Inklusion und Corona: die Perspektive der Arbeitnehmer*innen

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Inklusion und Corona: die Perspektive der Arbeitnehmer*innen
Inklusion und Corona: die Perspektive der Arbeitnehmer*innen
Positionspapier der ver.di-Bundesfachkommission Behindertenhilfe
und des ver.di-AK Berufliche REHA

Zu Beginn der Corona-Pandemie wurden           gen ausgesetzt sind. Die Arbeit in der Ein-
im März 2020 Einrichtungen der Eingliede-      gliederungshilfe findet u.a. statt in heilpäda-
rungshilfe infolge staatlicher Verordnungen    gogischen Kitas, durch Schulassistenz, in
geschlossen, es wurde ein Besuchsverbot        Tagesstätten, in Wohngruppen und Wohn-
für Wohneinrichtungen erlassen und viele       gemeinschaften, in der eigenen Wohnung
auch ambulante Leistungen konnten auf-         durch eine persönliche Assistenz, in Be-
grund von Kontaktsperren nicht mehr in der     rufsbildungswerken oder in Werkstätten.
gewohnten Form erbracht werden. Insbe-         Im Folgenden gehen wir auf Besonderhei-
sondere Kolleg*innen in den Werkstätten        ten einzelner Arbeitsfelder ein, beschreiben
für behinderte Menschen (WfbM) und in der      die Herausforderungen und benennen un-
Schulbegleitung waren bzw. sind noch im-       sere Forderungen.
mer von Kurzarbeit betroffen. Und das ob-
wohl diese Bereiche systemrelevant sind        ZUR SITUATION IN DEN ARBEITS-
und die Menschen mit Behinderung stärker       FELDERN DER BEHINDERTENHILFE
als zuvor Unterstützung benötigen. Es ist
mit den Zielen einer Inklusion nicht verein-   Frühförderung
bar, dass Menschen mit Behinderung über        Im Zuge der Kontaktsperren während der
einen längeren Zeitraum von der Teilhabe       Corona-Pandemie wurde deutlich, dass
an Bildung und Arbeitsleben ausgeschlos-       den Frühförderstellen die notwendige Aus-
sen werden, während alle anderen Berei-        stattung fehlt, um in angemessener Form
che wieder hochfahren.                         mit den Kindern und Familien z.B. über Vi-
Die Lockerung der Maßnahmen zur Ein-           deo in Kontakt zu treten und Förderinhalte
dämmung der Pandemie seit Mai sind je-         mit den Eltern auszutauschen.
doch mit großen Herausforderungen ver-         Als Kitas und Schulen wieder öffneten, ent-
bunden. Es ist jetzt wichtig, die Vorausset-   stand zuweilen der Eindruck als hätte man
zungen zu schaffen, damit die Realisierung     die Kinder mit Beeinträchtigung und die für
gesellschaftlicher Teilhabe in Zeiten von      sie zuständigen Einrichtungen zunächst
Corona nicht zulasten der Arbeitnehmer*in-     vergessen. Noch immer bestehen hier
nen geht.                                      enorme Herausforderungen: Bei der Arbeit
In Deutschland arbeiten rund eine halbe        mit den Kindern erweist es sich als schwie-
Millionen Arbeitnehmer*innen in der Ein-       rig, die entwickelten Hygienekonzepte ein-
gliederungshilfe. Sie fördern und assistie-    zuhalten. Insbesondere jene Kinder, die
ren Menschen mit Behinderung darin, ein        dringend die Weiterführung der Maßnah-
möglichst selbstbestimmtes Leben zu füh-       men benötigen, sind oftmals jene, die am
ren. Gesellschaftliche Teilhabe zu realisie-   schwierigsten im Rahmen dieser Konzepte
ren war schon vor der Corona-Pandemie          zu fördern sind, weil sie körperliche Nähe
aufgrund der Ökonomisierung in der Behin-      benötigen. Zudem ist die räumliche Aus-
dertenhilfe und des bestehenden Personal-      stattung der Frühförderstellen oft nicht mit
mangels oftmals schwierig. Aufgrund der        den Hygienekonzepten kompatibel (z.B.
Pandemie haben die Belastungen massiv          Einhaltung von Abstandsregelungen). So
zugenommen, vor allem auch weil jene           gibt es für die Frühförderung kein offizielles
Menschen, die sie tagtäglich unterstützen,     Raumprogramm wie bspw. für Kitas. Um
häufig über einen besonderen Schutzbe-         den Anforderungen des Infektionsschutzes
darf verfügen und enormen Einschränkun-        gerecht zu werden, bedarf es deshalb an-
Inklusion und Corona: Die Perspektive der Arbeitnehmer*innen
Positionspapier der ver.di-Bundesfachkommission Behindertenhilfe und des ver.di-AK Berufliche REHA

