Die Sozialisten und der Reichenhass - Rainer Zitelmann
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MEINUNG Die Sozialisten und der Reichenhass Von „Miethaie zu Fischstäbchen“ bis „Reiche erschießen“ – woher kommen die Ressentiments gegen Deutschlands Millionäre? Analyse eines Reflexes Von Rainer Zitelmann Historiker und Soziologe Reich an Liebe Amazon-Chef Jeff Bezos mit seiner Partnerin Lauren Sanchez vor dem Taj Mahal 38
BL I N DBL I N D Z unehmend richtet sich Hass will, dass jede Immobiliengesellschaft, die in Deutschland gegen reiche mehr als 3000 Wohnungen besitzt, enteig- Menschen. Jüngstes Beispiel net wird. Bei Demonstrationen für diese war ein Vorfall bei einer Stra- Enteignungen kann man überall Plakate tegiekonferenz der Partei Die der Linken sehen mit der Aufschrift „Miet- Linke in Kassel, bei der eine haie zu Fischstäbchen“. Bevor man einen Rednerin erklärte: „Energie- „Miethai“ zu „Fischstäbchen“ macht, wende ist auch nötig nach einer Revo- muss man ihn töten. Lustig? lution. Und auch wenn wir das eine Pro- Bei Demonstrationen linker Gruppen zent der Reichen erschossen haben, ist es zum 1. Mai 2018 in Berlin wurden Plaka- immer noch so, dass wir heizen wollen, wir te gezeigt mit Aufschriften wie „Kill your wollen uns fortbewegen.“ Nach diesem Landlord“, also: „Töte deinen Vermieter“. Redebeitrag war das dem Parteivorsitzen- Und für eine Demonstration zum 1. Mai den Bernd Riexinger offenbar etwas pein- 2019 warben Linksextreme in der Haupt- lich, weil er korrigierte: „Ich wollte noch stadt mit Plakaten, die eine Guillotine zeig- sagen, wir erschießen sie nicht, wir setzen ten, daneben die Aufschrift „Gegen die sie schon für nützliche Arbeit ein.“ Darauf Stadt der Reichen“. Es bleibt nicht bei Wor- Erschießen Auf einer Linken-Konferenz Beifall und Heiterkeit bei den anwesen- ten: Häufig werden Vorstände von Immobi- plädiert eine Teilnehmerin für die Kugel den Funktionären der Partei. Das Video lienunternehmen Ziele von Gewalt linker zu diesem Vorfall verbreitete sich rasch Aktivisten. Das reicht vom Anzünden von im Internet, CSU-Generalsekretär Markus Autos bis zu körperlicher Gewalt. Blume forderte Riexingers Rücktritt. Der Die negative Einstellung zu reichen stellte daraufhin auf Twitter klar: „Auch Menschen hat auch zu einer Wandlung wenn der Kommentar einer Teilnehmerin in der SPD geführt. Unternehmer haben auf der Strategiekonferenz nun völlig aus keinen Platz mehr in der Partei. Kürz- dem Kontext gerissen wird, er war und ist lich verkündete der Unternehmer Harald inakzeptabel. Ich bedauere, dass ich ihn Christ nach 31 Jahren Mitgliedschaft sei- nicht sofort unmissverständlich zurück- nen Parteiaustritt, diese Woche gab Chris- gewiesen habe.“ tian Lindner bekannt, dass Christ jetzt FDP-Mitglied ist. In der SPD geben ande- „Revolutionäre Grausamkeiten“ re den Ton an. Vor einigen Wochen wurde Man darf Riexinger und seiner Partei- bekannt, dass der Juso-Vorsitzende und freundin glauben, dass sie nicht pla- stellvertretende SPD-Chef Kevin Kühnert nen, wirklich 820 000 reiche Menschen nun für das Thema „Immobilien, Bauen, in Deutschland zu erschießen oder ins Wohnen“ verantwortlich ist. Wohnungen Arbeitslager zu stecken. Doch darum geht sollen seiner Meinung nach nur noch vom es nicht. Kenner der linken Szene ver- Staat vermietet werden. Im Fadenkreuz Fußballfans schmähen stehen das eigentliche Problem besser Die Wut richtet sich aber nicht nur gegen Dietmar Hopp mit Bannern im Stadion als viele konservative Kritiker. Im Blog „Miethaie“, sondern generell gegen Reiche. der linken Wochenzeitung „der Freitag“ Bundesliga-Spiele mussten unterbrochen schrieb ein Autor unter der Überschrift werden, weil Ultras Hassparolen „Reiche erschießen“: Mit wie viel innerer gegen Multimilliardär Dietmar Unter dem Fallbeil Überzeugung oder Distanz die kritisierten Hopp zeigten. Kühnert fand die Ein Plakat zur Sätze bei der Strategiekonferenz gesagt Reaktionen des DFB überzogen. 