Die Finanzkrise aus Kundensicht - Implikationen für den Schweizer Versicherungsmarkt

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Die Finanzkrise aus Kundensicht - Implikationen für den Schweizer Versicherungsmarkt
Die Finanzkrise aus Kundensicht
Implikationen für den Schweizer Versicherungsmarkt
Die Finanzkrise aus Kundensicht - Implikationen für den Schweizer Versicherungsmarkt
Die Durchführung dieser Studie wurde durch das Legat Dr. Hans Kessler er-
    möglicht. Das Institut für Versicherungswirtschaft bedankt sich herzlich für
    diese Unterstützung.

    Impressum

    Herausgeber
    Institut für Versicherungswirtschaft I.VW-HSG, St. Gallen, www.ivw.unisg.ch

    Copyright
    Die Wiedergabe von Auszügen ist mit schriftlicher Zustimmung der Heraus-
    geber und mit Quellenangabe gestattet.
    © I.VW-HSG: Die Finanzkrise aus Kundensicht, St. Gallen 2009

2
Die Finanzkrise aus Kundensicht - Implikationen für den Schweizer Versicherungsmarkt
Inhalt

         Vorwort                                                      5

         1    Zur Studie                                              6

         2    Die Meinung der Schweizer Bevölkerung zur Finanzkrise   9

         3    Die Finanzkrise als Vertrauenskrise?                    13

         4    Wie lässt sich das Kundenvertrauen zurückgewinnen?      21

         5    Ausblick: Aufbruch zu einem neuen Geschäftsmodell?      26

         Zusammenfassung                                              29

         Autorenportraits                                             30

                                                                           3
Vorwort

          Die Finanzkrise erschütterte die globale Wirtschaft. Traditionsreiche Finanzin-
          stitute und ganze Volkswirtschaften standen am Rande des finanziellen Ab-
          grundes. Staatliche Hilfspakete haben den Kollaps des Systems zwar bisher
          verhindert, aber damit eine grosse Hypothek für die Zukunft geschaffen.

          Verschiedene Institutionen und Medien haben sich zur Finanzkrise geäussert,
          Schuldige wurden gesucht, Auswege diskutiert. Mit dieser Studie wollen wir
          die Stimme jener wiedergeben, die am direktesten von der Krise betroffen
          sind: die Konsumenten. Wie beurteilt der Bürger die aktuelle Finanzkrise, wie
          ist er davon betroffen und was erwartet er in Zukunft von den Finanzinstituten
          in diesem Lande?

          Die Studie zeigt auf, dass das subjektive Empfinden von Sicherheit auch in ei-
          nem Staat wie die Schweiz keine Selbstverständlichkeit ist. Viele Konsumen-
          ten fühlen sich verunsichert. Das Vertrauen in Banken und Versicherer hat un-
          ter der Krise gelitten, das Bild der Branche ist zumindest teilweise getrübt.
          Doch die Krise hat nicht nur Verlierer hervorgebracht, einige Unternehmen
          haben die Trends früh erkannt und sich konsequent neu positioniert.

          Wir möchten uns mit dieser Studie nicht auf eine Bestandsaufnahme be-
          schränken, sondern bewusst in die Zukunft blicken: Wo sehen die Konsumen-
          ten Verbesserungspotenziale für die Assekuranz? Wie können Versicherer
          das Vertrauen der Kunden in Zukunft stärker gewinnen?

          Zweifelsohne: Viele der von den Konsumenten eingebrachten Wünsche und
          Vorschläge für die Zukunft sind nicht neu. Was in der Vergangenheit gefehlt
          hat, war die Notwendigkeit, diese Ideen konsequent umzusetzen. In diesem
          Sinne hoffen wir, dass die vorliegende Studie einen Beitrag für die Zukunfts-
          gestaltung der Assekuranz leisten kann. Die Finanzkrise bietet die Chance,
          die Rolle und Funktion der Assekuranz neu auszutarieren und Geschäftsmo-
          delle noch konsequenter auf den Kunden und dessen Sicherheitsbedürfnis
          auszurichten.

          Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre dieser Studie und hoffen, Ihnen
          einige Ideen und Impulse mit auf den Weg geben zu können.

          Prof. Dr. Hato Schmeiser                Bruno Catellani

          Gf. Direktor I.VW-HSG                   Geschäftsführer
          Institut für Versicherungswirtschaft    ValueQuest GmbH
          Universität St. Gallen

                                                                                       5
1. Zur Studie

                                         Die Studie beruht auf einer Bevölkerungsbefragung in der Schweiz zum The-
                                         ma „Finanzkrise, Vertrauen und Sicherheit“. Die Wahrnehmung der Kunden
                                         steht im Hinblick auf die Finanzkrise im Vordergrund. Zudem werden Perspek-
                                         tiven aufgezeigt, wie die Schweizer Assekuranz gestärkt aus dieser Krise her-
                                         vorgehen kann.

                                         1.1 Studiendesign

                                         So wurde die Studie durchgeführt

                                         Befragte                     805 Personen aus der Deutschschweiz und der West-
                                                                      schweiz. Die Personen sind in Bezug auf Region, Alter
                                                                      und Geschlecht repräsentativ für die Schweizer Bevöl-
                                                                      kerung.

                                         Befragungsform               Online-Befragung im Rahmen eines Online-Panels. Im
                                                                      Online-Panel sind Personen, die sich bereit erklärt ha-
                                                                      ben, regelmässig Umfragen zu verschiedenen The-
                                                                      men zu beantworten.

                                                                      Durch die Online-Befragung können Personen mit ei-
                                                                      ner hohen Internet-Affinität leicht übervertreten sein.

                                         Fragebogen                   Fragebogen mit vorwiegend skalierten Fragen. Der
                                                                      durchschnittliche Zeitbedarf zur Beantwortung des
                                                                      Fragebogens betrug 13 Minuten.

                                         Befragungszeitraum 20. – 30. Juli 2009

                                         Durchführung                 Der Fragebogen wurde gemeinsam vom Institut für
                                                                      Versicherungswirtschaft (I.VW-HSG) und ValueQuest
                                                                      entwickelt.

        51 - 65 Jahre                                                     3a bei Bank                                             38
             21 %
                                       18 - 30 Jahre
                                            29 %                 3a bei Versicherung                                         32

                                                           LV, garantierte Verzinsung                             24

                                                                  LV, indexgebunden             9

                                                                       Aktien / Fonds /
                                                         strukturierte Anlageprodukte                                   30
    41 - 50 Jahre
         24 %
                                                                         Obligationen                  15
                                  31 - 40 Jahre
                                       26 %
                                                                                          0%   10%          20%        30%        40%

                                                                                               Anteil der Bevölkerung in %

    Abbildung 1: Altersstruktur der Befragten          Abbildung 2: Aktueller Kapitalanlagemix der Befragten (Angaben in
                                                                    Prozent; Anteil der Bevölkerung)

6
So setzt sich die Stichprobe zusammen

Von den Befragten leben 77 % in der Deutschschweiz, 27 % in der West-
schweiz. Rund 40 % der Befragten leben in ländlichen Gebieten und je 30 %
in Agglomerationen und Städten. Die Altersstruktur der Befragten ist in Abbil-
dung 1 dargestellt. Die Stichprobe repräsentiert damit die Schweizer Bevölke-
rungsstruktur.

Überblick zu Anlageformen der Befragten

Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung verfügt über verschiedene Anlagen
bei Banken und Versicherungen (Abbildung 2). Rund ein Drittel der Befragten
besitzt ein Säule-3a-Konto bei einer Bank oder bei einer Versicherung. 24 %
der Studienteilnehmer haben eine Lebensversicherung mit Sparkomponente
und garantierter Mindestverzinsung.

Anzumerken gilt, dass der Anlagemix der Befragten sich in städtischen Gebie-
ten deutlich risikofreudiger gestaltet als in ländlichen.

1.2 Einige Aspekte der Finanzkrise

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in einer aktuellen Studie die
weltweit entstandenen Verluste durch die Finanzkrise nochmals deutlich nach
oben korrigiert:
•   Der IWF schätzt die weltweit entstandenen Verluste auf über 4’000 Milliar-
    den US-Dollar.
•   Von diesen Verlusten dürften rund 30 % auf Europa entfallen.
•   Vom Bankensektor wird der grösste Anteil in Höhe von 2’800 Milliarden
    US-Dollar an den entstandenen Verlusten zu tragen sein.
•   Verluste in Höhe von 1’300 Milliarden US-Dollar werden auf die restlichen
    Finanzdienstleistungsunternehmen – insbesondere Pensionsfonds und
    Versicherungen – entfallen.

Generell sind Versicherungsunternehmen aufgrund ihres Geschäftsmodells
weniger stark von der Finanzkrise getroffen. Das Phänomen des "Bank-Run"
ist nur gering ausgeprägt: Im Nichtlebenbereich muss ein nachweisbarer
Schaden entstanden sein, damit es zu Auszahlungen des Versicherers
kommt. In der Lebensversicherung sind Vertragsstornierungen häufig mit er-
heblichen Nachteilen für den Kunden verbunden. Daher führte die Finanzkri-
se nicht zu einer massiven Kündigungszunahme.

