Die Corona-Verordnungen in den Bundesländern - Ein aktueller Überblick über die Rechtsprechung auf Bundes- und Landesebene Stand: 30. April ...
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IM FOKUS! Mainz, 7. Mai 2020 Nr. 17/22 Die Corona-Verordnungen in den Bundesländern - Ein aktueller Überblick über die Rechtsprechung auf Bundes- und Landesebene (Stand: 30. April 2020) - Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Rechtsverordnungen, die Handlungen eines haben die Bundesländer auf Grundlage des In- Verfassungsorgans 4 sind, scheidet nach den fektionsschutzgesetzes des Bundes (IfSG) Ver- gesetzlichen Regelungen eine Normenkon- ordnungen zum Schutz vor bzw. zur Bekämp- trolle aus (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AGVwGO). Eine Ver- fung von Corona erlassen. Diese Verordnun- fassungsbeschwerde vor dem Verfassungsge- gen waren inzwischen Gegenstand zahlreicher richtshof Rheinland-Pfalz kommt regelmäßig gerichtlicher Entscheidungen. Diese Ausgabe erst nach der Erschöpfung des Rechtsweges 5 von „Im Fokus!“ bietet hierzu einen ausge- in Betracht (Grundsatz der Subsidiarität). 6 wählten, aktuellen Überblick (Stand: 30. April 2020). I. Vereinbarkeit der Verordnungsermächti- gung mit höherrangigem Recht? Voranzustellen ist, dass in Rheinland-Pfalz die Verfassungsgemäßheit einzelner Bestimmun- 1. Ermächtigungsgrundlage gen der Corona-Bekämpfungsverordnung 1 zu- nächst (inzident) von den Verwaltungsgerich- Die Ermächtigung zum Erlass von Corona- ten geprüft wird. 2 Das Oberverwaltungsgericht Rechtsverordnungen findet sich in § 32 Satz 1 Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Danach können Überprüfung der Verordnung im Wege der die Landesregierungen unter den Vorausset- Normenkontrolle (§ 47 VwGO) – anders als in zungen, die für Infektionsschutzmaßnahmen anderen Bundesländern – nicht möglich ist. 3 maßgebend sind (§§ 28 bis 31 IfSG), auch Grund hierfür ist, dass die Rechtsverordnung durch Rechtsverordnungen entsprechende nicht durch die Landesregierung, sondern Gebote und Verbote zur Bekämpfung über- durch das zuständige Ministerium erlassen tragbarer Krankheiten erlassen. Die Landesre- wurde (ministerielle Rechtsverordnung). Für gierungen können die Ermächtigung durch 1 Vgl. nichtamtliche konsolidierte Fassung nach Er- AS 2, 245 [253]; AS 10, 124 [125 f.]; AS 19, 121 [122 lass der Zweiten Landesverordnung zur Änderung f.]; AS 26, 4 [8]; NVwZ 2001, 553 [554]). der Vierten Corona-Bekämpfungsverordnung 5 Hinsichtlich einzelner Bestimmungen einer Rheinland-Pfalz vom 24.04.2020. Rechtsverordnung besteht in der Regel die Mög- 2 Siehe VG Mainz, Beschluss vom 24.04.2020, Az. 1 L lichkeit, zunächst – und regelmäßig auch sehr zeit- 253/20.MZ. nah – (einstweiligen) Rechtsschutz vor den Verwal- 3 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom tungsgerichten zu suchen. 16.04.2020, Az. 6 B 10497/20.OVG. 6 VerfGH Rlp, Beschluss vom 29.04.2020, Az. VGH B 4 Hierzu zählen nach der ständigen Rechtsprechung 26/20, VGH A 27/20, Beschluss vom 30.04.2020, Az. des VerfGH Rlp auch einzelne Minister (VerfGH Rlp, VGH B 25/20. Susanne Schmuck • Tel.: 06131 208-2425 • Susanne.Schmuck@landtag.rlp.de
