Der Stellenwert des Profi-, Amateur- und Jugendfußballs

Die Seite wird erstellt Reinhold Sommer
 
WEITER LESEN
Der Stellenwert des Profi-, Amateur- und Jugendfußballs

Spiel und Sport hat es in allen Gesellschaftsformationen gegeben. Leibesübungen, Kör-
perertüchtigung und Körperkultur waren und sind Grundvoraussetzungen menschlichen
Zusammenlebens und menschlichen Daseins, die darauf gerichtet waren, spielerisch die
Menschen auf das Leben bzw. Überlebenskampf vorzubereiten, später den Menschen
nach getaner Arbeit zu zerstreuen bis schließlich den Sport selbst von der schönsten Ne-
bensache der Welt zur wichtigsten Hauptsache zu erheben in einer satten Freizeit- und
Unterhaltungsgesellschaft, die sich mehr und mehr vom harten Alltagsleben und Überle-
benskampf der Menschen entrückt. Spiel und Sport in diesem Stadium wird mehr und
mehr zum Prestigekampf, nicht mehr zwischen Nationen oder Systemen, sondern von
Mäzenen und Sponsoren, die Ihre Produkte an den Mann bzw. die Frau bringen möchten
und sich dabei den ungeheuren Möglichkeiten der Vermarktung über den Sport bedienen.

Sport ist somit ein Bestandteil unseres kulturellen Lebens, der im Rahmen der gegebe-
nen, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stattfindet und entsprechend betrieben wird.
Die weit verbreitete Meinung, dass Sport nichts mit Politik zu tun hätte, wird häufig gerade
von denen verbreitet, die an den Machthebeln der Gesellschaft sitzen und den Sport
selbst als ihr Machtinstrument benutzen, um die Menschen im Rahmen bestehender Ver-
hältnisse zu führen.

Der Fußball hat in unserer Gesellschaft gegenüber allen anderen Sportarten eine gewisse
Vormachtstellung erlangt. Ich trenne hierbei nicht Profi- Amateur- oder Jugendfußball und
nenne auch nicht die Vielzahl einzelner Faktoren, denen wir diesen Umstand verdanken.
Dafür gibt es auch einschneidende, historische Gründe. Schon 1930 war der DFB mit
über 1 Million Mitglieder der größte Fußballverband der Welt. Doch die eigentliche Domi-
nanz gegenüber allen anderen Sportarten in Deutschland muss man sich aus folgenden
Umständen besonders erklären: Nach der so genannten "schmachvollen Niederlage" des
2.Weltkrieges wurde Deutschland 1954 Fußballweltmeister in Bern. Dieses "Wunder von
Bern", diente in der Zeit des Wiederaufbaus auch dazu, an die nationale Identität und
Schicksalsgemeinschaft zu appellieren, dass man auch nach schweren Niederlagen wie-
der in der Lage ist, etwas in der Welt darzustellen. Sepp Herberger, der am 10.Oktober
1936 deutscher Reichstrainer wurde und sicher auch etwas von der Gleichschaltung des
Deutschen Sportbetriebs (Auflösung der Arbeitersportverbände) durch das NS-Regime im
März 1933 mit bekommen haben musste, brauchte keine quälende Geschichtsaufarbei-
tung betreiben, ganz im Gegenteil die Weltmeisterschaft von 1954 machte ihn sogar noch
zu einem deutschen Volkshelden.

