Die NATO - Bestandsaufnahme und Zukunftsperspektiven

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Nato

                                                         Die NATO –
                                                       Bestandsaufnahme
                                                    und Zukunftsperspektiven
                                                                      Ein Militärbündnis im Reformzwang

                                              breiten und grundsätzlichen Widerstand            Schließen von Fähigkeitslücken sowie zu
                                              der NATO-Mitgliedstaaten und wurden               mehr Multinationalität und Interoperabi-
                                              schnell fallengelassen. Grundsätzlich ist         lität weiter zu forcieren.
                                              festzustellen, dass Handlungsbedarf besteht.
    von OTL i.G Michael Angerer               Deutschland will sich dabei aktiv gestaltend      Neue NATO-Kommandostruktur
                                              positionieren und ordnend wirken. Gutes

A
         m Beginn des 2. Jahrzehnts dieses    soll dabei aber nur Besserem weichen. Als         Mit der 2006 durch die NATO-Verteidi-
         Jahrhunderts steht die NATO er-      problematisch wird das Aufweichen oder gar        gungsminister verabschiedeten „Ministerial
         neut vor großen Herausforderun-      die Aufgabe des Konsensprinzips gesehen.          Guidance“ wurde eine neue Zielvorgabe,
gen. Bereits mit der Verabschiedung der       Es ist zwar ein Verfahren, das Kraft und Zeit     der sog. „Level of Ambition“ entschieden.
„Declaration on Alliance Security“ im         kostet, aber zugleich auch ein starkes, weil      Während die bisherige Zielvorgabe drei
Rahmen des Jubiläumsgipfels am 3./4.          es ein Einigkeit symbolisierendes Zeichen         „Große Operationen“ über einen längeren
April 2009 in Straßburg/Kehl und dem          nach (innen und ) außen setzt. Darüber            Zeitraum vorsah, ging man zukünftig
darin enthaltenen Auftrag zur Erarbei-        hinaus stehen bereits heute Instrumente zur       von zwei „Großen“ und sechs „Kleineren
tung eines Neuen Strategischen Konzepts       Verfügung, um auf nachgeordneten Ebenen           Operationen“ aus (Dauer der Operationen
an den General-sekretär sowie dessen          nicht unbedingt einen Konsens herbeiführen        zwei Jahre, Hälfte der Operationen in
Wechsel Anfang August letzten Jahres          zu müssen (Chairman’s Memorandum), die            hoher Intensität, unbefriedetem Umfeld mit
auf den ehemaligen Dänischen Minister-        in der Vergangenheit allerdings nur selten        minimaler Infrastruktur und geringstem
präsidenten Anders Fogh Rasmussen             genutzt wurden.                                   Host Nation Support). Darauf aufbauend
wurde deutlich, dass eine langfristige und                                                      wurde entschieden, die NATO-Kommando-
perspektivische Neuausrichtung der NATO              Erneuerung des                             struktur anzupassen (siehe Bild 1).
bevorsteht. Stetig ansteigende Kosten für       NATO-Verteidigungsplanungs-
Einsätze (hier v.a. ISAF) sowie die Folgen                                                      Nach erfolgter politischer Weisung im Juli
                                                        prozesses
der Finanz- und Wirtschaftskrise führten zu                                                     2007 wurde die Neustrukturierung geplant.