Abteilung Kommunikation · Informationsdienst LANDTAG RHEINLAND-PFALZ Im Fokus! · Nr. 17/22 · 07.05.2020 Rechtsverordnung auf andere Stellen übertra- einen weiten Gestaltungsspielraum der Ver- gen (§ 32 Satz 2 IfSG). waltung und eine flexible Handhabung des ordnungsbehördlichen Instrumentariums, 2. Bestimmtheitsgebot entschieden die Richter. Lägen neue, in ihrer 10 Entwicklung nur mit erheblichen Unsicherhei- Die Gerichte entschieden im Rahmen der Eil- ten prognostizierbare Bedrohungslagen vor, verfahren, dass diese gesetzliche Ermächti- sei jedenfalls für eine Übergangszeit der gungsgrundlage dem Bestimmtheitsgebot aus Rückgriff auf die infektionsschutzrechtliche Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genüge. Inhalt, Zweck Generalklausel selbst dann hinzunehmen, und Ausmaß der vom Gesetzgeber erteilten wenn es zu wesentlichen Grundrechtseingrif- Verordnungsermächtigung seien danach als fen komme. hinreichend bestimmt anzusehen. 7 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in 3. Parlamentsvorbehalt seiner jüngsten Entscheidung darauf hinge- wiesen, dass er bisher vorläufig von einer Ver- Das Oberverwaltungsgericht Bremen sah in einbarkeit der auf §§ 32, 28 IfSG gestützten seiner Entscheidung zu einem Eilverfahren Maßnahmen mit dem Vorbehalt des Gesetzes keinen Verstoß des Infektionsschutzgesetzes ausgegangen sei. Sollte sich aufgrund der (§ 28 Abs. 1 S. 1 IfSG – Schutzmaßnahmen) ge- Fortentwicklung der Pandemielage jedoch zei- gen den Parlamentsvorbehalt („Wesentlich- gen, dass die grundrechtsbeeinträchtigenden keitstheorie“). 8 Danach hat der Parlamentsge- Maßnahmen nicht mehr nur kurzfristiger Na- setzgeber alle wesentlichen Angelegenheiten tur seien, sondern längere Zeit fortdauerten, selbst zu regeln. Je wesentlicher die Angele- erscheine zweifelhaft, ob der Vorbehalt des genheit ist, vor allem je intensiver in Grund- Gesetzes ohne den Erlass eines Maßnahmege- rechte eingegriffen wird, desto genauer muss setzes durch den parlamentarischen Gesetz- das Parlament diesen Eingriff normieren. Hin- geber gewahrt werden könne. 11 tergrund ist, dass das Parlament als Verfas- sungsorgan unmittelbar demokratisch legiti- II. Ausgewählte Entscheidungen zu Regelun- miert ist. Ferner ist allein im parlamentari- gen der Corona-Verordnungen schen Gesetzgebungsverfahren die notwen- dige Transparenz gewährleistet. 9 Die Rege- Nachfolgend wird ein Überblick zu ausgewähl- lungsmaterie „Gefahrenabwehr“, zu der auch ten, aktuellen gerichtlichen Entscheidungen das Infektionsschutzgesetz gehöre, erfordere im Zusammenhang mit den Verordnungen der 7 Vgl. BayVerfGH, Beschluss vom 30.03.2020, Az. 20 8 OVG Bremen, Beschluss vom 22.04.2020, Az. 1 B NE 20.632, NJW 2020, S. 1236 ff.; OVG Berlin-Bran- 111/20; OVG Bremen, Beschluss vom 09.04.2020, denburg, Beschluss vom 17.04.2020, Az. OVG 11 S Az. 1 B 97/20. 22/20; OVG Bremen, Beschluss vom 22.04.2020, Az. 9 Grundlegend BVerfGE 49, 89; siehe auch BVerfGE 1 B 111/20; Hess. VGH, Beschluss vom 07.04.2020, 104, 151; BVerfGE 121, 135. Az. 8 B 892/20.N und Beschlüsse vom 08.04.2020, 10 OVG Bremen, Beschluss vom 22.04.2020, Az. 1 B Az. 8 B 910/20.N, 8 B 913/20.N; OVG M-V, Beschluss 111/20; OVG Bremen, Beschluss vom 09.04.2020, vom 08.04.2020, Az. 2 KM 236/20 OVG; OVG Saar- Az. 1 B 97/20. louis, Beschlüsse vom 22.04.2020, Az. 2 B 128/20 11 BayVerfGH, Beschluss vom 27.04.2020, Az. 20 NE und 2 B 130/20. 20.793. 2