Trotzdem sind auch Versicherer durch die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkri-
se erheblichen Gefahren ausgesetzt:
•   Auf der Aktivseite der Bilanz sind Abschreibungen aus Anleihen und Ak-
    tien, wie auch Beteiligungen an Banken, die Verluste aus Kreditderivaten
    erlitten haben, relevant.

                                                                            7
•   Auf der Passivseite stehen Versicherer durch Kreditversicherung, D&O-
        Versicherung, aber auch direkte Involvierung in CDO- und CDS-Kontrakte
        unter Druck.

    Die Liste der Gründe für die entstandene Finanzkrise ist gross. Genannt wer-
    den z. B.:
    •   Die Konsumneigung und die Finanzpolitik der USA
    •   Die Intransparenz der globalen und vernetzten Kapitalmärkte
    •   Problematische Anreiz- und Entlohnungsstrukturen in managergeführten
        Aktiengesellschaften
    •   Stochastische Risikomodelle, die zu einer "Modellgläubigkeit" führen kön-
        nen
    •   Die stärker an Marktwerten orientierten internationalen Accounting-Stan-
        dards, die systemische Risiken im Markt fördern

8
2. Die Meinung der Schweizer Bevölkerung zur Finanzkrise

                   Im Fokus der Studie steht die Einstellungsmessung der Bevölkerung zur Fi-
                   nanzkrise. Fragen wurden auf drei Ebenen gestellt:
                   •   Persönliche Betroffenheit: Wie hat sich die Finanzkrise auf das Makro- und
                       Mikro-Umfeld der Schweizer Bevölkerung ausgewirkt?
                   •   Beabsichtigte Verhaltensänderung: Wie und wo wollen die Schweizer auf-
                       grund ihrer Erfahrungen mit der Finanzkrise in Zukunft Geld anlegen?
                   •   Bewertung der Finanzkrise: Welche Konsequenzen ergeben sich?

                   2.1 Wie stark fühlt sich die Bevölkerung von der Finanzkrise be-
                       troffen?

                   Abbildung 3 gibt einen ersten Überblick über die persönliche Betroffenheit der
                   Bevölkerung. Insgesamt sehen sich die Schweizer Bürger gut bis sehr gut
                   über die Finanzkrise informiert (38 %). Besonders Männer (46 %) und Perso-
                   nen mit hohem Einkommen (55 %) glauben, über die Ereignisse gut im Bilde
                   zu sein.

                                   Gut über Finanzkrise und 3 9                          19         30              26      12
                                   Auswirkungen informiert

                                  Finanzkrise ist ernsthafte 3 9                         21          31             25      13
                               Bedrohung für CH Wirtschaft

                                       Finanzkrise wirkt sich                     14      20        19         21        13 12
                                auf persönliche Situation aus

                                              Finanzkrise hinterlässt 6 14                    21          28         18     12
                                             Gefühl der Unsicherheit

                                                                                0%      20 %       40 %    60 %      80 % 100 %

                                                                        Lehne voll ab         >>       Stimme voll zu

                   Abbildung 3: Persönliche Betroffenheit durch Finanzkrise (Angaben in Prozent;
                                Anteil der Bevölkerung)
                                                                              Bedrohung durch
                                                                                Finanzkrise

                                                                                        Hoch
                                                                                                                                   Persönliche Betroffenheit
                                   Persönliche Betroffenheit

                                                                         31 %                             37 %
                                                               Gering

                                                                                                                            Hoch

                                                                         23 %                             9%

                                                                                     Gering
                                                                             Bedrohung durch
                                                                               Finanzkrise
                   Abbildung 4: Persönliche und allgemeine Bedrohung durch die Finanzkrise

                                                                                                                                                               9
2. Die Meinung der Schweizer Bevölkerung zur Finanzkrise

                         In gleichem Ausmass (38 %) wird die Finanzkrise als ernsthafte Bedrohung
                         für die Schweizer Wirtschaft wahrgenommen, auch wenn die persönliche Be-
                         troffenheit etwas geringer ist. Etwa 45 % der Bevölkerung sind der Meinung,
                         dass die Finanzkrise einen Einfluss auf ihre persönliche Situation hat.

                         Bei 60 % der Bevölkerung hinterlässt die Finanzkrise ein Gefühl der Unsicher-
                         heit. Die Verunsicherung und die persönliche Betroffenheit sind in der West-
                         schweiz deutlich stärker ausgeprägt als in der Deutschschweiz.

                         Abbildung 4 differenziert zwischen persönlicher und allgemeiner Bedrohung
                         durch die Finanzkrise. Ein gutes Drittel der Bevölkerung (37 %) beurteilt die
                         Finanzkrise nicht nur als eine allgemeine Bedrohung für die Wirtschaft, son-
                         dern fühlt sich auch direkt davon betroffen.

                         Weitere 31 % empfinden zwar eine gesamtwirtschaftliche Bedrohung, sind
                         aber persönlich kaum von der Krise berührt. Ein Viertel der Schweizer Bevöl-
                         kerung (23 %), darunter vor allem jüngere Personen, sieht hingegen kaum ei-
                         ne Bedrohung in der Finanzkrise.

                         2.2 Werden die Schweizer ihr Anlageverhalten ändern?

                         50 % der Bevölkerung wollen aufgrund der Erfahrungen in der Finanzkrise ihr
                         persönliches Spar- und Anlageverhalten in Zukunft ändern (Abbildung 5). Be-
                         sonders häufig sind dies:
                         •   Personen über 50 Jahre
                         •   Westschweizer
                         •   Personen mit geringem Einkommen
                         •   Personen, die sich persönlich stark von der Krise betroffen fühlen

                         Etwa zwei Drittel der Bevölkerung haben die feste Absicht, die Erfahrungen
                         aus der Finanzkrise bei der zukünftigen Auswahl von Bankinstituten zu be-
                         rücksichtigen. Hinsichtlich Versicherungen sind es rund 50 % der Bevölke-
                         rung, bei denen sich die Finanzkrise auf ihre Institutswahl auswirkt.

                              Aufgrund von Finanzkrise in Zukunft Spar-
                                                                        10 15         22        25         16     13
                                           und Anlageverhalten ändern

                                             Finanzkrise wirkt sich auf    9 11 15         20        22          23
                                                  Wahl der BANK aus

                                       Finanzkrise wirkt sich auf Wahl     12   16    20        24          15    12
                                           der VERSICHERUNG aus

                                                                          0%    20%       40%   60%        80%        100%

                                                               Lehne voll ab       >>        Stimme voll zu

                         Abbildung 5: Verhaltensänderung aufgrund der Finanzkrise (Angaben in Prozent;
                                      Anteil der Bevölkerung)

10
Besonders ausgeprägt ist diese Absicht bei:
•   Älteren Personen
•   Personen mit niedrigem Einkommen

Knapp die Hälfte (48 %) der Bevölkerung wird sich in Zukunft bei der Auswahl
von Banken und Versicherungen von den Erfahrungen aus der Finanzkrise
leiten lassen (Abbildung 6). Lediglich bei einem Drittel (31 %) hat die aktuelle
Krise keinen Einfluss auf die Wahl ihrer Finanzpartner. Dass der Ruf der Ban-
ken in der Finanzkrise stärker gelitten hat als jener der Versicherungen zeigen
die 18 % der Bevölkerung, die in Zukunft bei der Wahl von Banken, nicht aber
von Versicherungen ihre Erfahrungen aus der Finanzkrise berücksichtigen
wollen. Somit könnte es in den nächsten Jahren im Bankenmarkt zu stärkeren
Marktanteilsverschiebungen kommen als in der Assekuranz.

                                                Auswirkung auf Wahl BANK

                                                               Hoch

                                                18 %                                  48 %
                 Auswirkung auf Wahl

                                                                                                               Auswirkung auf Wahl
                  VERSICHERUNG

                                                                                                                VERSICHERUNG
                                       Gering

                                                                                                        Hoch
                                                31 %                                  3%

                                                             Gering

                                                Auswirkung auf Wahl BANK

Abbildung 6: Auswirkungen der Finanzkrise auf die zukünftige Wahl von Bank- und
             Versicherungsinstituten

      Verantwortliche haben genügend getan,               15           26             26        20      9 3
                      um Krise zu bewältigen

             Wer bei Finanzkrise viel verloren 11                 19            31           20      12 7
                         hat, ist selber schuld

        Staat sollte Finanzindustrie in Zukunft 4 8               16         25            24        22
                        stärker reglementieren

            Finanzinstitute werden in Zukunft                23         21            22        21      8 5
           verantwortungsbewusster handeln

                                                        0%        20%       40%        60%        80%     100%

                                                 Lehne voll ab        >>       Stimme voll zu

Abbildung 7: Beurteilung der Finanzkrise (Angaben in Prozent; Anteil der Bevölke-
             rung)

                                                                                                                                     11
2.3 Verantwortung und Finanzkrise

     Lediglich ein knappes Drittel der Bevölkerung ist der Meinung, dass von Sei-
     ten der Finanzinstitute, der Aufsichtsorgane wie auch des Staates nicht aus-
     reichend für die Bewältigung der Krise unternommen wurde (Abbildung 7).
     Ein Grossteil der Bevölkerung ist zudem der Meinung, dass nicht primär Anle-
     ger, sondern Finanzinstitute und die Aufsicht für die Finanzkrise verantwort-
     lich sind. Die Krise wird demnach primär als allgemeines Systemversagen
     und weniger als Ergebnis von individuellem Verhalten interpretiert. Diese An-
     sicht ist homogen in allen Bevölkerungsschichten vorhanden, in allen Alters-
     und Einkommensklassen, in der Deutschschweiz wie in der Westschweiz.