einer Finanzierungslücke von mehr als 700     Bei ihrem Treffen in Vilnius im Februar            Die neue Kommandostruktur sollte kleiner
Millionen Euro und zwangen dazu, über         2008 hatten sich die Verteidigungsminister        und weniger personalintensiv (-16%),
eine Reform des Finanzierungssystems und      grundsätzlich auf eine Überprüfung der            verlegbarer, in Teilbereichen durch einen
in Folge auch über entsprechende Einspar-     Verteidigungsplanungsverfahren geeinigt.          größeren Beitrag an qualifiziertem Perso-
maßnahmen nachzudenken. Konsequent            Nach umfangreicher Ausarbeitung wurde             nal professioneller (mehr Zivilpersonal, vor
folgte daraus während des Verteidigungs-      ein neues Prozessmodell schließlich im            allem in statischen Strukturen der NCSA
ministertreffens in Istanbul im Februar        Vorfeld des Jubiläumsgipfels 2009 verab-          (NATO Communication and Information
dieses Jahres der Auftrag an den General-     schiedet. Ziel dieses neuen Ansatzes ist es vor   Systems Services Agency)) und insgesamt
sekretär, Vorschläge für weitreichende        allem, zunehmend schwerfällige Strukturen         einsatzfähiger sein. Dazu kam die Beteili-
Reformen zu unterbreiten. Das Gefühl,         innerhalb eines griffigeren Prozesses zu ver-       gung neuer Mitgliedsstaaten, hier v.a. die
dass „sich etwas ändern muss“ griff also       schlanken und durch hohe Transparenz und          Rückkehr Frankreichs in die militärischen
zunehmend um sich und Rufe nach Refor-        Orientierung an einem fähigkeitsbasierten         Strukturen. Diese Forderungen brachten
men wurden immer lauter.                      Ansatz die tatsächliche Umsetzung von             damit in Folge aber auch eine deutliche
                                              militärischen Forderungen in wirksame             Kostensteigerung mit sich. Im Mai 2009
         Bereits eingeleitete                 Streitkräfteplanung zu verbessern. Darüber        haben die NATO-Generalstabschefs die
         Reformmaßnahmen                      hinaus galt es, die aufwändige und bei einem      Verteilung der sog. „Flag-Dienstposten“
                                              „Single Set-of-Forces“ fehleranfällige Um-        siehe Bild 2) zwischen den Nationen fest-
Reform des NATO-Hauptquartiers                setzung in nationale Streitkräfteplanungen        gelegt, die „Manning“-Konferenzen fanden
Die Reform des NATO-Hauptquartiers zielt      durch eine Harmonisierung mit dem                 ihren Abschluss Ende 2009. Deutschland
vor allem auf eine Verbesserung der festge-   EU-Streitkräfteplanungsprozess leistungs-         hat qualitativ und quantitativ mit insge-
stellten ineffizienten Arbeitsweise innerhalb   fähiger zu gestalten. Aufgrund der                samt rund 1600 Dienstposten eine unserer
des Hauptquartiers, die u.a. begründet ist    Komplexität der Thematik sind allerdings          Stellung im Bündnis angemessene Reprä-
durch unflexible Stabsstrukturen und -pro-     noch Anpassungen des o.a. Planungs-               sentanz erzielt. Vor allem 20 Generals-/
zesse. Überlegungen zur Fusionierung des      instrumentariums vorzunehmen. Es besteht          Admiralsdienstposten (14 davon rotierend
Internationalen Militärstabes (IMS) mit       aber Einvernehmen im Kreis der Mit-               mit anderen Nationen) und über 50
dem Internationalen Stab (IS) stießen auf     gliedstaaten, die Bemühungen zum                  Oberste/Kapitäne z.S. sichern auch in