Abteilung Kommunikation · Informationsdienst LANDTAG RHEINLAND-PFALZ Im Fokus! · Nr. 17/22 · 07.05.2020 Bundesländer zum Schutz bzw. der Bekämp- lerdings gelockert werden. 13 Aktuell bestün- fung von Corona gegeben (Stand: 30. April den keine belastbaren Gründe mehr für die 2020). uneingeschränkte Fortdauer der strengen saarländischen Regelung des Verbots des Ver- 1. Ausgangsbeschränkungen lassens der Wohnung. Zum einen lasse sich aus einem Vergleich der Infektions- und Ster- Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) lehnte beraten in den deutschen Bundesländern mit einen Eilantrag gegen die bayerische Aus- und ohne Ausgangsbeschränkung kein Rück- gangbeschränkung wegen der Corona-Pande- schluss auf die Wirksamkeit der Ausgangsbe- mie als unbegründet ab. 12 Der Antragsteller schränkung ziehen. Dies werde durch eine ak- hatte die Verbote, Freunde zu treffen, seine El- tuelle Studie von Schweizer Wissenschaftlern tern zu besuchen, zu demonstrieren oder neue bestätigt, nach der Ausgangbeschränkungen – Menschen kennenzulernen, für zu weitgehend im Gegensatz zum Verbot von Veranstaltungen gehalten. oder anderen Zusammenkünften – nur geringe zusätzliche Auswirkungen auf das Infektions- Zwar beschränken die angegriffenen Maßnah- geschehen hätten. Zum anderen habe die Na- men die Grundrechte der Menschen, die sich tionale Akademie der Wissenschaften Leopol- in Bayern aufhalten, erheblich, so die Verfas- dina dazu geraten, sobald irgend möglich eine sungsrichter. Die Folgen der angegriffenen vorsichtige Lockerung der Freiheitsbeschrän- Schutzmaßnahmen seien aber nicht im gefor- kungen einzuleiten, um weitere kollaterale derten Maß unzumutbar. Es erscheine nicht Nachteile zu beschränken und die Akzeptanz untragbar, sie vorübergehend zurückzustel- in der Bevölkerung zu erhalten. Ab sofort len, um einen möglichst weitgehenden Schutz seien damit Treffen von Eheleuten, Lebens- von Gesundheit und Leben zu ermöglichen, zu partnerinnen und Lebenspartnern, Verwand- dem der Staat grundsätzlich auch nach der ten in gerader Linie sowie Geschwistern und Verfassung verpflichtet sei. Gegenüber den Geschwisterkindern oder in häuslicher Ge- Gefahren für Leib und Leben wiegten die Ein- meinschaft miteinander lebenden Personen schränkungen der persönlichen Freiheit weni- zuzüglich maximal einer weiteren Person – un- ger schwer. Dabei sei auch zu berücksichtigen, ter Beachtung des Kontaktreduzierungs- und dass die Regelungen befristet seien, bezüglich des Abstandsgebots – im privaten Raum er- der Ausgangsbeschränkungen viele Ausnah- laubt. Erlaubt sei – ebenfalls unter Beachtung men vorsähen und bei der Ahndung von Ver- des Kontaktreduzierungs- und Abstandsge- stößen im Einzelfall im Rahmen der Ausübung bots – das Verweilen im Freien. des Ermessens individuellen Belangen von be- sonderem Gewicht Rechnung zu tragen sei. Nach einer jüngeren Entscheidung des Verfas- sungsgerichtshofs des Saarlandes müssen die saarländischen Ausgangsbeschränkungen al- 12 BVerfG, Beschluss vom 07.04.2020, Az. 1 BvR 13 VerfGH Saarbrücken, Beschluss vom 28.04.2020, 755/20. Az. Lv 7/20. 3
