Die NATO - Bestandsaufnahme und Zukunftsperspektiven
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Nato Die NATO – Bestandsaufnahme und Zukunftsperspektiven Ein Militärbündnis im Reformzwang breiten und grundsätzlichen Widerstand Schließen von Fähigkeitslücken sowie zu der NATO-Mitgliedstaaten und wurden mehr Multinationalität und Interoperabi- schnell fallengelassen. Grundsätzlich ist lität weiter zu forcieren. festzustellen, dass Handlungsbedarf besteht. von OTL i.G Michael Angerer Deutschland will sich dabei aktiv gestaltend Neue NATO-Kommandostruktur positionieren und ordnend wirken. Gutes A m Beginn des 2. Jahrzehnts dieses soll dabei aber nur Besserem weichen. Als Mit der 2006 durch die NATO-Verteidi- Jahrhunderts steht die NATO er- problematisch wird das Aufweichen oder gar gungsminister verabschiedeten „Ministerial neut vor großen Herausforderun- die Aufgabe des Konsensprinzips gesehen. Guidance“ wurde eine neue Zielvorgabe, gen. Bereits mit der Verabschiedung der Es ist zwar ein Verfahren, das Kraft und Zeit der sog. „Level of Ambition“ entschieden. „Declaration on Alliance Security“ im kostet, aber zugleich auch ein starkes, weil Während die bisherige Zielvorgabe drei Rahmen des Jubiläumsgipfels am 3./4. es ein Einigkeit symbolisierendes Zeichen „Große Operationen“ über einen längeren April 2009 in Straßburg/Kehl und dem nach (innen und ) außen setzt. Darüber Zeitraum vorsah, ging man zukünftig darin enthaltenen Auftrag zur Erarbei- hinaus stehen bereits heute Instrumente zur von zwei „Großen“ und sechs „Kleineren tung eines Neuen Strategischen Konzepts Verfügung, um auf nachgeordneten Ebenen Operationen“ aus (Dauer der Operationen an den General-sekretär sowie dessen nicht unbedingt einen Konsens herbeiführen zwei Jahre, Hälfte der Operationen in Wechsel Anfang August letzten Jahres zu müssen (Chairman’s Memorandum), die hoher Intensität, unbefriedetem Umfeld mit auf den ehemaligen Dänischen Minister- in der Vergangenheit allerdings nur selten minimaler Infrastruktur und geringstem präsidenten Anders Fogh Rasmussen genutzt wurden. Host Nation Support). Darauf aufbauend wurde deutlich, dass eine langfristige und wurde entschieden, die NATO-Kommando- perspektivische Neuausrichtung der NATO Erneuerung des struktur anzupassen (siehe Bild 1). bevorsteht. Stetig ansteigende Kosten für NATO-Verteidigungsplanungs- Einsätze (hier v.a. ISAF) sowie die Folgen Nach erfolgter politischer Weisung im Juli prozesses der Finanz- und Wirtschaftskrise führten zu 2007 wurde die Neustrukturierung geplant. einer Finanzierungslücke von mehr als 700 Bei ihrem Treffen in Vilnius im Februar Die neue Kommandostruktur sollte kleiner Millionen Euro und zwangen dazu, über 2008 hatten sich die Verteidigungsminister und weniger personalintensiv (-16%), eine Reform des Finanzierungssystems und grundsätzlich auf eine Überprüfung der verlegbarer, in Teilbereichen durch einen in Folge auch über entsprechende Einspar- Verteidigungsplanungsverfahren geeinigt. größeren Beitrag an qualifiziertem Perso- maßnahmen nachzudenken. Konsequent Nach umfangreicher Ausarbeitung wurde nal professioneller (mehr Zivilpersonal, vor folgte daraus während des Verteidigungs- ein neues Prozessmodell schließlich im allem in statischen Strukturen der NCSA ministertreffens in Istanbul im Februar Vorfeld des Jubiläumsgipfels 2009 verab- (NATO Communication and Information dieses Jahres der Auftrag an den General- schiedet. Ziel dieses neuen Ansatzes ist es vor Systems Services Agency)) und insgesamt sekretär, Vorschläge für weitreichende allem, zunehmend schwerfällige Strukturen einsatzfähiger sein. Dazu kam