Die Philippinen und ihre Agrarreform - keine Bewegung vor dem offiziellen Ende?

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Die Philippinen und ihre
                             Agrarreform - keine Bewegung vor
                                   dem offiziellen Ende?

Dossier - FIAN-Deutschland                                      1
Impressum:

    Herausgeber:
    FIAN-Deutschland e.V.
    Düppelstraße 9 - 11
    50679 Köln
    fian@fian.de • www.fian.de

    Redaktion:
    Roman Herre, Olivier Hoffmann, Sarah Potthoff

    Fotos:
    © FIAN

    Gestaltung:
    Uschi Strauß

    Köln, August 2007

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Inhaltsverzeichnis

                  1. Vorwort ........................................................................................................................... 4

                  2. Die Philippinen - ein Land mit vielen Gesichtern ..................................................... 4

                  3. Alles Kokosnuss?........................................................................................................... 6

                  4. Die Hacienda Uy und ihre Kokosbauern und -bäuerinnen ...................................... 7

                  5. Die Umsetzung des Agrarreformprogramms CARP .................................................. 8

                  6. Der legale Kampf um Land........................................................................................... 9

                  7. Das fragliche Verhalten der deutschen EZ auf Bondoc .............................................12

                  8. Des Menschen Recht auf Nahrung und die Arbeit von FIAN ...................................13

                  9. Die Fallarbeit der Bielefelder FIAN-Gruppe ..............................................................14

                  Anmerkungen ..................................................................................................................15

Dossier - FIAN-Deutschland                                                                                                                                   3
Die Philippinen und ihre Agrarreform

        1. Vorwort                                                     Quezon, auf der Halbinsel Bondoc liegt, steht exemplarisch
                                                                       für die Verfehlungen und Unzulänglichkeiten bei der Imp-
                                                                       lementierung des staatlichen Agrarreformprogramms CARP,
        Im Jahre 1986 setzte sich der philippinische Diktator Ferdi-   welches 1988 mit dem Anspruch startete, die ländliche
        nand Marcos angesichts der Massendemonstrationen gegen         Armut durch Umverteilung landwirtschaftlich nutzbarer
        seinen autoritären Regierungsstil nach Hawaii ab. Seitdem      Flächen zu verringern.
        hat das Land einen Prozess der Demokratisierung durchge-
        macht. Doch die Schaffung demokratischer Institutionen         Seit 2005 begleitet die Bielefelder FIAN-Gruppe den Fall der
        und die formale Einführung politischer Freiheitsrechte         Hacienda Uy und unterstützt die Bäuerinnen und Bauern in
        haben die Lebensbedingungen vieler Menschen auf den Phi-       ihrem Kampf um Land, die sich auf der einen Seite staatli-
        lippinen nicht verbessert. Hunger und Armut beherrschen        cher Untätigkeit und auf der anderen Seite den ständigen
        weiterhin den Alltag vieler der 87 Millionen Filipinos und     Bedrohungen und Verletzungen geltenden Rechts durch
        Filipinas. Knapp 80 Prozent der Bevölkerung, also über 65      Großgrundbesitzer und Guerillas ausgesetzt sehen.
        Millionen Menschen, leben von weniger als zwei US-Dollar
        am Tag. 30,4 Prozent leben mit weniger als einem US-Dollar
                                             1
        pro Tag unterhalb der Armutsgrenze . Etwa 20 Prozent der
                                      2
                                                                       2. Die Philippinen - ein Land
        Bevölkerung leidet an Hunger . Die Mehrheit der Armen (70
        Prozent) lebt in ländlichen Gebieten. Ursächlich hierfür ist   mit vielen Gesichtern
        die hohe Landkonzentration auf den Philippinen, die es
        einem großen Teil der ländlichen Bevölkerung nicht ermög-
        licht, sich ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen.      Die Philippinen bestehen aus 7.107 Inseln, die sowohl
        Die Ineffizienz der demokratischen Institutionen auf dem       im Südchinesischem Meer als auch im Pazifik liegen. Der
        Land, der fehlende politische Wille sowie Korruption und       gesamte Archipel hat eine Fläche von 300.000 Quadrat-
        Vetternwirtschaft verhindern eine Landreform zu Gunsten        kilometern, auf dem etwa 85 Millionen EinwohnerInnen
        der Kleinbauern und -bäuerinnen. Das Menschenrecht sich        (2006) verteilt auf circa 800 bewohnten Inseln leben. Die
        selbst zu ernähren wird auf den Philippinen dadurch täglich    Landschaft und das Leben der Menschen sind von dem
        millionenfach gebrochen.                                       Zusammenspiel zwischen Wasser und Land geprägt. Kein
                                                                       Ort liegt weiter als 200 Kilometer vom Meer entfernt und
        Ein kurzer Überblick über die allgemeinen sozialen, wirt-      viele Menschen leben vom Fischfang. Der Archipel wird in
        schaftlichen und politischen Verhältnisse auf den Philip-      drei große Inselgruppen unterteilt: Luzon im Norden, die
        pinen leitet dieses Dossier ein, um sich anschließend mit      zentral gelegenen Visayas und Mindanao im Süden. Lange
        der Frage der Landverteilung und den Folgen für das Men-       weiße Sandstrände mit Palmen, saftig-grüne Reisterassen
        schenrecht auf Nahrung zu beschäftigen. Das Fallbeispiel       und viele Vulkane verzaubern die Landschaft und täuschen
        der Hacienda Uy, die südöstlich von Manila, in der Provinz     vielerorts über die schlechten Lebensbedingungen der Be-
                                                                       wohnerInnen hinweg.

                                                                       Der Archipel liegt in den niederen tropischen Breiten und
                                                                       ist bei einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 26°C
                                                                       keinen großen jahreszeitlichen Schwankungen ausgesetzt.
                                                                       Das Land beherbergt eine vielfältige Flora und Fauna: Tau-
                                                                       sende Tier- und Pflanzenarten und unzählige verschiedene
                                                                       Insekten finden sich auf den Philippinen.

                                                                       Städtisches Leben

                                                                       Die Hauptstadt Manila mit ihren 12 Millionen EinwohnerIn-
                                                                       nen liegt im Süden der Hauptinsel Luzon und wächst rasant.
                                                                       Heute leben schätzungsweise 62 Prozent der Filipinos und
                                                                       Filipinas in Städten, Tendenz steigend. Viele Menschen sind
                                                                       in den letzten Jahren in der Hoffnung auf Arbeit und ein
                                                                       besseres Leben vom Land in die Städte migriert. Dabei han-
                                                                       delt es sich um verarmte Kleinbauern und -bäuerinnen, Sai-
                                                                       sonarbeiterInnen und FischerInnen, die auf dem Land ihre
                                                                       Lebensgrundlagen verloren haben. Der Urbanisierungsgrad
                                                                       auf den Philippinen ist einer der höchsten in Asien.

                                                                       Manila ist geprägt durch extreme soziale und ökonomische
                                                                       Gegensätze. Auf der einen Seite Reichtum und Wohlstand
                                                                       durch einen boomenden oft international ausgerichteten
                                                                       Elektronik- und Dienstleistungsbereich, auf der anderen
                                                                       eine wachsende Zahl armer Menschen, die tagtäglich den
                                                                       Kampf ums Überleben antreten. Diese Gegensätze spiegeln
                                                                       sich auch im Stadtbild wieder: Parallel zu den schicken

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Die Philippinen und ihre Agrarreform

neuen Einkaufszentren wachsen die Slums. Nicht dass die           mussten große Mengen an Reis importiert werden, um die
Philippinen ein von Grund auf armes Land wären, das Volks-        Ernährung der Bevölkerung gewährleisten zu können. Das
einkommen ist nur extrem ungleich verteilt: Die Reichsten         bedeutet einerseits, dass die Abhängigkeit der Bevölkerung
5 Prozent der Filipinos/as besitzen ein Drittel des Volks-        vom Weltmarkt und dessen Preisen enorm steigt. Anderer-
einkommens, die Ärmsten 10 Prozent können lediglich 1,8           seits heißt dies, dass immer mehr Menschen ihre Nahrungs-
Prozent für sich verbuchen.                                       mittel einkaufen müssen - eine äußerst problematische
                                                                  Entwicklung bei der großen Zahl armer Menschen auf den
Die landwirtschaftliche Entwicklung                               Philippinen.
                                                                               4

