RUNDSCHREIBEN MITGLIEDER - Neuer DGHO-Vorstand im Amt
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März · 1/2022 MITGLIEDER RUNDSCHREIBEN DGHO 4 DGHO 6 Veranstaltungen 17 Neuer DGHO- Engpass Jahrestagung Vorstand im Amt Tamoxifen 2022
DGHO INHALT Editorial L iebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitglieder, translationalen Forschung verändern wird. Für die Hämatologie und Onko- logie ist das mit großen Chancen ver- bunden, letztlich aber müssen wir uns von vielen Kolleg*innen haben wir zu im konkreten Behandlungsalltag stets Beginn des Jahres gehört, dass „2022 selbstkritisch fragen, in welchem Maße gefühlt so anfängt wie 2021 aufgehört wir uns auf Maschinen verlassen können hat“. Mitten in der COVID-19-Pande- und wollen. KI wird uns bei komplexen mie war und ist das sicherlich nicht Entscheidungsprozessen unterstützen, nur eine gefühlte, sondern auch die in letzter Instanz aber wird es sich im- DGHO tatsächliche Realität. Zwar stehen uns mer um eine leitliniengerechte und auf Neuer DGHO-Vorstand mit der COVID-19-Schutzimpfung Erfahrung basierte ärztliche und damit im Amt���������������������������������������������4 und den neuen Arzneimitteln wichti- eine menschliche Abwägung handeln. Grußwort Prof. Hermann ge Instrumente zur Verfügung, doch Im aktuellen Mitgliederrundschreiben Einsele����������������������������������������������5 sind SARS-CoV-2 und die damit ver- finden Sie einen Aufruf zur Gründung bundenen potenziellen Risiken für eines Arbeitskreises „Künstliche In- Tamoxifen: Aktuelle Empfehlungen��������������������������������6 unsere Patient*innen weiterhin omni telligenz in der Hämatologie und On- präsent. Ebenso wie in den vergan- kologie“. Wir begrüßen diese Initiative COVID-19 in der Hämatologie genen 24 Monaten werden wir uns außerordentlich und möchten Sie ein- und Onkologie: Schutz der als Fachgesellschaft mit dem Thema laden, sich hier zu engagieren. vulnerablen Patient*innen����������10 wissenschaftlich auseinandersetzen Gemeinsam mit Partnerinstitutionen Weltkrebstag 2022: und uns als Ärzt*innen für die opti- vergibt die DGHO Promotionsstipen- Versorgungslücken schließen – male Behandlung der uns anvertrauten dien und fördert damit gezielt den wis- auch in Pandemiezeiten�������������12 Patient*innen einsetzen. senschaftlichen und ärztlichen Nach- Aufruf zur Gründung eines Als neuer Vorstand möchten wir uns wuchs in unserem Fachgebiet. Wir Arbeitskreises „Künstliche – im Namen der gesamten Mitglied- freuen uns über die Bewerbungen von Intelligenz in der Hämatologie und Onkologie“����������������������������14 schaft – bei Prof. Lorenz Trümper und jungen Kolleg*innen bis zum 30. Juni Priv.-Doz. Dr. Ingo Tamm für ihr großes 2022. Arbeitskreis „Klug entscheiden“���15 Engagement in den vergangenen zwei Die gemeinsame Jahrestagung 2021 in Stipendien-Initiative der DGHO���16 Jahren bedanken. Unser Bestreben wird Berlin stand unter dem Motto „Reden Kooperationsvertrag G-BA����������21 es sein, diese erfolgreiche Arbeit fort- tut gut“. Viele Ihrer Rückmeldungen zuführen und uns dafür einzusetzen, haben uns gezeigt, dass Sie die vielen Deutsche Stiftung für junge dass die DGHO weiterhin als ein neu- neuen virtuelle Angebote schätzen, Erwachsene mit Krebs traler und kompetenter Ansprechpart- aber auf den reellen interkollegialen, ner geschätzt und um das Einbringen interdisziplinären und interprofessio Podcast „Jung & Krebs“ – von Expertise gebeten wird. nellen Austausch nicht verzichten Wissen für junge Betroffene��������22 In den kommenden Jahren werden wir möchten. Zwar können wir das In- Individuelle Beratung im uns zunehmend mit den Chancen und fektionsgeschehen im kommenden JUNGEN KREBSPORTAL�����������������23 Risiken künstlicher Intelligenz (KI) für Herbst noch nicht absehen, laden Sie Wir suchen Sie auch unser Fachgebiet auseinandersetzen. aber schon heute – auch im Namen des weiterhin!��������������������������������������24 Bspw. bieten radiologische Verfahren Kongresspräsidenten Prof. Matthias schon heute KI-basierte Algorithmen, Preusser – sehr herzlich zur Jahresta- DGHO Geschichte die uns als behandelnde Ärzt*innen im gung vom 7. bis 10. Oktober 2022 in Rahmen der Diagnostik unterstützen. Wien ein. Wir freuen uns über die Ein- Geschichte Kompakt������������������25 Es ist davon auszugehen, dass KI so- reichung Ihrer Abstracts und den da- wohl die Versorgung von Patient*innen mit verbundenen Beitrag für ein span- Veranstaltungen als auch die Möglichkeiten der klinisch- nendes Programm. Jahrestagung 2022����������������������17 Virtuelle DGHO-Frühjahrs- tagung 2022����������������������������������29 Titelfoto: Michael Oldenburg / DGHO e. V. DGHO-Juniorakademie 2022�������30 Seminar Infektiologie�������������������31 Hermann Einsele Andreas Hochhaus Veranstaltungshinweise����������������33 Geschäftsführender Vorsitzender Vorsitzender DGHO Intern Bewerbung um die Mitgliedschaft�������������������������������26 Maike de Wit Carsten-Oliver Schulz Mitglied im Vorstand Mitglied im Vorstand DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2022 3
DGHO Neuer DGHO-Vorstand im Amt (MO) Beginnend ab dem 1. Januar 2022 hat der neu gewähl- te Vorstand der DGHO sein Amt angetreten. Offiziell hat der ausgeschiedene Vorstand seine Amtsgeschäfte am Mittwoch, 5. Januar 2022 an den amtierenden Vorstand übergeben. Dieser setzt sich für die Amtsperiode 2022 bis 2023 folgendermaßen zusam- men: Prof. Dr. med. Hermann Einsele Prof. Dr. med. Andreas Hochhaus Würzburg Jena Geschäftsführender Vorsitzender Vorsitzender Fotos: Universitätsklinikum Würzburg; Universitätsklinikum Jena; Dirk Bleicker / DGHO e. V.; privat (v. l. n. r.) Prof. Dr. med. Maike de Wit Dr. med. Carsten-Oliver Schulz Berlin Berlin Mitglied im Vorstand Mitglied im Vorstand Das Team der DGHO-Geschäftsstelle Doz. Dr. med. Ingo Tamm, Mitglied im freut sich auf die Zusammenarbeit! Vorstand von 2020 bis 2021, großer Gleichzeitig gilt Prof. Dr. med. Lorenz Dank für das außerordentliche Engage- Trümper, Geschäftsführender Vorsit- ment für die DGHO, für das Fachgebiet zender von 2020 bis 2021, und Priv.- und damit für unsere Patient*innen. 4 DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2022
