Biotope City - die Stadt als Natur - Wohnungswirtschaft-heute
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THEMA Biotope City – die Stadt als Natur Auf dem Wienerberg entsteht auf dem ehemaligen Gelände eines internationalen Getränke- herstellers die „Biotope City“ mit 900 Wohnungen. Ähnlich wie bei der grünen Mitte Linz steht auch hier ein Park im Zentrum. Stadt als Natur verstehen ist jedoch hier der Visualisierung: RLP Rüdiger Lainer + Partner Ansatz – ein Ausblick in eine grüne Zukunft. GERHARD KRAUSE 1 D as Wort Biotop leitet sich aus bíos (Leben) und tópos (Ort) ab. Es bezeichnet ideale Le- bensräume für Gemeinschaften. Und genau das wollen fünf Bauträger auf dem Wienerberg verwirklichen. Das Pro- von Coca-Cola wird bis 2019 qualitativ hochwertiges Wohnen mitten in einem Park mit begrünten Fassaden und dicht bepflanzten Balkonen, mit weiten Freiräu- men, Gemeinschaftsgärten für „urban gar- dening“, mehreren Kinderspielplätzen und jekt wird nach den Prinzipien von Bioto- natürlich mit einem Dachschwimmbad pe City, als dichtes Stadtquartier im engen zum Entspannen und Sonnenbaden, ent- Miteinander von Natur und Menschen re- stehen. Und das alles mit einem Panora- alisiert. Biotope City ist ein städteplaneri- mablick über das Naherholungsgebiet mit sches Konzept der „Stadt als Natur“. Stadt- den Wienerbergteichen – an klaren Tagen planerin Helga Fassbinder – siehe dazu bis zum Schneeberg und zur Rax. Die Bio- auch das Interview auf Seite 22 – begrün- tope City soll urbanes Leben mit Schulen dete 2002 den Begriff. Ihre Idee postuliert und Kindergärten, gepaart mit attraktiven eine neue grüne Ästhetik für den Städte- Freizeitmöglichkeiten und höchster Le- bau, die mit einer neuen Formensprache bensqualität bieten. nicht nur Forderungen der Nachhaltigkeit berücksichtigt, sondern auch den Men- Kooperatives Planungsverfahren schen konkrete Ausdrucksformen für ihre Möglich wurde die neue Wohnidee durch Sehnsucht nach Naturnähe bietet. ein interdisziplinäres und kooperatives 1 / Der von Architekt Rüdiger Lainer geplante Bauteil Auf dem Wienerberg wird nun der Planungsverfahren. Beteiligt im interdis- für die ÖSW AG zeichnet sich durch den weiten Blick und erste Stadtteil Österreichs nach dem Bio- ziplinären Planungsteam waren neben die ungehinderte Zugänglichkeit in den südlichen Grünraum tope-City-Konzept errichtet. Das neue Harry Glück und der Stadtplanerin Helga des Naherholungsgebietes aus. Wohnquartier soll den künftigen Bewoh- Fassbinder von der Stiftung Biotope City, 2 / Städteplanerisches Konzept der Biotope City: nern und Besuchern ein völlig neues RLP Rüdiger Lainer + Partner, Renate Rö- Grün für alle ist die Devise des Wohnbauprojekts am Wohngefühl vermitteln. Auf dem 50.000 del/Franz Sumnitsch, BKK3, die Freiraum- Wienerberg mit 900 Wohnungen. Quadratmeter großen, ehemaligen Areal planer Maria Auböck und János Kárácz, 20 WOHNENPLUS . 2|2017
