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DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN EINWEIHUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS 16. UND 17. NOVEMBER 2013 Pressekontakt Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der Straßburger Museen Julie Barth julie.barth@strasbourg.eu Tel.: +33/(0)3 88 52 50 15 www.musees.strasbourg.eu
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 1. VORWORT SEITE 2 2. PRESSEMITTEILUNG SEITE 4 3. DIE GROSSE METZIG: GESCHICHTE DES GEBÄUDES SEITE 5 4. GESCHICHTE DES MUSEUMS SEITE 5 5. RUNDGANG DURCH DIE NEUEN RÄUME UND AUSSTELLUNGSKONZEPT SEITE 6 6. HERAUSRAGENDE EXPONATE SEITE 9 7. AUSSTELLUNGSDESIGN SEITE 14 8. WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT SEITE 17 9. ZAHLREICHE GROSSZÜGIGE SCHENKUNGEN SEITE 18 10. PLAN DER NEUEN RÄUME SEITE 19 11. ERÖFFNUNG SEITE 20 12. RAHMENPROGRAMM SEITE 20 13. PRAKTISCHE HINWEISE SEITE 21 Anhang: LISTE DER VERFÜGBAREN ABBILDUNGEN SEITE 22 1
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 1. Vorwort Die Geschichte geht weiter! Ab November 2013 wird die Öffentlichkeit die vollständige Sammlung des 1920 gegründeten Historischen Museums der Stadt Straßburg in den historischen Räumen der Großen Metzig entdecken können. Die früheren Straßburger Schlachthöfe wurden bereits ab 1887 als Museum genutzt, zunächst für das erste Kunstgewerbemuseum der Stadt, später für das Historische Museum. Künftig präsentiert das Historische Museum auf einer Fläche von 1700 m² in insgesamt zehn Abschnitten einen umfassenden Überblick über die Straßburger Stadtgeschichte, vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Kunstwerke, Dokumente, Waffen, Uniformen, Trachten, Architekturmodelle, Alltagsgegenstände u. v. m. veranschaulichen die geistesgeschichtliche und kulturelle Bedeutung der Stadt im Heiligen Römischen Reich - Straßburgs erster Blütezeit - und in der Renaissance, als sie ein Zentrum der noch jungen Buchdruckerkunst und der humanistischen Bewegung elsässischer Prägung und eine der bedeutenden Städte Europas war. Im Mittelpunkt der folgenden Abschnitte stehen das zweite Goldene Zeitalter als freie Königsstadt in Frankreich, als in Straßburg ein vielfältiges künstlerisches und intellektuelles Leben herrschte, sowie die Revolutionsjahre, deren herausragende Persönlichkeit Napoleons General Kléber, ein gebürtiger Straßburger, war. Die neuen Abschnitte widmen sich zunächst der Napoleonischen Ära, in der Straßburg eine wichtige Schnittstellenfunktion zukam. Es folgen die widerspruchsreiche und sehr einschneidende Periode der Angliederung an das Deutsche Reich mit der Belagerung der Stadt im Jahr 1870, die beiden Weltkriege und ihre Auswirkungen auf die persönlichen Schicksale der Menschen, die städtebaulichen und architektonischen Veränderungen im 19. und 20. Jahrhundert, Wirtschaftsleben und Verkehrsentwicklung, die Strahlwirkung der Straßburger Universität und das Geistesleben und schließlich die Ansiedlung der verschiedenen europäischen Institutionen in der Stadt. Den Abschluss des Rundgangs bildet das Modell einer 1989 von Gaetano Pesce entworfenen utopischen Rheinbrücke, die für die Ambitionen und Ideale des künftigen Europa steht. Straßburgs sehr dichte Geschichte wirkt bis in die Gegenwart: So hat die Stadt gerade die Erweiterung des von der UNESCO als Weltkulturerbe gewürdigten und geschützten Teils auf die Neustadt („deutsche Stadt“) beantragt, und auch die Gedenkfeierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs sind hier von besonderer Tragweite. Desgleichen hat die Präsenz des Europäischen Parlaments in Straßburg historische Wurzeln – das Parlament macht Straßburg zu der Stadt, in der Europapolitik debattiert und beschlossen wird. Aufgabe des Historischen Museum ist es, als lebendiger Ort der Entdeckung, Bildung und Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Hintergründe der Stadtentwicklung zu erläutern und Perspektiven aufzuzeigen. Historische Museen erleben derzeit eine Renaissance; zurückzuführen ist dies auf das große Interesse unserer im Wandel begriffenen Gesellschaft für die Vergangenheit. Museen haben eine andere Funktion als Gedenkstätten oder Mahnmale, sie befinden sich an der Schnittstelle so unterschiedlicher Wissensgebiete wie Anthropologie, Ethnologie, Archäologie, bildende Kunst, Kunstgewerbe, Naturwissenschaften und Technik und haben sich parallel zur Geschichtswissenschaft weiterentwickelt. Die Bewahrung von Erinnerung und kollektiven Identitäten sowie von deren Repräsentationsformen war schon immer Auftrag von historischen Museen; heute erwartet man von ihnen zudem die pädagogische Vermittlung gesellschaftlicher Entwicklungen. Um diesem hohen Anspruch gerecht zu werden, verbinden diese Museen in ihren Ausstellungen wissenschaftliche Gründlichkeit mit der Aussagekraft der Exponate, deren Neugier und Geist beflügelnde Wirkung mit modernen technischen Hilfsmitteln weiter verstärkt werden kann. 2
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 Dieses Anliegen verfolgt auch das Historische Museum mit seiner nunmehr vollständigen Präsentation; unterstützt wird es dabei von den anderen Straßburger Museen, mit denen es ebenso in Dialog tritt wie mit seiner Heimatstadt und deren herausragender Architektur. Das Historische Museum steht in der Tradition der historischen Anthropologie und der Mentalitätsgeschichte, die 1929 in Straßburg von den Historikern der Annales-Schule und deren beiden herausragenden Vertretern Marc Bloch und Lucien Febvre im Sinne von „Geschichte als Wissenschaft vom Menschen in der Zeit“ begründet wurden. Joëlle Pijaudier-Cabot, Conservateur en chef du patrimoine, Direktorin der Museen der Stadt Straßburg 3
