Depressionen und Angstzustände im Klimakterium // Climacteric depression and anxiety - Krause und ...
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Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie www.kup.at/ JNeurolNeurochirPsychiatr Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems Depressionen und Angstzustände im Homepage: Klimakterium // Climacteric www.kup.at/ depression and anxiety JNeurolNeurochirPsychiatr Birkhäuser M Online-Datenbank mit Autoren- Journal für Neurologie und Stichwortsuche Neurochirurgie und Psychiatrie 2021; 22 (4), 186-191 Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/BIOBASE/SCOPUS Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031117M, Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21 Preis : EUR 10,–
DGfE 2022 60. Jahrestagung der DGfE 27.–30. APRIL 2022 l Leipzig © Jakob Fischer l shutterstock www.epilepsie-tagung.de AbstrAct DEADlinE 09. DEzEmbEr 2021 73. Jahrestagung Deutsche gesellschaft für neurochirurgie abstract Deadline: 04. Januar 2022 Joint Meeting mit der griechischen gesellschaft für neurochirurgie www.dgnc-kongress.de
For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH. Depressionen und Angstzustände im Klimakterium* M. Birkhäuser Kurzfassung: Frauen besitzen in jedem Alter nen Östrogene als Therapie der ersten Wahl additional risk factors for mood disorders and eine höhere Inzidenz für Depressionen als für depressive Störungen eingestuft werden. depression. Depression in climacteric women Männer. Die lebenslängliche Prävalenz von de- Dagegen verbessern Östrogene Depressionen is still underestimated and has to be actively pressiven Störungen ist bei Frauen doppelt so in der späten Postmenopause nicht mehr. Bei looked for by family doctors and gynaecolo- hoch und erreicht 18–21 %. Die menopausale depressiven älteren postmenopausalen Frauen gists. Übergangszeit ist ein „Fenster mit erhöhter Ver- ohne Wallungen bleiben SSRI/SNRI und Anti- Estrogens modulate the metabolism of letzlichkeit“ und kann eine depressive Verstim- depressiva das Mittel der ersten Wahl. serotonin and noradrenalin, as do SSRI / SNRI mung auslösen. Deren Wahrscheinlichkeit ist Jede pharmakologische Behandlung muss and anti-depressants, and influence therefore in der menopausalen Übergangszeit 1,5–4-mal immer in ein globales therapeutisches Konzept mood, mental function and cognition. In the höher als in der Prämenopause, vor allem bei eingebettet werden. Oft gehören dazu neben menopausal transition, there is suggestive Frauen mit vasomotorischen Symptomen und anderen Maßnahmen eine Psychotherapie und evidence that estrogen therapy can improve zusätzlichen Risikofaktoren für Stimmungsver- soziale Korrekturen. mood, anxiety and depression. In peri- and änderungen und Depression. Dies wird bei kli- early postmenopausal women with climacteric makterischen Frauen immer noch unterschätzt. vasomotor symptoms, estrogens might be con- Von Hausärzten und Gynäkologen sollte aktiv Abstract: Climacteric depression and anxiety. sidered as a first-line treatment for depressive danach gesucht werden. Women of all ages have a higher incidence of symptoms. However, estrogens do not improve Östrogene modulieren wie SSRI/SNRI und depression than men. The lifetime prevalence depression in the late postmenopause. In de- Antidepressiva den Stoffwechsel von Sero- of depressive disorders in women is twice the pressed elderly postmenopausal women with- tonin und Noradrenalin und beeinflussen prevalence in males and amounts to 18–21 %. out hot flushes, SSRI/SNRI and antidepressants Stimmungslage, mentale Funktionen und Ko- The menopausal transition is a “window of