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Journal für

 Neurologie, Neurochirurgie
 und Psychiatrie
             www.kup.at/
 JNeurolNeurochirPsychiatr   Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems

Die chirurgische Behandlung
                                                                               Homepage:
spinaler Metastasen
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Mühlbauer M                                                      JNeurolNeurochirPsychiatr

Journal für Neurologie                                                 Online-Datenbank
                                                                         mit Autoren-
Neurochirurgie und Psychiatrie
                                                                      und Stichwortsuche
2011; 12 (1), 38-42

                                                                                            Indexed in
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 Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz
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                     www.kup.at/JNeurolNeurochirPsychiatr
Spinale Metastasen

     Die chirurgische Behandlung spinaler Metastasen
                                                                        M. Mühlbauer

 Kurzfassung: Wirbelsäulenmetastasen sind              den betroffenen Patienten am besten geeigne-     spinal instability can cause progressive neuro-
 eine häufige Komplikation im fortgeschrittenen        ten OP-Methode hängen daher maßgeblich vom       logical deficits. However, spinal metastases
 Stadium vieler Malignomerkrankungen. Solange          klinisch-neurologischen Bild, vom Tumor-Wachs-   rather interfere with life quality than with sur-
 Metastasen innerhalb der Grenzen der Wirbel-          tumsmuster, von der Art des Primärtumors und     vival, which is mainly determined by the under-
 körper bleiben, verursachen sie bei intakter Kor-     vom Stadium der Grunderkrankung ab.              lying tumour disease. Therefore, treatment aims
 tikalis in erster Linie Schmerzen. Metastasen,                                                         primarily at the maintenance of neurological
 die die Kortikalis durchbrechen und epidurale         Schlüsselwörter: Spinale Metastasen, Quer-       function, spine stability, and pain reduction. In-
 Tumorformationen bilden, führen allerdings            schnittlähmung, Rückenmarkskompression, spi-     dication for surgery as well as surgery timing
 rasch zu neurologischen Ausfällen und Wirbel-         nale Rekonstruktion                              and individual selection of the appropriate sur-
 säuleninstabilität. Damit beeinträchtigen spina-                                                       gical technique for the respective patient are de-
 le Metastasen in hohem Maß die Lebensquali-           Abstract: Surgical Treatment of Spinal           termined by the patient’s clinical and neurologi-
 tät dieser Tumorpatienten, die Überlebenszeit         Metastatic Disease. Spinal metastatic dis-       cal status, the metastatic tumour growth pat-
 selbst ist aber vor allem durch die Grunderkran-      ease is a common complication in a great variety tern, the type of the underlying malignancy and
 kung limitiert. Daher ist das erste Ziel in der Be-   of malignancies. When tumour growth occurs       the stage of the disease. J Neurol Neurochir
 handlung spinaler Metastasen der Erhalt der           strictly within the bone-compartment of the re-  Psychiatr 2011; 12 (1): 38–42.
 neurologischen Funktion und der Stabilität der        spective vertebral body, pain is the major clinical
 Wirbelsäule gemeinsam mit der Reduktion von           problem. When metastatic tissue grows through Key words: spinal metastatic disease, para-
 Schmerzen. Die Indikation zur Operation sowie         the cortical bone boundaries into the spinal ca- paresis, spinal cord compression, spinal recon-
 das OP-Timing und die Wahl der individuell für        nal, then both epidural tumour formation and struction