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 2. Pressemitteilung Die Geschichte geht weiter … von Napoleon bis zu den Europäischen Institutionen Das Historische Museum der Stadt Straßburg eröffnet seine neuen Ausstellungsräume. Seit Herbst 2012 war das Historische Museum wegen Umbauarbeiten teilweise geschlossen. Am Samstag, dem 16. November, eröffnet es nun auf 425 m² den neuen Teil seiner Dauerausstellung zur Straßburger Stadtgeschichte, von Napoleon bis zur Gründung der europäischen Institutionen. Der neue Rundgang ist chronologisch und thematisch gegliedert und richtet den Fokus zudem auf die wichtigsten Ereignisse des wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Lebens der Stadt. Für die napoleonische Zeit wird insbesondere die Schnittstellenfunktion Straßburgs beleuchtet. Anschließend stehen die Auswirkungen der Neuerungen im Verkehrswesen (Eisenbahn, Kanalverbindungen) auf Stadtbild und Wirtschaft Straßburgs im Mittelpunkt. Die Belagerung der Stadt im Jahr 1870 und deren Folgen werden anhand verschiedener Exponate, darunter Geschosse, Uniformen und Bilddokumente, veranschaulicht. In der Zeit, als Straßburg Hauptstadt des Reichslandes Elsass/Lothringen war, wurde die Stadt vergrößert und zu einem Symbol und Schaufenster gemacht. Die Ausstellung geht in diesem Zusammenhang auf die Errichtung des Universitätsgeländes für die neue Exzellenz-Universität ein. Ferner wird erläutert, mit welchen Fragen die Elsässer nach der Angliederung an Deutschland konfrontiert waren; insbesondere standen sie vor der folgenschweren Entscheidung, ob sie im Elsass bleiben oder die Region verlassen sollten. Anschließend beleuchtet die Ausstellung Straßburgs Position als deutsche Stadt im Fronthinterland des Ersten Weltkriegs. In den Zwischenkriegsjahren war die Bautätigkeit rege: Es entstanden zahlreiche Sozialwohnungen, der Hafen wurde ausgebaut, weitere Veränderungen sind vor dem Hintergrund des Nationalitätenwechsels der Stadt zu sehen. Einen bedeutenden Teil widmet die Schau dem Straßburger Alltag im Zweiten Weltkrieg sowie der späteren Ansiedlung der europäischen Institutionen in der Stadt, die deren heutigen Anspruch als Europa-Hauptstadt begründen. Am Ende des Rundgangs schlägt eine Stadtplanung von Gaetano Pesce, die die Ambitionen und Ideale Europas im Jahr 1989 veranschaulicht, die Brücke zum großen Straßburger Stadtmodell von 1727. Im bisher nicht für den Publikumsverkehr geöffneten Teil des Museums wurden zahlreiche technische Umbauten und Anpassungen vorgenommen (verbesserte Gebäudedämmung, Fensterfilter, neue Zwischenwände usw.). Ein speziell für die Sammlung konzipiertes Design bringt die neuen Abschnitte mit Sockeln, Schauvitrinen sowie einer hochwertigen Ausleuchtung gebührend zur Geltung. Die Exponate wurden einer umfassenden Restaurierung unterzogen. Vorbereitet und begleitet wurde die neue Präsentation von den Mitarbeitern des Historischen Museums in Zusammenarbeit mit einem wissenschaftlichen Ausschuss. Für das Ausstellungsdesign zeichnet Laurent Marquart von GSMProject Montreal in Partnerschaft mit Martial Frey von AEA Architectes. Die Sammlung des Historischen Museums konnte dank des Engagements und der Spenden von rund 115 Stiftern und 20 Institutionen beträchtlich erweitert werden. Nach der Eröffnung der neuen Ausstellungsräume bietet das Museum nun einen vollständigen historischen Überblick vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Auf einer Gesamtfläche von rund 1700 m² kommen die Besonderheiten und die Vielschichtigkeit der Geschichte dieser Stadt ausführlich zur Sprache. Insbesondere mit dem letzten Abschnitt, der die jüngste Zeit dokumentiert und entwicklungsfähig gestaltet ist, präsentiert sich das Historische Museum als lebendiger Zeuge der Entwicklung Straßburgs: die Geschichte geht weiter! 4
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 3. Die Große Metzig - Geschichte des Gebäudes Die Große Metzig wurde 1587 von der Stadt Straßburg errichtet. In ihrem Erdgeschoss befanden sich bis zum 19. Jahrhundert die Schlachthöfe, im ersten Stockwerk wurden Messen veranstaltet und hin und wieder auch Theaterstücke aufgeführt. Im 19. Jahrhundert wurde das Gebäude als Markthalle, Feuerwehrdepot, Gewerbeschule, Kunstgewerbeschule und städtisches Lapidarium genutzt. Ab Ende des 19. Jahrhunderts waren die Museumsbestände darin untergebracht. Von 1887 bis 1918 befand sich das Kunstgewerbemuseum in dem Gebäude (1897 in Hohenlohemuseum umbenannt). Nachdem es 1919 in das Rohan-Schloss verlegt worden war, bezog ein Jahr später das gerade gegründete Historische Museum die Große Metzig. Von 1924 bis zum Zweiten Weltkrieg war in einem Teil des Gebäudes auch ein Musée social untergebracht. Bis 1994 wurden im Erdgeschoss mehrere Sonderausstellungen gezeigt. In den 1970er Jahren legte Jean-Pierre Klein, damaliger Leiter des Museums, zwei Projekte für die museografische Neugestaltung vor. Die Verwirklichung eines dieser Projekte wurde 1994 vom Architekten unterbrochen, weil sich am Gebäude gefährliche Risse zeigten. Untersuchungen ergaben Schäden am Fundament, sodass zunächst die Pfahlgründung und die Fassade konsolidiert werden mussten. Bei den Bauarbeiten wurden zahlreiche archäologische Beobachtungen angestellt und mit den Daten des Stadtarchivs verglichen. Dadurch konnten Rückschlüsse auf das genaue Aussehen des Gebäudes im Entstehungsjahr 1587 und in den Folgejahren gezogen werden; auch Spuren der verschiedenen Nutzungen wurden entdeckt: Waschbecken und Wandschränke sowie Reste von Trennwänden wurden bei der Wiedereröffnung des Museums im Jahr 2007 gekennzeichnet. 4. Geschichte des Museums Das Historische Museum wurde 1920 gegründet. Den Anstoß dazu gab eine Ausstellung im Jahr 1919, die Straßburg kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs seiner Geschichte gewidmet hatte. Die erste Sammlung des Museums befasste sich in erster Linie mit den Ursprüngen und der ruhmreichen militärischen Vergangenheit der nun wieder französischen Stadt; der Schwerpunkt lag dabei auf den Verbindungen zu Frankreich. Seit den 1970er Jahren kamen Exponate hinzu, die das Leben der Straßburger Bevölkerung im Mittelalter veranschaulichen. Mehrere dieser Stücke wurden in den letzten Jahrzehnten bei Ausgrabungen im Zusammenhang mit Bauarbeiten an Gebäuden sowie beim Bau der Straßenbahn zutage gefördert. Sie tragen wesentlich zum besseren Verständnis des Alltagslebens im Mittelalter aber auch in jüngeren geschichtlichen Perioden bei. 2007 wurden Erdgeschoss und erstes Stockwerk des Museums umgebaut; hier befinden sich heute die Abschnitte vom Mittelalter bis 1800. Gleichzeitig erfolgte der Ausbau des ersten und zweiten Dachstuhls für die Museumsverwaltung, für die Technikräume wurde eigens ein Untergeschoss angelegt. Nach Abschluss des zweiten Bauabschnitts im November 2013 werden auch die Sammlungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert in die Präsentation des Historischen Museums aufgenommen. 5