DGHO Grußwort Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol- Unsere Fachdisziplin ist eine der in- legen, liebe Mitglieder, liebe Freunde, novativsten in der gesamten Medizin. Seit Jahren erleben wir einen dramati- seit nunmehr zwei Jahren ist sowohl schen Wissenszuwachs. Dabei nimmt unser klinischer als auch unser privater die Tiefe und der Detailgrad des Wis- Alltag von der COVID-19-Pandemie ge- sens kontinuierlich zu. Die Anzahl der prägt. So haben wir bereits am 2. März Publikationen in unserem Fachgebiet 2020 – sehr kurz nach Entdeckung von macht es kaum möglich, alles im Blick SARS-CoV-2 – eine erste News zum The- zu behalten. Aus diesem Grund ist der ma auf unserer Website veröffentlicht. kollegiale Austausch und der damit verbundene Wissenstransfer von so Und ebenso wie in den vergangenen immenser Bedeutung. 24 Monaten werden wir uns als Fach- gesellschaft mit dem Thema wissen- All dies zeigt, dass „unsere DGHO“ Sie schaftlich auseinandersetzen und uns braucht! Denn: Als starke Fachgesell- als Ärztinnen und Ärzte für die opti- schaft können wir etwas für das Fach- male Behandlung der uns anvertrau- gebiet sowie für unsere Patientinnen ten Patientinnen und Patienten ein- und Patienten bewegen. Im Namen setzen. So wurde bspw. vor wenigen von Herrn Prof. Andreas Hochhaus, Wochen die aktualisierte Version der Frau Prof. Maike de Wit und Herrn Dr. Onkopedia-Leitlinie „COVID-19 bei Carsten-Oliver Schulz darf ich sagen, Patient*innen mit Blut- und Krebs dass es uns Ehre und Freude zugleich erkrankungen“ veröffentlicht. ist, Vorstand dieser lebendigen Fachge- sellschaft sein zu dürfen. Darüber hinaus wird sich die DGHO auch weiterhin mit Stellungnahmen Im Namen des gesamten Vorstands in relevante Gesetzgebungsverfahren wünsche ich Ihnen, Ihren Teams, Ihren einbringen und hier – wie auch in den Familien und Ihren Freundinnen und vergangenen Jahren – intensiv mit Freunden alles Gute! anderen wissenschaftlichen medizi- nischen Fachgesellschaften zusam- menarbeiten. Das gilt auch und ganz besonders für das Verfahren der frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel Herzliche Grüße, nach AMNOG. Ihr Prof. Hermann Einsele Arbeitskreissitzungen im Rahmen der Jahrestagung Die Jahrestagung 2022 findet wieder als Präsenzveranstaltung statt. Wir freuen uns, wenn auch die DGHO Arbeitskreise die Jahrestagung wieder als Treffpunkt für den wissenschaftlichen Austausch und ihre Arbeitskreissitzungen nutzen. Gerne stellen wir hierfür, außerhalb der Plenarsitzungen, kostenfreie Räumlichkeiten zur Verfügung! Raumanfragen senden Sie bitte an: a.reuter@dgho-service.de DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2022 5
DGHO Tamoxifen Aktuelle Empfehlungen Die vorliegenden Empfehlungen wurden von der Deutschen In einigen weiteren Indikationen wird Tamoxifen im Off- Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie Label-Use eingesetzt und in Leitlinien empfohlen. in Kooperation mit folgenden wissenschaftlichen medizini- schen Fachgesellschaften erarbeitet: Es müssen kurzfristig alle erforderlichen Maßnahmen ge- troffen werden, um den Lieferengpass bei Tamoxifen zu • Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie beenden und einen Versorgungsengpass zu verhindern. Die • Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe Zahl der betroffenen Patient*innen ist hoch. • Deutsche Gesellschaft für Senologie • Deutsche Gesellschaft für Urologie Hintergrund Tamoxifen wurde zuerst im Jahr 1962 synthetisiert. Es ist ein Zusammenfassung selektiver Östrogenrezeptor-Modulator. Tamoxifen ist ein Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Prodrug und wird im Körper über den Cytochrom P450-Weg (BfArM) hat die Fachkreise über einen Lieferengpass bei zu den wirksamen Metaboliten umgewandelt. Seit den 70er Tamoxifen informiert. Seit Januar 2022 besteht bei Produk- Jahren wird es in der Therapie des metastasierten Mamma- ten mehrerer Hersteller/Vertreiber von Tamoxifen nahezu karzinoms eingesetzt [1], seit den 80er Jahren in der adju- vollumfänglich ein Lieferengpass. Davon sind zum jetzigen vanten Therapie des frühen, Hormonrezeptor (HR)-positiven Zeitpunkt ca. 85 Prozent des Marktes betroffen. Der Eng- Mammakarzinoms zur Chemoprävention von Rezidiven, pass manifestiert sich aktuell vor allem bei den 20 mg-Ta- darüber hinaus auch bei Vorstufen wie dem duktalen Car- bletten. cinoma in situ (DCIS) zur Chemoprävention eines primären Mammakarzinoms [2, 3]. Tamoxifen ist ein selektiver Östrogenrezeptor-Modulator. Es ist unverzichtbarer Bestandteil der Therapie von Patien- Bereits 2021 gab es erste Hinweise auf einen Lieferengpass tinnen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom, bei Tamoxifen. Formal informierte das BfArM am 28. J anuar sowohl in der kurativen als auch in der palliativen Behand- 2022 über Lieferschwierigkeiten seitens der Hersteller, be- lungssituation. troffen ist vor allem die 20mg-Tablette. Der Hintergrund ist nicht vollständig geklärt. Eine mögliche Erklärung ist ein Die Sorge vor einem Versorgungsengpass ist Anlass für diese Anstieg der Verschreibungen seit dem ersten Quartal 2020 aktuellen Empfehlungen zum Einsatz von Tamoxifen: im zeitlichen Zusammenhang mit den Lockdown-Maßnah- men aufgrund der COVID-19-Pandemie in Kombination mit • Die empfohlene Dosierung von 20 mg/Tag beim Mamma- einer geringen Flexibilität in den Herstellungsprozessen. karzinom kann auch durch Verwendung von 10 mg-Tablet- ten erreicht werden. Die Indikationen und die Empfehlungen von Leitlinien für • In einigen Indikationen kann Tamoxifen temporär durch den Einsatz von Tamoxifen haben sich in den letzten Jahren andere Formen der endokrinen Therapie ersetzt werden, nicht grundlegend geändert. wenn keine Kontraindikationen vorliegen. • Der Ersatz von Tamoxifen durch andere Formen der endo- Indikationen krinen Therapie ist mit einer höheren Nebenwirkungsrate Tamoxifen wird in mehreren Indikationen eingesetzt und in belastet. Leitlinien empfohlen, siehe Tabelle 1. Tabelle 1: Indikationen zum Einsatz von Tamoxifen Indikation Dosierung Zulassung aktuelle Leitlinien Mammakarzinom, ER positiv1 adjuvant 20 mg X S3 [5], AGO [6], Onkopedia [7] metastasiert 20 mg X S3 [5], AGO [6], Onkopedia [7] neoadjuvant (inoperabel, multimorbide) 20 mg S3 [5], AGO [6], Onkopedia [7] Aggressive Fibromatose, fortgeschritten 30-60 mg Onkopedia [8] Prostatakarzinom 10 mg S3 [9] Nebenwirkungen hormonablativer Therapie (Gynäkomastie, Brustschmerz) 1 Die früher durchgängig verwendete Bezeichnung HR (Hormonrezeptor) wird in den Leitlinien mit ER (Östrogenrezeptor) präzisiert. 6 DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2022