„ Einleitung                                                                      Für Patienten mit einem günstigen Score empfiehlt Tomita
                                                                                  eine weit-extraläsionale Tumorresektion mit dem Therapie-
Die Effektivität der chirurgischen Behandlung spinaler Meta-                      ziel einer Verlängerung der Überlebenszeit [3]. Allerdings
stasen steht außer Zweifel, allerdings werden die Indikation                      zeigt eine genaue Analyse seiner Daten, dass eine weit-extra-
zur chirurgischen Intervention, das Operations-Timing und                         läsionale Tumorresektion nur in bestimmten Fällen zu einer
auch die verschiedenen möglichen chirurgischen Optionen                           längeren Überlebenszeit führt – verglichen mit der intraläsio-
äußerst kontroversiell diskutiert. Leitlinien für die Behand-                     nalen Tumorresektion, die bei spinalen Metastasen am häu-
lung von Wirbelsäulenmetastasen könnten daher durchaus                            figsten zur Anwendung kommt. Anders als bei primären Kno-
hilfreich sein, vor allem da die Diagnose „spinale Metastase“                     chentumoren, wie etwa spinalen Sarkomen, wo eine weit-
ein sehr inhomogener Sammelbegriff für eine Reihe sehr un-                        extraläsionale Tumorresektion eindeutig mit einer besseren
terschiedlicher morphologischer Entitäten ist.                                    Überlebenszeit korreliert, zielt die chirurgische Therapie spi-

„ Tomita-Score und -Typ
                                                                                   Tabelle 1: Weiterentwicklung des Systems nach Tokuhashi
Tomita hat durch sein umfangreiches wissenschaftliches                             (= Tomita-Score). Nachdruck aus [2] mit Genehmigung des
Werk über Wirbelsäulentumoren nachhaltig zur Entwicklung                           Schattauer-Verlags.
rationaler chirurgischer Strategien in der Behandlung spinaler                                           Prognostische Faktoren
                                                                                       te

Metastasen beigetragen [1]. In seiner Klassifikation werden
                                                                                    nk

                                                                                            Wachstum des Viszerale                Knochen-
                                                                                   Pu

Metastasen je nach ihrer Lokalisation innerhalb der Wirbel-                                 Primärtumors Metastasen               metastasen
körper bzw. ihrer extraläsionalen Ausdehnung als Typ 1–7
klassifiziert (Abb. 1). Diese Einteilung ist hilfreich, um das                     1        Langsam         Keine             Singulär oder isoliert
potenzielle Risiko einer tumorbedingten Wirbelsäulen-                              2        Moderat         Behandelbar       Multipel
instabilität abschätzen zu können.                                                 4        Schnell         Nicht behandelbar –

                                                                                   Bewertung: Aus der Summe der Punkte für die 3 einzelnen prognos-
Tabelle 1 zeigt den Tomita-Score; mithilfe dieser Graduie-                         tischen Faktoren errechnet sich der Prognostic Score, aus dem sich
rung kann für eine individuelle Therapieplanung die Gesamt-                        die in der nachfolgenden Tabelle vorgeschlagenen Handlungsoptio-
prognose im Hinblick auf die Überlebenszeit der betreffenden                       nen ergeben.
Patienten abgeschätzt werden.                                                      Prognostic
                                                                                   Score          Behandlungsziel               OP-Strategie

                                                                                   2 oder 3       Lokale Langzeitkontrolle      Ausgedehnte oder die
                                                                                                                                Tumorgrenzen errei-
Eingelangt am 14. Dezember 2009; angenommen am 16. März 2010; Pre-Publishing
                                                                                                                                chende Exzision
Online am 26. April 2010
                                                                                   4 oder 5       Mittelfristige lokale         Die Tumorgrenzen
Aus der Neurochirurgischen Abteilung, Sozialmedizinisches Zentrum Ost – Donau-
                                                                                                  Kontrolle                     erreichende oder intra-
spital Wien                                                                                                                     läsionale Exzision
Korrespondenzadresse: Prim. Univ.-Doz. Dr. med. Manfred Mühlbauer, Neurochir-      6 oder 7       Lokale Kurzzeitkontrolle      Palliative Chirurgie
urgische Abteilung, Sozialmedizinisches Zentrum Ost – Donauspital, A-1220 Wien,
                                                                                   8, 9 oder 10   Letzte Pflege                 Supportive Maßnahmen
Langobardenstraße 122; E-Mail: manfred.muehlbauer@wienkav.at

38     J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2011; 12 (1)

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Spinale Metastasen

                                                                                               Abbildung 1: Tomitas Originaltabellen zur
                                                                                               Ermittlung von Tomita-Score und Tomita-Typ.
                                                                                               Nachdruck aus [2] mit Genehmigung des
                                                                                               Schattauer-Verlags.

