Die dissoziative Identitätsstörung - häufig fehldiagnostiziert
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MEDIZIN ÜBERSICHT Die dissoziative Identitätsstörung – häufig fehldiagnostiziert Ursula Gast, Frauke Rodewald, Arne Hofmann, Helga Mattheß, Ellert Nijenhuis, Luise Reddemann, Hinderk M. Emrich ZUSAMMENFASSUNG SUMMARY Einleitung: Die dissoziative Identitätsstörung (DIS), auch RECENT ADVANCES IN DISSOCIATIVE IDENTITY Multiple Persönlichkeitsstörung genannt, wird in der ICD-10 DISORDER noch als seltene Erkrankung angegeben. Studien mit Prä- Introduction: Dissociative identity disorder (DID), also valenzangaben von 0,5 Prozent in der Allgemeinbevölke- called multiple personality disorder, is described in ICD-10 rung und 5 Prozent in psychiatrischen Populationen wei- as rare. Studies suggesting a prevalence of 0.5 per cent in sen jedoch auf eine versorgungsrelevante Häufigkeit hin. the general population and 5 per cent in the psychiatric Da inzwischen störungsspezifische Psychotherapieansätze population, suggest that it must be considered as part of vorliegen, kommt der frühzeitigen Diagnostik der DIS eine service provision. Since specific psychotherapeutic appro- besondere Bedeutung zu. Der „State-of-the-art“-Artikel aches now exist, early diagnosis is increasingly important. will für diese Diagnose sensibilisieren. Methoden: Syste- This article on state-of-the-art treatment aims to raise matische Literaturrecherche in den relevanten Fachlitera- awareness of this condition. Methods: Systematic litera- tur-Datenbanken (Medline, Psycinfo, Psyindex) sowie eige- ture review of relevant databases (Medline, Psycinfo, Psy- ne Forschungsergebnisse. Ergebnisse: Die DIS gilt als index) and the author's own research results. Results: DID Traumafolgestörung aufgrund schwerer Kindesmisshand- is considered as a manifestation of childhood trauma result- lung. Neurobiologische Befunde stützen das posttraumati- ing from severe abuse. Neurobiological findings support sche Modell. Das Symptomprofil ist häufig diskret, wird this posttraumatic model. The symptomotology is often durch komorbide Störungen überdeckt und muss aktiv hidden, masked by comorbidity and must be actively en- erfragt werden. Individuelle Psychotherapie hat die Inte- quired after. Individual psychotherapy aims at integrating gration der verschiedenen Persönlichkeitszustände zum the various personality states. Discussion: Professional Ziel. Diskussion: Professionelle Akzeptanz des Störungsbil- recognistion of this syndrome is a prerequisite for more des ist die Vorraussetzung dafür, das die Betroffenen targetted and effective treatment. gezielter aus den therapeutischen Möglichkeiten Nutzen Dtsch Arztebl 2006; 103(47): A 3193–200. ziehen können. Dtsch Arztebl 2006; 103(47): A 3193–200. Key words: dissociative identity disorder (DID), multiple Schlüsselwörter: Dissoziative Identitätsstörung (DIS), personality disorder (MPD), severe child abuse, neurobio- Multiple Persönlichkeitsstörung (MPS), Kindesmissbrauch, logical findings, long term psychotherapy Neurobiologische Befunde, Langzeit-Psychotherapie P osttraumatische Erkrankungen haben auf dem Ge- biet der Psychiatrie und Psychotherapie in den letzten Jahren ein zunehmendes Interesse erfahren. Eine in entsprechend modifizierter Form sowohl von tiefen- psychologischer als auch von verhaltenstherapeutischer Richtung angeboten werden (2). Während die Border- Evangelisches Kran- kenhaus Bielefeld (PD Dr. med. Gast, Dr. med. Reddemann) Reihe von Krankheitsbildern wurde unter den aktuellen line-Persönlichkeitsstörung und die Somatisierungsstö- Abteilung für klinische Erkenntnissen der Psychotraumatologie neu interpretiert, rung inzwischen als gut akzeptierte Diagnosen gelten kön- Psychiatrie und Psy- chotherapie, Medizini- so die Borderline-Persönlichkeitsstörung, die Somatisie- nen, ist dies für die DIS bislang noch nicht ausreichend sche Hochschule rungsstörung und die dissoziative Identitätsstörung der Fall (3, e1). In der ICD-10 wird die DIS als seltene Er- Hannover (PD Dr. med. (DIS). Als übergreifende Diagnose wird die einer „Kom- krankung angegeben (4), obwohl diese eine ähnliche Gast, Dipl. Psych. Rodewald, Prof. Dr. plexen Posttraumatischen Belastungsstörung“ diskutiert, Häufigkeit aufweist wie die Borderline-Persönlichkeits- med. Dr. phil. Emrich) um die Folgen gravierender Belastungen in der Kindheit störung. Studien gehen für die DIS von einer Prävalenz EMDR-Institut in Form von schwerer Vernachlässigung sowie emotiona- von 0,5 bis 1 Prozent in der Gesamtbevölkerung und 5 Deutschland, Bergisch Gladbach (Dr. med. ler, körperlicher und sexueller Gewalt angemessen zu ka- Prozent in stationären psychiatrischen Patientenpopula- Hofmann) tegorisieren (1). Obwohl es sich hierbei noch um eine tionen aus (e2 – e14; Übersicht und Diskussion der Studi- Institut für Psychotrau- Forschungsdiagnose handelt, setzt sie sich doch im klini- energebnisse siehe [5]). Frauen sind mit einem Verhältnis matologie, Duisburg schen Alltag durch, zumal damit sinnvolle therapeutische 9 : 1 sehr viel häufiger betroffen als Männer (4). Obwohl (Dipl.