Abteilung Kommunikation · Informationsdienst LANDTAG RHEINLAND-PFALZ Im Fokus! · Nr. 17/22 · 07.05.2020 Demgegenüber entschieden sich die Gerichte würden. Allgemeine Gesundheitsgefahren anderer Bundesländer dagegen, die Aus- durch das Tragen einer Schutzmaske sind mit gangsbeschränkungen zu lockern. 14 Der Baye- hinreichender Sicherheit auszuschließen, so rische Verfassungsgerichtshof hob hervor, das Gericht. Insgesamt wögen die möglichen dass der Gesetzgeber dem Robert Koch-Insti- Einschränkungen der persönlichen Freiheit tut im Zusammenhang mit dem Infektions- gegenüber den Gefahren für Leib und Leben schutz eine maßgebliche Rolle eingeräumt weniger schwer. hat. 15 Zwar habe sich nach dessen Lagebericht vom 22. April 2020 die relative Ausbreitungs- Auch das Verwaltungsgericht Hamburg ent- geschwindigkeit des Virus in jüngerer Zeit ver- schied, dass die Verpflichtung, eine Mund-Na- ringert. Nach wie vor seien die gemeldeten In- sen-Bedeckung zu tragen, die Adressaten fektionszahlen aber hoch. Die Zahl der Anste- nicht in unzulässiger Weise in ihrem allgemei- ckungen würde bei ungehinderten sozialen nen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG Kontakten erheblich zunehmen. Die demge- i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletze. 17 genüber annähernd sichere Einschränkung von Grundrechten durch die angegriffene Ver- 3. Schließung von Gaststätten ordnung hätte demgegenüber geringeres Ge- wicht. Die Ausgangsbeschränkungen seien da- Die Schließung von Gaststätten begründet her nicht außer Vollzug zu setzen. eine erhebliche Einschränkung der Berufsaus- übungsfreiheit, die teilweise massive Einkom- 2. Maskenpflicht menseinbußen bis hin zur Existenzgefährdung mit sich bringe, entschied das OVG Bremen. 18 Die „Maskenpflicht“ nach der rheinland-pfälzi- Ziel der Verordnung sei aber unmittelbar die schen Corona-Bekämpfungsverordnung ist befristete Verhinderung weiterer Infektionsfä- derzeit als gerechtfertigt anzusehen, ent- lle, mittelbar die Gewährleistung einer mög- schied das Verwaltungsgericht Mainz. 16 Eine lichst umfassenden medizinischen Versorgung Rechtsverletzung durch die Verpflichtung, von Personen, die an COVID-19 erkrankt seien. beim Einkaufen und bei der Nutzung des ÖPNV Zur Erreichung dieses Ziels sei die Schließung eine „Mund-Nasen-Bedeckung“ zu tragen, sei von Gaststätten nach summarischer Prüfung nicht zu erkennen. Sofern Eingriffe in Grund- geeignet, erforderlich und angemessen. Denn rechte angenommen würden, seien diese je- die Verbreitung des Coronavirus sei ohne denfalls als gerechtfertigt anzusehen. Mit der drastische staatliche Maßnahmen nicht aufzu- „Maskenpflicht“ solle eine Überlastung des halten und könne ungebremst binnen weniger Gesundheitssystems verhindern werden, in- Monate zum Kollaps des staatlichen Gesund- dem möglichst neue Ansteckungen vermieden 14 Vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 24.04.2020, Az. 16 VG Mainz, Beschluss vom 28.04.2020, Az. 1 L Vf. 29-VII-20; VerfGH Berlin, Beschluss vom 276/20.MZ. 14.04.2020, Az. 50 A/20; Hess. VGH, Beschluss vom 17 VG Hamburg, Beschluss vom 27.04.2020, Az. 10 E 08.04.2020, Az. 8 B 910/20.N; SächsOVG, Beschuss 1784/20. vom 07.04.2020, Az. 3 B 111/20. 18 OVG Bremen, Beschluss vom 22.04.2020, Az. 1 B 15 BayVerfGH, Entscheidung vom 24.04.2020, Az. Vf. 111/20; siehe auch OVG Saarlouis, Beschlüsse vom 29-VII-20; siehe auch BayVerfGH, Entscheidung 22.04.2020, Az. 2 B 128/20 und 2 B 130/20. vom 26.03.2020, Az. Vf. 6-VII-20. 4
