Die Philippinen und ihre Agrarreform - keine Bewegung vor dem offiziellen Ende?
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Die Philippinen und ihre Agrarreform - keine Bewegung vor dem offiziellen Ende? Dossier - FIAN-Deutschland 1
Impressum: Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V. Düppelstraße 9 - 11 50679 Köln fian@fian.de • www.fian.de Redaktion: Roman Herre, Olivier Hoffmann, Sarah Potthoff Fotos: © FIAN Gestaltung: Uschi Strauß Köln, August 2007 2 Dossier - FIAN-Deutschland
Inhaltsverzeichnis 1. Vorwort ........................................................................................................................... 4 2. Die Philippinen - ein Land mit vielen Gesichtern ..................................................... 4 3. Alles Kokosnuss?........................................................................................................... 6 4. Die Hacienda Uy und ihre Kokosbauern und -bäuerinnen ...................................... 7 5. Die Umsetzung des Agrarreformprogramms CARP .................................................. 8 6. Der legale Kampf um Land........................................................................................... 9 7. Das fragliche Verhalten der deutschen EZ auf Bondoc .............................................12 8. Des Menschen Recht auf Nahrung und die Arbeit von FIAN ...................................13 9. Die Fallarbeit der Bielefelder FIAN-Gruppe ..............................................................14 Anmerkungen ..................................................................................................................15 Dossier - FIAN-Deutschland 3
Die Philippinen und ihre Agrarreform 1. Vorwort Quezon, auf der Halbinsel Bondoc liegt, steht exemplarisch für die Verfehlungen und Unzulänglichkeiten bei der Imp- lementierung des staatlichen Agrarreformprogramms CARP, Im Jahre 1986 setzte sich der philippinische Diktator Ferdi- welches 1988 mit dem Anspruch startete, die ländliche nand Marcos angesichts der Massendemonstrationen gegen Armut durch Umverteilung landwirtschaftlich nutzbarer seinen autoritären Regierungsstil nach Hawaii ab. Seitdem Flächen zu verringern. hat das Land einen Prozess der Demokratisierung durchge- macht. Doch die Schaffung demokratischer Institutionen Seit 2005 begleitet die Bielefelder FIAN-Gruppe den Fall der und die formale Einführung politischer Freiheitsrechte Hacienda Uy und unterstützt die Bäuerinnen und Bauern in haben die Lebensbedingungen vieler Menschen auf den Phi- ihrem Kampf um Land, die sich auf der einen Seite staatli- lippinen nicht verbessert. Hunger und Armut beherrschen cher Untätigkeit und auf der anderen Seite den ständigen weiterhin den Alltag vieler der 87 Millionen Filipinos und Bedrohungen und Verletzungen geltenden Rechts durch Filipinas. Knapp 80 Prozent der Bevölkerung, also über 65 Großgrundbesitzer und Guerillas ausgesetzt sehen. Millionen Menschen, leben von weniger als zwei US-Dollar am Tag. 30,4 Prozent leben mit weniger als einem US-Dollar 1 pro Tag unterhalb der Armutsgrenze . Etwa 20 Prozent der 2 2. Die Philippinen - ein Land Bevölkerung leidet an Hunger . Die Mehrheit der Armen (70 Prozent) lebt in ländlichen Gebieten. Ursächlich hierfür ist mit vielen Gesichtern die hohe Landkonzentration auf den Philippinen, die es einem großen Teil der ländlichen Bevölkerung nicht ermög- licht, sich ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Philippinen bestehen aus 7.107 Inseln, die sowohl Die Ineffizienz der demokratischen Institutionen auf dem im Südchinesischem Meer als auch im Pazifik liegen. Der Land, der fehlende politische Wille sowie Korruption und gesamte Archipel hat eine Fläche von 300.000 Quadrat- Vetternwirtschaft verhindern eine Landreform zu Gunsten kilometern, auf dem etwa 85 Millionen EinwohnerInnen der Kleinbauern und -bäuerinnen. Das Menschenrecht sich (2006) verteilt auf circa 800 bewohnten Inseln leben. Die selbst zu ernähren wird auf den Philippinen dadurch täglich Landschaft und das Leben der Menschen sind von dem millionenfach gebrochen. Zusammenspiel zwischen Wasser und Land geprägt. Kein Ort liegt weiter als 200 Kilometer vom Meer entfernt und Ein kurzer Überblick über die allgemeinen sozialen, wirt- viele Menschen leben vom Fischfang. Der Archipel wird in schaftlichen und politischen Verhältnisse auf den Philip- drei große Inselgruppen unterteilt: Luzon im Norden, die pinen leitet dieses Dossier ein, um sich anschließend mit zentral gelegenen Visayas und Mindanao im Süden. Lange der Frage der Landverteilung und den Folgen für das Men- weiße Sandstrände mit Palmen, saftig-grüne Reisterassen schenrecht auf Nahrung zu beschäftigen. Das Fallbeispiel und viele Vulkane verzaubern die Landschaft und täuschen der Hacienda Uy, die südöstlich von Manila, in der Provinz vielerorts über die schlechten Lebensbedingungen der Be- wohnerInnen hinweg. Der Archipel liegt in den niederen tropischen Breiten und ist bei einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 26°C keinen großen jahreszeitlichen Schwankungen ausgesetzt. Das Land beherbergt eine vielfältige Flora und Fauna: Tau- sende Tier- und Pflanzenarten und unzählige verschiedene Insekten finden sich auf den Philippinen. Städtisches Leben Die Hauptstadt Manila mit ihren 12 Millionen EinwohnerIn- nen liegt im Süden der Hauptinsel Luzon und wächst rasant. Heute leben schätzungsweise 62 Prozent der Filipinos und Filipinas in Städten, Tendenz steigend. Viele Menschen sind in den letzten Jahren in der Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben vom Land in die Städte migriert. Dabei han- delt es sich um verarmte Kleinbauern und -bäuerinnen, Sai- sonarbeiterInnen und FischerInnen, die auf dem Land ihre Lebensgrundlagen verloren haben. Der Urbanisierungsgrad auf den Philippinen ist einer der höchsten in Asien. Manila ist geprägt durch extreme soziale und ökonomische Gegensätze. Auf der einen Seite Reichtum und Wohlstand durch einen boomenden oft international ausgerichteten Elektronik- und Dienstleistungsbereich, auf der anderen eine wachsende Zahl armer Menschen, die tagtäglich den Kampf ums Überleben antreten. Diese Gegensätze spiegeln sich auch im Stadtbild wieder: Parallel zu den schicken 4 Dossier - FIAN-Deutschland