1.-Mai-Demo zeigt worden seien, wisse man nicht. Aber das Hätte er sie auch überzogen gefun- eine Guillotine sei auch nicht wichtig: „Viel wichtiger ist den, wenn der Anlass Hassparolen die geringe Widerständigkeit bei solchen gegen Zuwanderer gewesen wären? dahingesagten Bekenntnissen zu ‚revo- lutionären Grausamkeiten’. Nach dem „Egoistisch, rücksichtslos, gierig“ Motto, wo gehobelt wird, da fallen auch Das sind extreme Beispiele für den Späne, werden reiche Menschen mal Reichenhass in Deutschland, aber eben zu Abfall eines Glättungswerkes, auch in der breiten Bevölkerung das zwar ‚das Gute an sich’ ins Werk setzt, gibt es erhebliche Ressentiments aber zuvor noch einmal einige Tausende gegen reiche Menschen. Dies zeigt dem gewaltsamen Tod überantwortet.“ eine internationale Studie der Insti- tute Allensbach und Ipsos Mori, die in Fotos: dpa, twitter „Miethaie zu Fischstäbchen“ Deutschland, den USA, Frankreich und Wie auch immer Die Äußerung ist kein Einzelfall. Die Links- Großbritannien durchgeführt wurde. Dieses T-Shirt partei unterstützt in Berlin eine Initiative, Gefragt, welche Eigenschaften man fordert dazu auf, die mit einem Volksentscheid durchsetzen besonders häufig bei reichen Men- Reiche zu töten FOCUS 11/2020 39
MEINUNG Frage: „Welche Eigenschaften findet man besonders schen finde, antworteten die Deutschen: Opfer der größten Brutalitäten einer bei reichen Leuten?“ Reiche seien egoistisch (62 %), mate- Gesellschaft. Die jüngere Geschichte hat egoistisch 62 % rialistisch (56 %), rücksichtslos (50 %) in Deutschland den Holocaust an den materialistisch 56 % und gierig (49 %). Doch auch das zeigte Juden gesehen; in Russland die Pogrome rücksichtslos 50 % die Befragung: Die meisten Deutschen an Kulaken und Juden; in Nordnigeria die gierig 49 % kennen persönlich keine reichen Men- Vertreibung und Tötung bestimmter Stäm- überheblich 43 % schen, also solche, die zusätzlich zum me; in Indonesien die Ermordung von fast eigenen Haus noch mindestens eine Mil- einer Million eingewanderter Chinesen; Frage: „Welche Eigenschaften treffen auf einen lion Euro besitzen. Fragt man aber die- in China selbst wüteten die Roten Garden Millionär zu, den Sie kennen?“ jenigen, die persönlich einen Millionär gegen die Produktiven; in Uganda gab es fleißig 71 % kennen, nach dessen Charaktereigen- das Massaker an Weißen und Indern; in intelligent 71 % schaften, dann fällt die Antwort anders Tansania deren Enteignung und Vertrei- einfallsreich 58 % aus: 71 % sagen, dieser Millionär sei flei- bung; in Bangladesch die Ermordung und optimistisch 47 % ßig, ebenfalls 71 % finden ihn intelligent, Inhaftierung der Biharis. Und gegen Ende visionär 45 % 58 % bescheinigen ihm Einfallsreich- der siebziger Jahre wurde ein großer Teil tum, und 45 % nennen ihn einen Visionär. des menschlichen Reichtums und Kapi- Persönlicher Kontakt mit Millionären führt zu Es ist hier wie bei anderen Minderheiten tals sowohl in Kuba als auch in Südost- weniger Ressentiments auch: Menschen, die persönliche Kon- asien auf die offene See getrieben. Überall takte zu Angehörigen einer Minderheit kommt es zu Schrecknissen und Leichen- haben – ob es nun Muslime sind oder bergen im ewigen Kampf der Welt, sich 1,4 Millionen Reiche –, haben oft ein positiveres Bild von der Bedrohung durch die Reichen zu als jene, die keine Kontakte haben. befreien – von den Geschäftsinhabern, den Bankern, den Kaufleuten, den Händ- Linke- und AfD-Wähler mögen keine Reichen lern, den Unternehmern.