naler Metastasen in erster Linie auf eine funktionelle Verbes-     Eine nützliche chirurgische Option bei spinalen Metastasen
serung. Es erscheint daher sinnvoll, die chirurgische Meta-        ist die einzeitige 360°-Dekompression und Stabilisierung
stasentherapie auf den jeweiligen Patienten und seine wahr-        über einen dorsalen Mittellinienzugang. Diese Technik er-
scheinliche Gesamtüberlebenszeit individuell anzupassen,           laubt eine komplette Resektion der epiduralen Tumorforma-
um die Morbidität so gering wie möglich zu halten und damit        tionen mit einer subtotalen Resektion der Tumoranteile aus
eine vernünftige Kurzzeitrehabilitation zu ermöglichen.            dem betroffenen Wirbelkörper. Die vordere Kortikalis des
                                                                   Wirbelkörpers wird dabei als „Schutzschild“ zu den großen
„ Individuelle chirurgische Strategie                              Blutgefäßen belassen. Ein Wirbelkörperersatzimplantat kann
                                                                   am Duralsack vorbei von dorsolateral eingebracht, und die
In Abhängigkeit von der Prognose (Tomita-Score) sowie der          dorsale pedikelbasierte Stabilisierung daher in vielen Fällen
Tumorausdehnung und einer eventuell vorliegenden Instabili-        relativ kurzstreckig gehalten werden. Durch die effiziente
tät (Tomita-Typ) können – ungeachtet der Kombination mit           360°-Dekompression und 360°-Stabilisierung kann auch über
Strahlen- und/oder Chemotherapie im Rahmen des Gesamt-             einen längeren Überlebenszeitraum ein gutes funktionelles
therapiekonzeptes – verschiedene chirurgische Optionen An-         Ergebnis im Hinblick auf Neurologie und Stabilität erzielt
wendung finden:                                                    werden, während die Morbidität bei diesem einzeitigen dorsa-
                                                                   len Zugang deutlich geringer ist als bei transthorakalen/retro-
In den seltenen Fällen einer rein epidural wachsenden Tumor-       peritonealen oder kombinierten Zugängen [4–9].
formation bei vollständig erhaltener Wirbelsäulenstabilität
gilt eine alleinige Dekompression als effektive Therapie. Bei      „ OP-Indikation und Timing
Prostatametastasen etwa findet sich fallweise eine solche Be-
fundkonstellation. Aber auch bei Patienten mit sehr schlechter     Eine Leitlinie zur Behandlung spinaler Metastasen muss ne-
Gesamtprognose kann eine reine Dekompression und die an-           ben der Empfehlung für die jeweilige chirurgische Technik
schließende Versorgung mit einem adäquaten Mieder eine             auch den OP-Zeitpunkt und die OP-Indikation an sich berück-
vernünftige Lösung darstellen.                                     sichtigen. Ein entsprechender Algorithmus erfordert die prä-
                                                                   zise Kenntnis des aktuellen neurologischen Status des Patien-
Am anderen Ende der Palette chirurgischer Optionen findet          ten, weiters der Ausbreitung und des Wachstumsmusters der
sich die kombinierte ventro-dorsale Tumorresektion mit Wir-        Metastase(n) (Tomita-Typ) und der wahrscheinlichen Gesamt-
belkörperersatz und Stabilisierung. Diese Option besitzt           prognose (Tomita-Score).
sicher die größte Effektivität und erlaubt in selektiven Fällen
auch eine extraläsionale Tumor-Totalexstirpation. Bei Malig-       Der OP-Zeitpunkt hängt vom neurologischen Status ab: Neu-
nomen mit langer Überlebenszeit, wie etwa beim Schilddrü-          rologische Ausfälle erfordern ein rasches, gegebenenfalls
senkarzinom, ist eine solche Variante in Betracht zu ziehen.       auch akutes chirurgisches Vorgehen. Allerdings kann bei dras-
Allerdings erfordert dieses Konzept 2 chirurgische Zugänge         tischer neurologischer Verschlechterung als Akutmaßnahme
und ist mit einer deutlich höheren Morbidität und auch länge-      auch zunächst nur eine reine Dekompression durchgeführt
ren Rehabilitation verbunden.                                      werden, insbesondere wenn Informationen über die zugrunde
                                                                   liegende Malignomerkrankung und über eventuelle viszerale
Für Patienten mit einem höheren ungünstigen Tomita-Score           Metastasen und damit über die wahrscheinliche Gesamtpro-
und einer wahrscheinlichen Überlebenszeit < 12 Monaten             gnose fehlen. Eine eventuell nötige Stabilisierung kann dann
kann die Resektion der epiduralen Tumormasse gemeinsam             elektiv in einem zweiten Schritt erfolgen und so individuell an
mit einer rein dorsalen Stabilisierung eine sinnvolle Alterna-     die Gesamtsituation des Patienten angepasst werden.
tive darstellen. Hier ist die postoperative Rehabilitation rela-
tiv kurz und das Risiko des Auftretens einer klinisch relevan-     In einer bestimmten Patientengruppe mit spinalen Tumoren
ten Rezidivmetastase oder einer Implantatlockerung aufgrund        lässt sich ein ausschließlich belastungsabhängiges moderates
der geringen Lebenserwartung wenig bedeutsam.                      neurologisches Defizit beobachten: Im Stehen und Gehen