     Eine grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer fordert daher eine
     verstärkte staatliche Aufsicht und Reglementierung. Dieser Wunsch ist in al-
     len Bevölkerungsschichten stark verankert, am stärksten bei älteren Perso-
     nen und solchen mit niedrigem Einkommen. Nur eine Minderheit der Bevölke-
     rung glaubt an eine Selbstregulierung der Finanzbranche. Lediglich 13 % der
     Befragten sind überzeugt, dass Finanzinstitute in Zukunft verantwortungsbe-
     wusster handeln werden.

     Rund die Hälfte der Bevölkerung verlangt hingegen nach stärkerer staatlicher
     Regulierung und glaubt kaum an eine Selbstregulierung der Branche (Abbil-
     dung 8). Weitere 23 % sind der Meinung, dass die Finanzbranche zwar zu ei-
     ner wirkungsvollen Selbstregulierung fähig ist, fordern aber trotzdem mehr
     staatliche Aufsicht.

     18 % haben wenig Hoffnung auf eine Selbstregulierung der Branche, lehnen
     eine staatliche Regulierung aber dennoch ab. Jeder zehnte Schweizer glaubt
     an eine erfolgreiche Selbstregulierung der Branche ohne verschärfte staatli-
     che Vorschriften.

                                                           Wunsch nach staatlicher
                                                                Regulierung

                                                                     Hoch
                                                                                             Glaube an Selbstregulierung
                    Glaube an Selbstregulierung

                                                           48 %                23 %
                                                  Gering

                                                                                      Hoch

                                                           18 %                10 %

                                                                    Gering

                                                            Wunsch nach staatlicher
                                                                 Regulierung

     Abbildung 8: Staatliche Regulierung versus Selbstregulierung

12
3. Die Finanzkrise als Vertrauenskrise?

                    3.1 Wo sehen die Schweizerinnen und Schweizer finanzielle Risi-
                        ken?

                    Abbildung 9 zeigt, dass sich drei von vier Schweizern ernsthafte Sorgen über
                    die zukünftige Finanzierbarkeit der AHV und damit über die Sicherheit der ei-
                    genen Altersvorsorge machen. Auch ein weiterer Anstieg der Krankenkassen-
                    prämien wird allgemein als Bedrohung für die eigene finanzielle Sicherheit
                    wahrgenommen. Es bestehen wenig generationsbedingte Unterschiede in
                    der Einschätzung der Risikolage. Ältere wie jüngere Bürger haben eine ähnli-
                    che Meinung. Im Allgemeinen sind Frauen stärker über die finanziellen Risi-
                    ken besorgt als Männer - mit Ausnahme eines möglichen Einbruchs der Ak-
                    tienmärkte, den Männer öfter als ernsthaftes Risiko einschätzen.

                    Eine ausgeprägte Angst vor langer Krankheit und Pflege im Alter deutet auf
                    ein beachtliches Marktpotenzial für Pflegeversicherungen hin.

                                     AHV in Zukunft nicht finanzierbar                                                                                                         76%

                                            KK-Prämien stark steigen                                                                                                       72%

                                     Lange Krankheit / Pflege im Alter                                                                                                   66%
                                     Erspartes im Alter nicht ausreicht                                                                                                  66%

                            Vorsorge bezahlt weniger, als versprochen                                                                                            62%

                                     Pensionskasse in Unterdeckung                                                                                         57%

                                     Ersparnissverlust wegen Inflation                                                                            51%

                            Versicherung im Schadenfall nicht bezahlt                                                                        46%

                                                Lange Arbeitslosigkeit                                                                      45%

                    Erspartes / Vorsorgegeld zu ungünstigem Zeitpunkt                                                                   42%

                              Verlust durch Einbruch der Aktienmärkte                                                            36%

                                    Bei Finanzanlagen falsch beraten                                                        31%

                                 In Zukunft Wohnen nicht mehr leisten                                                       30%

                         Erspartes wegen Konkurs einer Bank verloren                                                   27%

                    Abbildung 9: Einschätzung finanzieller Risiken durch die Bevölkerung

                                                             Bankbranche         14             20                     29                        29              71

                                                                Hausbank        5 5 15                            32                        29                  14

                                                Persönlichen Bankberater        8 10                 24                          34                   16             8

                                                   Versicherungsbranche         10         17                     31                        31                  10 1

                                                       Hauptversicherung        4 6         21                          40                            23             6

                                            Persönl. Versicherungsberater       8      9                 29                      29                   19             7

                                                            Krankenkasse        7 11                19                      36                        22             5

                                         Pensionskasse des Arbeitgebers         7 11                21                       35                       21             6

                                              Internationale Finanzmärkte             25                      27                       31                  14 31

                                                           AHV (1. Säule)       9          16                 27                       29                  15        4
                                                   Unabhängige Finanz- /
                                                                                      24                  22                      29                  18         61
                                         Versicherungsberater und Broker
                                                                            0%             20 %                   40 %           60 %            80 % 100 %

                                                     Sehr hohes Vertrauen >>>

                    Abbildung 10: Vertrauen in Finanzinstitutionen (Angaben in Prozent; Anteil der Be-
                                  völkerung)

                                                                                                                                                                                     13
3.   Die Finanzkrise als Vertrauenskrise?

                           Knapp 60 % der Mitarbeitenden sehen ein ernsthaftes finanzielles Risiko in ei-
                           ner möglichen Unterdeckung der eigenen Pensionskasse. Diese Angst
                           spricht für eine Forcierung von Garantien in der beruflichen Vorsorge.

                           Die Hälfte der Bevölkerung befürchtet finanzielle Nachteile, wenn Versiche-
                           rungen im Schadenfall nicht zahlen oder in der privaten Vorsorge weniger Ka-
                           pitalleistungen ausrichten als ursprünglich vereinbart.

                           Trotz Finanzkrise sieht rund ein Drittel im Einbruch der Aktienmärkte eine Be-
                           drohung für die eigene finanzielle Lage. 27 % der Bevölkerung befürchten
                           ernsthafte finanzielle Verluste durch den Konkurs einer Bank. Dies relativiert
                           die Auswirkungen der jüngsten Ereignisse auf das Sicherheitsempfinden der
                           breiten Bevölkerung.

                           3.2 Wem vertraut die Schweizer Bevölkerung?

                           Als Nächstes wurden die Studienteilnehmer befragt, welchen Instituten sie
                           vertrauen und welchen sie misstrauen (Abbildung 10). Im Allgemeinen ist das
                           Vertrauen in die Finanzbranche nicht sehr gross.

                           8 % haben ein hohes bis sehr hohes Vertrauen in die Bankbranche und 11 %
                           in die Versicherungsbranche. Rund 60 % misstrauen beiden Branchen. Deut-
                           lich mehr Vertrauen geniessen die eigene Hausbank (43 %) und die Haupt-
                           versicherung (29 %).

                           Interessanterweise ist zwar das Vertrauen in den persönlichen Bank- wie
                           auch Versicherungsberater grundsätzlich vorhanden, jedoch weniger stark
                           ausgeprägt als das Vertrauen in das jeweilige Institut. Besonders gegenüber
                           früheren Studien, in denen der persönliche Berater ein höheres Vertrauen ge-
                           nossen hat als die Finanzinstitution, lässt sich nun eine Vertrauensverschie-
                           bung feststellen. Eine mögliche Erklärung ist, dass in den letzten Jahren die
                           persönliche Betreuungsintensität vielerorts reduziert wurde.