THEMA die Mobilitäts- und Verkehrsexperten ter Grün- und Freiräume Andreas Käfer und TraffiX sowie das Insti- ergänzt. tut für Ingenieurbiologie und Landschafts- Die Bandbreite der an- bau der Boku-Wien. Projektauslober war gebotenen unterschied- die Gesiba, in Kooperation mit Wien Süd lichen Wohnmodelle ist und Mischek/Wiener Heim. vielfältig und bietet damit Harry Glück brachte seine Erfahrun- beste Voraussetzungen für gen mit den von ihm geplanten Wohntür- ein lebendiges Quartier. men von Alterlaa ein, welche sich immer Das größte Projekt ent- noch einer ungebrochenen Wohnzufrie- steht auf dem Bauplatz denheit erfreuen. Glück zeichnet bei der 3, direkt an der Triester Plan: RLP Rüdiger Lainer + Partner Biotope-City auch für den Masterplan ver- Straße. Das ÖSW errich- antwortlich. Seine „gestapelten Einfamili- tet nach Plänen von RLP enhäuser“ im Wohnturm entwickelte er zu Rüdiger Lainer + Part- „Grünen Wohnbauten“ weiter. Neben den ner 197 geförderte Miet- Grünflächen und Fassadenbepflanzun- wohnungen, 66 davon 2 gen, welche das Mikroklima beeinflussen, als Smart-Wohnungen. den Feinstaub binden und die CO2-Bilanz Das Wohnungsangebot umfasst Zwei- bis neutralisieren, gilt es nachhaltig zu bau- Vier-Zimmer-Wohnungen in den Größen en: Energieeffizienz, Baubiologie und die von 40 bis 102 Quadratmeter. Sie alle ver- Biotope-City: Recycelbarkeit der Baumaterialien. fügen über begrünte, private Freiräume Die geförderten mit Loggien, Balkonen mit großzügigen Ohne Zäune und Mauern Pflanzentrögen oder wohnungserweitern- Wohnprojekte im Überblick Neben der hoher Wohnqualität sollen in den Gärten. In Erdgeschoß-Wohnungen Bauplatz 3: der „Biotope-City“ vielfältige Outdoor-Ak- sorgen leicht angehobene Freiraumflä- Bauträger: ÖSW, Architekt RLP tivitäten im Grünen geboten werden. Das chen dafür, dass die Privatsphäre auch 197 Wohnungen, 66 davon Quartier soll zum Entspannen und Ver- im Garten, auf der Terrasse oder in den SMART-Wohnungen weilen einladen, aber gleichzeitig auch Loggia-Wohnungen gewahrt bleibt. Mi- Bauplatz 4/1: urbane Räume und ein reichhaltiges groß- chael Pech, ÖSW-Vorstand, freut sich über Bauträger Gesiba, Architektur RLP städtisches Hinterland bieten. Wohnen den neuen Stadtteil: „Der von Architekt Rüdiger Lainer + Partner von seiner schönsten Seite also. Geplant Rüdiger Lainer geplante Bauteil zeichnet 63 Wohnungen, 21 davon ist, auf 13 Bauplätzen rund 900 Wohnun- sich durch den weiten Blick und die un- SMART-Wohnungen gen zu errichten, 608 davon gefördert. gehinderte Zugänglichkeit in den südli- Bauplatz 4/2: Bauträger: Gesiba, 217 Wohnungen werden als besonders chen Grünraum des Wienerbergs aus. Das Architektur RLP Rüdiger Lainer + kostengünstige Smart-Wohnungen ausge- ÖSW stellt mit diesem ökosozialen Wohn- Partner, 29 Wohnungen, 24 davon führt. „In der Biotope-City verschmelzen bau einmal mehr seine Verantwortung für SMART-Wohnungen die 13 verschiedenen Wohnverbauungen Mensch und Umwelt unter Beweis.“ Nicht Bauplatz 5: gleichsam über die gemeinsam geplan- zu vergessen – das Highlight der Anlage: Bauträger Wien Süd, Architektur ten grünen Freiräume, ohne Zäune oder Ein Schwimmbad auf dem Dach, mit groß- Glück/HD Architekten, 98 Wohnun- Mauern dazwischen und mit wertvol- zügigen Liegeflächen sowie einer schatti- gen, 33 davon SMART-Wohnungen len Gemeinschaftseinrichtungen,“ betont gen Pergola. Bauplatz 6: Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig. Bei Bauträger: ARWAG, Architektur Gesamtbaukosten von rund 100 Millionen Frei finanziert Glück/Peretti&Peretti, 160 Wohnun- Euro für die geförderten Wohnprojekte Die