Die Menschenwürde als Kompass - Der Paritätische
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Diana Paschek im Gespräch mit
den Teilnehmenden bei einer
Denkwerkstatt.
Foto: Christoph Worsch
Rolf Höfert ist seit mehr als einem Jahrzehnt Vorstandsvorsitzender
des Paritätischen Thüringen. Foto: Frank Diehn
Die Menschenwürde als Kompass
Thüringen hat gewählt. Einer neuen Landesregierung stehen große Herausforderungen bevor. Und auch beim Paritätischen Thürin-
gen wählten die Mitgliedsorganisationen einen neuen Vorstand. Im Gespräch mit dem wiedergewählten Vorstandsvorsitzenden Rolf
Höfert blicken wir auf die Ziele des Vorstandes in den kommenden Jahren, seine Wünsche für Thüringen und Forderungen an die
Landespolitik.
Herr Höfert, zunächst herzlichen Glück- den Weg gebracht wurde. Nun stehen viele Bei der Pflege brennt es in allen
wunsch zur Wiederwahl zum Vorstandsvor- Feinjustierungsarbeiten an. Nehmen wir zum Versorgungsbereichen - mit Engpässen in
sitzenden des Paritätischen Thüringen. Beispiel das Bundesteilhabegesetz. Hier gilt es, Krankenhäusern, Altenpflegeheimen und in
Vielen Dank. Ich freue mich über die Wieder- den im vergangenen Jahr verabschiedeten Rah- der ambulanten Pflege. Wir beobachten, wie
wahl und darauf, gemeinsam mit den anderen menplan zunächst zu verwirklichen und dabei sich immer mehr Leiharbeitsfirmen breitma-
Mitgliedern des Vorstandes die Arbeit des Pa- immer wieder die notwendigen Nachbesse- chen. Sie unterbrechen die Souveränität in den
ritätischen Thüringen auch in den nächsten vier rungen im Blick zu behalten. Konkret bedeutet Betrieben, heißt die Leiharbeitenden arbeiten
Jahren zu begleiten und die Verantwortung zu dies, kontinuierlich auf die aktuellen Bedarfe zu ihren Wunschbedingungen und profitie-
tragen. bei der Etablierung eines modernen Teilhabe- ren von der personellen Notlage der Einrich-
rechtes zu reagieren. Auch im Bereich der Kin- tungen. Die Verbliebenen vor Ort wiederum
Damit verbunden auch gleich die Frage: Wel- dertagesstätten und Kinderbetreuung müssen müssen zuweilen die unbeliebteren Schichten
che Ziele haben Sie für den Paritätischen für wird die richtigen Weichen stellen. Derzeit ver- übernehmen oder sind finanziell schlechter
Ihre nächste Legislatur? fügen wir über die entsprechenden finanziellen gestellt.
Unsere Vision ist ein noch besseres und mensch- Mittel. Wir müssen diese gut einsetzen. Hier
liches Thüringen. Hier wollen wir an die erfolg- denke ich in erster Linie an geeignete Fachkräf- Darunter leidet nicht nur die Motivation.
reichen Ansätze der vergangenen vier Jahre te. Da ist dringend nachzubessern. Leiharbeit ist kein tragfähiges Konzept für
anknüpfen und aus den nicht so erfolgreichen einen solch sensiblen Bereich wie die Pfle-
Ansätzen lernen. Bei vielen Aspekten sind wir Und wie steht es um Ihr Steckenpferd, die ge. Wir brauchen eine Fachkräfteoffen-
momentan in einer Situation, wo schon viel auf Pflege? sive. Dazu braucht es auch, eine bessere
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Willkommenskultur für Fachkräfte aus anderen Rolf Höfert nach seiner
Ländern und ein schnelleres Genehmigungs- Wiederwahl bei der
verfahren. Ein weiteres Thema ist die notwen- diesjährigen Mitglieder-
versammlung.
dige Reform der Pflegeversicherung. Es ist ein
Skandal, dass die Pflegebedürftigkeit für die Foto: Frank Diehn
Betroffenen selbst oder für deren Angehörige
ein Armutsrisiko darstellt. Daher fordern wir
schon seit langem, den Eigenanteil bei der Fi-
nanzierung der Pflege auf maximal 15 Prozent
zu begrenzen. Und ein letztes Thema fällt mir
ein: die neue, generalistische Pflegeausbildung.