remain the first-line treatment. gnition. In der menopausalen Übergangszeit increased vulnerability” and might trigger a Each pharmacological treatment should kann eine Östrogentherapie Stimmungslage, depressive disorder. In this period, the risk to always be embedded in a global therapeutic Angstzustände und depressive Symptome ver- get depressive is 1.5–4 times higher than in the concept including among others frequently bessern. Bei peri- und früh-postmenopausalen premenopause, particularly in women suffer- psychotherapy and social measures. J Neurol Frauen mit vasomotorischen Symptomen kön- ing from vasomotor symptoms and presenting Neurochir Psychiatrie 2021; 22 (4): 186–91. Einführung Klimakterische Frauen mit depressiven Symptomen geben in ihrer Anamnese häufig frühere depressive Episoden, ein prä- Depressive Störungen sind der zweithäufigste Grund, einen menstruelles Syndrom oder eine Wochenbettdepression an [6, Arzt/eine Ärztin aufzusuchen. Die lebenslängliche Prävalenz 15–17]. Außer im Klimakterium treten Depressionen bei Frau- von Depressionen beträgt bei Frauen 18–21 %. Ihre Inzidenz en gehäuft auch in anderen endokrin instabilen Lebensphasen ist in allen Altersstufen um 1,5–4-mal höher als bei Männern auf, wozu vor allem Pubertät, Schwangerschaft und Postpar- (Tab. 1) [1–5]. In der Peri- und frühen Postmenopause besitzen tum gehören. Bei Frauen spielen bestimmte psycho-soziale Frauen ein erhöhtes Risiko für depressive Erkrankungen [6–8]. Risikofaktoren (Tab. 2) und körperliche Gesundheitsprobleme Ein Drittel erlebt ihre erste depressive Episode in der meno- eine größere Rolle als bei Männern. Depressive Frauen leiden pausalen Übergangszeit [9–11]. Trotzdem wird die Häufigkeit mehr an Angstzuständen und Somatisierungserscheinungen einer Depression bei klimakterischen Frauen immer noch und sind häufiger hospitalisiert als depressive Männer. unterschätzt. Ein Routine-Screening für depressive Störungen und unbegründete Angstzustände ist in dieser Risikogruppe Im Folgenden werden schwere depressive Störungen („major daher bei hausärztlichen Kontrollen und bei der gynäkologi- depressive disorder“, MDD) und andere depressive Verstim- schen Jahreskontrolle angezeigt und für eine rechtzeitige und mungen nicht getrennt behandelt, da diese Definitionen auch effektive Behandlung entscheidend. in der diesem Übersichtsartikel zugrunde liegenden Literatur zur Rolle der Östrogene bei depressiven Störungen nicht kon- Emil Kraepelin [12], Paul Julius Möbius und Eugen Bleuler sequent berücksichtigt werden. hatten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts einen Zusammen- hang zwischen Endokrinium und Psyche postuliert. Mitte des Wirkung der Östrogene auf die Stim- 20. Jahrhunderts ging Manfred Bleuler von einer kausalen Beziehung zwischen dem Endokrinium und bestimmten psy- mungslage chischen Erkrankungen wie Schizophrenie und Depressionen Östrogenen kommt eine wichtige Rolle in der zentralnervö- aus [13, 14]. Die Begriffe „Involutions-Melancholie“ und „en- sen Regulation zu [23–26]. Sie besitzen eine neuroprotektive dokrine Depression“ wurden geprägt. Dennoch kam es zum Wirkung, fördern Synapsenbildung und Vernetzung und Thema „Psychiatrie und E ndokrinologie“ lange zu keinem modulieren die Expression und Sekretion von Neurotransmit- Konsens. tern. Ihre Wirkung erfolgt genomisch und nicht-genomisch [23]. Östrogene sind über Neurotransmitter nicht nur bei der Thermoregulation und an vasomotorischen Symptomen beteiligt, sondern beeinflussen auch maßgeblich Gedächtnis, * Zweitabdruck aus Therapeutische Umschau 2021; 78 (8): 427–34. © 2021. Mit Kognition und Stimmungslage. In den Gehirnregionen, die freundlicher Genehmigung des Hogrefe Verlags, Bern. dafür entscheidend sind, vermehren Östrogene die Dichte der Aus der Universität Bern Korrespondenzadresse: Prof. em. Dr. Martin Birkhäuser, CH-4052 Basel, Serotonin-Rezeptoren und modulieren die dopaminergen, Gartenstrasse 67; E-Mail: martin.birkhaeuser@bluewin.ch serotonergen, cholinergen und glutaminergen Systeme. 186 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2021; 22 (4)
