DIE ÄRZTLICHE AUFKLÄRUNG BEI DER RADIOTHERAPIE DES MAMMAKARZINOMS AUS RECHTLICHER PERSPEKTIVE
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Eingereicht von Olivera Lazic Angefertigt am DIE ÄRZTLICHE Institut für Recht der sozialen Daseinsvorsorge und AUFKLÄRUNG BEI DER Medizinrecht Beurteiler / Beurteilerin RADIOTHERAPIE DES Univ.-Prof. Dr. Reinhard Resch Mitbetreuung MAMMAKARZINOMS Mag.a Magdalena Hartl März 2020 AUS RECHTLICHER PERSPEKTIVE Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Feldkirch, März 2020 Olivera Lazic Sprachliche Gleichbehandlung Soweit in dieser Arbeit auf natürliche Personen bezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. 09. April 2020 2/64
Inhaltsverzeichnis I. Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... 6 II. Vorwort ................................................................................................................................. 8 III. Radiotherapie ..................................................................................................................... 10 A. Einführung .......................................................................................................................... 10 B. Strahlenbiologische Wirkweise ........................................................................................... 10 C. Verschiedene Arten der Strahlentherapie ........................................................................... 11 D. Indikation und typische Nebenwirkungen ............................................................................ 13 IV. Mammakarzinom ................................................................................................................ 15 A. Epidemiologie und Risikofaktoren ....................................................................................... 15 B. Einteilung der Karzinome .................................................................................................... 15 C. Diagnose und Stadieneinteilung ......................................................................................... 16 D. Prognosefaktoren ............................................................................................................... 16 1. Allgemeines ........................................................................................................................ 16 2. Axillärer Lymphknotenbefall/Tumorgröße ........................................................................... 16 3. Histologisches Grading ....................................................................................................... 17 4. Hormonrezeptorstatus ........................................................................................................ 17 E. Therapie des Brustkrebses ohne Metastasen ..................................................................... 17 1. Allgemeines ........................................................................................................................ 17 2. Operation ............................................................................................................................ 17 3. Strahlentherapie ................................................................................................................. 18 F. Nebenwirkungen und Risiken der Radiotherapie beim Brustkrebs ...................................... 21 V. Grundlagen des Behandlungsverhältnisses zwischen Patienten und Arzt .......................... 22 A. Einleitung ............................................................................................................................ 22 B. Abschluss und Beendigung des Behandlungsverhältnisses ................................................ 23 C. Vertragsparteien des Behandlungsvertrages ...................................................................... 23 1. Die Seite des Behandlers ................................................................................................... 23 2. Patientenseite ..................................................................................................................... 24 D. Inhalt des Behandlungsvertrages........................................................................................ 25 09. April 2020 3/64
1. Einleitung ............................................................................................................................ 25 2. Pflichten des behandelnden Arztes – Behandlung .............................................................. 25 3. Aufklärungspflicht ............................................................................................................... 29 4. Dokumentationspflichten..................................................................................................... 30 5. Pflicht zur Verschwiegenheit ............................................................................................... 31 E. Ärztliche Aufklärung und Einwilligung in die medizinische Behandlung ............................... 31 1. Einwilligungsfähigkeit .......................................................................................................... 31 2. Die Selbstbestimmungsaufklärung ...................................................................................... 32 3. Sicherungsaufklärung ......................................................................................................... 39 4. Aufklärungsverzicht ............................................................................................................ 40 5. Form der Ärztlichen Aufklärung – das persönliche Gespräch zwischen Arzt und Patient .... 40 6. Zeitpunkt der ärztlichen Aufklärung ..................................................................................... 40 F. Der Behandlungsfehler ....................................................................................................... 42 1. Allgemein ............................................................................................................................ 42 2. Behandlungsfehler in der Radiotherapie ............................................................................. 43 G. Rechte und Pflichten des Patienten aus dem Behandlungsvertrag ..................................... 43 1. Allgemein ............................................................................................................................ 