gepasster Arbeitsweisen, so dass zum Bei-                        Berufsbildungs- und Berufsförderungs-
spiel die Förderung des Kindes nicht vor                         werke
Ort in der Kita stattfindet, die das Kind be-                    Die Berufsbildungswerke (BBW) für Ju-
sucht (als mobiler Dienst), sondern in der                       gendliche und junge Erwachsene ohne
Frühförderstelle ambulant erfolgen kann.                         Berufsabschluss und die Berufsförderungs-
Zudem ist bislang der zusätzliche Personal-                      werke (BFW) für Erwachsene sind mit ihrer
aufwand für Reinigungspersonal wie auch                          bundesweiten Infrastruktur Garant für die
Fachkräfte aufgrund der hohen Hygienean-                         berufliche Qualifizierung von Menschen mit
forderungen nicht geregelt. Zusätzlich zur                       Behinderung. Anfänglich waren auch die
Reinigung am Abend werden zwischen der                           Beschäftigten in den Mensen und Wohn-
Arbeit mit einem Kind um die 30 Minuten                          heimen der BFW von Kurzarbeit betroffen,
zur Reinigung von Spielmaterialien, Lüften,                      während der Ausbildungsbetrieb in digita-
Flächendesinfektion etc. benötigt.                               len und anderen alternativen Lernformen
                                                                 weitergeführt wurde. Seit Mitte Mai wurde
Schulassistenz / Schulbegleitung                                 in beiden Einrichtungsformen wieder
Schulbegleiter*innen arbeiten oftmals auf-                       schrittweise der Regelbetrieb unter Einhal-
grund der Lohnhöhe, der geringen Stun-                           tung aller Gesundheitsschutz- und Hygie-
denzahl sowie der zeitlichen Befristung ih-                      nevorgaben hochgefahren. Die Beschu-
res Arbeitsvertrags unter prekären Bedin-                        lung wird nun in parallel laufenden Prä-
gungen. Die Corona-Krise hat diese pre-                          senz- und Homeoffice-Phasen durchge-
käre Situation massiv verschärft. Obgleich                       führt. Die Reduzierung der Anzahl der Teil-
gerade Kinder mit Schulbegleitung einen                          nehmenden in der Präsenzphase auf der
besonderen Unterstützungsbedarf haben,                           Grundlage des Abstandhaltens bringt viele
waren die Kolleg*innen vielerorts die ers-                       Kolleginnen und Kollegen an die Grenze ih-
ten, die in Kurzarbeit geschickt wurden und                      rer Belastbarkeit, da die neu geschaffenen
dadurch oftmals in die Grundsicherung ab-                        Unterrichtsformen mehr Personal benöti-
gerutscht sind.                                                  gen, welches nicht vorhanden ist. So wer-
Seit Wiedereröffnung der Schulen, nehmen                         den weniger pädagogischen Fachkräften
auch die Schulbegleiter*innen vereinzelt                         direkt vor Ort wesentlich mehr Unterrichts-
wieder ihre Arbeit auf und begleiten Kinder                      stunden abverlangt. Vor- und Nachberei-
in Regelschulen, in Förderschulen oder un-                       tungszeit sowie die Entwicklung neuer
terstützen sie teilweise zuhause. Allerdings                     Lernformen über digitale Medien liegen oft-
sind immer noch viele Beschäftigte in Kurz-                      mals im Feierabendbereich.
arbeit, weil in den Schulen noch kein Re-                        Problematisch ist, dass sowohl die Bunde-
gelbetrieb stattfindet, Risikogruppen vom                        sagentur für Arbeit (BA) als auch die Deut-
Präsenzunterricht befreit werden können o-                       sche Rentenversicherung (DRV) aktuell
der aber auch Schüler*innen, die sich nicht                      kaum noch Teilnehmer*innen an Maßnah-
an Hygiene- und Abstandsregeln halten,                           men der beruflichen Rehabilitation vermit-
weiterhin häuslich lernen sollen. Einigen                        teln. Dies muss sich dringend ändern, im
Schulassistent*innen droht jetzt der Job-                        Interesse der Menschen, die auf diese
verlust, weil die Arbeitgeber ihre befristeten                   Maßnahmen angewiesen sind, und um die
Arbeitsverhältnisse, die vor der Sommer-                         Strukturen und Arbeitsplätze zu erhalten.
pause enden, nicht verlängern. Es besteht
die Gefahr, dass wenn wieder alle Kinder in                      Werkstätten für behinderte Menschen
die Schule gehen, eine wichtige soziale Inf-                     (WfbM)
rastruktur weggebrochen ist. Für die Kol-                        Die Organisationsform der WfbM birgt
leg*innen wird es zudem die Arbeit er-                           schon im normalen Alltag einen Zielkonflikt
schweren, wenn die Kinder über einen lan-                        zwischen den Anforderungen als Bildungs-
gen Zeitraum aus ihrem Alltag gerissen                           und Rehabilitationsdienstleister einerseits
sind und wichtige soziale Bindungen verlo-                       und als produzierendes Wirtschaftsunter-
ren gehen.                                                       nehmen andererseits. Dies verstärkt sich in
                                                                 Zeiten von Corona. Nach dem Betretungs-
                                                                 verbot für die dort beschäftigten Menschen
                                                                 mit Behinderung, musste in vielen WfbM

