehe Seite 10). Da wird Das Interview mit Kenneth Quartey wurde Geflügelfleisch gedeckt. Wir hatten ein demokratischer Beschluss unseres im November 2008 auf der Eurotier in selbst kleine Schlachtanlagen und eine Parlamentes einfach auf Druck der Hannover von Francisco Marí geführt. Kühlkette zur Versorgung der Touris- Weltbank wieder aufgehoben. Nun tenhotels. Doch dann kamen plötzlich kommt das gerade unterzeichnete mit unserem Beitritt zur Welthandels- Freihandelsabkommen mit der EU wir in der Zukunft mit der Geflügel- organisation 1995 Unmengen von Ge- dazu (Interim EPA). Ghana hat einer industrie in Europa und den weiter flügelteilen aus den USA und Europa Klausel zugestimmt, dass es zwar die entwickelten Ländern konkurrieren. zu unglaublich billigen Preisen auf Zölle für Agrarprodukte nicht noch unsere Märkte. Jedes Jahr mehr Im- weiter zu senken braucht, aber gleich- Wie kann Ihrer Meinung nach die portfleisch, teilweise verdoppelten zeitig nicht erhöhen darf. Die Situa- Regierung in Ghana oder auch sich die Mengen jährlich. Inzwischen tion wird also immer schwieriger. Ihr Verband die Geflügelbäuerinnen haben fast alle Broilerproduzenten und Geflügelbauern in Ghana unter- aufgegeben. Manche, die es sich noch Wie ist Ihr Eindruck von der Eurotier stützen? leisten können, so auch ich, produzie- und Ihrem Aufenthalt in Deutschland? Was immer die Politik unserer Länder ren nun Eier. Kühlkette und Schlacht- Der Geflügelsektor hier in Deutsch- an Maßnahmen ergreifen kann, um häuser gibt es nicht mehr. land ist sehr aktiv und die Produktion die lokale Geflügelproduktion zu ist in ihrer Entwicklung sehr weit fort- unterstützen, wird zunichte gemacht, Wie hat die Regierung Ghanas auf geschritten. Diesen Zustand möchten wenn wir die überwältigenden diese Entwicklung reagiert? wir auch gern für Ghana erreichen. Importfluten weiterhin zulassen. Die Die Regierung war zunächst froh, dass erste Priorität muss deshalb sein, die arme Bevölkerung der Hauptstadt Was für eine Reaktion erhalten diese Praxis zu beenden. Ein soforti- Accra sich billiges Fleisch in kleinen Sie von den Messebesucherinnen ger Importstopp funktioniert leider Portionen kaufen konnte. Hinter der und Messebesuchern, wenn Sie nicht mehr. Es wird Jahre dauern bis neoliberalen Politik der Marktöffnung mit ihnen über das Geflügelfleisch- die Geflügelzüchter wieder Vertrauen in allen Bereichen stand die Hoff- dumping sprechen? finden und so investieren, dass sie nung, dass die Versprechen, die allen In meinen Diskussionen mit den Be- wieder den Gesamtbedarf Ghanas Entwicklungsländern durch den sucherinnen und Besuchern der Euro- decken können. Daher wären Beitritt in die WTO gemacht wurden, tier habe ich den Eindruck gewonnen, zunächst Einfuhrquoten und eine nämlich ein starkes Engagement aus- dass viele verstehen, dass die Geflü- massive Zollerhöhung, verbunden mit ländischer Investoren, wahr werden gelindustrie in Ghana den gleichen Förderprogrammen für die einheimi- würden. Es wurde jedoch sehr rasch Entwicklungsfreiraum braucht, den die sche Geflügelindustrie, die ersten klar, dass die offenen Zollgrenzen europäische Geflügelindustrie in den Schritte, um diesen wichtigen Sektor eine Einbahnstrasse für europäische letzten Jahren hatte. Nur wenn wir der ghanaischen Nahrungsproduktion Billigprodukte sind. diesen Freiraum bekommen, können wieder zu beleben.