                                                                         Bankbranche             -33
                                                                                                                    8
                                     Banken

                                                                            Hausbank                     -10
                                                                                                                                  43

                                                                 Persönl. Bankberater                  -18
                                                                                                                         24

                                                               Versicherungsbranche               -27
                                                                                                                    11
                                     Versicherungen

                                                                   Hauptversicherung                     -10
                                                                                                                             29

                                                        Persönl. Versicherungsberater                  -17
                                                                                                                         25

                                                                        Krankenkasse                   -17
                                                                                                                             28

                                                      Pensionskasse des Arbeitgebers                   -17
                                                                                                                         27

                                                          Internationale Finanzmärkte -52
                                     Andere

                                                                                                                4

                                                                       AHV (1. Säule)              -25
                                                                                                                        19

                                                        Unabh. Finanzberater / Broker      -46
                                                                                                                6

                                                                 Anteil der Bevölkerung   -60% -40% -20% 0%         20% 40% 60%

                                                                                 Misstrauen (Kategorien 1-2 der Skala)
                                                                                 Vertrauen (Kategorien 5-6 der Skala)

                           Abbildung 11: Vertrauensbilanz der Bevölkerung in Finanzinstitutionen (6-stufige
                                         Skala)

14
Etwa die Hälfte der Schweizer hat Vertrauen in die 1. Säule (AHV), die andere
Hälfte ein mehr oder weniger ausgeprägtes Misstrauen. Die 2. Säule (Pensi-
onskassen) geniesst ein etwas grösseres Vertrauen.

Wenig überraschend ist das sehr niedrige Vertrauen in die internationalen Fi-
nanzmärkte. Unerwartet ist hingegen die starke Erschütterung des Vertrau-
ens in unabhängige Finanzberater und Broker. Die Studie zeigt keine klaren
Gründe dafür, es ist jedoch offensichtlich, dass auch deren Image unter der
Finanzkrise gelitten hat.

3.3 Die Vertrauensbilanz

Die Vertrauensbilanz gibt Aufschluss über die aktuelle Vertrauenssituation der
Schweizerinnnen und Schweizer in die Finanzbranche (Abbildungen 11-13).

                                                  -29
                                   Bankbranche
                                                           -12

                                                                                                            40
                                      Hausbank                                               14
         Banken

                                                                                         9
                           Persönl. Bankberater
                                                                     -6

                                                         -17
                          Versicherungsbranche
         Versicherungen

                                                               -11

                             Hauptversicherung                                                     22
                                                                                         11

                                                                                             12
                          Versicherungsberater
                                                                     -4

                                             -40% -30% -20% -10% 0% 10% 20% 30% 40% 50%

                                                    Deutschschweiz                       Westschweiz

Abbildung 12: Vertrauensbilanz in der Deutsch- und Westschweiz (Differenz)

                                  Bankbranche       -24
                                                  -29
                                                    -24
         Banken

                                                                                                           38
                                     Hausbank                                                             33
                                                                                                        28

                                                                                             12
                           Persönl. Bankberater                                  1
                                                                                 0

                                                            -13
                          Versicherungsbranche           -19
                                                         -18
         Versicherungen

                                                                                                    24
                             Hauptversicherung                                                     20
                                                                                             11

                                                                                                  17
                          Versicherungsberater                                       4
                                                                          -1

                                              -40%         -20%                0%            20%         40%       60%

                                                  Land                         Agglomeration                   Stadt

Abbildung 13: Vertrauensbilanz je nach Wohnort (Differenz)

                                                                                                                         15
3.        Die Finanzkrise als Vertrauenskrise?

                                  Dazu wird die Differenz zwischen dem Anteil der Bevölkerung mit hohem Ver-
                                  trauen, d. h. die beiden oberen Antwortkategorien der Skala, und dem Anteil
                                  mit geringem Vertrauen, d. h. die beiden unteren Antwortkategorien der
                                  Skala, ermittelt.

                                  In der Westschweiz fällt zwar die Vertrauensbilanz in die Finanzbranche et-
                                  was weniger negativ aus, doch ist dort das Vertrauen in die persönliche Haus-
                                  bank, die Hauptversicherung und in den eigenen Berater deutlich geringer als
                                  in der Deutschschweiz.

                                  Das Misstrauen in die Bank- und Versicherungsbranche ist in ländlichen wie
                                  auch in städtischen Regionen etwa gleich stark ausgeprägt. In ländlichen Re-
                                  gionen ist jedoch das Vertrauen in die Hausbank, in die eigene Versicherung
                                  sowie in den persönlichen Berater deutlich stärker. Dies kommt daher, dass in
                                  ländlichen Gebieten die Raiffeisen- und Regionalbanken, die ein sehr hohes
                                  Vertrauen geniessen, stärker vertreten sind als in städtischen Gebieten. Auf
                                  dem Land ist zudem die Beziehung zum Berater häufig intensiver.

                                  3.4 Welche Versicherungen und Banken geniessen Vertrauen?

                                  Die Studie zeigt beachtliche Unterschiede im Vertrauen der Kunden gegen-
                                  über verschiedenen Banken und Banktypen auf (Abbildung 14).

                                  Die Kunden der beiden Grossbanken (UBS, Credit Suisse) stehen der Bank-
                                  branche eher misstrauisch gegenüber. Selbst der eigenen Bank vertrauen sie
                                  nur mässig. Für den Bankberater fällt die Bilanz sogar leicht negativ aus. Das
                                  Image der Grossbanken, insbesondere das der UBS, hat am deutlichsten un-
                                  ter der Finanzkrise gelitten. Hingegen ist es den Raiffeisen- und Regionalban-
                                  ken sowie jenen der beiden Grossverteiler (Migros, Coop) gelungen, stark an
                                  Marktanteilen zuzulegen, indem sie das vorhandene Misstrauen in die Bank-
                                  branche dazu genutzt haben, Vertrauen in die eigene Institution aufzubauen
                                  und dadurch neue Kunden für sich zu gewinnen.

                                                                                 -12
                                                 Credit Suisse                                               22
                                                                                 -11

                                                                           -21
                                                         UBS                                      3
                                                                                       -5

                                                                         -26
                                                 Kantonalbank                                                       37
                                                                                                      7

                                                                          -23
                                                Raiffeisenbank                                                            52
                                                                                                             22

                                                                  -48
                                                 Regionalbank                                                        41
                                                                                                               28

                                                                               -17
                                                  Migros Bank                                                             50
                                                                                        -2

                                                                  -47
                                                   Bank Coop                                                   27
                                                                                -13

                                                                 -60%   -40%     -20%        0%       20%         40%     60%

                                                             Bankbranche          Hausbank                Persönl. Bankberater

                                  Abbildung 14: Vertrauensbilanz verschiedener Banken (Differenz)

     16
Es stellt sich nun die Frage, ob in der Assekuranz ein vergleichbares Phäno-
                                            men zu beobachten ist (Abbildung 15).

                                            Die Umfrage zeigt bei den Versicherungen ein anderes Vertrauensmuster als
                                            bei den Banken. Es ist bisher keiner Versicherung gelungen, Personen mit ei-
                                            nem starken Misstrauen in die Branche zu gewinnen und gleichzeitig ein star-
                                            kes Vertrauen in die eigene Institution aufzubauen. Dieser Unterschied, ver-
                                            glichen mit der Bankbranche, kann an verschiedenen Gründen liegen:
                                            •   Langfristigkeit der Versicherungsverträge
                                            •   Geringe Wechselbereitschaft der Kunden
                                            •   Keine bewusste Positionierung als Gegenpol zur Branche: Während in der
                                                Bankwelt verschiedene Banken1 eine bewusste Abgrenzung und Differen-
                                                zierung anstreben, ist dies in der Assekuranz bisher noch nicht in dieser
                                                Deutlichkeit erfolgt.

                                            Für kleinere Versicherungen bietet sich hier ein grosses Positionierungsfeld
                                            an, welches - wie das Beispiel der Banken verdeutlicht - mittelfristig zu erheb-
                                            lichen Marktanteilsgewinnen führen könnte.

                                                                                          -24
                                                     Allianz Suisse / Allianz 24                                       11
                                                                                                      -9
                                                                                                 -12
                                                               AXA Winterthur                                              15
                                                                                                                   6
                                                                                                -16
                                                                         Basler                                          15
                                                                                                                       10
                                                                                            -19
                                                                       Generali                                            14
                                                                                                                   4
                                                                                    -37
                                                                       Helvetia                                        12
                                                                                                                   3
                                                                                                 -12
                                                                       Mobiliar                                                  28
                                                                                                                            17
                                                                                                                       10
                                                              Nationale Suisse                                                    29
                                                                                                               0
                                                                                                       -5
                                                             Waadt / Vaudoise                                                              42
                                                                                                                                      32
                                                                                                -14
                                                       Zurich / Zurich Connect                                                    31
                                                                                                                       9

                                                                               -50%       -30%         -10%     10%             30%        50%

                                                        Versicherungsbranche       Hauptversicherung        Persönl. Versicherungsberater

                                            Abbildung 15: Vertrauensbilanz verschiedener Versicherungen (Differenz)

1 Migrosbank und Bank Coop positionieren sich sehr stark über „Fairness“, Raiffeisen- und Regionalbanken über die lokale Verankerung
  und Nähe.

                                                                                                                                                 17
3.   Die Finanzkrise als Vertrauenskrise?