Die Philippinen sind im Wesentlichen ein Agrarland. Mit 13        Neben den allgemeinen Problemen hat diese Politik noch
Millionen Hektar werden mehr als ein Drittel der gesamten         ganz konkrete Folgen für die Kleinbauern und -bäuerinnen.
Landesfläche landwirtschaftlich genutzt. Etwa 40 Prozent          Sie leben von der Subsistenzlandwirtschaft und dem Ver-
der Arbeitskräfte sind in der Landwirtschaft tätig und 62         kauf der Überschüsse auf den lokalen Märkten. Mit den bil-
Prozent der Landbevölkerung von ihr abhängig. Trotzdem            ligen, häufig hochsubventionierten Reis- und Maisimporten
leidet die Landwirtschaft an ihrer geringen Produktivität         können sie oft nicht konkurrieren und verlieren damit eine
und der allgemein schlechten Infrastruktur. Bemessen am           wichtige Einnahmequelle. Arbeitsplätze, die einen solchen
BIP verliert der Sektor stetig an Bedeutung. Die Regierung        Verlust auffangen und den Lebensunterhalt sicherstellen
versucht, dieser Entwicklung durch eine einseitige Förde-         könnten, gibt es kaum.
rung des Exportanbaus entgegenzuwirken. Diese Politik
ist im Kontext der engen Ausrichtung der Regierung an den         Landkonzentration als Hemmschuh
Strukturanpassungsmaßnahmen der Weltbank zu sehen. Die            der Hungerbekämpfung
Programme sehen vor, den Anbau von Exporterzeugnissen
wie Bananen, Spargel oder Nutzholz, die sich für die großen       Ein weiterer entscheidender Grund für die große Armut auf
Exporteure gewinnbringend auf dem Weltmarkt absetzen              dem Land ist die extrem ungleiche Landverteilung. 1986
                    3
lassen, zu fördern . Dem gegenüber wird die Förderung             verfügten zwei Prozent der Bevölkerung über 36 Prozent des
traditioneller Nahrungsmittel, vor allem Reis und Mais, ver-      Bodens. Die enorme Landkonzentration hat ihre Wurzeln in
nachlässigt, obwohl sie elementar für die Ernährungssitua-        der Kolonialzeit und wurde während der Marcos-Diktatur
tion der breiten Bevölkerung sind. Die Exportorientierung         weiter verschärft und verfestigt.
der Landwirtschaft hat zur Folge, dass sich die Philippinen
von einem Nettoexporteur zu einem Nettoimporteur von              Die Großgrundbesitzer haben das Land oft seit Generatio-
Lebensmitteln entwickelten. In den vergangen Jahren               nen an Kleinbauern -und bäuerinnen verpachtet und küm-

  Die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse

  Die Philippinen sind ein Präsidialsystem mit einem Zweikammer-Parlament, dem Repräsentantenhaus und dem Senat.
  Die Regierungsform beruht auf der Verfassung von 1987. Staatsoberhaupt ist seit dem 20. Januar 2001 Gloria Macapagal-
  Arroyo (2004 wiedergewählt). Die Landessprachen sind Filipino (Tagalog) und Englisch (allgemeine Verkehrssprache),
  ein wenig Spanisch und Chinesisch sowie zahlreiche weitere regionale Sprachen und Dialekte. Neben der sprachlichen
  gibt es eine große ethnische Vielfalt.

  Circa 82 Prozent der Bevölkerung sind katholische Christen, 9 Prozent evangelische Christen und 5 Prozent Muslime.
  Unter den restlichen 4 Prozent dominieren Buddhisten, Taoisten, Hinduisten und Anhänger animistischer Religionen.

  Wie viele andere Entwicklungsländer weist auch die philippinische Wirtschaft eine typische Zweiteilung auf. Auf der einen
  Seite wächst eine moderne Elektro-Industrie stetig und der Dienstleistungssektor boomt - letzterer erwirtschaftet allein
  50 Prozent des Bruttosozialprodukts. Die Philippinen bemühen sich intensiv darum, zu einer Drehscheibe im IT-Geschäft
  in Asien zu werden. Neben der Montage elektronischer Bauteile spielt die Erbringung von IT-gestützten Dienstleistungen
  (sogenannte business process outsourcing, call center) eine zunehmend wichtige Rolle. In den nächsten 5 Jahren wird mit
  einer Wachstumsrate von 25 bis 30 Prozent gerechnet.

  Auf der anderen Seite existiert ein Agrarsektor, der zwei Fünftel aller Arbeitsplätze stellt, 19 Prozent des Bruttosozialpro-
  dukts ausmacht und in weiten Teilen durch Subsistenzlandwirtschaft gekennzeichnet ist.

  Auf mittlere Sicht ist mit einem erheblichen Wachstum im Bergbau zu rechnen. Die Philippinen verfügen über große
  Lagerstätten an Gold, Kupfer und Nickel.

  Ebenfalls im Aufwind befindet sich der Tourismus. Die Zahl der ins Land kommenden Touristen stieg im Jahr 2006 auf 2,8
  Millionen. Sollte dieser Trend gehalten werden, könnten 2010 schon 5 Millionen Touristen die Philippinen bereisen.

  Staatliche Unternehmen spielen vor allem im Energie- und Transportsektor eine Rolle. Die Steuerquote, also der Anteil
  der Steuern am BIP, ist mit 14 Prozent im Vergleich zu den Nachbarländern niedrig.

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Die Philippinen und ihre Agrarreform

             mern sich um nichts weiter als das Eintreiben ihrer Pacht.
             Die PächterInnen müssen teilweise bis zu 75 Prozent ihrer
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             Ernten an den Großgrundbesitzer abgeben. Zusätzlich ha-
             ben sie für alle weiteren Kosten aufzukommen und dürfen
             meist nicht selbst entscheiden, was sie auf dem gepachte-
             ten Land anbauen. Nur wenige der PächterInnen können
             von dem, was sie von ihrer Ernte behalten dürfen, ihre
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             Familien ausreichend ernähren.

             Die sozioökonomische Armut zeigt sich neben dem unzu-
             reichenden und fremdbestimmten Zugang zu Land aber
             auch in mangelnden Bildungsmöglichkeiten und fehlender
             sozialer Absicherung gegen Krankheiten, Arbeitslosigkeit,
             Alter und Naturkatastrophen. Die Möglichkeiten politi-
             scher Einflussnahme sind besonders in den von Landlords
             dominierten Enklaven praktisch nicht gegeben. Die Klein-
             bauern und -bäuerinnen haben somit nur sehr begrenzte
             Handlungsmöglichkeiten, um ihre eigene Lebenssituation
             zu verbessern.

             3. Alles Kokosnuss?

             Ein Produkt, dass für viele Filipinas/os von großer wirt-
             schaftlicher Bedeutung ist, kennt man hier zulande nur als
             Duftstoff in Shampoos oder Duschgels - die Kokosnuss.

             Auf den Philippinen stehen rund 324 Millionen frucht-
             tragende Kokosnusspalmen. Laut der Philippine Coconut                                        Ein Bauer bei der Copraherstellung

Vom Taifun Durian zerstörte Kokospalmen                                   Authority sind 3,1 Millionen Hektar der 12 Millionen Hektar
                                                                          landwirtschaftlich genutzter Fläche Kokosnussplantagen.
                                                                          Es gibt 3,5 Millionen Kokosnussbauern und 25 Millionen
                                                                          Filipinos/as sind direkt oder indirekt von der Kokosnussin-
                                                                          dustrie abhängig. Jedes Jahr trägt die Kokosnussindustrie
                                                                          durchschnittlich 1,14 Prozent zum Bruttosozialprodukt der
                                                                          Philippinen bei. Mit 14,6 Millionen Tonnen im Jahr sind die
                                                                          Philippinen der zweitgrößte Produzent von Kokosnusspro-
                                                                          dukten weltweit nach Indonesien. Der Großteil geht in den
                                                                                  7
                                                                          Export. Die Kokospalme ist für die Filipinos und Filipinas
                                                                          aber mehr als nur ein Exportschlager, er ist der Baum des
                                                                          Lebens, nicht zuletzt wegen seiner Vielseitigkeit. Im Westen
                                                                          kennt man vor allem Kokosnussprodukte wie das aus Kop-
                                                                            8
                                                                          ra gewonnene Kokosnussöl, Kokosnussmilch, Kokosnüsse
                                                                          zum Essen oder Seife- und Waschmittelprodukte. Doch die
                                                                          Kokosnuss und ihr Baum liefern den Filipinos und Filipinas
                                                                          noch eine Fülle anderer Produkte: Aus dem Wasser der Ko-
                                                                          kosnuss wird Kokosnusswein hergestellt, die Palmblätter
                                                                          werden für die Dächer der Hütten verwendet, der Stamm der
                                                                          Kokospalme wird als Nutzholz für den Bau der Hütten und
                                                                          die Herstellung von Möbeln verwendet oder die Kokosnuss-
                                                                          schale zur Produktion von Kohle.