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Inklusion und Corona: Die Perspektive der Arbeitnehmer*innen
Positionspapier der ver.di-Bundesfachkommission Behindertenhilfe und des ver.di-AK Berufliche REHA

der Betrieb von den Fachkräften aufrecht-                        Dieser erhöhte komplexe Unterstützungs-
erhalten werden. Gleichzeitig haben diese                        bedarf führt zu einer enormen Belastung
eine Notbetreuung angeboten, teilweise in                        der Kolleg*innen. Zum Teil übernehmen sie
Wohnheimen personell unterstützt und der                         ohne entsprechende Fortbildungen thera-
Kontakt zu den Klient*innen telefonisch, per                     peutische Aufgaben, um eine zunehmende
Post oder über gemeinsame Spaziergänge                           Verschlechterung der Behinderung zu re-
gehalten. Dies war insbesondere für Kli-                         duzieren und die Entwicklung neuer Symp-
ent*innen wichtig, die alleine leben. Den-                       tome zu verhindern.
noch waren vor allem im März und April                           Seit Mai sind eingeschränkt wieder Besu-
auch WfbM von Kurzarbeit betroffen.                              che erlaubt und auch Tageseinrichtungen
Seit Mai werden die WfbM schrittweise un-                        öffnen wieder. Es ist allerdings davon aus-
ter Maßgaben des Gesundheitsschutzes                             zugehen, dass viele Bewohner*innen be-
für eine begrenzte Anzahl von Beschäftig-                        sonderer Wohnformen und ambulant be-
ten wiedergeöffnet. Für die Kolleg*innen ist                     treute Menschen auch in Zukunft 24/7 zu-
es eine enorme Herausforderung, einer-                           hause sein werden und einen erhöhten Un-
seits den Produktionsanforderungen mit ei-                       terstützungsbedarf haben. Hierfür fehlt je-
ner stark reduzierten Belegschaft nachzu-                        doch das Personal.
kommen und andererseits die „Rückkeh-
rer*innen“ sensibel auf die neuen Arbeits-                       ZUSÄTZLICHE BELASTUNGEN                   UND
bedingungen einzustimmen und den Kon-                            HERAUSFORDERUNGEN
takt zu all jenen zu halten, die noch nicht in
die WfbM zurückkommen dürfen. Es be-                             Hygienemaßnahmen und Abstandsre-
steht die Sorge, dass wenn Lieferverträge                        geln sind schwer umzusetzen:
nicht eingehalten werden, große Auftragge-                       Insbesondere Menschen mit psychischer
ber verloren gehen. Oder aber die Fach-                          oder geistiger Beeinträchtigung sind hoch-
kräfte die Arbeitsmenge selbst abarbeiten                        gradig verunsichert, Hygienemaßnahmen
und dies zu einem erhöhten Arbeitsdruck                          sind nur schwer vermittelbar und Abstands-
und zu Lasten des Reha-Auftrags geht.                            regeln können nicht eingehalten werden.
Auch die WfbM sind davon betroffen, dass                         Die Umsetzung von Quarantäne kann für
die Vermittlung von Neuzugängen ins Sto-                         alle Beteiligten sehr belastend sein.
cken gerät. Dadurch sind Arbeitsplätze ge-                       Wenn pflegerische Tätigkeiten anfallen, ist
fährdet, insbesondere von Beschäftigten                          ein Körperkontakt nicht vermeidbar. Dies ist
mit befristeten Verträgen.                                       u.a. in den besonderen Wohnformen (stati-
                                                                 onärem Wohnen), eingeschränkt in den
Ambulant betreutes Wohnen und beson-                             ambulanten Wohngruppen sowie den Ta-
dere Wohnformen                                                  gesförderstätten, WfbM, in der Frühförde-
Der Wegfall der Tagesstruktur und wichti-                        rung, in Schulen und heilpädagogischen
ger sozialer Kontakte sowie die bestehen-                        Tagesstätten sowie bei der Schulassistenz
den Einschränkungen und zahlreichen Um-                          der Fall.
stellungen führen bei vielen Menschen mit
Behinderung zu einer hohen Verunsiche-                           Mangel an Schutzausrüstung:
rung, welche die Beschäftigten soweit wie                        Insbesondere in kleineren Einrichtungen
möglich zu kompensieren versuchen. Sie                           und Diensten fehlt es noch immer an adä-
sind beständig gefordert, die neuen Maß-                         quaten Schutzausrüstungen und Schulun-
nahmen zu erklären und flexibel auf die                          gen zum korrekten Umgang mit diesen. Ob-
neuen Anforderungen zu reagieren wie z.B.                        gleich pflegerische Leistungen erbracht
durch eine kurzfristige Umstellung der                           werden, stehen beispielsweise nur Behelfs-
Dienstpläne, weil durch den Wegfall der Ta-                      masken und Einmalhandschuhe zur Verfü-
gesstruktur die Bewohner*innen ganztags                          gung; oder Stoffmasken statt Gesichts-
betreut werden müssen. Es ist zu befürch-                        schutz-Visieren bei Gehörlosen, was die
ten, dass auto- und fremdaggressives Ver-                        Kommunikation erheblich erschwert. Die
halten weiter zunimmt, bei ambulant unter-                       Arbeitgeber stehen hier in der Pflicht, den
stützten Klient*innen in der eigenen Woh-                        Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer*in-
nung zusätzlich Vereinsamung und Panik.                          nen zu gewährleisten.