die Beteili- Reformen zu unterbreiten. Das Gefühl, innerhalb eines griffigeren Prozesses zu ver- gung neuer Mitgliedsstaaten, hier v.a. die dass „sich etwas ändern muss“ griff also schlanken und durch hohe Transparenz und Rückkehr Frankreichs in die militärischen zunehmend um sich und Rufe nach Refor- Orientierung an einem fähigkeitsbasierten Strukturen. Diese Forderungen brachten men wurden immer lauter. Ansatz die tatsächliche Umsetzung von damit in Folge aber auch eine deutliche militärischen Forderungen in wirksame Kostensteigerung mit sich. Im Mai 2009 Bereits eingeleitete Streitkräfteplanung zu verbessern. Darüber haben die NATO-Generalstabschefs die Reformmaßnahmen hinaus galt es, die aufwändige und bei einem Verteilung der sog. „Flag-Dienstposten“ „Single Set-of-Forces“ fehleranfällige Um- siehe Bild 2) zwischen den Nationen fest- Reform des NATO-Hauptquartiers setzung in nationale Streitkräfteplanungen gelegt, die „Manning“-Konferenzen fanden Die Reform des NATO-Hauptquartiers zielt durch eine Harmonisierung mit dem ihren Abschluss Ende 2009. Deutschland vor allem auf eine Verbesserung der festge- EU-Streitkräfteplanungsprozess leistungs- hat qualitativ und quantitativ mit insge- stellten ineffizienten Arbeitsweise innerhalb fähiger zu gestalten. Aufgrund der samt rund 1600 Dienstposten eine unserer des Hauptquartiers, die u.a. begründet ist Komplexität der Thematik sind allerdings Stellung im Bündnis angemessene Reprä- durch unflexible Stabsstrukturen und -pro- noch Anpassungen des o.a. Planungs- sentanz erzielt. Vor allem 20 Generals-/ zesse. Überlegungen zur Fusionierung des instrumentariums vorzunehmen. Es besteht Admiralsdienstposten (14 davon rotierend Internationalen Militärstabes (IMS) mit aber Einvernehmen im Kreis der Mit- mit anderen Nationen) und über 50 dem Internationalen Stab (IS) stießen auf gliedstaaten, die Bemühungen zum Oberste/Kapitäne z.S. sichern auch in D S B N 9
Blickrichtung Zukunft Bild 1 Zukunft deutschen Einfluss in den ein- des Generalsekretärs unterscheiden sich in Force“ (IRF) mit Landstreitkräften in Bri- zelnen Hauptquartieren der neuen der unterschiedlich starken Kürzung des gadestärke, Luftstreitkräften bestehend aus Kommandostruktur. Die ursprüngliche Personalumfangs der NATO-Kommando- Kampf- und Kampfunterstützungskräften Planung zur Implementierung wurde struktur von aktuell 13.000 auf entweder sowie Seestreitkräften mit Marineeinheiten zuletzt auf den 1. August 2010 festge- 7.500 bzw. 9.500 militärische Dienst- u.a. aus den Ständigen NATO-Verbänden. legt. Ziel ist es, nach drei Jahren die Final posten. Bis zum nächsten Verteidigungs- Der Umfang dieser schnell verfügbaren Operational Capability (FOC) und damit ministertreffen am 14. Oktober soll nun Kräfte soll ca. 13.000 Soldaten betragen. einen Befüllungsstand von 95% zu er- ein erneuter Entwurf erarbeitet werden. (3) „Response Force Pool“ (RFP) mit ei- reichen. Die neue NATO-Kommando- Dieser soll einen Personalumfang von 8.000 nem Anteil von gemeinsam beübten und struktur ist grundsätzlich ein Schritt in die bis 8.500 haben und Grundlage für den zertifizierten „designated“ Kräften in 2-30 richtige Richtung, wird sich allerdings Strukturvorschlag beim Gipfel in Lissabon Tage Bereitschaft, sowie einem Anteil nur als „Übergangsstruktur“ erweisen. werden. nicht zertifizierter „earmarked“ Kräfte in Ursachen hierfür sind v.a. die vor dem 10-60 Tage Bereitschaft, von denen letztere Hintergrund der aktuellen Finanzkrise Weiterentwicklung der NATO auch mehrfach assigniert sein dürfen. Ziel nicht zu bezahlenden Strukturen. Response Force (NRF) dieser Reform ist eine