                           3.5 Wurde die Finanzkrise zu einer Vertrauenskrise?

                           Die Studie gibt Hinweise darauf, inwiefern die Finanzkrise ausschlaggebend
                           für eine Vertrauenskrise ist. Das Vertrauen in die Branche, aber auch in ein-
                           zelne Finanzinstitutionen wird zum Teil sehr direkt von der Finanzkrise beein-
                           flusst. Zu diesem Zweck wurden die Befragten, je nach Einstellung zur Fi-
                           nanzkrise, in zwei Gruppen aufgeteilt und deren Vertrauensbilanz für die As-
                           sekuranz dargestellt (Abbildung 16). So zeigt sich zum Beispiel, dass Perso-
                           nen, die gut über die Finanzkrise informiert sind, ein deutlich höheres Vertrau-
                           en in die Branche, die Hauptversicherung sowie den Versicherungsberater
                           aufweisen als jene, die schlecht informiert sind. Es lassen sich folgende Zu-
                           sammenhänge beobachten.

                           Informationsstand (kognitiver Aspekt):
                           • Information über die Krise verbessert das Vertrauen.
                           •     Information wirkt am stärksten auf der Ebene der Branche (38 % Unter-
                                 schied) sowie auf der Ebene des Beraters (35 % Unterschied).
                           •     Eine offene Kommunikation mit der Bevölkerung ist daher für die Branche
                                 von starkem Interesse und bietet eine Möglichkeit zur positiven Positionie-
                                 rung.

                           Verunsicherung der Bevölkerung (emotionaler Aspekt):
                           • Das Gefühl der Verunsicherung, das in breiten Bevölkerungskreisen
                              (58 %) vorhanden ist, schlägt sich direkt in Misstrauen um.
                           •     Am stärksten wirkt die Verunsicherung auf der Ebene der Versicherungs-
                                 gesellschaften, weniger auf der allgemeinen Branchen- und Beraterebene.

                                                             Branche           Haupt -         Berater
                               Vertrauen in die Assekuranz
                                                                            versicherung

                                                     Gut              -10          +18                   +5
                               Information über
                                    die Krise
                                                  Schlecht     -46            -4              -30

                                 Gefühl der        Niedrig           -15            +32                  +11
                               Verunsicherung
                                                    Hoch       -39            -1                -11

                               Auswirkung auf      Gering              -8          +25                   +16
                                die Wahl der
                                Versicherung        Stark       -27                +8               -8

                                 Wunsch nach       Niedrig           -18           +9               -9
                                  staatlicher
                                 Regulierung        Hoch         -27                +17             -2

                           Abbildung 16: Vertrauensbilanz - Auswirkungen der Finanzkrise auf das Vertrauen
                                         (Angaben in Prozent; Differenz)

18
•   Die Verunsicherung ist eine Bedrohung für bestehende Kundenbeziehun-
    gen, kann aber durch eine geeignete Strategie für die Gewinnung neuer
    Kunden genutzt werden.
•   Der Abbau von Unsicherheit muss somit zur Hauptaufgabe des Versiche-
    rungsmarketings werden.

Auswahl von Versicherungspartnern (konativer Aspekt):
• Auch hier besteht ein deutlicher Zusammenhang: Misstrauen führt dazu,
  dass die Konsumenten bei der zukünftigen Wahl von Versicherungen an-
  dere Massstäbe an das Unternehmen anlegen werden.
•   Dieser Aspekt wirkt gleichmässig auf allen drei Ebenen (Branche, Gesell-
    schaft, Berater).

Wunsch nach staatlicher Regulierung (normativer Aspekt):
• Hier zeigt sich ein differenziertes Bild: Personen, die mehr staatliche Re-
  gulierung wünschen, haben ein starkes Misstrauen in die Versicherungs-
  branche, aber ein hohes Vertrauen in die eigene Versicherung.
•   Kunden, die staatliche Regulierung fordern, sind nicht primär Gegner der
    Assekuranz, sondern besorgte und loyale Konsumenten.
•   Die Assekuranz steht somit vor einem Zwiespalt: Spricht sich eine Versi-
    cherungsgesellschaft offen gegen mehr staatliche Regulierung aus, stellt
    sie sich damit auch gegen den Wunsch und die Überzeugung ihrer loyal-
    sten Kunden.

                                                                          19
4. Wie lässt sich das Kundenvertrauen zurückgewinnen?

                   4.1 Was würde beim Kunden wieder Vertrauen schaffen?

                   Abbildung 17 listet vertrauensbildende Massnahmen auf, die nach ihrer Wich-
                   tigkeit bewertet wurden. 72 % der Bevölkerung halten es hinsichtlich der
                   Rückgewinnung des Kundenvertrauens für sehr wichtig, dass Versicherungs-
                   gesellschaften die Boni und Löhne des Managements transparent offenlegen,
                   ein Aspekt, der teilweise bereits der Fall ist. Dieser Punkt mag sicherlich durch
                   die aktuelle Medienberichterstattung zu einem gewissen Grad beeinflusst
                   sein, dennoch spricht ein homogenes Antwortverhalten für die grosse Bedeu-
                   tung dieser vertrauensbildenden Massnahme:
                   •   Diese Meinung ist in allen Bevölkerungsschichten sehr stark verbreitet. Es
                       bestehen nur marginale Unterschiede.
                   •   Die Forderung ist mit 72 % über alle parteipolitischen Grenzen hinweg ver-
                       treten.
                   •   Die Forderung kommt gleichermassen von Personen mit hohem und nied-
                       rigem Vertrauen in die Assekuranz.

                   Es zeigt sich ausserdem ein grosser Wunsch nach erhöhter Transparenz. So
                   fordern Kunden eine stärkere Unterstützung seitens der Versicherer in der
                   Prävention. Hier besteht noch ein grosses Positionierungspotenzial für die
                   Zukunft. Massnahmen auf der Ebene der Produkt- und Preisgestaltung haben
                   einen weniger starken Einfluss auf das Vertrauen der Kunden.

                   4.2 Was würde Kunden zum Versicherungswechsel bewegen?

                   Fast ein Drittel der Schweizer gibt an, dass das Prinzip einer Genossenschaft
                   mit einer Gewinnbeteiligung der Kunden einen starken Anreiz zum Wechsel
                   der Versicherung darstellt (Abbildung 18). Dieser Wunsch ist in allen Bevölke-
                   rungsschichten stark verbreitet, am ausgeprägtesten jedoch bei Personen mit
                   niedrigem Einkommen und in ländlichen Regionen. Eine Re-Mutualisierung
                   stellt für viele Versicherer keine praktikable Option dar. Dennoch stehen sie

                                                                 Offene Darstellung Boni / Löhne                                72%
                                                             Genossenschaft: Gewinnbeteiligung                                 69%
                                                                   Transparenz Kosten / Erträge                                68%
                                                                   Verzicht auf hohe Löhne / Boni                             66%
                         Vertrauensbildende Massnahmen

                                                         Unterstützung der Kunden bei Prävention                          65%
                                                                       Kündigungsmöglichkeiten                          58%
                                                                       Risikofreie Kapitalanlagen                 50%
                                                             Beratung: auch Konkurrenzprodukte                    50%
                                                                        Neutrales Produkterating                48%
                                                                              Tiefstpreisgarantie            44%
                                                                      Beratung auf Honorarbasis             42%
                                                                         Crash-Recorder im Auto           37%

                                                                        Starke regionale Präsenz      33%

                                                          Kein Beraterwechsel / Kontakthäufigkeit   26%

                  Abbildung 17: Wichtigkeit vertrauensbildender Massnahmen (Anteil der beiden obe-
                                ren Antwortkategorien "5 - sehr wichtig" und "6 - absolut notwendig"
                                der 6-stufigen Skala)

                                                                                                                                      21
4. Wie lässt sich das Kundenvertrauen zurückgewinnen?

                         vor der Herausforderung, wie Ansätze einer Genossenschaft umgesetzt wer-
                         den könnten:
                         •   Durch eine Erhöhung der emotionalen Verbundenheit oder des Behavioral
                             Branding können aus Kunden bzw. Konsumenten Beteiligte werden.
                         •   Durch eine Wiederbelebung des Gefühls der “Gefahrengemeinschaft”
                             können Kunden stärker integriert und an das Unternehmen gebunden wer-
                             den.
                         •   Durch ein Bonussystem könnte der Kunde an einem positiven Versiche-
                             rungsergebnis beteiligt werden und somit längerfristig an das Unterneh-
                             men gebunden werden.

                         Ein Verzicht auf sehr hohe Löhne und Boni stellt auch ein starkes Wechselar-
                         gument für die Konsumenten dar. Dieser Aspekt könnte durch aktive Kommu-
                         nikation zur Kundengewinnung verwendet werden.