-Phys. Mattheß) Implikationen verbunden sind. Die so diagnostizierten die Erkrankung keineswegs selten ist, werden die Patien- Mental Health Care Drenthe RA Assen, Nie- Patientinnen und Patienten profitieren in der Regel gut tinnen und Patienten gar nicht oder häufig fehldiagnosti- derlande (Dipl.-Psych. von Trauma-adaptierten Therapieprogrammen, wie sie ziert (6; e15–e19). Sie werden somit auch nicht einer ent- Nijenhuis, Ph. D.) Jg. 103 Deutsches Ärzteblatt Heft 47 24. November 2006 A 3193
MEDIZIN KASTEN 1 Geschichtlicher Rückblick Das Problem der „gespaltenen“ oder „multiplen Per- Dissoziative Identitätsstörung: sönlichkeit“ war in den Jahren von 1840 bis 1880 eines Diagnostische Kriterien nach DSM-IV der von Psychiatern und Philosophen häufig diskutier- ten Themen. Der französische Psychiater Pierre Janet a) Das Vorhandensein von zwei oder mehr unterscheidbaren Identitäten oder (1859 bis 1947) prägte den Begriff der Dissoziation als Persönlichkeitszuständen (jeweils mit einem eigenen, relativ überdauernden Desintegration und Fragmentierung des Bewusstseins Muster der Wahrnehmung von der Beziehung zur und dem Denken über die und beschrieb ein bis heute gültiges Diathese-Stress- Umgebung und das Selbst). Modell (7, 8). Die Aufnahme in die psychiatrischen b) Mindestens zwei dieser Identitäten oder Persönlichkeitszustände übernehmen Manuale erfolgte erstmals 1980 in das DSM III (9), wiederholt die Kontrolle über das Verhalten der Person. 1991 auch in die ICD-10 (4). Der ursprüngliche Begriff der „multiplen Persönlichkeit“ hat verschiedene Umbe- c) Eine Unfähigkeit, sich an wichtige persönliche Informationen zu erinnern, die nennungen erfahren; inzwischen hat sich die Bezeich- zu umfassend ist, um durch gewöhnliche Vergesslichkeit erklärt zu werden. nung der dissoziativen Identitätsstörung (DIS) durch- d) Die Störung geht nicht auf direkte körperliche Wirkung einer Substanz gesetzt (10, e20). (z. B. Blackouts oder ungeordnetes Verhalten während einer Alkoholintoxika- tion) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors zurück (z. B. komplex- Zum Spektrum dissoziativer Symptome partielle Anfälle). und Störungen Als dissoziative Störungen bezeichnet man diejenigen Beachte: Bei Kindern sind die Symptome nicht durch imaginierte Spielkamera- psychischen Erkrankungen, bei denen die normalerwei- den oder andere Phantasiespiele zu erklären. se integrierenden Funktionen des Bewusstseins nach- haltig beeinträchtigt sind. Zu diesen integrierenden Funktionen zählt KASTEN 2 > das Gedächtnis > die Wahrnehmung von sich und der Umwelt > das Identitätserleben. Unspezifische Hinweise Alle drei Funktionen des Bewusstseins helfen, erleb- auf dissoziative Identitätsstörung te Erfahrungen in einen persönlichen Gesamtzusam- > traumatische Erfahrungen in der Kindheit menhang zu integrieren. Beispiele für dissoziative Störungen sind die dissoziative Amnesien, bei der es zu > Misslingen vorhergehender Behandlungen funktionellen Gedächtnisstörungen kommt oder die De- > drei oder mehr Vordiagnosen, insbesondere als „atypische“ Störungen (De- personalisationsstörung, bei der die Wahrnehmung von pression, Persönlichkeitsstörungen, Angststörungen, Schizophrenie, Anpas- sich selbst beeinträchtigt ist (10). Dissoziative Sympto- sungsstörungen, Substanzmissbrauch, Somatisierungs- oder Essstörungen) me, insbesondere Depersonalisation im Sinnen von „ne- ben sich stehen, sich nicht im Kontakt mit sich fühlen“, > selbstverletzendes Verhalten treten bei vielen psychischen Erkrankungen auf (zum > gleichzeitiges Auftreten von psychiatrischen und psychosomatischen Beispiel bei akuten Belastungsreaktionen, posttrauma- Symptomen tischen Belastungsstörungen, Borderline-Persönlich- keitsstörungen, Angststörungen, Depressionen). Sie > starke Schwankungen und Fluktuationen in Symptomatik und Funktionsniveau können aber auch den Schweregrad einer eigenständi- gen Störung haben und möglicherweise – insbesondere bei Therapieresistenz – auf eine DIS hinweisen. sprechenden Psychotherapie zugeführt oder sie profitie- Die DIS gilt als die schwerste Erkrankung im Spek- ren dort nicht erwartungsgemäß, weil die zugrunde lie- trum der dissoziativen Störungen. Sie geht mit einem gende DIS übersehen wird. Durch eine frühzeitige Dia- durchgehend dissoziativen Funktionieren in allen drei gnostik kann dagegen eine störungsspezifische Psycho- Bereichen des Bewusstseins einher, sodass zusätzlich therapie eingeleitet und der Erkrankungsverlauf günstig