Helmut Rahns 2.Tor zum 3:2 im Endspiel gegen Ungarn, war das Jahrhunderttor für den
deutschen Fußball und für seine Nachkriegsgeschichte. Was zählen da noch die Fehler
der Vergangenheit? Die Helden von Bern, insbesondere der kumpelhafte Helmut Rahn,
wurden darüber vergessen. Fritz Walter konnte sich über Adidas anschließend gut ver-
markten und auch der Fußball entwickelte sich in Deutschland vom Sport zum Markenar-
tikel mit kräftiger Unterstützung der jeweiligen Innenminister und DFB-Funktionäre, die
sich seit jeher dem konservativen Lager enger verbunden fühlen. Heute zählt der DFB
über 6,3 Mio. Mitglieder mit über 1 Mio. ehrenamtlichen Helfern. Über 1 Mio. Frauen und
Mädchen spielen bei uns Fußball. Ob Profi- Amateur- oder Jugendkicker, alle gehören
diesem Dachverband an.
Ob Leistungs-Amateur- oder Breitensport, Fußball ist eine Mannschaftssportart, die Kon-
takte und Freundschaften befördert. Für die Vereine sind Solidarität und Freundschaft exi-
stenziell notwendig und in den Verbandssatzungen nach 1945 auf der Grundlage unserer
Verfassung festgeschrieben worden. Ob im Profi-, Amateur- oder Jugendfußball ist der
Anteil ausländischer Sportler gewachsen, was auch mit unserer gesellschaftlichen Ent-
wicklung seit Ende der sechziger Jahre verstärkt zu tun hat. Durch den Anschluss des
Deutschen Fußballverbandes (DDR) an den DFB 1990 in Leipzig, kamen 389000 Mitglie-
der hinzu. In den letzten Jahren stieg die Mitgliedschaft in den neuen Bundesländern auf
619 000 ganz im Gegenteil zu der rückläufigen Tendenz in anderen Sportarten (Leicht-
athletik, Turnen, Schwimmen etc.) Seit der Wende von 1989 ist die Zahl von Asylbewer-
ber- und Aussiedlerkindern im Fußballbereich enorm angestiegen. Ca.1/3 aller Kinder und
Jugendlichen im Jugendfußball sind heute ausländische und Aussiedlerkinder. Viele eh-
renamtliche Jugendleiter mühen sich redlich, diese Jugendlichen zu integrieren, zumal
gerade diese Jugendlichen häufig ernsthafter und intensiver Fußball trainieren, bewe-
gungsfreudiger und robuster als viele unserer deutscher Kinder sind, die dem kommer-
ziellen Freizeit- und Unterhaltungsangebot ausgeliefert werden bzw. Computerspielen und
anderen Freizeitangeboten immer häufiger den Vorzug geben.

Es sind die ausländischen Kinder, die häufig unsere deutschen Kinder zu höhern, sportli-
chen Leistungen anspornen und mitziehen. Gerade im sportlichen Bereich, im Jugend-
fußball sind unsere ausländischen Kinder gar nicht mehr wegzudenken, wenn es darum
gehen soll, dass sich unsere Jugend sportlich und gesundheitlich ertüchtigt und hart an
sich selbst, leistungsbetont arbeitet. In den 70er Jahren wurde der Jugendbereich zwar
auf die unteren Jahrgänge E-, F-Jugend und Minimannschaften ausgeweitet und ein ent-
sprechender Trainings- und Spielbetrieb organisiert, doch ist mit dieser Maßnahme nicht
gleichermaßen eine höhere Qualität verbunden. Eher bedeutete diese Maßnahme eines,
die Aufnahme des Breitensportes in die Vereine und Heranführung an leistungsorientier-
ten Fußball. Dieser Schritt war auf jedem Fall notwendig, um die Kinder, die früher
selbsttätig Sport und Bewegungsspiele betrieben in organisierter Form über die Vereine
daraufhin zu organisieren. Das Freizeitangebot insgesamt ist so vielfältig geworden,
Computer und Videospiele bekommen mehr und mehr den Vorzug. Das intensive Lernen
und Spielen wird von einem oberflächlichen Hineinschnuppern und Spielkonsumverhalten
abgelöst. Defizite im technischen Vermögen, Probleme in der Bewegungsmotorik, Kon-
zentrations- und Konditionsmängel, sowie Härte, Grundschnelligkeit, Ausdauer und Be-
lastbarkeit lassen zu wünschen übrig. Trotz massiver Kritik vieler Jugendleiter setzten die
DFB-Funktionäre durch, dass 10-12jährige Fußballspieler schon über die gesamte Fuß-
ballplatzfläche auf große Tore spielen müssen anstatt wie früher auf einer Spielplatzhälfte.
Kleine, schnelle Fußballtalente sind dadurch benachteiligt. Körperliche Überlegenheit be-
kommt so den Vorzug vor Spieltechnik. Statt Kombinationsspiel wird das Kick-and-Rush-
Spiel gefördert. Hoffnungsvolle Jugendtalente, die erst nach der Pubertät körperlich reifen,
werden zu spät entdeckt und gefördert.