                                         Genossenschaft: Gewinnbeteiligung                                                 31%
                                              Verzicht auf hohe Löhne / Boni                             16%
                                               Unterstützung bei Prävention                     9%
                                               Transparenz Kosten / Erträge                     9%
                                             Keine Risiken bei Kapitalanlage               7%
                                                          Tiefstpreisgarantie              6%
                                                   Kündigungsmöglichkeiten                5%
                                             Offene Darstellung Boni / Löhne              5%
                                                     Neutrales Produktrating         3%
                                                      Beratung: Best Advice          3%
                                                  Beratung auf Honorarbasis      2%
                                                   Kontakthäufigkeit Berater     2%
                                                             Lokale Präsenz     2%
                                                Crash-Recorder / Black Box      1%

                         Abbildung 18: Wechselgründe (Anteil der Bevölkerung; nur 1 Antwort möglich)

                                            Verträge ohne Kleingedrucktes                                            51%

                                    Bonussystem für schadenfreie Kunden                                              50%

                                                       Günstigere Prämien                                          46%

                                                    1 Police für alle Risiken                                34%

                                             Transparenz Kosten / Erträge                              26%

                                      Produkte mit garantierten Leistungen                       20%

                                          Assistance / Hilfe im Schadenfall                14%

                                         Unterstützung Risikomanagement                    13%

                                            Flexiblere, innovative Produkte           8%

                                        Kundendienst / Service verbessern            7%

                                    Internetbasierte Verwaltung / Abschluss          6%

                                          Qualität der Beratung verbessern       6%

                                             Mehr Agenturen in der Region       2%

                        Abbildung 19: Gewünschte Verbesserungen im Bereich Sachversicherung (Anteil
                                      der Bevölkerung)

22
4.3 Welche Verbesserungen erwarten Konsumenten in Zukunft?

                                           4.3.1 Sachversicherungen

                                           Zuoberst auf der Liste der gewünschten Verbesserungen (Abbildung 19) ste-
                                           hen für Konsumenten Verträge ohne Kleingedrucktes. Es geht dabei für die
                                           Kunden weniger um das eigentliche Vertragspapier, sondern vielmehr um ei-
                                           ne latente Unsicherheit bezüglich der Frage, was in welchen Fällen versichert
                                           ist und was nicht. Dies wird ebenfalls durch die Ergebnisse der Studie “Was
                                           Kunden wirklich wollen”2 bestätigt, in der der Aspekt der Transparenz über die
                                           versicherten Leistungen das Wichtigste von 100 untersuchten Kundenbedürf-
                                           nissen ist. Selbst wenn diese Forderung der Kunden nicht neu ist, besteht hier
                                           immer noch grosses Verbesserungspotenzial. In diese Richtung zielt auch der
                                           Wunsch der Kunden nach einer All-Risk-Police, die sämtliche mögliche Risi-
                                           ken abdeckt und die komplizierte, für den Konsumenten wenig nachvollzieh-
                                           bare Trennung von Ursache und versichertem Objekt (partiell) aufhebt.

                                           Ein weiteres Innovationsfeld stellt die Belohnung der Kunden für Schadenfrei-
                                           heit dar. Neben den bekannten Formen in diesem Bereich sind neue, techno-
                                           logiegestützte Modelle denkbar, die ein risikoarmes Verhalten stärker beloh-
                                           nen und so deutliche Anreize zur Schadenvermeidung setzen, während
                                           gleichzeitig die Transparenz erhöht wird. Jüngere Konsumenten priorisieren
                                           eher günstige Prämien, mit zunehmendem Alter steigt hingegen der Wunsch
                                           nach Transparenz und Klarheit der Leistungen.

                                           4.3.2 Lebensversicherungen

                                           Die Prioritäten sind im Bereich Leben und Nichtleben ähnlich. Transparenz
                                           der Verträge und der versicherten Leistungen sowie günstigere Prämien ha-
                                           ben auch hier eine sehr hohe Bedeutung (Abbildung 20).

                                           Wie bei der Sachversicherung sind ebenfalls Verbesserungen im Kunden-
                                           dienst und in der Beratung nur von nachgeordneter Bedeutung. Dies bestä-
                                           tigt, dass die Servicequalität der Branche in der Regel als gut bzw. als ein

                                                   Bonussystem für schadenfreie Kunden                                             43%

                                                                     Günstigere Prämien                                            42%

                                                          Verträge ohne Kleingedrucktes                                           41%

                                                           Transparenz Kosten / Erträge                                     36%

                                                                  1 Police für alle Risiken                           26%

                                                    Produkte mit garantierten Leistungen                             25%

                                                     Risikoerkennung / Gesundheitsförd.                        16%

                                                          Flexiblere, innovative Produkte                    14%

                                                         Assistance / Hilfe im Schadenfall                   12%

                                                        Qualität der Beratung verbessern                9%

                                                      Kundendienst / Service verbessern            5%

                                                  Internetbasierte Verwaltung / Abschluss      5%

                                                           Mehr Agenturen in der Region       2%

                                           Abbildung 20: Gewünschte Verbesserungen im Bereich Lebensversicherung (Anteil
                                                         der Bevölkerung)

2 Die Studie “Was Kunden wirklich wollen” wurde im Rahmen der Future.Value - Creative.Days 2007 bei 2’500 Konsumenten in Deutschland,
  Österreich und der Schweiz mittels Box-Verfahren durchgeführt.

                                                                                                                                         23
4. Wie lässt sich das Kundenvertrauen zurückgewinnen?

                         „Hygienefaktor“ angesehen wird: Erst bei konkret erlebten Service- oder Be-
                         ratungsmängeln wird dies für den Kunden zum bedeutenden Thema.

                         Die Prioritäten der Kunden unterscheiden sich je nach Einkommenssituation
                         stark (Abbildung 21). So spielen für einkommensstarke Personen Transpa-
                         renz und Produkte mit garantierten Leistungen eine deutlich grössere Rolle
                         als für den Durchschnitt.

                         4.3.3 Krankenversicherungen

                         Günstige Prämien haben in der Krankenversicherung eine weit höhere Priori-
                         tät als in den anderen Versicherungsbereichen (Abbildung 22). Dies verdeut-
                         licht, dass hier die Preissensitivität ausgeprägter ist als im Bereich Leben und
                         Nichtleben. Sehr oft gewünscht wird ein attraktives Bonussystem, das gesun-
                         de Kunden stärker belohnt. Das aktuelle Franchisesystem wird von den Kun-
                         den offensichtlich zu wenig als Anreiz- und Belohnungssystem wahrgenom-
                         men.

                         Insbesondere bei Kunden mit hohem Einkommen stellen präventive Mass-
                         nahmen, wie eine verbesserte Risikofrüherkennung und Gesundheitsförde-
                         rung, ein hohes Verbesserungspotenzial dar (23 %). Personen mit niedrigem
                         Einkommen bevorzugen hingegen mehr Unterstützung und Hilfe im Krank-
                         heitsfall (24 %).

                         4.4 Sind Konsumenten bereit für Garantien zu zahlen?

                         Das Interesse der Bevölkerung an Garantien ist gross, wenn auch nicht über-
                         all eine Zahlungsbereitschaft dafür vorhanden ist (Abbildung 23). Immerhin
                         38 % der Bevölkerung, vor allem junge Personen und Frauen, wären bereit,

                                                                                                                    50%
                               Bonussystem für schadenfreie Kunden                                       40%
                                                                                                      36%
                                                                                                                       52%
                                                Günstigere Prämien                                            42%
                                                                                             22%
                                                                                                              43%
                                      Verträge ohne Kleingedrucktes                                  33%
                                                                                                                             58%
                                                                                               26%
                                      Transparenz Kosten / Erträge                                         40%
                                                                                                                 46%
                                                                                                       37%
                                             1 Police für alle Risiken                         27%
                                                                                       16%
                                                                                     13%
                                Produkte mit garantierten Leistungen                           26%
                                                                                                                 46%
                                                                                  13%
                                 Risikoerkennung / Gesundheitsförd.                 15%
                                                                                      18%
                                                                                9%
                                      Flexiblere, innovative Produkte             12%
                                                                                    16%
                                                                                       20%
                                    Assistance / Hilfe im Schadenfall             12%
                                                                           4%
                                                                                8%
                                   Qualität der Beratung verbessern             8%
                                                                                     12%

                                            Tiefe Einkommen        Mittlere Einkommen        Hohe Einkommen

                         Abbildung 21: Gewünschte Verbesserungen im Bereich Lebensversicherung (An-
                                       teil der Bevölkerung; nach Einkommensklassen)

24
für eine Schadendeckungsgarantie ("All-Risk-Deckung") zu bezahlen. Dies
unterstreicht die zuvor erwähnte Bedeutung von Transparenz hinsichtlich des
Deckungsumfangs. Tragfähige Konzepte in diese Richtung haben erhebliche
Marktchancen.

Der Wunsch nach einer Pflege- und Altersrente ist erheblich. Vor allem mit
dem zunehmenden Anteil an Senioren in der Bevölkerung ergibt sich für Le-
bens- und Krankenversicherer ein hohes Wachstumspotenzial. Von den fi-
nanziellen Absicherungen stösst die Höchststandsgarantie auf das grösste In-
teresse. Konsumenten wollen sich dagegen absichern, Vorsorgegelder zu ei-
nem ungünstigen Zeitpunkt beziehen zu müssen. Die Zahlungsbereitschaft
für eine 2-%ige Mindestverzinsung oder einen Kapitalschutz bei Aktienanla-
gen ist demgegenüber deutlich geringer.