Abteilung Kommunikation · Informationsdienst LANDTAG RHEINLAND-PFALZ Im Fokus! · Nr. 17/22 · 07.05.2020 heitssystems führen, wie es in anderen Staa- 5. Verbot von Gottesdiensten 21 ten bereits zu beobachten sei. Besondere Här- ten infolge der Gaststättenschließungen, ins- In seiner jüngsten Entscheidung vom 29. April besondere Existenzgefährdungen, könnten 2020 setzte das BVerfG das Gottesdienstver- insbesondere durch die im Rahmen der unter- bot nach der niedersächsischen Corona-Ver- schiedlichen auch bereits bereitgestellten ordnung insoweit außer Vollzug, als danach staatlichen Soforthilfen abgefedert werden. 19 ausgeschlossen ist, auf Antrag im Einzelfall Nach alldem überwiege das öffentliche Inte- Ausnahmen von dem Verbot zuzulassen. 22 Ein resse an Leben und körperlicher Unversehrt- Verein hatte sich mit seinem Eilantrag an das heit der Bevölkerung gegenüber den privaten, BVerfG gewandt, weil er in dem Verbot von vorwiegend wirtschaftlichen Interessen der Gottesdiensten in Moscheen einen schwerwie- Gaststättenbetreiber. genden Eingriff in die Glaubensfreiheit sah. Das Verbot hindere ihn insbesondere daran, 4. Schulbesuchspflicht während des Fastenmonats Ramadan das Freitagsgebet mit den Mitgliedern in der Mo- Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die schee durchzuführen. Ein generelles Verbot Regelungen nach der Corona-Verordnung von Gottesdiensten in Moscheen verstößt vo- über den Schulbesuch für Schülerinnen und raussichtlich gegen die Religionsfreiheit (Art. 4 Schüler der 4. Jahrgangsstufe der Grundschu- GG), entschieden die Verfassungsrichter. Die len bis zum 3. Mai 2020 außer Vollzug ge- Einschätzung des Risikos von Infektionen setzt. 20 Die Präsenzpflicht für diese Schülerin- durch Kontakte zwischen Personen hänge bei nen und Schüler führe zu einer Ungleichbe- der Veranstaltung von Gottesdiensten in Mo- handlung. Denn mit Ausnahme der Viertkläss- scheen in deutlich größerem Umfang als bei ler seien sämtliche Schülerinnen und Schüler, Verkaufsstätten von den konkreten Umstän- die sich keiner Abschlussprüfung unterziehen den des Einzelfalles ab. Der islamische Gottes- müssten, von der Schulpflicht befreit und dienst unterscheide sich erheblich, je nach- müssten sich somit keinem erhöhten Infekti- dem, welche Lehre zugrunde gelegt werde (z.B. onsrisiko aussetzen. Die in den jetzt noch ver- in Bezug auf das Singen und Beten). Auch seien bleibenden Wochen des Schulhalbjahres zu Größe, Lage und bauliche Beschaffenheit der erwartenden Leistungen der Viertklässler jeweiligen Moschee sowie Größe und Struktur seien für ihre weitere schulische Laufbahn der Religionsgemeinschaft für die Risikoein- ohne Bedeutung. Denn der Übertritt zur wei- schätzung von Bedeutung. Bei der derzeitigen terführenden Schule erfolge auf der Grund- Gefahrensituation und der sich hieran an- lage des Halbjahreszeugnisses. Zudem habe schließenden aktuellen Strategie zur Bekämp- die Wahl der weiterführenden Schule durch fung der epidemiologischen Gefahren sei es die Erziehungsberechtigten in Hessen bis zum nicht vertretbar, dass die niedersächsische 5. März 2020 getroffen werden müssen. 19 Vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 09.04.2020, Az. 1 08.04.2020, Az. OVG 11 S 21/20; Hess. VGH, Be- B 97/20. schluss vom 07.04.2020, Az. 8 B 892/20.N; VG Berlin, 20 Hess. VGH, Beschluss vom 24.04.2020, Az. 8 B Beschluss vom 07.04.2020, Az. VG 14 L 32/20. 1097/20.N. 22 BVerfG, Beschluss vom 29.04.2020, Az. 1 BvQ 21 Zur Abhaltung von Gottesdiensten siehe auch 44/20. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5