Sie stellt die Einrichtungen vor Herausforde-
rungen. Eine angehende Pflegefachkraft muss
dann innerhalb von zwei Jahren alle Fachbe-
reiche kennenlernen. So müssen alle, die in der
Kinderkrankenpflege tätig werden möchten,
auch die Arbeit im Altenheim kennenlernen kann jedoch nicht alles schultern. Hier braucht und abgeschirmten Armut leben Kinder. Hier
und umgekehrt. Für die Einrichtungen bedeu- es Unterstützung und auch die finanziellen Res- wollen wir ermutigen, diese transparent zu ma-
tet dies, Kooperationspartner zu finden und sourcen. chen, um den Kindern entsprechende zusätz-
entsprechende Kapazitäten vorzuhalten. liche finanzielle Mittel zu ermöglichen. Es geht
Blicken wir noch auf die Landtagswahlen. Die um mehr als um saubere und satte Kinder. Sie
Wie bringt sich der Paritätische hier ein? AfD hat auch in Thüringen Wähler gewonnen sollen die Möglichkeit der Entwicklung haben.
Insbesondere mit unserem Referat Pflege. - was braucht es aus Ihrer Sicht für einen Um- Dafür müssen sie am Alltagsgeschehen eines
Im vergangenen Jahr brachten wir mit einem gang damit? Kindes in den entscheidenden Jahren, etwa
Forum zum Pflegeberufegesetz Ausbildungs- Unser Kompass ist und bleibt die Menschen- im Sportverein oder der Musikschule, teilneh-
einrichtungen zusammen, informierten zum würde und die gilt für alle gleichermaßen. men können. Nur so kann es gehen, denn die
Stand der Umsetzung, diskutierten mögliche Wir treten entschieden allem unmenschlichen heutigen Kinder mit Armutsbiographie gehen
Kooperationsformen und notwendige In- Agieren und allen öffentlichen Äußerungen traumatisiert als Erwachsene von morgen in
halte in den Curricula. Diese Idee aufgreifend entgegen. So sind etwa Anfragen im Bundes- die Welt. Wir werden uns weiterhin für eine
führte dann im Herbst vergangenen Jahres tag hinsichtlich statistischer Erhebungen über offene und tolerante Gesellschaft einsetzen, in
das Thüringer Sozialministerium in fünf Regi- behinderte Menschen und deren Kosten im der allen Menschen Teilhabemöglichkeiten zur
onen Thüringens eine ähnliche Veranstaltung Sozialversicherungssystem, wie sie von der Verfügung stehen.
durch, um über die aktuellen Entwicklungen AfD gestellt wurden, schlichtweg nicht mit
zu informieren. Das Referat unterstützt unsere unserem Menschenbild vereinbar. Im poli- Sie blicken dennoch positiv in die Zukunft?
Mitgliedsorganisationen, um den ersten Jahr- tischen Diskurs müssen wir uns mit der AfD In jedem Fall. Davon unbenommen: Wir er-
gang der neuen Ausbildung auf einen guten auseinandersetzen und werden dies auch tun. leben derzeit Strömungen, die eine andere,
Weg zu bringen. Gleichzeitig setzen wir auf die demokratischen eine nationalistisch-geprägte Gesellschaft wol-
Parteien und darauf, dass sie trotz ihrer unter- len, wo die Abstammung, nicht der Mensch
Thüringen ist überwiegend ländlich geprägt. schiedlichen Perspektiven und damit verbun- in seiner Würde zählt. Das gibt uns durchaus
Welche Maßnahmen braucht es, um den Frei- denen Schwierigkeiten Thüringen und die Men- Anlass zur Sorge und sollte von uns allen nicht
staat insgesamt zu einem lebenswerten Ort schen im Freistaat in den Mittelpunkt stellen. „auf die leichte Schulter“ genommen werden.
zu machen? Als Paritätischer werden wir wie bisher auch Dennoch, wir haben etwas entgegenzusetzen.