Verbesserung der Darüber hinaus ist eine erneute bisher mangelhaften Kräftegestellung. Anpassung des „Level of Ambition“ als In Folge entsprechender Entscheidungen Flankierend zur Neuausrichtung der NRF Konsequenz eines Neuen Strategischen des Verteidigungsministertreffens vom sind u.a. die Entwicklung freiwilliger Konzepts zu erwarten. In der Folge muss Juni 2009 wird derzeit die „Revised nationaler Zielgrößen zur Beteiligung an dann ebenfalls eine Anpassung der bis zu NRF“ implementiert. Sie besteht aus drei der NRF (Deutschland hat sich 2009 ver- diesem Zeitpunkt nicht vollständig imple- Elementen (siehe Bild 3): (1) Führung pflichtet, im Sechs-Jahres-Durchschnitt 12% mentierten Kommandostruktur erfolgen. aus einem NATO-Hauptquartier (Joint der Kräfte der ca. 13.000 Soldaten star- Erste Überlegungen dazu wurden bereits Force Command Brunssum oder Neapel ken IRF zu stellen) oder die Verlängerung während des formellen NATO-Verteidi- bzw. Joint Command Lissabon) mit sog. der Standby-Phase von 6 auf 12 Monate gungsministertreffen in Brüssel am 10. und „Deployable Joint Staff Elements“ (DJSE) erfolgt. Nach ersten Einschätzungen sind 11. Juni dieses Jahres durch den General- als Führungselemente im Einsatz. (2) bereits positive Tendenzen bzgl. der Kräfte- sekretär vorgestellt. Die beiden Vorschläge Schnell verlegbare „Immediate Response generierung zu verzeichnen. 10 D S B N
Nato Aktuelle Entwicklungen Erweiterungspolitik: Die NATO steht unverändert zu ihrer „open-door-policy“. Staaten können eine NATO-Mitgliedschaft auf Grundlage des Artikels 10 des NATO-Vertrages und in Erfüllung der leistungsbasierten Beitritts- kriterien der NATO-Erweiterungsstudie von 19951 anstreben und erreichen. Mit der Aufnahme von Albanien und Kroatien während des Jubiläumsgipfels in Straß- burg/Kehl im April 2009 ist die Erweite- rungsagenda für die absehbare Zukunft abgearbeitet. Eine Einladung Mazedoniens zu Beitrittsverhandlungen scheitert unverändert am ungelösten Namens- streit zwischen Mazedonien und Griechenland. Sie ist aber jederzeit möglich, sollte die Namensfrage einver- nehmlich gelöst sein. Die Aufnahme von Montenegro am 4. Dezember 2009 im Rahmen des NATO-Außenministertreffens in Brüssel in den sog. „Membership Actionplan“ (MAP) in Vorbereitung auf eine künftige NATO-Mitgliedschaft sowie Bild 2 eine konditionierte Vergabe des MAP am 22. April dieses Jahres beim NATO-Außen- ministertreffen in Tallinn an Bosnien Herzegowina2 folgen dem Rational, dass eine langfristige Stabilisierung des West- balkans nur durch die euro-atlantische Integration aller Balkan-Staaten zu erreichen ist. Eine Vergabe des MAP-Status ist aber weder an Zeitlinien, noch an eine auto- matisierte Mitgliedschaft im Bündnis geknüpft. Im Gegensatz hierzu wurde Ge- orgien und der Ukraine auf dem NATO- Gipfel in Bukarest im April 2008 die künftige NATO-Mitgliedschaft ohne Nennung von Zeitlinien in Aussicht ge- stellt. Für die Ukraine fiel ein wesentliches Kennzeichen ihrer Außen- und Sicherheits- politik, das bisher formulierte Ziel einer NATO-Mitgliedschaft, nach Neuordnung der politischen Machtverhältnisse weg. Die jüngst vollzogene, engere Bindung an Russland unterstreicht dies deutlich. Georgien wird weiterhin mit der Lösung der Frage der besetzten Gebiete Süd- ossetien und Abchasien gebunden sein. Trotz signifikanter georgischer Beteiligung Bild 3 an NATO-Operationen (zweitgrößter Nicht-NATO-Truppensteller ISAF) und NATO-Haushalt 1 Insbesondere Bekenntnis zu den weiterem Ausbau der militärischen Koope- Grundsätzlich besteht Konsens zwischen Prinzipien der Charta der VN, Demokratie ration mit der NATO erscheint