Tamoxifen · Aktuelle Empfehlungen DGHO Die Empfehlungen zum Einsatz von Tamoxifen, die Wirk- zu einer signifikanten Senkung des Rezidivrisikos und zur samkeit weiterer Formen endokriner Therapie und die zu- Senkung der Mortalität. Die aktuelle S3-Leitlinie empfiehlt, grundliegende Evidenz zu einem möglichen, temporären dass die adjuvante endokrine Therapie einen Aromatase- Ersatz von Tamoxifen können folgendermaßen zusammen- hemmer enthalten sollte [5]. Bei Auftreten intolerabler Ne- gefasst werden: benwirkungen unter der Therapie mit Aromatasehemmern wird ein Wechsel auf Tamoxifen empfohlen. Die Dauer der Mammakarzinom, HR positiv, adjuvant, endokrinen Therapie liegt zwischen 5 und 10 Jahren, ab- prämenopausal hängig vom Rezidivrisiko und von der Verträglichkeit. Standard bei prämenopausalen Patientinnen ist die Gabe von Tamoxifen. Sie soll in einer Dosierung von 20 mg pro Mammakarzinom, HR positiv, neoadjuvant Tag in Abhängigkeit des Rezidivrisikos über eine Zeitdau- Die aktuelle S3-Leitlinie empfiehlt: Bei postmenopausalen er von 5 bis 10 Jahren bzw. bis zum Rezidiv erfolgen [4-6, Patientinnen mit endokrin sensitivem Mammakarzinom 10]. Für Patientinnen mit einem ER+-Mammakarzinom und kann, wenn eine Operation oder Chemotherapie nicht mög- erhöhtem Rezidivrisiko, die nach abgeschlossener Chemo- lich oder nicht gewünscht sind, eine primäre endokrine The- therapie noch prämenopausal sind, kann unter Ausschal- rapie durchgeführt werden [5]. Die neoadjuvante endokrine tung der Ovarialfunktion ein Aromatasehemmer einge- Therapie ist keine Standardtherapie, in speziellen Situatio- setzt werden [11]. Die alleinige Ovarialsuppression kann nen (inoperabel, multimorbide) kann eine neoadjuvante en- entweder durch Gabe eines GnRH-Analogons oder durch dokrine Therapie erwogen werden. Die endokrine Therapie eine bilaterale Ovarektomie für prämenopausale Frauen wird mit Tamoxifen oder mit Aromatasehemmern durchge- mit einem ER+ Mammakarzinom erwogen werden, die kein führt. Tamoxifen erhalten können oder wollen. Die Gabe eines GnRH-Analogons ist der Tamoxifengabe äquivalent, aller- Mammakarzinom, HR positiv, metastasiert dings mit einer erhöhten Nebenwirkungs- und Abbruchrate Bei Patientinnen mit HR-positivem Mammakarzinom steht verbunden [12]. die endokrin-basierte Therapie an erster Stelle [5-7, 16]. Die Wahl der Präparate richtet sich vor allem nach der endo- Mammakarzinom, HR positiv, adjuvant, krinen Vortherapie. Tamoxifen ist eine Option, wenn diese perimenopausal Substanz in der Vortherapie nicht eingesetzt oder wenn die Patientinnen, die während der Tamoxifen-Therapie in die Therapie mit Tamoxifen vor mehr als 12 Monaten beendet Postmenopause kommen, können von einer erweiterten ad- wurde. Alternativen sind Aromatasehemmer oder Fulvest- juvanten Therapie mit einem Aromatasehemmer profitieren rant. Die endokrine Therapie wird ergänzt durch die Kombi- [13]. nation mit einem CDK 4/6 Inhibitor. Mammakarzinom, HR positiv, adjuvant, Mammakarzinom bei Männern postmenopausal Das Mammakarzinom ist bei Männern eine seltene Erkran- Für die adjuvante endokrine Systemtherapie postmenopau- kung. Nach Operation und Bestrahlung schließt sich bei den saler Patientinnen stehen Tamoxifen und Aromatasehem- meisten Patienten eine adjuvante endokrine Therapie mit mer zur Verfügung. Tamoxifen senkt die krebsspezifische Tamoxifen an, ggf. auch eine Chemo- und/oder eine anti- Foto: Omer Serkan Bakir (iStock) Mortalität und die Gesamtmortalität, verglichen mit Pati- HER2-Therapie. Für die Therapie mit Tamoxifen gibt es kei- entinnen ohne adjuvante endokrine Systemtherapie [14]. In ne gleich wirksame Alternative. Im Stadium der Fernmeta- den Switch-Studien nach Tamoxifen senkten Aromatase- stasierung ist der Therapieanspruch palliativ mit dem Ziel hemmer die Mammakarzinom-spezifische Mortalität [15]. der Linderung von Symptomen und Verlängerung der Über- Bei Einsatz als Ersttherapie (upfront) führten Aromatase- lebenszeit. In dieser Therapiesituation ist der Rezeptoranta- hemmer in den ersten beiden Jahren nach Therapiebeginn gonist Fulvestrant eine Alternative [5, 7]. DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2022 7
DGHO Tamoxifen · Aktuelle Empfehlungen Desmoide / Aggressive Fibromatose (AF) Ovarialkarzinom Desmoide/AF sind Weichgewebstumoren. Zur medikamen- Ovarialkarzinome exprimieren Hormonrezeptoren. Tamoxi- tösen Therapie der lokal rezidivierten, nicht resektablen fen ist eine wirksame Therapie [21], allerdings einer Mono- oder nur mutilierend resektablen und nicht strahlenthera- chemotherapie unterlegen [22]. Bei Kontraindikationen ge- peutisch therapierbaren AF gibt es verschiedene Optionen. gen eine Chemotherapie ist Tamoxifen eine Therapieoption. Hierzu zählen antihormonelle Therapien wie hochdosiertes Tamoxifen oder nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) [8, Empfehlungen für das klinische Management 17, 18]. Die in kleinen Fallserien mit einer antihormonellen eines Tamoxifen-Engpasses Therapie erzielten Ansprechraten betragen zwischen ca. 25 Für einige Patient*innen lassen sich aus den vorliegenden bis 50 Prozent, in weiteren 20 bis 30 Prozent werden Tumor- Daten Empfehlungen zum Ersatz von Tamoxifen durch an- stabilisierungen erreicht. dere Arzneimittel ableiten, siehe Tabelle 2. Prostatakarzinom – Nebenwirkungen Zahl betroffener Patient*innen hormonablativer Therapie Leider ermöglichen die derzeitigen Krebsregisterstrukturen Eine hormonablative Therapie ist der Standard in der neo-/ keinen raschen Überblick über die Anzahl der von einem adjuvanten Therapie in Kombination mit einer Strahlenbe- Engpass betroffenen Patient*innen. Die Ergebnisse einer handlung beim lokalisierten Hochrisiko-Prostatakarzinom kurzfristigen Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der und im metastasierten Stadium. Brustschmerzen und/oder AOK vom 2. Februar 2022 sind in Abbildung 1 dargestellt. Gynäkomastie treten ohne Prophylaxe bei etwa jedem zwei- Dabei wurden die Verordnungen der zusammen betrachteten ten Patienten unter Antiandrogenmonotherapie auf [9, 19]. Gruppe der Antiestrogene und Aromatase-Inhibitoren (ATC Sie führen bei einem Teil der Patienten zum Therapieab- L02BA und L02BG) betrachtet. bruch. Dementsprechend sind supportive Maßnahmen er- forderlich. In einem prospektiv randomisierten Vergleich Daraus ergibt sich eine geschätzte Zahl von 110. bis 120.000 war die Behandlung mit Tamoxifen der Strahlentherapie gesetzlich Versicherten/Jahr, bei denen Tamoxifen verschrie- überlegen. Beim Einsatz von Tamoxifen in dieser Indikation ben wurde. Zuzüglich der Zahl privat Versicherter sind insge- handelt es sich um einen Off-Label-Use [20]. samt geschätzte 120. bis 130.000 Patient*innen von einem Tamoxifen-Engpass betroffen. Tabelle 2: Empfehlungen zum Ersatz von Tamoxifen bei einem Versorgungsengpass, wenn keine Kontraindikationen gegen die Ersatztherapie vorliegen Allgemein Dosierung Praktische Alternative Tamoxifen 20 mg 2 Tabletten à 10 mg, einmal täglich Indikationsbezogen Indikation Spezifikation Therapeutische Alternative, Evidenz wenn keine Kontraindikationen vorliegen Mammakarzinom, prämenopausal Aromatasehemmer, in Kombination mit GnRH- randomisierte ER positiv, Analoga; Cave: Nebenwirkungen kontrollierte Studien adjuvant perimenopausal Aromatasehemmer, in Kombination mit GnRH- Analoga; Cave: Nebenwirkungen postmenopausal Aromatasehemmer; Cave: Nebenwirkungen Mammakarzinom, Aromatasehemmer randomisierte ER positiv, Fulvestrant kontrollierte Studien metastasiert Mammakarzinom, Aromatasehemmer indirekter Vergleich ER positiv neoadjuvant Aggressive Fibroma- fortgeschritten NSAID, Multikinase-Inhibitor indirekter Vergleich tose Prostatakarzinom hormonablative Bestrahlung randomisierte Therapie kontrollierte Studie Ovarialkarzinom fortgeschritten Monochemotherapie randomisierte kontrollierte Studie 8 DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2022