43 2. Patientenrechte .................................................................................................................. 44 VI. Allgemeine Voraussetzungen der Haftung wegen ärztlicher Pflichtverletzung .................... 47 A. Einleitung ............................................................................................................................ 47 B. Schaden ............................................................................................................................. 47 C. Verursachung ..................................................................................................................... 48 D. Rechtswidrigkeit.................................................................................................................. 49 E. Verschulden........................................................................................................................ 51 F. Inhalt des Anspruches ........................................................................................................ 52 G. Mitverantwortung des Geschädigten ................................................................................... 54 H. Haftung für fremdes Verhalten ............................................................................................ 54 1. Gehilfenhaftung .................................................................................................................. 54 2. Haftung mehrerer Haftpflichtiger und Regress .................................................................... 55 09. April 2020 4/64
I. Beweislast für Behandlungsfehler ....................................................................................... 55 VII. Zusammenfassung ............................................................................................................. 56 VIII. Persönliche Würdigung ....................................................................................................... 58 IX. Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ 59 X. Tabellenverzeichnis ............................................................................................................ 60 XI. Literaturverzeichnis............................................................................................................. 61 XII. Internetquellen .................................................................................................................... 62 XIII. Entscheidungen .................................................................................................................. 63 09. April 2020 5/64
I. Abkürzungsverzeichnis 3D ......................................................................................................................... dreidimensional ABGB ............................................................................... Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch AngG ............................................................................................................... Angestelltengesetz ÄrzteG ............................................................................................................... Ärztegesetz 1998 B-VG.................................................................................................. Bundes-Verfassungsgesetz bzw .................................................................................................................... beziehungsweise ca........................................................................................................................................... circa CT.............................................................................................................. Computertomographie DCIS .................................................................................................... duktales Carcinoma in situ DHG .............................................................................................. Dienstnehmerhaftpflichtgesetz EFZG .................................................................................................... Entgeltfortzahlungsgesetz etc.................................................................................................................................... et cetera gem ................................................................................................................................... gemäß Gy .......................................................................................................................................... Gray hA ................................................................................................................. herrschende Ansicht idF ......................................................................................................................... in der Fassung idR ............................................................................................................................. in der Regel IMRT...................................................................................... intensitätsmodulierte Radiotherapie insb .......................................................................................................................... insbesondere IORT ................................................................................................. Intraoperative Radiotherapie iSd ..................................................................................................................... im Sinn des, - der iVm .................................................................................................................... in Verbindung mit iZm ............................................................................................................im Zusammenhang mit KAKuG ....................................................................... Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz MedStrSchVO ................................................................. Medizinische Strahlenschutzverordnung MRT.................................................................................................Magnetresonanztomographie OGH ....................................................................................................... Der Oberste Gerichtshof PET ...................................................................................... Positronen-Emissions-Tomographie RdM .................................................................................................................. Recht der Medizin StGB .................................................................................................................... Strafgesetzbuch 09. April 2020 6/64