zu dem Gedächtnis und der Wahrnehmung auch das beeinflusst werden (6). Identitätserleben beeinträchtigt ist. Es kommt zur kli- Ziel dieses Artikels ist es, einen Überblick über den nischen Manifestation verschiedener Persönlichkeits- aktuellen Wissensstand der DIS zu geben und sowohl oder Selbstzustände („self-states“), die wechselweise Hausärzte als auch Psychiater und Psychotherapeuten die Kontrolle über das Erleben und Verhalten des Indi- für diese Diagnose zu sensibilisieren. Die Darstellung viduums übernehmen. Der Wechsel von einem Zu- basiert sowohl auf der klinischen Erfahrung der Autoren stand in den anderen ist hierbei mit Amnesie verbun- als auch auf den Ergebnissen einer systematischen Lite- den (Kasten 1). raturrecherche in den wichtigsten medizinischen und psychologischen Fachliteratur-Datenbanken (Medline, Das klinische Erscheinungsbild Psycinfo, Psyindex). Aus der umfangreichen Literatur Das dissoziative Funktionieren in den Bereichen des wurden unter klinischen Aspekten die wichtigsten Stan- Gedächtnisses, der Wahrnehmung und des Selbsterle- dardwerke, Übersichtsartikel sowie empirische Studien bens äußert sich in folgenden klinischen Auffälligkeiten: aufgenommen. Umfassende Bereiche des eigenen Wahrnehmens, Erin- A 3194 Jg. 103 Deutsches Ärzteblatt Heft 47 24. November 2006
MEDIZIN KASTEN 3 nerns und Handelns werden im normalen Alltagbewusst- sein gar nicht oder nur teilweise und dann „wie von ei- Diagnostische Kriterien für die dissoziativen ner anderen Person“ erlebt (10, 11). Menschen mit DIS Identitätsstörungen (nach Dell 2001b, 2002) verhalten und/oder erleben sich so, als gäbe es mehrere verschiedene Personen in ihnen. Leidensdruck entsteht Durchgängiges Muster dissoziativen Funktionierens mit folgenden Symptomen: durch die teilweise erheblichen Alltagsamnesien durch A dissoziative Symptome des Gedächtnisses und der Wahrnehmung die mangelnde Kontrolle über das eigene Denken, (mindestens 4 von 6) Fühlen, Erleben und Handeln sowie durch die hieraus > Gedächtnisprobleme, auffällige Erinnerungslücken bedingten gestörten sozialen Interaktionen. Im klini- > Depersonalisation schen Erstkontakt imponieren jedoch häufig Sekundär- > Derealisation oder Folgeprobleme als „greifbarere“ Beeinträchtigun- > Flashback-Erleben gen wie Depressionen, Angst, psychosomatische Sym- (Nachhall-Erinnerungen von traumatischen Erfahrungen) ptome, Selbstverletzung, Essstörungen, Suchterkran- > somatoforme Dissoziation (somatoforme oder pseudoneurologische Sympto- kungen oder Beziehungsprobleme (11). Oft werden erst me, dissoziative Bewegungs- oder Empfindungsstörungen) im Zuge eines therapeutischen Beziehungsaufbaus die > Trancezustände bewusstseinsferneren und häufig schambesetzten disso- ziativen Symptome offenbart, wodurch dann das Vor- B Anzeichen für die Manifestation teilweise abgespaltener Selbstzustände handensein anderer Persönlichkeitszustände offensicht- (mindestens 6 von 11) lich wird. > Hören von Kinderstimmen (Lokalisation im Kopf) Charakteristischer Weise findet man folgende psy- > innere Dialoge oder Streitgespräche chische Konfiguration der Persönlichkeitszustände: Ne- > herabsetzende oder bedrohende innere Stimmen ben sozial angepassten, im Alltag funktionierenden und > teilweise dissoziiertes (zeitweise als nicht zu sich gehörig erlebtes) Sprechen traumatische Erinnerungen vermeidenden „anschei- > teildissoziierte Gedanken: eingegebene, sich aufdrängende Gedanken, auch nend normalen Persönlichkeitszuständen“ (ANPs) exi- Gedankenentzug stieren andere, häufig traumatische Affekte und Erinne- > teildissoziierte Emotionen: Gefühle werden als aufgedrängt oder eingegeben rungen in sich tragende „emotionale Persönlichkeitszu- erlebt stände“ (EPs), die in das Handeln, Denken und Fühlen > teilweise dissoziiertes Verhalten: Handlungen werden als nicht unter der eige- der ANPs mehr oder weniger fortwährend hineinwirken nen Kontrolle erlebt können oder für Minuten bis Stunden, gelegentlich auch > zeitweise nicht zu sich gehörig erlebte Fertigkeiten oder Fähigkeiten: Plötzli- länger, die Kontrolle über das Individuum übernehmen cher Wechsel im Funktionsniveau: „Vergessen“, wie man Auto fährt, Computer (12). Meist besteht eine teilweise oder vollständige Am- bedient etc. nesie für das Vorhandensein oder die Handlungen der je- > irritierende Erfahrungen von verändertem Identitätserleben: sich wie eine ganz weils anderen Persönlichkeitszustände. Der Grad an Be- andere Person fühlen oder verhalten wusstsein für „die Anderen“ kann jedoch individuell un- > Unsicherheit über die eigenen Identität (aufgrund wiederholter ich-fremder terschiedlich sein und sich auch im Verlauf der Erkran- Gedanken, Einstellungen, Verhaltensweisen, Emotionen, Fertigkeiten etc.) kung verändern. Es kann – insbesondere zu Beginn der > Vorhandensein