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PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 Aus hygienischen Gründen wurde der Gerbergraben auf Seiten der Place Broglie und weiter bis zur Place Benjamin Zix im 19. Jahrhundert zugeschüttet. Der Unternehmer Nicolas Koechlin (1781- 1852) baute die Eisenbahnlinien Straßburg-Basel (1841) und Straßburg-Paris (1852), und mit der Fertigstellung der ersten metallenen Rheinbrücke öffnete sich für den Straßburger Zugverkehr das Tor in Richtung Kehl, Baden und Europa. Gleichzeitung wurden der Rhein-Marne-Kanal und der Rhein-Rhone-Kanal bis nach Straßburg verlängert. Die Stadt wuchs weiter, und Jean-Baptiste Rollé und Frédéric Schwilgué gründeten die spätere Konstruktionsgesellschaft SACM (Société alsacienne de construction mécanique). Doch all diesen Neuerungen zum Trotz war Straßburg noch immer eine Provinzstadt, deren Grundriss sich seit Ende des 17. Jahrhundert nicht verändert hatte. Straßburg 1870-1918: Hauptstadt und neue Grenze Der Deutsch-Französische Krieg im Jahr 1870 hatte für Straßburg fatale Folgen. 20 000 Männer sollten die Stadt gegen 60 000 deutsche Soldaten verteidigen; Bombenangriffe zerstörten zahlreiche Gebäude sowie die Universitätsbibliothek mit dem kostbaren Manuskript der Enzyklopädie Hortus Deliciarum. Auch das Münster wurde schwer beschädigt. Die verheerenden Angriffe gehörten zu den ersten modernen Bombardements Europas, die Opfer in der Zivilbevölkerung forderten. Nach ihrer Kapitulation im September 1870 und dem Frieden von Frankfurt 1871 wurde Straßburg zur Hauptstadt des Reichslands Elsass-Lothringen, die es bis zum Ende des Ersten Weltkriegs bleiben sollte. Diese tiefgreifenden Umwälzungen stürzten die Elsässer in eine dauerhafte Identitätskrise. Sollten sie in der Heimat verharren oder nach Frankreich ziehen, um die französische Staatsangehörigkeit behalten zu dürfen? Die Entscheidung war keineswegs leicht. Und wer sich zum Bleiben entschloss, stand vor weiteren Fragen: Sollte man mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, um die Interessen des Elsass zu verteidigen (Standpunkt der Autonomisten) oder sich zwar wählen lassen, als Ausdruck von Frankreichtreue und Ablehnung gegen das neue Regime jedoch auf den Parlamentssitz verzichten (wie es die Protestbewegung verlangte)? Letzteres barg das Risiko, den Deutschen in die Hände zu arbeiten und die Belange der Elsässer erst recht nicht vertreten zu können. Da nun viele Deutsche nach Straßburg kamen, um wichtige Posten in der Verwaltung, im Militär (die Garnison war die größte in Deutschland) oder an der neuen, außerhalb der Altstadt gelegenen Universität anzunehmen, musste die Stadt vergrößert werden. Der Ausbau nach den Plänen des Straßburger Stadtplaners Jean-Geoffroy Conrath wurde 1880 urkundlich festgehalten und umfasste eine neue Verkehrsachse, die von der Place Broglie aus der Altstadt hinausführte, den Bau des Kaiserpalasts (heute Palais du Rhin), der Universitätsbibliothek und des Landesausschusses (heute TNS) rund um die heutige Place de la République sowie eine Prachtstraße (heute Avenue de la Liberté), welche die Place de la République mit dem Universitätsgelände verband. Die Universität mit ihren modern ausgestatteten Fakultäten zog brillante junge Professoren an, darunter viele spätere Nobelpreisträger wie Wilhelm Conrad Röntgen. Mit der Erweiterung vergrößerte sich die Grundfläche der Stadt um mehr als zwei Drittel. Rund um die breiten Alleen im Norden und Osten (heutige Neustadt) entstanden neue Wohnviertel. Für die breite Verkehrsachse (Rue du 22 Novembre), die ab 1911 mitten durch die Altstadt führte, wurde ein Teil der Bevölkerung in das nach dem Gartenstadt-Prinzip errichtete Viertel Stockfeld umgesiedelt. Dieser Große Straßendurchbruch wurde bis zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs bis zur heutigen Place de la Bourse fortgesetzt. Während des Ersten Weltkriegs lag Straßburg im Fronthinterland. Die Straßburger wurden (wenn sie das Elsass nicht schon zu Beginn des Konflikts verlassen und sich wie Pierre Bucher auf französischer Seite verpflichtet hatten) in die deutsche Armee einberufen und meist an die Ostfront verschickt, denn das Misstrauen gegenüber den Einheimischen war auch nach 48 Jahren deutscher Herrschaft noch nicht ganz geschwunden und brandete in diesem Konflikt wieder ganz besonders auf. Eine Sonderausstellung in der Galerie Heitz, die im Rahmen eines europäischen Interreg-Projekts mit Beteiligung des Historischen Museums entstand, wird sich im Jahr 2014 mit den Schicksalen dieser Straßburger beschäftigen. 7