Depressionen und Angstzustände im Klimakterium Tabelle 1: Unterschiedliche Häufigkeit und Manifesta- Tabelle 2: Risikofaktoren für depressive Störungen in tion von Depression bei Männern und Frauen (n = 557 der menopausalen Übergangszeit. Nach [1, 5, 18–22]. unipolare und bipolare II Depressionen)(nach [13]). Persönliche Risikofaktoren: f:m – Alter – Depressionen oder prämenstruelles Syndrom in der Verhältnis Frauen zu Männern g lobal = Life-time Inzidenz 2:1 Anamnese endogener Depressionen bei Frauen doppelt so hoch wie bei Männern (n = 557 unipolare und bipolare II Depressio- – Geringes Selbstwertgefühl nen [1]) – Schwierigkeiten in der eigenen Ehe/Partnerschaft – Schlechte sozio-ökonomische Situation Vorkommen der verschiedenen klinischen Formen der Depres- – Beruf sion bei Frauen – Beschäftigungsgrad – Nach der Korrektur für Partnerschaft und für den Be- – Kürzliche Stressperioden schäftigungsgrad ergeben sich für die verschiedenen Typen der Depression folgende Unterschiede (n = 557 – Sexueller Missbrauch während Kindheit Personen [2]) – Nicht-Akzeptieren des eigenen Älterwerdens { Unipolare Depressionen 4:1 Äußere nicht-hormonelle Risikofaktoren für eine depressive Störung in der menopausalen Übergangszeit: { 1. depress. Episode bipolar I 2:1 – Älterwerden der Eltern mit zunehmender Abhängigkeit { 1. depress. Episode bipolar II 1:1 – Tod eines Elternteiles, einer anderen nahe stehenden { Kein Unterschied bei: Alter bei Beginn, psychotische 1:1 Person Symptome, Suizidversuche, Chronizität – Verlust des Partners durch Tod, Trennung oder Schei- – Mehr Frauen als Männer leiden dabei unter Ängstlich- dung keit und Somatisierungen. – Fehlen eines sozialen Netzes und des sozialen Getra- – Hospitalisierungen sind bei Frauen häufiger als bei gen-Seins Männern – Schwierigkeiten erwachsener Kinder mit ihrer Ausbil- dung oder in ihrer Partnerschaft/Ehe – Krankheit Beobachtungen bei der Ratte und beim Primaten [27–32] spre- – Hohe Arbeitslast, Bedrohung oder Verlust des Arbeits- platzes chen für die Annahme, dass ein Mangel von Sexualsteroiden – Leistungsabfall bei Übermüdung als Folge vasomotori- an der Entstehung von psychischen Erkrankungen beteiligt scher Instabilität und von Schlafproblemen sein könnte. Bei Ratten löst eine Kastration depressions- und – Ökonomische Schwierigkeiten angstähnliche Symptome aus, umgekehrt hat eine Östrogen- Partnerschafts-spezifische Faktoren gabe eine kognitiv günstige Wirkung [27–29]. Mit Östrogenen Unter Einbezug der Partnerschaft und des Beschäfti- w:m substituierte Primaten, deren Alter demjenigen von Frauen in gungsgrades ergibt sich folgende unterschiedliche Inzi- der Peri- und der frühen Postmenopause entsprach, zeigten denz (n = 2599) [16]: ein besseres neuropsychologisches Verhalten als Kontrolltiere – Unverheiratet : verheiratet 2:1 – Weiblich : männlich (w : m) 1,7 : 1 unter Placebo. Sie wiesen weniger depressionsähnliche Symp- – Arbeitslos mit geregelter Arbeit 1,7 : 1 tome auf und hatten eine bessere Gedächtnisfunktion [31, 32]. – Verwitwet mit geregelter Arbeit: 1 : 1,2 Das klimakterische Fenster der erhöhten Symptome (Odds Ratio [OR]: 3,41; 95-%-CI: 1,24–9,36; p = emotionalen Verletzlichkeit („window of 0,02; korrigiert