Die Philippinen und ihre Agrarreform neuen Einkaufszentren wachsen die Slums. Nicht dass die mussten große Mengen an Reis importiert werden, um die Philippinen ein von Grund auf armes Land wären, das Volks- Ernährung der Bevölkerung gewährleisten zu können. Das einkommen ist nur extrem ungleich verteilt: Die Reichsten bedeutet einerseits, dass die Abhängigkeit der Bevölkerung 5 Prozent der Filipinos/as besitzen ein Drittel des Volks- vom Weltmarkt und dessen Preisen enorm steigt. Anderer- einkommens, die Ärmsten 10 Prozent können lediglich 1,8 seits heißt dies, dass immer mehr Menschen ihre Nahrungs- Prozent für sich verbuchen. mittel einkaufen müssen - eine äußerst problematische Entwicklung bei der großen Zahl armer Menschen auf den Die landwirtschaftliche Entwicklung Philippinen. 4 Die Philippinen sind im Wesentlichen ein Agrarland. Mit 13 Neben den allgemeinen Problemen hat diese Politik noch Millionen Hektar werden mehr als ein Drittel der gesamten ganz konkrete Folgen für die Kleinbauern und -bäuerinnen. Landesfläche landwirtschaftlich genutzt. Etwa 40 Prozent Sie leben von der Subsistenzlandwirtschaft und dem Ver- der Arbeitskräfte sind in der Landwirtschaft tätig und 62 kauf der Überschüsse auf den lokalen Märkten. Mit den bil- Prozent der Landbevölkerung von ihr abhängig. Trotzdem ligen, häufig hochsubventionierten Reis- und Maisimporten leidet die Landwirtschaft an ihrer geringen Produktivität können sie oft nicht konkurrieren und verlieren damit eine und der allgemein schlechten Infrastruktur. Bemessen am wichtige Einnahmequelle. Arbeitsplätze, die einen solchen BIP verliert der Sektor stetig an Bedeutung. Die Regierung Verlust auffangen und den Lebensunterhalt sicherstellen versucht, dieser Entwicklung durch eine einseitige Förde- könnten, gibt es kaum. rung des Exportanbaus entgegenzuwirken. Diese Politik ist im Kontext der engen Ausrichtung der Regierung an den Landkonzentration als Hemmschuh Strukturanpassungsmaßnahmen der Weltbank zu sehen. Die der Hungerbekämpfung Programme sehen vor, den Anbau von Exporterzeugnissen wie Bananen, Spargel oder Nutzholz, die sich für die großen Ein weiterer entscheidender Grund für die große Armut auf Exporteure gewinnbringend auf dem Weltmarkt absetzen dem Land ist die extrem ungleiche Landverteilung. 1986 3 lassen, zu fördern . Dem gegenüber wird die Förderung verfügten zwei Prozent der Bevölkerung über 36 Prozent des traditioneller Nahrungsmittel, vor allem Reis und Mais, ver- Bodens. Die enorme Landkonzentration hat ihre Wurzeln in nachlässigt, obwohl sie elementar für die Ernährungssitua- der Kolonialzeit und wurde während der Marcos-Diktatur tion der breiten Bevölkerung sind. Die Exportorientierung weiter verschärft und verfestigt. der Landwirtschaft hat zur Folge, dass sich die Philippinen von einem Nettoexporteur zu einem Nettoimporteur von Die Großgrundbesitzer haben das Land oft seit Generatio- Lebensmitteln entwickelten. In den vergangen Jahren nen an Kleinbauern -und bäuerinnen verpachtet und küm- Die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse Die Philippinen sind ein Präsidialsystem mit einem Zweikammer-Parlament, dem Repräsentantenhaus und dem Senat. Die Regierungsform beruht auf der Verfassung von 1987. Staatsoberhaupt ist seit dem 20. Januar 2001 Gloria Macapagal- Arroyo (2004 wiedergewählt). Die Landessprachen sind Filipino (Tagalog) und Englisch (allgemeine Verkehrssprache), ein wenig Spanisch und Chinesisch sowie zahlreiche weitere regionale Sprachen und Dialekte. Neben der sprachlichen gibt es eine große ethnische Vielfalt. Circa 82 Prozent der Bevölkerung sind katholische Christen, 9 Prozent evangelische Christen und 5 Prozent Muslime. Unter den restlichen 4 Prozent dominieren Buddhisten, Taoisten, Hinduisten und Anhänger animistischer Religionen. Wie viele andere Entwicklungsländer weist auch die philippinische Wirtschaft eine typische Zweiteilung auf. Auf der einen Seite wächst eine moderne Elektro-Industrie stetig und der Dienstleistungssektor boomt - letzterer erwirtschaftet allein 50 Prozent des Bruttosozialprodukts. Die Philippinen bemühen sich intensiv darum, zu einer Drehscheibe im IT-Geschäft in Asien zu werden. Neben der Montage elektronischer Bauteile spielt die Erbringung von IT-gestützten Dienstleistungen (sogenannte business process outsourcing, call center) eine zunehmend wichtige Rolle. In den nächsten 5 Jahren wird mit einer Wachstumsrate von 25 bis 30 Prozent gerechnet. Auf der anderen Seite existiert ein Agrarsektor, der zwei Fünftel aller Arbeitsplätze stellt, 19 Prozent des Bruttosozialpro- dukts ausmacht und in weiten Teilen durch Subsistenzlandwirtschaft gekennzeichnet ist. Auf mittlere Sicht ist mit einem erheblichen Wachstum im Bergbau zu rechnen. Die Philippinen verfügen über große Lagerstätten an Gold, Kupfer und Nickel. Ebenfalls im Aufwind befindet sich der Tourismus. Die Zahl der ins Land kommenden Touristen stieg im Jahr 2006 auf 2,8 Millionen. Sollte dieser Trend gehalten werden, könnten 2010 schon 5 Millionen Touristen die Philippinen bereisen. Staatliche Unternehmen spielen vor allem im Energie- und Transportsektor eine Rolle. Die Steuerquote, also der Anteil der Steuern am BIP, ist mit 14 Prozent im Vergleich zu den Nachbarländern niedrig. Dossier - FIAN-Deutschland 5
Die Philippinen und ihre Agrarreform mern sich um nichts weiter als das Eintreiben ihrer Pacht. Die PächterInnen müssen teilweise bis zu 75 Prozent ihrer 5 Ernten an den Großgrundbesitzer abgeben. Zusätzlich ha- ben sie für alle weiteren Kosten aufzukommen und dürfen meist nicht selbst entscheiden, was sie auf dem gepachte- ten Land anbauen. Nur wenige der PächterInnen können von dem, was sie von ihrer Ernte behalten dürfen, ihre 6 Familien ausreichend ernähren. Die sozioökonomische Armut zeigt sich neben dem unzu- reichenden und fremdbestimmten Zugang zu Land aber auch in mangelnden Bildungsmöglichkeiten und fehlender sozialer Absicherung gegen Krankheiten, Arbeitslosigkeit, Alter und Naturkatastrophen. Die Möglichkeiten politi- scher Einflussnahme sind besonders in den von Landlords dominierten Enklaven praktisch nicht gegeben. Die Klein- bauern und -bäuerinnen haben somit nur sehr begrenzte Handlungsmöglichkeiten, um ihre eigene Lebenssituation zu verbessern. 