teildissoziierter Selbstzustände: In der Untersuchungssituation Behandlung und vor allem im Zustand der ANPs – eine tritt teildissoziierter Selbstzustand direkt auf, der angibt, nicht die zu untersu- nahezu vollkommene Amnesie vorliegen, aber auch ein chende Primärperson zu sein, anschließend jedoch keine Amnesie der Primär- schattenhaftes oder traumähnliches Wahrnehmen bis zu person einem deutlichen Co-Bewusstsein für die anderen Zu- C für objektive und subjektive Manifestationen vollständig abgespaltener stände. Selbstzustände (mindestens 2 ) In der Regel finden sich in einem Individuum acht bis > wiederholte Amnesien für das eigene Verhalten: zehn verschiedene Persönlichkeitszustände, allerdings – lückenhaftes Zeiterleben (Zeit verlieren, „Zu sich kommen“, Fugue-Episoden) werden in etwa 20 Prozent der beschriebenen Fälle auch > nicht erinnerbares Verhalten: sehr viel komplexere Aufspaltungen mit 20 und mehr – Rückmeldung von Anderen über eigenes Verhalten, an das man sich nicht „Personen“ gefunden (11). Symptome treten häufig be- erinnern kann reits im Kindesalter auf, doch manifestiert sich die DIS – Dinge in seinem eigenen Besitz finden, an deren Erwerb man sich nicht er- häufig erst im Erwachsenenalter, wenn die eigene Le- innern kann bensgestaltung angezeigt ist. Viele Betroffene können – Notizen oder Zeichnungen von sich finden, an deren Anfertigung man sich die Symptome auch später noch lange Zeit kompensie- nicht erinnern kann ren und erkranken schließlich durch äußere Krisen oder – Hinweise für kürzlich ausgeführte Handlungen, an die man sich nicht erin- durch Erschöpfung der Kompensationsmöglichkeiten. nern kann – Entdecken von Selbstverletzungen oder Suizidversuchen, an die man sich Diagnosestellung nicht erinnern kann Aufgrund der häufig diskreten Phänomenologie und der > Vorhandensein volldissoziierter Selbstzustände: In der Untersuchungs- meist hohen Schamschwelle müssen die Symptome ak- situation tritt ein volldissoziierter Selbstzustand direkt auf, der angibt, nicht die tiv erfragt werden, zumal Patienten sie in der Regel zu untersuchende Primärperson zu sein, anschließend Amnesie der Primär- nicht spontan mitteilen (13). Als unspezifische dia- person gnostischen Hinweise gelten die in Kasten 2 aufgeführ- ten Merkmale. Bei entsprechenden Verdachtsmomenten A 3196 Jg. 103 Deutsches Ärzteblatt Heft 47 24. November 2006
MEDIZIN sollte eine gezielte Diagnostik, wenn möglich von ei- KASTEN 4 nem mit dem Krankheitsbild vertrautem Psychothera- peuten oder Psychiater erfolgen. Test-Güte-Kriterien der Eine weitere Orientierung zur Diagnosestellung bie- Diagnose-Fragebögen zur Erfassung tet der Kriterienkatalog von Dell (Kasten 3) (14), der dissoziativer Störungen zurzeit für das DSM-V diskutiert wird. Funktions- (Strukturiertes Klinisches Interview für dissoziative störungen im Bereich des Gedächtnisses und der Wahr- Störungen; SKID-D beziehungsweise SCID-D-R nehmung äußern sich in den unter Kriterium A aufge- von Steinberg; [17]) und das Multidimensionale Inventar führten Symptomen. Die Manifestation teilabgespalte- dissoziativer Symptome (MID von Dell; [18]) ner Selbstzustände (Kriterium B) mit der damit einher- gehenden Dissoziation des Selbsterlebens äußert sich in Beide Diagnoseinstrumente weisen sehr gute Werte auf: permanenten Störungen der alltäglichen Funktionen: Patienten erleben unter anderem nicht zu sich gehörig SensitivitätSKID-D = .99 empfundenes Denken, Sprechen, Fühlen, Handeln so- SpezifitätSKID-D = .99 wie Stimmenhören. Diese dissoziierten, ichdystonen Interrater-Reliabilität des SKID-D: Κχ = .96 Wahrnehmungen einschließlich des Stimmenhörens ha- SensitivitätMID = .90 ben – in Abgrenzung zur Schizophrenie – pseudohallu- SpezifitätMID = .89 zinatorischen Charakter, das heißt, die Patienten sind Interne Konsistenzen: sich ihrer Trugwahrnehmung in der Regel durchaus be- ␣MID gesamt = .99 wusst. Beim Vorliegen vollabgespaltener Selbstzustän- de (Kriterium C) findet man wiederkehrende evidente ␣ Subskalen = .74 – .96 Hinweise auf zurückliegendes Verhalten, an das man sich nicht erinnern kann. Die Betroffenen berichten über > siehe DFG-Abschlussbericht EM 18 / 16 - 2 sowie (19) teilweise sehr drastische Erinnerungslücken – so wird zum Beispiel die erst kurz zurückliegende eigene Ex- amensprüfung, der gesamte Urlaub oder die Geburt des förderten kontrollierten Studie an der Medizinischen eigenen Kindes nicht mehr erinnert. Sie berichten von Hochschule Hannover erprobt. Es handelt sich hierbei Rückmeldungen aus dem Bekanntenkreis über Verhal- um das Strukturierte Klinische Interview für Dissozia- ten, an das sie selbst keinerlei Erinnerungen haben. tive Störungen (SKID-D beziehungsweise SCID-D-R Auch Amnesien für impulshaftes Verhalten wie Essan- von Steinberg; [17]) und das Multidimensionale