für Depression bei Studieneinschluss, Alter und increased vulnerability“) BMI). Das im Klimakterium erhöhte Risiko für depressive Ver- stimmungen korreliert mit den Östradiol-Spiegeln. Aus den obigen experimentellen Beobachtungen und soliden neueren Longitudinalstudien bei Frauen in der Peri- und frü- Peri- und frühe Postmenopause sind somit ein „Fenster der hen Postmenopause [20, 33–48] kann geschlossen werden, dass erhöhten (emotionalen) Verletzlichkeit“ („window of increa- die endokrin instabile Lebensphase der menopausalen Über- sed vulnerability“) für depressive Störungen, grundlose Angst- gangszeit zu psychischen Veränderungen bis hin zu depressiven zustände und Stimmungsveränderungen. Solche „Fenster er- Störungen und Angstzuständen führen kann. Vor allem fünf höhter Verletzlichkeit“ bilden auch andere endokrin instabile neuere prospektive longitudinale Studien aus den USA [36, Phasen wie Pubertät, Schwangerschaft und Postpartum. In 41, 43–45] und Australien [20, 47, 48] bestätigen den Zusam- der menopausalen Übergangszeit treten depressive Symptome menhang zwischen depressiven Störungen, Angstzuständen und Angstzustände gehäuft bei Frauen auf, die an vasomoto- und Menopause. Diese Studien wurden mit standardisierter rischen Symptomen und Schlafstörungen leiden [49–54]. Von interviewbasierter Beurteilung der Depressivität durchgeführt. depressiven Stimmungsveränderungen sind vermehrt Frauen Durch regelmäßige Hormonbestimmungen konnten die ver- mit zusätzlichen Risikofaktoren betroffen. Wallungen fördern schiedenen Phasen der menopausalen Übergangszeit endokrin zusammen mit depressiven Symptomen wiederum das Auftre- klar definiert werden. Die Studienresultate belegen überein- ten von Schlafstörungen [55, 56]. Das „Melbourne Women‘s stimmend, dass depressive Störungen in der menopausalen Mid-Life Health Project“ [21, 48] und andere Studien zeigen, Übergangszeit gehäuft auftreten. Ihre Wahrscheinlichkeit ist in dass die negativen Folgen äußerer Ereignisse wie Krankheit dieser Lebensphase 1,5–4-mal (im Mittel um ca. 30 %; Tab. 3) oder Todesfall in der nahen Familie oder psychosoziale Stres- höher als in der Prämenopause. Im „Melbourne Women‘s Mid- soren (insbesondere Partner- oder Familienprobleme) den Life Health Project“ [48] ist eine Abnahme der Östradiol-Spie- ungünstigen Einfluss der menopausalen Übergangszeit auf die gel über zwei Jahre der stärkste Risiko-Faktor für depressive Stimmungslage potenzieren (Tab. 2). J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2021; 22 (4) 187
Depressionen und Angstzustände im Klimakterium Gabe von Östradiol begonnen werden. In die Erwägungen zum Tabelle 3: „Fenster der erhöhten Verletzlichkeit“: Erhöh- tes Risiko für depressive Störungen in der menopausa- Behandlungsplan sind immer auch psychotherapeutische und len Übergangszeit (prospektive endokrin kontrollierte soziale Maßnahmen mit einzubeziehen. Dazu gehören Einzel- Longitudinalstudien). und Paartherapie, Berücksichtigung von sozialem Umfeld und Odds Ratio (95% Arbeitsplatz, Sexualtherapie etc. Vertrauensintervall) Penn Ovarian Aging Study (2004) [45] 2,89 (1,29–0,45) Gabe von Östradiol in der Peri- und der (alle Probanden) frühen Postmenopause Penn Ovarian Aging Study (2006) [33] (keine Anamnese für Depression bei Stu- Behandlung von Depressionen dieneinschluss) Experimentelle, epidemiologische und klinische Daten weisen – hohe CES-D* Scores (> 16 ) 4,29 (2,39–7,72) auf die therapeutische Möglichkeit hin, mit Östradiol das endo- – Diagnose von depress. Störung 2,50 (1,25–5,02) krine Milieu zu stabilisieren und damit depressive Symptome Harvard Study of Moods and Cycles 1,77 (1,22–2,57) zu