Tamoxifen · Aktuelle Empfehlungen DGHO Abbildung 1: Verordnungen von Tamoxifen in den Jahren 2019 – 2021 15. Early Breast Cancer Trialist‘s Collaborative Group. Aromatase inhibitors versus tamoxifen in early breast cancer: patient-level meta-analysis of the randomised trials. Lancet 386:1341-1352, 2015. DOI: 10.1016/S0140- 6736(15)61074-1 16. Rugo HS, Rumble RB, Macrae E et al.: Endocrine Therapy for Hormone Receptor-Positive Metastatic Breast Cancer: American Society of Clini- cal Oncology Guideline. J Clin Oncol 34: 3069-3103, 2016. DOI: 10.1200/ JCO.2016.67.1487 17. Kasper B, Baumgarten C, Garcia J et al. on behalf of the Desmoid Working Group. An update on the management of sporadic desmoid-type fibroma- tosis: a European consensus initiative between Sarcoma Patients EuroNet (SPAEN) and European Organisation for Research and Treatment of Can- cer (EORTC) / Soft Tissue and Bone Sarcoma Group (STBSG). Ann Oncol 28:2399-2408, 2017. DOI: 10.1093/annonc/mdx323 18. Janinis J, Patriki M, Vini L et al.: The pharmacological treatment of ag- gressive fibromatosis: a systematic review. Ann Oncol 14:181-190, 2003. PMID:12562642 19. Iversen P, Tammela TLJ, Vaage S et al.: A Randomised Comparison of Bica- lutamide (‚Casodex‘) 150 Mg Versus Placebo as Immediate Therapy Either Alone or as Adjuvant to Standard Care for Early Non- Metastatic Prostate Quelle: GKV-Arzneimittelindex, Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), 2022 Cancer. First Report from the Scandinavian Prostatic Cancer Group Study 6, Eur Urol 42:204–211, 2002. DOI: 10.1016/s0302-2838(02)00311-1 20. Perdonà S, Autorino R, De Placido S et al.: Efficacy of Tamoxifen and Ra- Referenzen diotherapy for Prevention and Treatment of Gynaecomastia and Breast Pain Caused by Bicalutamide in Prostate Cancer: A Randomised Controlled 1. Early Breast Cancer Trialist‘s Collaborative Group. Aromatase inhibitors Trial. Lancet Oncol 6:295–300, 2005. DOI:10.1016/S1470-2045(05)70103-0 versus tamoxifen in early breast cancer: patient-level meta-analysis of the randomised trials. Lancet 386:1341-1352, 2015. DOI: 10.1016/S0140- 21. Williams C, Simera CI, Bryant A: Tamoxifen for relapse of ovari- 6736(15)61074-1 an cancer. Cochrane Database Syst Rev, 2010(3): p. CD001034. DOI: 10.1002/14651858.CD001034.pub2 2. Legha SS, Davis HL, Muggia FM: Hormonal therapy of breast cancer: new approaches and concepts. Ann Inten Med 88:69-77, 1978. DOI: 22. AWMF S3 Leitlinie: S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge ma- 10.7326/0003-4819-88-1-69 ligner Ovarialtumoren. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032- 035OLl_S3_Diagnostik-Therapie-Nachsorge-maligner-Ovarialtumo- 3. Baum M, Brinkley DM, Dossett JA et al.: Improved survival among patients ren_2021-10.pdf treated with adjuvant tamoxifen after mastectomy for early breast cancer. Lancet 322:405, 1983. DOI: 10.1016/s0140-6736(83)90406-3 4. Early Breast Cancer Trialist‘s Collaborative Group. Effects of adjuvant tamoxifen and of cytotoxic therapy on mortality in early breast cancer. Die Stellungnahme wurde von Prof. Dr. Bernhard Wörmann An overview of 61 randomized trials among 28,896 women. N Engl J Med (DGHO; Charité Campus Universitätsmedizin Berlin, Medizini- 319:1681-1692, 1988. DOI: 10.1056/NEJM198812293192601 sche Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tu- 5. AWMF S3 Leitlinie „Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nach- morimmunologie, Campus Virchow, Berlin) in Kooperation mit sorge des Mammakarzinoms“, Juni 2021. Registernummer 032-045OL. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-045OLl_S3_Mammakarzi- Prof. Dr. Matthias Beckmann (Universitätsklinikum Erlangen, nom_2020-02.pdf Frauenklinik), Prof. Dr. Jens-Uwe Blohmer (Charité Universi- 6. Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie: Diagnostik und Thera- tätsmedizin Berlin, Klinik für Gynäkologie mit Brustzentrum, pie primärer und metastasierter Mammakarzinome: Endokrine und ziel- Berlin), Prof. Dr. Sarah Brucker (Universitätsklinikum Tübin- gerichtete Therapie metastasiertes Mammakarzinom. März 2021. https:// www.ago-online.de/fileadmin/ago-online/downloads/_leitlinien/kommission_ gen, Translationale & Systemische Gynäkoonkologie, Depart- mamma/2021/Einzeldateien_Literatur/2021D_10_Adjuvante_Endokrine_The- ment für Frauengesundheit, Tübingen), Prof. Dr. Marc-Oliver rapie_MASTER_final_20210302_inklREf.pdf Grimm (Universitätsklinikum Jena, Urologische Klinik und Po- 7. Mammakarzinom der Frau. Leitlinien von DGHO, OeGHO, SGMO und liklinik, Jena), Prof. Dr. Andreas Hartkopf (Universitätsklinikum SGH+SSH, Status Januar 2018. http://www.dgho-onkopedia.de/de/onkopedia/ leitlinien/mammakarzinom-der-frau Tübingen, Translationale & Systemische Gynäkoonkologie, De- 8. Weichgewebssarkome (maligne Weichgewebstumoren) des Erwachsenen. partment für Frauengesundheit, Tübingen), Prof. Dr. Wolfgang Onkopedia, April 2019. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/ Janni (Universitätsklinikum, Frauenklinik, Ulm), Prof. Dr. Bernd weichgewebssarkome-maligne-weichgewebstumoren-des-erwachsenen/@@ Kasper (Universitätsmedizin Mannheim, Interdisziplinäres guideline/html/index.html Tumorzentrum, Mannheim), Prof. Dr. Diana Lüftner (Charité 9. AWMF S3 Leitlinie Prostatakarzinom, Oktober 2021. https://www.awmf.org/ uploads/tx_szleitlinien/043-022OLl_S3_Prostatakarzinom_2021-10.pdf Campus Benjamin Franklin, Med. Klinik mit Schwerpunkt Hä- 10. Cardoso F, Paluch-Shimon F, Senkus E et al.: 5th ESO-ESMO internatio- matologie, Onkologie und Tumorimmunologie, Berlin), Prof. Dr. nal consensus guidelines for advanced breast cancer (ABC 5). Ann Oncol med. Volkmar Müller (Universitätsklinikum Hamburg-Eppen- 31:1623-1649, 2020. DOI: 10.1016/j.annonc.2020.09.010 dorf, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie, Hamburg), Prof. Dr. 11. Chlebowski RT, Pan K, Col NF: Ovarian suppression in combination endo- crine adjuvant therapy in premenopausal women with early breast cancer. Marcus Schmidt (Johannes Gutenberg-Universität, Abteilung Breast Cancer Res Treat 161:185-190, 2017. DOI: 10.1007/s10549-016- für Konservative und Molekulare Gynäkologische Onkologie, 4024-4 Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Frauengesundheit, 12. Hackshaw A, Baum M, Fornander T et al.: Long-term effectiveness of ad- Mainz), Prof. Dr. Andreas Schneeweiss (Universitätsklinikum juvant goserelin in premenopausal women with early breast cancer. J Natl Cancer Inst 101:341-349, 2009. DOI: 10.1093/jnci/djn498 Heidelberg, Gynäkologische Onkologie, NCT, Heidelberg), Dr. 13. Goss PE, Ingle JN, Pater JL et al.: Late extended adjuvant treatment with Carsten Telschow (Wissenschaftliches Institut der AOK, WIdO, letrozole improves outcome in women with early-stage breast cancer who Berlin), Prof. Dr. Hans Tesch (Onkologische Gemeinschaft- complete 5 years of tamoxifen. J Clin Oncol 26: 1948-1955, 2008. DOI: spraxis, Frankfurt), Dr. Anja Welt (Universitätsklinikum Essen, 10.1200/JCO.2007.11.6798 Westdeutsches Tumorzentrum, Innere Klinik und Poliklinik, 14. Early Breast Cancer Trialists‘ Collaborative Group: Relevance of breast cancer hormone receptors and other factors to the efficacy of adjuvant Essen) und Prof. Dr. med. Achim Wöckel (Universitätsklinikum tamoxifen: patient-level meta-analysis of randomized trials. Lancet Würzburg, Frauenklinik, Würzburg) erarbeitet. 378:771-784, 2011. DOI:10.1016/S0140-6736(11)60993-8 DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2022 9
DGHO COVID-19 in der Hämatologie und Onkologie Schutz der vulnerablen Patient*innen MARIE VON LILIENFELD-TOAL Therapie zur Verhinderung eines schweren Verlaufs einer COVID-19 Erkrankung bei vulnerablen Patient*innen BERNHARD WÖRMANN Zusammenfassung symptomatisch Inzwischen stehen mehrere, zugelassene oder zentral für die PCR positiv erhöhtes Risiko für schweren Verlauf von COVID-191 Bundesrepublik Deutschland beschaffte, wirksame Arznei- mittel zur Verhinderung schwerer Verläufe von COVID-19 bei vulnerablen Patient*innen zur Verfügung. Als vulnerabel leichter Krankheitsverlauf, kein werden Patient*innen mit einem oder mehreren Risikofak- zusätzlicher Sauerstoffbedarf, nicht wegen COVID-19 hospitalisiert2 toren eingestuft. Dazu gehören (alphabetische Reihenfolge): Adipositas, Alter, Diabetes mellitus, Immundefizienz- oder oder -suppression, kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebserkran- kung (aktiv), Lungenerkrankung (chronisch), Nierenerkran- Nirmatrelvir + Ritonavir p.o. 4, 5 monoklonale Antikörper, oder kung (chronisch) u. a. angepasst an die lokal Remdesivir i.v. 4 dominirenden SARS-COV-2- Anfang Februar stehen zur Verfügung (jeweils alphabetische Varianten3 oder Reihenfolge): Molnupiravir p.o. 4, 6 • Monoklonale Antikörper Abbildung 1: Graphische Darstellung von Empfehlungen zur Behandlung von · Casirivimab/Imdevimab (Ronapreve®) COVID-19 Patient*innen mit mildem Verlauf und ohne COVID-19-bedingte · Sotrovimab (VIR-7831, Xevudy®) Hospitalisierung · Tixagevimab/Cilgavimab (AZD7442, Evusheld™) 1 Risikofaktoren entsprechend den Einschlusskriterien der Zulassungsstu- dien: Adipositas (BMI >25 oder 30), Alter (>60 oder 65 Jahre), Diabetes • Virostatika mellitus, Immundefizienz- oder -suppression, kardiovaskuläre Erkrankun- · Molnupiravir (Lagevrio®) gen, Krebserkrankung (aktiv), Lungenerkrankung (chronisch), Nierener- · Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid®) krankung (chronisch) u. a. · Remdesivir (Veklury®) 2 Therapie innerhalb von 3-5 Tagen nach Symptombeginn; 3 Die seit November 2021 zugelassene Antikörperkombination Casirivimab/ Imdevimab (Ronapreve®) zeigt kaum Wirksamkeit gegenüber der Omik- Ein übergeordneter Algorithmus ist in Abbildung 1 darge- ron-Variante; in vitro ist die Wirksamkeit von Sotrovimab gegenüber der stellt. Omikron-Variante nicht oder nur gering reduziert; in vitro ist die Wirk- samkeit von Tixagevimab/Cilgavimab gegenüber der Omikron-Variante reduziert, aber nicht aufgehoben. Einführung 4 in vitro bleibt die Omikron-Variante empfindlich Während die Infektion bei der großen Mehrzahl der SARS- 5 Cave Arzneimittelinteraktionen, kontraindiziert bei gleichzeitiger Gabe CoV-2-positiven Personen a- oder oligosymptomatisch ver- einiger Substrate von Cytochrom P450 (CYP) 3A4 und P-Glykoprotein, läuft, kann COVID-19 ein komplexes, lebensbedrohliches siehe Fachinformation; darüber hinaus gehende Hinweise wurden von der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) erarbeitet und Krankheitsbild auslösen. Schon frühzeitig in der Pandemie bereitgestellt. wurden Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsver- 6 kontraindiziert bei Schwangerschaft und Stillperiode lauf identifiziert. Hierzu gehören insbesondere höheres Al- ter, Adipositas mit BMI >30 kg/m2, schwere kardiovaskuläre Erkrankung, chronische Lungenerkrankung, chronische Nie- Definition der Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von renerkrankung, einschl. Dialyse, Diabetes mellitus, aktive COVID-19. Gemeinsam ist inzwischen der primäre Endpunkt Krebserkrankung, Immunsuppression einschl. antineoplasti- „Hospitalisierung oder Tod“ an Tag 28 oder 29. sche Therapie bei malignen Erkrankungen, und andere sowie aktuell der Status „nicht geimpft“. Monoklonale Antikörper Monoklonale Antikörper sind direkt antiviral über die Akti- Stand der Therapie vierung des Immunsystems wirksam. Alle bisher zugelasse- Im ersten Jahr der Pandemie war die Therapie weitestgehend nen, monoklonalen Antikörper binden an das Spike-Protein supportiv und Empirie-basiert. In den letzten Monaten hat von SARS-CoV-2, allerdings an unterschiedliche Epitope. sich die Situation geändert. Ein Fokus der Therapie ist jetzt Entsprechend können sie ihre klinische Wirksamkeit beim die frühzeitige Behandlung von vulnerablen Patient*innen Auftreten von Varianten und/oder Veränderung des Krank- mit dem Ziel der Verhinderung schwerer, klinischer Verläufe. heitsbildes verlieren. So wurde die zuerst in Deutschland zur Alle derzeit zur Verfügung stehenden Antikörper oder Vi- Verfügung gestellte Antikörperkombination Bamlanivimab/ rostatika wurden in randomisierten kontrollierten Studien Etesevimab (LY-CoV555) zwischenzeitlich wieder vom Markt gegenüber Placebo, aber nicht im direkten Vergleich unter- zurückgenommen. Unter Berücksichtigung der o. g. Ein- einander getestet. Dadurch unterscheiden sich die unter- schränkungen zu Unterschieden in den Zulassungsstudien suchten Patientenkollektive etwas, sowohl in der Herkunft können die aktuell zur Verfügung stehenden Daten folgen- der Patient*innen als auch in den Einschlusskriterien mit dermaßen zusammengefasst werden: 10 DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2022