stRsp ................................................................................................... ständige Rechtssprechung UbG ............................................................................................................ Unterbringungsgesetz VMAT ..................................................................................... Volumetric Modulated Arc Therapy zB ............................................................................................................................. zum Beispiel ZÄG .................................................................................................................... Zahnärztegesetz ZPO ............................................................................................................... Zivilprozessordnung 09. April 2020 7/64
II. Vorwort In Österreich erkranken pro Jahr ungefähr 40.000 Menschen an Krebs. Mit 5.417 Neuerkrankungen im Jahr 2017 war Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Die Inzidenzrate blieb im vergangenen Jahrzehnt relativ stabil.1 Häufig wird die Diagnose Krebs bei vermeintlich völliger Gesundheit gestellt. Diese macht den Betroffenen große Angst und führt nicht selten zu einer depressiven Verstimmung. Obwohl es inzwischen für viele Krebsarten effektive Therapien gibt, wird die Diagnose in der Bevölkerung unverändert mit unvermeidlichem Schmerz, Leid und Tod assoziiert. Heute kann jedoch etwa die Hälfte aller Krebserkrankungen geheilt werden.2 Krebs ist eine bösartige Mutation der normalen Zelle. So entartete Tumorzellen wachsen ungehemmt in das umliegende gesunde Gewebe hinein und zerstören es auf diese Weise. Bei nicht entarteten Zellen sorgt der programmierte Zelltod (Apoptose) am Ende ihres Lebenszyklus bzw bei einem Defekt für das Absterben der Zelle. Dieser Mechanismus ist bei den Tumorzellen deaktiviert, sodass sie sich unaufhaltsam vermehren. Im Gegensatz zu normalen Zellen überschreiten Krebszellen die festgelegten Grenzen und wachsen zerstörend in das umliegende Gewebe ein. Des Weiteren können einige entartete Zellen auf Wanderschaft gehen und gelangen über Blut- und Lymphbahnen zu anderen Organen, in denen sie sich ansiedeln, vermehren und Tochtergeschwülste, sogenannte Metastasen, bilden.3 Zu den wichtigsten Behandlungsmethoden gehören Operation, medikamentöse Therapie (Chemo- bzw Hormontherapie) und Strahlentherapie (Radiotherapie). Jedoch kommt häufig auch eine Kombination der genannten Konzepte zum Einsatz, wobei die Strahlentherapie oftmals die einzige Chance für einen kurativen Therapieansatz darstellt.4 Die vorliegende Arbeit soll Betroffenen und Interessierten die Möglichkeit bieten, sich einen Überblick über die Anwendung von ionisierender Strahlung in der Medizin, sowie über die Grundzüge der Strahlentherapie bei der Behandlung von Patientinnen mit Brustkrebs zu verschaffen. Des Weiteren werden die rechtlichen Aspekte der Aufklärung und Arzthaftung im Zusammenhang mit der Strahlentherapie und der Behandlung onkologischer Patienten erläutert. 1 https://www.statistik.at (Stand: 2.2.2020). 2 https://www.krebshilfe.de/ (Stand: 21.8.2019). 3 Vgl Pleyer, Onkologie Verstehen-Wissen-Pflegen (2017), 2 ff. 4 https://www.krebsgesellschaft.de (Stand: 21.8.2019). 09. April 2020 8/64
Abbildung 1.1: Österreichische Krebsstatistik (Statistik Austria, 2020)5 5 https://www.statistik.at (Stand 2.2.2020). 09. April 2020 9/64
III. Radiotherapie A. Einführung Die Radiotherapie nimmt als loko-regionäres Verfahren in der Behandlung von Krebs eine zentrale Rolle zwischen chirurgischer und systematisch-medikamentöser Therapie ein. Sie ist eine Methode zur lokalen Behandlung des Tumors, mikroskopischer Tumorausläufer und der Lymphabflusswege in großvolumiger Form. Die effektive Rolle der Radiotherapie im onkologischen Gesamtkonzept wird durch epidemiologische Daten belegt, nach denen mehr als die Hälfte der Tumorpatienten heute definitiv geheilt werden kann: davon die Hälfte durch alleinige Strahlentherapie oder in Kombination mit anderen Therapiekonzepten wie zB der chirurgischen Entfernung des Tumors. Bei Patienten mit einem unheilbaren Krebsleiden kann durch eine Strahlentherapie in mehr als zwei Drittel der Fälle die akute Symptomatik, insbesondere Schmerzen, erfolgreich behandelt und somit eine Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden. In diesem Fall spricht man von palliativer Strahlentherapie. Die Weiterentwicklung der Verfahren der bildgebenden Diagnostik und der Computertechnologie, haben wesentlich zur Verbesserung der Strahlentherapie beigetragen. Eine tumorkonforme Bestrahlungstechnik erlaubt eine gezielte und höhere Dosisbelastung des Tumors bei möglichst weitreichender Schonung des umliegenden gesunden Gewebes.6 B. Strahlenbiologische Wirkweise Strahlentherapie beruht auf der Wirkung ionisierender Strahlung auf die Zelle. Ionisierende Strahlung führt in der Zelle, vor allem aber im Zellkern derselben, zu einer Reihe von biologischen Veränderungen wie zB DNA-Mutationen, die zur Entstehung von Tumoren oder zum Zelltod führen können. Die gesunde Zelle besitzt ein effizientes Reparatursystem, welches diese Schäden behebt oder geschädigte Zellen eliminiert. Tumorzellen sind wesentlich schlechter in der Lage, diese Zellschäden zu reparieren. Dieser Unterschied in der Reparatur von Strahlenschäden zwischen gesunder Zelle und Tumorzelle ermöglicht es, ionisierende Strahlung bei Krebserkrankungen einzusetzen. Der Strahleneffekt im Tumor selbst ist von der applizierten Gesamtdosis, der Höhe der täglich verabreichten Einzeldosis, der zeitlichen und räumlichen Dosisverteilung sowie von der Strahlenqualität (Röntgenstrahlung, Protonen, Elektronen etc.) abhängig. Im Gegensatz zum Tumorgewebe sind die gesunden Zellen in der Lage, den dabei auftretenden Schaden zu reparieren.7 6 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 (2013) 4. 7 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 5. 09. April 2020 10/64