3. Alles Kokosnuss? Ein Produkt, dass für viele Filipinas/os von großer wirt- schaftlicher Bedeutung ist, kennt man hier zulande nur als Duftstoff in Shampoos oder Duschgels - die Kokosnuss. Auf den Philippinen stehen rund 324 Millionen frucht- tragende Kokosnusspalmen. Laut der Philippine Coconut Ein Bauer bei der Copraherstellung Vom Taifun Durian zerstörte Kokospalmen Authority sind 3,1 Millionen Hektar der 12 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche Kokosnussplantagen. Es gibt 3,5 Millionen Kokosnussbauern und 25 Millionen Filipinos/as sind direkt oder indirekt von der Kokosnussin- dustrie abhängig. Jedes Jahr trägt die Kokosnussindustrie durchschnittlich 1,14 Prozent zum Bruttosozialprodukt der Philippinen bei. Mit 14,6 Millionen Tonnen im Jahr sind die Philippinen der zweitgrößte Produzent von Kokosnusspro- dukten weltweit nach Indonesien. Der Großteil geht in den 7 Export. Die Kokospalme ist für die Filipinos und Filipinas aber mehr als nur ein Exportschlager, er ist der Baum des Lebens, nicht zuletzt wegen seiner Vielseitigkeit. Im Westen kennt man vor allem Kokosnussprodukte wie das aus Kop- 8 ra gewonnene Kokosnussöl, Kokosnussmilch, Kokosnüsse zum Essen oder Seife- und Waschmittelprodukte. Doch die Kokosnuss und ihr Baum liefern den Filipinos und Filipinas noch eine Fülle anderer Produkte: Aus dem Wasser der Ko- kosnuss wird Kokosnusswein hergestellt, die Palmblätter werden für die Dächer der Hütten verwendet, der Stamm der Kokospalme wird als Nutzholz für den Bau der Hütten und die Herstellung von Möbeln verwendet oder die Kokosnuss- schale zur Produktion von Kohle. Doch der Baum des Lebens ist alt geworden. Die Produkti- vität der überalterten Palmen nimmt ab, die Erträge sin- ken. Diese Tendenz wird durch die jüngsten Taifune noch verstärkt. Allein der Taifun Durian beschädigte Ende 2006 ungefähr 43 Millionen Kokosnusspalmen so schwer, dass mit einer normalen Ernte erst wieder in zwei Jahren zu rechnen 9 ist. Betroffen davon sind alleine im Süden Luzons knapp 200.000 Bauern und Bäuerinnen. Nichtsdestotrotz ist die Gesamtentwicklung zu einem guten Teil hausgemacht. Denn 6 Dossier - FIAN-Deutschland
Die Philippinen und ihre Agrarreform Mittel für die Entwicklung der Kokosnussindustrie und die Verjüngung der Plantagen sind vorhanden. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Coco Levy Fund, der 1973 vom dama- ligen Präsidenten Marcos initiiert und heute zwischen 100 und 250 Milliarden Pesos (umgerechnet zwischen 1,5 und 4 Milliarden Euro) schwer ist. Diese Gelder wurden aber großteils zweckentfremdet oder direkt von Günstlingen der Marcos-Diktatur veruntreut. Bis heute wird zudem darum gestritten, ob der Fond privat oder staatlich ist. Dies ist nicht unerheblich für die Verwendung der Gelder. Würde er nachträglich als privat eingestuft, müssten die Gelder nicht zwangsläufig in die Entwicklung des Kokosnusssektors fließen und könnten so dem ursprünglichen Sinn des Fonds 10 entfremdet werden. Zurzeit befassen sich die philippini- schen Gerichte mit diesen Fragen. Die Gelder selbst bleiben solange eingefroren. Die Kleinbauern und -bäuerinnen leiden am meisten unter diesem Entwicklungsstillstand. Staatliche Investitionen in die überalterten und teilweise zerstörten Plantagen sind dringend notwendig. Zudem könnten die Gelder aus einem staatlichen Fond auch zur Finanzierung noch ausstehender Reformmaßnahmen im Rahmen des CARP verwendet wer- den. 4. Die Hacienda Uy und ihre Eine Bäuerin der KBMP auf dem Weg zum Markt Kokosbauern und -bäuerinnen Hier gibt es einen Markt, eine Polizeistation und einen Bür- germeister, der normalerweise aus einer finanzkräftigen und politisch einflussreichen Großgrundbesitzer-Familie Ungefähr zweihundert Kilometer südlich von Manila in der stammt. In San Narciso nimmt zur Zeit Victor Reyes, der Provinz Quezon liegt die Halbinsel Bondoc, eine der ärmsten mächtigste Großgrundbesitzer Bondocs, die Position des Regionen der Philippinen und ein Brennpunkt der Landkon- Bürgermeisters ein. Alleine in San Narciso besitzt er etwa flikte. Die meisten dortigen Gemeinden sind in niedrigsten 14.000 Hektar Land, gefolgt von der Familie Uy mit etwa Einkommensklasse eingestuft. So auch San Narciso, wo die 3.500 Hektar. Kokosbauern und -bäuerinnen der Hacienda Uy ihr Zuhause haben. Die meisten der fast 40.000 BewohnerInnen der Gemeinde San Narciso sind Bauern und Bäuerinnen, viele davon Päch- Wie auch in den anderen Gemeinden der Halbinsel Bondoc terInnen der Großgrundbesitzer-Familie Uy. Die Familie Uy liegt die gleichnamige Hauptstadt von San Narciso am Meer. fordert von ihren PächterInnen eine Ernteabgabe von 60 Wasserleitung aus Holz Prozent, obwohl dieses feudale Abga- besystem (sog. sharecropping) auf den Philippinen verboten ist. Neben dem vorgegebenen Anbau von Kokosnüssen kultivieren die meisten Bauern und Bäuerinnen etwas Reis oder Mais. Soweit möglich halten sie Schweine, Hühner oder Wasserbüffel. Besonders stolz sind einige Bauern auf ihre Kampfhähne, die sie zumeist liebevoll pflegen. Der Großteil der Dörfer der Gemeinde liegt in den Bergen und ist lediglich über unwegsame Trampelpfade zu Fuß, mit dem Pferd oder dem Wasserbüffel zu erreichen. In der Regenzeit ver- wandeln sich die Wege in den Bergen in ein Schlammfeld und sind nahezu unpassierbar. Die wenigsten Dörfer sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln Dossier - FIAN-Deutschland 7
Die Philippinen und ihre Agrarreform zu erreichen, kaum eines ist an das Stromnetz angeschlos- notwendig. Der Zugang zu eigenem Land und die Bereitstel- sen geschweigedenn an die öffentliche Wasserversorgung. lung entsprechender Rahmenbedingungen sind notwendige Die Kinder müssen häufig eine Stunde oder mehr bis zur Grundlage zur Umsetzung und Gewährleistung des Rechts nächsten Schule laufen. Nach der Grundschule endet für auf Nahrung. sie die Schulzeit, da ihren Familien die finanziellen Mittel für Schulgeld, -uniform, -materialien und Transport fehlen. Für eine ausreichende Gesundheitsversorgung reicht das 5. Die Umsetzung des Einkommen der Bauern und Bäuerinnen ebenfalls nur in den seltensten Fällen. Agrarreformprogramms CARP Harte Zeiten In der Geschichte der Philippinen gab es mehrere Ansätze, Derzeit gestaltet sich die Ernährungssituation auf Bondoc um durch Landreformen die extrem ungleiche und unge- Peninsula besonders schwierig. Die Supertaifune Milenyo rechte Verteilung von Bodenbesitz zu beheben. Leider und Durian haben im September und Dezember 2006 einen haben diese Ansätze keine grundlegende Veränderung der Eine vom Taifun zerstörte Hütte Situation gebracht. Oft fehlte der politische Wille des Staa- tes, sich gegen die Großgrundbesitzer durchzusetzen. Dies gilt besonders für die Halbinsel Bondoc. Die Grundidee des CARP Die aktuell laufende Agrarreform, das Comprehensive Agrari- an Reform Programme (CARP), ist 1998 nach dem Sturz der Marcos-Diktatur implementiert worden. Sie ist ein umfas- sender Ansatz, ländliche Armut zu bekämpfen, hatte aber auch zum Ziel, das große Protestpotential der verarmten Landbevölkerung zu entschärfen. Neben diesem staatlichen Ansatz kämpft die maoistische New People‘s Army (NPA), seit 1969 für eine radikale Agrarreform beziehungsweise Agrarrevolution. Unterstützung findet die NPA besonders bei der armen Landbevölkerung. Auch dadurch sah sich die Regierung gezwungen, eine Agrarreform umzusetzen. Das CARP selbst erfasst in einem ersten Schritt alles land- wirtschaftlich nutzbare Land. Jedem Pächter und jeder Großteil der Kokospalmen und Bananenstauden zerstört. Je Pächterin sowie jeder/m LandarbeiterIn stehen im Zuge nach Stärke der Schäden wird mit Ernteausfällen von bis zu dieses Programms drei