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Inklusion und Corona: Die Perspektive der Arbeitnehmer*innen
Positionspapier der ver.di-Bundesfachkommission Behindertenhilfe und des ver.di-AK Berufliche REHA

Psychische Belastung nimmt zu:                                   Arbeitsmenge und Intensität nimmt zu:
Die Beschäftigten tragen die Verantwor-                          In vielen Bereichen war bereits vor Corona
tung für Menschen mit Behinderung, die                           die Personalsituation angespannt, auf-
oftmals Risikogruppen angehören und folg-                        grund von Quarantänemaßnahmen und Ri-
lich über einen besonderen Schutzbedarf                          sikogruppen nimmt der Stress bei den ver-
verfügen. Viele Beschäftigte haben Angst                         bliebenen Kolleg*innen zu. Zudem bedarf
vor dem ersten Infektionsfall in der Einrich-                    es aufgrund kleinerer Gruppen und zusätz-
tung und befürchten, sich selbst zu infizie-                     licher Aufgaben mehr Personal. So bedarf
ren. Diese Angst ist mit der Aufhebung des                       es Zeit, um Hygienekonzepte zu entwi-
Kontaktverbots gestiegen. Sie gehen aber                         ckeln, Spielgeräte und Werkzeuge zu des-
auch jeden Tag mit der Angst zur Arbeit,                         infizieren, mit Kindern und Erwachsenen
den Virus bei ihren Klient*innen zuhause o-                      Hygienemaßnahmen einzuüben, ambulant
der in einer Einrichtung einzuschleppen                          betreuten Menschen Kontinuität und Si-
und diese zu gefährden.                                          cherheit zu vermitteln usw. Es erfordert von
                                                                 den Beschäftigten eine sehr hohe Aufmerk-
Anforderungen nehmen zu:                                         samkeit, Hygienemaßnahmen und Ab-
Vieles musste in den vergangenen Wochen                          standsregeln selbst einzuhalten und Men-
neu geregelt werden. Von den Kolleg*innen                        schen mit Behinderung immer wieder auf
wurde eine hohe Flexibilität erwartet. Sie                       diese aufmerksam zu machen. Dies führt
haben teilweise in anderen Arbeitsfeldern                        zu einer enormen Verdichtung der Arbeit.
ausgeholfen, mit neuen Kolleg*innen gear-
beitet, Arbeitszeiten wurden den Erforder-                       Angst vor Arbeitsplatzverlust:
nissen entsprechend angepasst. Auch die                          Insbesondere in der Schulbegleitung, aber
Anforderungen im Umgang mit der Krise                            auch in den WfbM, BFW und BBW bangen
haben zugenommen. Schulbegleiter*innen                           befristete Arbeitnehmer*innen um ihren Ar-
arbeiten teilweise alleine mit den Kindern                       beitsplatz. Viele Schulbegleiter*innen be-
im häuslichen Umfeld. Und auch an das                            finden sich noch immer in Kurzarbeit, be-
Reinigungspersonal werden erhöhte Er-                            fristete Arbeitsverhältnisse enden oftmals
wartungen gestellt und die Arbeitgeber                           mit Beginn der Sommerferien. Es besteht
qualifizieren sie in der sachgerechten Rei-                      die Gefahr, dass hier Arbeitsplätze und
nigung und Desinfektion unter Einhaltung                         wichtige soziale Beziehungen sowie eine
bestehender Hygienepläne.                                        gesellschaftlich wichtige soziale Infrastruk-
                                                                 tur verloren geht.
Den fachlichen Anforderungen gerecht
werden:                                                          UND DAS BRAUCHEN WIR!
Die Kolleg*innen in der Behindertenhilfe
tragen maßgeblich zur Realisierung gesell-                       Soziale Infrastruktur erhalten, Beschäf-
schaftlicher Teilhabe bei – ob z.B. in der                       tigung sichern!
Schule, im Arbeitsleben oder im Sozial-                          Alle Bereiche der Behindertenhilfe sollen
raum. Zudem sind stabile soziale Bezie-                          durch ihre bisherigen Kostenträger weiterfi-
hungen gerade in einer Situation der Ver-                        nanziert werden. Teilnehmer*innen in
unsicherung für die Klient*innen unver-                          WfbM, BFW und BBW sollen weiterhin be-
zichtbar. Sie konnten und können bis heute                       raten und zugewiesen werden und damit
jedoch nicht immer ihre Arbeit fortsetzen                        die soziale Infrastruktur erhalten bleiben.
und den Kontakt zu ihren Klient*innen hal-                       ver.di fordert dies auch in ihrer Funktion als
ten obgleich dies z.B. im Freien, in eigenen                     Mitglied in den Verwaltungsräten der Deut-
Räumen, in festen Kleingruppen oder zu                           schen Rentenversicherung sowie der Bun-
zweit, digital oder per Telefon möglich                          desagentur für Arbeit ein. Kurzarbeit läuft
wäre. Oftmals mangelt es an der Organisa-                        dem Inklusionsanspruch zu wider. Soziale