                                                                          Doch der Baum des Lebens ist alt geworden. Die Produkti-
                                                                          vität der überalterten Palmen nimmt ab, die Erträge sin-
                                                                          ken. Diese Tendenz wird durch die jüngsten Taifune noch
                                                                          verstärkt. Allein der Taifun Durian beschädigte Ende 2006
                                                                          ungefähr 43 Millionen Kokosnusspalmen so schwer, dass mit
                                                                          einer normalen Ernte erst wieder in zwei Jahren zu rechnen
                                                                              9
                                                                          ist. Betroffen davon sind alleine im Süden Luzons knapp
                                                                          200.000 Bauern und Bäuerinnen. Nichtsdestotrotz ist die
                                                                          Gesamtentwicklung zu einem guten Teil hausgemacht. Denn

6                                                                                                               Dossier - FIAN-Deutschland
Die Philippinen und ihre Agrarreform

Mittel für die Entwicklung der Kokosnussindustrie und die
Verjüngung der Plantagen sind vorhanden. Das bekannteste
Beispiel dafür ist der Coco Levy Fund, der 1973 vom dama-
ligen Präsidenten Marcos initiiert und heute zwischen 100
und 250 Milliarden Pesos (umgerechnet zwischen 1,5 und
4 Milliarden Euro) schwer ist. Diese Gelder wurden aber
großteils zweckentfremdet oder direkt von Günstlingen der
Marcos-Diktatur veruntreut. Bis heute wird zudem darum
gestritten, ob der Fond privat oder staatlich ist. Dies ist
nicht unerheblich für die Verwendung der Gelder. Würde
er nachträglich als privat eingestuft, müssten die Gelder
nicht zwangsläufig in die Entwicklung des Kokosnusssektors
fließen und könnten so dem ursprünglichen Sinn des Fonds
                     10
entfremdet werden. Zurzeit befassen sich die philippini-
schen Gerichte mit diesen Fragen. Die Gelder selbst bleiben
solange eingefroren.

Die Kleinbauern und -bäuerinnen leiden am meisten unter
diesem Entwicklungsstillstand. Staatliche Investitionen in
die überalterten und teilweise zerstörten Plantagen sind
dringend notwendig. Zudem könnten die Gelder aus einem
staatlichen Fond auch zur Finanzierung noch ausstehender
Reformmaßnahmen im Rahmen des CARP verwendet wer-
den.

4. Die Hacienda Uy und ihre                                                                     Eine Bäuerin der KBMP auf dem Weg zum Markt

Kokosbauern und -bäuerinnen                                   Hier gibt es einen Markt, eine Polizeistation und einen Bür-
                                                              germeister, der normalerweise aus einer finanzkräftigen
                                                              und politisch einflussreichen Großgrundbesitzer-Familie
Ungefähr zweihundert Kilometer südlich von Manila in der      stammt. In San Narciso nimmt zur Zeit Victor Reyes, der
Provinz Quezon liegt die Halbinsel Bondoc, eine der ärmsten   mächtigste Großgrundbesitzer Bondocs, die Position des
Regionen der Philippinen und ein Brennpunkt der Landkon-      Bürgermeisters ein. Alleine in San Narciso besitzt er etwa
flikte. Die meisten dortigen Gemeinden sind in niedrigsten    14.000 Hektar Land, gefolgt von der Familie Uy mit etwa
Einkommensklasse eingestuft. So auch San Narciso, wo die      3.500 Hektar.
Kokosbauern und -bäuerinnen der Hacienda Uy ihr Zuhause
haben.                                                        Die meisten der fast 40.000 BewohnerInnen der Gemeinde
                                                              San Narciso sind Bauern und Bäuerinnen, viele davon Päch-
Wie auch in den anderen Gemeinden der Halbinsel Bondoc        terInnen der Großgrundbesitzer-Familie Uy. Die Familie Uy
liegt die gleichnamige Hauptstadt von San Narciso am Meer.    fordert von ihren PächterInnen eine Ernteabgabe von 60
Wasserleitung aus Holz                                                             Prozent, obwohl dieses feudale Abga-
                                                                                   besystem (sog. sharecropping) auf den
                                                                                   Philippinen verboten ist.

                                                                                   Neben dem vorgegebenen Anbau von
                                                                                   Kokosnüssen kultivieren die meisten
                                                                                   Bauern und Bäuerinnen etwas Reis
                                                                                   oder Mais. Soweit möglich halten sie
                                                                                   Schweine, Hühner oder Wasserbüffel.
                                                                                   Besonders stolz sind einige Bauern
                                                                                   auf ihre Kampfhähne, die sie zumeist
                                                                                   liebevoll pflegen.

                                                                                   Der Großteil der Dörfer der Gemeinde
                                                                                   liegt in den Bergen und ist lediglich
                                                                                   über unwegsame Trampelpfade zu Fuß,
                                                                                   mit dem Pferd oder dem Wasserbüffel
                                                                                   zu erreichen. In der Regenzeit ver-
                                                                                   wandeln sich die Wege in den Bergen
                                                                                   in ein Schlammfeld und sind nahezu
                                                                                   unpassierbar. Die wenigsten Dörfer
                                                                                   sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln

Dossier - FIAN-Deutschland                                                                                                               7
Die Philippinen und ihre Agrarreform

              zu erreichen, kaum eines ist an das Stromnetz angeschlos-       notwendig. Der Zugang zu eigenem Land und die Bereitstel-
              sen geschweigedenn an die öffentliche Wasserversorgung.         lung entsprechender Rahmenbedingungen sind notwendige
              Die Kinder müssen häufig eine Stunde oder mehr bis zur          Grundlage zur Umsetzung und Gewährleistung des Rechts
              nächsten Schule laufen. Nach der Grundschule endet für          auf Nahrung.
              sie die Schulzeit, da ihren Familien die finanziellen Mittel
              für Schulgeld, -uniform, -materialien und Transport fehlen.
              Für eine ausreichende Gesundheitsversorgung reicht das          5. Die Umsetzung des
              Einkommen der Bauern und Bäuerinnen ebenfalls nur in
              den seltensten Fällen.                                          Agrarreformprogramms CARP
              Harte Zeiten
                                                                              In der Geschichte der Philippinen gab es mehrere Ansätze,
              Derzeit gestaltet sich die Ernährungssituation auf Bondoc       um durch Landreformen die extrem ungleiche und unge-
              Peninsula besonders schwierig. Die Supertaifune Milenyo         rechte Verteilung von Bodenbesitz zu beheben. Leider
              und Durian haben im September und Dezember 2006 einen           haben diese Ansätze keine grundlegende Veränderung der
Eine vom Taifun zerstörte Hütte                                               Situation gebracht. Oft fehlte der politische Wille des Staa-
                                                                              tes, sich gegen die Großgrundbesitzer durchzusetzen. Dies
                                                                              gilt besonders für die Halbinsel Bondoc.

                                                                              Die Grundidee des CARP

                                                                              Die aktuell laufende Agrarreform, das Comprehensive Agrari-
                                                                              an Reform Programme (CARP), ist 1998 nach dem Sturz der
                                                                              Marcos-Diktatur implementiert worden. Sie ist ein umfas-
                                                                              sender Ansatz, ländliche Armut zu bekämpfen, hatte aber
                                                                              auch zum Ziel, das große Protestpotential der verarmten
                                                                              Landbevölkerung zu entschärfen. Neben diesem staatlichen
                                                                              Ansatz kämpft die maoistische New People‘s Army (NPA),
                                                                              seit 1969 für eine radikale Agrarreform beziehungsweise
                                                                              Agrarrevolution. Unterstützung findet die NPA besonders
                                                                              bei der armen Landbevölkerung. Auch dadurch sah sich die
                                                                              Regierung gezwungen, eine Agrarreform umzusetzen.