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 Während des Krieges führte der weitsichtige Straßburger Bürgermeister Rudolf Schwander ein Lebensmittelkartensystem ein, das die gerechte Verteilung der knappen Lebensmittelressourcen ermöglichte. Nach Kriegsende bildeten sich in der Stadt für kurze Zeit Arbeiter- und Bauernräte. Wenig später wurde die französische Armee mit Begeisterung empfangen, was in den Augen des französischen Premierministers Raymond Poincaré ein Volksbegehren ersetzte. 1918-1939: Straßburg wird wieder französisch Nach Ende des Ersten Weltkriegs nahm man viele der vor 1918 begonnenen Bauarbeiten wieder auf. Es entstanden Sozialwohnungen wie die Cité Ungemach im Wacken-Viertel und der Port autonome mit neuen Hafenbecken und Lagerhäusern. Der Autohersteller Mathis wuchs mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und war bis 1939 einer der wichtigsten Arbeitgeber der Stadt. Zeitgenössische Modelle, ein Auto vom Typ Torpedo und Werbeanzeigen für Autoteile aus dem Hause Mathis zeugen von seinen Errungenschaften. Die Eliteuniversität setzte ihren Betrieb fort, diesmal jedoch mit französischen Professoren, die ihren Pariser Kollegen gleichgestellt waren. Man gründete neue Universitätszeitschriften, darunter die Historikerzeitschrift Revue des Annales von Marc Bloch und Lucien Febvre. Vor dem Universitätsgebäude, wo die Deutschen vor 1914 dem Dichter Johann Wolfgang Goethe eine Statue errichtet hatten, erinnerten die Franzosen nun mit einem Denkmal, von dem ein Teilstück im Museum zu sehen ist, an die Straßburger Tage des Wissenschaftlers Louis Pasteur. Das Französische wurde wieder Pflichtsprache, offizielle Dokumente waren jedoch nach wie vor in beiden Sprachen verfasst. Da sich die Sozialgesetzgebung (Krankenkasse und Rente) im Elsass anders entwickelt hatte als im restlichen Frankreich, wurde ein Ortsrecht (droit local) eingeführt, das die sozialen Errungenschaften aus der deutschen Herrschaftszeit bewahrte. Einige Missgriffe und die Entdeckung einer französischen Region, in der man vorwiegend „anders“ sprach, riefen dennoch eine Welle des Unbehagens hervor, die zur Entstehung autonomistischer, bisweilen von deutscher Seite unterstützter Tendenzen führte. Unter der Naziherrschaft: 1939-1944 Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Straßburger Bevölkerung in die Dordogne evakuiert, und im September 1939 verlegte man die Universität nach Clermont-Ferrand und das Hôpital Civil nach Clairvivre. Nach Unterzeichnung des Waffenstillstands forderte die Vichy-Regierung die Elsässer – abgesehen von Patrioten, französischen Beamten und Juden – zur Rückkehr auf. Die Heimgekehrten litten wenig später unter der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und wurden noch strenger überwacht als die Bürger im Deutschen Reich. Obwohl das Elsass im Waffenstillstandsvertrag nicht erwähnt worden war, wurde die Region nun zwangsannektiert. Straßburg wurde während des Krieges erst von den Alliierten und dann von den Deutschen bombardiert, die immerhin das Münster verschonten. In der Ausstellung werden die Kriegshandlungen in Straßburg unter verschiedenen Aspekten beleuchtet, und in einem gesonderten Bereich wird erklärt, worüber die Elsässer in jener Zeit (nicht) entscheiden durften und mussten. Zurück zu Frankreich Im November 1944 befreite General Leclerc die Stadt in einer waghalsigen Aktion. In mehreren Schlachten zwischen Gambsheim und Killstett wurde Straßburg im Januar 1945 vor einer erneuten Besetzung bewahrt. Europahauptstadt Straßburg Wenige Jahre nach der Befreiung wurde Straßburg als Sitz des Europarates und Standort weiterer europäischer Institutionen und deutsch-französischer Einrichtungen zur Europahauptstadt. Einige Möbelstücke, eine Richterrobe und ein Modell von Gaetano Pesces symbolträchtiger „Europabrücke“ über den Rhein zeugen von der Rolle, die Straßburg im heutigen Europa spielt. Ist die Geschichte der Grenzstadt Straßburg wirklich einzigartig? Ja und nein – am Ende des Rundgangs kann der Besucher das Schicksal Straßburgs mit dem anderer europäischer Städte vergleichen, die in ihrer Geschichte mit ähnlichen Situationen konfrontiert waren. 8
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 DIE AUSSTELLUNGSRÄUME Empfang und Museumsshop: 155 m² Einführungsraum: 134 m² „Freie Reichsstadt“ (Mittelalter bis 1681): 467 m² „Königliche Stadt und Revolution“ (1681 bis 1800): 439 m² Raum mit Stadtmodell: 197 m² „Symbolstadt mit wechselnder Nationalität“ (1800 bis heute): 425 m² Personal- und Technikräume: 300 m² Gesamt: 2117 m² 6. Herausragende Exponate Papiersoldaten und Spielkartenfiguren Mit 60 000 Papiersoldatenfiguren aus dem späten 18. bis zum 20. Jahrhundert besitzt das Historische Museum die größte Sammlung der so genannten „Straßburger Papiersoldaten“ in Frankreich. Diese Figuren werden so bezeichnet, weil die meisten von ihnen in Straßburg oder von Straßburger Künstlern hergestellt wurden. Die mitunter handkolorierten Zeichnungen oder Drucke stellen fast ausschließlich französische Soldaten dar, meist aus der napoleonischen Zeit. Da diese Figuren lichtempfindlich sind, werden sie im Museum an wechselnden Orten gezeigt. Die Ausstellung entstammt in der Hauptsache der Sammlung Kieffer und umfasst mehrere Einheiten aus dem Ersten Kaiserreich: Division Oudinot, Straßburger Ehrengarde, Rheinbund u.a. Die Figuren aus der Silbermann-Sammlung befinden sich zum Großteil in einem Schaukasten zum Jahr 1848. Figuren von Feuerwehrleuten, Zuaven u. a. repräsentieren die Verteidiger der 1870 belagerten Stadt. Aus der Zeit nach 1870 stammen zahlreiche Figuren, die die Verbundenheit der Elsässer mit Frankreich bekräftigen sollten. Sie werden im Schaukasten gezeigt, der den frankophilen Bewegungen im Reichsland Elsass-Lothringen gewidmet ist. Adrien de Lezay-Marnésia (1769-1814) - Philippe Grass (1801-1876), Modell des Denkmals von Adrien de Lezay-Marnésia (1769-1814), 1857 - Jacques Frédéric Kirstein (1765-1838), Pokal, Geschenk an Adrien de Lezay-Marnésia (1769-1814), 1814 Adrien de Lezay-Marnésia war von 1810 bis 1814 Präfekt in Straßburg. Er hatte in Braunschweig und Göttingen studiert und gründete in Straßburg das erste Lehrerseminar (École Normale) Frankreichs. Er nahm Einfluss auf den Deutsch- und Französischunterricht, ließ das Straßennetz modernisieren und entwickelte die Landwirtschaft. In Würdigung seiner Verdienste während der Belagerung von 1814 schenkten ihm die Straßburger einen sehr schönen Pokal aus der Hand des Goldschmieds J. F. Kirstein (1814). Der Präfekt starb an den Folgen der schweren Verletzungen, die er