COVID-19 in der Hämatologie und Onkologie DGHO • Casirivimab/Imdevimab (Ronapreve®) führte in der Zu- nisrate von 5,3% (15/283 Patient*innen) im Placebo- auf lassungsstudie COV-2067 zur signifikanten Reduktion 0,7% (2/279 Patient*innen) im Remdesivir-Arm. Die Rate der Rate schwerer und tödlicher Verläufe. Allerdings hat unerwünschter Ereignisse lag mit 46,3% vs 42,3% und die diese Kombination in vitro nur eine geringe Wirksamkeit Rate schwerer unerwünschter Ereignisse mit 6,7% vs 1,8% gegenüber der Omikron-Variante und wird derzeit nicht jeweils im Placebo-Arm höher als im Remdesivir-Arm. empfohlen, weder in der Therapie noch in der Präexposi- tionsprophylaxe. • Molnupiravir ist das orale Prodrug eines synthetischen Nukleosid-Analogons (N4-Hydroxycytidin, NHC). Es • Sotrovimab (VIR-7831, Xevudy®) hat als Zielstruktur ein hemmt die virale RNA-Replikation. Molnupiravir wird hochkonserviertes Epitop des Spike-Proteins, das auch auf oral appliziert. In der ersten Analyse der Zulassungsstu- SARS-CoV-2 einschl. Varianten wie Delta und Omikron die zeigte sich bei 765 Patient*innen fast eine Halbierung eine Bindung des Antikörpers erlaubt. In der COMET-ICE- der Hospitalisierungs-/Sterberate (14,1 vs 7,3%, p=0,0012). Studie reduzierte Sotrovimab das Risiko eines schweren In einer aktuelleren Pressemitteilung mit Auswertung oder tödlichen Verlaufs von 6% (30/529) auf 1% (6/528). von 1.433 Patient*innen war die Reduktion geringer (9,7 Schwere unerwünschte Ereignisse traten seltener unter vs 6,8%, p=0,0218). Die Rate unerwünschter Ereignisse Sotrovimab (2%) als im Placebo-Arm (6%) auf. In vitro ist und die Rate schwerer unerwünschter Ereignisse war je- die Wirksamkeit von Sotrovimab gegenüber der Omikron- weils im Placebo-Arm höher als im Molnupiravir-Arm. Variante nicht oder nur gering reduziert. Das eröffnet auch Häufigste Nebenwirkung war Diarrhoe, häufiger im Mol- eine Option zum Einsatz von Sotrovimab in der Präexpo- nupiravir-Arm trat Übelkeit auf. Molnupiravir ist potenzi- sitionsprophylaxe. ell teratogen und soll nicht bei Schwangeren sowie in der Stillperiode eingesetzt werden. Die FDA stufte das Risiko • Tixagevimab/Cilgavimab (AZD7442, Evusheld™) haben der Mutagenität als niedrig ein. eine verlängerte Halbwertszeit und eine mögliche Wirk- samkeit von bis zu 6 Monaten. Der Pressemitteilung zu- In vitro ist die Omikron-Variante BA.1 auch gegenüber Nir- folge reduzierte Tixagevimab/Cilgavimab das Risiko eines matrelvir, Remdesivir und Molnupiravir empfindlich. schweren oder tödlichen Verlaufs von 8,9% (37/415) auf 4,4% (18/407). Die Daten sind bisher nicht voll publiziert. Diskussion In vitro ist die Wirksamkeit von Tixagevimab/Cilgavimab Es besteht ein großer ungedeckter Bedarf an Arzneimitteln gegenüber der Omikron-Variante reduziert, aber nicht auf- zur kausalen Therapie von COVID-19. Die bisherigen Erfah- gehoben. Tixagevimab/Cilgavimab ist auch in der Präex- rungen aus der Frühphase der Pandemie haben dazu geführt, positionsprophylaxe wirksam. dass sich die Entwicklung von Arzneimitteln zunächst auf die Verhinderung von schweren Krankheitsverläufen und Virostatika Tod bei vulnerablen Patient*innen konzentriert hat. Im Virostatika haben unterschiedliche intravirale Zielstruktu- Kontext der zur Zulassung bzw. zur zentralen Beschaffung ren. Unter Berücksichtigung der o. g. Einschränkungen zu führenden, randomisierten kontrollierten Studien sind vor Unterschieden in den Zulassungsstudien können die aktuell allem folgende Punkte zu diskutieren: zur Verfügung stehenden Daten folgendermaßen zusam- mengefasst werden: • Übertragbarkeit auf den deutschen Versorgungskontext: die oben dargestellten Studien wurden bei Ungeimpf- • Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid®) wird als fixe Kombi- ten durchgeführt wurden. Das trifft auf etwa 95% der nation verwendet. Nirmatrelvir ist ein Inhibitor der 3CL- Patient*innen mit hämatologischen und onkologischen Protease. Ritonavir ist ein CYP3A4-Inhibitor und hemmt Erkrankungen nicht zu. Möglicherweise können wir die die Verstoffwechslung von Nirmatrelvir. Damit wird der Therapie in den frühen Stadien einer COVID-19-Erkran- Wirkspiegel erhöht. Die CYP 3A-Hemmung hält über 4-5 kung auf Patient*innen mit erhöhtem Risiko für ein Impf- Tage nach Beendigung der Einnahme an. In der EPIC-HR- versagen fokussieren. Studie reduzierte Nirmatrelvir/Ritonavir die Hospitalisie- rungs-/Sterberate gegenüber Placebo von 6,5% auf 0,7% • Definition der vulnerablen Patient*innen: die große bei einem Therapiebeginn innerhalb von 3 Tagen nach Mehrzahl der Patient*innen in den Zulassungsstudien Symptombeginn. Bei Therapiebeginn innerhalb von 5 Ta- hatte Adipositas und/oder Alter als Risikofaktor, nur we- gen nach Symptombeginn war die Wirksamkeit mit 6,3 vs nige waren immunsupprimiert oder litten an einer aktiven 0,8% vergleichbar. Die Verträglichkeit von Nirmatrelvir Krebserkrankung. ist gut. Durch die Kombination mit Ritonavir besteht das Risiko von kritischen Arzneimittelinteraktionen, vor al- Angesichts der Unsicherheiten in der Wirksamkeit der ver- lem mit Substraten von Cytochrom P450 (CYP) 3A4 und fügbaren Arzneimittel sind Register zur engmaschigen P-Glykoprotein. Erfassung von Wirksamkeit und Sicherheit erforderlich. Gleichzeitig sollen begleitende Studien (Antikörper, Virus- • Remdesivir (Veklury®) ist ein direkt wirksamer Nukleo- last, Monitoring, Immunresponse, Pharmakovigilanz u.a.) tid-Prodrug-Inhibitor der RNA-abhängigen RNA-Polyme- initiiert und gefördert werden. rase von SARS-CoV-2. Remdesivir war bereits zugelassen zur Therapie der sauerstoffpflichtigen COVID-19-Pneu- Literatur / Referenzen monie. Jetzt liegen Daten aus PINETREE, einer Studie zum https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/coronavirus-infektion-covid- 19-bei-patient-innen-mit-blut-und-krebserkrankungen/@@guideline/html/index. Einsatz von Remdesivir bei symptomatischen, nicht-hos- html pitalisierten Patient*innen mit COVID-19 vor. Hier zeigte https://www.dgho.de/publikationen/stellungnahmen/gute-aerztliche-praxis/coro- sich bei den 562 Patient*innen eine Reduktion der Ereig- navirus/arzneimitteltherapie-stellungnahme-20220207.pdf DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2022 11