D   S          B      N                                                                                                                   9
Blickrichtung Zukunft

                                                                  Bild 1

Zukunft deutschen Einfluss in den ein-           des Generalsekretärs unterscheiden sich in   Force“ (IRF) mit Landstreitkräften in Bri-
zelnen Hauptquartieren der neuen                der unterschiedlich starken Kürzung des      gadestärke, Luftstreitkräften bestehend aus
Kommandostruktur. Die ursprüngliche             Personalumfangs der NATO-Kommando-           Kampf- und Kampfunterstützungskräften
Planung zur Implementierung wurde               struktur von aktuell 13.000 auf entweder     sowie Seestreitkräften mit Marineeinheiten
zuletzt auf den 1. August 2010 festge-          7.500 bzw. 9.500 militärische Dienst-        u.a. aus den Ständigen NATO-Verbänden.
legt. Ziel ist es, nach drei Jahren die Final   posten. Bis zum nächsten Verteidigungs-      Der Umfang dieser schnell verfügbaren
Operational Capability (FOC) und damit          ministertreffen am 14. Oktober soll nun       Kräfte soll ca. 13.000 Soldaten betragen.
einen Befüllungsstand von 95% zu er-            ein erneuter Entwurf erarbeitet werden.      (3) „Response Force Pool“ (RFP) mit ei-
reichen. Die neue NATO-Kommando-                Dieser soll einen Personalumfang von 8.000   nem Anteil von gemeinsam beübten und
struktur ist grundsätzlich ein Schritt in die   bis 8.500 haben und Grundlage für den        zertifizierten „designated“ Kräften in 2-30
richtige Richtung, wird sich allerdings         Strukturvorschlag beim Gipfel in Lissabon    Tage Bereitschaft, sowie einem Anteil
nur als „Übergangsstruktur“ erweisen.           werden.                                      nicht zertifizierter „earmarked“ Kräfte in
Ursachen hierfür sind v.a. die vor dem                                                       10-60 Tage Bereitschaft, von denen letztere
Hintergrund der aktuellen Finanzkrise              Weiterentwicklung der NATO                auch mehrfach assigniert sein dürfen. Ziel
nicht zu bezahlenden Strukturen.                      Response Force (NRF)                   dieser Reform ist eine Verbesserung der
Darüber hinaus ist eine erneute                                                              bisher mangelhaften Kräftegestellung.
Anpassung des „Level of Ambition“ als           In Folge entsprechender Entscheidungen       Flankierend zur Neuausrichtung der NRF
Konsequenz eines Neuen Strategischen            des Verteidigungsministertreffens vom         sind u.a. die Entwicklung freiwilliger
Konzepts zu erwarten. In der Folge muss         Juni 2009 wird derzeit die „Revised          nationaler Zielgrößen zur Beteiligung an
dann ebenfalls eine Anpassung der bis zu        NRF“ implementiert. Sie besteht aus drei     der NRF (Deutschland hat sich 2009 ver-
diesem Zeitpunkt nicht vollständig imple-       Elementen (siehe Bild 3): (1) Führung        pflichtet, im Sechs-Jahres-Durchschnitt 12%
mentierten Kommandostruktur erfolgen.           aus einem NATO-Hauptquartier (Joint          der Kräfte der ca. 13.000 Soldaten star-
Erste Überlegungen dazu wurden bereits          Force Command Brunssum oder Neapel           ken IRF zu stellen) oder die Verlängerung
während des formellen NATO-Verteidi-            bzw. Joint Command Lissabon) mit sog.        der Standby-Phase von 6 auf 12 Monate
gungsministertreffen in Brüssel am 10. und       „Deployable Joint Staff Elements“ (DJSE)      erfolgt. Nach ersten Einschätzungen sind
11. Juni dieses Jahres durch den General-       als Führungselemente im Einsatz. (2)         bereits positive Tendenzen bzgl. der Kräfte-
sekretär vorgestellt. Die beiden Vorschläge     Schnell verlegbare „Immediate Response       generierung zu verzeichnen.