Da nur der Sieg im Vordergrund steht, bekommen häufig bewegungsärmere und spiele-
risch schwächere Kinder den Vorzug nur deshalb, weil sie größer sind, weiter schießen
können und im Zweikampf sich gegen körperlich schwächere Spieler behaupten. Kinder
die in diesem Alter zwar körperlich schwächer sind, aber durch Spieltechnik, Schnelligkeit
und Mut kräftig dagegen halten, sind, wenn sie dann später ihren Wachstumsschuss ma-
chen, den anderen überlegen. Vielleicht ist es ja die Verliebtheit dieser Verbandsfunktio-
näre in den "alten Fritz" (König v. Preußen) der seine Leibgarde, die langen Jungs, ja
auch nach der Körpergröße bestimmte. Es ist nicht der Mangel an preußischer Disziplin
oder am Gardemaß sondern der Fleiß am intensiven Spiel, nicht die Extrovertiertheit mit
dem Matthäus-Trikot rumzulaufen, sondern die Introvertiertheit und Ballverliebtheit, die
den Kindern häufig fehlt. Wer fleißig übt, der hat Erfolg beim Spielen wie beim Lernen
Dies gilt nicht nur für die Sporterziehung sondern auch für die allgemeine Entwicklung un-
serer Jugend, die häufig zwar Geld und Spiele in den Taschen haben, aber dafür nicht
höhere sportliche Eigenleistungen erkaufen können. Ein Bayerntrikot mit der Nummer 10
und der Namenszug Matthäus allein macht nun mal noch keinen Spitzenspieler aus einem
Jugendlichen, der Chips verzehrend seinen Videospielen hinterherklickt.

Die gängige Abschiebepraxis stellt die notwendige Jugendarbeit immer wieder in Frage,
während man einerseits Jugendbetreuer immer wieder ermuntert, sich um ausländische
Mitbürger zu bemühen, wird mit der gängigen Abschiebepraxis und gesteuerten Auslän-
derfeindlichkeit immer wieder ein Klima in den Vereinen geschaffen, was gegen ein ehrli-
ches und solidarisches Vereinsleben gerichtet ist. Die Verbandsfunktionäre haben bis
heute nicht die Zeichen der Zeit erkannt, um den Jugendfußball aus dieser Misere zu füh-
ren. Ihre Losung: "Keine Macht den Drogen", die sich Anfang der 70er Jahre mehr gegen
protestierende Jugendliche richtete, die den Vietnamkrieg verabscheuten, Open-Air-
Festivals organisierten und anstatt der Volksdroge Alkohol lieber Haschisch konsumierten,
ist so ausgelutscht und unglaubwürdig wie die Diskussionen um Christoph Daum als dro-
genabhängiger Bundestrainer es gar nicht besser hätten entlarven können. Obwohl Ju-
gendleiterkonferenzen schon vor sechs Jahren forderten, dass der DFB sich gegen Aus-
länderfeindlichkeit, Fremdenhass und Gewalt mit ähnlichen Kampagnen in der Öffentlich-
keit einsetzen sollte, geschah bis zum heutigen Tag nichts Nennenswertes. Einzig und
allein der Landessportbund Niedersachsen reagierte und entwickelte in den letzten Jahren
die Kampagne "Go sports - on tour - gegen Gewalt und Drogen".

Kann denn keiner dieser Funktionäre sich vorstellen, wie es ist, wenn man jahrelang mit
einem Fußballkameraden Fußball spielt, der dann auf einmal abgeschoben werden soll ?
Kann denn keiner dieser Funktionäre sich vorstellen, wie es ist, wenn serbische Kinder
mitbekommen müssen, dass ihre Fußballidole aus ihrer Heimat in der Bundesliga keinen
Trauerflour tragen dürfen, weil ihre Städte zerbombt werden, während andererseits, der
DFB trauert, wenn es sich um unschuldige amerikanische Bürger, wie am 11. 9. handelt?
Kann denn keiner dieser Funktionäre sich vorstellen, wie sich Jugendleiter fühlen, die seit
der Wende von 89 vor der still schwelenden Ausländerfeindlichkeit warnten, Turniere ge-
gen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus unter der Gewerkschaftslosung" Mach meinen
Kumpel nicht an" durchführten und heute erkennen müssen, dass die Vorurteile und der
Hass auf moslemische Mitbürger immer verschärfter geführt werden, besonders nach den
so genannten Vergeltungsschlägen der USA?