eine Ver- den Mitgliedstaaten der NATO, die und Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit gabe des MAP mit dem Ziel künftiger notwendigen finanziellen Mittel bereit- und friedliche Konfliktbeilegung. Mitgliedschaft in der aktuellen Konstella- zustellen, um jetzt und in Zukunft die 2 Umsetzung der Entscheidung tion mit RUS nicht realisierbar. Bewegung Aufgaben der Allianz sowohl in der Trans- abhängig von der abschließenden eigen- in der Erweiterungspolitik ist zeitnah ledig- formation als auch in den Operationen tumsrechtlichen Klärung des immobilen lich noch im Bereich der Balkanländer zu erfüllen zu können. Dennoch sind die bosnischen Verteidigungsvermögens. erwarten. Nationen nicht mehr bereit, die erkannten D S B N 11
Blickrichtung Zukunft Erfordernisse in vollem Umfang auch Verbündeten dafür einzusetzen, dass der Rolle von Nuklearwaffen stößt bei finanziell zu hinterlegen. Derzeit ist man in die in Deutschland verbliebenen Atom- Frankreich auf Ablehnung. Frankreich hält der NATO darum bemüht, durch (Neu-) waffen abgezogen werden. Ebenso hat der an der Unabhängigkeit seines Dispositivs Priorisierung wieder eine Ausgewogenheit Bundestag fraktionsübergreifend die fest und sieht keinerlei Veranlassung, sich auf zwischen der Finanzierung des überpro- Bundesregierung aufgefordert, sich diesem Abrüstungsverhandlungen einzulassen. Bis- portional gestiegenen Budgets bei Einsätzen Ziel zu widmen. her sieht Frankreich keine Notwendigkeit, und den generell erforderlichen Fähigkeiten Auch in der NATO wurde die Nuklear- von der Formulierung des Strategischen herzustellen. Das Senior Resource Board debatte unwiderruflich in Gang gesetzt Konzepts von 1999 abzuweichen, in dem und der Militärausschuss haben Vorschläge und wird priorisiert behandelt. Es bleibt ab- die Nuklearwaffen zur Sicherung der vitalen zu umfangreichen Einsparmöglichkeiten zuwarten, ob das für Deutschland formu- Interessen Frankreichs erforderlich sind. Die unterbreitet. Dazu gehört neben der lierte Ziel des Abzugs der Nuklearwaffen weitere Diskussion um die Nuklearstrate- Streichung / verzögerter Implementie- von deutschem Boden vor dem Hintergrund gie des Bündnisses wird somit sowohl vom rung einer Vielzahl NATO-gemeinsam unterschiedlicher nationaler Interessen und weiteren Fortgang der Planungen der USA finanzierter Projekte auch die Option der gleichzeitigem Konsensprinzip im Bündnis beeinflusst, als auch durch die europäische Verlagerung einzelner Projekte in die Zu- erreicht wird. Fest steht, dass die nukleare Debatte geprägt werden, in welcher sich ständigkeit der Mitgliedstaaten sowie eine Abschreckung vor dem Hintergrund eines liberale Positionen wie die der Deutschen, neue Priorisierungssystematik. veränderten Sicherheitsumfeldes neu be- Niederländer und Belgier mit denen der Generalsekretär Rasmussen hatte zusätzlich wertet werden muss. Insbesondere im Nuklearstaaten Frankreich und Groß- eine unterstützende Expertengruppe (Senior Rahmen der Ausgestaltung des Neuen britannien vereinigen müssen. Officials Group) auf dem Verteidigungsmi- Strategischen Konzeptes der NATO gilt es, nister-Treffen in Bratislava 2009 eingesetzt, die strategische Dimension der nuklearen Flugkörperabwehr - Missile um mit Hilfe unmittelbarer Hauptstadtver- Abschreckung der NATO zu definieren. Defence treter über die Empfehlungen des Militär- Fünf beim NATO-Außenministertreffen ausschusses und des Senior Ressource Board in Tallinn durch die US-Außenministerin Ballistische Raketen stellen weltweit in hinaus Empfehlungen zu prüfen / zu erar- eingebrachten und breit akzeptierten Verbindung mit Massenvernichtungs- beiten. Für