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Nato

        Aktuelle Entwicklungen

Erweiterungspolitik:
Die NATO steht unverändert zu ihrer
„open-door-policy“. Staaten können eine
NATO-Mitgliedschaft auf Grundlage des
Artikels 10 des NATO-Vertrages und in
Erfüllung der leistungsbasierten Beitritts-
kriterien der NATO-Erweiterungsstudie
von 19951 anstreben und erreichen. Mit
der Aufnahme von Albanien und Kroatien
während des Jubiläumsgipfels in Straß-
burg/Kehl im April 2009 ist die Erweite-
rungsagenda für die absehbare Zukunft
abgearbeitet. Eine Einladung Mazedoniens
zu Beitrittsverhandlungen scheitert
unverändert am ungelösten Namens-
streit zwischen Mazedonien und
Griechenland. Sie ist aber jederzeit
möglich, sollte die Namensfrage einver-
nehmlich gelöst sein. Die Aufnahme von
Montenegro am 4. Dezember 2009 im
Rahmen des NATO-Außenministertreffens
in Brüssel in den sog. „Membership
Actionplan“ (MAP) in Vorbereitung auf
eine künftige NATO-Mitgliedschaft sowie                                                    Bild 2
eine konditionierte Vergabe des MAP am
22. April dieses Jahres beim NATO-Außen-
ministertreffen in Tallinn an Bosnien
Herzegowina2 folgen dem Rational, dass
eine langfristige Stabilisierung des West-
balkans nur durch die euro-atlantische
Integration aller Balkan-Staaten zu erreichen
ist. Eine Vergabe des MAP-Status ist aber
weder an Zeitlinien, noch an eine auto-
matisierte Mitgliedschaft im Bündnis
geknüpft. Im Gegensatz hierzu wurde Ge-
orgien und der Ukraine auf dem NATO-
Gipfel in Bukarest im April 2008 die
künftige NATO-Mitgliedschaft ohne
Nennung von Zeitlinien in Aussicht ge-
stellt. Für die Ukraine fiel ein wesentliches
Kennzeichen ihrer Außen- und Sicherheits-
politik, das bisher formulierte Ziel einer
NATO-Mitgliedschaft, nach Neuordnung
der politischen Machtverhältnisse weg.
Die jüngst vollzogene, engere Bindung an
Russland unterstreicht dies deutlich.
Georgien wird weiterhin mit der Lösung
der Frage der besetzten Gebiete Süd-
ossetien und Abchasien gebunden sein.
Trotz signifikanter georgischer Beteiligung                                                 Bild 3
an NATO-Operationen (zweitgrößter
                                                Nicht-NATO-Truppensteller ISAF) und             NATO-Haushalt
1          Insbesondere Bekenntnis zu den       weiterem Ausbau der militärischen Koope-        Grundsätzlich besteht Konsens zwischen
Prinzipien der Charta der VN, Demokratie        ration mit der NATO erscheint eine Ver-         den Mitgliedstaaten der NATO, die
und Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit         gabe des MAP mit dem Ziel künftiger             notwendigen finanziellen Mittel bereit-
und friedliche Konfliktbeilegung.                Mitgliedschaft in der aktuellen Konstella-      zustellen, um jetzt und in Zukunft die
2           Umsetzung der Entscheidung          tion mit RUS nicht realisierbar. Bewegung       Aufgaben der Allianz sowohl in der Trans-
abhängig von der abschließenden eigen-          in der Erweiterungspolitik ist zeitnah ledig-   formation als auch in den Operationen
tumsrechtlichen Klärung des immobilen           lich noch im Bereich der Balkanländer zu        erfüllen zu können. Dennoch sind die
bosnischen Verteidigungsvermögens.              erwarten.                                       Nationen nicht mehr bereit, die erkannten

D   S          B       N                                                                                                              11
Blickrichtung Zukunft