Nun hierzu gibt es keine Erklärungen von führenden DFB-Funktionären. Es gibt keine
Kampagnen des DFB gegen Ausländerfeindlichkeit, Fremdenhass und Gewalt, um die
eigenen Jugendfußballer zusammenzuführen und im DFB zu einen. "Elf Freunde sollt ihr
sein", diesen Spruch von Sepp Herberger heute mit Leben zu füllen, bedeutet doch erst
einmal zu erkennen, dass sich der Jugendfußball des DFB in seiner sozialen und natio-
nalen Zusammensetzung grundlegend geändert hat. Trotz des Gezeters konservativer
Politiker gegen die deutsche Staatsbürgerschaft für unsere ausländischen Mitbürger, un-
ternimmt der DFB rein gar nichts. Da sind die Franzosen doch wohl weltmeisterlicher im
Umgang mit ihren algerischen Landesbrüdern. Ein Drittel der DFB-Jugend findet keine
Beachtung. Es sind unsere ausländischen Jugendlichen, die sich in den häufigsten Fällen
für keine Leistungslehrgänge empfehlen können, weil nicht nach Leistung sondern höch-
stens quotiert gesichtet wird. Maximal 4 ausländische Jugendliche werden für Auswahl-
mannschaften benannt, häufig sind es noch nicht mal die.
Wie kann es angehen, dass die Bundesliga-Vereine die ganze Welt bereisen, um auslän-
dische Jungstars einzukaufen und die jugendlichen Ausländer im DFB nicht richtig geför-
dert und gesichtet werden, weil unser Ausländerrecht so menschenverachtend ist?! Wann
endlich kümmert sich der DFB um seine eigenen ausländischen und deutschen Jugendli-
chen. Es fehlen allerorts Sportanlagen und Turnhallen, Spiel- und Sportplätze in den
Städten. Lehrstellen und Arbeitsplätze für unsere Vereinsmitglieder. Warum führen diese
Verbandsfunktionäre keine Kampagnen für die Interessen seiner Basismitglieder durch,
das wären die richtigen Mahnungen, mal in einer anderen Richtung, um das Drogenpro-
blem zu beseitigen oder das Ernährungsproblem vieler übergewichtiger Kinder endlich in
den Griff zu bekommen.

Es geht nicht um Leistung oder Spaß in der Jugendarbeit, es geht nicht um das Ausein-
anderdividieren vom Amateur- oder Profisport. Der Sport krankt insgesamt an seinen ge-
sellschaftlichen Wurzeln, weil er selbst Teil der gesellschaftlichen Entwicklung ist. Was
nützt die beste Jugendarbeit eines Vereins, wenn im Herrenbereich die Sponsoren feh-
len? So lässt sich auf den Punkt genau die Frage im Amateurfußball formulieren. Es ist
eine unbestreitbare Tatsache, dass mit dem Wedeln von Hundertmarkscheinen, die jah-
relange, ehrenamtliche Arbeit der Jugendleiter häufig zunichte gemacht wird. Natürlich
gibt es auch immer wieder gute Talente, die ihrem eigenen Verein die Treue halten, weil
Sie sich gegenüber ihren Mannschaftskameraden verpflichtet fühlen , bzw. mit ihrer Stadt
oder ihrem Arbeitsplatz verbunden sind. Finanzielle Angebote von sportlich, erfolgreichen
Vereinen reizen doch. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Menschen insgesamt mobiler
geworden sind, dass betrifft nicht nur den jeweiligen Arbeitsplatz, sondern auch die Aus-
wahl des Sportvereins. Man nimmt es nicht mehr so genau, wenn man in einem Ort lebt,
im Nachbarort arbeitet oder Fußball spielt. Im Amateurfußball geht es neben der Leistung
seit Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre verstärkter auch um gemeinsames Vergnügen
und Spaß an der Gemeinschaft. Über den Jugendfußball und Breitensport (Freizeitman n-
schaften) entwickelten sich in den Vereinen neben 2.Mannschaften auch 3., 4. und
5.Mannschaften. Außerdem haben sich die Alt-Herren- und Oldies-Mannschaften ver-
stärkt entwickelt, die die alten Tugenden des Vereinslebens fördern und weiterentwickeln
und die soziale Ausrichtung des Amateurfußballs stark mitprägen. Dabei halten sich diese
Mannschaften mit ihrer Kritik gegen den Ausverkauf des Sports durch die Vermarktung
des Profisports und einer kalten Vereinsführung nicht hinter dem Berge. Gerade dieser
Teil des Amateurfußballs richtet sich gegen das Abwerben von Jugendspielern und gegen
den Einkauf von Leistungsträgern. Diese unterschiedlichen Aspekte des Sportes immer
wieder zusammenzuführen, dazu bedarf es einer klugen Vereinsführung und ein großes
Verständnis auf allen Seiten, dass Sport sich halt nicht nur aus Leistung bzw. aus Kame-
radschaft und Spaß definiert. In den letzten 30 Jahren entwickelte sich das Abwerben von
Spielern im Amateurfußball zum reinen Krebsgeschwür. Was bei den Großen vor allem
seit Einführung der Bundesliga normales Alltagsgeschäft ist, dass wurde vor allem Anfang
der 70er Jahre von jedem kleineren Verein bis in die Kreisliga hinein nachgeäfft. Vereins-
lieder und Vereinstreue, dass ist nur noch was für die Alten, die Jungen möchten sich
vermarkten, wie ein Franz Beckenbauer: "Kraft in den Teller, Knorr auf den Tisch"! Sie
sahen keinen Sinn in Protestaktionen gegen den Vietnamkrieg und rümpften die Nase
über Ewald Lienens Aktivitäten: Fußballer gegen Berufsverbote oder Sportler für den
Frieden.