Hektar Land und drei weitere pro zwei Jahren gerechnet. Dies bedeutet oft den kompletten Erbe zu. Neben der Landumverteilung sieht das umfassen- Verlust der Einnahmequelle. Vielerorts sind zudem die Häu- de (engl. comprehensive) Programm vor, die Begünstigten ser beschädigt oder komplett zerstört, sodass viele Familien durch Infrastrukturmaßnahmen, Bildungsprogramme, zurzeit unter freiem Himmel oder in provisorischen Lagern Kleinkredite und die Schaffung verbesserter Absatzmög- leben müssen. Aufgrund der hohen Ernteabgaben haben die lichkeiten zu unterstützen. Familien keine Möglichkeiten, Ersparnisse für Krisenzeiten zurückzulegen. Zwar gibt es offizielle Hilfen vom Staat, doch Die Kritik am Programm reichen diese bei weitem nicht aus, um die Familien zu er- nähren. In einigen Gegenden reicht es nur noch für ein bis Trotzdem gab es vor allem aufgrund der angemessenen zwei Mahlzeiten am Tag. Entschädigungszahlungen an die Großgrundbesitzer von Anfang an Kritik am CARP. Die Landreformbegünstigten In dieser prekären Lebenssituation suchen die Betroffenen müssen ihr erworbenes Stück Land nach und nach in Raten nach neuen Möglichkeiten, um ihr Überleben zu sichern. Ei- abzahlen. Zum einen widerspricht dies dem Grundgedanken nige ziehen in der Hoffnung, Arbeit zu finden, nach Manila, der Umverteilung und zum anderen sind die so genannten andere gehen fischen, produzieren Trockenfisch oder stellen Entschädigungszahlungen meist viel zu hoch angesetzt. Holzkohle her und verkaufen ihre Produkte auf den lokalen Außerdem erfolgt die Landvermessung und -verteilung erst Märkten. Die Großgrundbesitzer versuchen oft, die Päch- nach einer Antragstellung und nicht allein aufgrund des terInnen an ihren neuen Geschäften zu hindern. Sie bean- Gesetzes. Die AntragstellerInnen wissen somit nicht, ob das spruchen das Meer, den Strand und oder gar die von den beantragte Land überhaupt durch das Programm erfasst ist. Taifunen zerstörten Bäume als ihr Eigentum. Sie versuchen Die Langwierigkeit der nötigen Schritte bilden eine zusätz- mit allen Mitteln das Abhängigkeitsverhältnis aufrechtzuer- liche große Hürde im Reformprozess. Auch bietet das Pro- halten, bildet dies doch die Grundlage ihres Wohlstands und gramm zu viele Möglichkeiten, aus dem Enteignungsprozess ihrer politischen Macht. ausgenommen zu werden: Alles nicht ackerbaulich genutzte Land, das heißt Weideland, für Tourismus, Industrieanlagen Für bessere Lebensumstände und eine gesicherte und aus- und Freizeiteinrichtungen ausgeschriebener Boden wie gewogene Ernährung ist eine Landumverteilung zwingend auch die großen für den Weltmarkt produzierenden Frucht- 8 Dossier - FIAN-Deutschland
Die Philippinen und ihre Agrarreform plantagen sind ausgeschlossen. Dies führt beispielsweise was häufig eine Inhaftierung zur Folge hat. Hohe Kautionen dazu, dass einige Landlords während einer Vermessung ihr und Verdienstausfälle treffen die Familien hart. Diese Art Vieh von Ackerland zu Ackerland treiben, um es als Weide- der Kriminalisierung ist ein typisches und häufig angewen- land deklarieren zu lassen und damit aus der Landreform detes Mittel in Enklaven, in denen die politische Macht über ausgeschlossen zu werden.11 Recht und Unrecht entscheidet. Insgesamt wird kritisiert, das CARP ähnele eher einer Im- Fazit mobilienagentur als einer Landreform. Der Staat nehme lediglich eine vermittelnde Rolle zwischen ungleichen Part- Bisher wurde im Rahmen des CARP vor allem öffentliches nern ein und wirke nicht als eine Instanz, welche die Rechte und freiwillig verkauftes Land verteilt. Die wenigsten der BürgerInnen mit Staatsgewalt durchzusetzen versuche. Großgrundbesitzer wurden von der Regierung unter Druck Den unterschiedlichen Machtverhältnissen zwischen Groß- gesetzt und das Instrument der Zwangsenteignung wurde grundbesitzern und Antragstellern wird im Prozess keine nur in den seltensten Fällen angewendet. Dies geschah Rechnung getragen. meist dann, wenn es sich um Haziendas politischer Gegner handelte. Ein Antrag auf Land und seine Folgen Angaben der philippinischen Regierung zufolge sind 6 der Die Großgrundbesitzer versuchen nicht nur, die Landreform für das CARP vorgesehenen 10 Millionen Hektar an die Bäu- 12 zu umgehen, sondern richten ihren Unmut auch direkt erInnen verteilt worden. Allerdings ist diese Aussage mit gegen die AntragstellerInnen. In vielen Fällen werden die Vorsicht zu genießen. Dabei handelt es sich zum größten 13 PächterInnen, nachdem sie einen Antrag auf Land gestellt Teil um Staatsland , die mächtigen Großgrundbesitzer haben, von den bewaffneten Schlägertrupps der Groß- blieben weitgehend verschont. Hinzu kommt, dass lediglich grundbesitzer vertrieben. Anschließend werden sie durch 60 bis 70 Prozent der Begünstigten das ihnen zugespro- PächterInnen ersetzt, die keinen Anspruch auf eigenes Land chene Land tatsächlich kontrollieren. Sie erhalten statt anmelden. AntragstellerInnen oder PächterInnen, die sich eines Landtitels ein Anteil an einer Firma beziehungsweise gegen das illegale Abgabesystem wehren, werden von den den Unternehmeraktien und bleiben folglich in der Ab- Großgrundbesitzern kurzerhand des Diebstahls bezichtigt, hängigkeit des Großgrundbesitzers, da dieser weiterhin entscheidet, was angebaut wird. In vielen Fällen wird den Begünstigten die notwendige und versprochene staatliche Unterstützung verweigert. So können sie vor allem in der Die Landreform der New People‘s Army Startphase wirtschaftlich kaum überleben. Viele mussten ihr gerade erworbenes Land wieder an den Großgrundbe- Die New People‘s Army (NPA) spricht der philippinischen sitzer zurückvermieten, um anschließend erneut als Land- Regierung die Legitimität ab und lehnt von daher jegli- arbeiterIn für diesen zu arbeiten. Wieder andere sind im Be- che staatliche Reform ab- so auch das Agrarreformpro- reich des Vertragsanbaus für den Weltmarkt gestrandet und gramm CARP. Sie kritisiert die vorgesehene Entschädi- haben, obwohl sie die Landbesitzenden sind, de facto keine gung für Großgrundbesitzer. Ihre zentrale Kritik richtet Kontrolle über die Produktion. Die Entscheidungsmacht sich aber gegen die Annahme, das Programm könne bleibt in den Händen von Konzernen oder den vorherigen etwas an den grundlegenden Strukturen und Macht- Großgrundbesitzern, welche außerdem alle Zulieferdienste verhältnissen im Lande ändern. Sie sehen das CARP wie Traktoren, Sprühflugzeuge, Verpackung usw. besitzen lediglich als ein Alibiprogramm der Regierung, dass die und die Kleinbauern und -bäuerinnen mit Leichtigkeit in arme Landbevölkerung beschwichtigen soll und so eine Abhängigkeit halten können. wirkliche Umverteilung von Land verhindert. Inzwischen ist die Landverteilung fast vollständig zum Still- Die NPA selbst kämpft für