                                                                              Das CARP selbst erfasst in einem ersten Schritt alles land-
                                                                              wirtschaftlich nutzbare Land. Jedem Pächter und jeder
              Großteil der Kokospalmen und Bananenstauden zerstört. Je        Pächterin sowie jeder/m LandarbeiterIn stehen im Zuge
              nach Stärke der Schäden wird mit Ernteausfällen von bis zu      dieses Programms drei Hektar Land und drei weitere pro
              zwei Jahren gerechnet. Dies bedeutet oft den kompletten         Erbe zu. Neben der Landumverteilung sieht das umfassen-
              Verlust der Einnahmequelle. Vielerorts sind zudem die Häu-      de (engl. comprehensive) Programm vor, die Begünstigten
              ser beschädigt oder komplett zerstört, sodass viele Familien    durch Infrastrukturmaßnahmen, Bildungsprogramme,
              zurzeit unter freiem Himmel oder in provisorischen Lagern       Kleinkredite und die Schaffung verbesserter Absatzmög-
              leben müssen. Aufgrund der hohen Ernteabgaben haben die         lichkeiten zu unterstützen.
              Familien keine Möglichkeiten, Ersparnisse für Krisenzeiten
              zurückzulegen. Zwar gibt es offizielle Hilfen vom Staat, doch   Die Kritik am Programm
              reichen diese bei weitem nicht aus, um die Familien zu er-
              nähren. In einigen Gegenden reicht es nur noch für ein bis      Trotzdem gab es vor allem aufgrund der angemessenen
              zwei Mahlzeiten am Tag.                                         Entschädigungszahlungen an die Großgrundbesitzer von
                                                                              Anfang an Kritik am CARP. Die Landreformbegünstigten
              In dieser prekären Lebenssituation suchen die Betroffenen       müssen ihr erworbenes Stück Land nach und nach in Raten
              nach neuen Möglichkeiten, um ihr Überleben zu sichern. Ei-      abzahlen. Zum einen widerspricht dies dem Grundgedanken
              nige ziehen in der Hoffnung, Arbeit zu finden, nach Manila,     der Umverteilung und zum anderen sind die so genannten
              andere gehen fischen, produzieren Trockenfisch oder stellen     Entschädigungszahlungen meist viel zu hoch angesetzt.
              Holzkohle her und verkaufen ihre Produkte auf den lokalen       Außerdem erfolgt die Landvermessung und -verteilung erst
              Märkten. Die Großgrundbesitzer versuchen oft, die Päch-         nach einer Antragstellung und nicht allein aufgrund des
              terInnen an ihren neuen Geschäften zu hindern. Sie bean-        Gesetzes. Die AntragstellerInnen wissen somit nicht, ob das
              spruchen das Meer, den Strand und oder gar die von den          beantragte Land überhaupt durch das Programm erfasst ist.
              Taifunen zerstörten Bäume als ihr Eigentum. Sie versuchen       Die Langwierigkeit der nötigen Schritte bilden eine zusätz-
              mit allen Mitteln das Abhängigkeitsverhältnis aufrechtzuer-     liche große Hürde im Reformprozess. Auch bietet das Pro-
              halten, bildet dies doch die Grundlage ihres Wohlstands und     gramm zu viele Möglichkeiten, aus dem Enteignungsprozess
              ihrer politischen Macht.                                        ausgenommen zu werden: Alles nicht ackerbaulich genutzte
                                                                              Land, das heißt Weideland, für Tourismus, Industrieanlagen
              Für bessere Lebensumstände und eine gesicherte und aus-         und Freizeiteinrichtungen ausgeschriebener Boden wie
              gewogene Ernährung ist eine Landumverteilung zwingend           auch die großen für den Weltmarkt produzierenden Frucht-

8                                                                                                                   Dossier - FIAN-Deutschland
Die Philippinen und ihre Agrarreform

plantagen sind ausgeschlossen. Dies führt beispielsweise       was häufig eine Inhaftierung zur Folge hat. Hohe Kautionen
dazu, dass einige Landlords während einer Vermessung ihr       und Verdienstausfälle treffen die Familien hart. Diese Art
Vieh von Ackerland zu Ackerland treiben, um es als Weide-      der Kriminalisierung ist ein typisches und häufig angewen-
land deklarieren zu lassen und damit aus der Landreform        detes Mittel in Enklaven, in denen die politische Macht über
ausgeschlossen zu werden.11                                    Recht und Unrecht entscheidet.

Insgesamt wird kritisiert, das CARP ähnele eher einer Im-      Fazit
mobilienagentur als einer Landreform. Der Staat nehme
lediglich eine vermittelnde Rolle zwischen ungleichen Part-    Bisher wurde im Rahmen des CARP vor allem öffentliches
nern ein und wirke nicht als eine Instanz, welche die Rechte   und freiwillig verkauftes Land verteilt. Die wenigsten
der BürgerInnen mit Staatsgewalt durchzusetzen versuche.       Großgrundbesitzer wurden von der Regierung unter Druck
Den unterschiedlichen Machtverhältnissen zwischen Groß-        gesetzt und das Instrument der Zwangsenteignung wurde
grundbesitzern und Antragstellern wird im Prozess keine        nur in den seltensten Fällen angewendet. Dies geschah
Rechnung getragen.                                             meist dann, wenn es sich um Haziendas politischer Gegner
                                                               handelte.
Ein Antrag auf Land und seine Folgen
                                                               Angaben der philippinischen Regierung zufolge sind 6 der
Die Großgrundbesitzer versuchen nicht nur, die Landreform      für das CARP vorgesehenen 10 Millionen Hektar an die Bäu-
                                                                                         12
zu umgehen, sondern richten ihren Unmut auch direkt            erInnen verteilt worden. Allerdings ist diese Aussage mit
gegen die AntragstellerInnen. In vielen Fällen werden die      Vorsicht zu genießen. Dabei handelt es sich zum größten
                                                                                    13
PächterInnen, nachdem sie einen Antrag auf Land gestellt       Teil um Staatsland , die mächtigen Großgrundbesitzer
haben, von den bewaffneten Schlägertrupps der Groß-            blieben weitgehend verschont. Hinzu kommt, dass lediglich
grundbesitzer vertrieben. Anschließend werden sie durch        60 bis 70 Prozent der Begünstigten das ihnen zugespro-
PächterInnen ersetzt, die keinen Anspruch auf eigenes Land     chene Land tatsächlich kontrollieren. Sie erhalten statt
anmelden. AntragstellerInnen oder PächterInnen, die sich       eines Landtitels ein Anteil an einer Firma beziehungsweise
gegen das illegale Abgabesystem wehren, werden von den         den Unternehmeraktien und bleiben folglich in der Ab-
Großgrundbesitzern kurzerhand des Diebstahls bezichtigt,       hängigkeit des Großgrundbesitzers, da dieser weiterhin
                                                               entscheidet, was angebaut wird. In vielen Fällen wird den
                                                               Begünstigten die notwendige und versprochene staatliche
                                                               Unterstützung verweigert. So können sie vor allem in der
  Die Landreform der New People‘s Army                         Startphase wirtschaftlich kaum überleben. Viele mussten
                                                               ihr gerade erworbenes Land wieder an den Großgrundbe-
  Die New People‘s Army (NPA) spricht der philippinischen      sitzer zurückvermieten, um anschließend erneut als Land-
  Regierung die Legitimität ab und lehnt von daher jegli-      arbeiterIn für diesen zu arbeiten. Wieder andere sind im Be-
  che staatliche Reform ab- so auch das Agrarreformpro-        reich des Vertragsanbaus für den Weltmarkt gestrandet und
  gramm CARP. Sie kritisiert die vorgesehene Entschädi-        haben, obwohl sie die Landbesitzenden sind, de facto keine
  gung für Großgrundbesitzer. Ihre zentrale Kritik richtet     Kontrolle über die Produktion. Die Entscheidungsmacht
  sich aber gegen die Annahme, das Programm könne              bleibt in den Händen von Konzernen oder den vorherigen
  etwas an den grundlegenden Strukturen und Macht-             Großgrundbesitzern, welche außerdem alle Zulieferdienste
  verhältnissen im Lande ändern. Sie sehen das CARP            wie Traktoren, Sprühflugzeuge, Verpackung usw. besitzen
  lediglich als ein Alibiprogramm der Regierung, dass die      und die Kleinbauern und -bäuerinnen mit Leichtigkeit in
  arme Landbevölkerung beschwichtigen soll und so eine         Abhängigkeit halten können.
  wirkliche Umverteilung von Land verhindert.
                                                               Inzwischen ist die Landverteilung fast vollständig zum Still-
  Die NPA selbst kämpft für eine revolutionäre Agrarre-        stand gekommen, und das CARP läuft Ende 2008 aus. Land-
  form, in der Großgrundbesitz gänzlich umverteilt wer-        wirtschaftlich nutzbares Land, das unter die Landreform
  den soll. Sie finanzieren ihren Kampf, indem sie in den      fällt, bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht verteilt ist,
  von ihnen beeinflussten Gebieten eine so genannte Re-        wird nicht weiter verteilt. Zusätzlich ist die Fläche des einst
  volutionssteuer erheben. PächterInnen und Landarbei-         als landwirtschaftlich nutzbar deklarierten Landes im Laufe
  terInnen, die auf der Grundlage des CARP einen Antrag        der Jahre aufgrund massiver Nutzungsumwidmungen enorm
  auf Land gestellt haben, werden immer wieder von der         reduziert worden. Das ursprüngliche Ziel vom CARP ist nicht
  NPA eingeschüchtert und bedroht. Paradoxerweise koo-         erreicht worden und trägt in vielen Gebieten kaum zu einer
  periert die NPA sogar mit einigen Großgrundbesitzern -       gerechteren Entwicklung und der besonders im ländlichen
  zwei Erzfeinde mit dem gemeinsamen Ziel das staatliche       Raum notwendigen politischen Demokratisierung bei.
  Agrarreformprogramm zu behindern. Es wird vermutet,
  dass die Großgrundbesitzer eine Revolutionssteuer an
  die NPA zahlen. Die NPA versucht im Gegenzug dafür zu        6. Der legale Kampf um Land
  sorgen, dass die PächterInnen und LandarbeiterInnen
  keine Anträge auf Land stellen und die Großgrundbe-
  sitzer ihre Haziendas behalten können. Dadurch hat           Die eben aufgezeigten Probleme und Behinderungen legaler
  die NPA unter ihren AnhängerInnen an Glaubwürdigkeit         und angemessener Landreformen zeigen sich auch am be-
  verloren.                                                    reits vorgestellten Fall der Familie Uy und deren Pächter in
                                                               San Narciso. Den Großteil des Landes der Halbinsel Bondoc