Bewohnervielfalt soll auch durch die gen, 53 davon SMART-Wohnungen schießt die Stadt Wien insgesamt 32 Millio- unterschiedlichen Finanzierungskonzep- Bauplatz 7: nen Euro an Fördermitteln zu. Die Kosten te gewährleistet werden. Deshalb wer- Bauträger Gesiba, Architektur: RLP liegen zwischen 6,89 bis zu 7,50 Euro pro den rund 300 freifinanzierte Eigentums- Rüdiger Lainer + Partner, 61 Wohnun- Quadratmeter und Monat. wohnungen angeboten. Die autofreie gen, 20 davon SMART-Wohnungen Anlage soll die Gemeinschaft zwischen Bewohnter Park den Bewohnern stärken und eine the- Das gesamte Areal der „Biotope City“ wird matische Verbindung zum angrenzenden zahlreiche – teilweise überdachte – Fahr- naturnah bepflanzt sein und neben Kin- Erholungsgebiet Wienerberg darstellen. radstellplätze und barrierefreie Abstell- dergarten, Schule und Geschäften auch Die Gemeinschaftsflächen für Sport, ein räume für Kinderwagen. Die hauseigene weitläufige Erholungs- und Spielflächen Mobility Point sowie Kultur-, Sozial-, Ge- Tiefgarage bietet Platz für 153 Pkw. Bioto- sowie die Möglichkeit zum „urban garde- sundheits- und Bildungseinrichtungen pe City wird öffentlich gut erreichbar, ab ning“ bieten. Zentrales Thema der „Bio- erstrecken sich über mehrere Bauplätze. 2028 fährt die U2 bis vor die Haustüre. Das tope City“ ist wie auch bei der grünen Begegnungszonen bilden eine Erschlie- Baufeld für den neuen Stadtteil wird be- Mitte Linz mit ihren „hängenden Gärten“, ßungshalle im Erdgeschoß mit einem reits frei gemacht, die Fertigstellung ist für die vertikale Fassadenbegrünung zur Kli- Kinderspielraum, einen Waschsalon mit Herbst 2019 geplant. Dann ist das Erlebnis maregulierung und zur Optimierung des vorgelagertem Kinderspielplatz sowie Stadt als Natur zu erfahren bei einem Spa- Mikroklimas. Das Erholungsgebiet Wie- zweigeschossige Gemeinschaftsbalkone. ziergang durch den neuen Stadtteil auch nerberg wird so durch 18.000 Quadratme- Die Wohnhausanlage verfügt auch über für Gäste von außen möglich. WOHNENPLUS . 2|2017 21
THEMA Stadt braucht mehr Grün Die Biotope City auf den ehemaligen Coca-Cola-Gründen in Wien-Favoriten ist ein Demonstrationsprojekt für den künftigen Umgang mit Grün- raum in der Stadtplanung. Ein gut geplanter Freiraum senkt die sommerliche Temperatur, hält Regenwasser zurück, schafft Atmosphäre und Sozialisation – und kostet keinen Cent mehr. Ein Gespräch mit der Projekt- initiatorin und Stadtplanerin Helga Fassbinder. WOJCIECH CZAJA Foto: Heribert Corn Haben Sie einen Garten? Als eine von wenigen Stadtplanerinnen Fassbinder: „Ja, ich wohne mitten in in Europa kreiden Sie der heutigen Stadt- Amsterdam, an einer Gracht, und ich planung enorm viele Fehler an. Unter habe hinter dem Haus einen kleinen anderem vertreten Sie die Meinung, dass Garten. Der ist zwar nur so groß wie ein unsere Städte zu wenig grün sind. Wohnzimmer, aber ich habe regelmäßig Fassbinder: „Die Städte in Europa sind Besuch von vielen Vögeln. Und hier in Betonwüsten. Und das, obwohl wir in Wien wohne ich in einem Wohnhaus von unserem Kulturkreis auf eine Jahrhunder- Harry Glück. Ich habe einen Balkon und te lange Garten- und Landschaftskultur den kleinen Auersperg-Park vor mir. Die zurückblicken – von der Antike über den Bäume reichen bis hoch in den fünften Barock bis hin zu den Anfängen des 20. Stock und noch höher. Es ist ein wunder- Jahrhunderts. Ich beobachte allerdings, barer Ort.“ wie sich bei den Bürgern und Bewoh- 22 WOHNENPLUS . 2|2017