sich bei einem Kutschenunfall auf der Rückfahrt von einer Inspektionstour zugezogen hatte: Die Stadttore waren bereits geschlossen und der Torwächter wagte nicht, beim Gouverneur ihre erneute Öffnung zu erwirken. Lezay-Marnia konnte erst am nächsten Tag behandelt werden und erlag letztlich seinen Verletzungen. Das Modell des 1857 von Grass geschaffenen Denkmals (heute in der Nähe des Hôtel du Préfet aufgestellt) zeugt von der Wertschätzung der Straßburger für diesen Präfekten. Modell einer Turgotine, um 1820 Diese schwere Kutsche wurde als öffentliches Verkehrsmittel für lange Reisen eingesetzt. Sie besteht aus einem Berlinen-Kutschkasten und einem offenen zweisitzigen Abteil im vorderen Teil. Die altertümliche Aufhängung besteht aus zwei langen Riemen über einem robusten Gestell. Auf einem Absatz hinter der Fahrkabine befindet sich ein Korb für das Gepäck. (Libourel Jean-Louis, „Voitures hippomobiles“, Paris, 2005) 9
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 Auf dem gleichen Prinzip beruhen die 1775 von Turgot entwickelten Turgotinen. Sie wurden als Postkutschen eingesetzt und verfügten über 8, 6 oder 4 Plätze. Bis zum Bau der ersten Eisenbahnlinien verkehrten sie auf den Poststraßen. In Straßburg fuhren sie beispielsweise von der ehemaligen Poststation in der Cour du Corbeau nach Karlsruhe, Colmar und Belfort. Im Jahr 1819 fuhr Postmeister Auguste Ratisbonne mit Turgotinen aus dem Depot in der Rue des Juifs Nr. 16. Modell des Theaters, linke Seite, 1813, angefertigt von dem Schreiner Bertrat nach Entwürfen von Jean Villot, Maßstab 1:30 Das neue Theater aus Stein sollte den im Mai 1800 bei einem Brand zerstörten Vorgängerbau in der Rue de la Comédie ersetzen. Das Modell des Neubaus wurde zu einer Zeit in Auftrag gegeben, als das Projekt nach 13-jährigen Bauarbeiten auf der Stelle trat. Vor Villot hatten bereits drei andere Architekten daran mitgewirkt, doch Zweifel hinsichtlich der Größe der Bühne und anderer Theaterräume, kostspielige Dekore sowie ständige Intrigen hatten zu einer Überschreitung des ursprünglich geplanten Budgets geführt und die Bauarbeiten erheblich verzögert. 1812 wurden neue Pläne genehmigt. Den Zuschauerraum entwarf Bérigny (Chefingenieur des Departements), während die Details bzgl. Ausführung und Dekor von Stadtbaumeister Jean Villot stammen; dieser leitete die Bauarbeiten bis zur Fertiggstellung im Jahr 1821. Villot beauftragte Bertat mit der Anfertigung eines Modells, das dem Stadtrat eine Vorstellung vom fertigen Theater vermitteln sollte. Das Modell war in der Mitte des Gebäudes geteilt, um die Innengestaltung besser sichtbar zu machen. In der Ausstellung ist nur der linke Teil des Modells zu sehen. Er zeigt den Portikus mit dem nie ausgeführten Dreiecksgiebel, der 1818 letztlich durch die noch heute vorhandene moderne Terrasse mit den sechs Musen ersetzt wurde. An die Eingangshalle schließt sich ein relativ kleines Vestibül an, über dem sich ein Foyer befindet (Saal Bastide). Es verfügt über ein Mezzanin und in den Ecken platzierte Heizkörper Zu den Rängen führen gewundene Treppen, die im Modell sichtbar gemacht werden können, da sich einige seiner Bestandteile wie der Zuschauerraum und die hinter der Bühne gelegenen Künstlerlogen bewegen lassen. Um den Zuschauerraum zu vergrößern, wurden die Treppenaufgänge reduziert. Wie im Modell ersichtlich, waren die Logen zwischen den Rängen ursprünglich durch Säulen verbunden, die aber bei den Restaurierungsarbeiten von 1953-1954 entfernt wurden. Die Bühne wurde erst 1820 gebaut. Das Modell beinhaltet bereits den Orchestergraben. Zu erkennen ist auch die Neigung der Bühne, die den Zuschauern im Parkett eine bessere Sicht gewährleisten sollte; das Parkett selbst ist in entgegengesetzter Richtung geneigt. Das bemerkenswerte Modell wurde in 8 ½ Monaten in Straßburg hergestellt. Emilie Schmitt (1840-1898), Marketenderin des 3. Zuavenregiments // 1870 Blaues, rotes und gelbes Wolltuch, rote Borten, weißes Zellulosetuch, Spitze, bemaltes Metall, gelbes Metall, Leder Emilie arbeitete im gleichen Regiment wie ihr Mann, der Schneider Schmitt, und nahm am Krieg von 1870-1871 teil. Ihre orientalisch geschnittene Uniform besteht aus einer roten Kopfbedeckung (der so genannten „chéchia“), einer Bolero-Jacke und einer aus dunkelblauem Tuch gearbeiteten Weste arabischen Stils mit leuchtend roten Paspeln und Borten. Der arabeskenförmige Zieraufsatz der Jacke hat die gelbe Farbe dieses der Provinz Constantine zugeteilten Regiments (was auch ein Stempel auf dem Innenfutter der Weste belegt). Die sehr weite Sarouel-Hose hat einen weiblicheren Schnitt. Mit dem zwischen Jacke und Rockbund getragenen dunkelblauen Wollgürtel sollte der Unterleib warm halten werden, um Ruhrerkrankungen zu vermeiden. Zur Uniform gehörten auch schwarze Nagelstiefel. Marketenderinnen stellten oft großen Mut unter Beweis, dennoch schaffte das französische Kriegsministerium die Funktion Ende des 19. Jahrhunderts ab. Emile Maechling (1878-1964), Modelle des Stadtzentrums vor und nach dem Großen Straßendurchbruch (um 1910 bzw. 1916) Diese beiden von Emile Maechling angefertigten Modelle, die sich im Süden bis zur Grand’Rue erstrecken, zeigen die Umgestaltung des Stadtzentrums zwischen Altsanktpeter und Kléber-Platz. Auf dem Modell vor dem Straßendurchbruch ist links Altsanktpeter mit seinen beiden Kirchenschiffen zu erkennen, das ältere war der protestantischen Bevölkerung vorbehalten, die neue, von Conrath entworfene Kirche, wurde 1866 für Katholiken gebaut. Die alten Häuser im Viertel 10