Mittlerweile meinen viele Spieler, die den Ball 3x hochhalten können, sie müssten ihren
Preis aushandeln. Keiner von diesen Akteuren stellt sich überhaupt die Frage, was er sei-
nen früheren Jugendtrainern schuldet, die ihn ehrenamtlich ausbildeten. Vereinsverbun-
denheit und Vereinsbewusstsein zu pflegen wird mehr und mehr auch ein kultureller An-
spruch in den Vereinen, der über das Spielen selbst und die Leistung hinaus organisiert
werden muss. Die Freizeit- und Unterhaltungsgesellschaft zerstört alle sportlichen Grund-
werte und Ziele Das man beim DFB zwar die fachliche Kompetenz als Trainer nur durch
Teilnahme an Lehrgängen erringen kann aber gleichzeitig bei der Berufung des National-
trainers im Fall Franz Beckenbauer und jetzt Rudi Völler eine Ausnahme macht, zeigt nur
wie unprofessionell insgesamt beim DFB gearbeitet wird. Medienspektakel, Siegertypen
sind gefragt und nicht Trainer, die die Höhen und Tiefen des Fußballsports aus eigener
Erfahrung bewerten können. Der WM-Sieg von Italien konnte die Kritik der Trainer im DFB
zwar bremsen, nur wird selbst ein Rudi Völler die offene Kritik an den DFB nicht aufhalten
können im Hinblick auf die WM 2002 bzw. 2006.

Nachdem Beckenbauer als Trainer der deutschen Nationalmannschaft 1990 in Italien
Weltmeister wurde, kündigte er auf einer Pressekonferenz voller Euphorie an, dass
Deutschland nach der Wiedervereinigung die nächsten Jahrzehnte nun gar nicht mehr zu
schlagen wäre. Sprachs und ging, um dem kleinen Berti als Nachfolger, die Hürde noch
ein bisschen höher zu stellen, die dieser zwar noch einmal mit dem Sieg bei der EM über-
springen konnte, aber letztlich daran scheiterte und trotz eingebauter Lebensstellung als
DFB-Trainer aufgab. Auch das Gespann Ribbeck/Stieleke konnte den Karren nicht aus
dem Dreck ziehen. Mit der Globalisierung ist die weltumspannende Vermarktung des
Fußballs auf das Engste verknüpft.

Die Einführung der Champion-Liga hat auch zu einer Neubewertung des Stellenwertes
von Vereinsmannschaften in den nationalen Ligen aber auch gegenüber den National-
mannschaften geführt. Franz ist als Bayernvorsitzender ganz und gar für die internationale
Vermarktung eingetreten und hat sich für diese neue Liga stark gemacht. Die Interessen
der Nationalmannschaft und Berti Vogts spielten für ihn nur eine untergeordnete Rolle.
Opponierende Spieler wie Matthäus und Effenberg passten dem Bayernvorsitzenden ins
Konzept. Die Bedenken der kleinen Vereine in der Bundesliga und ihr finanzielles und
sportliches Ausbluten wurden billigend in Kauf genommen und darüber hinaus streiten
sogar noch die betuchteren Vereine um höhere Anteile des Gesamtkuchens. Wie bei den
Römern die Gladiatorenkämpfe in den Arenen stattfanden, um den satten Bürger zu un-
terhalten, so werden heute die modernsten Fußballtempel mit VIP-Logen errichtet. Zu-
sammengekauftes Spielermaterial aus aller Welt mit wohlklingenden Namen werden ge-
halten wie Statussymbole und auch entsprechend gepflegt.