Die therapeutische Breite8 lässt sich erhöhen, indem die geplante Strahlendosis fraktioniert über mehrere Tage und Wochen verabreicht wird. Dadurch wird gesundem Gewebe Zeit gegeben, sich durch Regeneration und Reparaturmechanismen zu erholen, während die Wirkung im Tumorgewebe erhalten bleibt, sodass die Tumorzellen zunehmend devitalisiert werden und absterben.9 C. Verschiedene Arten der Strahlentherapie In der Strahlentherapie wird im Wesentlichen zwischen der Tele- und der Brachytherapie unterschieden. Bei Ersterer erfolgt die Bestrahlung des Tumorgewebes von außen. Bei der Brachytherapie hingegen wird die Strahlenquelle nah am Gewebe, das therapiert werden soll, platziert. Der Vorteil dieser Art der Therapie ist es, dass die Strahlung direkt an den Tumor gebracht wird, um so das umgebende gesunde Gewebe zu schonen.10 Da sich die vorliegende Arbeit ausschließlich mit Teletherapie beschäftigt, wird im Folgenden näher auf dieses Thema eingegangen. Bei dieser Therapieform erfolgt die Bestrahlung des Tumorgewebes von außen zumeist mittels hochenergetischer Photonen- oder Elektronenstrahlung, die von einem Linearbeschleuniger erzeugt wird (siehe Abbildung 1.2).11 Auf der Basis von bildgebenden Untersuchungen der Patienten (CT, MRT, PET) legt der Arzt das zu behandelnde Bestrahlungsgebiet in einem 3D-Datensatz (sog. Planungs-CT) fest. Mittels Multi- Leaf-Kollimator können einzelne bewegliche Lamellen in den Strahlengang gebracht werden, um Strahlenfelder zu erzeugen, die sich einerseits an das Zielvolumen (also dem Tumor) anpassen und andererseits Risikoorgane aussparen. Bei der 3D-konformalen Bestrahlungsplanung dient das Planungs-CT als Bestrahlungsgrundlage. Dabei werden Anzahl, Winkel, Form und Gewichtung der Bestrahlungsfelder vom Planer (Medizinphysiker oder Radiologietechnologe) selbst bestimmt. Je mehr Einstrahlrichtungen gewählt werden, desto besser gelingt die Konformierung. Die einzelnen Bestrahlungsfelder summieren sich im Bestrahlungsgebiet zur vom Strahlentherapeuten vorgeschriebenen und vom Physiker berechneten Bestrahlungsdosis. Mit der 3D-konformalen Bestrahlungstechnik ist es möglich, eine hohe homogene Dosisauslastung des Bestrahlungsvolumens bei gleichzeitiger Schonung der umliegenden Risikoorgane zu erreichen. Die intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) ist ein Fortschritt der 3D-konformalen Technik. Die Strahlungsintensität innerhalb der einzelnen Bestrahlungsfelder wird dabei durch sogenannte Segmente – meist kleine, irreguläre Subfelder, die zeitlich nacheinander abgestrahlt werden – moduliert. Im Überschneidungsgebiet aller verwendeten Einstrahlrichtungen, in dem 8 Die Therapeutische Breite stellt das Verhältnis von Effektivität und Nebenwirkung einer Bestrahlung dar. 9 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 5. 10 Vgl Pleyer, Onkologie 36. 11 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 35. 09. April 2020 11/64
sich der Tumor befindet, summieren sich die einzelnen Felder wieder zu einer homogenen Dosisverteilung auf. Der Vorteil der IMRT ist eine verbesserte Dosisverteilung im Zielvolumen bei gleichzeitig deutlich besserer Schonung der Risikoorgane, was vor allem für komplex geformte Zielvolumina von Bedeutung ist. Die modernste Bestrahlungstechnik, die sogenannte VMAT (Volumetric Modulated Arc Therapy, modulierte Rotations-Strahlentherapie), ist eine Weiterentwicklung der IMRT (Siehe Abbildung 1.3). Bei der IMRT erfolgt die Abstrahlung der Dosis bei feststehenden Einstrahlwinkeln der Gantry und feststehenden Lamellen des Multileaf- Kollimators (Step-and-Shoot-Technik). Die VMAT hat diese Einschränkungen nicht mehr. Die Bestrahlung erfolgt mit bei variabler Geschwindigkeit rotierender Gantry (bei gleichzeitiger Variation der Dosisrate) und sich bewegenden Lamellen. Dabei kommt es zu einer verbesserten Schonung der Risikostrukturen. Darüber hinaus werden die Bestrahlungszeiten der Patienten deutlich reduziert. Durch die Rotation der VMAT werden viel mehr Einstrahlrichtungen erzeugt als bei der IMRT, dadurch werden die Bestrahlungsfelder noch konformaler. Bei allen genannten Bestrahlungstechniken erfolgt die Erstellung der Bestrahlungspläne mit hochkomplexen Computerprogrammen und unter Verwendung der CT-Daten der Patienten.12 Abbildung 1.2: Linearbeschleuniger: ein Teilchenbeschleuniger, der geladene Teilchen auf gerade Linie beschleunigt. Auf dem Bild zu sehen ist die Gantry sowie die Systeme für die Lagerungskontrolle. 13 12 Vgl Giordano/Wenz, Strahlentherapie kompakt3 (2019) 18. 13 https://www.elekta.com (Stand 1.1.2020). 09. April 2020 12/64
D. Indikation und typische Nebenwirkungen Die Indikation zur Strahlentherapie ist sowohl in kurativen als auch in palliativen Behandlungskonzepten gegeben. Bei kurativem Therapieansatz wird die Heilung als Ziel angestrebt. Beispiel hierfür ist die vollständige operative Entfernung eines Tumors oder eine Strahlentherapie mit dem Ziel der vollständigen Vernichtung des gesamten Tumors. Ist eine Heilung nicht mehr möglich, kann mittels Strahlentherapie eine Linderung der Beschwerden erreicht werden, um so die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern (Therapie von ossären Metastasen mit dem Ziel der Schmerzlinderung). Eine adjuvante Therapie ist die ergänzende Bestrahlung nach einer operativen Entfernung des Tumors. Das Ziel ist hier die Vernichtung aller ‚Resttumorzellen‘, der sog Mikrometastasen, die chirurgisch nicht entfernt werden können, und damit die Verhinderung von Metastasen und Rezidiven. Als neoadjuvante Therapie bezeichnet man eine präoperative Chemo- oder Strahlentherapie mit dem Ziel, den Primärtumor zu verkleinern und Mikrometastasen zu bekämpfen. Dadurch wird das Entfernen des Resttumors durch nachfolgende Operation sicherer.14 Abbildung 1.3: VMAT-Plan für die Bestrahlung der linken Brust mit Darstellung der Verteilung der Dosis im geplanten Zielvolumen und der Strahlenbelastung von Risikoorganen, Lunge und Herzmuskel. Die Farbdarstellung entspricht der applizierten Dosis, von blau gleich 10% bis dunkelrot größer 110% der Vorschreibungsdosis.15 14 Vgl Stöver/Feyer, Praxismanual Strahlentherapie2 (2018) 7. 15 Institut für Medizinische Physik, Landeskrankenhaus Feldkirch (Stand 1.1.2020). 09. April 2020 13/64