eine revolutionäre Agrarre- stand gekommen, und das CARP läuft Ende 2008 aus. Land- form, in der Großgrundbesitz gänzlich umverteilt wer- wirtschaftlich nutzbares Land, das unter die Landreform den soll. Sie finanzieren ihren Kampf, indem sie in den fällt, bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht verteilt ist, von ihnen beeinflussten Gebieten eine so genannte Re- wird nicht weiter verteilt. Zusätzlich ist die Fläche des einst volutionssteuer erheben. PächterInnen und Landarbei- als landwirtschaftlich nutzbar deklarierten Landes im Laufe terInnen, die auf der Grundlage des CARP einen Antrag der Jahre aufgrund massiver Nutzungsumwidmungen enorm auf Land gestellt haben, werden immer wieder von der reduziert worden. Das ursprüngliche Ziel vom CARP ist nicht NPA eingeschüchtert und bedroht. Paradoxerweise koo- erreicht worden und trägt in vielen Gebieten kaum zu einer periert die NPA sogar mit einigen Großgrundbesitzern - gerechteren Entwicklung und der besonders im ländlichen zwei Erzfeinde mit dem gemeinsamen Ziel das staatliche Raum notwendigen politischen Demokratisierung bei. Agrarreformprogramm zu behindern. Es wird vermutet, dass die Großgrundbesitzer eine Revolutionssteuer an die NPA zahlen. Die NPA versucht im Gegenzug dafür zu 6. Der legale Kampf um Land sorgen, dass die PächterInnen und LandarbeiterInnen keine Anträge auf Land stellen und die Großgrundbe- sitzer ihre Haziendas behalten können. Dadurch hat Die eben aufgezeigten Probleme und Behinderungen legaler die NPA unter ihren AnhängerInnen an Glaubwürdigkeit und angemessener Landreformen zeigen sich auch am be- verloren. reits vorgestellten Fall der Familie Uy und deren Pächter in San Narciso. Den Großteil des Landes der Halbinsel Bondoc Dossier - FIAN-Deutschland 9
Die Philippinen und ihre Agrarreform heuerte Schlägertrupps mit der sys- Marktgestützte Landreform tematischen Bedrohung der Antrag- stellerInnen. Diese wurden zunächst Die Weltbank entwickelte Mitte der 1990er Jahre das Modell der marktgestützten Landref- verbal eingeschüchtert. Im weiteren orm. Mit diesem Ansatz spricht sie Agrarreformen zwar wieder eine zentrale Bedeutung bei Verlauf eskalierte die Gewalt drama- der Armuts- und Hungerbekämpfung zu, auf den zweiten Blick beruht dieses Modell jedoch tisch - von der Zerstörung von Eigen- nicht auf der Logik traditionell umverteilender Landreformen. Diesem ‚neuen‘ Ansatz liegt tum über Vertreibung von ihrem Land die These zugrunde, dass eine erfolgreiche Landreform Anreize zu einer freiwilligen Betei- bis hin zur Anwendung physischer ligung der Grundbesitzer schaffen müsse. Das marktgestützte Landreformmodell verzichtet Gewalt und Ermordung. In dem Dorf auf das Kernelement klassischer Agrarreformen, die Möglichkeit der Enteignung von Grund- San Vincente, dass zur Gemeinde San besitz. Es setzt einzig auf die Logik des freien Marktes. Der Landmarkt wird von allen Rest- Narciso gehört, wurden seit 1998 vier riktionen befreit beziehungsweise liberalisiert und die Preise sind abhängig von Angebot lokale Bauernführer der KMBP brutal und Nachfrage. Durch die sofortige Auszahlung des vollen Marktpreises an die Großgrund- umgebracht. Der größte Teil des dorti- besitzer sollen Anreize für den Verkauf von Land geschaffen werden. Potentielle KäuferIn- gen Landes gehört der Familie Uy oder 16 nen erhalten einen Kredit und müssen ihn innerhalb einer bestimmten Frist vollständig und befindet sich unter ihrer Kontrolle. verzinst zurückzahlen. Der Erfahrung nach beteiligen sich Großgrundbesitzer jedoch kaum an dieser freiwilligen Landreform, da ihr Land vor allem wichtiges Statussymbol und Grund- Neben den Bedrohungen durch die be- lage ihrer Macht ist. Zudem steigen die Landpreise durch die staatlichen Kredite oft stark waffnete Privatarmee des Landbesit- an. Die ‚Begünstigten‘ sind durch die Verschuldung nicht in der Lage, notwendige Erstin- zers Uy spielt die NPA in dieser Region vestitionen zu tätigen und viele verlieren ihr Land bereits nach kurzer Zeit wieder. Dadurch, eine wichtige Rolle. Sie bedroht und dass die ländlichen Armen durch den Landkauf auf Kredit das Programm finanziell tragen schikaniert die AntragstellerInnen 14 sollen, wird die Grundidee der Umverteilung von Land ad absurdum geführt. und ist nachweislich für einen der vier Morde verantwortlich. Nur in einem Auch die philippinische Regierung, bekannt für ihr Weltbank-konformes Handeln, setzt Fall wurde der Täter festgenommen, mehr und mehr auf dieses Prinzip des freiwilligen Verkaufs von Boden. kam aber nach kurzer Zeit für eine Kaution von umgerechnet 680 Euro wieder frei. teilen sich die drei Großgrundbesitzer-Familien Uy, Reyes 15 und Matias. Die Grundlage für ihren Großgrundbesitz haben In der Vergangenheit haben die in der KMBP organisierten sich die Familien zur Zeiten der Marcos-Diktatur geschaffen. Bauern und Bäuerinnen die Regierung mehrmals aufgefor- Die Familie Uy erwarb schon einiges Land in den 1960ern, dert, sie vor der Bedrohung durch die bewaffneten Ange- vor allem aber die Zeit des Kriegsrechts von 1972 bis 1981 stellten der Uy-Familie zu schützen. Es gab mehrere Treffen nutzten die Familien zur massiven und illegalen Aneignung mit Vertretern des DAR und anderen Regierungsstellen wie von Land. Als damaliger Bürgermeister der Gemeinde San dem Justizministerium, dem Department für soziale Gerech- Narciso nutzte Juanito Uy seine politische Macht, um sei- tigkeit und Entwicklung oder dem Umweltministerium. Die ner Familie öffentliches Land zu übertragen. Aufgrund des Das gelobte Land? Am Zaun der Uy-Ländereien anhaltenden politischen Einflusses der Großgrundbesitzer blieben ihre Ländereien bis heute weitestgehend von der staatlichen Agrarreform CARP verschont. Auch als 1990 das Bondoc Development Program (BDP), ein Entwicklungsprojekt der philippinischen Regierung mit Unterstützung der deutschen Entwickungszusammenarbeit (siehe Kap. 7) gestartet wurde, blieben die großen Land- besitztümer, wie jene der Familie Uy, nahezu unangetastet. Das änderte sich erst, als im Juli 1996 die Verantwortlichen des BDP die Nichtregierungsorganisation PEACE (Philip- pine Ecumenical Action for Community Empowerment) beauftragten, mögliche Antragsteller über ihre Rechte aufzuklären, zu organisieren und im Agrarreformprozess zu begleiten. Im folgenden Jahr gründete sich so die People‘s Organisation KMBP (Kilusang Magbubukid ng Bondoc Penin- sula), eine Vereinigung aller lokalen Bauernorganisationen auf der Halbinsel Bondoc, die sich für eine Umverteilung im Sinne des staatlichen Agrarreformgesetzes einsetzt. Wer Recht will, lebt gefährlich Seit Mitte 1996 haben auch die PächterInnen der Uy-Län- dereien Anträge auf Zuteilung von Land beim Department of Agrarian Reform (DAR), eingereicht. Allerdings ohne Erfolg - im Gegenteil: Kurz nachdem die ersten Landanträge eingingen, begannen von den Großgrundbesitzern ange- 10 Dossier - FIAN-Deutschland