Erfordernisse in vollem Umfang auch             Verbündeten dafür einzusetzen, dass             der Rolle von Nuklearwaffen stößt bei
finanziell zu hinterlegen. Derzeit ist man in    die in Deutschland verbliebenen Atom-           Frankreich auf Ablehnung. Frankreich hält
der NATO darum bemüht, durch (Neu-)             waffen abgezogen werden. Ebenso hat der          an der Unabhängigkeit seines Dispositivs
Priorisierung wieder eine Ausgewogenheit        Bundestag fraktionsübergreifend die             fest und sieht keinerlei Veranlassung, sich auf
zwischen der Finanzierung des überpro-          Bundesregierung aufgefordert, sich diesem       Abrüstungsverhandlungen einzulassen. Bis-
portional gestiegenen Budgets bei Einsätzen     Ziel zu widmen.                                 her sieht Frankreich keine Notwendigkeit,
und den generell erforderlichen Fähigkeiten     Auch in der NATO wurde die Nuklear-             von der Formulierung des Strategischen
herzustellen. Das Senior Resource Board         debatte unwiderruflich in Gang gesetzt           Konzepts von 1999 abzuweichen, in dem
und der Militärausschuss haben Vorschläge       und wird priorisiert behandelt. Es bleibt ab-   die Nuklearwaffen zur Sicherung der vitalen
zu umfangreichen Einsparmöglichkeiten           zuwarten, ob das für Deutschland formu-         Interessen Frankreichs erforderlich sind. Die
unterbreitet. Dazu gehört neben der             lierte Ziel des Abzugs der Nuklearwaffen         weitere Diskussion um die Nuklearstrate-
Streichung / verzögerter Implementie-           von deutschem Boden vor dem Hintergrund         gie des Bündnisses wird somit sowohl vom
rung einer Vielzahl NATO-gemeinsam              unterschiedlicher nationaler Interessen und     weiteren Fortgang der Planungen der USA
finanzierter Projekte auch die Option der        gleichzeitigem Konsensprinzip im Bündnis        beeinflusst, als auch durch die europäische
Verlagerung einzelner Projekte in die Zu-       erreicht wird. Fest steht, dass die nukleare    Debatte geprägt werden, in welcher sich
ständigkeit der Mitgliedstaaten sowie eine      Abschreckung vor dem Hintergrund eines          liberale Positionen wie die der Deutschen,
neue Priorisierungssystematik.                  veränderten Sicherheitsumfeldes neu be-         Niederländer und Belgier mit denen der
Generalsekretär Rasmussen hatte zusätzlich      wertet werden muss. Insbesondere im             Nuklearstaaten Frankreich und Groß-
eine unterstützende Expertengruppe (Senior      Rahmen der Ausgestaltung des Neuen              britannien vereinigen müssen.
Officials Group) auf dem Verteidigungsmi-         Strategischen Konzeptes der NATO gilt es,
nister-Treffen in Bratislava 2009 eingesetzt,    die strategische Dimension der nuklearen             Flugkörperabwehr - Missile
um mit Hilfe unmittelbarer Hauptstadtver-       Abschreckung der NATO zu definieren.                          Defence
treter über die Empfehlungen des Militär-       Fünf beim NATO-Außenministertreffen
ausschusses und des Senior Ressource Board      in Tallinn durch die US-Außenministerin         Ballistische Raketen stellen weltweit in
hinaus Empfehlungen zu prüfen / zu erar-        eingebrachten und breit akzeptierten            Verbindung mit Massenvernichtungs-
beiten. Für Deutschland nahm der Stabs-         Prinzipien legen einen Grundstein für die       waffen eine stetig wachsende Bedrohung
abteilungsleiter III im Führungsstab der        weitere Debatte:                                dar. Dabei sind Iran und Nordkorea zur
Streitkräfte und ein Vertreter der Abteilung    (1) Die NATO wird eine nukleare Allianz         Zeit als wohl größtes Risiko anzusehen.
Haushalt an den Treffen teil. Das Mandat         bleiben, solange Nuklearwaffen existieren,       Aber auch die Gefahren von Proliferation
der Senior Officials Group beschränkte sich       (2) Risiko- und Lastenteilung werden            und Terrorismus dürfen nicht vernachlässigt