                                                                                        J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2011; 12 (1)       39
Spinale Metastasen

                                                a                                                    b                                                     c
Abbildung 2: Plasmozytom mit epiduraler Tumorausdehnung, Tomita-Typ 5. MRT vor (a) und nach (b) Bestrahlung mit deutlicher Abnahme der epiduralen Tumorformation.
(c) Elektive 360°-Stabilisierung über einen einzeitigen dorsalen Zugang, durchgeführt 4 Wochen nach Abschluss der Strahlentherapie.

kommt es zu einem reversiblen partiellen Querschnitt, der                         logische Erholung und bedingt damit keine OP-Indikation.
sich im Liegen rasch erholt. Ursache dafür ist eine passagäre                     Sehr problematisch in diesen Fällen ist allerdings die Verläss-
Rückenmarkskompression durch Retropulsion von instabilen                          lichkeit des oft telefonisch von auswärts übermittelten Befun-
Knochenfragmenten und Disci unter Belastung. In diesen Fäl-                       des, wenn im Rahmen einer solchen Tele-Konsultation kein
len kann primär bestrahlt und damit vor allem bei radiosensi-                     Facharzt für Neurologie oder Neurochirurgie beim Patienten
tiven Tumoren eine Tumorverkleinerung und Devaskularisa-                          ist und klinischer Verlauf, Dauer und Grad der Querschnitt-
tion erzielt werden, bevor in einem angemessenen Intervall                        lähmung nicht präzise dokumentiert sind.
nach der Strahlentherapie die elektive Stabilisierungsopera-
tion erfolgt (Abb. 2). Der Preis für diese Strategie heißt aller-                 „ Behandlungsalgorithmus basierend auf
dings: Bettruhe bis zum elektiven chirurgischen Eingriff. Eine
kontinuierliche klinisch-neurologische Observanz während                            Tomita-Typ und Tomita-Score
der „Wartezeit“ auf die Operation ist obligatorisch.                              Das Wachstumsmuster spinaler Metastasen (Tomita-Typ)
                                                                                  gibt vor, ob eine chirurgische Therapie überhaupt notwendig
Ein vollständiger motorischer und sensibler (!) Querschnitt                       bzw. sinnvoll ist: Metastasen, die das Wirbelkörper-Kompart-
von > 24 Stunden Dauer besitzt kein Potenzial für eine neuro-                     ment nicht überschreiten (Tomita-Typ 1 und 2), verursachen

                                                                                                            Abbildung 3: Metastase eines Schilddrüsenkarzi-
                                                                                                            noms: (a) Der Tumor erfasst den gesamten Wirbelkör-
                                                                                                            per mit Einwachsen in den nächsten kranialen Wirbel
                                                                                                            (Tomita-Typ 6). Die Retropulsion des Knochens und das
                                                                                                            epidurale Tumorwachstum führen zu Myelonkompres-
                                                                                                            sion mit rasch progredientem neurologischem Defizit.
                                                                                                            (b) Einzeitige dorsale 360°-„Eggshell-Dekompression“
     a                                                    b                                                 und Stabilisierung mit gutem funktionellen Ergebnis
                                                                                                            und sofortiger Stabilität für die Frühmobilisierung.