behandeln oder zu verhindern. Vor 25 Jahren bestätigte eine (2002) [34–36] (alle Probanden) erste Metaanalyse [61], dass eine Östrogengabe eine depressive Harvard Study of Moods and Cycles 1,8 (1,03–3,20) Verstimmung signifikant verbessert (Mittelwert d = 0,69; p = (2006) [36] 0,0001) und dass eine Östrogen-Androgen-Kombination eine (keine Anamnese für Depression bei Stu- stärkere Wirkung auf Depressionen besitzt als Östrogene allein dieneinschluss) (Mittelwert d = 1,37; p = 0,003) (d-Wert = 0,00: keine Wirkung; Study of Women Across the Nation 1,71 (1,27–2,30) (2007) [37–40] je höher der d-Wert, desto besser die Wirkung). Im gleichen (späte Perimenopause) Jahr zeigte John Studd, dass eine Östrogenbehandlung de- *Epidemiologic pressive Symptome bei klimakterischen Frauen erfolgreich Studies Depression scale (CES-D) behandelt [62]. Ein RCT [63] und mehrere andere Studien [63–69] bestätigten diese Beobachtungen. Sie stimmten darin Eine depressive Erkrankung wird im Klimakterium ver- überein, dass eine Östrogentherapie vor allem bei Frauen mit mehrt bei Frauen ausgelöst, bei denen anamnestisch ein vasomotorischen Beschwerden im „Fenster der erhöhten Vul- prämenstruelles Syndrom, eine Wochenbettdepression, eine nerabilität“ der Peri- und frühen Postmenopause aggressives Depression nicht-endokriner Ursache, eine vorbestehende Verhalten senkt und affektive Störungen, Verstimmungszu- Dysphorie oder affektive Störungen vorliegen. Zu den Risiko- stände, depressive Symptome und Angstzustände verbessert. faktoren gehören zudem ein geringes Selbstwertgefühl, eine negative Einstellung zur Menopause, Verlust einer naheste- Die vom National Institute for Aging (NIA) 2010 organisierte henden Person außerhalb der Familie, Schwierigkeiten am „Conference on Depressive Symptoms and Cognitive Com- Arbeitsplatz, ökonomische Engpässe oder Stellenlosigkeit plaints in the Menopausal Transition“ [67] kommt zum Schluss, (Tab. 2). Eine anhaltende Depressivität steigert die allgemeine dass eine Östradiol-Gabe in der Peri- und der frühen Postme- Morbidität und die kardiovaskuläre und totale Mortalität. Vor nopause eine antidepressive Wirkung besitzen kann, vor allem allem dank dieser Studien wurde die menopausale Übergangs- bei Frauen mit vasomotorischen Beschwerden. Es setzte sich die zeit mit ihrem fluktuierenden progressiven Abfall von Östra- Meinung durch, dass im Klimakterium bei depressiven Sympto- diol als unabhängiger Risikofaktor für depressive Störungen men auf Grund der pathophysiologischen Mechanismen vor der bei Frauen im mittleren Lebensalter anerkannt [24, 43, 57–59]. Gabe von Psychopharmaka eine gezielte Behandlung mit Östro- Untersuchungen bei Frauen nach bilateraler Oophorektomie genen einzuleiten ist. Östrogene senken wiederum gleichzeitig bestätigen die im Klimakterium erhobenen Beobachtungen, mit den depressiven Symptomen typische klimakterische Be- indem beidseits ovariektomierte Frauen signifikant häufiger schwerden, insbesondere Wallungen und Schlafprobleme. Die unter Depressionen und Angstzuständen leiden als gleichalt- Östradiol-Dosierung entspricht zur Behandlung von depressiver rige nicht operierte Frauen [60]. Verstimmung derjenigen bei vasomotorischen Beschwerden. Behandlung klimakterischer depressiver Eine Östrogengabe muss bei depressiven Symptomen und Angststörungen wegen deren meist multifaktoriellen Ursachen Störungen und Angstzustände immer in ein ganzheitliches Behandlungskonzept integriert Die Hauptsäulen der medikamentösen antidepressiven Thera- sein [70], zu dem auch die Psychotherapie gehört. Ein brüsker pie sind bei der peri- und postmenopausalen Frau die Gabe Abbruch der Östrogengabe