auf die Unterstützung bei der Lösungs-          weiterhin die Basis des Bündnisses bleiben,     werden. Die USA begegnen der aktuellen
findung im Bereich der Gemeinschafts-            (3) Reduzierung von Rolle                       Bedrohung mit einem angepassten 4-stufi-
finanzierung, die Untersuchung von Wegen,        und Anzahl der Nuklearwaffen,                    gen Ansatz (Phased Adaptive Approach)
wie eine Priorisierungsmethodik die Zieler-     (4) Breiteres Verständnis von regionaler        für ein Missile-Defence-System, welches
reichung der Allianz verbessern kann sowie      Abschreckung (einschl. Raketenabwehr)           das amerikanische Territorium, die eigenen
die Überprüfung der Finanzobergrenzen           und                                             weltweit operierenden Streitkräfte sowie be-
der Einzelbudgets zum Erreichen der             (5) Einbeziehung der russischen „substrate-     freundete Staaten und Partner schützen soll.
Prioritäten und Ziele der Allianz. Darüber      gischen“ Nuklearwaffen in mögliche weitere       In der Folge wurden die NATO-Partner
hinaus wurde auf französischen Vorschlag        Abrüstungsschritte.                             durch die USA eingeladen, sich am Phased
eine „Financial Experts Group“ einberufen.      Die USA als die wesentliche Gestaltungs-        Adaptive Approach zu beteiligen und ein
Ziel ist es, zunächst eine Analyse der bis-     macht der Nuklearstrategie des Bündnisses       gemeinsames NATO-Missile-Defence-
herigen Finanzierungsmechanismen vor-           haben als ihr zentrales Interesse eine ge-      System aufzubauen. Dieses soll in einer
zunehmen. In einem zweiten Schritt              schlossene und ohne Vorbehalt von allen         NATO Kommandostruktur umfangreiche
sollen dann Vorschläge für eine Reform          Nationen getragene, einheitliche nuklear-       amerikanische Systeme und die jeweiligen
der Haushaltssystematik erarbeitet und im       politische Linie innerhalb des Bündnisses       nationalen Beiträge der anderen Mitglieds-
Rahmen des Gipfeltreffens in Lissabon im         ergebnisoffen formuliert. Das Ziel ist, allen    staaten zusammenfassen. Russland soll
November dieses Jahres vorgestellt werden.      Alliierten, unabhängig von der nationalen       durch vertrauensbildende Maßnahmen
                                                Bedrohungsperzeption, die unveränderte          eingebunden werden. Deutschland begrüßt
Nuklearpolitik der Allianz                      Gültigkeit der nuklearen Schutzgarantie         das US-Angebot einer Einbindung der
Am 5. April 2009 wurde durch eine Rede          unter veränderten Rahmenbedingungen zu          US-Systemelemente in ein NATO-Missile-
des amerikanischen Präsidenten Barack           vermitteln. Großbritannien war und ist be-      Defence-System. Ein Aufbau im NATO-
Obama in Prag, in der er seine Vision           reit, über sein Nukleardispositiv im Bünd-      Rahmen hätte den Vorteil eines um-
einer atomwaffenfreien Welt skizzierte, die      nis breit zu konsultieren und auch in einen     fassenden Schutzes von Europa, würde die
weltweite Debatte über nukleare Abrüstung       NATO-Abschreckungskontext zu stellen.           transatlantischen Beziehungen stärken,
wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit      Die Unterstützung des US-Ansatzes dürfte        Mitspracherecht bei einem Einsatz der
gerückt. In Deutschland wurde im Koali-         dadurch gesichert sein. Wie sich die neue       Systeme gewähren sowie eine bessere
tionsvertrag von CDU/CSU und FDP                Britische Regierung exakt positioniert,         Einbeziehung Russlands ermöglichen.
vereinbart, sich im Zuge der Ausarbeitung des   bleibt abzuwarten. Als wenig flexibel erweist    Für Deutschland ist es wichtig, nicht nur
Neuen Strategischen Konzepts im Bündnis         sich die französische Rolle. Die Diskussion     im Bündnis zu einer politischen Lösung
sowie gegenüber den amerikanischen              im Bündnis mit Blick auf die Reduzierung        beizutragen, sondern sich auch an einem