40       J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2011; 12 (1)
Spinale Metastasen

Abbildung 4: Möglicher Algorithmus als Entscheidungshilfe für Indikation, OP-Zeitpunkt sowie Art der chirurgischen Maßnahme bei spinalen Metastasen und Plasmo-
zytomen.

keine Rückenmarkskompression und nur selten eine relevante                       und Wirbelsäulenstabilität adäquat. Bei einem Tomita-
Instabilität und können nach bioptischer Sicherung der Histo-                    Score 4–5 ist eine vollständige 360°-Dekompression sinn-
logie gut mit Strahlentherapie, eventuell auch kombiniert mit                    voll, allerdings kann hier eine rein dorsale (eventuell
Vertebroplastie, behandelt werden. Bei Tomita-Typ-3-Läsio-                       längerstreckige) Stabilisierung erwogen werden. Bei Patien-
nen kann meist im Knochenfenster-CT abgeschätzt werden,                          ten mit Tomita-Score 6–7 ist angesichts der ungünstigen
ob der betroffene Wirbelkörper noch ausreichend stabil ist                       Gesamtprognose meist eine rein dorsale epidurale Dekom-
und das gleiche Therapiekonzept erwogen werden kann.                             pression mit dorsaler Fixation vernünftig. Bei einem Tomita-
                                                                                 Score von 8–10 ist entweder ein rein palliatives Konzept
Typ-4–6-Läsionen erfordern meist ein chirurgisches Vor-                          anwendbar, oder als chirurgische Maßnahme eine reine
gehen und sind gut geeignet für eine einzeitige 360°-Dekom-                      Dekompression ohne Implantate mit externer Stabilisierung
pression und Stabilisierung (Abb. 3).                                            im Mieder.

Tomita-Typ-7-Läsionen mit polysegmentaler Metastasierung                         Selbstverständlich sind in diesem Algorithmus stets auch
eignen sich nur selten für eine chirurgische Therapie. Nur bei                   Strahlen- und Chemotherapie als integrative Bestandteile des
potenzieller Chance auf Langzeitüberleben – also etwa bei                        Gesamttherapiekonzepts zu berücksichtigen, entweder als ad-
ausgewählten Patienten mit Mammakarzinom – kann eine                             juvante Therapie nach der chirurgischen Versorgung oder
Dekompression mit langstreckiger dorsaler Stabilisierung                         aber auch als primäre Therapie vor oder gegebenenfalls an-
erwogen werden.                                                                  stelle einer chirurgischen Behandlung.

Die Gesamtprognose des betroffenen Patienten (Tomita-                            Basierend auf diesen Überlegungen lässt sich als mögliche
Score) gibt vor, welche Belastung durch eine Operation                           Leitlinie zur chirurgischen Behandlung spinaler Metastasen
(Morbidität, Rehabilitation) überhaupt zumutbar ist, und                         der in Abbildung 4 dargestellte Algorithmus andenken. Die
weiters wie aufwendig die Stabilisierung aufgrund der wahr-                      Entscheidungsfindung selbst sollte vorzugsweise in einem
scheinlich verbleibenden Überlebenszeit konzipiert werden                        multidisziplinären Team (Tumor-Board) stattfinden. Unum-
muss. Für Patienten mit guter Prognose (Tomita-Score 2–4)                        gänglich während der gesamten Behandlung ist die sorgfäl-
ist eine 360°-Dekompression und 360°-Stabilisierung für                          tige und kompetente Observanz des neurologischen Status der
ein längerfristiges Erhalten von neurologischer Funktion                         betroffenen Patienten.