tion von Fahrdiensten, der räumlichen oder                       Beziehungen dürfen nicht abbrechen. Alle
aber auch der technischen Ausstattung mit                        Menschen haben einen Anspruch auf Teil-
Computern, Tablets und W-Lan sowie an                            habe – auch in Zeiten von Corona.
einer fehlenden Refinanzierung der Arbeit
wie z.B. in der Schulbegleitung.

Seite 4 von 5                                                                                        22. Juni 2020
Inklusion und Corona: Die Perspektive der Arbeitnehmer*innen
                                                                                                                                                                   Positionspapier der ver.di-Bundesfachkommission Behindertenhilfe und des ver.di-AK Berufliche REHA

                                                                                                                                                                   Die Gesundheit schützen!                                         Digitalisierung mitbestimmen!
                                                                                                                                                                   Für einen wirksamen Arbeits- und Gesund-                         Die Digitalisierung in der Behindertenhilfe
                                                                                                                                                                   heitsschutz braucht es:                                          ist ein wichtiges Element, um die Arbeit in
                                                                                                                                                                    ausreichende,         zielgruppengerechte                      Zeiten der Corona-Krise fortsetzen zu kön-
                                                                                                                                                                       Ausstattung mit Schutzausrüstungen                           nen und ermöglicht gesellschaftliche Teil-
                                                                                                                                                                    regelmäßige und symptomunabhän-                                habe. Hier bedarf es zusätzlicher Investitio-
                                                                                                                                                                       gige Testungen                                               nen. Die Umsetzung muss mitbestimmt er-
                                                                                                                                                                    Aufstockung des Reinigungspersonals                            folgen.
                                                                                                                                                                    Schulungen der Arbeitsnehmer*innen
                                                                                                                                                                    kleinere, feste Gruppen bzw. Einzelar-                         Auftraggeber der WfbM in die Pflicht
                                                                                                                                                                       beit mit möglichst wenig Rotation                            nehmen!
                                                                                                                                                                    geeignete Räumlichkeiten, wenn weder                           Inklusion gehört zur Firmenphilosophie vie-
                                                                                                                                                                       in den Einrichtungen noch im häusli-                         ler Auftraggeber. Unter den jetzigen Bedin-
                                                                                                                                                                       chen Umfeld die Unterstützung geleis-                        gungen muss geprüft werden, wie die Lie-
                                                                                                                                                                       tet werden kann                                              fermodalitäten angepasst werden können,
                                                                                                                                                                    unbürokratische, flexible Refinanzie-
Impressum: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin; Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen und