                           Günstigere Prämien                                                                        65%

            Bonussystem für gesunde Kunden                                                                     54%

                Verträge ohne Kleingedrucktes                                                 34%

                 1 Police für alle Heilmethoden                                        30%

                Transparenz Kosten / Erträge                                   23%

         Produkte mit garantierten Leistungen                             18%

         Unterstützung / Hilfe im Krankheitsfall                       14%

           Risikoerkennung / Gesundheitsförd.                       12%

                Flexiblere, innovative Produkte                    10%

           Kundendienst / Service verbessern                      8%

             Qualität der Beratung verbessern                 7%

       Internetbasierte Verwaltung / Abschluss                6%

                Mehr Agenturen in der Region            1%

Abbildung 22: Gewünschte Verbesserungen im Bereich Krankenversicherung
              (Anteil der Bevölkerung)

               Pflegerente bei langer Krankheit               38                         54                8

            Deckungsgarantie für alle Schäden                 38                       52              10

             Prämienschutz bei Arbeitslosigkeit              36                        57                  7

                           Höchststandgarantie               33                        61                  6

                           Lebensrente bis Tod               32                        62                  6

               Kapitalschutz bei Pensionskasse           29                            67                  4

  Bonus bei Krankenversicherung, wenn gesund             27                         64                     9

       Kapitalschutz bei Konkurs des Anbieters           24                         69                     7

                 Kapitalschutz bei Aktienanlage         19                     62                     18

           Mindestverzinsung 2% auf Vorsorge            18                     70                      13

                  Inflationsschutz auf Erspartes        18                        74                       9

                             Beratungsgarantie      14                       65                       21

                                                   0%         20%        40%        60%         80%        100%
         Interessant, würde dafür zahlen      Interessant, wenn gratis                 Nicht interessant

Abbildung 23: Bewertung von Garantien (Anteil der Bevölkerung)

                                                                                                                           25
5. Ausblick: Aufbruch zu einem neuen Geschäftsmodell?

                   Die Finanzbranche hat zweifelsohne unter der Finanzkrise gelitten. Insbeson-
                   dere gegenüber den Banken, aber auch gegenüber den Versicherungen be-
                   steht vielerorts Misstrauen. Verschiedene Ansätze zeigen jedoch ein Potenzi-
                   al für die Rückgewinnung des Kundenvertrauens auf.

                   Es stellt sich demnach die Frage, wie das ideale Versicherungsunternehmen
                   der Zukunft aussehen kann: Welches Geschäftsmodell spricht die Konsumen-
                   ten emotional an? Welcher Ansatz schafft Vertrauen und wie können Vorteile
                   entstehen, die Kunden zu einem Anbieterwechsel veranlassen?

                   Die Studie hat deshalb für drei idealtypische Geschäftsmodelle die kognitive,
                   emotionale und konative Akzeptanz beim Konsumenten getestet. Abbildung
                   24 charakterisiert die getesteten drei typisierten Geschäftsmodelle.

                                     •   Schweizerische Genossenschaft (alle Versicherten sind Miteigentümer)
                     Modell A:       •   Dichtes Netz an lokalen Agenturen
                                     •   Beratung und Schadenbearbeitung durch persönlichen Berater
                     Genossen-
                                     •   Vorsorgeprodukte mit fixer, garantierter Verzinsung (2 %)
                      schaft         •   Standardprodukte mit vollen Garantieleistungen

                                     • International tätige Versicherung
                                     • Risikoberatung: Genaue Analyse der Risikosituation der Kunden für verschiedene
                     Modell B:         Lebenssituationen
                      Risiko-        • Unterstützung bei der Risikovermeidung (Prävention)
                     manager         • Prämienberechnung je nach Risikoverhalten der Kunden
                                     • Vorsorgeprodukte mit verschiedenen Absicherungsstufen (dafür weniger Rendite)
                                     • Computergestützte Beratung

                                     •   Bekannte, weltweit tätige Versicherungsgruppe
                                     •   Effiziente Administration / Information, vor allem via Telefon und Internet
                      Modell C:      •   Bündelt für den Kunden sämtliche Versicherungs- und Finanzdienstleistungen
                     Aggregator      •   Bietet auch Produkte der Konkurrenz an (best choice)  Günstigstes Angebot
                                     •   Vorsorgeprodukte mit hoher Rendite
                                     •   Flexibel anpassbare Produkte (ohne verdeckte Kosten)

                   Abbildung 24: Die drei untersuchten, idealtypischen Geschäftsmodelle

                                                                                                                             48
                                    … ist modern und zeitgemäss                                                       43
                                                                                                                                       56

                                                                                                                             48
                      … bietet attraktive Produkte und Leistungen                                            37
                                                                                                                                  52

                                                                                                                            48
                                    … wäre wohl sehr erfolgreich                                       31
                                                                                                                           46

                                                                                                                            47
                                             … bietet gute Beratung                          24
                                                                                                                 40

                              ... Ich kann mir vorstellen, zu dieser                                                    45
                                                                                                  28
                                        Versicherung zu wechseln                                            36

                                                                                                                       43
                         … entspricht meinen Idealvorstellungen                             23
                                                                                                                             48

                                                                                                                  41
                                   … hätte mein volles Vertrauen                            22
                                                                                                       32

                                                                                                                 40
                              … ist ein finanziell sicherer Partner                    19
                                                                                                   30

                                                                       0%           20%                     40%                        60%

                                                             A: Genossenschaft     B: Risikomanager                    C: Aggregator

                   Abbildung 25: Beurteilung der drei Modelle (Angaben in Prozent; Anteil der beiden
                                 oberen Antwortkategorien "5 - stimme zu" und "6 - stimme voll zu" der
                                 6-stufigen Skala)

26
5.1 Welches Modell einer Versicherung bevorzugen Konsumenten?

Die Beurteilung der drei Modelle fällt sehr differenziert aus (Abbildung 25).
40 % - 50 % der Studienteilnehmer beurteilen die Modelle A (Genossenschaft)
und C (Aggregator) auf den verschiedenen Positionen positiv bis sehr positiv.
Beim Modell B (Risikomanager) sind es nur 20 % - 30 %.

Während das Modell C (Aggregator) vor allem auf der kognitiven Ebene über-
zeugt, hat das Modell A (Genossenschaft) klare Vorteile auf der emotionalen
Ebene. Modell B (Risikomanager) scheint auf den ersten Blick in allen Dimen-
sionen deutlich schlechter abzuschneiden.

5.2 Wie sieht eine ideale Versicherung aus?

Abbildung 26 zeigt, dass sowohl Personen, die bereits heute ein hohes Ver-
trauen in die Assekuranz haben, wie auch jene, die der Assekuranz grund-
sätzlich misstrauisch gegenüberstehen, im Modell C (Aggregator) am ehe-

                                                                       43

                      Misstrauen                18

                                                                            47

                                                                         47

               Grosses Vertrauen                                       43

                                                                                      59

                                   0%         20%            40%                  60%

                                    Entspricht Idealvorstellung
                    A: Genossenschaft    B: Risikomanager       C: Aggregator

Abbildung 26: Beurteilung der Modelle hinsichtlich “Idealvorstellung” eines Versiche-
              rungsunternehmens (Angaben in Prozent; Anteil der beiden oberen
              Antwortkategorien "5 - stimme zu" und "6 - stimme voll zu" der 6-stufi-
              gen Skala)

                                                                   35

                     Misstrauen                      20

                                                             29

                                                                                 43

               Grosses Vertrauen                                  32

                                                                            41

                                   0%   10%     20%       30%          40%        50%
                                           Volles Vertrauen
                    A: Genossenschaft     B: Risikomanager             C: Aggregator

Abbildung 27: Beurteilung der Modelle hinsichtlich “Vertrauen” (Angaben in Prozent;
              Anteil der beiden oberen Antwortkategorien "5 - stimme zu" und "6 -
              stimme voll zu" der 6-stufigen Skala)

                                                                                           27
5. Ausblick: Aufbruch zu einem neuen Geschäftsmodell?

                         sten den idealtypischen Versicherer sehen. Bei den misstrauischen Kunden
                         schneidet das Modell B (Risikomanager) besonders schlecht ab: Für nur 18 %
                         entspricht dieses Modell den Idealvorstellungen. Bei Konsumenten, die der
                         Assekuranz positiv gesinnt sind, sind die Unterschiede in der Beurteilung
                         nicht erheblich.