Da die Strahlentherapie lokal begrenzt ist, treten die Nebenwirkungen hauptsächlich im Bereich des Bestrahlungsareals auf. Das Auftreten von Nebenwirkungen hängt von der applizierten Strahlendosis, der Sensibilität der bestrahlten Organe und der Ausdehnung des bestrahlten Körpervolumens ab. Manche Patienten spüren eine allgemeine Müdigkeit und Erschöpfung als akute Nebenwirkung. Die durchstrahlte Haut kann wie beim Sonnenbrand reagieren (Strahlendermatitis). Bei Bestrahlung des Kopf-Hals-Bereiches kann es zu einer Entzündung der Schleimhäute des Mundes und des Rachens (Mukositis), zu Geschmacksveränderungen oder zu Mundtrockenheit durch eine irreversible Schädigung der Speicheldrüse kommen. Im Bereich des Brustkorbs kann eine entzündliche Reaktion des Lungengewebes (Pneumonitis) auftreten. Als Langzeitfolge kann sich daraus eine Verdichtung des Lungengewebes entwickeln (Lungenfibrose), die die Atemfunktion beeinträchtigen kann. Bei Bestrahlung im Bauchbereich kann es zu entzündlichen Reaktionen des Verdauungstraktes kommen, die sich in Form von Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall zeigen.16 Chronische Strahlenfolgen treten erst Monate bis Jahre nach der Behandlung auf. Zu diesen zählen Bindegewebevermehrung (Fibrose), dauerhafter Verlust von funktionsfähigen Organzellen (Atrophie), Verödung der versorgenden kapillaren Blutgefäße mit Erweiterung der vorangehenden kleinen Arterien und Venen (Teleangiektasien), sowie die damit verbundenen Funktionseinbußen des Organs.17 16 Vgl Pleyer, Onkologie 36. 17 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 94 f. 09. April 2020 14/64
IV. Mammakarzinom A. Epidemiologie und Risikofaktoren Mit 5.417 Neuerkrankungen im Jahr 2017 und einem Anteil von zirka 30 % an allen Tumorarten war Brustkrebs die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen.18 Bei 5-10 % der Frauen mit Brustkrebs ist die Erkrankung auf vererbte Genveränderungen zurückzuführen. Des Weiteren erhöht eine langjährige Einnahme oraler Kontrazeptiva das Erkrankungsrisiko auf das 1,24-Fache. Auch durch Hormonersatztherapie in und nach den Wechseljahren kommt es zu einem Anstieg des Risikos. Brustkrebs korreliert signifikant mit dem Body-Maß-Index. Durch regelmäßigen erhöhten Alkoholkonsum findet eine Verdoppelung des Risikos statt.19 B. Einteilung der Karzinome Die weibliche Brust besteht aus mehreren unterschiedlich großen Drüsenlappen, die wiederum durch Fettgewebe voneinander getrennt sind (Siehe Abbildung 1.4). Diese Drüsenlappen setzen sich aus mehreren kleineren Läppchen und diese wiederum aus Milchbläschen zusammen. Jeder dieser Lappen mündet mit einem Milchausführungsgang in die Brustwarze.20 Abbildung 1.4: Anatomie der Brustdrüse.21 18 https://www.statistik.at (Stand: 22.8.2019). 19 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 519 f. 20 Vgl Pleyer, Onkologie 47 ff. 21 Vgl Stöver/Feyer, Strahlentherapie2 163. 09. April 2020 15/64
Bei der Einteilung der Karzinome wird unterschieden, ob der Tumor von den Zellen der Drüsenläppchen (lobuläres Karzinom) oder von den Milchausführungsgängen (duktales Karzinom) ausgeht. Es gibt auch Krebsvorstufen, sogenannte Präkanzerosen. Diese nichtinvasiven Karzinome sind dadurch charakterisiert, dass die entarteten Zellen nicht in die Umgebung eingedrungen sind. Man unterscheidet intraduktale und lobuläre Karzinome in situ, die sich ohne Therapie in 30-50 % der Fälle zu einem invasiven Brustkrebs entwickeln.22 Invasive duktale und lobuläre Karzinome stellen mit 60-80 % die größte Gruppe der infiltrierend wachsenden Karzinome der weiblichen Brustdrüse dar.23 C. Diagnose und Stadieneinteilung Die initiale Verdachtsdiagnose wird aufgrund eines suspekten Tastbefundes sehr häufig von der Patientin selbst gestellt. Die weitere Abklärung beinhaltet neben eingehenden körperlichen Untersuchungen und einer bildgebenden Abklärung mittels Mammographie, Sonographie und Magnetresonanztomographie schließlich immer eine histologische Sicherung mittels Stanzbiopsie. Je nach Ausbreitung des Tumors werden verschiedene Stadien des Brustkrebses unterschieden. Die Einteilung erfolgt anhand der Größe des Tumors, des Befalls von Lymphknoten und des Vorliegens von Tochtergeschwülsten.24 D. Prognosefaktoren 1. Allgemeines Neben allgemeinen klinischen Gegebenheiten bestimmen vor allem tumorspezifische Faktoren den Krankheitsverlauf. Dies sind neben anderen Parametern vor allem die Tumorgröße, die Ausdehnung und der Subtyp der Erkrankung. Fernmetastasen oder Lokalrezidive können noch 20 Jahre nach der Strahlentherapie auftreten.25 2. Axillärer Lymphknotenbefall/Tumorgröße Der Befall von Lymphknoten im Bereich der Achselhöhle ist der stärkste Prognosefaktor für ein Tumorrezidiv und die Mortalität. Beide korrelieren direkt mit der Anzahl der befallenen Lymphknoten. Rosen untersuchte 474 Patientinnen mit tumorfreien Lymphknoten im Bereich der Achselhöhle und fand eine Rezidivrate von 14 % bei Primärtumoren, die weniger als 1 cm Durchmesser aufwiesen. Bei einer Tumorgröße von 1–2 cm betrug die Rezidivrate 31 %. Bei 22 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 521. 23 Vgl Lohr/Wenz, Strahlentherapie kompakt2 (2007) 2. 24 Vgl Stöver/Feyer, Strahlentherapie2 165. 25 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 522. 09. April 2020 16/64
negativen Lymphknoten kam es in 20 % der Fälle zum Rückfall. Nach alleiniger Operation liegt das Rückfallrisiko bei positivem Befall bei 60-80 %.26 3. Histologisches Grading Beim histologischen Grading wird die biologische Verhaltensweise des Tumors untersucht. Die Bösartigkeit eines Brustkrebses hängt überwiegend davon ab, wie viel Übereinstimmung die Tumorzelle mit der normalen, gesunden Zelle der Brustdrüse hat. Je größer diese Differenz, desto maligner verhalten sich die Tumoren. Dies wird von Pathologen in einer mikroskopischen Untersuchung anhand von verschiedenen Kriterien wie Proliferationsrate, Konstitution und Größe der Krebszellen beurteilt.27 4. Hormonrezeptorstatus Es gibt Brusttumoren, deren Evolution durch weibliche Geschlechtshormone gefördert wird, da die Krebszelle an ihrer Oberfläche Empfängermoleküle für das Östrogen trägt. Durch eine sogenannte Anti-Her-2-Therapie werden diese Rezeptoren blockiert und das Östrogen kann keine wachstumsstimulierende Wirkung mehr entfalten.28 E. Therapie des Brustkrebses ohne Metastasen 1. Allgemeines Grundsätzlich können bei Brustkrebs die folgenden Therapieformen eingesetzt werden: Operation, Strahlentherapie, Zytostatika sowie Antihormon- und Antikörpertherapie. Welche Therapie durchgeführt wird, ist vom Tumor und der Gesamtsituation der Patientin abhängig und wird im interdisziplinären Tumorboard entschieden. 2. Operation a) Brusterhaltende Operation Ziel einer Operation ist die vollständige chirurgische Entfernung des diagnostizierten Tumors. Beim Mammakarzinom wird in den meisten Fällen nur der Tumor inklusive eines Sicherheitsabstandes entfernt und die Brust bleibt erhalten. Ist eine brusterhaltende Operation 26 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 522. 27 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 522. 28 Vgl Pleyer, Onkologie 39 f. 09. April 2020 17/64