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Die Philippinen und ihre Agrarreform

                                                                                                 heuerte Schlägertrupps mit der sys-
 Marktgestützte Landreform                                                                       tematischen Bedrohung der Antrag-
                                                                                                 stellerInnen. Diese wurden zunächst
 Die Weltbank entwickelte Mitte der 1990er Jahre das Modell der marktgestützten Landref-         verbal eingeschüchtert. Im weiteren
 orm. Mit diesem Ansatz spricht sie Agrarreformen zwar wieder eine zentrale Bedeutung bei        Verlauf eskalierte die Gewalt drama-
 der Armuts- und Hungerbekämpfung zu, auf den zweiten Blick beruht dieses Modell jedoch          tisch - von der Zerstörung von Eigen-
 nicht auf der Logik traditionell umverteilender Landreformen. Diesem ‚neuen‘ Ansatz liegt       tum über Vertreibung von ihrem Land
 die These zugrunde, dass eine erfolgreiche Landreform Anreize zu einer freiwilligen Betei-      bis hin zur Anwendung physischer
 ligung der Grundbesitzer schaffen müsse. Das marktgestützte Landreformmodell verzichtet         Gewalt und Ermordung. In dem Dorf
 auf das Kernelement klassischer Agrarreformen, die Möglichkeit der Enteignung von Grund-        San Vincente, dass zur Gemeinde San
 besitz. Es setzt einzig auf die Logik des freien Marktes. Der Landmarkt wird von allen Rest-    Narciso gehört, wurden seit 1998 vier
 riktionen befreit beziehungsweise liberalisiert und die Preise sind abhängig von Angebot        lokale Bauernführer der KMBP brutal
 und Nachfrage. Durch die sofortige Auszahlung des vollen Marktpreises an die Großgrund-         umgebracht. Der größte Teil des dorti-
 besitzer sollen Anreize für den Verkauf von Land geschaffen werden. Potentielle KäuferIn-       gen Landes gehört der Familie Uy oder
                                                                                                                                     16
 nen erhalten einen Kredit und müssen ihn innerhalb einer bestimmten Frist vollständig und       befindet sich unter ihrer Kontrolle.
 verzinst zurückzahlen. Der Erfahrung nach beteiligen sich Großgrundbesitzer jedoch kaum
 an dieser freiwilligen Landreform, da ihr Land vor allem wichtiges Statussymbol und Grund-      Neben den Bedrohungen durch die be-
 lage ihrer Macht ist. Zudem steigen die Landpreise durch die staatlichen Kredite oft stark      waffnete Privatarmee des Landbesit-
 an. Die ‚Begünstigten‘ sind durch die Verschuldung nicht in der Lage, notwendige Erstin-        zers Uy spielt die NPA in dieser Region
 vestitionen zu tätigen und viele verlieren ihr Land bereits nach kurzer Zeit wieder. Dadurch,   eine wichtige Rolle. Sie bedroht und
 dass die ländlichen Armen durch den Landkauf auf Kredit das Programm finanziell tragen          schikaniert die AntragstellerInnen
                                                                                14
 sollen, wird die Grundidee der Umverteilung von Land ad absurdum geführt.                       und ist nachweislich für einen der vier
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 Auch die philippinische Regierung, bekannt für ihr Weltbank-konformes Handeln, setzt            Fall wurde der Täter festgenommen,
 mehr und mehr auf dieses Prinzip des freiwilligen Verkaufs von Boden.                           kam aber nach kurzer Zeit für eine
                                                                                                 Kaution von umgerechnet 680 Euro
                                                                                                 wieder frei.
          teilen sich die drei Großgrundbesitzer-Familien Uy, Reyes
                      15
          und Matias. Die Grundlage für ihren Großgrundbesitz haben         In der Vergangenheit haben die in der KMBP organisierten
          sich die Familien zur Zeiten der Marcos-Diktatur geschaffen.      Bauern und Bäuerinnen die Regierung mehrmals aufgefor-
          Die Familie Uy erwarb schon einiges Land in den 1960ern,          dert, sie vor der Bedrohung durch die bewaffneten Ange-
          vor allem aber die Zeit des Kriegsrechts von 1972 bis 1981        stellten der Uy-Familie zu schützen. Es gab mehrere Treffen
          nutzten die Familien zur massiven und illegalen Aneignung         mit Vertretern des DAR und anderen Regierungsstellen wie
          von Land. Als damaliger Bürgermeister der Gemeinde San            dem Justizministerium, dem Department für soziale Gerech-
          Narciso nutzte Juanito Uy seine politische Macht, um sei-         tigkeit und Entwicklung oder dem Umweltministerium. Die
          ner Familie öffentliches Land zu übertragen. Aufgrund des
                                                                                                   Das gelobte Land? Am Zaun der Uy-Ländereien
          anhaltenden politischen Einflusses der Großgrundbesitzer
          blieben ihre Ländereien bis heute weitestgehend von der
          staatlichen Agrarreform CARP verschont.

          Auch als 1990 das Bondoc Development Program (BDP),
          ein Entwicklungsprojekt der philippinischen Regierung mit
          Unterstützung der deutschen Entwickungszusammenarbeit
          (siehe Kap. 7) gestartet wurde, blieben die großen Land-
          besitztümer, wie jene der Familie Uy, nahezu unangetastet.
          Das änderte sich erst, als im Juli 1996 die Verantwortlichen
          des BDP die Nichtregierungsorganisation PEACE (Philip-
          pine Ecumenical Action for Community Empowerment)
          beauftragten, mögliche Antragsteller über ihre Rechte
          aufzuklären, zu organisieren und im Agrarreformprozess zu
          begleiten. Im folgenden Jahr gründete sich so die People‘s
          Organisation KMBP (Kilusang Magbubukid ng Bondoc Penin-
          sula), eine Vereinigung aller lokalen Bauernorganisationen
          auf der Halbinsel Bondoc, die sich für eine Umverteilung im
          Sinne des staatlichen Agrarreformgesetzes einsetzt.