Die Philippinen und ihre Agrarreform Bauern und Bäuerinnen haben ihren Anspruch auf Schutz vor Bedrohung, Besitz von Land und sofortige Erfas- sung ihres Besitzes deutlich gemacht. Seitens der Regierung wurden bisher jedoch keine konkreten Maßnahmen ergriffen, diesen berechtigten Forde- rungen nachzukommen. Die Bilanz des BDP ist bezüglich der Umverteilung der Ländereien der Groß- grundbesitzer vernichtend. Bis heute, über zehn Jahre nach den ersten Anträ- gen, ist ein einziges Stück Land einem Antragsteller zugesprochen worden. Aktuelle Situation Die Nachfolger der ermordeten Bauern- Eine BäuerInnenversammlung der KMBP führer aus San Vicente werden bis heute von Uys Privatarmee und der NPA bedroht. Der Bruder eines Ermordeten konnte sich dabei um die bewaffneten Angestellten von Uy. Sie befinden sich Ende 2003 nur knapp einem Angriff der NPA entkommen. Er seit November letzten Jahres in Untersuchungshaft. Die Anhörung des ist floh daraufhin nach Manila und lebt dort seit Januar 2004 Falls wurde inzwischen zum dritten Mal verschoben, da der Antragstel- mit seiner Familie im Büro von PEACE. Ein anderer lokaler ler keinen Anwalt hatte. Bei der vierten Anhörung im März 2007 wurde Bauernführer hat im letzten Jahr eine Anzeige gegen zwölf er durch einen von PEACE organisierten Anwalt vertreten. Im Juli folgt Personen, die ihm mit Mord drohten, erstattet. Es handelt eine weitere Sitzung, in der neue Zeugen gehört werden sollen. Interview mit dem Landantragsteller Cipriano Janson Cipriano Janson, 40 Jahre alt, verheiratet und Vater von 10 Kindern, ist Bauer und lebt vom Kokosnuss-, Reis- und Maisanbau. Außer- dem ist er Mitglied der Bauernbewegung auf Bondoc und Vizepräsident der lokalen Untergruppe des Dorfes Centro in der Gemeinde San Narciso. Interviewer: Wann haben Sie Ihren Landantrag gestellt? Cipriano: Im Jahr 2003. Interviewer: Was passierte nachdem Sie Ihren Antrag gestellt haben? Cipriano: Seit ich den Antrag gestellt habe, bedrohen mich bewaffnete Angestellte des Großgrundbesitzers. Seit drei Jahren traue ich mich nicht mehr ins Nachbardorf, weil mir von einem der Angestellten mit Mord gedroht wurde, nachdem ich mit dem Boykott des Abgabesystems an den Landbesitzer begonnen habe. Mit dem Boykott habe ich nach der Landantragstellung angefangen. Ich gebe keinen Teil meiner Ernte an den Landbesitzer und seine Angestellten, weil ich glaube, dass das Land mir gehört. Interviewer: Gab es auf Ihre Landantragstellung eine Reaktion von der NPA (New People‘s Army)? Cipriano: Seit Beginn der Anträge, sagt die NPA zu den Leuten „Wieso stellt ihr Anträge? Der Landbesitzer ist doch fair. Hört auf Anträge zu stellen!“ Als ich noch jünger war, war ich selbst bei der NPA. Als jedoch nichts passierte, bin ich wieder ausgeschieden. Interviewer: Wie verhält sich die Großgrundbesitzerfamilie Uy gegenüber Ihnen, seit Sie den Antrag auf Land gestellt haben? Cipriano: Wir mussten Anträge stellen, damit solche Sachen wie mit den Zäunen nicht passieren. Manchmal kommt das Vieh von Uys Land durch den Zaun und frisst unsere Ernte. Als ich den Manager von Uy fragte, ob sie den Zaun nicht reparieren könnten, meinte er: „Wenn du nicht akzeptieren kannst, wie diese Dinge funktionieren, dann verschwinde besser von hier!“ Von den 40 Prozent der Ernte, die mir und meiner Familie bleiben, kann ich mir fast nichts leisten. Zusätzlich bekommen wir das Geld dafür immer erst sehr spät. July zum Beispiel (ein anderer Bauer) hat seinen Anteil immer noch nicht bekommen, nach einem Jahr. Im Augenblick ist unser Status wie der von Arbeitern; wir können erst dann Bauern genannt werden, wenn wir unser eigenes Land haben. Ich hoffe, die Leute von der Regierung werden uns dabei helfen. Interviewer: Wie hat sich Ihr Antrag entwickelt? Cipriano: Es gibt einen Einspruch von Uy. Er behauptet die 395 Hektar, für die wir Anträge gestellt haben, seien Weideland (Wei- deland ist vom Agrarreformgesetz ausgenommen). Wir wissen, es ist kein Weideland. Es gibt aber noch keine Resultate vom DAR. Es wird nicht möglich sein, den Fall vor 2008 abzuschließen. Nur wenn das CARP für zehn Jahre verlängert wird, kann unser Fall gelöst werden. Interviewer: Was machen Sie, wenn das CARP nicht verlängert wird? Cipriano: Falls das CARP nicht hilft, bewaffnen wir uns und kämpfen für unser Land! Das Interview führte Olivier Hoffmann im Januar 2007. Im Februar 2007 hat der Oberste Gerichtshof zugunsten der Landbesitzerfamilie Uy entschieden. Die 395 Hektar Land sind als Vieh- und Weideland klassifiziert worden und damit vom CARP ausgeschlossen. Dossier - FIAN-Deutschland 11
Die Philippinen und ihre Agrarreform Die Kriminalisierung des Landkampfes auf Bondoc Peninsula Gegen viele der Bauern und Bäuerinnen Bondocs wurde seit ihrem Antrag auf Land Anzeige von einem der Großgrundbesitzer erstat- 17 tet. Aktuell (März 2007) handelt es sich um 69 Haftbefehle von insgesamt 259 Fällen gegen 274 PächterInnen. In fast allen Fällen lautet die Anklage Kokosnussdiebstahl, Betreten von Privateigentum oder mutwillige Sachbeschädigung. Die Landlords kennen die schwierige ökonomische Situation ihrer PächterInnen und versuchen, diese zu ihren eigenen Gunsten auszu- nutzen. Allein schon durch die Anzeige verschlechtert sich die Lebenssituation der Angeklagten ernorm. Die Bauern und Bäuerinnen müssen zu Gerichtsterminen erscheinen und jedes Mal eine mehrstündige, für sie schwer oder gar nicht zu zahlende Busfahrt auf sich nehmen. Anhörungen werden oft willkürlich verschoben. Für die Bauern und Bäuerinnen bedeutet dies, einem weiteren Gerichts- termin beiwohnen zu müssen, da bei Nichterscheinen die sofortige Festnahme droht. Zusätzlich zum finanziellen und zeitlichen Auf- wand werden sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die angeklagten AntragstellerInnen können jederzeit durch die Polizei in Gewahrsam genommen werden. In einigen Fällen erfahren die Angeklagten lediglich durch die bewaffneten Angestellten des Großgrundbesitzers von ihren Anzei- gen. Sie selbst haben nie ein Schreiben von einer staatlichen Stelle bekommen. Nach dem gleichen Muster verlaufen die Festnah- men. Sie werden häufig nicht von der philippinischen Polizei, sondern von den bewaffneten Angestellten der Großgrundbesitzer durchgeführt. Die anhängenden Verfahren werden wenn möglich als Kriminaldelikte eingestuft; so verbleiben die Fälle bei der Gerichtsbarkeit vor Ort. Würden sie als Konflikte im Rahmen der Agrarreform eingestuft, müssten sie vor dem jeweiligen Provinzgericht verhandelt werden, das oft nicht mehr in der direkten Einflusssphäre der Landlords liegt. Die