In- fälle, Selbstverletzungen oder Suizidversuche können ventar dissoziativer Symptome (MID von Dell; [18]) wichtige Hinweise auf das Vorhandensein dissoziierter (Kasten 4). Selbstzustände geben (Kasten 3). Sind eine vorgege- Die Ergebnisse der Studie bestätigen den in Kasten 3 bene Mindestanzahl an A-, B- und C-Kriterien erfüllt, dargestellten Kriterienkatalog. Für den Einsatz in der liegt das Vollbild einer DIS vor. Liegen weniger als zwei klinische Praxis wird an einer Kürzung der Diagnose- C-Kriterien vor, würde man die Subform, „Nicht Näher Instrumente gearbeitet. Bezeichnete Dissoziative Störung“ (NNBDS) diagno- Differenzialdiagnostisch muss aufgrund der Sym- stizieren. ptomüberlappungen der B-Kriterien nach Dell (Kasten Der vorgestellte Kriterienkatalog von Dell (14) spe- 3) mit den Schneiderschen Symptomen eine Schizo- zifiziert die im DSM-IV und in der ICD-10 bislang ab- phrenie ausgeschlossen werden. Ausschlaggebend ist strakt dargestellten Kriterien und gibt dem Diagnostiker hierbei der pseudohalluzinatorische Charakter der dis- Entscheidungsmerkmale an die Hand, mit denen das soziierten Wahrnehmungen (insbesondere des Stim- Vorhandensein abgespaltener Selbstzustände erkannt menhörens) und die ingesamt erhaltene Realitätskon- werden kann. Der bisherige Mangel solcher Kriterien trolle. Bei der DIS fehlen also die meisten formalen so- begünstigte in den USA eine polarisierte Debatte, in der wie inhaltlichen Denkstörungen wie Wahnwahrneh- das Krankheitsbild der DIS an sich als diagnostische mungen und paranoide Symptome, während bei der Entität in Frage gestellt und als ein von Therapeuten Schizophrenie wiederum die C-Kriterien nach Dell (14) durch Hypnose erzeugtes Phänomen angesehen wurde. in Form gravierender und charakteristischer Gedächt- In der Tat können durch den unsachgemäßen Einsatz nisstörungen nicht vorhanden sind (13, e21). von Hypnose oder suggestiver Techniken iatrogene Ausgeschlossen werden müssen auch eine Border- Identitätsaufspaltungen hervorgerufen werden (3). Die- line-Persönlichkeitsstörung, affektive Störungen und se sind jedoch flüchtigerer Natur und erfüllen nicht den Angsterkrankungen, die jedoch auch zusätzlich zur DIS oben beschriebenen Kriterienkatalog (15). in komorbider Form vorliegen können (11). Die Ab- Durch standardisierte Fragebögen kann die Diagno- grenzung zur Borderline-Persönlichkeitsstörung kann stik weiter optimiert werden. Als Screening-Instru- dadurch erschwert sein, das hier ebenfalls häufig ausge- ment ist für die Diagnostik dissoziativer Störungen in prägte dissoziative Symptome vorliegen können. Die Deutschland der Fragebogen für dissoziative Sympto- Beeinträchtigung des Identitätserlebens ist jedoch nicht me (FDS; 16) verfügbar. Instrumente zur (Differen- derart tiefgreifend, dass das eigene Handeln, Wahrneh- zial-)Diagnostik dissoziativer Störungen wurden in men und Erinnern einer „anderen Person“ zugeordnet einer durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft ge- wird, entsprechend fehlen auch hier die C-Kriterien Jg. 103 Deutsches Ärzteblatt Heft 47 24. November 2006 A 3197
MEDIZIN Eine PET-Studie an GRAFIK frühen Kindheit verstanden wird (15). Ein wichtiger elf Frauen mit DIS kindlicher Entwicklungsschritt, nämlich die Herausbil- zeigt unterschiedli- dung eines zentralen integrierenden Bewusstseins, wird che Reaktionen durch die chronischen Traumatisierungen erschwert zweier Selbstzu- stände des Gehirns, oder verhindert (11). Nijenhuis et al. (12) postulieren im gemessen am Blut- Modell der strukturellen Dissoziation die mangelnde In- fluss im mediofron- tegration zweier angeborener Funktionssysteme – ein talen Kortex. So normales Alltagssystem und ein Überlebenssystem für kann lediglich im extreme Bedrohungen – die wechselweise aktiviert und Selbstzustand, der im Laufe der kindlichen Entwicklung nicht ausreichend das Trauma erinnert miteinander vernetzt werden konnten. („Emotionale Per- Es wird weiter vermutet, dass die mangelnde Inte- son“, EP), eine sig- nifikante Reaktion grationsfähigkeit den psychodynamischen Bewälti- des rechten me- gungsmechanismus einer radikalen Verleugnung und diofrontalen Cortex Abspaltung begünstigt und einem traumatisierten Kind auf einem Tonband die Vorstellung ermöglicht, das erlittene Trauma sei mit der trauma- nicht ihm, sondern „einem anderen“ passiert. Die indi- tischen Erinnerung viduelle Phantasiefähigkeit und Vorstellungskraft des (Skript, traumatisch; Kindes, insbesondere die Schaffung von Projektionsfi- St) nachgewiesen guren, geben den verschiedenen Persönlichkeitszustän- werden, wohinge- gen diese Erinne- den schließlich ihre individuelle Ausprägung. Der be- rung beim Selbstzu- schriebene Prozess wird bei Kindern mit innerfami- stand, der das Trau- liären Traumatisierungen, insbesondere bei