Ein Mercedes der E-Klasse stellt man ja schließlich auch in die Garage. Vom Haarsham-
poo über Bettwäsche, vom Rasierwasser bis zum Präservativ, vom Trikot bis zum Trai-
ningsanzug, ob Tasse, Schlips, Socken oder Unterhose ist alles in Vereinsfarben zu ha-
ben. Fußball braucht keine Verlierer oder Losertypen. Sieger sind angesagt und nur der
Sieg zählt. Umsatzzahlen und Einschaltquoten haben den Sport schon längst in seine
Schranken gewiesen , der Kampf um Sendezeiten zwischen Pay-TV und Free-TV, öffent-
lich-rechtlichen und privaten Sendern ist an der Tagesordnung. Die Verlegung der ran-
Sendezeit auf den Samstagabend zeigte nur wie familienfeindlich gehandelt wird, wenn
nur der Profit und die Durchsetzung des Pay-TV zum Maß der Dinge erklärt wird. Bay-
ernfunktionäre wie Ulli Hoeneß kritisierten sogar noch die Kirch-Gruppe, weil sie dem
Druck der Fernsehkonsumenten und Fußballfans nachgaben und die ran-Sendezeit wie-
der änderten. Der Selbstzweck des Profisportes auf Gewinnmaximierung ausgerichtet,
macht aus dem Sportakteur eine Marionette, die gekauft oder verkauft, angehimmelt oder
verdammt werden kann nach belieben und Tagesform. Der Profi wird nicht mehr in seiner
ganzen Persönlichkeit wahrgenommen, sondern nur noch wie eine Maschine, wie ein le-
bendiges Stück Kapital angesehen, dass gefälligst seine Leistung herunterspulen soll und
zu gewinnen hat. Es ist nicht mehr interessant wie sich der Sport selbst in Deutschland
unter der Jugend entwickelt.

Die Stars werden gekauft und vermarktet und nicht entwickelt. Dafür ist vielen Vereinen
der Aufwand zu groß. Zwar wurden die Bundesligavereine verpflichtet Nachwuchsschulen
aufzubauen, doch zwingt der kurzfristige Erfolgsdruck und die Kapitalverwertung die Ver-
eine immer wieder dazu, die hochdotierten Spieler auch einzusetzen. Die Ausländerrege-
lung und das Bosmannurteil führen zu einem freien Spiel der Kräfte, den letztlich nur die
reichsten Vereine international bestehen. Das Problem ist jedoch nicht die Ausländerre-
gelung sondern die Vermarktung insgesamt. Die Zukunft für den deutschen Jugendfußball
leitet sich nicht davon ab wieviel deutsche Jugendliche in der Bundesliga spielen, sondern
wie die Jugendlichen in Deutschland sportlich gefördert werden. Sowohl die deutschen als
auch oder gerade die ausländischen Jugendlichen im DFB haben nach den Gesetzen der
Kapitalverwertung nicht die besten Voraussetzungen. Die Jugendleiter und ehramtlichen
Jugendtrainer und Betreuer haben auch den meisten Profisportlern ihre Zeit geopfert, sie
gefördert und geformt. Namhafte Vereine haben diese Talente nur abgeworben oder in
ihren Reihen aufgenommen. Aus der Arbeit der Millionen von Ehrenamtlichen des DFB
haben sich die großen Vereine die goldene Nase verdient. Sie haben zwar Macht, Geld
und Einfluss, der Sport selbst aber wird an der Basis entwickelt. An dieser Basis wächst
wie auf allen Ebenen die Unzufriedenheit über diese kalte Sportentwicklung in unserem
Land.