                         Insgesamt entspricht das Modell C (Aggregator) am ehesten dem kognitiven
                         Bild der “idealen Versicherung”. Besonders positiv ist die Beurteilung dieser
                         Variante bei älteren Personen, Männern und Westschweizern. Konsumenten
                         mit hohem Einkommen und Versicherungskunden, die sich für eine starke Ei-
                         genverantwortung bei Finanzanlagen aussprechen, zeigen die höchste Präfe-
                         renz für das Modell C (Aggregator). Junge Schweizerinnen und Schweizer
                         sind diesem Modell gegenüber eher kritisch eingestellt.

                         5.3 Welche Versicherung ist vertrauenswürdig?

                         Das Modell A (Genossenschaft) geniesst das stärkste Vertrauen, sowohl bei
                         Kunden mit hohem wie auch bei jenen mit niedrigem Vertrauen in die Asseku-
                         ranz. Personen mit niedrigem Einkommen haben das stärkste Vertrauen in
                         den Versicherungstypus der Genossenschaft (Abbildung 27).

                         5.4 Zu welcher Versicherung würde der Kunde gerne wechseln?

                         Misstrauische Kunden würden am häufigsten zum Modell A (Genossenschaft)
                         wechseln (Abbildung 28). Immerhin 44 % könnten sich einen Wechsel in die-
                         sen Rechtsformtyp vorstellen. Das Modell A liegt somit bei den Kunden mit
                         wenig Vertrauen in die Assekuranz klar in Führung, wenn es um Wechselbe-
                         reitschaft geht. Bei Personen, die bereits heute ein hohes Vertrauen in die As-
                         sekuranz haben, liegt die Wechselbereitschaft in Richtung Genossenschaft
                         nur minimal vor dem Modell B (Risikomanager).

                         Zum Modell B (Risikomanager) wechseln würden am ehesten ältere Perso-
                         nen mit höherem Einkommen. In der Westschweiz ist die Akzeptanz höher als
                         in der Deutschschweiz. Für das Modell A (Genossenschaft) sprechen sich vor
                         allem ältere Personen mit niedrigem Einkommen aus, die in ländlichen Gebie-
                         ten wohnen.

                                                                                                  44

                                                 Misstrauen                        25

                                                                                           36

                                                                                                  43

                                           Grosses Vertrauen                                      43

                                                                                             38

                                                           0%       10%    20%      30%    40%     50%
                                                                     Wechsel vorstellbar
                                                A: Genossenschaft    B: Risikomanager      C: Aggregator

                         Abbildung 28: Beurteilung der Modelle hinsichtlich “Wechsel vorstellbar” (Angaben in
                                       Prozent; Anteil der beiden oberen Antwortkategorien "5 - stimme zu"
                                       und "6 - stimme voll zu" der 6-stufigen Skala)

28
6. Zusammenfassung

                            Die vorliegende Studie fasst die Ergebnisse einer gemeinsamen Untersu-
                            chung des I.VW-HSG und ValueQuest zusammen. Im Fokus standen die
                            Wahrnehmung der Finanzmarktkrise durch die Schweizer Bevölkerung und
                            ihr Vertrauen in die Finanzunternehmen.

                            Ergebnisse der Studie

Finanzmarktkrise aus        Die Schweizer und Schweizerinnen fühlen sich im Allgemeinen gut über die
Sicht der Schweizer Be-     Finanzmarktkrise und die aktuellen Ereignisse informiert. Auch wenn sich bei
völkerung                   etwa der Hälfte der Bevölkerung keine direkten finanziellen Auswirkungen ge-
                            zeigt haben, entstand ein starkes Gefühl der Verunsicherung. Eine Betroffen-
                            heit ist besonders bei älteren Personen und Personen mit niedrigerem Ein-
                            kommen festzustellen. Viele wollen in Zukunft - vor allem bei der Auswahl ih-
                            rer Bank - ihre Erfahrungen mit der Finanzmarktkrise in ihre Entscheidung mit-
                            einbeziehen. Aufgrund eines starken Misstrauens gegenüber der Finanzbran-
                            che glaubt ein Grossteil der Bevölkerung nicht an eine Selbstregulierung der
                            Branche und fordert vermehrte staatliche Regulierung.

Finanzkrise als Ver-        Die Studie zeigt auf, dass im Zuge der Finanzkrise das Vertrauen in die Bank-
trauenskrise?               und Versicherungsbranche erheblich gelitten hat. 60 % der Bevölkerung miss-
                            trauen der Branche. Besonders die Vertrauensbilanz gibt Aufschluss über die
                            aktuelle Vertrauenssituation: Zwischen den verschiedenen Anbietern gibt es
                            grosse Unterschiede. Während beispielsweise die Vertrauensbilanz für die ei-
                            gene Bank und Versicherung sowie für den eigenen Berater vorwiegend posi-
                            tiv ausfällt, sind für unabhängige Finanzberater und die Bank- und Versiche-
                            rungsbranche im Allgemeinen grosse Vertrauensunterschiede in der Bevölke-
                            rung festzustellen.

Zurückgewinnung des         Das Kundenvertrauen kann durch verschiedene Massnahmen zurückgewon-
Kundenvertrauens            nen werden. Ein Hauptanliegen der Schweizer Konsumenten ist die Verbes-
                            serung der Transparenz. Die Kunden fordern eine detaillierte Darstellung der
                            Entlohnungsstrukturen des Managements wie auch eine klarere und einfa-
                            chere Aufstellung der versicherten Leistungen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist
                            eine verstärkte Beteiligung der Kunden am direkten Erfolg des Versicherers.
                            Dies kann durch ein einfaches und direktes Bonussystem im Fall von Scha-
                            denfreiheit oder durch eine Gewinnbeteiligung in Sinne eines Genossen-
                            schaftsprinzips erfolgen.

                            Das Vertrauen der Kunden lässt sich am besten durch eine aktive und offene
                            Kommunikation auf emotionaler Ebene zurückgewinnen. Verbesserungen
                            von Leistungen und Services stehen dabei weit weniger im Vordergrund als
                            ein transparenter Dialog und eine stärkere Einbindung des Kunden.

Umpositionierung zu einem   Auch das Geschäftsmodell (in der Studie typisiert durch Genossenschaft, Ri-
neuen Geschäftsmodell?      sikomanager oder Aggregator) spielt eine wichtige Rolle beim Vertrauen der
                            Versicherungskunden in die Institution sowie in deren Entscheidungsfindung
                            bei der Wahl eines Anbieters. Das meiste Vertrauen und eine verstärkt emo-
                            tionale Nähe wird dem Modell Genossenschaft entgegengebracht, zu der be-
                            sonders Konsumenten mit geringem Vertrauen in die Assekuranz wechseln
                            würden. Das Modell Aggregator hingegen entspricht am ehesten der Idealvor-
                            stellung und gilt als modern und innovativ.

                                                                                                        29
Autorenportraits

                   Prof. Dr. Hato Schmeiser

                   Hato Schmeiser hat nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in ver-
                   schiedenen Tätigkeitsgebieten in Theorie (Universität Passau; Humboldt-Uni-
                   versität zu Berlin) und Praxis (Frankona Re München) gearbeitet. Im An-
                   schluss an Promotion und Habilitation hatte er zunächst einen Lehrstuhl für
                   Versicherungsmanagement an der Universität Münster inne. Seit 2005 leitet
                   Hato Schmeiser den Lehrstuhl für Risikomanagement und Versicherungswirt-
                   schaft an der Universität St. Gallen. Er ist zudem als Geschäftsführender
                   Direktor des Instituts für Versicherungswirtschaft (I.VW-HSG) tätig.

                   hato.schmeiser@unisg.ch

                   Carin Huber

                   Carin Huber studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität Betriebswirt-
                   schaftslehre, Wirtschaftspsychologie und Kunstgeschichte und verbrachte ih-
                   re Studienaufenthalte unter anderem an der Tongji University Shanghai und
                   der Venice International University. Nach Beratungsprojekten für die Deutsche
                   Telekom AG und Commerzbank AG ist sie seit 2008 am Institut für Versiche-
                   rungswirtschaft (I.VW-HSG) als Projektleiterin tätig und promoviert im Bereich
                   Behavioral Insurance.

                   carin.huber@unisg.ch

                   Bruno Catellani

                   Bruno Catellani hat an der Universität Zürich Betriebswirtschaft, mit Vertiefung
                   in Marketing und quantitativer Betriebswirtschaft studiert. Er hat zudem einen
                   Executive MBA an der Universität St. Gallen mit Schwerpunkt Financial Ser-
                   vices absolviert. Über 10 Jahre war er als Leiter „Strategisches Marketing“ in
                   der Assekuranz tätig. Heute ist Bruno Catellani Geschäftsführer der Value-
                   Quest GmbH und spezialisiert auf Marktforschung im Bereich der Kundenzu-
                   friedenheit, -loyalität und der Mitarbeiterzufriedenheit.

                   catellani@valuequest.ch

30
Institut für Versicherungswirtschaft
Universität St. Gallen (I.VW-HSG)
Kirchlistrasse 2
CH-9010 St. Gallen

Tel. +41 71 243 40 43
Fax +41 71 243 40 40
www.ivw.unisg.ch
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