drei großen Landbesitzerfamilien auf Bondoc kriminalisieren ihre PächterInnen durch willkürliche Anzeigen und versuchen, sie damit davon abzubringen, sich für ihr Recht auf Land einzusetzen. Die traditionellen Seilschaften der Großgrundbesitzer zu Polizei und Justiz kommen ihnen dabei zu Gute. Die Großgrundbesitzerfamilie Uy hat in letzter Zeit mehr- Stärkung der lokalen sozialen Strukturen integriert. Durch fach versucht, ihr Land von der Agrarreform auszuschlie- das Community Organising (CO) wurden die Gemeinden über ßen, indem sie es als Weideland klassifizieren lassen wollte. ihre Rechte im Rahmen des CARP aufgeklärt und bei den oft Das letzte Urteil in dieser Frage ist im Februar 2007 vom langwierigen Rechtsprozessen unterstützt. Zudem führte Obersten Gerichtshof zugunsten der Familie Uy ausgefallen. das Engagement der GTZ auf Bondoc dazu, dass die Agrarre- Die Anträge der PächterInnen auf die Umverteilung von 350 formbehörde sich ‚auf die Finger geschaut‘ fühlte, was den Hektar des Uy-Landes sind damit abgewiesen, das Land Entscheidungsprozess in vielen Fällen beschleunigte. ist vom CARP ausgenommen, und für die PächterInnen ist der legale Weg, Land zu bekommen, ausgeschöpft. Für die Im CO arbeitete die GTZ eng mit der philippinischen NRO AntragstellerInnen auf 133 bzw. 456 Hektar des von der Fa- PEACE Foundation zusammen und übertrug ihr einen Groß- milie Uy beanspruchten aber nicht nachweislich genutzten teil der Aufgaben. Ein zentraler Gedanke des CO ist es, nach- Landes, steht die Frage der Landklassifizierung weiterhin haltige soziale Strukturen zu schaffen, die auch nach Ablauf aus. des Programms fortbestehen. Umorientierung zeigt Wirkung... 7. Das fragliche Verhalten der Dieser Teil des BDP zeigte sich als sehr erfolgreich, auch weil deutschen EZ auf Bondoc die AntragstellerInnen durch die internationale Präsenz einen gewissen Schutz vor der Willkür der Landlords - sei es durch die Beeinflussung der lokalen Gerichtsbarkeit oder Aller Anfang ist schwer durch direkte Gewaltausübung - genossen. Diese Situation ermutigte viele Pächter, überhaupt erst einen Antrag auf 18 Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, genauer die Land zu stellen. Zudem konnten sich durch die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), hat sich Präsenz Organisationsstrukturen entwickeln, die unter an- seit 1990 im Rahmen des Bondoc Development Programme deren Umständen im Keim erstickt worden wären. Es schien, (BDP) auf der Halbinsel engagiert. Zu Beginn konzentrierte als ob die quasi-feudalen Machtstrukturen zu bröckeln sich das BDP auf den Ausbau der Infrastruktur, vor allem begannen. den Straßenbau. Für diese eindimensionale Konzeption von ländlicher Entwicklung wurde das Programm anfangs stark ...und das Ende des Fortschritts kritisiert. Im Zentrum der Kritik stand zudem der Vorwurf, das Infrastrukturprogramm diene in erster Linie der Auf- Im Jahr 2003 wurde das viel versprechende und auf vielen standsbekämpfung gegen die Rebellen. Ebenen erfolgreiche Projekt gestoppt. Folge des Rückzugs war eine Welle der Gewalt und Kriminalisierung gegen die Mitte der 90er Jahre wurde ein Programmschwerpunkt zur AntragstellerInnen und BauernführerInnen. Detailliert 12 Dossier - FIAN-Deutschland
Die Philippinen und ihre Agrarreform dokumentiert wurde diese Entwicklung 2006 durch eine von FIAN durchgeführte Untersuchungsmission und die Porträt: Danilo „Danny“ Carranza 19 Berichte der MenschenrechtsbeobachterInnen von IPON : Seit 2003 wurden vier Bauernführer ermordet und Anfang Seit Februar 1994 arbeitet Danilo Carranza, 2007 dokumentierten die BeobachterInnen die grausame genannt Danny, bei der PEACE Foundation (Phi- 20 Verstümmelung eines Antragstellers. lippine Ecumenical Action for Community Empo- werment), einem philippinischen Netzwerk, das Begründet wurde der Rückzug zum einen mit dem Über- sich aus autonomen Institutionen und Organi- schreiten der Förderhöchstdauer für Projekte. Zum anderen sationen zusammensetzt, die das gemeinsame argumentiert das BMZ, dass die Gemeinden durch das CO so Ziel eint, Agrarreformen durchzusetzen und gestärkt wären, dass sie sich gegen die Willkür der Landlords die ländliche Entwicklung und den Demokrati- und der NPA ausreichend zur Wehr setzen können. Auch das sierungsprozess voranzutreiben. Danny ist 39 übliche follow-up für ein solches Projekt wurde nicht durch- Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder. Seine Arbeit bei PEACE geführt, obwohl ein von FIAN und PEACE vorgeschlagenes, ist die Analyse von Umsetzung, Veränderungen und Auswirkungen dringend notwendiges Rechtsbeistandsprogramm keiner des staatlichen Agrarreformgesetzes CARP, von dem er sagt, es großen Ressourcen bedarf. Der Verweis auf die philippi- sei das „Produkt seiner Zeit, (...) als die Eliten Kompromisse ein- nische Regierung, die kein Interesse an einer Fortführung gehen mussten, um eine scheinbare Umwandlung von autoritärer habe, ist unbefriedigend. Denn letztendlich bestimmt die Herrschaft zu einem demokratischeren System zu vollziehen. Weil deutsche Politik die Schwerpunkte ihrer Entwicklungszu- es aber das Produkt eines Kongresses ist, der von Landbesitzern sammenarbeit. dominiert wurde, hat das Gesetz lauter Hintertürchen, die sie (die Landbesitzer) benutzen können um der Landreform zu entgehen Durch hartnäckiges Drängen von PEACE und FIAN unternahm oder sie zu verlangsamen.“ die GTZ 2005 dann doch noch eine Untersuchungsmission, um den Vorwürfen der Gewalteskalation und zunehmender Gefragt, was es braucht um die Agrarreform voranzutreiben, meint Menschenrechtsverletzungen seit dem Ende des Projekts Danny zum einen politischer Wille, wobei man der Tatsache ins Auge nachzugehen. Jedoch wurden weder die Betroffenen vor sehen müsse, dass die höchsten politischen Kreise selbst Landbesit- Ort und die PEACE Foundation - die zentralen Akteure - noch zer oder von Landbesitzern beeinflusste oder bestochene Personen FIAN an der Untersuchungsmission beteiligt. Vor diesem sind, die wenig bis kein Interesse an einer Umverteilung haben. Hintergrund ist das Ergebnis der Untersuchungsmission Zum anderen müsse das Agrarreformgesetz reformiert werden. Das zu sehen, das zu dem Schluss kommt, keinen Anstieg der (einzig) Gute an der derzeitigen Agrarreform sei, dass es einem er- Gewalt beobachten zu können und somit auch keinerlei laube, die Politik wegen der Nicht-Umverteilung des Landes in die Handlungsbedarf zu sehen. Verantwortung zu nehmen, wofür es vor der Verabschiedung des CARP keine gesetzliche Grundlage gab. In einem Brief an das BMZ schildert die PEACE Foundation die Entwicklung völlig anders: „Die deutsche Regierung Zu dem Fall Uy hat Danny eine besondere Verbindung, war er doch kam nach Bondoc, stocherte in einem Hornissennest her- einer der ersten so genannten Community Organizer, die auf der um und als die Hornissen zum Angriff ansetzten machten Bondoc Halbinsel die Bauern und Bäuerinnen organisierten. „Vor sie sich auf und davon. Sie ließen die bei weitem Verwund- unserem Eintritt in das Gebiet (1996), waren die PächterInnen des barsten alleine. Dabei muss betont werden, dass die ‚Hornis- Landbesitzers Uy noch nicht organisiert und wussten nicht, dass das senstiche‘, von denen hier gesprochen wird, Mord, versuch- vorherrschende Abgabesystem (60 Prozent für den Landbesitzer, 40 ten Mord, Vertreibung und Zerstörung privaten Eigentums Prozent für die PächterInnen) seit 1988 illegal war.