THEMA nern in den letzten Jahren etwas getan Favoriten planen Sie in Zusammenarbeit den, als Pflanzentröge auf der privaten hat. Sie entwickeln Interesse, die Sensi- mit mehreren Bauträgern und Architek- Loggia, als intensiv und extensiv begrün- bilität steigt, und viele sehnen sich nach ten ein Stadterweiterungsgebiet mit aus- tes Dach und so weiter. Das schafft na- mehr Grün in ihrem Lebensumfeld.“ gesprochen viel Grün. Was genau soll auf türlich eine ganz eigene Atmosphäre, ein diesem Areal passieren? sinnliches Erlebnis, das sich nicht zuletzt Und was ist mit den Architekten und Fassbinder: „Die Coca-Cola-Gründe sind auf die Seele auswirkt. Mein ganz per- Stadtplanern? ein 5,4 Hektar großes Areal, auf dem sönliches Highlight ist, dass in der Bioto- Fassbinder: „Das ist der Punkt! Es gibt rund 900 Wohnungen realisiert werden pe City zum größten Teil große, erwach- zwar einzelne Projekte, bei denen sich sollen – davon rund zwei Drittel geför- sene Bäume eingesetzt werden sollen Architekten eine systematische Integra- dert. Anders als in bisherigen Stadterwei- – heimische Laubbäume wie etwa Birken tion von Grün ins Bauwerk getraut ha- terungs- und Stadtverdichtungsprojekten und Platanen. Das schafft vom ersten Tag ben – so wie etwa Stefano Boeri mit dem spielt die Grünraumplanung hier nicht an eine unverwechselbare Atmosphäre, Bosco Verticale in Mailand oder Édouard nur eine untergeordnete, sondern eine die sonst erst nach zehn, fünfzehn Jahren François mit dem Flower Tower in Paris. zentrale, ja sogar essentielle Rolle. Das eintritt. Vor allem aber – und das ist der Aber Tatsache ist: Im Städtebau wird das Grün legt sich, wenn Sie so wollen, als technisch wichtigste Punkt – dient das Grün generell immer noch sehr stiefmüt- größter gemeinsamer Nenner über alle Grün hier als sogenannte grüne Infra- terlich behandelt.“ Teilprojekte. Es geht uns hier erstmals struktur.“ – wirklich – um die Renaturierung der Warum ist die Stadt noch nicht so weit? Stadt, um die dichte Stadt als Natur.“ Das heißt? Fassbinder: Die systematische Integrati- Fassbinder: „Das Grün ist, wenn Sie so on von Grün in die Stadt erfordert ein Wie sieht das im Detail aus wollen, eine durchdachte, leistbare Ant- umfassendes Umdenken und auch ein Fassbinder: „In einem klassischen Wohn- wort auf den Klimawandel. Es trägt zur Umorganisieren des gesamten Regelsys- projekt gibt es eine Freiraumplanung mit Temperatursenkung auf dem Areal bei, es tems. Das kann keine Berufsgruppe al- Wiesen, Stauden und Jungbäumen und regelt die Luftfeuchtigkeit in der warmen leine stemmen. Schon gar nicht die Land- vielleicht noch ein extensiv begrüntes Jahreszeit, es hält das Wasser bei Stark- schaftsarchitekten. Flachdach. Doch hier soll das Grün in je- regen zurück, es absorbiert Feinstaub. der erdenklichen Form realisiert werden Besonders freue ich mich darüber, dass Sie wollen das nun ändern. Auf den ehe- – als Garten, als Gstätten, als begrünte sogenannte Rain-Gardens angelegt wer- maligen Coca-Cola-Gründen in Wien- Fassade, als Atrium mit begrünten Wän- den. Das sind bewusst eingeplante Auf- das PLUS an das PLUS an Möglichkeiten knOW-hOW das PLUS an eFFiZienZ das PLUS an MOBilitÄt das PLUS an das PLUS an SicheRheit innOVatiOnen das PLUS an kUnDenSeRVice Das Plus für Immobilienverwaltungen. domizil+. Die führende IT-Komplettlösung für die Wohnungswirtschaft. www.domizilplus.at WOHNENPLUS . 2|2017 23