          Wer Recht will, lebt gefährlich

          Seit Mitte 1996 haben auch die PächterInnen der Uy-Län-
          dereien Anträge auf Zuteilung von Land beim Department
          of Agrarian Reform (DAR), eingereicht. Allerdings ohne
          Erfolg - im Gegenteil: Kurz nachdem die ersten Landanträge
          eingingen, begannen von den Großgrundbesitzern ange-

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Die Philippinen und ihre Agrarreform

Bauern und Bäuerinnen haben ihren
Anspruch auf Schutz vor Bedrohung,
Besitz von Land und sofortige Erfas-
sung ihres Besitzes deutlich gemacht.
Seitens der Regierung wurden bisher
jedoch keine konkreten Maßnahmen
ergriffen, diesen berechtigten Forde-
rungen nachzukommen.

Die Bilanz des BDP ist bezüglich der
Umverteilung der Ländereien der Groß-
grundbesitzer vernichtend. Bis heute,
über zehn Jahre nach den ersten Anträ-
gen, ist ein einziges Stück Land einem
Antragsteller zugesprochen worden.

Aktuelle Situation

Die Nachfolger der ermordeten Bauern-                                                                   Eine BäuerInnenversammlung der KMBP
führer aus San Vicente werden bis heute von Uys Privatarmee
und der NPA bedroht. Der Bruder eines Ermordeten konnte         sich dabei um die bewaffneten Angestellten von Uy. Sie befinden sich
Ende 2003 nur knapp einem Angriff der NPA entkommen. Er         seit November letzten Jahres in Untersuchungshaft. Die Anhörung des
ist floh daraufhin nach Manila und lebt dort seit Januar 2004   Falls wurde inzwischen zum dritten Mal verschoben, da der Antragstel-
mit seiner Familie im Büro von PEACE. Ein anderer lokaler       ler keinen Anwalt hatte. Bei der vierten Anhörung im März 2007 wurde
Bauernführer hat im letzten Jahr eine Anzeige gegen zwölf       er durch einen von PEACE organisierten Anwalt vertreten. Im Juli folgt
Personen, die ihm mit Mord drohten, erstattet. Es handelt       eine weitere Sitzung, in der neue Zeugen gehört werden sollen.

  Interview mit dem Landantragsteller Cipriano Janson

  Cipriano Janson, 40 Jahre alt, verheiratet und Vater von 10 Kindern, ist Bauer und lebt vom Kokosnuss-, Reis- und Maisanbau. Außer-
  dem ist er Mitglied der Bauernbewegung auf Bondoc und Vizepräsident der lokalen Untergruppe des Dorfes Centro in der Gemeinde San
  Narciso.

  Interviewer: Wann haben Sie Ihren Landantrag gestellt?
  Cipriano: Im Jahr 2003.
  Interviewer: Was passierte nachdem Sie Ihren Antrag gestellt haben?
  Cipriano: Seit ich den Antrag gestellt habe, bedrohen mich bewaffnete Angestellte des Großgrundbesitzers. Seit drei Jahren traue
  ich mich nicht mehr ins Nachbardorf, weil mir von einem der Angestellten mit Mord gedroht wurde, nachdem ich mit dem Boykott des
  Abgabesystems an den Landbesitzer begonnen habe. Mit dem Boykott habe ich nach der Landantragstellung angefangen. Ich gebe
  keinen Teil meiner Ernte an den Landbesitzer und seine Angestellten, weil ich glaube, dass das Land mir gehört.
  Interviewer: Gab es auf Ihre Landantragstellung eine Reaktion von der NPA (New People‘s Army)?
  Cipriano: Seit Beginn der Anträge, sagt die NPA zu den Leuten „Wieso stellt ihr Anträge? Der Landbesitzer ist doch fair. Hört auf
  Anträge zu stellen!“ Als ich noch jünger war, war ich selbst bei der NPA. Als jedoch nichts passierte, bin ich wieder ausgeschieden.
  Interviewer: Wie verhält sich die Großgrundbesitzerfamilie Uy gegenüber Ihnen, seit Sie den Antrag auf Land gestellt haben?
  Cipriano: Wir mussten Anträge stellen, damit solche Sachen wie mit den Zäunen nicht passieren. Manchmal kommt das Vieh von Uys
  Land durch den Zaun und frisst unsere Ernte. Als ich den Manager von Uy fragte, ob sie den Zaun nicht reparieren könnten, meinte
  er: „Wenn du nicht akzeptieren kannst, wie diese Dinge funktionieren, dann verschwinde besser von hier!“ Von den 40 Prozent der
  Ernte, die mir und meiner Familie bleiben, kann ich mir fast nichts leisten. Zusätzlich bekommen wir das Geld dafür immer erst sehr
  spät. July zum Beispiel (ein anderer Bauer) hat seinen Anteil immer noch nicht bekommen, nach einem Jahr. Im Augenblick ist unser
  Status wie der von Arbeitern; wir können erst dann Bauern genannt werden, wenn wir unser eigenes Land haben. Ich hoffe, die Leute
  von der Regierung werden uns dabei helfen.
  Interviewer: Wie hat sich Ihr Antrag entwickelt?
  Cipriano: Es gibt einen Einspruch von Uy. Er behauptet die 395 Hektar, für die wir Anträge gestellt haben, seien Weideland (Wei-
  deland ist vom Agrarreformgesetz ausgenommen). Wir wissen, es ist kein Weideland. Es gibt aber noch keine Resultate vom DAR. Es
  wird nicht möglich sein, den Fall vor 2008 abzuschließen. Nur wenn das CARP für zehn Jahre verlängert wird, kann unser Fall gelöst
  werden.
  Interviewer: Was machen Sie, wenn das CARP nicht verlängert wird?
  Cipriano: Falls das CARP nicht hilft, bewaffnen wir uns und kämpfen für unser Land!

  Das Interview führte Olivier Hoffmann im Januar 2007. Im Februar 2007 hat der Oberste Gerichtshof zugunsten der Landbesitzerfamilie
  Uy entschieden. Die 395 Hektar Land sind als Vieh- und Weideland klassifiziert worden und damit vom CARP ausgeschlossen.

Dossier - FIAN-Deutschland                                                                                                              11
Die Philippinen und ihre Agrarreform

 Die Kriminalisierung des Landkampfes auf Bondoc Peninsula

 Gegen viele der Bauern und Bäuerinnen Bondocs wurde seit ihrem Antrag auf Land Anzeige von einem der Großgrundbesitzer erstat-
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 tet. Aktuell (März 2007) handelt es sich um 69 Haftbefehle von insgesamt 259 Fällen gegen 274 PächterInnen.

 In fast allen Fällen lautet die Anklage Kokosnussdiebstahl, Betreten von Privateigentum oder mutwillige Sachbeschädigung. Die
 Landlords kennen die schwierige ökonomische Situation ihrer PächterInnen und versuchen, diese zu ihren eigenen Gunsten auszu-
 nutzen. Allein schon durch die Anzeige verschlechtert sich die Lebenssituation der Angeklagten ernorm. Die Bauern und Bäuerinnen
 müssen zu Gerichtsterminen erscheinen und jedes Mal eine mehrstündige, für sie schwer oder gar nicht zu zahlende Busfahrt auf sich
 nehmen. Anhörungen werden oft willkürlich verschoben. Für die Bauern und Bäuerinnen bedeutet dies, einem weiteren Gerichts-
 termin beiwohnen zu müssen, da bei Nichterscheinen die sofortige Festnahme droht. Zusätzlich zum finanziellen und zeitlichen Auf-
 wand werden sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die angeklagten AntragstellerInnen können jederzeit durch die Polizei
 in Gewahrsam genommen werden.

 In einigen Fällen erfahren die Angeklagten lediglich durch die bewaffneten Angestellten des Großgrundbesitzers von ihren Anzei-
 gen. Sie selbst haben nie ein Schreiben von einer staatlichen Stelle bekommen. Nach dem gleichen Muster verlaufen die Festnah-
 men. Sie werden häufig nicht von der philippinischen Polizei, sondern von den bewaffneten Angestellten der Großgrundbesitzer
 durchgeführt.

 Die anhängenden Verfahren werden wenn möglich als Kriminaldelikte eingestuft; so verbleiben die Fälle bei der Gerichtsbarkeit
 vor Ort. Würden sie als Konflikte im Rahmen der Agrarreform eingestuft, müssten sie vor dem jeweiligen Provinzgericht verhandelt
 werden, das oft nicht mehr in der direkten Einflusssphäre der Landlords liegt.