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 zwischen Kirche und Kléber-Platz wurden aus hygienischen Gründen abgerissen. Einige Balkone sowie Fachwerkensembles befinden sich heute in Museen der Stadt. Die Bewohner dieser Häuser siedelten in die für sie errichtete Gartenstadt Stockfeld über, die mit den damals aufkommenden öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen war. Der Fossé des Tanneurs (Gerbergraben) war von 1836 bis 1840 zwischen Fossé des Faux-Remparts und Grand’Rue zugeschüttet worden; vor 1850 war an der neuen Straße eine Schule mit einem Hauptgebäude und vier kleinen Seitenflügeln entstanden. An der Westseite des mit Grünanlagen und Bäumen bepflanzten Kléber-Platzes war von 1900 bis 1901 das Hôtel de la Maison Rouge erbaut worden. Das Modell des Stadtzentrums nach dem Straßendurchbruch zeigt die Fassaden der an der neuen Rue du 22 Novembre errichteten Gebäude, beispielsweise die des Sitzes von Electricité de Strasbourg (gegenüber von Altsanktpeter) oder am anderen Ende der Straße die Fassade des heutigen Kaufhauses Galeries Lafayette, bekannt unter dem Namen Magmod (dessen erste Innengestaltung von Hans Thomas in einem Video zu sehen ist). Ferner ist im Modell der Entwurf für den Folgebau des Hôtel de la Maison Rouge zu sehen, das erst wenige Jahre zuvor errichtet worden war (am Standort des Gebäudes, in dem sich heute die FNAC befindet). Die Restaurierung des Modells förderte zahlreiche Details wie Kino- und Ladenschilder zutage. Leopold und Rudolf Blaschka, Quallenentwicklung, Glas, Magazin des Zoologischen Museums Alle naturgeschichtlichen Museen dieser Zeit waren bestrebt, der Öffentlichkeit ein möglichst breites Spektrum der weltweiten Fauna vor Augen zu führen, so auch das Zoologische Museum und sein Direktor Ludwig Döderlein. Während die Präsentation von Arten, die sich präparieren lassen oder wie Insekten und Schalentiere über Außenskelette verfügen, kein besonderes Problem darstellte, war die Konservierung von Quallen, Tintenfischen und anderen Weichtieren sehr schwierig. Diese Exemplare konnten nur in Alkohol aufbewahrt werden; da sie dann aber Farben und Formen verloren, war ihre Ähnlichkeit mit lebenden Tieren nur sehr gering. Die damals existierenden Modelle aus Pappmaché, Gips oder Wachs konnten wiederum die Transparenz dieser Organismen nicht wiedergeben; dies war nur mit Glas möglich. Dieses Problem lösten die wunderschönen Glasmodelle der beiden böhmischen Glasbläser Leopold und Rudolf Blaschka, die eine sehr wirklichkeitsnahe Vorstellung von diesen kaum bekannten Tierarten vermittelten. Ab 1877/78 fertigten die Blaschkas auch anatomische Modelle und große Embryonalstadien- Modelle an, die Alexander Goette, Professor für Embryologie und vergleichende Anatomie an der Kaiser-Wilhelm-Universität Straßburg und Kollege von Ludwig Döderlein, im Unterricht einsetzte. Aufgrund der wissenschaftlichen Nutzung der Modelle war ein Höchstmaß an Präzision erforderlich, und die Glasbläser mussten einschlägige Publikationen zu Rate ziehen und bestimmte Tierarten sogar selbst im Aquarium aufziehen. So wurden die ursprünglich als stilvolle Raumdekoration gedachten Glasmodelle zu vollwertigen Anschauungsobjekten für Forschung und Lehre. Propagandaplakat „Und Ihr? Zeichnet die Kriegsanleihe!“, 1917 Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs bestand allgemein Einigkeit darüber, dass er nur wenige Wochen dauern würde. Keines der kriegführenden Länder hatte einen langfristigen Kriegshaushalt angelegt; daher wurde versucht, die nötigen Mittel mit Spenden und Kriegsanleihen aufzubringen. Deutschland nahm von 1914 bis 1918 insgesamt neun Kriegsanleihen auf. Die Werbeplakate des offiziellen Kriegsmalers Fritz Erler hatten großen Erfolg. Dieses Plakat zeigt einen stehenden Piloten, der den Betrachter ansieht und das ganze Bild dominiert, während Flugzeug und Waffe kaum zu erkennen sind. Wie ein Kommandeur scheint der Flieger dem Betrachter zu befehlen, seinen Beitrag zu den Kriegsanstrengungen zu leisten. Neben den Aufrufen für die Kriegsanleihen entstanden in dieser Zeit zahllose Werbeplakate für soziale Hilfswerke, Kriegsversehrte usw. Diese Plakate wurden überall in Deutschland, einschließlich Elsass-Lothringens, verbreitet. Mathis 5 CV Typ P, Torpedo, Dreisitzer, 1925 Dieses Auto sowie die Werbeobjekte und die Autoteile, die dem Museum von dem sehr aktiven Verein der Mathis-Freunde bzw. dessen Mitgliedern geschenkt wurden, zeugen davon, dass ein Kapitel der Automobilgeschichte im Straßburger Mathis-Werk geschrieben wurde, das sich zwischen 11
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 den beiden Weltkriegen im Stadtviertel Meinau befand. Dieses Fahrzeug ist ein seltener Dreisitzer, geläufiger waren Zweisitzer. Wie die Werbung propagiert, verkörperte dieser Torpedo Mathis’ Strategie, leichte, robuste und sparsame Autos zu bauen, die dennoch über alle technischen Vorzüge der großen Wagen ihrer Zeit verfügten. Um dieses Ziel zu erreichen, führte Emile Mathis schon 1912 in seinem Werk in der Meinau die Fließbandfertigung ein (das Werksgelände erstreckte sich vom heutigen Citroën- Autohaus bis zur Rue de la Plaine des Bouchers), Die aus einem Holz-Blech-Verbundwerkstoff bestehende Karosserie wurde auf Bestellung des Kunden hergestellt. Mathis, der schon 1898 im Alter von nur 18 Jahren eine Werkstatt eröffnet hatte, war einer der größten Straßburger Arbeitgeber in den Zwischenkriegsjahren. Um sein Unternehmen zu retten, sah er sich 1934 zu einer Allianz mit Ford gezwungen (unter der Marke Matford), die er jedoch wenig später aufkündigte. Er gewann den Prozess gegen den amerikanischen Geschäftspartner. Um der drohenden Inhaftierung durch den deutschen Besatzer zu entgehen, emigrierte Emile Mathis im Krieg in die USA, wo er in seinem Matam-Werk Munition für die Amerikaner herstellte. Dafür ehrte ihn die US Navy mit dem Navy E Ribbon. Außerdem lieferte er der amerikanischen Luftwaffe alle erforderlichen Angaben für die Bombardierung des Straßburger Werkes, das die Deutschen bereits im Juni 1940 beschlagnahmt hatten, um dort Junkers-Motoren zu bauen und zu überholen. Aufgrund des Krieges und der noch auf die Vorkriegszeit zurückgehenden Unzufriedenheit seiner Kunden (die keine anderen als Matford-Ersatzteile finden konnten), gelang es Mathis nach 1945 nicht, seinen einstigen Ruf wiederzuerlangen. Säulenfragmente der ehemaligen