Deutschland nahm der Stabs- Prinzipien legen einen Grundstein für die waffen eine stetig wachsende Bedrohung abteilungsleiter III im Führungsstab der weitere Debatte: dar. Dabei sind Iran und Nordkorea zur Streitkräfte und ein Vertreter der Abteilung (1) Die NATO wird eine nukleare Allianz Zeit als wohl größtes Risiko anzusehen. Haushalt an den Treffen teil. Das Mandat bleiben, solange Nuklearwaffen existieren, Aber auch die Gefahren von Proliferation der Senior Officials Group beschränkte sich (2) Risiko- und Lastenteilung werden und Terrorismus dürfen nicht vernachlässigt auf die Unterstützung bei der Lösungs- weiterhin die Basis des Bündnisses bleiben, werden. Die USA begegnen der aktuellen findung im Bereich der Gemeinschafts- (3) Reduzierung von Rolle Bedrohung mit einem angepassten 4-stufi- finanzierung, die Untersuchung von Wegen, und Anzahl der Nuklearwaffen, gen Ansatz (Phased Adaptive Approach) wie eine Priorisierungsmethodik die Zieler- (4) Breiteres Verständnis von regionaler für ein Missile-Defence-System, welches reichung der Allianz verbessern kann sowie Abschreckung (einschl. Raketenabwehr) das amerikanische Territorium, die eigenen die Überprüfung der Finanzobergrenzen und weltweit operierenden Streitkräfte sowie be- der Einzelbudgets zum Erreichen der (5) Einbeziehung der russischen „substrate- freundete Staaten und Partner schützen soll. Prioritäten und Ziele der Allianz. Darüber gischen“ Nuklearwaffen in mögliche weitere In der Folge wurden die NATO-Partner hinaus wurde auf französischen Vorschlag Abrüstungsschritte. durch die USA eingeladen, sich am Phased eine „Financial Experts Group“ einberufen. Die USA als die wesentliche Gestaltungs- Adaptive Approach zu beteiligen und ein Ziel ist es, zunächst eine Analyse der bis- macht der Nuklearstrategie des Bündnisses gemeinsames NATO-Missile-Defence- herigen Finanzierungsmechanismen vor- haben als ihr zentrales Interesse eine ge- System aufzubauen. Dieses soll in einer zunehmen. In einem zweiten Schritt schlossene und ohne Vorbehalt von allen NATO Kommandostruktur umfangreiche sollen dann Vorschläge für eine Reform Nationen getragene, einheitliche nuklear- amerikanische Systeme und die jeweiligen der Haushaltssystematik erarbeitet und im politische Linie innerhalb des Bündnisses nationalen Beiträge der anderen Mitglieds- Rahmen des Gipfeltreffens in Lissabon im ergebnisoffen formuliert. Das Ziel ist, allen staaten zusammenfassen. Russland soll November dieses Jahres vorgestellt werden. Alliierten, unabhängig von der nationalen durch vertrauensbildende Maßnahmen Bedrohungsperzeption, die unveränderte eingebunden werden. Deutschland begrüßt Nuklearpolitik der Allianz Gültigkeit der nuklearen Schutzgarantie das US-Angebot einer Einbindung der Am 5. April 2009 wurde durch eine Rede unter veränderten Rahmenbedingungen zu US-Systemelemente in ein NATO-Missile- des amerikanischen Präsidenten Barack vermitteln. Großbritannien war und ist be- Defence-System. Ein Aufbau im NATO- Obama in Prag, in der er seine Vision reit, über sein Nukleardispositiv im Bünd- Rahmen hätte den Vorteil eines um- einer atomwaffenfreien Welt skizzierte, die nis breit zu konsultieren und auch in einen fassenden Schutzes von Europa, würde die weltweite Debatte über nukleare Abrüstung NATO-Abschreckungskontext zu stellen. transatlantischen Beziehungen stärken, wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit Die Unterstützung des US-Ansatzes dürfte Mitspracherecht bei einem Einsatz der gerückt. In Deutschland wurde im Koali- dadurch gesichert sein. Wie sich die neue Systeme gewähren sowie eine bessere tionsvertrag von CDU/CSU und FDP Britische Regierung exakt positioniert, Einbeziehung Russlands ermöglichen. vereinbart, sich im Zuge der Ausarbeitung des bleibt abzuwarten. Als wenig flexibel erweist Für Deutschland ist es wichtig, nicht nur Neuen Strategischen Konzepts im Bündnis sich die französische Rolle. Die Diskussion im Bündnis zu einer politischen Lösung sowie gegenüber den amerikanischen im Bündnis mit Blick auf die Reduzierung beizutragen, sondern sich auch an einem 12 D S B N