aufgrund der Tumorausdehnung nicht möglich, muss die ganze Brust entfernt werden (radikale Mastektomie).29 Das Mammakarzinom streut vor einer Metastasierung in den Körper zuerst in die regionäre Lymphknotenregion (Sentinel-Lymphknoten). Daher ist es wichtig, den Befall der Lymphknoten nachzuweisen bzw. auszuschließen. Aus diesem Grund führt der Operateur vor der Tumorektomie eine Biopsie des Sentinel-Lymphknotens durch. Dieser wird präoperativ mit einer radioaktiven Substanz markiert, intraoperativ mit einer Gammasonde lokalisiert und im Schnellschnittverfahren pathologisch untersucht. Ergibt das Schnellschnittverfahren einen Karzinombefall des Wächterlymphknotens, werden die Lymphknoten in der Achselhöhle möglichst vollständig entfernt (konventionelle axilläre Lymphonodektomie).30 b) Radikale Mastektomie Unter radikaler Mastektomie versteht man eine komplette Entfernung der Brustdrüse, die zB bei großen Tumorläsionen notwendig werden kann.31 Indikationen für eine komplette Entfernung der Brustdrüse sind: Tumor-Brust-Missverhältnis, Multizentrizität, inflammatorisches Mammakarzinom, weitläufige Fixation an der Haut oder Faszie, positive Schnittränder trotz Nachresektion und die Ablehnung einer postoperativen Strahlentherapie der risikoaufgeklärten Patientin.32 3. Strahlentherapie a) Allgemeines Indikationen für eine Strahlentherapie beim Mammakarzinom sind die brusterhaltende Therapie, DCIS (Duktales Carcinom in situ) sowie die Nachbehandlung einer radikalen Mastektomie. b) Adjuvante Strahlentherapie nach brusterhaltender Operation Bei jeder brusterhaltenden Operation wird die betroffene Brustdrüse nachbestrahlt, um mögliche mikroskopische Tumorreste in der Umgebung des Operationsgebietes zu eliminieren und somit das Rückfallrisiko zu reduzieren.33 Das DCIS ist ein maligner Tumor, der die Grenzen der Milchgänge noch nicht überschritten hat. Dieser gilt als Krebsvorstufe (Präkanzerose). Ohne operativen Entfernung entwickelt sich aus ihm ein invasives Karzinom.34 Nach der brusterhaltenden Operation eines DCIS kann eine 29 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 526. 30 Vgl Pleyer, Onkologie 50. 31 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 531. 32 Vgl Stöver/Feyer, Strahlentherapie2 167. 33 Vgl Stöver/Feyer, Strahlentherapie2 168. 34 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 526. 09. April 2020 18/64
unterstützende (adjuvante) Strahlentherapie das Rezidivrisiko senken. In einer aktuellen Studie wurden die Daten von 1.323 Frauen ausgewertet, die zwischen 1980 und 2010 eine Operation und Strahlentherapie wegen eines DCIS erhalten hatten. Die Hälfte der Patientinnen wurde mindestens sechseinhalb Jahre lang nach Abschluss der Behandlung nachbeobachtet, 311 Patientinnen sogar zehn Jahre und noch länger. In dieser Zeit traten insgesamt 126 (9,5 %) Rezidivtumoren in der ursprünglich befallenen Brust auf. Generell reduziert eine postoperative Bestrahlung das Auftreten von invasiven Rezidiven auf etwa die Hälfte.35 Eine adjuvante Strahlentherapie bei DCIS sollte möglichst rasch nach der brusterhaltenden Operation eingeleitet werden, da eine Verzögerung der Strahlentherapie um mehr als zwölf Wochen nach der Operation mit einem signifikant höheren Risiko für ein Rezidiv verbunden ist als bei einer Strahlentherapie innerhalb von acht Wochen.36 c) Adjuvante Strahlentherapie nach Mastektomie Nach radikaler Mastektomie erfolgt bei einem vergrößerten Rezidivrisiko eine Radiatio der Brustwand und der lokalen Lymphabflusswege. Ein erhöhtes Rezidivrisiko liegt bei einer Tumorgröße von mehr als 5 cm vor, sowie bei mehr als drei befallenen Lymphknoten in der Achselhöhle und inkompletter Entfernung des Tumors (Non-in-sano-Resektion).37 Auch die Kombination unterschiedlicher Risikofaktoren, von denen jeder für sich genommen nicht unbedingt eine Indikation für eine Radiotherapie darstellt, die jedoch zusammen ein erhöhtes Rezidivrisiko beinhalten, begründet eine Indikation für postoperative Strahlentherapie. Das Vorliegen von mehr als einem Tumor (Multizentrizität), sowie der Befall der Muskulatur der Wand des Brustkorbs stellt die Indikation für adjuvante Strahlentherapie nach Mastektomie. Weiters ist die postoperative Bestrahlung bei einer Tumorexzision ohne ausreichenden Sicherheitsabstand zum gesunden Gewebe sowie den Lymphknotenmetastasen mit Kapseldurchbruch und dem Eindringen von Krebszellen in die Lymphbahnen und in den Blutkreislauf indiziert.38 d) Adjuvante Strahlentherapie der Lymphabflusswege Wurde bei der Axilladissektion ein ausgedehnter Lymphknotenbefall, eventuell auch mit Kapseldurchbruch, nachgewiesen, ist eine postoperative Bestrahlung der Lymphknotenstationen unterhalb und oberhalb des Schlüsselbeins sowie hinter dem Brustbein indiziert.39 35 Vgl Hansen/Roach III, Handbook of Evidence-Based Radiation Oncology3 (2018) 371. 36 https://www.krebsgesellschaft.de/ (Stand: 22.8.2019). 37 Vgl Stöver/Feyer, Strahlentherapie2 169. 38 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 533. 39 Vgl Stöver/Feyer, Strahlentherapie2 170. 09. April 2020 19/64
e) Dosierung der Bestrahlung Die Strahlenmenge wird in der Einheit Gray (Gy) gemessen. Bei der Radiotherapie der Brust nach einer Tumorexzision ist eine Gesamtdosis von 50-50,4 Gy erforderlich. Bei der Radiatio von Lymphknotenstationen werden Dosen von 45-50 Gy verabreicht. Diese Gesamtdosis wird, zur Verhinderung von Nebenwirkungen, durch Applikation einer niedrigen Einzeldosis (1,8-2,0 Gy) und häufiger Anwendung pro Woche (fünfmal) verabreicht. Die Behandlungsdauer beträgt etwa 6-7 Wochen. Das ehemalige Tumorbett wird mit einer höheren Dosis, zusätzlich etwa 10 Gy (Boost), als die übrige Brust behandelt, vor allem, wenn bei der operativen Entfernung keine vollständige Exzision mit ausreichenden Sicherheitsabständen zum gesunden Gewebe erfolgt ist (wenige Millimeter).40 Aktuell empfehlen die Leitlinien eine Hypofraktionierung mit Dosen zwischen 39-42,5 Gy mit einer Einzeldosis von 2,67-3,2 Gy.41 Abbildung 1.5: VMAT Bestrahlungsplan für die linke Brust. Die Farbdarstellung entspricht der applizierten Dosis, von blau gleich 10% bis dunkelrot größer 110% der Vorschreibungsdosis. 42 f) Intraoperative Boost-Bestrahlung (IORT) Der Boost kann auch im Rahmen der Operation durch ein spezialisiertes Röntgengerät appliziert werden. Der Vorteil der intraoperativen Radiotherapie liegt in der besseren räumlichen Erfassung des Bestrahlungsvolumens, einer höheren biologischen Effektivität durch die Applikation der 40 Vgl Lohr/Wenz, Strahlentherapie2 12. 41 Vgl Giordano/Wenz, Strahlentherapie kompakt3 (2019) 18. 42 Institut für Medizinische Physik, Landeskrankenhaus Feldkirch (Stand 22.8.2019). 09. April 2020 20/64