Synagoge, Marmor Die 1898 von dem Karlsruher Architekten Ludwig Levy errichtete neue Konsistorialsynagoge war der letzte Sakralbau der deutschen Periode. Das Gebäude befand sich am Quai Kléber vor dem ehemaligen Kornspeicher und neben dem ersten, damals bereits zur Markthalle umgebauten Bahnhof. Der Synagogenbau wurde von der jüdischen Gemeinde finanziert und erhielt Beihilfen der Stadt und der Provinz Elsass-Lothringen. Gemäß den rituellen Vorschriften war sie von Osten nach Westen ausgerichtet und in zwei Teile gegliedert: ein großes Schiff, dessen Erdgeschoss für die Männer bestimmt war, während den Frauen die Galerien vorbehalten waren, sowie einen Chor mit einer höher gelegenen Estrade und einem Pult, einer Kanzel und der Heiligen Arche. Die Synagoge bot Raum für 1639 Personen. Im September 1939 wurde die jüdische Bevölkerung mit den anderen Straßburgern evakuiert. Erst im Mai 1940 barg der israelitische Militärseelsorger Schuhl die letzten Thora-Rollen aus der Synagoge am Kléber-Quai. Nach dem Waffenstillstand am 22. Juni 1940 durften Juden nicht ins Elsass zurückkehren, ihr Straßburger Besitz wurde beschlagnahmt. In der Nacht vom 30. September 1940 wurde die Synagoge in Brand gesteckt, die Überreste wurden im März 1941 abgerissen. 1945 war nichts mehr erhalten außer diesen beiden Säulenfragmenten, die ein Student geborgen hatte und die er dem Historischen Museum kurz vor seinem Tod viele Jahre später übereignete. Eine ebenfalls geretteter Löwenskulptur befindet sich heute in der neu erbauten Synagoge in der Avenue de la Paix. Entwurf für Schmuck und Beflaggung zur Einweihung der NS-Universität Am 23. November 1941 wurde die nationalsozialistische Universität feierlich eingeweiht. Die Zeichnung zeigt einen Entwurf für die Ausschmückung des Vorplatzes der Universität. Fassade und Vorplatz waren mit Hakenkreuzfahnen und Reichsadlern dekoriert. Mit dem Aufbau der Reichsuniversität Straßburg wurde der zum Dekan ernannte Ernst Anrich, ein 1918 nach Deutschland ausgewanderter Elsässer, beauftragt. Aufgabe der Universität war es, das nationalsozialistische Gedankengut zu verbreiten, das Deutschtum zu pflegen und als Bollwerk gegen den französischen Einfluss zu fungieren. Theologische Fakultäten waren nicht zugelassen und kein einziger Dozent der französischen Universität wurde ernannt. Die französische Universität sowie die Universitätsbibliothek waren im Herbst 1939 nach Clermont- Ferrand evakuiert worden. Doch im Februar 1941 gab das Vichy-Regime der Forderung der Nationalsozialisten nach, und die Bibliotheksbestände wurden nach Straßburg zurückgebracht. 1943 wurde bei zwei Razzien versucht, die Widerstandsgruppen der Professoren und Studenten in Clermont-Ferrand auszuheben. 12
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 Die Fahne von Kufra, gehisst am 23. November 1944 auf dem Straßburger Münster Diese behelfsmäßig gefertigte Trikolore, die der Soldat Maurice Lebrun vom Marokkanischen Spahi- Marschregiment auf dem Straßburger Münster hisste, symbolisiert die Erfüllung des Schwurs zur Befreiung Straßburgs, den General Leclerc in Kufra geleistet hatte. Am 21. Dezember 1940 nahm Philippe Leclerc mit 400 Männern und 56 Fahrzeugen die libyschen Kufra-Oasen ein. Am 16. Februar 1941 schlugen die Franzosen die Italiener, und am 2. März legten General Leclerc und seine Soldaten den folgenden Eid ab: „Schwört, dass Ihr die Waffen erst dann niederlegt, wenn unsere Farben, unsere schönen Farben, über dem Straßburger Münster wehen.“ Die Fahne wurde aus Stoffen genäht, die man im Münsterviertel zusammengetragen hatte: das blaue Tuch war Teil der Schürze von Frau Lorentz, einer Verkäuferin auf der Place Saint-Etienne, für das weiße Tuch hatten die Eltern von Charles Mark ein Laken beigesteuert, und der rote Stoff wurde aus einer NS-Fahne geschnitten. Nachdem die 2. Panzerdivision Leclerc die deutschen Linien erstmals am 16. November 1944 durchbrochen hatte, wurde sie taktisch aufgeteilt. Am 21. November erreichten die Einheiten die Gegend um Saverne und La Petite-Pierre, am 22. November nahmen sie Saverne ein. Am 23. November marschierten Leclercs Truppen aus fünf verschiedenen Richtungen auf Straßburg. Mit der verschlüsselten Nachricht „Tissu est dans iode“ informierte General Rouvillois Leclerc, dass die 2. Panzerdivision in Straßburg war. Der Einmarsch war völlig überraschend, und der deutsche General Vaterrodt übergab General Leclerc die Kapitulation. Richterrobe von Jean-Paul Costa, 1990er Jahre Die Richterrobe gehörte Jean-Paul Costa, der Frankreich von 1998 bis 2011 am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte repräsentierte. Er war von 2001 bis 2007 Vizepräsident und anschließend bis 2011 Präsident des EGMR. 2012 wurde er zum Präsidenten des Institut international des droits de l’homme René Cassin in Straßburg gewählt. Im Zusammenhang mit dieser Robe wird auf die Bedeutung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eingegangen, dessen Sitz sich in Straßburg befindet. Als internationale Gerichtsbarkeit überwacht der EGMR die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Er nimmt Beschwerden gegen Unterzeichnerstaaten dieser Konvention des Europarates entgegen, wenn der Kläger alle nationalen Rechtswege ausgeschöpft hat. Die Beschwerde muss sich auf die Verletzung eines der Rechte der Konvention beziehen und spätestens sechs Monate nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung eingereicht werden. Sie wird untersucht, wenn dem Beschwerdeführer der Opferstatus zuerkannt wird und ihm erheblicher Nachteil entsteht. 13