                                                                                                                                                                                                                                    so dass diese auch leistbar sind. Außerdem
                                                                                                                                                                       rung neuer Formen der Arbeit, die den                        könnten die Auftraggeber die WfbM darin
                                                                                                                                                                       Erfordernissen des Gesundheitsschut-                         unterstützen, die Arbeitsplätze der Men-
                                                                                                                                                                       zes angepasst sind                                           schen mit Behinderung so einzurichten,
                                                                                                                                                                    besonderer Schutz der Risikogruppen,                           dass es für sie möglich ist, Hygienemaß-
                                                                                                                                                                       z.B. durch Arbeit im Homeoffice (Kon-                        nahmen einzuhalten (Vorrichtungsbau, Lie-
                                                                                                                                                                       takt mit Klient*innen online, per Telefon,                   ferung von Plexiglas, Visier als persönlicher
                                                                                                                                                                       Post; Vor- und Nachbereitung von Un-                         Schutz etc.).
                                                                                                                                                                       terrichtseinheiten im Bildungsbereich)
Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung, verantwortlich: Sylvia Bühler; Bearbeitung: Sarah Bormann und Arnfried Gläser

                                                                                                                                                                       und andere Arbeitsformen im Freien o-                        Materielle Wertschätzung und Erhöhung
                                                                                                                                                                       der in der Einzelbetreuung bzw. festen                       der Tarifbindung!
                                                                                                                                                                       Kleingruppen                                                 Als Anerkennung für die besonderen Belas-
                                                                                                                                                                                                                                    tungen aller Beschäftigten in der Behinder-
                                                                                                                                                                   Entlastung durch mehr Personal!                                  tenhilfe soll eine Corona-Prämie in Höhe
                                                                                                                                                                   Eine deutlich bessere Personalausstat-                           von 500 Euro monatlich bezahlt werden,
                                                                                                                                                                   tung, damit die aufgrund von Corona zu-                          solange die Pandemie anhält. Doch die
                                                                                                                                                                   sätzlichen Anforderungen weder zu Lasten                         Prämie ersetzt keine dauerhafte gute Be-
                                                                                                                                                                   der Inklusion und damit der Menschen mit                         zahlung. ver.di unterstützt entschlossene
                                                                                                                                                                   Behinderung noch zu Lasten der Gesund-                           Belegschaften bei der Durchsetzung von
                                                                                                                                                                   heit der Beschäftigten gehen. Aufgrund der                       Tarifverträgen. Perspektivisch sind alle Trä-
                                                                                                                                                                   Arbeitsverdichtung sind mehr Pausen not-                         ger aufgefordert, Tarifverträge auf dem Ni-
                                                                                                                                                                   wendig. Es bedarf des Weiteren Supervi-                          veau des Tarifvertrages im öffentlichen
                                                                                                                                                                   sion und Fortbildungen, um der neuen Situ-                       Dienst (TVöD) abzuschließen.
                                                                                                                                                                   ation auch fachlich gerecht werden zu kön-
                                                                                                                                                                   nen.

                                                                                                                                                                   Verbindliche Zusagen für Kostenüber-
                                                                                                                                                                   nahmen!
                                                                                                                                                                   Es bedarf dringend verlässlicher Zusagen
                                                                                                                                                                   für eine Weiterfinanzierung der Leistungen.
                                                                                                                                                                   Darüber hinaus bedarf es einer sofortigen
                                                                                                                                                                   und verbindlichen Absicherung, dass zu-
                                                                                                                                                                   sätzliche Kosten für Schutzmaterialien, Be-
                                                                                                                                                                   lastungsprämien, Tests, Hygiene, Perso-
                                                                                                                                                                   nal- und erhöhte Sachkosten refinanziert
                                                                                                                                                                   werden.

                                                                                                                                                                   Seite 5 von 5                                                                                        22. Juni 2020
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