“ 21 einschließen.“ Schwerwiegende Vorwürfe an die deutsche EZ. Wie aber löst man das Problem der Landumverteilung? Auch darauf hat Danny eine Antwort: „Die PächterInnen müssen in der Lage Auch vor dem Abzug der GTZ gab es Gewalt auf Bondoc, aber sein, an dem Prozess teilzunehmen um den Ausgang der Agrarre- sie war nicht so flächendeckend und massiv. Die aktuellen form mit zu beeinflussen. Ihr eigenes Engagement ist gefragt. (...) Geschehnisse tragen dazu bei, dass die aufgebauten sozi- Das garantiert natürlich nicht, dass die Bauern und Bäuerinnen ihr alen Strukturen und die Organisationen der Kleinbauern Land bekommen werden. Es verbessert lediglich ihre Chancen zur wieder geschwächt und möglicherweise zerschlagen wer- Teilnahme an den Mechanismen, von denen sie aus ökonomischen den. Das kann nicht im Sinne der deutschen Entwicklungs- oder politischen Gründen traditionell ausgeschlossen waren.“ zusammenarbeit sein, die Nachhaltigkeit als Leitmotiv ihres Handelns vorgibt. Landverteilung bei der Armuts- und Hungerbekämpfung 8. Des Menschen Recht auf eine zentrale Bedeutung zu. Nicht nur auf den Philippinen sehen sich Kleinbauern und -bäuerinnen, Landlose und Nahrung und die Arbeit von FIAN PächterInnen in ihrem lokalen Umfeld Großgrundbesitzern gegenüber, die die politische und ökonomische Macht bei sich bündeln. Die Durchsetzung ihrer Rechte ist für die Be- Etwa 80 Prozent der Hungernden weltweit leben auf dem troffenen langwierig und geht oft einher mit der Bedrohung Land. Ein Hauptgrund für die ländliche Armut ist die hohe ihres Lebens und dem ihrer Familien. Für eine effektive Landkonzentration in den Händen weniger Großgrund- Durchsetzung ihrer Rechte ist es deswegen äußerst wichtig, besitzer. In vielen Ländern kommt somit der Frage der den Prozess aus der lokalen Isolation zu befreien. FIAN leis- Dossier - FIAN-Deutschland 13
Die Philippinen und ihre Agrarreform tet einen Beitrag dazu, indem es einen öffentlichen Raum für die Forderungen der Menschen schafft. 1999 haben FIAN und die internationale Kleinbauern- bewegung La Via Campesina gemeinsam die weltweite Agrarreformkampagne Brot, Land und Freiheit gestar- tet. In diesem Rahmen unterstützen sie Kleinbauern und -bäuerinnen und Landlosen bei ihrem rechtmäßigen Kampf um Land. Ziel der Kampagne ist es, umverteilende Agrarreformen wieder als ein zentrales Mittel zur Be- kämpfung von Hunger und Armut auf die Agenda staat- licher Politik und internationaler entwicklungspolitischer Akteure zu bringen. Im Rahmen internationaler Verpflichtungen haben die Philippinen das Menschenrecht auf Nahrung im Rahmen des UN-Pakts für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte anerkannt. Der Pakt weist Agrarrefor- men eine zentrale Bedeutung bei der Umsetzung des Rechts auf Nahrung zu. Im ländlichen Raum ist der Zu- gang zu Land und den notwendigen Produktionsmitteln für die Mehrheit der Bevölkerung Voraussetzung für die Umsetzung des Rechts sich zu ernähren. Die von FIAN und La Via Campesina organisierten Unter- suchungsmissionen auf den Philippinen erwiesen sich als sehr öffentlichkeitswirksam und boten den philip- pinischen Bauernbewegungen in ihrem Kampf um Land Passieren verboten - das Abschneiden des Wegs zum Markt als Repression eine wichtige Unterstützung. Dabei wurden konkrete Fakten gesammelt und dokumentiert wie auch Kontakte zu den Betroffenen und ihren Organisationen aufgebaut. der PächterInnen voranzutreiben und für die Sicherheit der Gegenseitiger Austausch und direkter Kontakt zwischen den AntragstellerInnen zu sorgen. Betroffenen und FIAN ist Voraussetzung und Grundlage für eine erfolgreiche und dauerhafte Zusammenarbeit. Zum Internationalen Tag der Landlosen (17. April) orga- nisierte die Bielefelder Gruppe 2006 gemeinsam mit dem deutschen FIAN-Büro und der Gruppe Bondoc Solidarity 9. Die Fallarbeit der aus Hamburg eine Protestaktion vor der philippinischen Botschaft in Berlin. Der Dokumentarfilm Bodenbesitzen. Bielefelder FIAN-Gruppe Stimmen von Philippinischen Kokosbauern der Filmemache- rInnen Janina Dannenberg und Johannes Richter wurde an die Fassade der Botschaft projiziert und PassantInnen wur- Die Bielefelder FIAN-Gruppe begleitet den Fall Uy inzwischen den aufgefordert, an der Eilaktion teilzunehmen. seit anderthalb Jahren. Nachdem im Frühjahr 2004 Belinda Formanes von PARRDS (Partnership on Agrarian Reform and Der Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen der FIAN- Rural Development Services) und Rebecca Ruga, Mitglied der Gruppe Bielefeld und der Gruppe Bondoc Solidarity hat bis lokalen Bauernorganisation KMBP (Kilusang Magbubukid ng heute Bestand. Ein Mitglied der Bielefelder Gruppe hat Bondoc Peninsula), im Rahmen einer von FIAN organisierten an dem von Bondoc Solidarity in Zusammenarbeit mit den Rundreise zu einer Abendveranstaltung in Bielefeld zu Gast Bauern und Bäuerinnen von KMBP vorbereiteten Menschen- waren, hat sich die Bielefelder Gruppe dazu entschlossen, rechtsbeobachtungsprojekts auf Bondoc teilgenommen. den Fall Uy zu übernehmen. Die Bielefelder FIAN-Gruppe plant weitere Aktionen und Zunächst bedeutete das für die Gruppe, sich allgemein Informationsveranstaltungen um möglichst viele Menschen über die Philippinen und insbesondere über das Agrarre- für das Thema Menschenrechte und die Situation auf Bon- formprogramm CARP und den Landkonflikt zu informieren. doc zu sensibilisieren, denn Öffentlichkeit schaffen ist eine Anschließend wurde ein regelmäßiger E-Mail-Kontakt wichtige Komponente der Menschenrechtsarbeit. zu Belinda Formanes und Danny Carranza von der PEACE Foundation aufgebaut, um die aktuellen Entwicklungen des Landkonfliktes verfolgen zu können. In Absprache mit den Leuten vor Ort und dem internationalen Sekretariat von FIAN wurde im April 2006 eine FIAN-Eilaktion erarbeitet und durchgeführt. Mitglieder und UnterstützerInnen aus aller Welt forderten die Verantwortlichen im Fall Uy per Brief und Fax auf, das Agrarreformprogramm CARP im Sinne 14 Dossier - FIAN-Deutschland
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