Nato möglichen NATO-System mit einem Rasmussen hatte hierzu am 3. August 2009 der strategischen Diskussion dar, der wert- unserem Gewicht im Bündnis entspre- eine Gruppe von 12 qualifizierten Experten volle Impulse für das Neue Strategische chenden Beitrag zu beteiligen. Eine Ent- unter Leitung von Dr. Madeleine Albright Konzept liefert. scheidung könnte beim anstehenden (USA) bestimmt. Deutschland war mit In der nun folgenden, dritten Phase, der NATO-Gipfel in Lissabon im November Botschafter a.D. Dr. Hans-Friedrich von Verhandlungsphase entwickelt der General- 2010 fallen. Ploetz vertreten. Absicht des Generals- sekretär in Zusammenarbeit mit den ekretärs war und ist es, den Prozess zur NATO-Botschaftern das Neue Strategische Verhältnis NATO – Russland Erarbeitung des Neuen Strategischen Kon- Konzept, welches dann im Rahmen des Der Konflikt zwischen Russland und zepts unter aktiver Einbindung sowohl al- NATO-Gipfeltreffens am 19. November Georgien im August 2008 und die in ler Alliierter, als auch von Partnern, trans- in Lissabon, Portugal verabschiedet Folge getroffene Entscheidung der NATO- parent zu gestalten und dabei auch die werden soll. Inwieweit die Empfehlungen Außenminister, die Zusammenarbeit im Öffentlichkeit zu suchen. Der gesamte des Expertenberichts tatsächlich in das NATO-Russland-Rat auszusetzen, führte im Prozess verläuft in drei Phasen: (1) Reflek- Neue Strategische Konzept Eingang finden Verhältnis NATO – Russland zum tiefsten tionsphase (abgeschlossen) bis März 2010 werden ist zum jetzigen Zeitpunkt noch Stand seit Jahren. Der NATO-Russland-Rat mit offiziellen Seminaren und zahlreichen nicht abzusehen. dient neben der Behandlung von Fragen informellen Veranstaltungen bei Alliierten zur militärischen Zusammenarbeit vor und Partnern. (2) Konsultationsphase Herausforderungen für allem als Forum für politischen Dialog. (ebenfalls abgeschlossen), einschließlich die Zukunft Nach der Entscheidung der Außenminister Expertenreisen in die Hauptstädte der zur vollständigen Wiederaufnahme der Mitgliedstaaten. In dieser Phase unter- Momentan sind alle Anstrengungen auf Kooperation mit Russland am 27. Juni stützten Bundeskanzleramt, Auswärtiges den anstehenden NATO-Gipfel in Lissabon 2009 auf Korfu bemühen sich nun beide Amt und das Bundesministerium der Ver- am 19./20. November dieses Jahres aus- Seiten darum, diese mit Leben zu füllen. teidigung Botschafter von Ploetz auf gerichtet. Im Zentrum wird dabei die Es ist gemeinsames Verständnis, dass der Arbeitsebene mit einer gemeinsamen infor- Verabschiedung des Neuen Strategischen NATO-Russland-Rat wieder an Substanz mellen Arbeitsgruppe unter Federführung Konzepts stehen, einhergehend mit mehreren und Bedeutung gewinnen und als Dialog- des Auswärtige Amtes. Um Alliierte ohne weitreichenden Entscheidungen, u.a. zur forum gerade der Förderung des gegen- Expertenbeteiligung am Prozess zu be- Nuklearpolitik, zu Missile Defence, zur seitigen Verständnisses und dem Abbau von teiligen und die deutsche Verantwortung Reform der NATO-Haushaltssystematik, Kommunikationsmängeln dienen soll. Eine zur „Mitnahme“ kleinerer Alliierter zu aber auch