 Die drei großen Landbesitzerfamilien auf Bondoc kriminalisieren ihre PächterInnen durch willkürliche Anzeigen und versuchen, sie
 damit davon abzubringen, sich für ihr Recht auf Land einzusetzen. Die traditionellen Seilschaften der Großgrundbesitzer zu Polizei
 und Justiz kommen ihnen dabei zu Gute.

          Die Großgrundbesitzerfamilie Uy hat in letzter Zeit mehr-       Stärkung der lokalen sozialen Strukturen integriert. Durch
          fach versucht, ihr Land von der Agrarreform auszuschlie-        das Community Organising (CO) wurden die Gemeinden über
          ßen, indem sie es als Weideland klassifizieren lassen wollte.   ihre Rechte im Rahmen des CARP aufgeklärt und bei den oft
          Das letzte Urteil in dieser Frage ist im Februar 2007 vom       langwierigen Rechtsprozessen unterstützt. Zudem führte
          Obersten Gerichtshof zugunsten der Familie Uy ausgefallen.      das Engagement der GTZ auf Bondoc dazu, dass die Agrarre-
          Die Anträge der PächterInnen auf die Umverteilung von 350       formbehörde sich ‚auf die Finger geschaut‘ fühlte, was den
          Hektar des Uy-Landes sind damit abgewiesen, das Land            Entscheidungsprozess in vielen Fällen beschleunigte.
          ist vom CARP ausgenommen, und für die PächterInnen ist
          der legale Weg, Land zu bekommen, ausgeschöpft. Für die         Im CO arbeitete die GTZ eng mit der philippinischen NRO
          AntragstellerInnen auf 133 bzw. 456 Hektar des von der Fa-      PEACE Foundation zusammen und übertrug ihr einen Groß-
          milie Uy beanspruchten aber nicht nachweislich genutzten        teil der Aufgaben. Ein zentraler Gedanke des CO ist es, nach-
          Landes, steht die Frage der Landklassifizierung weiterhin       haltige soziale Strukturen zu schaffen, die auch nach Ablauf
          aus.                                                            des Programms fortbestehen.

                                                                          Umorientierung zeigt Wirkung...
          7. Das fragliche Verhalten der
                                                                          Dieser Teil des BDP zeigte sich als sehr erfolgreich, auch weil
          deutschen EZ auf Bondoc                                         die AntragstellerInnen durch die internationale Präsenz
                                                                          einen gewissen Schutz vor der Willkür der Landlords - sei
                                                                          es durch die Beeinflussung der lokalen Gerichtsbarkeit oder
          Aller Anfang ist schwer                                         durch direkte Gewaltausübung - genossen. Diese Situation
                                                                          ermutigte viele Pächter, überhaupt erst einen Antrag auf
                                                                                           18
          Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, genauer die            Land zu stellen. Zudem konnten sich durch die deutsche
          Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), hat sich      Präsenz Organisationsstrukturen entwickeln, die unter an-
          seit 1990 im Rahmen des Bondoc Development Programme            deren Umständen im Keim erstickt worden wären. Es schien,
          (BDP) auf der Halbinsel engagiert. Zu Beginn konzentrierte      als ob die quasi-feudalen Machtstrukturen zu bröckeln
          sich das BDP auf den Ausbau der Infrastruktur, vor allem        begannen.
          den Straßenbau. Für diese eindimensionale Konzeption von
          ländlicher Entwicklung wurde das Programm anfangs stark         ...und das Ende des Fortschritts
          kritisiert. Im Zentrum der Kritik stand zudem der Vorwurf,
          das Infrastrukturprogramm diene in erster Linie der Auf-        Im Jahr 2003 wurde das viel versprechende und auf vielen
          standsbekämpfung gegen die Rebellen.                            Ebenen erfolgreiche Projekt gestoppt. Folge des Rückzugs
                                                                          war eine Welle der Gewalt und Kriminalisierung gegen die
          Mitte der 90er Jahre wurde ein Programmschwerpunkt zur          AntragstellerInnen und BauernführerInnen. Detailliert

12                                                                                                               Dossier - FIAN-Deutschland
Die Philippinen und ihre Agrarreform

dokumentiert wurde diese Entwicklung 2006 durch eine
von FIAN durchgeführte Untersuchungsmission und die              Porträt: Danilo „Danny“ Carranza
                                                     19
Berichte der MenschenrechtsbeobachterInnen von IPON :
Seit 2003 wurden vier Bauernführer ermordet und Anfang           Seit Februar 1994 arbeitet Danilo Carranza,
2007 dokumentierten die BeobachterInnen die grausame             genannt Danny, bei der PEACE Foundation (Phi-
                                   20
Verstümmelung eines Antragstellers.                              lippine Ecumenical Action for Community Empo-
                                                                 werment), einem philippinischen Netzwerk, das
Begründet wurde der Rückzug zum einen mit dem Über-              sich aus autonomen Institutionen und Organi-
schreiten der Förderhöchstdauer für Projekte. Zum anderen        sationen zusammensetzt, die das gemeinsame
argumentiert das BMZ, dass die Gemeinden durch das CO so         Ziel eint, Agrarreformen durchzusetzen und
gestärkt wären, dass sie sich gegen die Willkür der Landlords    die ländliche Entwicklung und den Demokrati-
und der NPA ausreichend zur Wehr setzen können. Auch das         sierungsprozess voranzutreiben. Danny ist 39
übliche follow-up für ein solches Projekt wurde nicht durch-     Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder. Seine Arbeit bei PEACE
geführt, obwohl ein von FIAN und PEACE vorgeschlagenes,          ist die Analyse von Umsetzung, Veränderungen und Auswirkungen
dringend notwendiges Rechtsbeistandsprogramm keiner              des staatlichen Agrarreformgesetzes CARP, von dem er sagt, es
großen Ressourcen bedarf. Der Verweis auf die philippi-          sei das „Produkt seiner Zeit, (...) als die Eliten Kompromisse ein-
nische Regierung, die kein Interesse an einer Fortführung        gehen mussten, um eine scheinbare Umwandlung von autoritärer
habe, ist unbefriedigend. Denn letztendlich bestimmt die         Herrschaft zu einem demokratischeren System zu vollziehen. Weil
deutsche Politik die Schwerpunkte ihrer Entwicklungszu-          es aber das Produkt eines Kongresses ist, der von Landbesitzern
sammenarbeit.                                                    dominiert wurde, hat das Gesetz lauter Hintertürchen, die sie (die
                                                                 Landbesitzer) benutzen können um der Landreform zu entgehen
Durch hartnäckiges Drängen von PEACE und FIAN unternahm          oder sie zu verlangsamen.“
die GTZ 2005 dann doch noch eine Untersuchungsmission,
um den Vorwürfen der Gewalteskalation und zunehmender            Gefragt, was es braucht um die Agrarreform voranzutreiben, meint
Menschenrechtsverletzungen seit dem Ende des Projekts            Danny zum einen politischer Wille, wobei man der Tatsache ins Auge
nachzugehen. Jedoch wurden weder die Betroffenen vor             sehen müsse, dass die höchsten politischen Kreise selbst Landbesit-
Ort und die PEACE Foundation - die zentralen Akteure - noch      zer oder von Landbesitzern beeinflusste oder bestochene Personen
FIAN an der Untersuchungsmission beteiligt. Vor diesem           sind, die wenig bis kein Interesse an einer Umverteilung haben.
Hintergrund ist das Ergebnis der Untersuchungsmission            Zum anderen müsse das Agrarreformgesetz reformiert werden. Das
zu sehen, das zu dem Schluss kommt, keinen Anstieg der           (einzig) Gute an der derzeitigen Agrarreform sei, dass es einem er-
Gewalt beobachten zu können und somit auch keinerlei             laube, die Politik wegen der Nicht-Umverteilung des Landes in die
Handlungsbedarf zu sehen.                                        Verantwortung zu nehmen, wofür es vor der Verabschiedung des
                                                                 CARP keine gesetzliche Grundlage gab.
In einem Brief an das BMZ schildert die PEACE Foundation
die Entwicklung völlig anders: „Die deutsche Regierung           Zu dem Fall Uy hat Danny eine besondere Verbindung, war er doch
kam nach Bondoc, stocherte in einem Hornissennest her-           einer der ersten so genannten Community Organizer, die auf der
um und als die Hornissen zum Angriff ansetzten machten           Bondoc Halbinsel die Bauern und Bäuerinnen organisierten. „Vor
sie sich auf und davon. Sie ließen die bei weitem Verwund-       unserem Eintritt in das Gebiet (1996), waren die PächterInnen des
barsten alleine. Dabei muss betont werden, dass die ‚Hornis-     Landbesitzers Uy noch nicht organisiert und wussten nicht, dass das
senstiche‘, von denen hier gesprochen wird, Mord, versuch-       vorherrschende Abgabesystem (60 Prozent für den Landbesitzer, 40
ten Mord, Vertreibung und Zerstörung privaten Eigentums          Prozent für die PächterInnen) seit 1988 illegal war.“
               21
einschließen.“ Schwerwiegende Vorwürfe an die deutsche
EZ.                                                              Wie aber löst man das Problem der Landumverteilung? Auch darauf
                                                                 hat Danny eine Antwort: „Die PächterInnen müssen in der Lage
Auch vor dem Abzug der GTZ gab es Gewalt auf Bondoc, aber        sein, an dem Prozess teilzunehmen um den Ausgang der Agrarre-
sie war nicht so flächendeckend und massiv. Die aktuellen        form mit zu beeinflussen. Ihr eigenes Engagement ist gefragt. (...)
Geschehnisse tragen dazu bei, dass die aufgebauten sozi-         Das garantiert natürlich nicht, dass die Bauern und Bäuerinnen ihr
alen Strukturen und die Organisationen der Kleinbauern           Land bekommen werden. Es verbessert lediglich ihre Chancen zur
wieder geschwächt und möglicherweise zerschlagen wer-            Teilnahme an den Mechanismen, von denen sie aus ökonomischen
den. Das kann nicht im Sinne der deutschen Entwicklungs-         oder politischen Gründen traditionell ausgeschlossen waren.“
zusammenarbeit sein, die Nachhaltigkeit als Leitmotiv ihres
Handelns vorgibt.