inzestuö- ma nicht erinnert sem sexuellem Missbrauch noch verstärkt, da das ex- („Normale Person“, trem inkonsistente und widersprüchliche Verhalten der NP), keine zu neu- Beziehungspersonen und deren Verleugnung der vom tralen Erinnerungen Kind erlittenen Traumatisierungen die dissoziative Be- (Skript, neutral; Sn) wältigungsstrategie zusätzlich fördern (11). unterschiedlichen Reaktionen hervor- ruft. Abdruck aus Dissoziation und Neurobiologie (22) mit freundli- Neurobiologische Studien zur Dissoziation liegen in cher genehmigung Form von neuroanatomischen und psychophysiologi- des Elsevier schen Messungen vor. Bei den neuroanatomischen Be- Verlages. funden von DIS-Patientinnen steht der Amygdala- Hippocampus-Komplex im Zentrum der Betrachtung, da dissoziative Symptome des Gedächtnisses mit einer Dysfunktionalität dieser Strukturen in Zusammenhang nach Dell (14, 20). Differenzialdiagnostisch muss auch gebracht werden. Wie auch bei Borderline-Patienten mit an die bislang seltene artifizielle oder vorgetäuschte DIS positiver Traumaanamnese (e22, e23), fand man bei 21 gedacht werden, bei der Symptome eines Persönlich- Patientinnnen mit komplexen dissoziativen Störungen keitswechsels eher plakativ präsentiert werden (21), (DIS/NNBDS) spezifische Atrophien, insbesondere im ebenso an die oben erwähnte iatrogene Identitätsauf- Bereich des bilateralen Hippocampus, des Gyrus para- spaltung. Ferner müssen Suchterkrankungen sowie hippocampalis und der Amygdala. Patientinnen mit ei- Temporallappenepilepsien ausgeschlossen werden (11). ner geheilten DIS (N = 13) hatten im Vergleich mit sol- chen, die noch nicht geheilt waren, ein größeres hippo- DIS als komplexe posttraumatische campales Volumen (e24). Erkrankung Funktionelle Hirnuntersuchungen finden je nach ak- Der Zusammenhang zwischen Trauma und Dissoziation tiviertem Persönlichkeitszustand unterschiedliche psy- ist durch retrospektive und prospektive Studien gut be- chobiologische Reaktionsweisen. Reinders et al. (23) legt (siehe Übersichtsarbeit 22, in der 25 retrospektive, untersuchten Patientinnen, die in der Untersuchungssi- drei prospektive Studien sowie eine Metaanalyse über tuation kontrolliert aus dem Zustand eines „anschei- 38 Studien beschrieben werden). In retrospektiven Stu- nend normalen Anteils der Persönlichkeit“ (NP) in den dien bei DIS-Patienten werden in über 90 Prozent der eines „emotionalen Anteil der Persönlichkeit“ (EP) Fälle traumatische Erfahrungen in der Kindheit in Form wechseln konnten (Grafik). Sie fanden nicht nur zu- von schwerer Vernachlässigung, seelischer, körperli- standsabhängig unterschiedliche Herzraten, Blutdruck- cher und sexueller Misshandlung angegeben (3, 15, 18). werte und Herzratenvariabilitäten, sondern auch eine Auf der Grundlage dieser Befunde wurde ein Diathe- wechselnde Hirnaktivität im PET auf Konfrontation se-Stress-Modell entwickelt, wonach die Erkrankung mit traumatischen Erinnerungen. Im Zustand des NPs als psychobiologische Antwort auf die erlittenen Trau- zeigte sich eine starke Aktivität in den inhibitorischen matisierungen in einem bestimmten Zeitfenster der Hirnbereichen des rechten mediofrontalen Kortex. Im A 3198 Jg. 103 Deutsches Ärzteblatt Heft 47 24. November 2006
MEDIZIN Zustand des EP – insbesondere bei Konfrontation mit störungsspezifische Techniken zur Anwendung, die dar- traumatischen Erinnerungen (siehe EPSt – fand sich auf abzielen, die dissoziierten Selbstzustände aktiv in diese Hemmung jedoch nicht und führt zu einer signifi- die Therapie einzubeziehen, um somit einen Integra- kant geringeren Durchblutung dieser Cortexregion. Die tionsprozess zur Entwicklung eines kohärentes Selbst Autoren interpretieren die Befunde dahingehend, dass einzuleiten und zu unterstützen (24, 25). Als Therapie im Zustand des überwiegend im Alltag aktiven NP der Wahl gilt eine individuelle ambulante Langzeitpsy- emotionale Reaktionen auf bedrohliche Situationen chotherapie mit zwei Stunden pro Woche über mehrere und Stimuli stark gehemmt werden, was den Betroffe- Jahre, doch haben sich auch kombinierte Therapieange- nen dabei hilft, alltäglichen Aufgaben relativ gut und bote von ambulanter und stationärer Intervalltherapie unauffällig zu bewältigen. klinisch bewährt. Zudem liegen erste Erfahrungen von Waldvogel et al. (e25) beschreiben den eindrucksvol- strukturierten Gruppenangeboten zur gezielten Stabili- len Heilungsprozess einer DIS-Patientin, die nach 15- sierung in Kombination mit individuellen Einzelthera- jähriger, als „kortikal“ diagnostizierter Blindheit im Lau- pien vor, die in Zukunft möglicherweise effizientere und fe einer Psychotherapie schrittweise wieder zu sehen ökonomischere Alternativen zur alleinigen Langzeit- begann. Zunächst betraf dies nur einige Selbstzustände, psychotherapie darstellen können. während