hohen Einzeldosis und einer Reduktion des Zeitraumes, den zurückgebliebene Krebszellen zur neuerlichen Proliferation haben. Nachteile sind das Fehlen des endgültigen pathologischen Befundes vor allem des Resektionsstatus, ob der Tumor mit ausreichend Sicherheitsabstand zum gesunden Gewebe entfernt wurde, und das unvermeidliche Intervall zur anschließenden Bestrahlung der Restbrust.43 Eine Indikation für die Teilbrustbestrahlung mittels IORT ist bei einem Niedrig-Risiko-Karzinom bei alten Patientinnen sowie bei Rezidivtumoren gegeben.44 Dabei wird eine Dosis von 20 Gy als Einzeldosis appliziert (in 1 cm Tiefe ca. 5-6 Gy).45 F. Nebenwirkungen und Risiken der Radiotherapie beim Brustkrebs Organ/Gewebe Akut Spät Allgemein Erschöpfung, reduzierte Belastbarkeit Haut Rötung, trockene Teleangiektasien, Wundheilungsstörung, oder feuchte Brustfibrose, Brust-, Armödem Desquamation, insbesondere bei großvolumiger Brust Lunge Entzündung des Fibrose Lungengewebes (Pneumonitis) Gastrointestinaltrakt Schluckbeschwerden bei Strahlentherapie der Lymphabflusswege Herz Koronarsklerose und Myokardfibrose bei Radiotherapie der linken Brust Nerven Nervenschädigung als Druckfolge durch Rezidiv oder Fibrose Tabelle 1: Strahleninduzierte Nebenwirkungen der Radiotherapie der Brust, die die Lebensqualität der Patientinnen zum Teil massiv beeinträchtigen können.46 43 Vgl Wannenmacher/Wenz/Debus, Strahlentherapie2 539. 44 Vgl Stöver/Feyer, Strahlentherapie2 169. 45 Vgl Giordano/Wenz, Strahlentherapie3 20. 46 Vgl Stöver/Feyer, Strahlentherapie2 172. 09. April 2020 21/64
V. Grundlagen des Behandlungsverhältnisses zwischen Patienten und Arzt A. Einleitung Das Rechtsverhältnis zwischen dem Patienten einerseits und dem behandelnden Arzt oder dem Krankenanstaltenträger andererseits beruht auf einem Behandlungsvertrag.47 Der Behandlungsvertrag kommt als formfreier Konsensualvertrag durch die übereinstimmende Willenserklärung zwischen Arzt und Patient zustande. Dieser umfasst verschiedene Rechte und Pflichten. Die Hauptpflicht des behandelnden Arztes aus dem Behandlungsvertrag besteht in der sorgfältigen und gewissenhaften Behandlung des Patienten. Diese Behandlung hat entsprechend dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu erfolgen. Als Nebenpflichten resultieren daraus für den Behandler Aufklärungs-, Dokumentations- und Verschwiegenheitspflichten. Der Patient verpflichtet sich zur Bezahlung des Honorars sowie zur Einhaltung der für die Genesung erforderlichen Vorgaben des behandelnden Arztes. Zusätzlich besteht für den Patienten die Verpflichtung, die notwendigen therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen zu erdulden. Bei der Behandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung besteht für den Patienten die Verpflichtung, sich mittels e-card zu legitimieren. Diese ermöglicht die Leistungsabrechnung mit dem gesetzlichen Krankenversicherungsträger.48 Bereits durch die Kontaktaufnahme zweier potenzieller Vertragspartner zu geschäftlichen Zwecken entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, in dem nach vertraglichen Grundsätzen gehaftet wird.49 Das vorvertragliche Schuldverhältnis begründet Schutz- und Sorgfaltspflichten sowie Aufklärungspflichten der Vertragsparteien. Im Rahmen der vorvertraglichen Schutzpflichten muss der behandelnde Arzt die körperliche Unversehrtheit des Patienten wahren. Die Ordinationsräume und die Zugänge zu diesen sind gefahrlos und sicher zu gestalten.50 In der zur Verletzung der aus dem Behandlungsvertrag resultierenden Schutz- und Sorgfaltspflichten eines Dentisten gegenüber dem Begleiter des Patienten erfolgte OGH-Entscheidung51 hat das Gericht die Haftung für den erlittenen Schaden bejaht. Dies gilt umso mehr für die Partei des mit dem Beklagten zustande gekommenen Behandlungsvertrages. Wenn der Gegenstand des Behandlungsvertrages die Durchführung einer bestimmten Behandlung ist – wie etwa die Bestrahlung der Brustdrüse mit 50 Gy Gesamtdosis – und zur 47 Vgl Neumayr in Neumayr/Resch/Wallner (Hrsg), Gmundner Kommentar zum Gesundheitsrecht (2016), Einleitung ABGB Rz 1. 48 Vgl Neumayr in GmundKomm Einleitung ABGB Rz 2. 49 Vgl Pletzter, Vor- und Nachvertragliche Pflichten beim Behandlungsvertrag, RdM 2014, 232 (235). 50 Vgl Pletzter, RdM 2014, 236. 51 RIS-Justiz RS0021902; OGH 16.16.2011, 7 Ob 250/10f (ris.bka.gv.at). 09. April 2020 22/64
Behandlungsplanung ein sogenanntes Erstgespräch geführt wird, gewinnt die vorvertragliche Aufklärungspflicht an Bedeutung. Dieses Erstgespräch soll dem Patienten die Information darüber bieten, welche Behandlung sinnvoll ist und welches Ziel angestrebt wird. So kann diesem das notwendige Wissen vermittelt werden, um sich für oder gegen die entsprechende Behandlung entscheiden zu können. Die Missachtung der vorvertraglichen Aufklärungspflichten durch den Behandler begründet eine Haftung wegen culpa in contrahendo. Aus der Haftung ergibt sich, dass der Patient den abgeschlossenen Behandlungsvertrag wegen Irrtums anfechten kann. Dieser muss jedoch den Beweis erbringen, dass er durch die unterbliebene Aufklärung in seiner Willensbildung beeinflusst war und dass er bei vollständiger Information den Behandlungsvertrag nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte. Der Behandlungsvertrag ist durch fehlerhafte Einwilligung hinfällig.52 B. Abschluss und Beendigung des Behandlungsverhältnisses Der Abschluss des Behandlungsvertrages unterliegt den allgemeinen Regeln des Zustandekommens von Verträgen. Der Abschluss des Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient kann auch schlüssig erfolgen. Bei Kassenpatienten geschieht das in der Regel dann, wenn die elektronische Abfrage mittels e-card die Leistungsberechtigung ergibt und der Patient angewiesen wird, sich für den medizinischen Eingriff zur Verfügung zu halten. Ein direkter Kontakt mit dem Arzt ist hierbei nicht erforderlich.53 C. Vertragsparteien des Behandlungsvertrages 1. Die Seite des Behandlers Bei der Inanspruchnahme einer medizinischen Behandlung durch den Patienten bei einem niedergelassenen und/oder frei praktizierenden Arzt wird dieser als Behandler Vertragspartner des Patienten.54 § 49 Abs 2 ÄrzteG bestimmt, „die Ärztin/der Arzt hat ihren/seinen Beruf persönlich und unmittelbar“ auszuüben. Der Arzt hat demgemäß die Behandlung persönlich und unmittelbar zu erbringen. Wird der Patient in einem Krankenhaus behandelt, dann schließt er den Behandlungsvertrag in der Regel mit dem Träger der Krankenanstalt ab. Daraus entsteht die Verpflichtung, für eine sachgemäße Behandlung durch das Krankenhauspersonal sowie für Unterkunft und Pflege zu sorgen.55 52 Vgl Pletzter, RdM 2014, 237. 53 Vgl Neumayr in GmundKomm Einleitung ABGB Rz 6. 54 Vgl Jesser-Huß in Resch/Wallner (Hrsg), Handbuch Medizinrecht2 Kap III (2015) Rz 4. 55 Vgl Jesser-Huß in Resch/Wallner, Medizinrecht2 Kap III Rz 11. 09. April 2020 23/64