                                                                Landverteilung bei der Armuts- und Hungerbekämpfung
8. Des Menschen Recht auf                                       eine zentrale Bedeutung zu. Nicht nur auf den Philippinen
                                                                sehen sich Kleinbauern und -bäuerinnen, Landlose und
Nahrung und die Arbeit von FIAN                                 PächterInnen in ihrem lokalen Umfeld Großgrundbesitzern
                                                                gegenüber, die die politische und ökonomische Macht bei
                                                                sich bündeln. Die Durchsetzung ihrer Rechte ist für die Be-
Etwa 80 Prozent der Hungernden weltweit leben auf dem           troffenen langwierig und geht oft einher mit der Bedrohung
Land. Ein Hauptgrund für die ländliche Armut ist die hohe       ihres Lebens und dem ihrer Familien. Für eine effektive
Landkonzentration in den Händen weniger Großgrund-              Durchsetzung ihrer Rechte ist es deswegen äußerst wichtig,
besitzer. In vielen Ländern kommt somit der Frage der           den Prozess aus der lokalen Isolation zu befreien. FIAN leis-

Dossier - FIAN-Deutschland                                                                                                         13
Die Philippinen und ihre Agrarreform

        tet einen Beitrag dazu, indem es einen öffentlichen Raum
        für die Forderungen der Menschen schafft.

        1999 haben FIAN und die internationale Kleinbauern-
        bewegung La Via Campesina gemeinsam die weltweite
        Agrarreformkampagne Brot, Land und Freiheit gestar-
        tet. In diesem Rahmen unterstützen sie Kleinbauern
        und -bäuerinnen und Landlosen bei ihrem rechtmäßigen
        Kampf um Land. Ziel der Kampagne ist es, umverteilende
        Agrarreformen wieder als ein zentrales Mittel zur Be-
        kämpfung von Hunger und Armut auf die Agenda staat-
        licher Politik und internationaler entwicklungspolitischer
        Akteure zu bringen.

        Im Rahmen internationaler Verpflichtungen haben die
        Philippinen das Menschenrecht auf Nahrung im Rahmen
        des UN-Pakts für wirtschaftliche, soziale und kulturelle
        Menschenrechte anerkannt. Der Pakt weist Agrarrefor-
        men eine zentrale Bedeutung bei der Umsetzung des
        Rechts auf Nahrung zu. Im ländlichen Raum ist der Zu-
        gang zu Land und den notwendigen Produktionsmitteln
        für die Mehrheit der Bevölkerung Voraussetzung für die
        Umsetzung des Rechts sich zu ernähren.

        Die von FIAN und La Via Campesina organisierten Unter-
        suchungsmissionen auf den Philippinen erwiesen sich
        als sehr öffentlichkeitswirksam und boten den philip-
        pinischen Bauernbewegungen in ihrem Kampf um Land
                                                                          Passieren verboten - das Abschneiden des Wegs zum Markt als Repression
        eine wichtige Unterstützung. Dabei wurden konkrete
        Fakten gesammelt und dokumentiert wie auch Kontakte
        zu den Betroffenen und ihren Organisationen aufgebaut.         der PächterInnen voranzutreiben und für die Sicherheit der
        Gegenseitiger Austausch und direkter Kontakt zwischen den      AntragstellerInnen zu sorgen.
        Betroffenen und FIAN ist Voraussetzung und Grundlage für
        eine erfolgreiche und dauerhafte Zusammenarbeit.               Zum Internationalen Tag der Landlosen (17. April) orga-
                                                                       nisierte die Bielefelder Gruppe 2006 gemeinsam mit dem
                                                                       deutschen FIAN-Büro und der Gruppe Bondoc Solidarity
        9. Die Fallarbeit der                                          aus Hamburg eine Protestaktion vor der philippinischen
                                                                       Botschaft in Berlin. Der Dokumentarfilm Bodenbesitzen.
        Bielefelder FIAN-Gruppe                                        Stimmen von Philippinischen Kokosbauern der Filmemache-
                                                                       rInnen Janina Dannenberg und Johannes Richter wurde an
                                                                       die Fassade der Botschaft projiziert und PassantInnen wur-
        Die Bielefelder FIAN-Gruppe begleitet den Fall Uy inzwischen   den aufgefordert, an der Eilaktion teilzunehmen.
        seit anderthalb Jahren. Nachdem im Frühjahr 2004 Belinda
        Formanes von PARRDS (Partnership on Agrarian Reform and        Der Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen der FIAN-
        Rural Development Services) und Rebecca Ruga, Mitglied der     Gruppe Bielefeld und der Gruppe Bondoc Solidarity hat bis
        lokalen Bauernorganisation KMBP (Kilusang Magbubukid ng        heute Bestand. Ein Mitglied der Bielefelder Gruppe hat
        Bondoc Peninsula), im Rahmen einer von FIAN organisierten      an dem von Bondoc Solidarity in Zusammenarbeit mit den
        Rundreise zu einer Abendveranstaltung in Bielefeld zu Gast     Bauern und Bäuerinnen von KMBP vorbereiteten Menschen-
        waren, hat sich die Bielefelder Gruppe dazu entschlossen,      rechtsbeobachtungsprojekts auf Bondoc teilgenommen.
        den Fall Uy zu übernehmen.
                                                                       Die Bielefelder FIAN-Gruppe plant weitere Aktionen und
        Zunächst bedeutete das für die Gruppe, sich allgemein          Informationsveranstaltungen um möglichst viele Menschen
        über die Philippinen und insbesondere über das Agrarre-        für das Thema Menschenrechte und die Situation auf Bon-
        formprogramm CARP und den Landkonflikt zu informieren.         doc zu sensibilisieren, denn Öffentlichkeit schaffen ist eine
        Anschließend wurde ein regelmäßiger E-Mail-Kontakt             wichtige Komponente der Menschenrechtsarbeit.
        zu Belinda Formanes und Danny Carranza von der PEACE
        Foundation aufgebaut, um die aktuellen Entwicklungen des
        Landkonfliktes verfolgen zu können. In Absprache mit den
        Leuten vor Ort und dem internationalen Sekretariat von
        FIAN wurde im April 2006 eine FIAN-Eilaktion erarbeitet
        und durchgeführt. Mitglieder und UnterstützerInnen aus
        aller Welt forderten die Verantwortlichen im Fall Uy per
        Brief und Fax auf, das Agrarreformprogramm CARP im Sinne

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