andere weiterhin blind waren. Dies konnte durch elektrophysiologische Untersuchungen bestätigt Fazit werden, in denen die noch blinden Selbstzustände aus- Die hier beschriebenen Befunde stehen im Kontrast zur bleibende, die sehenden Zustände hingegen völlig un- bislang geringen professionellen Akzeptanz des Krank- auffällige, reguläre evozierte Potenziale aufwiesen. Als heitsbildes. Die Tatsache, dass die DIS-Diagnose bisher neuronale Grundlage der psychogenen Blindheit vermu- in Deutschland wenig akzeptiert und entsprechend sel- ten die Autoren eine „top-down“-Modulation der Akti- ten gestellt wird, hat für Klinik und Forschung wichtige vität der primären Sehbahn auf der Ebene des Thalamus Implikationen: oder des primären visuellen Kortex. 1. Es ist ein fundierter wissenschaftlicher Diskurs Diese ersten neurobiologischen Untersuchungen an einschließlich Fort- und Weiterbildung aller Berufs- DIS-Patientinnen zeigen, dass sich für das subjektive gruppen im psychosozialen Bereich hinsichtlich Entste- Erleben und die klinische Beobachtung verschiedener hung, Diagnostik und Behandlung der DIS in Deutsch- dissoziativer Phänomene signifikante psychophysiolo- land erforderlich. gische Korrelate finden lassen. 2. Diagnose- und Behandlungsprogramme für die betroffenen Patientinnen und Patienten sollten in die Psychotherapie des DIS psychiatrische und psychotherapeutische Regelver- Mit dem Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen sorgung implementiert und wissenschaftlich evaluiert Beziehung, der Etablierung basaler Grundannahmen werden. von Sicherheit, Sinnhaftigkeit und Wertschätzung, der 3. Hausärzte, Psychiater und Psychotherapeuten soll- Förderung von Affektdifferenzierung und -toleranz so- ten bei entsprechenden Verdachtsmomenten an eine wie der Entwicklung von Selbstverantwortung, Selbst- mögliche DIS denken und eine weiterführende Diagno- wirksamkeit und Selbstkontrolle werden zunächst stik und Therapie einleiten. grundsätzliche therapeutische Zielsetzungen ange- strebt, die einer methodenintegrierten, individuellen Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Langzeitpsychotherapie bei traumatisierten Patienten International Committee of Medical Journal Editors besteht. entsprechen. Studien mit indirekter Effektivitätsmes- sung über den Vergleich der durch DIS-Patientinnen Manuskriptdaten eingereicht 15. 4. 2005, revidierte Fassung angenommen: 14. 3. 2006 und -Patienten vor und nach der Diagnose verursachten Behandlungskosten (e26–e28) sowie eine erste Behand- LITERATUR lungsstudie, in der eine deutliche Symptomreduktion 1. Herman JL: Sequelae of prolongued and repeated trauma: Evidence anhand standardisierter Messinstrumente nachgewiesen of a complex posttraumatic syndrome (DESNOS). In Davidson JRT, wurde (6), bestätigen die Empfehlungen der Interna- Foa EB (Eds.), PTSD: DSM-IV and beyond. Washington, DC: Ameri- can Psychiatric Press 1993; 213–28. tional Society for the Study of Dissociation (Huber M: 2. Flatten G, Hofmann A, Liebermann P, Woeller W, Siol T, Petzold ER: ISSD-Richtlinien für die Behandlung der Dissoziati- Posttraumatische Belastungsstörung, Leitlinie und Quellentext. ven Identitätsstörung [Multiple Persönlichkeitsstörung] Stuttgart: Schattauer 2001. bei Erwachsenen, Neufassung 1997, www.dissoc.de) 3. Gleaves DH, May CM, Cardena C: An examination of the diagnostic bislang noch auf einem EBM-Level von III. Empfohlen validity of dissociative identity disorder. Clin Psychol Rev 2001; 21: wird ein eklektischer Therapieansatz, der psychodyna- 577–608. mische, kognitiv-behaviorale, hypnotherapeutische und 4. Dilling H, Mombour W, Schmidt MH: Internationale Klassifikation psychi- traumaadaptierte Vorgehensweisen umfasst (24). Hier- scher Störungen ICD-10. 2. korrigierte Auflage. Bern: Huber 1993. bei hat sich wie bei allen posttraumatischen Störungen 5. Gast U, Rodewald F: Prävalenz dissoziativer Störungen. In: Redde- mann L, Hofmann A, Gast U (Hrsg.). Psychotherapie der dissoziativen ein phasenorientiertes Vorgehen bewährt, bei dem Störungen. Krankheitsmodelle und Therapiepraxis – störungsspezi- zunächst eine Stabilisierung der Patienten angestrebt fisch und schulenübergreifend. Stuttgart: Thieme 2003, 37–46. wird, bevor man sich gezielt der Bearbeitung traumati- 6. Ellason JW, Ross CA: Two-year follow-up of in patients with dissocia- schen Materials zuwendet. Darüber hinaus kommen tive identity disorder. Am J Psychiat 1997; 154: 832–39. Jg. 103 Deutsches Ärzteblatt Heft 47 24. November 2006 A 3199