2. Patientenseite In der Regel schließt der Patient selbst den Behandlungsvertrag ab.56 Zum rechtswirksamen Abschluss eines Behandlungsvertrages bedarf es die volle Geschäftsfähigkeit der Vertragspartner.57 Die volle Geschäftsfähigkeit, also die Fähigkeit, sich durch eigenes rechtsgeschäftliches Handeln selbst berechtigen und verpflichten zu können, erlangt man erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres. Alle minderjährigen Personen bedürfen, um sich rechtswirksam rechtsgeschäftlich berechtigen und verpflichten zu können, grundsätzlich der entsprechenden Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Kinder, also Personen, die das siebte Lebensjahr nicht vollendet haben, sind nach § 865 S 1 ABGB völlig geschäftsunfähig und können sich ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht rechtsgeschäftlich verpflichten.58 Den auf die Behandlung des Minderjährigen gerichteten Behandlungsvertrag kann entweder dieser selbst, vertreten durch einen gesetzlichen Vertreter, oder eine voll geschäftsfähige Person (in der Regel ein gesetzlicher Vertreter) im eigenen Namen abschließen. Der Minderjährige ist dann begünstigter Dritter des Vertragsverhältnisses (Vertrag zugunsten Dritter). Weigert sich der gesetzliche Vertreter, einen Behandlungsvertrag abzuschließen und geht damit eine Gefährdung des Kindeswohls einher, kann das für das Kind zuständige Pflegschaftsgericht das Obsorgerecht einschränken oder völlig entziehen. Die fehlende Zustimmung zur Behandlung kann dann von diesem erteilt werden. Die Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichtes richtet sich nach dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes.59 Erwachsene Personen, die nicht über eine hinreichende Geschäftsfähigkeit verfügen, bedürfen für den Abschluss eines Behandlungsvertrages der Zustimmung des Erwachsenenvertreters. Dieser muss für den Abschluss von Verträgen dieser Art bestellt sein.60 56 Bei der Behandlung eines bewusstlosen Patienten kommt vorerst kein Vertragsverhältnis zustande. Der bewusstlose, sonst an sich entscheidungsfähige Patient darf grundsätzlich auch ohne Einwilligung behandelt werden. Es ist von der mutmaßlichen Einwilligung des Patienten auszugehen. Da, wie bereits erwähnt, in einem Notfall kein Vertragsverhältnis besteht, werden die Rechtsbeziehungen zwischen Behandler und Patient über die Regeln der notwendigen Geschäftsführung ohne Auftrag gehandhabt. Diese Regel ist nur dann anzunehmen, wenn die erforderliche Zustimmung des gefährdeten Patienten nicht rechtzeitig eingeholt werden kann und der Arzt eigenmächtig handelt, um eventuellen Schaden abzuwenden. Trotz der mangelnden vertraglichen Grundlage hat der Patient nach §1036 ABGB dem Arzt den notwendigen und zweckmäßigen Aufwand zu ersetzen. 57 Vgl Jesser-Huß in Resch/Wallner, Medizinrecht2 Kap III Rz 40. 58 Vgl Riedler, Zivilrecht I Allgemeiner Teil 7 (2018) Rz 6/26. 59 Vgl Engljähringer, Ärztlicher Behandlungsvertrag, ÖJZ 1993, 488 (Stand 27.2.2020, rdb.at). 60 Vgl Jesser-Huß in Resch/Wallner, Medizinrecht2 Kap III Rz 42. 09. April 2020 24/64
D. Inhalt des Behandlungsvertrages 1. Einleitung Der Gegenstand des Behandlungsvertrages ist die medizinische Behandlung iSd § 2 ÄrzteG und umfasst therapeutische, diagnostische, prophylaktische und analgetische (schmerzlindernde) Maßnahmen.61 2. Pflichten des behandelnden Arztes – Behandlung Wie oben bereits ausgeführt, ergibt sich aus dem Behandlungsvertrag für den Arzt die Hauptpflicht, den Patienten einer sachgemäßen und den allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards entsprechenden Behandlung zuzuführen. Nach § 1299 ABGB gilt ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab. Geschuldet wird die medizinische Behandlung, „wie sie ein durchschnittlich qualifizierter, gewissenhafter und aufmerksamer Behandler des jeweiligen Fachgebietes nach dem jeweiligen Stand von medizinischer Wissenschaft und Praxis und Kenntnissen, Wissen, Können und Aufmerksamkeit zu erbringen in der Lage ist “. 62 Für den Facharzt gilt in der Regel ein höherer Standard als für den praktischen Arzt. Der höchste Standard gilt für die an Universitätskliniken arbeitenden Ärzte. Sie müssen sich grundsätzlich mit den weltweit erzielten Erkenntnissen der Spitzenmedizin vertraut machen.63 Die diesbezügliche OGH- Entscheidung64 befasst sich mit der Haftung an den Universitätskliniken arbeitenden Ärzten. Diesem Judikat lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe übersah im Rahmen der pränatalen Diagnostik anhand einer Ultraschalluntersuchung spezifische Hinweise auf eine Anomalie des Fetus, da keine Beurteilung der Extremitäten erfolgte. Er war Universitätsprofessor und Oberarzt an einer Universitätsklinik. Der Beklagte brachte vor, dass ein intensives Missbildungs-Screening bei unauffälliger Anamnese habe unterbleiben können. Es wurde lediglich eine Routine-Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Diese diente der Klärung des Vorhandenseins und Größe des Kindes sowie dem Sitz der Plazenta. Das Kind kam schwer behindert auf die Welt. Ihm fehlten die beiden oberen Extremitäten und hatte beiderseits Klumpfüße. Der OGH erkannte das Schadensbegehren auf Unterhaltsmehraufwand für das behindert geborene Kind zu Recht an und begründete die Entscheidung damit, dass die Ultraschalluntersuchungen auch in Österreich, nach dem Vorbild 61 Vgl Neumayr in GmundKomm Einleitung ABGB Rz 22. 62 Vgl Neumayr in GmundKomm Einleitung ABGB Rz 24. 63 Vgl Reischauer in Rummel (Hrsg), Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch 3 II/1a (2002) § 1299 Rz 25. 64 Vgl OGH 25.5.1999, 1 Ob 91/99k (ris.bka.gv.at). 09. April 2020 25/64
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