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 7. Ausstellungsdesign Von Laurent Marquart, Museograf und Ausstellungsdesigner, gsmproject création Ein Museum des Wissens – ein Museum der Emotionen und der spielerischen Entdeckung Die aktuelle Entwicklung von Museografie und Szenografie geht in Richtung neuer Konzepte für die Präsentation und Vermittlung historischer Inhalte und Themen, bei denen der Besucher auf kognitiver, sensorieller, emotionaler und spielerischer Ebene angesprochen werden soll. Die Stärke des museografisch-szenografischen Konzepts des Historischen Museums Straßburg liegt in dem Bestreben, zeitgenössische Medien und Technologien auf optimale Weise zur Präsentation von Themen und Werken einzusetzen. Das Ausstellungsdesign des neuen Museumsabschnitts präsentiert sich daher wie eine theatrale Inszenierung der Stadtgeschichte. Dabei veranschaulicht es eine besonders bewegte, von zahlreichen Umwälzungen geprägte Zeit: Vier Machtwechsel in 149 Jahren, aber auch eine erstaunliche Beständigkeit und ein aus diesen besonderen Umständen hervorgehendes einzigartiges Kulturamalgam. Dieser Leitgedanke – das Design der Ausstellung als Ausdruck und Spiegel seiner Thematik – entfaltet sich auf allen Ebenen: bei der Präsentation der großformatigen, raumgreifenden Werke und der kleineren Exponate in Wand- und Haubenvitrinen, in den audiovisuellen Animationen und den kostenlosen Audioguides, in den interaktiven Spielen sowie in dem, was wir „Zauberkästen“ nennen: virtuelle Begegnungen mit neun Personen, die den Zweiten Weltkrieg auf ganz unterschiedliche Weise erlebt haben. Ein spannungsreiches Ausstellungsdesign als Spiegel der Stadtgeschichte Ein abwechslungsreicher Rundgang Der zweite und letzte Museumsabschnitt beschäftigt sich mit den besonders ereignisreichen Jahren zwischen 1800 und 1949. Deshalb werden die Ausstellungsstücke hier in einer ganz neuen, offenen Form präsentiert, die den Kontrast zwischen Kriegs- und Friedenszeiten besonders gut verdeutlicht. Bis 1870 wandelt der Besucher noch durch ein größtenteils mittelalterliches Mauernlabyrinth, dessen schiefe Winkel mit der allgegenwärtigen Architektur des Museumsgebäudes aus dem 16. Jahrhundert lebhaft kontrastieren. Mit der deutschen Machtübernahme im Jahr 1870 verkörpert das Ausstellungsdesign jedoch eine Stadt, die ihre Mauern sprengt. Die offene Perspektive und der natürliche Lichteinfall geben dem der deutschen Zeit gewidmeten Bereich eine ganz besondere Raumdimension. Mit der Rückkehr des Elsass zu Frankreich (1918), dem Zweiten Weltkrieg (1939-45) und der Befreiung (1945) orientiert sich das Ausstellungsdesign an den rechtwinkligen Strukturen des Gebäudes: Die so entstehende neue Gliederung führt von Ersten zum Zweiten Weltkrieg. Im letzten Bereich kennzeichnet die Form des (parlamentarischen) Halbkreises den Eintritt der Stadt in ein neues, europäisches Zeitalter. Zum Schluss der Ausstellung zieht die Stadt Straßburg Parallelen und Verbindungen zwischen seiner eigenen Geschichte und den Schicksalen der Städte Gdańsk, Poznań, Bratislava, Triest, Genf und Brüssel. 14
PRESSEDOSSIER „DIE GESCHICHTE GEHT WEITER … VON NAPOLEON BIS ZU DEN EUROPÄISCHEN INSTITUTIONEN“ ERÖFFNUNG DER NEUEN PRÄSENTATION DES HISTORISCHEN MUSEUMS AM 16. UND 17. NOVEMBER 2013 Das Thema als Grundlage für ein innovatives Konzept Die „Zauberkästen“ zum Thema Schicksale, die an verschiedenen Stellen des Rundgangs aufgestellt sind, veranschaulichen anhand von Animationen und Gegenständen die Identitätskonflikte, mit denen die Straßburger konfrontiert waren, wenn sie sich auf unterschiedlichste Weise an einen neuen Machthaber anpassen mussten – sofern sie die Stadt nicht schon vorher verlassen hatten oder vertrieben worden waren. Dabei kontrastiert die Formensprache des Ausstellungsdesigns stets mit den imposanten Strukturen des Museumsgebäudes aus dem 16. Jahrhundert. Bevor er den letzten Raum verlässt, erwarten den Besucher noch zwei Überraschungen: - ein Zitat von Victor Hugo, datiert auf genau 100 Jahre vor der Gründung des Europarats - die Möglichkeit, eine virtuelle Postkarte mit einem unveröffentlichten, originell gestalteten Bild von einem der Ausstellungshighlights zu verschicken. Die Highlights In jedem Raum erwarten den Besucher visuelle Überraschungen, interessante Highlights und abwechslungsreiche Gestaltungselemente: Französische Zeit (1800-1870) ‐ ein großer Schaukasten mit einem Teil der spektakulären Papiersoldaten-Sammlung, die während des Rundgangs immer wieder auftauchen ‐ eine interaktive Animation mit Stücken aus der Kostümsammlung ‐ ein Modell des Großen Theaters, das auch dessen Innenraum zeigt ‐ kurioses Lehrmaterial aus der Universität und die wunderschönen letzten Postkutschen Deutsche Zeit (1870-1918) ‐ die ersten Geschosse aus den Bombardements des Deutsch-Französischen Krieges, symbolisch einigen Gewehren gegenübergestellt ‐ dreidimensionale Fotografien von der nach den Bombardements in Ruinen liegenden Stadt ‐ die beiden Modelle des Großen Straßendurchbruchs (vorher und nachher), welche die rasante Stadtentwicklung jener Zeit eindrucksvoll verdeutlichen, und ein interaktives Spiel ‐ kurioses und überraschendes Lehrmaterial aus der deutschen Universität Erster Weltkrieg (1914-1918) ‐ handbemalte Geschosse, die einst als Kriegssouvenirs dienten ‐ die ersten Lebensmittelkarten der damaligen Zeit Befreiung (1918) ‐ der Kopf des Reiterdenkmals von Kaiser Wilhelm I. ‐ eine audiovisuelle Animation und ein Film über die Befreiung (Actualités Gaumont) Französische Zeit (1918-1939) ‐ 21 kleine Gipshäuser als Beispiele für die Sozialwohnungen jener Zeit ‐ ein Frachtkahn in maßstabsgetreuem Verhältnis zum Silo Seegmuller ‐ ein Torpedo des Autobauers Mathis und ein Videozusammenschnitt mit zeitgenössischer Autowerbung ‐ ein Bildnismedaillon des Pasteur-Denkmals Zweiter Weltkrieg (1939-1945) ‐ bunte Abzeichen von erstaunlicher Vielfalt, wie sie im Rahmen von Mittelbeschaffungsmaßnahmen im Dritten Reich verwendet wurden ‐ von Gefangenen des Lagers Tambow gefertigte Gegenstände ‐ geräuschuntermalte Filmaufnahmen der Bombenangriffe 1944/45 ‐ „Zauberkästen“ zum Thema Schicksale mit Bildern und Gegenständen aus dem Eigentum der neun dargestellten Personen und audiovisuellen Szenarien, die den Besucher auf emotionaler Ebene ansprechen 15
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