“ Millionäre gibt es in Deutschland Freilich unterscheidet sich die Einstellung Als Millionär gilt jeder, der über ein zu Reichen je nach politischer Gesin- Reiche als Sündenböcke investierbares Vermögen von mindestens nung. Allensbach legte den Befragten Minderheiten, die Opfer von Massen- einer Million Euro verfügt eine besonders krasse Frage vor. Wenn morden werden, mussten in der Regel jemand sagt: „Reiche sind gut im Geld- schon lange vorher als Sündenböcke für verdienen, dafür sind sie aber in der Regel gesellschaftliche Entwicklungen herhal- keine anständigen Menschen“ – würden ten, die komplex und für die Mehrheit Wie beurteilen Sie folgende Aussage? Sie dem zustimmen? Die größte Zustim- der Menschen unverständlich waren. In „Reiche sind gut im Geldverdienen, dafür sind sie aber mung bekundeten Linke-Wähler mit 47 % Krisensituationen entlud sich dann der in der Regel keine anständigen Menschen“ (nur 34 % der Linke-Wähler lehnten dies Hass gegen sie. Bevor die Minderheiten stimme sehr zu oder eher zu stimme nicht oder überhaupt nicht zu ab). Auch bei der AfD stimmten immerhin ermordet wurden, waren sie schon längst 47 % 42 % zu und nur 33 % lehnten diese Mei- entmenschlicht worden – als „Charakter- Linke nung ab. Dagegen lehnten Anhänger von masken des Systems“ oder „Schweine“, 34% 22 % CDU/CSU, Grünen und FDP diese Aus- wie es in der Sprache der RAF-Terroristen Grüne 56 % sage mehrheitlich ab. Ähnlich verhielt es in Deutschland in den 1970er-Jahren hieß, 33 % sich bei einer anderen Frage, bei der sich die beispielsweise die Vorstandssprecher SPD 45 % zeigte, wie viel Schadenfreude jemand der Deutschen und der Dresdner Bank FDP 32 % empfindet, wenn ein Millionär durch ein oder den Präsidenten des Arbeitgeber- 51 % riskantes Geschäft viel Geld verliert. Die verbands ermordeten. Sie waren schon CDU/CSU 23 % meiste Schadenfreude empfanden Wähler Sündenböcke für den angeblich „men- 57 % von SPD, Linken und AfD. schenverachtenden Kapitalismus“ und AfD 42 % die Ungerechtigkeiten dieser Welt, bevor 33 % Worte können zu Taten führen sie schließlich „liquidiert“ wurden. n Reichtum ist unanständig, meinen vor allem Im Zusammenhang mit dem Rechtsterro- Anhänger von Linkspartei und AfD rismus wurde zu Recht darauf hingewie- sen, dass Worte zu Taten führen können. Das gilt nicht nur für Rassismus, sondern auch für Reichenhass. Eine ungeschriebe- 18 Millionen ne Geschichte ist die von Massenmorden, Quellen: Allensbach, Ipsos Mori deren Opfer Reiche und „privilegierte“ Gruppen in der Gesellschaft wurden. George Gilder schrieb in seinem Werk Dollar-Millionäre über „Wealth and Poverty“: „Auf jedem gibt es weltweit. Auf dem ersten Kontinent und in jeder Epoche wurden Reichtumsforscher Rainer Zitelmann ist Platz stehen die USA mit 5,3 Millionen Menschen, die in der Schaffung von Wohl- promovierter Historiker und Soziologe. 2019 erschien Millionären, gefolgt von Japan stand den anderen überlegen waren, sein Buch „Die Gesellschaft und ihre Reichen“ 40 FOCUS 11/2020
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