Regelungen über die unbegrenzte Anzahl aus EU-Ländern, wie die begrenzte Anzahl von
Nicht-EU- Ausländern wäre mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar und würde nur
eine neue Form von Ausgrenzung, die an den kapitalverwerteten Gesetzen des Pro-
fisportes nichts ändern würde und auch nicht zur Förderung des Amateur- und Jugend-
fußballs beitragen würde. In seiner Einschätzung über den deutschen Fußball nach der
Wiedervereinigung hat sich der Franz also gründlich geirrt. Mehr noch der Deutsche Fuß-
ball verliert nicht nur sportlich sondern auch sportpolitisch an Ansehen. Die Bewerbung
um die WM 2006, Beckenbauers Kampf mit allen Mitteln für die WM in Deutschland war
mehr als fragwürdig. Es war mehr als fragwürdig, dass wiedervereinte Deutschland als
Gastgeberland politisch gegen den Bewerber Südafrika, der sich durch die Befreiung vom
Apartheidregime aus der sportpolitischen Isolierung befreien konnte, entgegenzusetzen,
zumal gerade die einst unterdrückte schwarze Bevölkerung Südafrikas den Fußballsport
im Land dominiert.

Es war mehr als fragwürdig, dass Beckenbauer, die DFB-Oberen und die FIFA im Vorfeld
auf die Gesetzgebung der so genannte Steuerreform, die Bundesregierung politisch unter
Druck setzten und die Ertragssteuerbefreiung für die WM 2006 verlangten. 25 Prozent aus
den Fernseh- und Werbeeinnahmen müssen somit nicht an den Staat abgeführt werden.
Das bedeutet ein Verzicht von ca. 400 Mio. DM. Die Kosten für die Sicherheit werden dem
allgemeinen Steuerzahler aufgedrückt. Schon jetzt sind die Kommunen verschuldet, wird
der Rotstift in der Unterhaltung von Sportanlagen angesetzt. Statt den Ausbau von Sport-
plätzen und Sportanlagen zu fördern, die Mittel in den Jugendbereich vor Ort zu stecken,
fließen die Gelder nur in dunkle Kanäle dieses Events. Wir brauchen nicht noch mehr
teuere Fußballtempel mit VIP-Logen sonder Fußball- und Bolzplätze in den Städten und
Gemeinden sowie Turnhallen.

Es war mehr als fragwürdig, dass Beckenbauer selbst den G8 Gipfel nutzte, um die Be-
werbung unseres Landes, politisch gegenüber den vom Rassismus befreiten Südafrika
durchzusetzen. Diesem DFB alter Tradition ist auch eine solche Geschmacklosigkeit nicht
zuwider, sich als reicher Verband gegen die Armen in der Welt durchzusetzen. Bleibt da
noch die Frage nach der gekauften Enthaltung des neuseeländischen Ozeanien-
Vertreters, Charles Dempsey, der mit seinem Verhalten gegen den eigenen Verband den
Zuschlag für Deutschland mit 11:12 Stimmen entschied. Die FIFA wies den südafrikani-
schen Protest zurück und unterband es darüber hinaus dem Exekutivkomitee diesen
Protest zur Abstimmung vorzulegen. Es ist mehr als fragwürdig, dass diese WM schon
jetzt als ein Turnier angesehen werden muss, das den Weltfußball in 2 Lager geteilt hat
zumal in undemokratischer Form gegen das eigene Exekutivkomitee der FIFA entschie-
den wurde. Zwar wurden Fakten geschaffen, dass Deutschland Gastgeberland ist, aber
die Herzen der Fußballfans der Welt hat diese Bewerbung nicht erreicht.

Diese WM zu einem Event zu verkaufen, die Wirtschaftsstrukturen stärkt, Arbeitsplätze
schafft, die Stadtsäcke und Staatskassen füllt wird unter diesen Voraussetzungen zu ei-
nem Flop, zumal diese Arbeitsplätze und Sportanlagen vor Ort, an der Basis, in den Ge-
meinden benötigt werden. Allein solche Argumente anzuführen zeigt auf welch ein kultu-
relles Niveau, dieses bedeutende Treffen der sportlichen Weltjugend stattfinden soll.

Sicher wir wissen nicht wohin der Sport uns alle treibt. Nur eines steht fest, die Wider-
sprüche werden nicht weniger. Will der Fußball überleben muss er sich zwangsweise mit
seiner eigenen Geschichte, mit seinen gesellschaftlichen Bedingungen und den Persön-
lichkeiten, die er hervorgebracht hat auseinandersetzen und den ehrlichen Sport von Mil-
lionen ehrenamtlicher Trainer und Jugendleiter in den Mittelpunkt stellen.

                                                              Ulrich Farin, Bramsche
        (bis 1999 Jugendleiter des FcR09 Bramsche, z. Zt. Jugendtrainer der CII-Jugend)
Sie können auch lesen