14 Keine chicken schicken Nord-Süd-Aktionen in Europa W ir können das Problem im Land allein Europa rupft Afrika nicht lösen“. ACDIC bat mit Start Unter dem Motto „Europa rupft Afrika“ (L’Euro- der Kampagne in Kamerun Partneror- pe plume l’Afrique) begann im April 2004 eine ganisationen in Europa um Unterstützung: Kampagne in Frankreich und Belgien. Frankreich den EED und APRODEV, die europäische ist neben den Niederlanden mit 31 Prozent einer Dachorganisation der evangelischen der Hauptexporteure der tiefgefrorenen Hähn- Hilfswerke, die Entwicklungsorganisationen chenteile. Die Organisationen informierten über SOS-Faim aus Belgien und ICCO aus Holland die Folgen der massiven Exporte. „Europa rupft und ein breites Netzwerk aus Frankreich. Afrika“ wurde zum Medienthema. Sie sollten nach Wegen suchen, was gegen Der EED und ICCO starteten das Projekt den Export von Hähnchenteilen getan werden „Keine chicken schicken“. Es deckt die Hinter- kann und das Thema ins öffentliche Bewusst- gründe der Billigexporte auf und soll Verän- sein bringen. derungen in Politik, Wirtschaft und bei Ver- Tiefkühlhähnchen tauen langsam auf. Das Pro- blem der Hühnerexporte wird der Berliner Bevöl- kerung anschaulich nahe- gebracht.
Wie Hühnerfleisch aus Europa Kleinbauern in Westafrika ruiniert 15 braucherinnen erreichen. Dies geschieht über Auch auf EU Ebene bedrängt der EED zu- Artikel, Radiosendungen und Fernsehbeiträge sammen mit APRODEV (Association of World und mit Informationsständen. Noch immer Council of Churches Related Development finden gemeinsam mit anderen Gruppen wie Organisations in Europe) weiter die europäi- attac, Eine-Welt-Läden und Kirchenkreisen sche Kommission, handels- und lebensmittel- Veranstaltungen statt. Auf einer Fachtagung rechtliche Verantwortung für die Folgen der im November 2006 in Iserlohn konfrontierte Exporte zu übernehmen. Obwohl alle Betei- der EED zusammen mit ACDIC Vertreterinnen ligten das Problem sehen, ist die Kampagne in und Vertreter des deutschen Landwirtschafts- Europa nicht so erfolgreich wie in Kamerun. ministeriums, der Wirtschaft, der Wissenschaft Es wird entschuldigend auf den „freien“ Markt und des Verbraucherschutzes mit den Recher- verwiesen, der einen Eingriff nicht erlaube. Die cheergebnissen des Projektes. Exporte werden nun von Kamerun in andere Im November 2008 wurden Produzenten Länder umgeleitet, daher wird das Projekt nicht und Industrie auf der weltgrößten Geflügel- lockerlassen, bis aus der EU oder anderswo messe im Rahmen der Eurotier in Hannover wirklich keine Hühnerreste mehr nach Afrika vom EED und seinen afrikanischen Partner- geschickt werden. organisationen mit den Konsequenzen des Der EED und seine Partner veröffentlichten Dumpings konfrontiert. in 2008 ein Forderungspapier, wie die EU und Interview mit Rudi Buntzel, Beauftragter des EED für Agrarpolitik Was will der EED erreichen? für uns die unbefriedigende Hygiene- Brasilien, nicht die lokalen Märkte Der EED unterstützt die lokalen Klein- verordnung für den Fleischexport. Afrikas mit Billignahrungsmitteln erzeuger von Geflügelfleisch in West- Gefrorene Produkte sind in tropischen überschwemmen. Die Erfahrungen afrika. Die Kleintierhaltung ist ein Ländern ein hohes Gesundheitsrisiko. der letzten Jahre zeigen, dass alle wirksames Mittel der Armutsbekämp- Wir haben zu diesem Thema einen kleinen Geflügelhalterinnen und Ge- fung, sie ist einkommens- und be- Dialog mit der exportierenden flügelhalter, ob in Brasilien, Afrika, schäftigungswirksam, besonders für Fleischwirtschaft in Europa versucht, Europa oder Thailand, unter den Frauen im ländlichen Bereich. Wir um zu diskutieren, inwieweit sie ihrer Strukturen des Agrobusiness in der wollen außerdem einen Beitrag leis- ethischen Verantwortung nachkommt Geflügelproduktion leiden. ten zur Gestaltung sozial verantwort- und die lebensmittelrechtlichen licher und gerechter Handelsbezie- Grundlagen der EU auch für den Ex- Was können Verbraucherinnen und hungen zwischen der EU und den port einhält. Unsere Forderung: „Kein Verbraucher tun? afrikanischen Ländern. Export von gefrorenem Fleisch in Wir sind als Konsumenten mitverant- Länder ohne Kühlkette“, fand leider wortlich, dass Teile vom Geflügel zu Wer sind die Adressaten der Lobby- kein Gehör. Billigfleisch werden. Wir bevorzugen arbeit des EED? vorwiegend Hähnchenbrust und Wir haben in den letzten Jahren, seit Welche Schritte sind weiter geplant? -schenkel, dadurch wird der Rest des wir die Aktion „keine chicken schicken“ Durch Lobbyarbeit treten wir dafür Hühnchens entweder unter Wert in begonnen haben, zum einen die Ent- ein, dass die Schutzbestimmungen Europa verwertet oder auf dem Welt- scheider in Wirtschaft und Politik, ins- für Entwicklungsländer gegen Dum- markt zu einem Schleuderpreis ange- besondere die Europäische Union, mit ping in internationalen Handelsver- boten und landet in Afrika. Dabei gibt den Folgen unserer Fleischexporte kon- einbarungen gestärkt werden. Zent- es schmackhafte Rezepte wie „coq frontiert. Viele Parlamentarier haben raler Punkt unserer Arbeit ist die au vin“, wo das ganze Huhn zu einer uns unterstützt und betroffene Ge- Unterstützung der Geflügelverbände guten Mahlzeit gehört. Ich denke, flügelzüchter aus Afrika wurden ange- in Afrika, damit sie ihre Regierungen zu einer ausgewogenen ganzheit- hört. Zusätzlich gab es Anfragen in überzeugen, wie in Kamerun, die lichen Lebensweise gehört auch, Parlamenten an die jeweiligen Regie- Agrarmärkte vor unfairer Billigkonkur- möglichst viel vom geschlachteten rungen, Maßnahmen gegen Dumping renz zu schützen. Wir schauen ver- Tier zu verzehren. im Handel mit Entwicklungsländern mehrt darauf, dass der Süd-Süd zu ergreifen. Ein weiteres Thema ist Handel, z.B. die Geflügelexporte aus
16 Keine chicken schicken Gemeinsamer Protest die europäische Industrie die Exporte verhin- Die Ernährung selbst bestimmen – von brasilianischen, dern könnten. Zentrale Forderungen sind eine die Menschen stärken afrikanischen und freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie, In den Ländern des Südens leben drei Viertel europäischen NGOs kein gefrorenes Fleisch in Länder ohne Kühl- der armen Menschen auf dem Lande. In den und Kirchen auf kette zu schicken und das Versagen von Export- Städten steigt die Armut, weil die Wirtschafts- dem Weltsozialforum genehmigungen durch den europäischen Zoll tätigkeit auf dem Lande zurückgeht. Viele bäu- in Nairobi, 2007 auf Basis des europäischen Lebensmittelrechtes. erliche Betriebe sind sehr klein und ernähren Die neue EU Agrarpolitik, die bis 2013 entschie- primär die Bauernfamilie. Nur ein Teil der pro- den wird, sollte zukünftig ausschließen, dass duzierten Nahrung wird vermarktet. Die Agrarprodukte, die EU Subventionen erhalten Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln in Entwicklungsländer exportiert werden. ist für Entwicklungsländer wichtig. Es muss zu Die wirksamste Methode wäre aber, Kamerun ihrem Recht werden, dass sie ihre Agrarpolitik zu folgen und den Import zu verbieten oder die selbst bestimmen. Zölle so anzuheben, dass das importierte Fleisch ACDIC, die Bewegung der Zivilgesellschaft, genauso teuer wäre wie das einheimische. wächst weiter. Mit ihren Aktionen konnte und Dies wird in Zukunft noch schwieriger, denn kann sie den Interessen der Bevölkerung Nach- die EU will den afrikanischen Ländern in den druck verleihen. Die Bürgerinnen und Bürger schon lange verhandelten Freihandelsabkommen merken: Wir können politisch Einfluss nehmen (EPAs) über die sogenannte “Stillstands-Klausel“ und mit unserem Engagement etwas verändern. die Möglichkeit nehmen, die Zölle überhaupt „Den Entwicklungsweg Kameruns mitbestim- anzuheben. men“, wie der Geschäftsführer von ACDIC, Angespornt durch starke Bewegungen Jacob Kotcho, sagt. wie ACDIC, haben nur wenige Länder sich das bisher gefallen lassen. Auch im Jahre 2010 setzen sich der EED, APRODEV und viele Bewegungen in Afrika dafür ein, dass diese Abkommen in der bisherigen Form nicht unterschrieben werden.
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