                                                                                                           J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2011; 12 (1)       41
Spinale Metastasen

„ Interessenkonflikt                                                                           combined with posterior instrumentation for
                                                                                               spinal metastasis. J Neurosurg 1996; 85:
                                                                                                                                               7. Faciszewski T, Winter RB, Lonstein JE, et
                                                                                                                                               al. The surgical and medical perioperative
                                                                                               211–20.                                         complications of anterior spinal fusion sur-
Der Autor verneint einen Interessenkonflikt.                                                   5. Mühlbauer M, Pfisterer W, Eyb R, et al.      gery in the thoracic and lumbar spine in
                                                                                               Noncontiguous spinal metastases and plas-       adults. A review of 1223 procedures. Spine
                                                                                               mocytomas should be operated on through a       1995; 20: 1592–9.

  „ Relevanz für die Praxis                                                                    single posterior midline approach, and cir-
                                                                                               cumferential decompression should be per-
                                                                                                                                               8. McDonnell MF, Glassman SD, et al. Peri-
                                                                                                                                               operative complications of anterior proce-
                                                                                               formed with individualized reconstruction.      dures on the spine. J Bone Joint Surg Am
  – Primäre Ziele der chirurgischen Behandlung spinaler                                        Acta Neurochir (Wien) 2000; 142: 1219–30.       1996; 78: 839–47.
    Metastasen sind neurologische Funktion, Stabilität der                                     6. Cahill DW, Kumar R. Palliative subtotal      9. Sundaresan N, Steinberger AA, Moore F,
                                                                                               vertebrectomy with anterior and posterior re-   et al. Indications and results of combined an-
    Wirbelsäule und Reduktion von Schmerz. Die chirurgi-                                       construction via a single posterior approach.   terior-posterior approaches for spine tumor
    sche Behandlung spinaler Metastasen kann nachhaltig                                        J Neurosurg 1999; 90 (Suppl): 42–7.             surgery. J Neurosurg 1996; 85: 438–46.
    zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen, aber
    nur selten zur Verlängerung der Überlebenszeit.
  – Neurologischer Status und Tumorwachstumsmuster
    bestimmen OP-Indikation und -Timing.
  – Tumorwachstumsmuster und Stadium der Grunderkran-
    kung (Gesamtprognose) bestimmen Art und Ausmaß
    der chirurgischen Intervention. Prinzipiell kann und
    soll der Eingriff sehr individuell auf den betroffenen
    Patienten abgestimmt werden.
  – Strahlen- und Chemotherapie sind integrativer Be-
    standteil des Behandlungskonzeptes. Die individuell
    maßgeschneiderte Behandlungsplanung soll im multi-                                           Prim. Univ.-Doz. Dr. med. Manfred
                                                                                                 Mühlbauer
    disziplinären Tumor-Board erfolgen.
                                                                                                 Geboren 1959. Studium der Medizin an der
                                                                                                 Universität Wien, 1992 Facharzt für Neuro-
                                                                                                 chirurgie (Neurochirurgische Universitäts-
                                                                                                 klinik Wien). 1994 Oberarzt, 2002 Vorstand
Literatur:                                     Neurochirurgie. Schattauer-Verlag, Stuttgart,     der Neurochirurgischen Abteilung Donauspi-
                                               2008; 420.
1. Tomita K, Kawahara N, Kobayashi T, et al.                                                     tal SMZ-Ost Wien). Venia legendi für Neu-
Surgical strategy for spinal metastases.       3. Tomita K, Kawahara N, Baba H, et al. Total     rochirurgie (Universität Wien.
Spine 2001; 26: 298–306.                       en bloc spondylectomy for solitary spinal me-
2. NN. Klassifikation spinaler Wirbelkörper-   tastases. Int Orthop 1994; 18: 291–8.             Forschungsschwerpunkt: Spinale Neuro-
metastasen nach dem Score-System von           4. Akeyson EW, McCutcheon IE. Single-stage        chirurgie.
Tomita. In: Börm W, Meyer F (Hrsg). Spinale    posterior vertebrectomy and replacement

42      J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2011; 12 (1)
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