DGHO Weltkrebstag 2022: Versorgungslücken schließen – auch in Pandemiezeiten MARIE VON LILIENFELD-TOAL in der medikamentösen Therapie – in die flächendeckende ANNE LETSCH Versorgung von Patientinnen und Patienten mit hämatolo- MICHAEL OLDENBURG gischen und onkologischen Erkrankungen ist ein wichtiges Ziel, für dessen Realisierung wir uns als wissenschaftliche Dieser Text ist am Freitag, 4. Februar 2022 als Pressemitteilung medizinische Fachgesellschaft einsetzen und damit unseren veröffentlicht worden. Beitrag zum Fortschritt in der Krebsmedizin beitragen“, er- läutert Prof. Dr. med. Hermann Einsele, Geschäftsführender I n den letzten zwei Jahren der COVID-19-Pandemie ist sehr deutlich geworden, wie herausfordernd es ist, das gewohnte Spektrum einer exzellenten ambulanten und sta- Vorsitzender der DGHO und Direktor der Medizinischen Kli- nik II des Universitätsklinikums Würzburg. Gemeinsam mit den Schwestergesellschaften aus Österreich und der Schweiz tionären Versorgung von Patient*innen mit Krebserkran- sowie Kolleg*innen anderer Fachgebiete definiert die DGHO kungen zu gewährleisten. Die DGHO Deutsche Gesellschaft mit den Onkopedia-Leitlinien den Stand des medizinischen für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. hat seit Wissens und setzt damit evidenzbasierte Medizin in aktu- Beginn der COVID-19-Pandemie als „Stimme der Onkologie“ elle Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von häma- die Sicherstellung der Versorgung wesentlich befördert, bei- tologischen und onkologischen Erkrankungen um. „Durch spielsweise durch die Erstellung von Handlungsempfehlun- die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Kolleginnen und gen und Leitlinien und darüber hinaus durch eine intensive Kollegen anderer Fächer und die zügige Aktualisierung der Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen medizini- Onkopedia-Leitlinien tragen wir dazu bei, dass möglichst schen Fachgesellschaften und Patientenorganisationen wie viele Patientinnen und Patienten von den modernen Be- das Haus der Krebs-Selbsthilfe – Bundesverband e. V. handlungsstrategien profitieren können“, so Prof. Dr. med. Was ist das langfristige Ziel? Ziel muss es sein, eine exzel- Andreas Hochhaus, Vorsitzender der DGHO und Direktor der lente Versorgung für alle Patient*innen – unabhängig von Abteilung Hämatologie und Internistische Onkologie des geographischem Standort, Schulabschluss, Ausbildung, Ein- Universitätsklinikums Jena. „Wenn wir – entsprechend dem kommen, Ethnizität, Geschlecht, sexueller Orientierung, Motto des Weltkrebstags – mögliche, bestehende Lücken in Alter, Behinderung, Lebensstil oder anderen individuellen der Versorgung von Patientinnen und Patienten schließen Faktoren sicherzustellen. Denn trotz beeindruckender Fort- wollen, dann müssen wir durch eine wissensgenerierende schritte in der Krebsvorsorge, -diagnose und -behandlung Versorgung evidenzbasierte, maßgeschneiderte und patien- stoßen Menschen immer wieder an Grenzen der Versor- tenzentrierte Konzepte in der Prävention, Früherkennung, gungsgerechtigkeit. Die auf drei Jahre angelegte Kampagne Therapie, Rehabilitation und Nachsorge kontinuierlich wei- ‚Close the care gap‘ widmet sich in jedem Jahr einem spezifi- terentwickeln und – wenn nötig – anpassen“, ergänzt Einsele. schen Fokus. Ziel des diesjährigen Weltkrebstages ist es, die weiterhin bestehenden Versorgungslücken zu beschreiben Gründung des Arbeitskreises Diversitäts- und und besser verstehen zu lernen (‚realizing the problem‘). In Individualmedizin in der DGHO den kommenden zwei Jahren folgen ‚uniting our voices and Wissenschaftliche Studien, die im Rahmen der COVID- taking action‘ und ‚together, we challenge those in power‘. 19-Pandemie durchgeführt worden sind, konnten u. a. zei- Die DGHO als wissenschaftliche medizinische Fachgesell- gen, dass zum Beispiel Faktoren wie Geschlecht, Ethnie oder schaft ist dem Fortschritt verpflichtet und sieht es als eine Alter einen wesentlichen Einfluss auf den Erkrankungsver- ihrer wesentlichen Aufgaben an, sicherzustellen, dass Inno- lauf von Patient*innen haben. Die Frage, ob und inwieweit vationen des Fachgebiets rasch in die Regelversorgung von diese Einflussfaktoren auch bei hämatologischen und on- Patient*innen integriert und dabei allen Betroffenen zu- kologischen Erkrankungen von Relevanz sind, war einer der gänglich gemacht werden. Insofern trägt die DGHO das An- primären Fragestellungen des im Jahr 2021 gegründeten liegen des Weltkrebstages mit und möchte das Bewusstsein DGHO-Arbeitskreises ‚Diversitäts- und Individualmedizin‘ für das Thema Versorgungslücken in der Breite wecken. (AK DIM). „Wir brauchen dringend mehr Erkenntnisse zum Einfluss von individuellen Faktoren auf den Verlauf, die The- Versorgungslücken schließen: Durch rapierbarkeit und das Management von Krebserkrankungen“, effizienten Wissenstransfer betont Prof. Dr. med. Marie von Lilienfeld-Toal vom Univer- Die Hämatologie und Onkologie ist eine der innovativsten sitätsklinikum Jena und Vorsitzende des Arbeitskreises. Für Fachdisziplinen in der gesamten Medizin. Seit Jahren erlebt die DGHO hat dieser neue Fokus unmittelbare Relevanz im das Fachgebiet einen dramatischen Wissenszuwachs. Dabei Sinne der Erweiterung der wissenschaftlichen Perspektiven nehmen die Tiefe und der Detailgrad des Wissens stetig zu. und der Verbesserung der Versorgung von Patient*innen. Da- Die sich kontinuierlich ändernden Diagnostik- und Thera- bei umfassen individuelle Aspekte beispielsweise zunächst piestandards müssen daher seitens der wissenschaftlichen biologische Faktoren wie Geschlecht, Ethnie, Alter, Gewicht medizinischen Fachgesellschaften so aufbereitet und den oder genetische Polymorphismen und darüber hinaus sozio- ärztlichen Kolleg*innen zur Verfügung gestellt werden, dass ökonomische Faktoren wie Bildungsstand, Einkommen oder sie in ihrem klinischen Alltag auf die für die ihnen anvertrau- Familienstatus. Diese sozioökonomischen Aspekte sollen ten Patient*innen relevanten Informationen zugreifen kön- hinsichtlich ihres Einflusses auf die Biologie und den Verlauf nen. „Die rasche Integration von Innovationen – besonders hämatologischer und onkologischer Erkrankungen sowie die 12 DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2022