THEMA fang- und Sickerflächen, in denen sich denke, ergeben sich hier Schnittstellen, kann. Mit speziellen Computer-Simulati- das Wasser bei starken Regenfällen sam- die man bei einem klassischen Projekt onen können wir die Effekte der Begrü- melt. Sie sollen das städtische Kanalnetz nicht hat. nung in der Biotope City darstellen. Und entlasten, indem sie den Wasserabfluss Fassbinder: „Genau so ist es. Manche wir haben berechnet, dass die gefühlte reduzieren und verlangsamen.“ Planer und Errichter tun sich leichter, Temperatur im Außenbereich an den mit Biologen, Wasserwirtschaftern, Kul- meisten Stellen von über 40 Grad Cel- Reisen wir für einen Moment zehn Jahre turtechnikern und Landschaftsarchitekt- sius auf unter 30 Grad gesenkt wird. Mit in die Zukunft. Wie sieht die Biotope City innen zusammenzuarbeiten und sich bei einem Wort: Mehr Grün in die Stadt ist aus? der eigenen Arbeit ein bisschen reinpfu- ein relativ simples und kostengünstiges Fassbinder:: „Grün! Ich sehe einen dicht schen zu lassen – andere tun sich schwe- Mittel, um die Probleme zu mildern, die begrünten Stadtteil mit Veitschi, Glyzini- rer. Tatsache ist: Hier gibt es nicht nur der Klimawandel uns beschert.“ en und anderen Kletterpflanzen an den kollaborative, sondern auch technische Fassaden, mit Flächen für Urban Garde- Schnittstellen, die von Anfang an Milli- Klingt überzeugend. Warum macht man ning und einer gut vernetzten, stabilisier- meter für Millimeter mitgeplant werden das nicht öfter? ten Nachbarschaft. Harry Glück hat bei müssen. Das funktioniert nicht zuletzt Fassbinder: „Unbekanntes Terrain! Das seinen Schwimmbädern am Dach gesagt: auch deshalb gut, weil wir hier eine in- ist das allergrößte Problem. Es gibt ei- Das Wasser habe eine bandstiftende Wir- terdisziplinäre, wissenschaftliche Projekt- nen Wust von Paragrafen, Bauvorschrif- kung, denn in der Badehose seien alle betreuung haben.“ ten und Haftungsfragen sowie eine ge- Menschen gleich – vom Vorstandsdirek- wisse Angst und fehlende Erfahrung bei tor bis zum Aushilfskellner. Beim Garteln Wie wird dieser Mehraufwand finan- Architekten, Bauträgern und Behörden. ist es so ähnlich. Mit dem Unterschied ziert? Das Neuland will noch erforscht werden. vielleicht, dass die Wienerin von der ana- Fassbinder: „Das Ganze läuft als For- Genau das ist die mittel- und langfristige tolischen Immigrantin noch viel Wertvol- schungsprojekt und wird mit 100.000 Aufgabe der Biotope City. Sie ist gewis- les über Tomatenanbau lernen kann.“ Euro finanziert. Wir haben jetzt weitere sermaßen das Demonstrationsobjekt.