kann bei zuvor depressiven Frauen von Östrogenen und die Behandlung mit Serotonin-Reuptake- zu einem Rückfall führen, deren Wiederaufnahme zu einer er- Hemmern (SSRIs), selektivem Noradrenalin-Reuptake-Hem- neuten Besserung. mer (SNRIs) und Antidepressiva. Die Korrelation zwischen peri- und früher Postmenopause einerseits und Depressionen Fälle mit Suizidalität sind immer sofort einem Psychiater zu andererseits hat praktische Konsequenzen für das therapeuti- überweisen. sche Vorgehen: Fenster mit erhöhter Verletzlichkeit sind beim Auftreten von Verstimmungszuständen, Angststörungen und Prävention von Depressionen Depressionen gleichzeitig auch günstige Fenster für eine Ös- Umgekehrt wurde gezeigt, dass Frauen unter regelmäßiger Ös- trogengabe. In der Regel sollte in der Peri- und der frühen trogeneinnahme ein signifikant niedrigeres Risiko besitzen, an Postmenopause bei Frauen mit depressiver Verstimmung und depressiven Symptomen zu erkranken als gleichaltrige Frauen gleichzeitigen vasomotorischen Symptomen zunächst mit der ohne Östrogenbehandlung (OR: 0,7; CI 0,5–0,9; p = 0,01) [71]. 188 J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2021; 22 (4)
Depressionen und Angstzustände im Klimakterium Peroral oder transdermal? cebo verabreicht. Im Gegensatz zur Placebo-Gruppe zeigte die Die ersten Arbeiten waren mit peroralem Östrogen durchge- DHEA-Gruppe unabhängig vom Geschlecht eine signifikante führt worden, aber schon früh erwiesen sich auch transdermale Verbesserung der Stimmungslage. Zurzeit ist noch keine Be- Östrogen-Präparate als wirksam [72, 73]. Eine Ausnahme bil- handlungsempfehlung möglich. det der KEEPS-Trial, ein neuerer RCT über 4 Jahre, wo nur der perorale Arm signifikant wirksamer als Placebo war, nicht aber Gabe von Östradiol in der späteren Post- der transdermale [74]. Alle anderen Beobachtungen [63, 65, 69, 72, 73, 75, 76] stimmen darin überein, dass transdermales menopause Östradiol der peroralen Gabe überlegen oder zumindest gleich Studien mit Östrogenen bei depressiven Frauen ohne Wallun- wirksam ist wie diese. gen in der späteren Postmenopause zeigen keine Wirkung auf die depressive Symptomatik [87–89]. Somit sind Östrogene bei Die Bedeutung der Gestagenkomponente Frauen ohne vasomotorische Symptome jenseits des „Fensters Im Gegensatz zur Gabe von konjugierten equinen Östrogenen der erhöhten Vulnerabilität“ nicht mehr auf depressive Symp (CEE) allein zeigte eine Pilotstudie (ein RCT über vier Mona- tome wirksam. Diese Patientinnen müssen mit Psychophar- te) unter der kombinierten Verabreichung von CEE (0,6 mg/ maka behandelt werden. Tag) und MPA bei Frauen zwischen 45–55 Jahren keine Wirkung auf die S timmungslage [77]. Diese Daten stimmen Schlussfolgerungen mit anderen Beobachtungen [77–79] und einer prospektiven placebokontrollierten Studie [80] überein, die gezeigt hatten, Frauen haben über das ganze Leben gesehen ein rund doppelt dass MPA und zum Teil auch perorales N orethisteronacetat so hohes Risiko für Depressionen als Männer (Tab. 1). Das Kli- (NETA) bei postmenopausalen Frauen den mental-tonisch makterium ist heute als unabhängiger Risikofaktor für depres- günstigen Effekt einer alleinigen Östrogen-Gabe auf die Stim- sive Störungen bei Frauen im mittleren Lebensalter anerkannt. mungslage neutralisieren kann. Für mikronisiertes Proges- Die Peri- und die frühe Postmenopause stellt durch ihre en- teron, Dydrogesteron oder transdermales NETA sind keine dokrine Instabilität wie Pubertät, Schwangerschaft und Post- negativen Auswirkungen auf den günstigen Östrogeneffekt partum ein „Fenster der erhöhten Verletzlichkeit“ („window of bei depressiven Symptomen