Weltkrebstag 2022 DGHO Verträglichkeit und Steuerung von entsprechenden Therapi- von Patient*innen getrennt analysiert. Meist erfolgt dabei en näher untersucht werden. „Durch die Analyse der Einflüs- eine Differenzierung hinsichtlich Alter, Geschlecht, eth- se von Diversitätsaspekten soll eine – im umfassenden Sin- nischer Subgruppen und medizinischer Faktoren wie bei- ne – individuelle Medizin in der Krebsheilkunde ermöglicht spielsweise eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion. werden“, erläutert Prof. Dr. med. Anne Letsch vom Universi- Allerdings bestehen weiterhin große Lücken, so z. B. bei tätsklinikum Schleswig-Holstein und stellvertretende Vorsit- Erkenntnissen zu älteren Patient*innen, die seltener in kli- zende des Arbeitskreises. Dieser soll projektbezogen arbeiten nische Studien eingeschlossen werden. Auch gibt es noch und vor allem als Plattform für wissenschaftliche Koopera- keinen Konsens über die notwendigen Daten für ethnische tionen für die Erstellung von Meta-Analysen, Registern, Subgruppen. Die fehlende Repräsentation von entsprechen- klinischen Studien und Leitlinienempfehlungen und durch den Kohorten in klinischen Studien ist in der wissenschaftli- Symposien, Fortbildungsveranstaltungen und die Publika- chen Literatur wiederholt beschrieben worden. Der Interna- tion von Artikeln die Wahrnehmung dieses Themas sowohl tional Council for Harmonisation of Technical Requirements in der Fach- als auch in der Laienöffentlichkeit erhöhen. Mit for Pharmaceuticals for Human Use (ICH) hat zu einigen Blick auf das Motto des diesjährigen Weltkrebstages betont Themen Richtlinien formuliert, die in der Arzneimittelprü- Prof. Dr. med. Monika Engelhardt vom Universitätsklinikum fung Anwendung finden sollen. Oft gelten allerdings noch Freiburg und Mitglied des Arbeitskreises: „‚Close the gap‘ immer Ausschlusskriterien, z. B. orientiert an das kalendari- heißt für mich, die Schwerpunkte 2022 bis 2024 ‚realizing the sche Alter, und funktionelle Kriterien werden kaum berück- problem, uniting voices und challenging those in power‘ in- sichtigt. Dabei wächst das Bewusstsein zunehmend, dass die terdisziplinär anzugehen und die Versorgung von Menschen Prüfung von Arzneimitteln allein an eng definierten Popu- mit Krebs zu verbessern. Hier will der Arbeitskreis Individu- lationen (kaukasisch, mittleres Alter etc.) nicht ausreicht, al- und Diversitätsmedizin der DGHO einen Beitrag leisten.“ und damit auch die Intention, hier intensiviert Forschung zu betreiben. Eine wichtige Forderung des Arbeitskreises DIM Was können wir aus der Pandemie lernen? der DGHO ist daher die Analyse bestehender Daten zur Auf- „Angesichts aktueller Zahlen, die auf einen möglichen Rück- deckung bisher nicht erkannter Einflüsse diverser Subgrup- gang neu diagnostizierter Krebserkrankungen seit Beginn der pen, die Entwicklung adäquater Untersuchungsmethoden COVID-19-Pandemie hinweisen, ist es notwendig, potenziel- und die Definition einheitlicher Qualitätsanforderungen für le Versorgungsdefizite in den Fokus zu rücken“, so die Forde- entsprechende Studien. rung von Hedy Kerek-Bodden, Vorsitzende Haus der Krebs- Selbsthilfe – Bundesverband e.V. Hinzukommen seitens der Klinische Studien: Das Thema der Patient*innen sozioökonomische und individuelle Faktoren, diesjährigen DGHO-Frühjahrstagung die einen optimalen Krankheitsverlauf negativ beeinflussen Im Zentrum der diesjährigen virtuellen Frühjahrstagung der können, und die in der Bundesrepublik Deutschland bisher zu DGHO (16. Februar, 9. und 30. März 2022) steht der Austausch wenig untersucht sind. Das Haus der Krebs-Selbsthilfe – Bun- über die Herausforderungen, die mit der Konzeption, Durch- desverband e. V. unterstützt daher die angelaufene Studie zu führung und Interpretation klinischer Studien einhergehen. Krebs und Armut des OECI (Organisation of European Can- Die virtuelle Frühjahrstagung bietet somit ein ideales Fo- cer Institutes). Auch in diesem Sinne ist das Motto des Welt- rum, um Aspekte der Diversitäts- und Individualmedizin in krebstages 2022 ‚Close the care gap‘ – also Versorgungslücken der Hämatologie und Onkologie zu adressieren. PD Dr. med. schließen – zu interpretieren. Annamaria Brioli vom Universitätsklinikum Greifswald und Die aktuelle SARS-CoV-2-Pandemie hat den Einfluss bei- Gründungsmitglied des Arbeitskreises DIM präzisiert zu dem spielsweise ethnischer und sozioökonomischer Faktoren auf Thema klinische Studien und Versorgungslücken: „Wenn die Ausprägung von Infektionserkrankungen unterstrichen, wir die Themen des Weltkrebstages 2022 bis 2024 konkret und zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen konnten denken, heißt das zunächst, ein Bewusstsein für bestehende den signifikanten Einfluss von Geschlecht, sozioökonomi- Versorgungslücken zu schaffen. Im weiteren Schritt (‚uniting schen und ethnischen Faktoren auf das SARS-CoV-2-Infek- our voices and taking action‘) bedeutet es, dass auch Wissen- tionsrisiko und die COVID-19-Erkrankungsschwere in multi- schaftlerinnen und Wissenschaftler aufgerufen sind, margi- plen Bevölkerungsgruppen zeigen. Insbesondere äußert sich nalisierte Personengruppen in klinische Studien zu integ- dies in einem ungünstigeren Verlauf bei Erkrankten männ- rieren und klinische Forschung damit so zu gestalten, dass lichen Geschlechts sowie bei Menschen mit einem geringen sie für alle Bevölkerungsgruppen offen ist. Schließlich meint sozioökonomischen Status. Übertragen auf Krebserkrankun- ‚together, we challenge those in power‘, dass alle Menschen gen liegen Daten aus Deutschland vor, die einen Zusam- mit Krebs sowohl in Forschung als auch in der Versorgung menhang zwischen sozioökonomischer Benachteiligung und bestmöglich berücksichtigt werden.“ der Entwicklung von Krebserkrankungen zeigen. „Um diese Determinanten besser zu verstehen und moderne Diagnos- Krebserkrankungen nehmen kontinuierlich zu tik, innovative Therapien und umfassende unterstützende Die Prävalenz von Krebserkrankungen nimmt kontinuierlich Angebote an die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen zu. Dies wird vor allem durch die demografische Entwicklung anzupassen, sind weitere Untersuchungen dringend erfor- und die damit einhergehende steigende Lebenserwartung derlich“, betont Einsele. der Bevölkerung mit höherer Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken erklärt. Auch ein verstärktes Screening sowie Klinische Studien: Essenziell für den verbesserte Diagnosemethoden tragen dazu bei, Krebser- medizinischen Fortschritt krankungen frühzeitiger zu erkennen. „Nicht zuletzt haben Um den Einfluss von Diversitätsaspekten systematisch zu sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten aber vor evaluieren, sind klinische Studien unabdingbar. In Studien allem auch die Überlebenswahrscheinlichkeiten im Falle von zur Arzneimittelzulassung werden zum Teil unter dem Ober- Krebserkrankungen verbessert, wodurch sich die Zahl der begriff ‚spezielle Populationen‘ bereits bestimmte Gruppen Patientinnen und Patienten weiter erhöht“, betont Hoch- DGHO Mitgliederrundschreiben 1/2022 13
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