“ 300.000 Euro für weitere drei Jahre be- Welche technischen, juristischen und lo- antragt. Sinn und Zweck dieses Projekts Wie lautet Ihr Appell an die Stadtplanung gistischen Schwierigkeiten bringt die Bio- ist ja, am Ende eine Betriebsanleitung und Politik? tope City mit sich? zu bekommen, wie so ein Stadtteil, wie Fassbinder: „Ich wünsche mir generell Fassbinder: „Eine große technische und so ein grüner Ansatz auch anderswo re- mehr Offenheit und Weitsicht. Ich wün- baurechtliche Schwierigkeit ist leider alisiert werden kann. Dazu braucht es sche mir, dass die Stadtplanung erkennt, der Brandschutz. Immer wieder wird ar- objektive Aussagen und eine entspre- dass eine engagierte und ambitionierte gumentiert, dass Grün eine gefährliche chende Dokumentation in Form eines Grünraumplanung die eierlegende Woll- Brandlast sei. Ja und nein. Efeu – um nur Forschungsberichts.“ milchsau ist, die viele unserer städti- ein Beispiel zu nennen – hat einen ho- schen, mikroklimatischen und auch sozi- hen Ölanteil und brennt im Gegensatz zu In der Regel geben Bauträger zwei bis alen Probleme erheblich mildern kann.“ wildem Wein relativ leicht. Daher wer- drei Prozent der Baukosten für die Frei- den wir Efeu nur punktuell einsetzen. raumanlagen aus. Wie groß ist der Anteil Und an die Bauwirtschaft? Auch bei anderen Pflanzen muss man in der Biotope City? Fassbinder: „Trauen Sie sich! Machen das Brandverhalten sehr genau differen- Fassbinder: „Genauso hoch. Keinen Sie! Sie werden sehen: Größere Wohnzu- zieren. Wir haben zu diesem Thema so- Cent mehr. Es ist nur ein Umdenken und friedenheit, viel weniger Mieterwechsel – gar einen eigenen Workshop mit Exper- Paradigmenwechsel in der Planung.“ und das spart viel Geld.“ tinnen und Experten veranstaltet. Aktuell werden in Zusammenarbeit mit der Boku Das geht sich aus? sehr komplexe Brandversuche gemacht.“ Fassbinder: „Ja. Das Geheimnis ist: Es gibt – wie überall auf der Welt – auch Wie schaut es mit der Ansiedelung von in der Landschaftsarchitektur Trends und Tieren aus? Moden. Und diese Trends und Moden Fassbinder: „Nun, wo Blattgrün ist, sie- sind teuer. Wir greifen, wenn Sie so wol- deln sich auch zwangsweise Vögel und len, auf die Vorjahrskollektion zurück, Insekten an. Flora ohne Fauna geht die längst out ist, und können das Pro- Helga Fassbinder, geboren 1941, nicht. Das ist eine wertvolle Symbiose jekt auf diese Weise gut finanzieren.“ studierte Architektur, Städtebau, und muss bei der Planung entsprechend Kunstgeschichte und Politologie. mitberücksichtigt werden. Diese Kom- Welche Auswirkungen wird das Projekt Sie ist Professorin für Stadtpla- plexität im Blickfeld zu behalten ist eine kurz- und mittelfristig auf die Wiener nung an der TU Eindhoven und meiner Aufgaben und Kompetenzen. Baukultur haben? an der TU Hamburg-Harburg. Wenn Sie mich fragen: Die Biotope City Fassbinder: „Hoffentlich einen sehr gro- 2004 gründete sie die Stiftung wird ein Stadtteil mit einigen Millionen ßen! In vielen Städten herrscht ein richti- Biotope City, die sich mit Kon- Bewohnern werden!“ ger Backofen-Effekt im Sommer. Studien zepten für Stadtbegrünung haben ergeben, dass man mit zehn Pro- beschäftigt. Beim Projekt Biotope Wie sieht die Zusammenarbeit mit den zent mehr Grün – und das ist gar nicht City am Wienerberg ist sie als Architekten und Bauträgern aus? Allein, so viel – die sommerliche Temperatur in Initiatorin maßgeblich beteiligt. wenn ich an die begrünten Fassaden den Städten um drei Grad Celsius senken 24 WOHNENPLUS . 2|2017
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