hinsichtlich erster Bewertungen NATO-seitige Akzeptanz des russischen unterstreichen, konsultierte Botschafter zum Erfolg der im Frühjahr beschlossenen Vorgehens im Kaukasus einschließlich der von Ploetz fortlaufend auch Regierungs- neuen Afghanistan-Strategie. Entsprechend Anerkennung Südossetiens und Abchasiens vertreter dieser Staaten (vor allem die breites öffentliches Interesse wird erwartet. ist damit weiterhin nicht verbunden. Im baltischen Staaten). Am 12. Mai 2010 Der Druck auf die politischen Entschei- Gegenteil, der NATO-Russland-Rat muss übergab die Expertengruppe ihren Bericht dungsträger, zu konsensfähigen Ergebnissen dazu dienen, gemeinsame Probleme und zum Neuen Strategischen Konzept an den zu gelangen steigt stetig. Deshalb ist auch auch strittige Fragen zu thematisieren und NATO-Generalsekretär. Der Bericht wurde im Vorfeld des Gipfels am 14. Oktober die Plattform für Dialog und Kooperation am 17. Mai 2010 dem Nordatlantikrat ein gemeinsames Außen- und Verteidi- bilden. Russland bleibt für die NATO ein vorgestellt. Die Expertengruppe löste sich gungsministertreffen in Brüssel geplant. schwieriger Partner. Die positiven Zeichen mit Übergabe des Berichts auf. Insgesamt Einschneidende Ergebnisse zur Neuaus- der Annäherung und Zusammenarbeit auf bietet der Bericht eine fundierte Analyse richtung der Allianz stehen also unmittelbar der einen Seite und das immer wieder- des strategischen Umfelds und kommender bevor. Die Breite der Reformpalette, aber kehrende Zurückfallen in alte Positionen Herausforderungen für die NATO sowie auch die geringen Zeitlinien läuten den auf der anderen Seite zeigt die Ambiva- stringent abgeleitete Empfehlungen, die Weg zur Transformation der NATO ein. lenz des Verhaltens, mit der sich Russland dabei eher konventioneller Art sind, über- Um handlungsfähig zu bleiben und als gegenüber der NATO zu positionieren ver- raschende Wendungen bleiben aus. Die wichtigstes Militärbündnis der Welt poli- sucht. Dennoch herrscht Einigkeit inner- NATO-Partnerschaftspolitik nimmt breiten tisch handeln zu können wird auch zu- halb der Allianz darüber, dass es im Kern Raum ein, insbesondere die Entwicklung künftig eine ständiger Abgleich äußerer und auch in Zukunft um den Auf- und Aus- des Verhältnisses zu Russland. Vorschläge innerer Rahmenbedingungen sowie deren bau einer transparenten, gleichberechtig- zu Reformen sehen u.a. eine Einschrän- erforderliche Anpassung vonnöten sein. ten Partnerschaft unter Einbindung in kung des Konsensprinzips, eine exekutive die euro-atlantischen Sicherheitsstrukturen Stärkung der Stellung des Generalsekretärs, geht. sowie die Empfehlung „Missile Defence“ Der Autor ist seit 2009 Referent im als NATO-Aufgabe zu sehen, vor. Darüber BMVg. FüS III 3. Er war ZugFhr, S-2 Offz Neues Strategisches Konzept hinaus werden die Grundprinzipien der und Kompaniechef im PzLBtl 93, danach In der oben bereits erwähnten „Declaration NATO-Nuklearpolitik bestätigt und be- Adjutant beim Kommandeur 14. PzGren- on Alliance Security“ wurde der NATO- tont, Entscheidungen zur zukünftigen Div. Im Anschluss daran Absolvent des Generalsekretär beauftragt, eine Gruppe von Nuklearpolitik nur gemeinsam mit allen 46. (nat) Generalstabslehrgangs und daran Experten einzuberufen, die einen Vorschlag Bündnispartnern im Konsens zu treffen. anschließend Dezernent im HA und Teil- als Grundlage für ein Neues Strategisches Zusammenfassend stellt der Bericht damit nehmer an der NL-Genstausbildung in Konzept erarbeiten sollte. Generalsekretär einen wichtigen Beitrag zur Beförderung Den Haag. D S B N 13
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