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Nato

möglichen NATO-System mit einem               Rasmussen hatte hierzu am 3. August 2009        der strategischen Diskussion dar, der wert-
unserem Gewicht im Bündnis entspre-           eine Gruppe von 12 qualifizierten Experten       volle Impulse für das Neue Strategische
chenden Beitrag zu beteiligen. Eine Ent-      unter Leitung von Dr. Madeleine Albright        Konzept liefert.
scheidung könnte beim anstehenden             (USA) bestimmt. Deutschland war mit             In der nun folgenden, dritten Phase, der
NATO-Gipfel in Lissabon im November           Botschafter a.D. Dr. Hans-Friedrich von         Verhandlungsphase entwickelt der General-
2010 fallen.                                  Ploetz vertreten. Absicht des Generals-         sekretär in Zusammenarbeit mit den
                                              ekretärs war und ist es, den Prozess zur        NATO-Botschaftern das Neue Strategische
Verhältnis NATO – Russland                    Erarbeitung des Neuen Strategischen Kon-        Konzept, welches dann im Rahmen des
Der Konflikt zwischen Russland und             zepts unter aktiver Einbindung sowohl al-       NATO-Gipfeltreffens am 19. November
Georgien im August 2008 und die in            ler Alliierter, als auch von Partnern, trans-   in Lissabon, Portugal verabschiedet
Folge getroffene Entscheidung der NATO-        parent zu gestalten und dabei auch die          werden soll. Inwieweit die Empfehlungen
Außenminister, die Zusammenarbeit im          Öffentlichkeit zu suchen. Der gesamte            des Expertenberichts tatsächlich in das
NATO-Russland-Rat auszusetzen, führte im      Prozess verläuft in drei Phasen: (1) Reflek-     Neue Strategische Konzept Eingang finden
Verhältnis NATO – Russland zum tiefsten       tionsphase (abgeschlossen) bis März 2010        werden ist zum jetzigen Zeitpunkt noch
Stand seit Jahren. Der NATO-Russland-Rat      mit offiziellen Seminaren und zahlreichen         nicht abzusehen.
dient neben der Behandlung von Fragen         informellen Veranstaltungen bei Alliierten
zur militärischen Zusammenarbeit vor          und Partnern. (2) Konsultationsphase                   Herausforderungen für
allem als Forum für politischen Dialog.       (ebenfalls abgeschlossen), einschließlich                  die Zukunft
Nach der Entscheidung der Außenminister       Expertenreisen in die Hauptstädte der
zur vollständigen Wiederaufnahme der          Mitgliedstaaten. In dieser Phase unter-         Momentan sind alle Anstrengungen auf
Kooperation mit Russland am 27. Juni          stützten Bundeskanzleramt, Auswärtiges          den anstehenden NATO-Gipfel in Lissabon
2009 auf Korfu bemühen sich nun beide         Amt und das Bundesministerium der Ver-          am 19./20. November dieses Jahres aus-
Seiten darum, diese mit Leben zu füllen.      teidigung Botschafter von Ploetz auf            gerichtet. Im Zentrum wird dabei die
Es ist gemeinsames Verständnis, dass der      Arbeitsebene mit einer gemeinsamen infor-       Verabschiedung des Neuen Strategischen
NATO-Russland-Rat wieder an Substanz          mellen Arbeitsgruppe unter Federführung         Konzepts stehen, einhergehend mit mehreren
und Bedeutung gewinnen und als Dialog-        des Auswärtige Amtes. Um Alliierte ohne         weitreichenden Entscheidungen, u.a. zur
forum gerade der Förderung des gegen-         Expertenbeteiligung am Prozess zu be-           Nuklearpolitik, zu Missile Defence, zur
seitigen Verständnisses und dem Abbau von     teiligen und die deutsche Verantwortung         Reform der NATO-Haushaltssystematik,
Kommunikationsmängeln dienen soll. Eine       zur „Mitnahme“ kleinerer Alliierter zu          aber auch hinsichtlich erster Bewertungen
NATO-seitige Akzeptanz des russischen         unterstreichen, konsultierte Botschafter        zum Erfolg der im Frühjahr beschlossenen
Vorgehens im Kaukasus einschließlich der      von Ploetz fortlaufend auch Regierungs-         neuen Afghanistan-Strategie. Entsprechend