Es braucht zukunftsfähige Konzepte, um den die Probleme offen ansprechen, unsere Analy- Ein Gesellschaftsbild, das alle Menschen in den
ländlichen Raum als Lebens-, Kultur- und auch sen zu sozialpolitischen Aspekten kommunizie- Blick und ernst nimmt, auch die Menschen, die
Wirtschaftsraum attraktiv zu gestalten. Dazu ren und uns in den Diskurs einmischen. Dort sich abgehängt fühlen. Und wir haben die Fä-
gehört an erster Stelle eine entsprechende wo notwendig, formulieren wir unsere Forde- higkeiten und das Wissen, leere Wordhülsen,
Infrastruktur. Hier sind innovative Mobilitäts- rungen nicht als zaghaften Wunsch, sondern hinter denen sich letztlich nationalistische Ge-
konzepte gefragt. Außerdem müssen Dinge als dringende Notwendigkeit. danken verstecken, offenzulegen. Sicherlich,
des täglichen Bedarfs, wie etwa der Erwerb wir allein können nicht alles lösen, nicht jede
von Lebensmitteln oder die medizinische Ver- Vorhin sagte ich bereits einmal, es sei wichtig, Ungerechtigkeit beseitigen und sind nicht gefeit
sorgung gut erreichbar sein. Und es geht um dass sich die Leute nicht abgehängt fühlen. Hier davor, auch Fehler zu machen. Ich bin über-
Teilhabe und Lebensqualität. Die Menschen im geht es vor allem auch darum, dass wir uns zeugt davon, dass wenn unsere Werte offen,
ländlichen Raum dürfen sich nicht abgeschnit- nicht nur um die Schreienden kümmern, son- vielfältig und tolerant die Leitplanken für unser
ten fühlen. In Thüringen gibt es bereits gute dern uns auch für die Stillen engagieren. Es gibt tägliches Tun sind, wir an vielen Stellen dazu
Ideen, wie etwa Dorfkümmerer. Vieles wird eine schweigende Armut. Da ist viel Scham, beitragen können, unsere Gesellschaft und Mit-
auch ehrenamtlich geleistet. Das Ehrenamt Traurig- und Ratlosigkeit. Und in dieser stillen einander ein kleines Stück sozialer zu gestalten.
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Vorgestellt
Professorin Dr. Claudia Rahnfeld
ist die neue Präsidentin der Paritätischen Buntstiftung
Im Herbst vergangenen Jahres wurde kungen dieser Veränderungsprozesse dieser notwendigen Veränderungspro-
Prof. Dr. Claudia Rahnfeld zur neuen auf die Arbeitswelt. Damit verbundene zesse auf. Die Paritätische Buntstiftung
Stiftungspräsidentin der Paritätischen zentrale Schlagworte sind unter ande- freut sich mit ihrer neuen Stiftungs-
BuntStiftung berufen. Sie übernimmt rem Globalisierung, Internationalisie- präsidentin, den Transfer zwischen
den Staffelstab von Evemarie Schnepel, rung, demographische Entwicklungen Wissenschaft und Praxis auszubauen
die sich nach über einem Jahrzehnt und die damit einhergehenden sinken- und gemeinsame Entwicklungswege
Stiftungsarbeit in den Ruhestand ver- den Erwerbstätigkeitszahlen, soziale zu erkunden. Neben ihrer Tätigkeit an
abschiedet.
Nach dem Studium an der Ernst-Abbe-
Hochschule in Jena promovierte Clau-
dia Rahnfeld an der Martin-Luther-
Universität Halle-Wittenberg im Be-
reich Bildungsmanagement. Als wis-
senschaftliche Mitarbeiterin beriet sie
parallel dazu Kommunen beim Auf-
bau von Bildungslandschaften. 2016
erhielt die gebürtige Thüringerin den
Ruf auf die Professur für interdiszipli-
näre Grundlagen in der Sozialen Ar-
beit an der Evangelischen Hochschule
TABOR in Marburg. Zwei Jahre später
wechselte sie auf die Professur für Pro-
fessionstheorie und Disziplinäres Wis-
sen an der Dualen Hochschule Gera-
Eisenach.
Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen
unter anderem in den Bereichen
systemisches Sozialmanagement,
Organisationsentwicklung und so-
ziale Ungleichheit. Ferner beschäf-
tigt sie sich mit Aspekten zu Kom- Claudia Rahnfeld ist die neue Stiftungspräsidentin der Paritätischen BuntStiftung.
munikation, Leitung und Führung, Foto: Matthias Stöckigt
Mitarbeiterbindung sowie Konfliktma-
nagement. Ungleichheiten sowie Wertewandel. der Dualen Hochschule Eisenach-Gera
Hierfür sind entsprechende Anpas- ist Claudia Rahnfeld als Beraterin und
Zwischen ihrer wissenschaftlichen sungsleistungen notwendig. Das Di- Trainerin tätig.
Hochschultätigkeit und ihrer Funktion versitätsmanagement verstanden als
als Stiftungspräsidentin sieht sie viele proaktiver Umgang mit Vielfalt liefert
interessante Anknüpfungspunkte. Wie Unternehmen wertvolle wie gewinn-
gut diese beiden Bereiche in der Tat bringende Ansatzpunkte für eine
zusammenpassen, zeigt ihre jüngste neue Kultur des Miteinanders. Clau-
Publikation unter dem Titel „Diversity- dia Rahnfeld beschreibt also nicht nur
Management - Zur sozialen Verantwor- die Arbeitswirklichkeit, wie sie auch
tung von Unternehmen“. Darin analy- bei unseren Mitgliedsorganisationen
siert sie unter anderem die sich wan- zu finden ist, sie zeigt gleichermaßen
delnde Gesellschaft und die Auswir- mögliche Optionen zur Ausgestaltung
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Fachkräftesicherung beginnt schon in der Schule ...
Einblicke in das Projekt „Berufliche Orientierung
in der Sozialwirtschaft (BOS)“
wichtige Rolle. Hier unterstützt das
Projekt dabei, die regionalen Vorteile
zu erkennen und gezielt einzusetzen.
Denn nicht alle Jugendlichen sind
bereit, gleich ihrer Region und damit
den Freunden oder Eltern für den
Berufswunsch den Rücken zu kehren.
Die Federführung des Projektes liegt
beim Paritätischen Landesverband
Thüringen. Es wird durch den Frei-
staat Thüringen aus Mitteln des Euro-
päischen Sozialfonds gefördert.
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Die wichtigsten Termine 2020 im
Überblick
■ Jahresempfang des Paritätischen
Thüringen:
Dienstag, 28. Januar 2020
BOS unterstützt Unternehmen bei Fachkräftesicherung. Foto: Isabel Schlote ■ Festveranstaltung zum Ehrenamts-
preis des Paritätischen Thüringen:
Dienstag, 12. Mai 2020
In den letzten Monaten waren die Ausbildungs- und Entwicklungsmög-
Kolleginnen und Kollegen von BOS lichkeiten in den einzelnen Unter- Einsendeschluss für Bewerbungen:
viel auf Achse. Sie besuchten Schulen nehmen. Die Jugendlichen können am 15. März 2020
und Unternehmen in Gera, dem Kyff- bei Interesse unkompliziert mit den
häuserkreis und in Neudietendorf. Sie Unternehmen in Kontakt treten, egal, ■ Festwoche „30 Jahre Paritätischer
suchten nach Wegen, die unterschied- ob es um ein Praktikum oder einen Thüringen“:
lichen Berufe in der Sozialwirtschaft Ferienjob geht. 29. Juni bis 03. Juli 2020
den Schülerinnen und Schülern mög-
lichst frühzeitig in den Schulen be- So lernen sie die möglichen ■ Paritätisches Sommerfest:
kannt zu machen. Arbeitsfelder und das Unternehmen Dienstag, 30. Juni 2020
bereits früh kennen. Es ist eine Mög-
Hierzu haben sie von den Unterneh- lichkeit und Chance, junge Menschen ■ Mitgliederversammlung
men originell gestaltete Steckbriefe beizeiten für sich zu gewinnen und so des Paritätischen Thüringen:
angefertigt. Die Schülerinnen und perspektivisch die Ausbildungsstellen Dienstag, 3. November 2020
Schüler erfahren damit auf einen Blick zu besetzen. Das spielt gerade auch
etwas über die Tätigkeiten, Praktika, für Betriebe im ländlichen Raum eine
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