Abteilung Kommunikation · Informationsdienst LANDTAG RHEINLAND-PFALZ Im Fokus! · Nr. 17/22 · 07.05.2020 Verordnung keine Möglichkeit für eine aus- werden könne, das Verbot von Gottesdiensten nahmsweise Zulassung solcher Gottesdienste unter - gegebenenfalls strengen - Auflagen in Einzelfällen eröffne. Der Verein habe in sei- und möglicherweise auch regional begrenzt zu nem Antrag mögliche Schutzvorkehrungen lockern. aufgezeigt, um eine relevante Erhöhung der Infektionsgefahr zu vermeiden (z.B. Tragen Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hatte von Mund-Nasen-Bedeckung, Sicherheitsab- in seine Entscheidung des Weiteren einbezo- stand, Reduzierung der Personenanzahl). Die gen, dass die Öffentlichkeit von Gottesdiens- zuständigen Behörden haben nun nach der ten auch durch den Einsatz moderner digitaler verfassungsgerichtlichen Entscheidung auf Medien hergestellt werden könne. 24 Antrag – gegebenenfalls in Abstimmung mit der zuständigen Gesundheitsbehörde – ein- 6. Abgeordnetenrechte zelfallbezogen zu prüfen, ob ausnahmsweise bei situationsbezogen geeigneten Auflagen Der Verfassungsgerichtshof Berlin wies den und Beschränkungen Gottesdienste stattfin- Eilantrag eines Mitglieds des Abgeordneten- den können, soweit eine relevante Erhöhung hauses gegen die SARS-CoV-2-Eindämmungs- der Infektionsgefahr zuverlässig verneint wer- maßnahmenverordnung zurück. 25 Nach der den kann. Verordnung müssen Abgeordnete, wenn Sie wegen ihrer Abgeordnetentätigkeit ihre Woh- Das Verbot von Zusammenkünften in Kirchen nung verlassen, diesen Grund bei einer Kon- nach der hessischen Corona-Verordnung war trolle durch die Polizei oder die zuständigen zuvor Gegenstand eines Eilverfahrens vor dem Ordnungsbehörden glaubhaft machen. Für die BVerfG. 23 Die Verfassungsrichter sahen in dem Glaubhaftmachung kann von dem Abgeordne- Verbot einen überaus schwerwiegenden Ein- ten nicht mehr verlangt werden, als dass er griff in die Glaubensfreiheit des Antragstellers. sich als solcher ausweist und versichert, dass Dennoch sei dem Schutz vor den mit einer Vi- er mandatsbezogen seine Wohnung verlassen rus-Infektion einhergehenden Gefahren für habe, so die Verfassungsrichter. Eine weiter- Leib und Leben derzeit der Vorrang einzuräu- gehende Kontrolle auch nur der Plausibilität men. Durch die Befristung der Verordnung sei seiner Erklärung habe zu unterbleiben. Das ge- sichergestellt, dass bei einer Fortschreibung biete die Bedeutung des freien Mandats und neuere Entwicklungen der Corona-Pandemie der Funktionsfähigkeit der Legislative. Die berücksichtigt werden müssten. Bei jeder Glaubhaftmachung umfasse damit auch nicht Fortschreibung müsse eine strenge Prüfung die Offenbarung von Informationen, die vom der Verhältnismäßigkeit erfolgen und unter- Zeugnisverweigerungsrecht erfasst seien. sucht werden, ob es angesichts neuer Erkennt- nisse etwa zu den Verbreitungswegen des Eine vergleichbare Regelung enthält die rhein- Corona-Virus oder zur Gefahr einer Überlas- land-pfälzische Corona-Bekämpfungsverord- tung des Gesundheitssystems verantwortet nung nicht. 23 BVerfG, Beschluss vom 10.04.2020, Az. 1 BvQ 25 VerfGH Berlin, Beschluss vom 17.04.2020, Az. Ver- 28/20. fGH 51 A/20. 24 ThürOVG, Beschluss vom 9.04.2020, Az. 3 EO 238/20. 6
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