bekannt. vulnerability“) für depressive Störungen dar. In diesem Fenster kann der Östrogenabfall vor allem bei klimakterischen Frauen Potenzierender Effekt von Ö strogenen auf Antide- mit entsprechender familiärer Veranlagung oder mit Risiko- pressiva faktoren (Tab. 2), wozu auch Wochenbettdepressionen oder Östrogene können die Wirkung von Antidepressiva poten ein prämenstruelles Syndrom gehören, depressive Störungen zieren [81–83]. Sie modulieren den Stoffwechsel von Noradre- und Angstsymptome auslösen. Betroffen sind vor allem Frau- nalin und Serotonin ähnlich wie manche Antidepressiva und en mit vasomotorischen Symptomen und Schlafstörungen. In führen zu einer Zunahme der adrenergen und serotonergen der menopausalen Übergangszeit ist das Risiko für depressive Aktivität. In einem doppelblinden RCT bei 358 depressiven Störungen im Mittel rund 30 % höher als in der Prämenopause postmenopausalen Frauen [82] resultierte die Kombination (Tab. 3). von Östrogen und Fluoxetin in einer signifikant stärkeren Besserung des eingesetzten Depressions-Scores (HAM-D) Dieses „Fenster der erhöhten Vulnerabilität“ ist im Klimakte- als die Kombination von Östrogen und Placebo (p = 0,015) rium gleichzeitig ein „window of opportunity“ für den Einsatz oder von Fluoxetin allein. Je höher die Serum-Östradiolwerte, von Östradiol. Östrogene modulieren wie SSRIs und SNRIs desto besser ist die klinische Antwort auf SSRIs und SNRIs. über ihre Rezeptoren im Zentralnervensystem den Stoffwech- SSRI/ SNRI reduzieren gleichzeitig vasomotorische Symp sel von Serotonin und Noradrenalin und können somit Stim- tome. mungslage, Kognition und mentale Funktionen beeinflussen. Die vorhandene Evidenz zeigt, dass eine Östrogengabe Stim- Kombination von Östrogenen mit einem Androgen mungslage, Angstzustände und Depressionen vor allem bei Wie bereits oben erwähnt, besitzt eine Östrogen-Androgen- Frauen mit vasomotorischen Symptomen signifikant bessern Kombination eine signifikant stärkere Wirkung auf depres- kann. Deshalb kann bei klimakterischen Frauen mit depressi- sive Symptome als eine alleinige Östrogengabe [61, 84, 85]. ven Symptomen und Wallungen gleich wie bei jüngeren Frau- Eine Östrogen-Androgen-Kombination mag bei depressiven en nach bilateraler Oophorektomie eine Östrogenbehandlung Frauen mit hormonell bedingtem Libido-Verlust eine güns- als Therapie der ersten Wahl angesehen werden. Umgekehrt tige Wirkung besitzen, doch muss mit einer unerwünschten leiden klimakterische Frauen unter kontinuierlicher Östra- Androgenisierung gerechnet werden. dioleinnahme (ERT) signifikant weniger unter depressiven Symptomen als Frauen ohne ERT. Gabe von DHEA DHEA ist eine Vorstufe von Östradiol und Testosteron. DHEA Die antidepressive Wirkung von Östradiol scheint transder- sinkt mit zunehmendem Alter langsam-progressiv ab. Es be- mal größer zu sein als peroral. Gestagene wie MPA können die sitzt eine neuroendokrine Aktivität auf die Stimmungslage und erwünschte antidepressive Wirkung von Östrogenen hemmen die Kognition [25]. DHEA könnte daher bei der Behandlung oder blockieren. Für mikronisiertes Progesteron, Dydroge- depressiver Symptome im Klimakterium eine Rolle spielen. steron und transdermales NETA ist dies nicht bekannt. Bei Leider liegen dazu erst wenige Daten vor. In einer placebo- Frauen mit Wallungen potenzieren Östrogene durch eine Stei- kontrollierten Studie [86] wurde 22 Personen (davon zehn gerung der Serotonin-Aktivität synergistisch die Wirkung von Frauen) über sechs Wochen DHEA (30–90 mg/Tag) oder Pla- SSRI/SNRI. J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2021; 22 (4) 189
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