MEDIZIN 7. Ellenberger HF: Die Entdeckung des Unbewussten. Bern: Huber 19. Rodewald F: Diagnostik Dissoziativer Störungen. Dissertations- 1996. schrift an der Medizinischen Hochschule Hannover, 2005. 8. Janet P: L´ automatisme psychologique. Paris: Félix Alcan, 1889. 20. Boon S, Draijer N: The differentiation of patients with MPD or Reprint: Société Pierre Janet, Paris, 1889/1973. DDNOS from patients with a cluster B personality disorder. Disso- 9. American Psychiatric Association: Diagnostic and statistical manual ciation 1993; 6: 126–35. of mental disorders (3rd. ed.) (DSM-III). Washington, DC: APA 1980. 21. Draijer N, Boon S: The imitation of dissociative identity disorder: 10. American Psychiatric Association: Diagnostic and statistical manual Patients at risk, therapists at risk. J Psychiat Law 1999; 27: of mental disorders (4th. ed.) (DSM-IV). Washington DC: American 423–58. Psychiatric Press 1994. 22. Gast U: Zusammenhang von Trauma und Dissoziation. In: Seidler 11. Putnam FW: Diagnostik und Behandlung der Dissoziativen Iden- GH, Laszig P, Micka R, Nolting BV: Aktuelle Entwicklungen in der titätsstörung. Paderborn: Junfermann 2003. Original: Putnam FW. Psychotraumatologie. Theorie, Krankheitsbilder, Therapie. Gies- Diagnosis and treatment of multiple personality disorder. New York: sen: Psychosozial-Verlag 2003: 79–02. Guilford Press 1989. 23. Reinders A, Nijenhuis ERS, Paans A, Kotf J, Willemsen A, 12. Nijenhuis ERS, Van der Hart O, Steele, K: Strukturelle Dissoziation Boerm JA: One brain, two selves. Neuroimage 2003; 20: der Persönlichkeitsstruktur, traumatischer Ursprung, phobische Re- 2119–25. siduen. In: Reddemann L, Hofmann A, Gast U (Hrsg.): Psychotherapie 24. Reddemann L, Hofmann A, Gast U (Hrsg.): Psychotherapie der der dissoziativen Störungen. Stuttgart: Thieme 2003; 47–69. dissoziativen Störungen. Krankheitsmodelle und Therapiepraxis – 13. 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Evangelisches Krankenhaus Bielefeld Graf-von-Galen-Straße 58 17. Steinberg M: The structured clinical interview for DSM-IV-dissocia- 33619 Bielefeld tive disorders – revised (SCID-D). Washington, DC.: American Psychiatric Press 1994. 18. Dell PF: Dissociative phenomenology of dissociative identity disorder. J Nerv Ment Dis 2002; 190: 10–15. @ Weitere Literatur im Internet: www.aerzteblatt.de/lit 4706 REFERIERT Industrie-gesponserte Reviews vorbehaltlos für das evaluierte Pharmakon aus. Hingegen waren sind weniger differenziert die Autoren der Cochrane-Publikationen skeptischer: in sechs der Pharmaka werden in Übersichtsarbeiten positiver dargestellt, wenn die acht Arbeiten wurden Qualität, Relevanz oder Ergebnisse infrage Autoren industrielle Unterstützung erhalten. Dies vermuten Autoren gestellt. Siebenmal fanden die Cochrane-Autoren den höheren Preis vom Nordic Cochrane Centre in Kopenhagen. Sie haben Übersichtsar- des neuen Medikaments problematisch. Diese Ansicht teilte keine tikel der Cochrane-Datenbank für systematische Übersichtsarbeiten der gesponserten Publikationen. Im Gegenteil, die Autoren zweier mit Artikeln anderer Fachzeitschriften verglichen. durch die Industrie geförderter Arbeiten fanden, dass die Innova- Ziel war es, zu einer Cochrane-Veröffentlichung eine Arbeit zu fin- tion zum Vergleich zur herkömmlichen Behandlung kosteneffizient den, in der die gleichen Pharmaka und Krankheiten getestet wurden. war. Dies gelang in 24 Fällen. Die beiden zu vergleichenden Übersichtsar- Der Behandlungseffekt wurde in jeder Vergleichsarbeit annähernd beiten erschienen innerhalb von zwei Jahren. Acht Publikationen wie- gleich eingeschätzt. Die von der Industrie gesponserten Metaanalysen sen eine Unterstützung von der Industrie aus. Hierunter verstand man waren weniger transparent und kritisch hinsichtlich der methodischen den Erhalt von industriellen Drittmitteln, das Arbeitsverhältnis des Au- Einschränkungen der berücksichtigten Studien als die Cochrane-Ver- tors in der Industrie oder maßgebliche Unterstützung, beispielsweise öffentlichungen. bei der statistischen Analyse. Die Publikationen ohne veröffentlichten Interessenkonflikt zeigten Neun Arbeiten fehlte eine Erklärung, und in sieben Fällen bestand tendenziell die gleichen Schwachstellen wie die mit industrieller Un- kein Interessenkonflikt. Die Autoren bewerteten die Qualität der Meta- terstützung verfassten Reviews. Die Einschätzungen der Studien, in analysen mit maximal sieben Punkten. Dies erreichten alle Cochrane- denen kein Interessenkonflikt bestand, stimmten mit den Einschät- Arbeiten. Die anderen Reviews erlangten lediglich drei Punkte. In allen zungen von Cochrane gut überein, allerdings gab es Abweichungen, von der Industrie gesponserten Übersichtsarbeiten sprach man sich welches Medikament empfohlen wurde. me Jørgensen A, HIlden J, Gøtzsche PC: Cochrane reviews compared with industry supported meta-analyses and other meta-analyses of the same drugs: systematic review. BMJ 2006; 333: 782–5. E-Mail: pcg@cochrane.dk A 3200 Jg. 103 Deutsches Ärzteblatt Heft 47 24. November 2006
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