Anerkennung Südossetiens und Abchasiens       vertreter dieser Staaten (vor allem die         breites öffentliches Interesse wird erwartet.
ist damit weiterhin nicht verbunden. Im       baltischen Staaten). Am 12. Mai 2010            Der Druck auf die politischen Entschei-
Gegenteil, der NATO-Russland-Rat muss         übergab die Expertengruppe ihren Bericht        dungsträger, zu konsensfähigen Ergebnissen
dazu dienen, gemeinsame Probleme und          zum Neuen Strategischen Konzept an den          zu gelangen steigt stetig. Deshalb ist auch
auch strittige Fragen zu thematisieren und    NATO-Generalsekretär. Der Bericht wurde         im Vorfeld des Gipfels am 14. Oktober
die Plattform für Dialog und Kooperation      am 17. Mai 2010 dem Nordatlantikrat             ein gemeinsames Außen- und Verteidi-
bilden. Russland bleibt für die NATO ein      vorgestellt. Die Expertengruppe löste sich      gungsministertreffen in Brüssel geplant.
schwieriger Partner. Die positiven Zeichen    mit Übergabe des Berichts auf. Insgesamt        Einschneidende Ergebnisse zur Neuaus-
der Annäherung und Zusammenarbeit auf         bietet der Bericht eine fundierte Analyse       richtung der Allianz stehen also unmittelbar
der einen Seite und das immer wieder-         des strategischen Umfelds und kommender         bevor. Die Breite der Reformpalette, aber
kehrende Zurückfallen in alte Positionen      Herausforderungen für die NATO sowie            auch die geringen Zeitlinien läuten den
auf der anderen Seite zeigt die Ambiva-       stringent abgeleitete Empfehlungen, die         Weg zur Transformation der NATO ein.
lenz des Verhaltens, mit der sich Russland    dabei eher konventioneller Art sind, über-      Um handlungsfähig zu bleiben und als
gegenüber der NATO zu positionieren ver-      raschende Wendungen bleiben aus. Die            wichtigstes Militärbündnis der Welt poli-
sucht. Dennoch herrscht Einigkeit inner-      NATO-Partnerschaftspolitik nimmt breiten        tisch handeln zu können wird auch zu-
halb der Allianz darüber, dass es im Kern     Raum ein, insbesondere die Entwicklung          künftig eine ständiger Abgleich äußerer und
auch in Zukunft um den Auf- und Aus-          des Verhältnisses zu Russland. Vorschläge       innerer Rahmenbedingungen sowie deren
bau einer transparenten, gleichberechtig-     zu Reformen sehen u.a. eine Einschrän-          erforderliche Anpassung vonnöten sein.
ten Partnerschaft unter Einbindung in         kung des Konsensprinzips, eine exekutive
die euro-atlantischen Sicherheitsstrukturen   Stärkung der Stellung des Generalsekretärs,
geht.                                         sowie die Empfehlung „Missile Defence“          Der Autor ist seit 2009 Referent im
                                              als NATO-Aufgabe zu sehen, vor. Darüber         BMVg. FüS III 3. Er war ZugFhr, S-2 Offz
Neues Strategisches Konzept                   hinaus werden die Grundprinzipien der           und Kompaniechef im PzLBtl 93, danach
In der oben bereits erwähnten „Declaration    NATO-Nuklearpolitik bestätigt und be-           Adjutant beim Kommandeur 14. PzGren-
on Alliance Security“ wurde der NATO-         tont, Entscheidungen zur zukünftigen            Div. Im Anschluss daran Absolvent des
Generalsekretär beauftragt, eine Gruppe von   Nuklearpolitik nur gemeinsam mit allen          46. (nat) Generalstabslehrgangs und daran
Experten einzuberufen, die einen Vorschlag    Bündnispartnern im Konsens zu treffen.           anschließend Dezernent im HA und Teil-
als Grundlage für ein Neues Strategisches     Zusammenfassend stellt der Bericht damit        nehmer an der NL-Genstausbildung in
Konzept erarbeiten sollte. Generalsekretär    einen wichtigen Beitrag zur Beförderung         Den Haag.

D   S          B      N                                                                                                               13
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